Außerdem wurde dem Präsidium die Ermächtigung ertheilt, mit der Firma Siemens u. Halske wegen probeweiser Aufstellung eines Abstimmungs⸗Telegraphen in Verbindung zu treten. — Schließlich erklärte der Reichstag die Wahl des Abg. v. Klein⸗ sorgen für Sigmaringen für gültig, da die vorliegenden Proteste unerheblich sind.
— In der heutigen (28.) Sitzung des Deutschen Reichstages, welcher die Bundesbevollmächtigten Staats⸗ Minister Delbrück, v. Nostitz⸗Wallwitz, ferner der General⸗Tele⸗
aphen⸗Direktor Oberst Meydam, der Geheime Ober⸗Regierungs⸗ ö Michaelis und andere Bundeskommissare beiwohnten, wurden zunächst einige Wahlprüfungen erledigt. Bis zum Schluß des Blattes war die Wahl des Abgeordneten v. Seyde⸗ witz für den 10. Liegnitzer Wahlkreis beanstandet und die Bean⸗ tragung einer näheren Untersuchung der vorgekommenen Unre⸗ gelmãßigkeiten beschlossen. ueber fernere Kundgebangen für das dem Reichs⸗ tage vorliegende Militärgesetz liegen heute Berichte vor aus Nordhausen, Cassel, Hagen, Burgdorf, Hameln, Eldagsen, Lübeck, Braunschweig, Wolfenbüttel, Harzburg, Apolda, Baden ꝛc. Wie die „Kölnische Zeitung“ meldet, hat die in der Ver⸗
sammlung in Cöln vom 6. d. M. beschlossene Adresse der libe⸗ ralen Reichstagswähler an den Reichstag bis gestern Abend be⸗ reits 4000 Unterschriften gefunden, eine Anzahl, die etwa zwei
Dritteln der Stimmen der vereinigten Nationalliberalen und der Fortschrittspartei bei der letzten Reichstagswahl entspricht. Die Unterzeichnungslisten sollen heute Abend nach Berlin gesandt werden und Nachtragslisten noch einige Tage aufliegen. Aus Stuttgart, meldet W. T. B. unter dem 9. April, Abends: In einer zahlreich besuchten Versamm⸗ lung von Reichstagswählern wurde heute die Resolution ange⸗ nommen, dem Reichstage gegenüber den Wunsch auszusprechen, daß die Friedenspräsenzstärke der deutschen Armee durch das Mi⸗ litärgesetz festgestellt werde und, daß der Reichstag sich mit der Reichsregierung über die Friedenspräsenzstärke auf einer von der Reichsregierung für annehmbar erachteten Grundlage eini⸗ gen möge. Die gestern von Straßburg abgegangene Petition hat folgenden Wortlaut: „Zahlreiche Altdeutsche aller Berufsklassen fühlen sich zur Er⸗ klärung gedrungen, daß die Gefahr, die Forderungen der Reichs⸗ regierung bezüglich der Präsenzstärke des Reichs heeres möchten nicht die Zustimmung der Reichsmajorität erhalten, die Gemüther der Deut⸗ schen in Elsaß⸗Lothringen mit peinlichster Sorge erfüllt. Auf dem Vorposten des Reichs unter feindlichen Elementen konftatiren wir die Befriedigung dieser feindlichen Elemente über die bisher der Re⸗ ierung bereiteten Schwierigkeiten, über die drohende Wiederkehr früͤ⸗ 283 deutscher Uneinigkeit und Schwäche, über den deutschen Ideolc⸗ en, welcher die Stärke des Vaterlandes unbewußt seinen Feinden reis giebt. Wir fordern die reickstreuen Abgeordneten auf, einmü⸗ thig zur Regierung zu stehen und angesichts der Rüstungen Frankreichs unsere militärische Kraft in fester Einigkeit zusammenzuühalken.“ — Der General⸗Major und Commandeur der 11. Infan⸗ terie⸗ Brigade von Rothmaler hat sich mit kurzem Urlaub nach Liegnitz begeben.
— Der Generalarzt J. Klasse und Corpsarzt des XI. Königlich Sächsischen) Armee⸗Corps Dr. Roth und zahlreiche Ober⸗Stabs⸗ und Stabszärzte sind zum Chirurgen⸗Kongreß hier⸗ her kommandirt worden und zu diesem Zweck hier eingetroffen.
— Der Regierungs- und Landesökonomie⸗Rath Buß bei der General⸗Kommission zu Cassel ist auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand versetzt. Der Spezial⸗Kommiffarius zu Eschwege, Regierungs⸗A1ssessor Kneuper, ist als Hülfs⸗ arbeiter in das Kollegium berufen und die Verwaltung der Spezial⸗Kommission zu Eschwege dem bisher beim Kollegium beschäftigten Regierungs⸗A1Assessor Rauch übertragen. Der Ge⸗ richts Assessor Delius ist in Folge seiner Uebernahme in die landwirthschaftliche Verwaltung zum Regierungs⸗Asseffor ernannt. Dem Spezial⸗Kommissarius, Regierungs⸗Asseffor Knatz, bisher in Gelnhausen, ist in Folge Verlegung der dortigen Spezial⸗ Kommission nach Hanau der zuletzt genannte Ort zum Wohnsitz angewiesen.
Hildesheim, 7. April. Die gestrige Erinnerungs— feier der Kampfgenossen des deutschen Reichsheeres vom Jahre 1848 49 an die Schlachten im April 1849 fand eine recht rege Betheiligung und verlief in heiterster Stimmung. Auf Beschluß der Versammlung wurden an Se. Majestät den Deutschen Kaiser und an den Verein in Dresden, resp. an den König von Sachsen, welcher als damaliger Kronprinz das sächsische Bundes⸗ Corps in Schleswig⸗Holstein befehligte, auf telegraphischem Wege Begrüßungs⸗Telegramme abgesandt.
Bad Ems, 6. April. Wie die Elb. Ztg. mittheilt, wird Se. Majestät der Kaiser von Rußland nach den ge⸗ troffenen Reisedispositionen am 20. Mai hier ankommen und in den „Vier Thürmen“ absteigen.
Bayern. München, 10. April. (Wa T. B.) Vom Tultus⸗Ministerium ist heute das Rechtsgutachten über die Frage der Anerkennung von Reinkens als Bischof der Altkatholiken in Banern veröffentlicht worden. Dasselbe geht im Wesentlichen dahin, daß die bayerische Regierung nicht berechtigt ist, den Bischof Reinkens mit den begehrten rechtlichen Folgen im Verwaltungswege anzuerkennen, sondern daß es dazu eines Ge⸗ setzes und zwar eines Verfassungsgesetzes bedarf.
Sachsen. Dresden, 9. April. Die Deutsche Kai⸗ serin ist heute Nachmittag kurz vor 3 Uhr, zunächst von Wei⸗ mar kommend, zu einem Besuche am Königlichen Hofe hierselbst eingetroffen. Der König und die Königin, die Königin Marie und der Prinz und die Prinzesfin Georg empfin⸗ gen die Kaiserin im Leipziger Bahnhofe und geleiteten Ihre Majestät nach herzlichster Begrüßung nach dem Königlichen Schlosse. Der König und der Prinz Georg trugen die Uni—⸗ formen ihrer Königlichen preußischen Regimenter. Im Bahnhofe waren auch der hiesige Königlich preußische Gesandte Graf Solms⸗Sonnewalde und der Gesandtschafts⸗Attaché Graf von Bismarck zur Begrüßung Ihrer Kaiserlichen Majestät anwesend; ferner der Stadtkomman dant General⸗Lieutenant Freiherr von
usen, der Königliche Polizeidirektor Schwauß und der Eifen⸗ ahndirektor Pöge. Im Königlichen Schlosse fand um 47 Uhr bei Ihren Königlichen Majestäten Familientafel statt, und Abends kehrte die Kaiserin nach Berlin zurück.
Württemberg. Stuttgart, g. April. Der König Hat die Prinzen Bernhard und ÄAlezander zu Sachsen? Weimar⸗Cisenach, Söhne des Prinzen Hermann zu Sachsen⸗ Weimar⸗Eisenach, unter die Großkreuze des Ordens der Würt⸗ tembergischen Krone aufgenommen.
— Dem General⸗Stabsarzt, Dr. von Klein, ist die Stelle des Chefs der Militär⸗Medizinalabtheilung des Rriegs⸗Ministe⸗
riums und dem Direktor des Ober⸗Kriegsgerichts, von Sch all, die Stelle des Chefs der Justizabtheilung des Kriegs⸗Ministeriums übertragen worden.
Mecklenburg. Schwerin, 9. April. Der Fürst Windischgrätz ist nebst drei Prinzessinnen Töchtern gestern Abend hierselbst eingetroffen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 9. April. Die Deutsche Kaiserin und der Fürst Reuß Heinrich XV. kamen gestern zu einem Besuche am Großherzoglichen Hofe hier an. Ihre Majestät reiste heute nach Dresden ab.
— Der Geburtstag der Großherzogin ist gestern in herkömmlicher Weise festlich begangen worden. Die öffentlichen Gebãude, sowie zahlreiche Privathäuser prangten im Flaggen⸗ schmuck. Um 12 Uhr fand im Großherzoglichen Residenzschloß Gratulationscour statt, bei welcher dir Mitglieder der Staats⸗ Ministerien, die bei dem Großherzoglichen Hof beglaubigten Ge⸗
sandten, die Vertreter der Universität Jena, der Landtagsvorstand,
das Offizier⸗Corps des 94. Infanterie⸗Regiments (Großherzog von Sachsen), die höheren Beamten, sowie zahlreiche Fremde von Distinktion Ihrer Königlichen Hoheit ihre Glückwuͤnsche dar⸗ brachten. Nachmittags 4 Uhr fand im Residenzschlosse Festtafel statt. Abends 7 Uhr begaben sich der Großherzog und die Großherzogin, sowie die zu Besuch anwesenden Allerhöͤchsten und Höchsten Herrschaften in die Gala⸗Vorstellung des Großherzog⸗ lichen Hoftheaters. Das zahlreich versammelte Publikum be⸗ grüßte die Fürstlichen Herrschaften bei dem Eintritt wie bei dem Verlassen des Theaters in ehrfurchtsvollster Weise.
Lippe. Detmold, 9. April. Das ‚F. L. Reg. u. Anz. Bl.“ veröffentlicht einen Bescheid des Kabinets⸗-Ministeriums auf die Eingabe der Herren Büxten und Genossen vom 23. März d. J., welche als Ausgleichungsmittel in dem Verfassungs⸗ konflikt die Berufung einer Versammlung nach dem Reichs⸗ wahlgesetz vorgeschlagen haben. Das Kabinets⸗Ministerium be⸗ tont in der Antwort, daß eine Anerkennung des 36er Wahlge⸗ setzes eine unbedingte Forderung der Nothwendigkeit sei. So⸗ lange eine beschlußfähige Landesvertretung verhindert werde, bleibe der Regierung nichts übrig, als die Regierung des Landes auf eigene Verantwortung weiter zu führen.
Desterreich⸗UAngarn. Wien, 9. April. (W. T. B.) Der neu ernannte päpstliche Nuntius Jacobini trifft zur Uebernahme seines Postens morgen hier ein.
— An die am 26. v. M. zu Ende geführten Berathungen über das Lehrerbildungswesen reihten sich, wie die „Prag. 3.“ mittheilt, die weiteren Berathungen über NRormal⸗Lehrpläne für Volks- und Bürgerschulen. Für letztere wurde be⸗ reits durch den Erlaß vom 26. August 1870 ein provisorischer Lehrplan angeordnet, und was die ersteren betrifft, so war bis⸗ her das in den 5§. 51— 60 der Schul⸗ und Unterrichtsordnung allgemein gesteckte Ziel maßgebend. Bei den gegenwärtigen Be⸗ rathungen über die Bürgerschule ist bestimmt worden, daß die achtklassige Bürgerschule die vollendetste Gestalt der Volkaschule zu repräsentiren habe, daß dieselbe daher eben so wenig den Charakter einer Fachschule, als den irgend eines Vorbereitungs— institutes haben dürfe. Mit Rücksicht auf diesen rein praktischen Zweck ging die Kommisston bei der Wahl und Anordnung des Lehrstoffes vor.
P est, 7. April. Wie der „Pesti Naplo“ meldet, arbeitet der Finanz⸗-Minister Ghyezy an einem Exposé, welches ein vollstän— diges Bild der Finanzlage und die von ihm zu machenden Vorschläge enthalten wird. Dasselbe soll im Laufe dieses Mo⸗ nats im Reichstage vorgetragen werden.
Niederlande. Haag, 6. April. Der Kaiser von Ruß land wird dem Vernehmen nach auf seiner demnächst be— vorstehenden Reise nach England einige Tage im Haag zum Besuche des niederländischen Hofes verweilen.
— Das Programm der Festlich keiten, nach welchem die Hauptstadt des Landes, Am sterdam, des Königs 25jähri— ges Regierungsjubiläum am 12. Mai feiern wird, ist fol⸗ gendes. Der König wird, wenn keine Aenderung des Programms eintritt, am 11. Mai seinen feierlichen Einzug in Amsterdam halten, und zwar zu Pferd; und es werden ihn in dem Fest⸗ zuge begleiten die Königin, in einem Gala⸗Wagen, sämmtliche Prinzen des Königlichen Hauses nebst deren Hofstaat und dem militärischen Hause des Königs. Am 12. findet die kirchliche Festfeier in der Nieuwe Kerk und am Abende eine allgemeine Illumination statt. Am 13. ist Gala⸗Vorstellung im Theater. Auf, die beiden folgenden Tage sind Beglückwünschungs— Audienzen und Festbankette angesetzt. Die Wiederabreise des Königs nach dem Haag wird am 16. erfolgen. Den Fest— lichkeiten in Amsterdam werden sämmtliche Minister, das diplo⸗ matische Corps, die Mitglieder des Staatsrathes und beider Kammern der Generalstaaten und die Bürgermeister der bedeu— tendsten Gemeinden des Reiches beiwohnen. Auf den Strecken, welche der König bei seinem Einzuge berühren wird, wird eine Reihe von Ehrenpforten sich erheben. Ihre Einrichtung ist bereits in Angriff genommen. Auf dem Konningplein (Königs⸗ platze) wird die Haupt⸗hrenpforte prangen, welche ganz aus Blumen und Pflanzen mannigfachster und seltenster Art be⸗ stehen wird.
— Der Minister Geertsema befindet sich seit einigen Wochen in Wiesbaden zum Gebrauche einer Kur. Er wird zu dem am 9. d. Mts. stattsindenden Wiederbeginne der Sitzungen der Ersten Kammer der Generalstaaten zurückerwartet.
— Auf den 16. d. Mts. ist in der Zweiten Kammer der Generalstaaten die Verhandlung über eine auf die Politik der Regierung in der atchinesischen Frage bezügliche Inter⸗ pellation anberaumt. Es haben sich Gerüchte verbreitet, nach welchen die Opposition einen Versuch machen würde, bei diesem Anlasse durch ein Tadels⸗ oder Mißtrauens⸗-Votum das Mini⸗ sterium zum Sturze zu bringen.
In Rotterdam war am 31. März wieder ein Cholera⸗ fall mit tödtlichem Verlaufe vorgekommen. Indessen ist derselbe seitdem ohne Nachfolge geblieben.
Großbritannien und Irland. London, 8. April. General⸗Major Sir Garnet Wolseley hat mit seiner Gemah⸗ lin eine Erholungsreise ins Ausland angetreten, kehrt aber An⸗ fangs Mai wieder nach England zurück, um einem Bankett, das die Stadt Po 6 der Schwarzen Wache“ und der Marine⸗ Brigade zu geben gedenkt, beizuwohnen.
Frankreich. Paris, 8. April. Gestern hat zu Buc bei Versailles der Bau der neuen Festungswerke be— gonnen. Drei der neuen Forts, die von Bue, Valleras und Saint⸗Cyr, sollen in diesem Jahre zum wenigsten beendet werden. Saint⸗Cyr soll eben so stark werden wie der Mont Valerien. Der Jura wird gegenwärtig von Genie-⸗Offizieren bereist, da dem Vernehmen nach mehrere Punkte desselben befestigt werden
sollen. Alle diese Arbeiten werden jetzt mit dem größten Eifer betrieben.
— Heute fand das Leichenbegängniß des früheren Ministers des Innern und Deputirten Beuls in der Kirche Saint Germain des Près (Faubourg St. Germain) statt. D Leidtragenden hatten sich im Institut versammelt, wo Beuls, der stãndige Sekretär der Akademie der schönen Künste war, wohnte. Der Zug setzte sich um 121 Uhr nach der Kirche in Bewegung. Ein Bataillon Infanterie bildete die Eskorte. Die Zipfel dez Leichentuches trugen der Herzog de Broglie, Vice⸗Präsident des Ministerraths, Buffet, Präsident der Nationalversammlung, Jourdain. Präsident der Akademie der Inschriften, Wallon, von der Akademie der schönen Künste, und Caro, von der französischen Akademie. Unter den Leidtragenden befanden si außer den Verwandten der Fürst de Berghes, Jãger⸗ Lieutenant welcher den Marschall Mac Mahon vertrat, der Kriegs⸗Minister General du Barail und der Gouverneur von Paris, General Ladmirault (beide in bürgerlicher Kleidung), der französische Bot⸗ schafter in London, Herzog de La Rochefoucauld⸗Bisaccia, die Mitglieder des ständigen Ausschusses der Nationalversammlung, viele andere Deputirte, Mitglieder der Akademien, Journalisten, Gelehrte u. s. w. Der kirchlichen Feier stand der Bischof von Angers, Mr. Freppel, vor. Um 11 Uhr begab sich der Leichen⸗ zug nach dem Kirchhofe Pere Lachaise. Am Grabe wurden vier Reden gehalten, die erste von Jourdain, von der Akademie der Inschriften, die zweite von Signol, von der Akademie der schönen Künste, die dritte von einem Mitgliede von der Ecole normale und die vierte vom Herzog de Broglie, dem Vice— Minister⸗Prãsidenten.
— 10. April. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ ent⸗ hält eine die Flucht Rocheforts und seiner Genossen betreffende Mittheilung der Regierung, nach welcher die Ent⸗ weichung auf einem englischen nach Australien bestimmten Schiffe stattgefunden hat, während der Gouverneur von Neu⸗Kaledonien auf einer Inspektionsrundreise begriffen war. Eine strenge militãrgerichtliche Untersuchung des näheren Vorganges ist ein⸗ geleitet. Von Seiten des Marine⸗Ministeriums ist ein höherer Offizier init den umfänglichsten Vollmachten für etwaige weitere Schritte in dieser Angelegenheit nach Neu⸗Knaledonien abgeordnet, wohin derselbe am 14. d. M. abgehen wird.
Versailles, 9. April. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Permanenzkommission kam zunächst die Ver⸗ hängung des Belagerungszustandes über die Stadt Algier zur Sprache. Der Herzog von Broglie erklärte, der General⸗Gou⸗ verneur, General Chanzy, habe wegen der von der Presse in Algier begangenen Ausschreitungen die Maßregel betrieben, die
Notabeln von Algier seien vorher darüber befragt worden und
hätten die Maßregel durchaus gebilligt. Betreffs der erfolgten Auflösung des Munizipalrathes von Marseille, welche sodann in Anregung gebracht wurde, wurde vom Präsidenten der National versammlung, Buffet, bemerkt, es sei das eine Sache, die zu einer Wiedereinberufung der Nationalversammlung einen so dringenden Anlaß nicht geben könne, die Permanenzkom⸗ mission gehe dieselbe nichts an. Endlich wurde auf Befragen vom Herzog von Broglie bestätigt, daß Rochefort aus Neu⸗ kaledonien entflohen sei. Die naͤchste Sitzung der Kommission wurde auf den 23. d. M. anberaumt.
(Monatsübersicht für Februar und März) Die Nationalversammlung hat im Monat Februar ihr Bu⸗ reau erneuert; Herr Buffet ist mit einer schwachen Majorität in seiner Stellung als Präsident der Nationalversammlung be⸗ stätigt worden. Die Ernennung der Quästoren hat mehrere Sitzungen in Anspruch genommen; schließlich haben zwei der von der Opposition begünstigte Kandidaten den Sieg davon⸗ getragen. Dieser Umstand ist in der Presse als ein Zeichen der Schwäche der Regierungspartei gedeutet worden. Die rein ge⸗ schäftlichen Sitzungen der Kammer sind mit Verhandlungen über das Budget ausgefüllt worden. Die Ersatzwahlen, welche im Monat Februar stattgefunden haben, sind zu Gunsten der Bonapartisten und Republikaner ausgefallen.
Der Marschall Mac Mahon, Präsident der Repu⸗ blik, hat am 5. Februar vor der Pariser Handelskammer erklärt, daß er seine Regierung, d. h. das Septennat vor allen An⸗ griffen, woher sie auch kommen mögen, schützen werde. Diese kurzen Worte des Marschalls sind von der Pariser Presse aus⸗ führlich kommentirt worden und haben eine heftige Polemik zwischen den regierungsfreundlichen Organen und den Zeitungen der legitimistischen Opposition hervorgerufen.
Das neue Gesetz über die Ernennung der Maires ist während des Monats Februar von der Regierung stark aus— gebeutet worden. Der Herzog von Broglie hat ein Tirkular an die Präfekten erlassen, in dem er sagt, daß die Regierung von einem Maire aufrichtige und unbedingte Zustimmung zu dem Septennat verlange; in Folge dessen sind eine große Anzahl von Munizipalbeamten aus den von ihnen seit dem 4. September 1870 bekleideten Stellungen entlassen worden. Besonderes Auf⸗ sehen hat die Entlassung des Maire von Versailles, des Herrn Rameau, erregt.
Herr Emil Ollivier, der seit dem Sturze des Kaiser⸗ thums Paris verlassen hatte, ist im Monat Februar dorthin zurückgekehrt zum Behufe seiner feierlichen Aufnahme in die fran⸗ zösische Akademie.
Herr Rouher hat in der Zeitung „'Ordre“ einen Brief ver⸗ öffentlicht, der als das neueste Programm des Bonapartismus betrachtet wird. Herr Rouher sagt darin, daß die Bonapartisten das Septennat unterstützen werden, weil diese provisorische Regierungs⸗ form die Anhänger derselben für die Zukunft nicht binde. Eine definitive Regierung, meint Herr Rouher, müsse ihren Ursprung einem appel au peuple verdanken; er glaubt, daß die Mon⸗ archisten es nicht wagen werden, sich der Nation gegenüberzu⸗ stellen, und daß das französische Volk schließlich nur darüber zu bestimmen haben werde, ob die zukünftige Regierung von Frank⸗ reich die Republik oder das Kaiferthum sein soll.
Der Prinz Jersme Napolson hat einen Brief veröf— fentlicht, in dem er sich von der bonapartistischen Pariei, wie diese von Herrn Rouher vertreten wird, lossagt; er ist in Folge dessen von der bonapartistischen Zeitung „Le Pays“, in heftiger Weise angegriffen worden. ;
Michelet, der bekannte Historiker, ist am 8. Februar in Hyäres gestorben.
Die Nationalversammlung in Versailles hat während des Monats März verschiedene interessante Fragen er⸗ örtert und theilweise zum Abschluß gebracht; auch haben einige stürmische Sitzungen stattgefunden, welche die Existenz des Mini⸗ sterium Broglie zu 2 schienen. Das Budget ist in einer langen Reihe von Sitzungen diskutirt worden, ohne daß es bis jetzt gelungen wäre, die Frage vollständig zu erledigen; jedoch hat der Finanz-Minister, Herr Magne, die meisten der von ihm gemachten Vorschläge durchgebracht. — Die Verhandlungen über die Befestigung von Paris find in dem von der Regierung ge⸗
wü nschten Sinne erledigt worden; Thiers, welcher bei dieser Gel egenheit eine längere Rede gehalten hat, ist mit seiner Mei⸗ nung in der Minoritãt geblieben. — Herr Christophle, einer der Fuhrer des linken Centrums, interpellirte die Regierung wegen der gegen die republikanische Zeitung, XIX. Siecle, ergriffenen Maßregeln. — Einige Tage später, am 18. März, erklärte Herr
Cazanove de Pradine, Mitglied der äußersten Rechten, daß er
und seine Parteigenossen das Septennat nur als einen Ueber⸗ gang zur Monarchie betrachten BSnnten. — Am 25. März wurde das Ministerium darauf wegen Auflösung der Munizipalräthe inter⸗ pellirt, und zwei Tage später, am 27. März, verlangte Herr Da⸗ hirel, ein hervorragender Legitimist, daß eine sofortige Entscheidung uber die zu adoptirende Regierungsform getroffen werde. — Der
Herzog von Broglie hat die von der Linken und Rechten gegen das Ministerium gerichteten Angriffe zurückweisen können, und ist in allen Fällen der Uebergang zur Tagesordnung mit Ma⸗
joritãten von 40-69 Stimmen zu Gunsten der Regierung ent⸗ schieden worden. Bei der Abstimmung über den Vorschlag Dahirel haben Mitglieder der radikalen Partei, unter Andern die Herren Ledru⸗Rollin und Naquet, für die Regierung gestimmt. Die regierungsfeindliche Presse deutet dies als ein Symptom des Zerfallens der konservativen Kammermajorität. Am 28. März hat sich die Nationalversammlung auf 6 Wochen vertagt.
Der Dreißiger-Ausschuß, welcher Namens des Mar— schalls von Mare Mahon aufgefordert war, seine Arbeiten mög— lichst zu beschleunigen, hat nun seinen Bericht über das neue Wahlgesetz veröffentlicht. Der Herzog von Broglie hat vor diesem Ausschuß einen längeren Vortrag über die Zusammen⸗ setzung einer Zweiten Kammer gehalten, welcher von der fran— zösischen Presse in lebhafter Weise kommentirt worden ist.
Der Marschall Mace Mahon hat am 19. März und im Verfolg der Kammerverhandlungen vom 18. März — Rede des Herrn Cazanove de Pradine — einen Brief veröffent— licht, in dem er erkaͤrt, daß das Septennat als eine Regierung sui generis zu betrachten sei, welche weder der Republik noch der Monarchie vorzeitig Platz machen würde.
Der Geburtstag des Kaiserlichen Prinzen Napo— leon, welcher am 16. März großjährig geworden ist, hat Ber— anlassung zu bonapartistischen Manifestationen gegeben. Die
öffentliche Ruhe ist nirgends gestört worden; jedoch hat sich die
Regierung veranlaßt gefühlt, den Herzog von Padoue und Herrn von Cassagnac wegen hervorragender Betheiligung an dem Feste in Chiselhurst aus den von ihnen bekleideten Stellen als Maires zu entlassen.
Die Er satzwahlen, welche im Monat März stattgefunden haben, sind zu Gunsten der radikalen Partei ausgefallen; das Departement des Var hat Herrn Ledru⸗Rollin, das der Haute— Marne Herrn Danelle, und das der Gironde Herrn Roudier mit sehr bedeutender Majorität gewählt.
Spanien. St. Jean de Luz, 9. April. (W. T. B.) Marschall Serrano ist nach Madrid zurückgekehrt, an seiner Statt hat General Concha, der mit Verstärkungen in Santander angekommen ist, den Oberbefehl über die bei Bilbao operirende Armee übernommen. Es geht das Gerücht, daß der Abschluß einer Konvention zwischen den um Bilbao stehenden beiderfeiti⸗ gen Armeen bevorstehe.
Italien. F om, 5. April. Der Finanz⸗Minister hat der General⸗Budgetkommission bereits die verschiedenen Voranschläge für das Jahr 1875 zugestellt: Die Einnahmen sind mit 1,142,258, 283 Fr. Ordinarium und 69,262, 568 Fr. Extraordinarium, zusammen 1,211,520, 8õ2 Fr. beziffert. Der Voranschlag der Ausgaben des Finanz⸗Ministeriums beträgt für 1875 857.269, 832 Fr., d. i. 8,973,302 Fr. mehr als im Jahre 1874, betragen. Davon kommen 1701,36 Fr. auf Garantien und Dotationen und 7,527,655 Fr. auf verschiedene Verwal⸗ tungszweige. Die Verwaltung des Kirchenvermögens nimmt 255,800 Fr. weniger in Anspruch als im Voranschlaͤg für 1874. Die Zinsen der konsolidirten Schuld, welche im Voranschlag für 1874 345,034,029 Fr. betrugen, sind um 3, 867,048 Fr. höher
angesetzt; die rücklaufbare Schuld 16,849, 266 Fr. im Voran⸗ schlag für 1874, beträgt 5,481,409 Fr. weniger, und die schwe⸗ bende Schuld 3 Millionen mehr.
— Dem Mailänder Corriere“ wird von Rom geschrieben: Die Gefahr des Krieges mit der Republik San Marino ist glücklich vorübergegangen und die militärische Einschließung der⸗ selben bereits wieder abkommandirt. Die Regierung der Repu⸗ blik will sich dafür zu Verhandlungen über die Revision des Auslieferungsvertrages herbeilassen, um ihn wirksamer zu machen. ö
— Eine Verordnung des Kriegs⸗Ministers ver⸗ bietet Offizieren und Militärbeamten, sich in kommerziellen und industriellen Gesellschaften oder Kreditanstalten anstellen zu lassen oder Mitglieder des Verwaltungsrathes solcher Gesellschaften und Anstalten zu werden.
— Gestern fand im Konsistoriumssaale des Vatikans ein großer Empfang von Katholiken statt.
Rußland nnd Polen. St. Peters burg, 8. April. Am 4. April fand in der neuen Admiralität die Kiellegung des eisernen Kanonenbootes „Jersch“ statt. Das Boot wird 250 Fuß lang, mit Geschützen schwersten Kalibers armirt und zum Küstenschutz bestimmt sein. Die Kiellegung eines zweiten gleichen Bootes soll bald folgen.
— Die M. Ztg. schreibt: Bekanntlich bedienen sich nach dem jetzigen Reglement für die militärische Disziplin Offiziere
beim Sprechen mit Untermilitärs jeden Grades, mit Ausnahme der Portepée⸗Junker, der Anrede Du“, während die Untermilitärs beim Sprechen mit Offizieren das ihrem Range zukommende Prädikat „Ew. Wohlgeboren', Ew. Dochwohlgeboren“ ꝛc. gebrauchen. Das Komite für Bildung und Organisation der Truppen soll nun einen Antrag zur Bestäti⸗
gung auf dem Wege der Gesetzgebung eingereicht haben, nach welchem die Form jener persönlichen Beziehungen dahin abge⸗ ändert werden soll, daß die Unter⸗Militärs Offiziere nach ihrem
Rang, also „Herr Lieutenant“, Herr Oberst“ ꝛc. tituliren, die Offiziere dagegen alle Unter⸗Militärs mit „Sie“ anreden.
— Der R. W.“ wird mitgetheilt, daß der rusfischen Re⸗ gierung das Projekt des neuen Tarifs zur Bestätigung zuge— gangen sei, welches die russisch⸗belgische Konferenz unter Mitwirkung eines Vertreters der russischen Haupt⸗Eisenbahn⸗ gesellschaft ausgearbeitet hat zum direkten Verkehr von Moskau über Ssmolensk, wie über St. Petersburg nach Belgien.
Amerika. Washing ton, 7. April (per Kabel). Am Schluß der Debatte über die Finanzbill im Senat wurden von den republikanischen Mitgliedern Warnungen gegen die Ver⸗ mehrung des Papiergeldes geäußert. Im Lande finden zahl⸗ reiche Appelle statt, die in den Präsidenten dringen, die Bill mit seinem Veto zu belegen.
— Der Präsident Grant empfing heute offiziell Serrn Bartholdi, den neuen französischen Gesandten bei der Union.
Die Nr. 32 des Amts-Blatts der Deutschen Reich es— Post verwaltung“ hat folgenden Inhalt: General⸗Verfüͤgungen: vom 20. März 1874: Bächerzettel; vom 6. April 1874: Aufkleben der Freimarken; vom 5. April 1874: Anwendung der vorgeschriebenen Bezeichnung bei den an Soldaten gerichteten Packeten; vom 7. April 1874: Korrespondenzverkehr mit den Fidji⸗Inseln.
— Nr. 15 vom Justiz⸗Ministerial⸗Blatt für die preu⸗ ßische Gesetzgebung und Rechtspflege, herausgegeben im Bureau des Justiz⸗Ministeriums, zum Besten der Justiz⸗Offizianten⸗ Wittwenkasse, hat folgenden Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 18. März 1874, betreffend die Verrechnung der Portogusgaben. Allge⸗ meine Verfügung vom 1. April 1874, betreffend die Zaständigkeit der Justizbehörden in Ansehung der Grundstücke und Lokalien der Justiz— verwaltung. Allgemeine Verfügung vom 1. April 1874, betreffend
Verfügung vom 4 April 1874, ie Vereidigung Koͤniglicher Forst⸗ schutzbeamten hetreffend. Erkenntniß des Königlichen Dber-Tribu— nals vom 18. Februar 1874 (S. Central-Handelsregister).
die Einlösung der außer Kurs gesetzten Landes goldmünzen. Allgemeine Aubelfeien,
unst, Wissenschaft und Literatur.
London, 8. April. Im Krystallpalast in Sydenham werden Vorbereitungen für das diesjährige Händel fest getroffen. Dag Fest wird am 22, 24 und 26. Juni und die Generalprobe am 18. Juni stattfinden. Die musikalische Leitung des Festes wird wieder Sir Michael Costa übernehmen. —⸗
Straßburg, J. April. Den früheren Bũcher⸗Schenkungen aus Spanien, welche die Kaiserlicke Universitäts⸗ und Landes⸗ bibliothek der Thätigkeit des Madrider Komites zu verdanken hat, reihte sich, wie die Str. Ztg. mittheilt, kürzlich eine Ppeitere än, welche hauptsächlich Prachtwerke enthielt, die noch von König Ama—⸗ deus für die genannte Bibliothek bestimmt worden waren.
Stockholm, 6. April. Aus Kongsvinger in Norwegen wird geschrieben; Wir haben ietzt endlich und zwar zum ersten Male vollständigen Winter. Der Schnee liegt schon seitamehreren Tagen, und überall herrscht die größte Rührigkeit, um die so unerwartet erhaltene gute Bahn zum Transport der aufgehäuften Waaren zu benutzen. Der reichliche Schneefall ist uns auch in anderer Beziehung sebr willkemmen, indem wir binnen kurzer Zeit an Wassermangel hätten leiden müssen.
Gewerbe und Handel. Breslau, 9. April. (W. T. B) Die Generalversammlung
der Schlesischen Centralbank für Landwirthschaft und Handel“ hat die Vertheilung einer achtprozentigen Dividende und die Rücklegung von 350 000 Thlrn. in den Reservefonds genehmigt.
— Die Zeitschrift für Gewerbe, Handel und Volks⸗ wirthschaft, Organ des Bberschleßÿichen Berg⸗ und Hüttenmän- nischen Vereins, Nr. 14 enthält: Zur Militär⸗-Konfliktsfrage. Ober⸗ schlesiens Handelskammer oder auch Handelskammern. Oberschlesiens Kohlenabsatz im Jahre 1873.
München, 9. April. (W. T. B.) Nach zuverlässiger Mit⸗ theilung wird die vom Verwaltungsrathe der Bayerischen Wechs⸗ lerbank festgesetzte diesjährige Dividende 4x betragen.
Wien, 9. April. (W. T. B.) Die auf beute anberaumte Ge⸗ neralversammlung der Aktionäre der Bodenkreditanstalt war nicht beschlußfähig und wurde auf den 22. d. M. vertagt.
— Am 16. September 1875 wird in Santiago (Chile) eine nternationale Ausstellung fär Rohstoffe, Maschinen, In— dustrie und Manufaktur, schöne Künste und öffentlichen Unterricht eröffnet werden.
Verkehrs⸗Anstalten.
Breslau. 9. April. (W. T. B.) Die Direktion der Rechten Qder⸗Ufer⸗Bahn hat beschlossen, bei dem Verwaltungsrathe, der Generalversammlung und dem Handels⸗Minister die Genehmigung zur Uebernahme des Betriebs der Dels-Gnesener Bahn und zu einer 10jährigen Garantie der betreffenden Stamm-Prioritäten mit 4 pCt. vorschußweise nachzusuchen.
Königliche Schau spiele.
Sonnabend, 11. April. Opernhaus. Keine Vorstellung.
Schauspielhaus. (97. Vorstellung). Viel Lärmen um Nichts. Lustspiel in 5 Abtheilungen von Shakespeare. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Sonnabend, 11. April. Im Saal- Theater des König⸗ lichen Schauspielhauses. Siebenundfünfzigste Vorstellung der fran⸗ zösischen Schauspieler⸗Gesellschaft. Deuxieme representation de: Montjoye.
Sonntag, 12. April. Opernhaus. (92. Vorstellung.) Fra Diavolo, oder: Das Gasthaus zu Terracina. Oper in 3 Ab⸗
theilungen. Musik von Auber. Pamella: Frl. Horina. Zerline:
Fr. Mallinger. Fra Diavolo: Hr. Niemann. Tord Cookburn: * Salomon. Lorenzo: Hr. Schott. Anfang 7 Uhr. Hohe reise.
Schauspielhaus. (98. Vorstellung). Zur hunder jãhrigen Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Schauspiel in 5 Abtheilungen von Göthe. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Sonntag, den 12. April. Im Saal⸗Theater des Königlichen
=
Schauspielhauses. Achtundfünfzigste Vorstellung der franzöfischen Schauspieler⸗Gesellschaft. Froisisme representation de: Montjoye.
Ausstellung des Vereins zur Förderung des
Zeichenunterrichts. J.
Der, Verein zur Förderung des Zeichenunterrichts“, deen im Jahre 1868 von sieben Mitgliedern begründet, hente bereits dercF 166 zählt, hat, wie bereits gemeldet, gegenwärtig in den Räumen der hiesigen Kunstakademie seine dritte Ausstellung veranstaltet, die, nach mehr als einer Seite hin umfangreicher als die beiden 1869 und 1870 ihr vorausgegangenen, einen doppelten Zweck ins Auge faßt. Es war die Intention des Vereins, ein, soweit dies möglich, anfchauliches Bild von dem augenblicklichen Stande des Zeichenunterrichts in den ver schiedenen Unterrichtsanstalten darzubieten, zugleich aber auch in der Ausstellung dasjenige Material zu geben, auf welches eine Klarstel⸗ lung der in dem Zeichenunterricht zu verfolgenden Ziele sich gründen muß.
Nach, den verschiedensten Seiten hin ist deshalb die Einladung zur Beschickung der Ausstellung ergangen, und so zeigt sich in ihr eine Fülle von Produkten des Unterrichts sowohl wie der Industrieweige vereinigt, in denen das Zeichnen seine praktische Verwendung findet. Nicht etwa als Vorbild dessen, was der Verein erstrebt, darf somit die Gesammtheit der ausgestellten Gegenstände betrachtet werden, son—⸗ dern vielmehr nur als eine Summe von Anhaltspunkten für die er—
wünschte Klärung des Urtheils, als der Stoff, aus welchem feste,
mustergiltige Bildungen sich allmählich gestalten dürften. Daß dieser Stoff. bei Weitem nicht vollständig und gleichmäßig zu beschaffen war, ist in der Natur der obwaltenden Umstände begründet; was aber in der Ausstellung — theüweise systematisch geordnet, theilweise mehr durch den Zufall zusammengeführt — vorhanden ist, kann nur unter dem eben angedeuteten Gesichtspunkt richtig verstanden und gewürdigt werden. Den Fachgenossen., zumeist den Zeichenlehrern, dann aber auch dem weiteren Publikum wird es an fruchtbaren Anregungen dort nicht fehlen, wenngleich in der Anordnung der ungleichmäßig einge— . Ausstellungsobjekte eine strenggeschlossene Einheit und lücken- ose Vollständigkeit mehrfach vermißt wird. Der „Verein zur Förderung des Zeichenunterrichts“ hat sich die in seinem Namen angedeutete Aufgabe gestellt, dahin thätig zu sein, daß dem Unterricht im Zeichnen einmal der ihm gebührende Platz im System der Erziehung zugewiesen, dann aber auch demselben ein fest⸗ bestimmtes Ziel gesetzt und eine diesem entsprechende Methode in ihr zur Geltung gebracht werde. Indem er einem planlosen Dilettan⸗ lismus auf dem weiten Gebiet des Zeichnens entgegentritt und viel mehr eine einheitliche Organisation desselben als eines vollberechtigten, nicht blos wünschenswerthen, sondern unentbehrlichen Unterrichtszweiges derlangt, sftellt der Verein seine Ziele in die Reihe der mannigfachen Bestrebungen unserer Zeit, die, im Gefolge der großen internationalen Ausstellungen entstanden, eine echte Bildung des Geschmacks und die damit auf praktiichem Gebiete zusammenhängende Hebung der moder⸗ nen Kunstindustrie bezwecken. Denn für die volle Verwirklichung die- ser Bestrebungen ist zweierlei erforderlich, zunächst das Vorführen 23 gebender Muster, welche Gewerbemuseen und Ausstellungen kunstgewerb⸗ licher Gegenstände, wie jene vor zwei Jahren im Zeughause statt⸗ ehabte, darbieten, — ferner aber auch eine das Studinm der vor- andenen Vorbilder vertiefende und ein lebendiges Verständniß der
Form erschließende eigene Uebung im Zeichnen, die den Lernenden
im Anschluß an die durch die Anschauung aufgenommenen Formen e zu selbständig erfindender, stylgemäßer Produktion hinüber⸗ eitet.
der Industrie in eine Wechselwirkung, die sich um so fruchtbarer er—
weisen wird, je inniger sich die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihnen
gestalten, deren Pflege in erster Linie den technischen Vorbereitungs— anstalten, den Gewerbezeichenschulen und ähnlichen Instituten anheim⸗
. wird. . , n 2 r,. die Ecgebnisse 6 eichenunterrichts in der Volksschule mit den Anforderungen, welche = ; . 3 . 2 Die Induftcie zu erheben Jenzthizt ist, in Vergleich 'steltserno ee kasten, durch die Arbeiten im Ausstechen und Ausnähen, im Flechten
Frage an, inwieweit die Volksschule ihre Ziele mit diesen praktischen Anforderungen direkt zu verbinden haben dürfte, um ihrem Zögling 1 Uebergang in eine kunstgewerbliche Thätigkeit zu er—⸗ leichtern.
In ihrer gesammten Erscheinung veranschaulicht die Ausstel⸗ lung die Thatsache, daß für den Zeichenunterricht nech nicht die feste Stellung gefunden wurde, deren sich andere Disziplinen im System unserer Erziehung erfreuen, daß aber auch unter den Fachgenossen selber noch keineswegs Uebereinstimmung über die endlichen Ziele dieses Unterrichts, geschweige denn über die ihm zu Grunde zu legende Methode vorhanden ist. Die Betrachtung der verschiedenartigen Methoden, die sich in der Beschaffenheit ihrer Unterrichtsmittel wie der damit erreichten Resultate dar⸗ stellen, wird jomit den sorgsam prüfenden Besucher der Ausstellung zu wichtigen Erwägungen peranlassen müssen. Während jede dieser Methoden, wie billig, auf die Erzielung von Fertigkeit und Sicher— heit der Hand und des Auges hinstrebt, unterscheiden sie sich wesent⸗ lich in der Art und Weise, wie sie das zweite Bildungsmoment des Zeichenunterrichts, die Erweckung eines lebendigen Formensinnes, mehr oder weniger in den Vordergrund treten lassen, wie sie entweder mehr die Nachbildung abstrakter mathematischer Formen betonen oder durch die Darstellung von Gegenständen und Motiven der belebten Welt
das Interesse des Schülers zu fesseln suchen, wie sie endlich zum Theil
auf den Anschluß an andere Unterrichtsgegenstände verzichten, zum Theil sich mit ihnen, wie mit der Geographie und Naturkunde, in engere Beziehung zu setzen bemüht sind. )
Bei der Betrachtung der einzelnen Gruppen der Ausstellung wie derholen sich dieselben Wahrnehmungen mehrfach und fordern zur Ab⸗— wägung der Vortheile und der Nachtheile des betreffenden Verfahrens auf. Wir werden auf einige der hervorragendsten Erscheinungen in dieser Beziehung noch besonders aufmerksam machen, wenden uns 5 zunächst zu einer kurzen Uebersicht über den Inhalt der Aus— stellung. .
Im Uhrsaal der Akademie sind von verschiedenen Buchhandlungen Musterblätter, Vorlagen und andere Publikationen, die mit den ver⸗ chiedenen Stufen des Zeichenunterrichts und mit der gegenwãrtigen
ewegung auf dem Gebiete der Kunstindustrie zusammenhängen, zur Ansicht aufgelegt. Der dn, findet dadurch Gelegenheit, sich mit älteren wie neueren werthvollen Erscheinungen gmit Br. Bucher und Gnauths „Kunsthandwerk“, mit V. Teirichs Blättern für Kunstge⸗ werbe“, mit Racinets polychrom;em Ornament“ u. a. m) bekannt zu machen. Ferner befindet sich hier eine reichhaltige Ausstellung der ver⸗
schiedensten Zeichenmaterialien, in die sich mit renommirten hiesigen Rirmen die Fabrik von Hardtmuth in Wien und Budweis theilt. Den Erzeugnissen ihrer Bleistiftfabrik wird von einer Kommission
. ; ; ; ö = Sachverständiger das günstigste Zeugniß gegeben. Damit treten der Zeichenunterricht und die mannigfachen Zweige! ee , günstiste Zengniß gen
Der folgende Saal der Ausstellung soll die Entwickelung des Zeichenunterrichts von seinen ersten Anfängen an, die im Kindergarten wurzeln, bis zum Abschluß der Volksschule zur Anschauung bringen. Die Beschäftigungsmittel des Kindergartens zielen sämmtlich auf frühzeitige Erweckung des Formensinns ab, der durch das Legen von
Stäbchen, Ringen und Täfelchen, durch das Spiel mit dem Bau—
und Ausschneiden, sowie in Anfängen des Modellirens feine Pflege
findet. Während verschiedene Proben der Ausstellung hier eine ein.
heitliche Methode vermissen lassen, wieder andere der ausgestellten Arbeiten über die Sphäre des Kindes hinauszugreifen scheinen, ift in dem methodischen Lehrgange, den Dr. Georgens ausstellt, die Zahl der Beschäftigungsmittel beschränkt, zugleich aber auch der Versuch gemacht, den Zeichenunterricht der Volksschule mit dem Kindergarten in Verbindung zu setzen, während gegenwartig beide Institute ihre kesonderen, von einander unabhängigen Wege gehen. An dieses Pro= jekt, das in drei nach den Altersklassen der Schüler abgestuften Theilen die verschiedenartigsten Vorlagen darbietet und viel fache Beachtung findet, schließt sich die Ausstellung der Berliner
Gemeindeschulen und einer Reihe anderer Volksschulen an, die Probe⸗
arbeiten und Lehrmittel hergesandt haben und in ihnen die schon an gedeutete Thatsache beweisen, daß eine Uebereinstimmung über die Ziele des Zeichenunterrichtz bisher in keiner Weise besteht, daher auch die Resultate desselben weit augeinanderfallen. Nur in dem Groß herzogthum Hessen ist eine einheitliche, vom Professor Kumpa be⸗ gründete Methode durchgeführt, die freilich in der Volksschule über die Verwendung der geraden Linie nicht hinausgeht. Neben dieser Methode ist noch eine andere sehr bemerkenswerth, die in den von Falk in Zwickau ausgestellten großen Wandtafeln veranschaulicht wird; im Gegensatz zu der Kumpaschen Methode knüpft sie durchweg an Motive an, die in der Natur, in deren lebendiger Vegetation sowohl wie in mannigfachen Formen von Gefäßen z. gegeben sind und auf ihre einfache Grundgestalt zurückgeführt werden.
Das Bild des Zeichenunterrichts in der Volksschule findet seine Ergänzung in der Ausstellung der Seminare, die nicht sehr reich be= schickt worden ist, aber doch einige interessante Proben des Zeichen⸗ unterrichts darbietet. Namentlich das Seminar don Eisenach erwirbt sich durch die korrekte Au führung der Zeichnungen und durch die Auswahl der behandelten Vorwürfe eine eingehendere Beachtung.
In demselben Saale befindet sich endlich noch die Ausstellung der Königlichen Blindenanstalt zu Berlin, die einen Einblick in die Art und Weise eröffnet, wie mit Zahülfenahme des allmählich sich zu hoher Sicherheit ausbildenden Tastsinnes auch dem Blinden das Ver. ständniß der Formen sich soweit erschließt, daß er nicht nur die der Figuren benöthigten mathematischen Beweise zu führen vermag, son⸗ dern sogar dahin gelangt, Körperformen, die er durch Betasten in sich aufgenommen hat, durch Modellirung selbständig zu reproduziren, wie das ein von einem Blinden geschnitzter, mit drei Hundeköpfen verzierter Uhrständer beweist.
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