Garde⸗Regiments, wo Allerhöchstdieselben nebst Gefolge das von dem Offiziercorps angebotene Frühstück annahmen.
— Se. Majestät der Kaiser von Rußland werden nach den bisher getroffenen Dispositionen am Sonntag, den 3. Mai, Nachmittags 1 Uhr mittelst Extrazuges auf dem König⸗ lichen Ostbahnhofe hier eintreffen. An demselben Tage wird zu Ehren Sr. Majestät bei den Kaiserlichen Majestäten im Kaiser⸗ lich⸗Königlichen Palais ein Diner stattfinden. Für den 4. Mai ist ein Diner bei Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin und Abends eine Soirée bei Ihren Kaiserlichen Majestäten in Aus⸗ sicht genommen. Außerdem werden Se. Majestät der Kaiser an diesem Tage, dem Vernehmen nach, dem Brigade⸗Excereciren auf dem Tempelhofer Felde beiwohnen und am 5. das aus Brandenburg a. H. zu diesem Zweck hier eintreffende Kürassier⸗ Regiment (Kaiser Nicolaus von Rußland) Nr. 6 auf dem Königsplatz vor dem Siegesdenkmal besichtigen. Später findet bei ihren Kaiserlichen Majestäten Diner statt.
— Der Bundesrath, der Ausschuß für Justizwesen und der Ausschuß für Eisenbahnen, Post und Telegraphen hielten heute Sitzungen.
— Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung begann der Deutsche Reichstag nach der Beendigung der zweiten Berathung des Gesetzes, betreffend die Verhinderung der unbe⸗ fugten Ausübung von Kirchenämtern, die dritte Berathung des Reichspreßgesetzes. In der General⸗Diskussion charakterisirte der Abg. Dr. Marquardsen die von ihm beantragten vermittelnden Amendements, mit denen sich der Präsident des Reichskanzler⸗ Amts, Staats-Minister Dr. Delbrück, einverstanden erklärte. Die Abgg. Sonnemann und Träger erklärten sich gegen, die Abgg. Dr. Lasker, Dr. Windthorst und Dr. Schwarze für diese An⸗ träge. In der Spezial⸗Diskussion wurden die einzelnen Para⸗ graphen fast ohne Diskussion angenommen; nur wurde nach dem Antrage des Abg. Dr. Marquardsen in 5§. 4 der Absatz ? gestrichen; 5. 11 in folgender Fassung angenommen:
„Der verantwortliche Redacteur einer periodischen Druckschrift ist verpflichtet, eine Berichtigung der in letzter mitgetheilten Thatsachen auf Verlangen einer betheiligten öffentlichen Behörde oder Privat- person ohne Einschaltungen oder Weglassungen aufzunehmen, sofern die Berichtigung von dem Einsender unterzeichnet ist, keinen strafbaren Inhalt hat und sich auf thatsächliche Angaben beschränkt.
Der Abdruck muß in der nach Empfang der Einsendung nächst⸗ folgenden für den Druck nicht bereits abgeschlossenen Nummer und zwar in demselben Theile der Druckschrift und mit derselben Schrift, wie der Abdruck des zu kerichtigenden Artikels geschehen.
Die Aufnahme erfolgt kostenfrei, soweit nicht die Entgegnung den Raum der zu berichtigenden Mittheilung überschreitet; für die über ,, hinausgehenden Zeilen sind die üblichen Insertionsgebühren zu entrichten.“
Die §§. 14, 15 und 23 wurden gestrichen und zum §. 21 folgender Zusatz gemacht:
„Ist die unberechtigte Verweigerung im guten Glauben geschehen, so ist unter Freisprechung von Strafe und Kosten lediglich die nach— trägliche Aufnahme anzuordnen.“
Die Diskussion über 5. 24 wurde nicht beendet, da das . über die Formulirung eines Zusatzes sich nicht einigen onnte, deshalb vertagte sich der Reichstag um 5 Uhr.
— In der heutigen (41.) Sitzung des Reichstages, welcher die Bevollmächtiaten sunt Rundegrath State Ministe Dr. Delbrück, Dr. Leonhardt, v. Freydorf, Ministerial⸗Rat
v. Riedel, u. A. beiwohnten, wurde die dritte Lesung des Preß⸗ gesetzes fortgesetzt. Zunächst wurde §. 24 trotz des Wider⸗
spruches der Staats-Minister Dr. Delbrück und Dr. Leonhardt in folgender Weise angenommen:
Begründet der Inhalt einer Druckschrift den Thatbestand einer strafbaren Handlung, so sind der verantwortliche Redacteur, der Ver-
leger, der Drucker, derjenige, welcher die Druckschrift gewerbsmäßig vertrieben oder sonst öffentlich verbreitet hat (Verbreiter), soweit sie nicht nach 5. 22 als Thäter oder Theilnehmer zu bestrafen sind, we⸗ gen Fahrlässigkeit mit Geldstrafe bis zu Eintausend Mark oder mit Haft oder mit Festungshaft oder Gefängniß bis zu Einem Jahr zu belegen, wenn sie nicht die Anwendung der pflichtmäßigen Sorgfalt oder Umstände nachweisen, welche diese An⸗ wendung unmöglich gemacht haben.
Die Bestrafung bleibt jedoch jür jede der benannten Personen ausgeschlossen, wenn sie als den Verfasser oder den Einsender, mit dessen Einwilligung die Veröffentlichung geschehen ist, oder wenn es sich um eine nicht periodische Druckschrift handelt, als den Heraus— geber derselben, oder als einen der in obiger Reihenfolge vor ihr Be— nannten eine Person bis zur Verkündigung des ersten Urtheils nach— weist, welche in dem Bereich der richterlichen Gewalt eines deutschen Bundesstaats sich befindet, oder Falls sie verstorben ist, sich zur Zeit der Veröffentlichung befunden hat; hinsichtlich des Verhreiters aus— ländischer Drugschriften außerdem, wenn ihm dieselben im Wege des Buchhandels zugekommen sind.
§. 26 wurde nach dem Antrage des Abg. Dr. Marquardsen in folgender Fassung angenommen:
„Eine Beschlagnahme von Druckschriften ohne richterliche Anord—⸗ nung findet nur statt, 1) wenn eine Druckschrift den Vorschriften der §§. 6 und 7 nicht entspricht oder den Vorschriften des §. 16 zuwider verbreitet wird; 2) wenn durch eine Druckschrift einem auf Grund des §. 17 dieses Gesetzes erlassenen Verbote zuwider gehandelt wird; 3) wenn der Inhalt einer Druckschrift den Thatbestand einer der in den 558. 85, 95, 111, 130 oder 184 des deutschen Strafgesetzbuches mit Strafe bedrohten Handlungen begründet, in den Fällen der S§. 111 und 130 jedoch nur dann, wenn dringende Gefahr besteht, daß bei Verzögerung der Beschlagnahme die Aufforderung oder An⸗ 3 ein Verbrechen oder Vergehen unmittelbar zur Folge haben würde.
Bei 5. 34:
Dieses Gesetz tritt am J. Juli 1874 in Kraft. Seine Ein—
führung in Elsaß⸗Lothringen bleibt einem besonderen Gesetze vor—
behalten.“ beantragte der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld), den letzten Satz zu streichen, wogegen jedoch der Staats⸗Minister Dr. Delbrück protestirte. Das Haus ließ den Satz stehen.
Damit war die dritte Berathung des Reichspreßgesetzes er⸗ ledigt. Es folgte noch die Berathung der von der Kommission beantragten Resolution:
»Es sei der Bundesrath aufzufordern, in dem Entwurf des Gesetzes, das Verfahren in Strafsachen betreffend, eine dahingehende Bestim⸗ mung aufzunehmen, daß über die durch die Presse begangenen Ver— brechen und von Amtswegen zu verfolgenden Vergehen die Schwur— gerichte aburtheilen.“
Die Abgg. Dr. Gneist, Hullmann und Dr. Beseler beantragten den Uebergang zur Tagesordnung. Diesen Antrag lehnte das Haus ab und nahm die Resolution mit 164 gegen 1I9 Stimmen an. — Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die dritte Lesung des Gesetzes, betreffend die Verhinde⸗ rung der unbefugten Ausübung von Kirchen— ämtern ein.
— In der Woche vom 5. bis 11. April 1874 sind geprägt worden an Goldmünzen: S00, 000 Mark in 10 Mark⸗
stücken; an Silbermünzen: 517,97? Mark 1⸗Markstücke; 222,601 Mark 60 Pf. 20-Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 51, 740 Mark 10 Pf. 10 Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 14,B553 Mark 30 Pf. 2⸗Pfennigstücke; 177 Mark 5 Pf. 1⸗Pfen⸗ nigstücke. Vorher waren geprägt: an Goldmünzen: 819. 369,060 Mark 20⸗Markstücke, 202,966,750 Mark 10⸗Markstücke; an Silbermünzen: 11,931,873 Mark 1⸗Markstücke, 4,112, 173 Mark 40 Pf. 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 1,460,032 Mark 20 Pf. 10⸗Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 233,112 Mark — Pf. 2⸗Pfennigstücke, 62,581 Mark 63 Pf. 1Pfennigstücke. Mithin sind im Ganzen geprägt: an Goldmünzen: 1,022, 335,810 Mark; an Silbermünzen: 16,784,520 Mark — Pf.; an Nickelmünzen: 15511, 7? Mark 30 Pf.; an Kupfermünzen: 319,423 Mark 98 Pf.
— Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar⸗ beiten hat auf den Antrag der hiesigen Kommission der König⸗ lichen Ostbahn genehmigt, daß den Vertretern der Presse Gelegenheit gegeben werde, den auf dem hiesigen Ostbahnhofe stattfindenden Feierlichkeiten nach näherer Anweisung der Kommission beizuwohnen. Die Kommission hat demgemäß angeordnet, daß die nach dem Perron belegenen Fenster der Bureaus der Betriebs⸗Inspektion im ersten Stock des Empfangs⸗ gebäudes den Vertretern der Presse zur Disposition gestellt und Fürsorge getroffen werde, daß jedem Antrage auf Zulassung in die betreffenden Diensträume nach entsprechender Legitimation des Antragstellers stattgegeben wird. Es wird dabei zur Vermei⸗ dung von Unzuträglichkeiten zweckmäßig sein, diese Auträge spä⸗ testens am Tage vor der betreffenden Feierlichkeit an die Betriebs⸗ Inspektion hierselbst zu richten]
Bayern. München, 25. April. (W. T. B.) Die neuliche Meldung, daß die betreffende Ministerial-Kommis⸗ sion sich für die Einführung der Civilehe in Bayern aus— gesprochen habe, ist berichtigend dahin zu präcisiren, daß die Kommisston nur damit betraut war, zu prüfen, ob ein vom Reichstage angenommenes Gesetz über die Civilehe in Bayern durchgeführt werden könne.
Sachsen. Dres den, 24. April. Aus Anlaß des Ge⸗ burtsfestes des Königs hat gestern Abend in den Paradesälen des Königlichen Residenzschlosses eine Assemblse stattgefun⸗ den. Ihre Majestäten, sowie der Prinz und die Prinzessin Georg hielten vor dem Souper Cerele ab. Unter den Anwesen— den befanden sich auch die zur Zeit in Dresden weilenden Fürst⸗ lichkeiten, das gesammte diplomatische Corps, die Staats⸗Minister (mit Ausnahme des Staats-Ministers Abeken, welcher sich in Berlin befindet), die Präsidenten und zahlreiche Mitglieder der beiden Kammern und viele distinguirte Fremde.
— Wie das „Dr. J.“ vernimmt, hat der König, zur Her⸗ beiführung einer Uebereinstimmung mit derartigen im deutschen Heere bereits bestehenden Einrichtungen, die Stiftung von Dienst⸗ auszeichnungen für die aktive Armee und die Land⸗ wehr unter dem gestrigen Tage beschlossen. Nach den ˖ Aller⸗ höchsten Statuten wird den Offizieren und Aerzten des stehenden Heeres nach 25jähriger Dienstzeit ein vergoldetes Kreuz verliehen, welches auf der Vorderseite den Allerhöchsten Namenszug, auf der Rückseite die Ziffer TWXV trägt; dagegen erhalten die Unter⸗ offiziere und Mannschaften nach 21, 15 resp. gjähriger Dienst⸗ zeit goldene, silberne resp. bronzene Dienstzeichen in Medaillen⸗ form. Für beide Kategorien findet eine Doppelrechnung der Kriegsjahre statt. Die Tendwehrdien staus zeichnung zerfällt in
giert Yer, fr / ö. e, ti stre ===. - 3 mit ner⸗ goldetem Mittelschilde, auf welchem der Allerhöchste Namenszüg und die Ziffer XX sich befindet, an Offiziere und im Offiziers⸗ range stehende Aerzte verliehen wird, welche mindestens 8 Jahre über die gesetzliche Gesammtdienstzeit freiwillig im Militärver⸗ hältniß verblieben sind. Auf die II. Klasse, eine neusilberne Schnalle mit dem Namenszuge Sr. Majestät und der Krone — haben nach vorwurfsfrei erfüllter Dienstpflicht in der Reserve und Landwehr und bei sonstiger tadelloser Führung alle Offiziere, Aerzte, Unteroffiziere und Wehrmänner Anspruch, welche einen Feldzug mitgemacht haben oder bei außerordenit— lichen Veranlassungen mindestens 3 Monate aus dem Beur— laubtenstande zum aktiven Dienste einberufen gewesen sind. Diese sämmtlichen Dienstauszeichnungen werden an einem grünen, dreimal weißgestreiften Bande getragen.
Leipzig, 24. April. Der Geburtstag des Königs ward auch hier in festlicher Weise begangen. Den Mittelpunkt bildete das Festmahl, welches auf Einladung der städtischen Be⸗ hörden im Schützenhause unter großer Betheiligung stattfand. Das Offiziercorps des hiesigen Regiments hatte ein Festmahl im Offizierkasino der Pleißenburg veranstaltet, während die hiesigen Landwehroffiziere sich zu einem Festmahl im Hotel de Prusse vereinigt hatten. Ebenso fanden Festlichkeiten in den Schulen statt. Bei dem im Schützenhause unter zahlreicher Betheiligung abgehaltenen Festessen brachte der Bürgermeister Dr. Koch einen Trinkspruch aus, in welchen die Versammlung begeistert ein⸗ stimmte. Darauf wurde ein Glückwunschtelegramm an den König abgesandt. Am Abend waren das Rathhaus und alle öffent⸗ lichen Plätze der Stadt illuminirt.
Württemberg. Stuttgart, 22. April. Die Prin⸗ 6 Wilhelm von Baden ist heute wieder von hier ab— gereist.
— Durch Allerhöchste Entschließung vom 20. d. M. ist die erledigte Stelle der Aebtissin des adeligen Fräuleinstifts zu Oberstenfeld der Herzogin Alexandrine Mathilde von Württemberg, Tochter des verstorbenen Herzogs Eugen von Württemberg, übertragen worden.
Sachsen⸗ Weimar⸗Eisen ach. Weimar, 24. April. Der Großherzog und die Großherzogin, sowie die Prin⸗ zessin Marie sind htute Vormittag zu einem Besuche am König— lich sächsischen Hofe nach Dresden gereist.
Oldenburg. Oldenburg, 24. April. Der Groß— herzog ist heute rüh von Wiesbaden wieder hier eingetroffen.
— Der neu ernannte Direktor des hiesigen Schullehrer⸗ Seminars, Ober⸗Schulrath Sander — bisher Direktor des Seminars in Schlichtern — ist am 20. d. Mts. in sein Amt eingeführt worden.
Braunschwag. Braunschweig, 24. April. Der
Herzog hat sich kute Morgen nach Blankenburg begeben.
— Prinz brecht von Preußen ist am Mittwoch Abend wieder nach Hannover zurückgekehrt.
Sachsen⸗Atenburg. Altenburg, 23. April. Der Herzog ist gester Abend von Hummelshain, wohin sich Se. Hoheit von Eisenbrg begeben hakte, hierher zurückgekehrt.
Sachsen⸗Ciburg⸗Gotha. Gotha, 23. April. Dem Speziallandtaj des Herzogthums Gotha wurde bei seinem heutigen Viederzusammentritte der Etat pro 187477
vorgelegt. In dem . Dekret wird bemerkt, daß zwar die Ausgaben sich sehr vermehrt und einige Einnahmepositionen starke Ruͤckgänge erlitten hätten, daß aber dennoch und zwar in Folge von Einnahmeanfällen weder eine Erhöhung der ge⸗ genwärtigen Steuern, noch die Kreirung einer neuen Steuer er⸗ forderlich sei. Die Gesammtsumme der Mehrausgaben beträgt 48000 Thlr., darunter 5000 Thlr. zur Verbesserung der Schullehrerbesoldungen und 1760 Thlr. zur Unter⸗ stützzung der Pensionäre und Dispositionäre; der Etat selbst schließt in Einnahme und Ausgabe mit 764,900 Thlr. ab. Nach anderen Vorlagen soll eine Revision des Stempelsteuergesetzes eintreten, eine Ablösung der auf den Forsten ruhenden Ser⸗ vituten und eine Ablösung der an Kirchen, Pfarreien, Schulen und milde Stiftungen zu leistenden Abgaben stattfinden. Auch ist auf Veranlassung eines vor Kurzem gefaßten Landtags⸗ beschlusses ein Gesetzentwurf über das Vereins- und Versamm⸗ lungsrecht vorgelegt, der die in den meisten anderen deutschen Staaten geltenden Bestimmungen über die Anmeldung und
Ueberwachung von Vereinen und Versammlungen auch hier ein⸗
führen soll.
Reuß. Gera, 23. April. Durch die eben ausgegebene Gesetz Sammlung für Reuß j. L. wird das Gesetz vom 13. April 1874, die Erhebung der Klassen- und klassifizirten ESinkommensteuer betreffend, publizirt. Das Gesetz enthält 33 Paragraphen. Bei der Klassensteuer sind 14 Stufen, bei der klassifizirten Einkommensteuer 33 Stufen angenommen. Bei Ersterer beträgt der niedrigste Steuersatz, also in der ersten Stufe, für die Haushaltung, wie für den Einzelnsteuernden terminlich: bei einem Jahreseinkommen bis einschl. 300 Mrk.: 10Pf. ; in der vier⸗ zehnten, also höchsten Stufe, bei einem Jahreseinkommen von 2700-3000 Mark: 6 Mark. Bei der klassifizirten Einkommen⸗ steuer beträgt die Steuer terminlich in der ersten Stufe bei einem Jahreseinkommen von 3000— 3600 Mark: 7!½ Mark und in der 33. Stufe bei einem Jahreseinkommen von 300,000 bis 360,000 Mark terminlich 750 Mark. Bei jedem ferneren Höher⸗ einkommen um je 60,000 Mark steigt auch die terminliche Steuer um je 150 Mark.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 23. April. Gestern hielt der Kaiser Parade über die hiesige Garnison, die in der Stärke von 36 Bataillonen, 2 Compagnien, 12 Escadrons und 96 Ge— schützen ausgerückt war.
Pest, 23. April. Das Abgeordnetenhaus wies gestern §. 54 der Notariatsvorlage, betreffend den Wirkungskreis des Notars und die Fälle des Notariatszwanges, zu welchem von mehreren Seiten Separatvota und Anträge über Ausdehnung des Notariatszwanges eingebracht wurden, an den Centralaus⸗ schuß zurück behufs nochmaliger Redaktion. Heut wurde das Separatvotum, betreffend die Einführung des Notariatszwanges, nach dreistündiger Debatte, in welcher Staats⸗Sekretär Csemegi die Regierungsvorlage kräftig vertheidigte, abgelehnt und der Gesetzentwurf bis 5. 106 erledigt.
— 24. April. (W. T. B.“ Im Abgeordnetenhause richtete der Deputirte Iranyi heut an den Minister⸗Präsidenten Bitto die Interpellation, ob die von dem Journal „Temps“ veröffentlichte Depesche des Grafen Beust vom 20. Juli 1870 über eine vor Ausbruch des deutsch⸗französischen Krieges zwischen Frankreich und Oesterreich⸗Ungarn abgeschlossene Konvention authentisch sei, und ob der Minister⸗Präsident den authentischen Text dieser Konvention vorlegen wolle.
Schweiz. Bern, 22. Anril. Nachdem die Annahme der revidirten Bundes verfassung als bestimmt gesichert zu betrachten ist, hat der Bundesrath sich mit der Frage der Ueberweisung der nöthig werdenden gesetzgeberischen Vor— arbeiten an die verschiedenen Departements der eidgenössischen Verwaltung beschäftigt und diese Arbeiten zugewiesen: für Art. 18, 19, 20 und 22: Militärwesen, ans Militärdepartement; Art. 24 und 25: Wasser⸗ und Forstpolizei, Jagd⸗ und Fischerei, ans Departement des Innern; Art. 30: Entschädigung der Kantone mit internationalen Alpenstraßen und Schneebruch am Gotthard, ans Finanz⸗ und Zolldepartement; Art. 31: Handels- und Ge⸗ werbefreiheit, Vorbehalte, ans Eisenbahn- und Handelsdeparte⸗ ment; Art. 33: Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten u. s. w., ans Departement des Innern; Art. 34, erster Absatz: Fabrik⸗ arbeiter, ans Eisenbahn⸗ und Handelsdepartement, zwelter Absatz: Auswanderungs⸗-LAgenturen, ans Departement des Innern, zweiter Absatz: Versicherungswesen, ans Justiz⸗ und Polizeidepartementz, Art. 35, Schlußsatz, Lotterien, ans Justiz⸗ und Polizeideparte⸗ ment; Art. 39, Ausgabe und Einlösung von Banknoten, ans Eisenbahn⸗ und Handelsdepartement; Art. 40, Maß und Ge⸗ wicht, ans Departement des Innern; Art. 42, Einnahmsquellen des Bundes, ans Finanz- und Zolldepartement; Art. 45, 44, 45, 46, 47, Niederlassung n. s. w., ans Justiz⸗ und Polizei⸗ departement; Art. 48, Verpflegung und Beerdigung kantons⸗ fremder Armer, ans Justiz⸗ und Polizeidepartement; Art. 49D, Steuern für Kultuszwecke, ans Departement des Innern; Art. 53, Civilstand ans Departement des Innern; Art. 64, Civil⸗ rechtsgesetzbuch, ans Justiz⸗ und Polizeidepartement; Art. 66, Verlust der politischen Rechte, ans Justiz⸗ und Polizeideparte— ment; Art. 106— 114. Bundesgericht, ans Justiz⸗ und Polizei⸗ departement; Art. 119, Ausscheidung der Kompetenzen ziwischen Administrativ⸗ und Justizbehörden, ans Justiz⸗ und Polizei⸗ departement; Art. 1 der Uebergangsbestimmungen, Entschädi⸗ gung für Baselstadt und Baselland, ans Finanz⸗ und Zoll⸗ departement.
— 24. April. W. T. B.) In Folge stattgehabter Stö⸗ rungen der öffentlichen Ruhe, die Seitens der Ültramontanen veranlaßt worden waren, ist das Dorf Brislach im Berner Jura mit Militär belegt worden.
— Die Bundes versamm lung soll zur Entgegennahme des Resultats der Volksabstimmung über die Reyssion der Bundesverfassung zu einer außerordentlichen Sitzung auf den 28. Mai einberufen werden.
SGroßbritannien und Irland. London, 23. April
Die Königin inspizirt heute in Gasport die aus dem Aschanti⸗ Feldzuge heimgekehrten Mannschaften der Marine. — Der Prinz von Wales kam gestern von Sandringham nach der Haupt— stadt, um bei dem jährlichen Festessen des Royal Medical Bene⸗ volence College den Vorsitz zu führen. — Die Gräfin von Derby, Gemahlin des Ministers für auswärtige Angelegenheiten, gab gestern in den Prunk gemächern des auswärtigen Amts ihren ersten großen Empfang in dieser Saison, bei dem das diplomatische Corps, die Kabinets⸗ Minister und Mitglieder beider Häuser des Parlaments sehr zahlreich zugegen waren.
— Sir Bartle Frere und Sir Samuel Baker wurden gestern in Anerkennung ihrer erfolgreichen Anstrengungen zur
Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels zu Ehrenmitglie⸗
dern der Londoner Gewürzkrämer⸗Gilde (Grocers Company) er⸗ nannt. Der Ceremonie schloß sich ein großes Bankett an, dem außer den Gefeierten Lord Lawrence, die Bischöfe von Rochester und Peterborough, der Marine⸗Minister und andere Personen von Distinktion anwohnten.
— 24. April. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses erklärte Disraeli auf eine Anfrage Sir G. S. Jenkinsons, es seien der Regierung allerdings Seitens der Suez⸗ kanal⸗Gesellschaft gewisse Mittheilungen zugegangen. Die Re⸗ gierung sei über das einzuschlagende Verhalten mit anderen Mächten in einen Meinungsaustausch eingetreten; sobald ein be⸗ stimmter Entschluß gefaßt sei, werde derselbe allen Betheiligten mitgetheilt werden.
Frankreich. Paris, 22. April. Die Verhaftungen von Kommunisten dauern fort. Heute nahm man in dem Café der Rue des Dames, Paris-Batignolles, einen gewissen Jules Clément fest, welcher dort als Kellner diente. Derselbe war während der Kommune Divisions-General und führte 14 Tage lang im Stadttheile Batignolles den Oberbefehl. Ein anderes Individuum, das am Sonntag aus England herüber gekommen war, wurde gestern verhaftet, weil es ein Cirkular⸗ schreiben der „Internationale“ vertheilt haben soll.
— Der Handels⸗Minister Deseilligny ist von seinem Ausfluge aus dem Departement Aveyron zurückgekehrt. Der Minister hat die Absicht, die Handelskammern aller indu⸗ striellen Hauptgeschäftspunkte zusammenzuberufen, um dieselben über den zu bildenden Ausfuhr⸗Ausschuß zu befragen.
— 24. April. (W. T. B.) Der Deputirte Lab élonye ist gestorben.
Spanien. Madrid, 24. April. (W. T. B.) Nach⸗ richten aus So morro stro zufolge wurde die Beschießung der
carlistischen Stellungen fortgesetzt, das Feuer aber von den Carlisten
nicht erwidert.
— Nach einer aus Abanto (vor Bilbao) in Bayonne eingelangten Nachricht vom 21. d. waren 17 Geschütze von der bei den Regierungstruppen befindlichen Artillerie aus ihrer bis⸗ berigen Stellung in eine neue Position bei Balmaseda dirigirt worden. Cirea 26,000 Mann waren zwischen Castro di Urdiales und Laredo konzentrit. General Concha hatte weitere 134000 Mann unter seinem Befehl.
Schweden und Norwegen. Christiania, 20. April. Von der Regierung ist ein Befestigungsplan für den Dröbacksund (am Christianiafjörd) entworfen und dem Storthing vorgelegt, der im Ganzen auf 1,712,000 Spd. veranschlagt ist. Davon sollen auf die Anbringung von Hinder⸗ nissen im Fahrwasser 45,000 Spd. verwandt werden, während für die Anlegung von Batterien ꝛc. 2c. 1,307, 000 Spd. bestimmt sind. Vorläufig verlangt man als erste Rate 7 bis 800,000 Spd., wovon 456,000 Spd. zur Anlage einer Panzerbatterie von 8 Kanonen, der Rest zur Anlegung von Hafendämmen dienen sollen.
Dänemark. Kopenhagen, 24. April. (W. T. B.) Der Justiz⸗Minister Klein, dessen Wahl der Reichstag für ungültig erklärt hatte, ist heute in Aalborg mit 1032 Stimmen wiedergewählt, obschon die Oppositionspartei gegen seine Wieder⸗ wahl aufs Heftigste agitirt hatte.
Amerika. (A. A. C.) Präsident Grant hat die Finanz⸗-Bill, die den Papiergeldumlauf um 100,000 000 Dollars vergrößert, mit seinem Veto belegt. Der Präsident basirt sein Veto darauf, daß die Bill den Papiergel dumlauf vergrößert, ohne die Mittel für die Einlösung zu beschaffen. Im Weiteren bemerkt der Präsident in seiner Veto⸗Botschaft, die Thatsache sei unläugbar, daß die Bill den Papiergeldumlauf um 1600 Millionen Dollars vergrößere. Dies hält er für ein Abweichen von den wahren Finanzprinzipien. Er empfiehlt ernstlich eine Gesetzgebung, die so schleunig als thunlich eine Rückkehr zu Baarzahlungen sichere, und meist auf wiederholte Versprechungen der Regierung, so zeitig wie möglich Fürsorge für die Einlösung von Bundesnoten in klingender Münze treffen zu wollen, hin. Er empfiehlt ferner als eine Vorbereitungsmaßregel für die Wiederaufnahme von Baarzahlungen, daß die Staatseinkünfte hinreichend ver— größert werden, um die laufenden Ausgaben zu decken. Der Kongreß hat bezüglich des Vetos noch keine Schritte gethan, aber da es unmöglich ist, ein Zweidrittelsvotum für die Bill zu er⸗ zielen, wird das Veto unterstützt werden. Im Allgemeinen ist das Veto gut aufgenommen worden und die Gefahr einer Stö⸗ rung der gegenwärtigen Vertheilung der Bankreserve beseitigt. Man glaubt, daß im Repräsentantenhause die Freibanksbill mit gewissen, den Ansichten des Präsidenten begegnenden Modifikatio⸗ nen als ein Substitut passiren werde.
— Nachrichten aus Arkansas zufolge hat Herr Baxter, der republikanische Gouverneur, die Staatslegislatur einberufen, um die Gouverneurschaftsfrage zu regeln.
„»Central-Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt (Berlin. Carl Heymanns Verlag, hat folgenden Inhalt: 1) Allgemeine Verwal— tungs -⸗Sachen:; Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. 2) Münz⸗Wesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reichsmünzen. 3) Gewerbe⸗Wesen: Vereinbarung zwischen Deusschland und Groß⸗ britannien über die rechtliche Behandlung deutscher Aktien⸗ zc. Gesell⸗ schaften. 4 Zoll= und Stener-Wesen: Mittheilung, betr. Befugnisse von Zoll⸗ ꝛc. Aemtern. 5) Justiz⸗Wesen: zwei Erkenntnisse des Dis⸗ ziplinarhofs. 6) Marine und Schiffahrt: Beginn det Schifferprüfung in Leer. 7) Konsulat⸗Wesen: Ernennungen ze.
Die Nr. 17 des
Reichstags ⸗Angelegenheiten. Berlin, 25. April. In der gestrigen Sitzung des Deut⸗ schen Reichstages entgegnete der Großherzoglich hadische
Bundesbevollmächtigte Ministerial⸗Präsident Wirkliche Geheime
Rath v. Freydorf dem Abg. Lender, welcher in der Diskus⸗— sion über den Gesetzentwurf, betreffend die Verhinderung der un— befugten Ausübung der Kirchenämter, auf die Aeußerungen des Bundesbevollmächtigten in der Sitzung vom 23. d. M. zurück⸗ gekommen war:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mit Recht darauf hin⸗ gewiesen, daß es schwierig sei, vor einer solchen Versammlung Streit darüber zu führen, von welcher Seite der in Frage stehende Konflikt begonnen wurde. Ich weill über den Beginn des hadischen staatlich kirchlichen Konflikts nicht eingehender sprechen und über wenjger wich— tige Vorgänge hinweggehen; meines Wissens und meines Erinnerns hat der Konflikt äußerlich damit begonnen, daß die katholische Kirche auf Anordnung des Bischofs in Freiburg die übliche Seelenmesse für den damals verstorbenen badischen Landesherrn verweigert hat.
Der Herr Abgeordnete hat sich darauf berufen, daß der Kenflikt gerade in Baden aus dem Grunde ausbrechen mußte, weil das Staats-Kirchenthum in Baden jo ausgebildet gewesen sei, als in keinem anderen Stagte, d. h. weil die Gesetzzebung in Baden eine
so feindselige Richtung gegen die Kirche genommen habe, wie in kei nem anderen Staate. Ich will den Herrn Abgeordneten mit dem einfachen Hinweis darauf widerlegen, daß der damalige Bischof den vorgeschriebenen Eid auf die badische Verfassung und auf die badische Gesetzgebung geleistet hat. Er hat nicht nur den Eid geleistet, son⸗ dern er hat aus freiem Antrieb hinzugesetzt:; er könne diesen Eid um so eher leisten, als er in seinem Gewissen überzeugt sei, daß die ba⸗ dische Gesetzgebung nicht gegen das kangnische Recht oder gegen die Kirchengesetzgebung verstoße. Diese Gesetzgebung wurde dann von Freiburg aus und von deinselben Bischof durchbrochen. Die Urkunde, in welcher dieser Eid enthalten ist, ist seiner Zeit in der „Karlsruher Zeitung“ abgedruckt worden und kann wieder abgedruckt werden. Sie hatte sich unker einer gewifsen Verwaltung des badischen Archivs einige Zeit verschoben, wir haben sie aber wieder. Der Bischof hat später plötzlich behauptet, die badische Gesetzgebung sei mit dem kirchlichen Rechte in Widerspruch, mißachtete das landesherrliche Placet und an— dere Vorschriften der organischen Gesetze Badens. Das war der cigentliche Grund und Anfang des Konflikts. .
Der Herr Abgeordnete hat mir vorgeworfen, daß ich ohne Noth eine Persönlichkeit hier in die Verhandlung hereingezogen habe, deren besendere Verdienste für Baden er hervorhob. Die Herren, welche bei meiner Rede anwesend waren, werden sich erinnern, daß ich dies in höchst harmloser Weise gethan habe. Es war das Argument, welches mir einfiel, als von Seite des Herrn Abg. Windthorst darauf hinge— wiesen wurde, es sei Baden als eine Versuchsstation für den kirchlich⸗ staatlichen Kampf benutzt worden, welcher nach seiner Meinung schon damals von Preußen beabsichtigt worden wäre. Ich kin dem geehrten Herrn durchaus nicht zu nahe getreten. Ich glaube, ich kann den Herrn, um den es sich handelt, wohl als kirchlich gesinnt bezeichnen, ich habe das Argument gebraucht, wenn Preußen in Baden den kirch— lichen Konflikt beginnen wollte, so würde es schwerlich einen kirchlich gesinnten Gesandten nach Karlsruhe geschickt haben.
Der Herr Abgeordnete sagt, es gingen viele Dinge über den Köpfen der Gesgndten, über den Köpfen der Minister selbst vor sich, und es wäre möglich, daß doch damals Baden als Versuchsstation benutzt worden. Aber ich glaube nicht, daß Sie einem König, der gestern aus der Mitte gerade der Centrumsfraktion als ein großer König gepriesen wurde, zutrauen, daß er erst einen kirchlich gesinnten Gesandten nach dem Großherzogthum Baden schickt, um dann über seinen Kopf hinweg in demselben Lande einen Konflikt mit der Kirche zu beginnen.
Was nun die letzte Behauptung des Herrn Abgeordneten betrifft, daß in Baden die Fraktion, welcher er angehört, große Sympathien besitze, so will ich hier einfach auf einige Zahlenverhälknisse hinweisen. Ich habe gestern gesagt, daß die Bevölkerung Badens zu zwei Dritt— theilen aus Katholiken, nur zu einem Dritttheil aus Protestanten besteht. Man sollte glauben, daß, wenn die katholische Bewegung in dem katholischen Theil des Volkes wirklich einen Halt hätte, dies in den Wahlen seinen Ausdruck sinden mußte. Nun ist das Verhältniß der badischen Wahlen Folgendes: Im badischen Landtag waren von 63 Abgeordneten früher fünf Klerikale, gegenwärtig sind es zehn, es ist also ungefähr ein Siebentheil oder Sechstheil der Gesammt—
Bepölkerung, also ein nur geringer Theil der katholischen Bevölkerung,
welcher klerikale Abgeordnete gewählt hat, und bei den Reichstags⸗ wahlen stellte sich das Verhältniß so, daß von 14 Abgeordneten 12 Nationalgesinnte und 2 Klerikale hierher geschickt wurden.
— Dem Abg. Dr. Schüttinger, welcher behauptete, F. 3 des Gesetzes verletze das Reservatrecht Bayerns, entgegnete der König⸗ lich bayerische Bundesbevollmächtigte, Ministerial⸗Rath v. Riedel:
Meine Herren! Ich bedaure, daß ich Sie auch heute um Gehör bitten muß. Es wird mir schwer, den Ausführungen des Herrn Vor— redners zu folgen, nicht etwa deshalb, weil ich meine gestrige Erklärung für widerlegt erachte, sondern zunächst deshalb, weil der 8. 3 der Vor lage ven demjenigen, was der Herr Vorredner zum Gegenstand seiner Ausführungen gemacht hat, nämlich von dem Aufenthaltsrechte, gar nicht spricht; — S§. 3 hat einfach die Frage der Erwerbung und des Verlustes der Staatsangehörigkeit, nicht aber die Frage des Aufent— halts zum Gegenstande — und sodann deshalb, weil gerade die⸗ 6 Vorgänge, die der Herr Vorredner für seine Ansicht angeführt hat, nämlich die bayerische Gesetzgebung vom Jahre 1872, gegen seine Ansicht sprechen.
Wenn ich mich nun zu der Erklärung, welche ich gestern abgegeben habe, wenden darf, so wiederhole ich: es war von Anbeginn der Verträge bis heute die Anschasung der bayerischen Regierung, daß der Vorbehalt, welcher zu dem Ausdruck „Heimaths⸗ und Niederlassungs⸗Verhältnisst“ in Art. 4 Ziff. L der Reichsverfassung gemacht wurde, sich nicht bezieht auf die Materie der Staatsangehörigkeit, und nicht auf diejenige Materie, welche speziell im Freizügigkeitsgesetz geregelt ist. Es war ferner die Anschauung der bayerischen Regierung vom Jahre 1871 an bis heute, daß das von dem Herrn Vorredner allegirte bayerische Heimathsgesetz vem Jahre 1868 keineswegs in allen seinen Theilen unberührt bleiben sollte, sondern man war sich vollkommen klar, daß derjenige Abschnitt des bayerischen Hei⸗ mathgesetzes voͤn 1868, welcher von dem Aufenthaltsrechte handelt, durch das Reichsgesetz über die Freizügigkeit modifizirt werde. !
Von dieser Ansicht ausgehend, hat die bayerische Regierung im Jahre 1872 dem bayerischen Landtage einen Gesetzentwurf auf Abän— derung jenes Gesetzes voin Jahre i868 vorgelegt. Diese Vorlage hatte lediglich den Zweck, die Ausführung der im S§. 3 des Freizügig⸗ keitsgesetzütß vom Jahre 1867 vorbehaltenen Llandesgesetzlichen Bestimmungen — in diesem §. 3 heißt es nämlich, „so weit bestrafte Personen ausgewiesen werden können, hat es bei den Landesgesetzen sein Bewenden? — zu regeln, was nothwendig war, um Mißverständnisse ferne zu halten. Im Uebrigen geht gerade aus der im Jahre 1872 vorgenommenen Aenderung des baye— rischen Gesetzes vom Jahre 1868 hervor, daß sich die baye— rische Regierung vollkommen auf dem von mir bezeichneten Stand—⸗ punkte befunden hat. Dieser Standpunkt wurde auch bei der Be— rathung des fraglichen Gesetzes in den Kammern bekannt gegeben, ohne daß von Jemand Widerspruch erfolgt wäre. ⸗
Ich glaube daber, daß meine Regierung, in deren Auftrag ich meine gestrige Erklärung abgegeben habe, recht wohl der Anklage, daß ihre Bevollmächtigten hier die bayerischen Reservatrechte nicht gehörig gewahrt hätten, entgegensehen kann. ; . .
Meine Herren! Ich beschränke mich auf diese rein sachliche Er— klärung und folge dem Hrn. Abgeordneten heute so wenig, wie gestern seinen Herren Koklegen, auf ein anderes Gebiet. Die bayerische Re⸗ gierung wird sich durch die verschiedenen Ausführungen nicht abhalten lassen, dem Reiche zu geben, was dem Reiche gebührt.
— In der Generaldiskussion über den Entwurf des Reichs⸗ Preßgesetzes erkärte der Bundesbevollmächtigte, Staats⸗Minister Pr. Delbrück rücksichtlich der verschiedenen Amendements nach dem Abg. Dr. Marquardsen:
Ich glanbe, im AÄnschluß an die Ausführungen des Herrn Vor— redners mir einige Worte erlauben zu dürfen. Die Wünsche, welche die verbündeten Regierungen in Beziehung auf den Entwurf des Preß— gesetzes, wie er aus der zweiten Leung, hervorgegangen war, hegten, sind Ihnen bekannt, es sind ja die Anträge des Ausschusses für Justiz⸗ wesen als ein bereits allgemein bekanntes Dokument auch hier schon im Hause erwähnt worden. Ich glanbe mit Rücksicht hierauf, mich zur Zeit auf die Mittheilung beschränken zu dürfen, daß von uns gegen die Anträge, welche der Herr Vorredner soeben charaklerisirt hat — und ich schließe hier zugleich ein den Antrag des Herrn Dr. Schwarze und Hullmann auf 176 II. — irgend eine Einwendung nicht erhoben werden wird, mit Ausnahme eines Antrages, welcher sich auf die Ergänzung des 5. 21 bezieht. Ich schweige für jetzt von diesem speziellen Punkte; es wird bei der Spezialdiskussion darauf zurückgekommen werden.
— In der Spezialdiskussion bemerkte der Bundesbevollmäch⸗ tigte, Staats⸗Minister Dr. Leonhardt in Betreff des §. 20:
Gelegentlich der Strafbestimmungen des Entwurfs möchte ich mir eine ganz kurze Bemerkung erlauben. ;
Das Hohe Haus hat mit großer Majorität §. 20 des Entwurfs
abgelehnt. Auch läßt sich nicht verkennen, daß der legislative Gedanke
im 5§. 20 einen entsprechenden Ausdruck nicht gefunden hat. Das ist der Grund gewesen, warum die verbündeten Regierungen davon ab⸗ gesehen haben, ihren Anschauungen zur Zeit Eingang zu verschaffen, sie behalten sich jedoch vor, — und das hebe ich ausdrücklich hervor — bei Revision des Strafgesetzbuchs auf den Gedanken des 5. 2 zurückzukommen und ihn weiter auszudehnen.
— Zu 5§. 21 (Buwiderhandlungen gegen die Verpflichtung zur Aufnahme von Berichtigungen) äußerte der Königlich säch— sische Bundesbevollmächtigte, Geheimer Justiz⸗Rath Heldt:
Meine Herren! Ich bin ermächtigt, der Erklärung, welche Sie aus dem Munde des Herrn Präsidenten des Reichskanzler⸗Amts in Be= zug auf diesen Punkt bereits gehört haben, noch einige Bemerkungen zur Erläuterung hinzuzufügen.
Die verbündeten Regierungen legen Werth darauf, daß dieses Amendement, welches zur Vervollständigung des §. 11 dienen soll, nicht zur Annahme gelangt. Ob eine sachliche Differenz zwischen der Auf⸗ fassung der verbündeten Regierungen und derjenigen der Herren An— tragsteller vorliegt, läßt sich nicht genügend übersehen, aus dem Grunde, weil die Ausdrucksweise, welche das Amendement darbietet, in hohem Grade unklar erscheint. Wäre das Amendement darauf berechnet, nur den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen über die Voraussetzung des widerrechtlichen Vorsatzes und über den Irrthum die Anwendbarkeit auf 5. 11 und die daran sich knüpfende Strafdrohung zu sichern, so würden die verbündeten Regie⸗ rungen ebenso nur ihr Einverständniß zu erklären haben, wie sie dieses Einverständniß in Bezug auf andere strafrechtliche Bestimmungen dieses Gesetzes bereits erklärt haben. Wäre aber die Absicht, dem Redacteur über diese allgemeinen Grundsätze und über die Voraus⸗ setzungen, welche für die Berichtigungspflicht im 5. 11 aufgestellt werden sind, eine weitergehende materielle Kritik einzuräumen, so würden die verbündeten Regierungen in dieser Auffassung mit den Herren Antragstellern sachlich auseinandergehen.
Demnach gestaltet sich nach Ansicht der verbündeten Regierungen der Sachverhalt so: Soll in der That durch den Antrag nichts weiter bezweckt werden, als die Sicherung der allgemeinen strafrecht⸗ lichen Grund saätz, also der Möglichkeit der Straflosigkeit im Falle mangeinden rechtswidrigen Vorsatzes oder im Falle strafausschließenden Irrthums vorzubeugen, so würde es dieses Antrags nicht bedürfen, es würde diese Bestimmung selbstverständlich sein; wohl aber würde diese Bestimmung schädlich wirken können aus dem Grunde, weil der Begriff bona fides, guter Glaube, wohl cipilrechtlich ziemlich klar, aber im Kriminalrechte kein gangbarer Begriff ist und er den Strafrichter dazu verführen könnte, hinter der Bestimmung vielleicht etwas Anderes zu suchen, als von den Herren Antragstellern selbst be⸗ zweckt worden ist.
Später fügte der genannte Bundesbevollmächtigte noch hinzu: Gestatten Sie mir, nur nochmals zu betonen, daß, wenn auch sachlich eine Einigkeit vorhanden ist nach den Erklärungen der Herren Antragsteller, doch jedenfalls außer dem Hause eine Auffassung, welche dieser sachlichen Auffassung nicht entspricht, außerordentlich nahe liegt, und also die Gefahr vorhanden ist, daß die Bestimmung in einem vollständig anderen Sinne in der Praxis aufgefaßt werden kann, in einem Sinne, der ganz fern den Ansichten der Herren Antragsteller selbst gelegen hat. Daher können die Regierungen nur, wie ich noch⸗ mals hervorhebe, einen hohen Werth darauf legen, daß die Bestim⸗ mung nicht aufgenommen wird, weil sie, insoweit sie richtig, unnöthig und, soweit sie nicht richtig, schädlich ist.
— In Betreff des §. 23 (Verweigerung des Zeugnisses Seitens der Redacteure 2c. über die Person des Verfassers ꝛ0.) gab der Staats⸗Minister Dr. Delbrück folgende Erklärung ab:
Meine Herren! Es ist bei der Generaldiskussion betont worden, daß es zu dem Antrage auf Streichung des 5. 23, für die Stellung eines Theiles der Herren Mitglieder dieses Hauses, von Werth sein würde, zu vernehmen, welchen Werth die verbündeten Regierungen auf die Sfreichung dieses Paragraphen legen würden. Ich nehme keinen Anstand zu erklären, daß die verbündeten Regie⸗ rungen auf die Streichung dieses Paragraphen einen ganz entscheidenden Werth legen müssen. Ich glaube, auf weitere Aus- führungen dieser ihrer Ansicht verzichten zu dürfen, indem ich einfach Bezug nehme auf Dasjenige, was der Hr. Abgeordnete Lasker vorhin bei der Generaldiskussion bemerkt hat.
Es wird mir vielleicht gestattet sein, um das Haus nicht nachher nochmals mit einer Erklärung zu belästigen, wenn ich das, was ich in Beziehung auf den §. 23 erklärt habe, zugleich anwende auf den §. 26, in Beziehung auf welchen ebenfalls eine solche Anfrage vorhin hierher gerichtet ist.
Auf eine Anfrage des Abg. Frhr. v. Hoverbeck antwortete des Staats⸗Minister Dr. Delbrück:
Ich glaube deutlich genug gesagt zu haben, daß die verbündeten Regierungen mit diesem Paragraphen das Gesetz nicht annehmen werden.
— Ueber das zu §. 24 gestellte Amendement der Abgg. Dr. Marquardsen und Frhr. Schenk von Stauffenberg erklärte der Staats⸗Minister hr. Leonhardt:
Meine Herren! Wenn wahr wäre, was der Herr Verxredner be⸗ merkte, daß die Sache nach der Fassung des Hrn. Abg. Schenck von Stauffenberg, klar wäre, dann würde dasjenige richtig sein, was er darguf stützt. Allein das ist eben nicht der Fall. Wir finden die Fassung ganz außerordentlich unklar und sehen ste als eine solche an, welche zu Irrthümern verleiten kann. Der Herr Bundeskommissar hat Ihnen das näher auseinandergesetzt. Als besonderen Umstand wird man möglicherweise annehmen können, daß ein Redacteur nicht der deutschen Sprache mächtig ist oder nicht lesen kann. Zu welchem Resultate würde das führen?
Dagegen das andere Amendement beruht dagegen auf allgemeinen Grundsätzen, und mit allgemeinen Grundsätzen lommt man immer am weitesten; Alles, was darüber hinausliegt, ist dem Zweifel leicht ausgesetzt. Aus diesem Grunde bitte ich die Herren auf das Drin⸗ gendste, das Amendement des Abg. Schenck v. Stauffenberg abzulehnen und das Amendement Marquardsen anzunehmen.
— Gestern Abend fand im „Englischen Hause“ ein von der deutschen Reichspartei veranstaltetes Festbanket zu Ehren des Reichstags⸗Vice⸗ Präsidenten, Fürst en Chlodwig von Hohenlohe-Schillings⸗— fürst, dessen Ernennung zum dentschen Botschafter in Paris bevor steht, stati. Außer sämmtlichen Mitgliedern der deutschen Reichs partei wohnten dem Feste die dermaligen und früheren Präsidenten p. Forckenbeck und Dr. Simson, die Viee⸗Präsidenten Dr. Hänel und v. Bennigsen, auch Vertreter aller reichsfreundlichen Parteien bei. Der Fürst von Hohenlohe Langenburg brachte das Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, Dr. Friedenthal dasjenige auf den Fürsten Chlodwig von Hohenlohe aus. Der Letztere betonte in seinem Trink- spruche unter Zustimmung der Versammelten, daß das deutsche Volk hinter dem dentschen Botschafter stehen werde, wenn es gelte, den Frieden für Europa, die Sicherheit, Freiheit, Ehre und Würde Deulschlands zu erhalten. Fürst Chlodwig von Hohenlohe dankte mit einem Hoch auf den Deutschen Reichstag. Dr. Lucius schloß mit einem Hoch auf die früheren und ietzigen Reichstags⸗Präsidenten, was der frühere Reichstags⸗Präsident Dr. Simson mit einem Hoch auf die deutsche Reichepartei erwiderte. Bei der ganzen Feier herrschte eine sehr gehobene, patriotische Stimmung vor.
Kuüunst, Wissenschaft und Literatur.
Berlin, 25. April. Der Entwurf zum Natioengldenkmal auf dem Niederwald von Professor Johannes Schilling in Dresden wurde von der Künstler, Jury fast überall gelungen erklärt und seine Ausführung von dem Comits beschlossen.
— Das 3. Heft des von Th. Oelsner in Breslau hergusgegebe—
nen „Rübezahl Schlesische Provinzialblätter“, 13. Jahrg. (874 hat felgenden Inhalt:: Zar, Erinnerung. an Hossüinnn zen SJalleroͤleben. Von Prof. Dr. K. Weinhold. — Einst und Jetzt. Re-