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An dem gestrigen Diner bei Sr. Majestãt nahmen der Prinz Nicolaus von Nassau und der Kaiserlich russische General⸗Lieute⸗ nant, Prinz Emil Sayn⸗Wittgenstein Theil. — Abends um Sis Uhr wurde Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden zu einem zehntãgigen Besuch bei Sr. Majestãt erwartet. In der Begleitung Ihrer Königlichen Hoheit, Höchstwelche im Königlichen Schlosse Wohnung nehmen wird, befinden sich die Ober⸗Hofmeisterin Frau von Holzing, die Hofdame Freiin von Schönau und der Ober⸗Hofmeister Frhr. von Edelsheim.
— Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin empfing den Besuch Ihrer Königlichen Hoheiten der Großherzogin und des 2 sowie des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm von Ba .
— Im weiteren Verlaufe der gest rigen Sitzung des
Herrenhauses kam als zweiter Gegenstand der Tagesordnung der Gesetzentwurf, betreffend die Ausführung des Vorbehalts bezüglich der Grafschaften Wernigerode und Stolberg im 5. 181 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 auf Grund der Be⸗ schlüsse der Justizkommission, zur Verhandlung. Der Referent Herr Dr. Dernburg erläuterte und empfahl dem Hause diese Be⸗ schlüsse zur Annahme. Der Graf zur Lippe sprach gegen die⸗ selben, namentlich gegen den §. 2, während der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, sich für denselben erklärte. An der weiteren Debatte betheiligten fich noch die Herren Graf Brühl, Hasselbach, von Kleist⸗Retzow, von Goßler, Becker (Halberstadt), von Voß und wiederholt der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg.
In der Spezialdiskussion wurden die §§. 1 und 2 nach den Beschlüssen der Kommission unverändert genehmigt.
Z erhielt auf den Antrag der Herren von Goßler und von Voß nachstehende veränderte Fassung:
Zu 55. 75 — 78 (der Kreisordnung): Im Kreise Wernigerode wird der Landrath von dem Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode, als standesherrlichem Besitzer der Grafschaft Wernigerode präsentirt, und vom Könige ernannt. .
Die Befugniß der Kreisversammlung zu Vorschlägen in Gemäß⸗ heit des 5. I4 der Kreisordnung wird dadurch nicht berührt.“
Die §§. 4 und 5 wurden angenommen, 5. 6 dagegen gestrichen. Derselbe lautet:
Zu 5§§. 868— 72 (der Kreisordnung): „Durch besondere Ueber⸗
einkommen mit der Staatsbehörde haben die Grafen (5. Y sich ver⸗
bindlich gemacht, zu den Gesawmtkosten der künftigen Amtsbezirks⸗ verwaltung in ihren standesherrlichen Gebieten gewisse — nach Betrag und sonstigen Modalitäten in den betreffenden Abkommen näher be⸗ stimmte — Präzipualbeiträge zu leisten. Diese Beiträge sind von der Kreisversarnmlung des betreffenden Kreises auf die einzelnen daran Theil nehmenden Amtsbezirke zu vertheilen.“
Zu §5§. 74, 76 (der Kreisordnung): „In dem mit dem Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode geschlossenen Uebereinkommen ist zugleich die Bestreitung der Kosten der landräthlichen Verwaltung zwischen dem Staate und dem Grafen besonders geregelt.“
Die folgenden 55§. 7 und 8 wurden unverändert genehmigt und sodann das ganze Gesetz in der soeben beschlossenen Fassung angenommen.
Ferner wurde ohne Debatte beschlossen, die zu diesem Gesetze eingegangenen Petitionen des Grafen Botho zu Stölberg⸗ Wernigerode vom 17. Februar 1872, sowie die des Grafen Franz zu Stolberg⸗Wernigerode auf Peterswaldau vom 19. März und die des Grafen Alfred zu Stolberg vom 31. März 1874 durch die so eben vom Hause gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklãren.
Nächster und letzter Gegenstand der Tagesordnung war der mündliche Bericht der Geschäftsordnungs⸗Kommission über die Dauer des Mandats der Mitglieder der statistischen Central⸗ Kommission. Der Berichterstatter Herr v. Bernuth empfahl fol⸗ genden Antrag der Kommission zur Annahme:
Das Herrenhaus wolle beschließen: Das Mandat der bisherigen Mitglieder der statistischen Central⸗Kommission dauert fort, bis eines der Mitglieder aus dem Herrenhause ausscheidet oder das Mandat als Mitglied der Kommisston niederlegt. Tritt ein solcher Fall ein, so erfolgt die Neuwahl aller drei Mitglieder der Kommission und zwar für den Zeitraum bis zum Schluß der laufenden Legislatnr - Periode des Abgeordnetenhauses. Später findet die Neuwahl jedesmal auf die Dauer (er Legislatur⸗Periode des Abgeordnetenhauses statt.“
Ohne Debatte schloß sich das Haus diesem Antrage an.
Schluß der Sitzung 44 Uhr.
— Der heutigen (21) Sitzung des Herrenhauses, welche von dem Präsidenten Grafen Otto zu Stolberg⸗Wernigerode um 111 Uhr eröffnet wurde, wohnten am Ministertische der Vice⸗ Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camp⸗ hausen, der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt, der Minister der geistlichen Angelegenheiten Dr. Falk und mehrere Regierungs⸗ Kommissare bei. Der Präsfident theilte zunächst mit, daß der als Vertreter der Stadt Bromberg in das Herrenhaus berufene Stadtrath Dagobert Friedländer neu in das Haus eingetreten ist, und daß wiederum mehrere in der gestrigen Sitzung des Ab⸗ geordnetenhauses in dritter Lesung berathene Gesetzentwürfe an das Herrenhaus gelangt sind, die sämmtlich durch Schluß⸗ berathung erledigt werden sollen. Dann trat das Haus in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand der Gesetzentwurf über die Verwaltung erledigter katholischer Bisthümer bildete. Nachdem Herr Wever über eine Anzahl von Petitionen berichtet, sprachen in der hierauf eröffneten General⸗ diskussion die Herren Graf Udo zu Stolberg, v. Rath, sowie der Regierungs⸗Kommissar, Ministerial⸗Direktor Dr. Foerster, für, die Herren Baron Senfft v. Pilsach, v. Kleist⸗Retzow, v. Skor⸗ zewski und Graf Brühl gegen die Vorlage. In der Spezial⸗ diskussion wurden sodann nach einigen Bemerkungen des Herrn Baron v. Senfft zu 5§. 1 die sämmtlichen Paragraphen vom Hause angenommen.
Der zweite und letzte Gegenstand der Tagezordnung: Erste Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs wegen Deklaration und Ergänzung des Gesetzes vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und An⸗ stellung der Geistlichen gab zu einer Diskussiön keine Veran⸗
lassung und wurde unverändert angenommen. — Schluß der Sitzung 2 Uhr.
— In der gestrigen Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, deren weiteren Verlauf auch die Staats⸗
Minister Graf zu Eulenberg und Dr. Falk beiwohnten, wurde die Berathung des Gesetzentwurfs, betr. die Gewährung einer Zinsgarantie des Staats an die Berliner Nordeisenbahngesell⸗ schaft fortgesetzt. Nach dem Abg. Dr. Lasker, der sich dagegen aussprach, erklärten sich die Staats⸗Minister Dr. Achenbach und Camphausen, die Abgg. Wagener (Stralsund) und Wendorff . der Abg. von Benda gegen das Gesetz. Schließlich wurde asselbe in zweiter Lesung mit 257 gegen 84 Stimmen abge⸗ lehnt. — Schluß 4 Uhr.
— In der heutigen (66) Sitzung des Hauses der Ab⸗ ordneten, der am Ministertisch der . Dr. Leon⸗ e und der Handels⸗Minister Dr. Achenbach mit zahlreichen
diplomatischen
gRꝛegierungs ⸗ CKommissarien beiwohnten, wurden der Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Höferecht in der Provinz Hannover in
Uebereinstimmung mit den Beschlüsfsen der zweiten Berathung und der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die anderweite Regelung der Wasserlaufabgaben im Gebiete des Regierungsbezirks Wies⸗ baden unverandert nach der Regierungsvorlage in dritter Berathung definitiv genehmigt. Dagegen wurde der zur dritten Berathung stehende Antrag des Abg. Werner auf Annahme des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Bestimmung des lübschen Rech⸗ tes, wonach uneheliche Kinder kein Erbe nehmen, zurückgezogen, nachdem der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt sich entschieden gegen die Annahme eines solchen Gesetzentwurfs erklärt hatte, der die Ma⸗ terie partiell zu regeln bestimmt ist, während sie von einem all⸗ gemeinen Gesichtspunkt aus durch einen umfassenden Akt der eset ge ng, geordnet werden müsse. Der Minister kündigte für die näͤchste Session eine den Gegenstand erschöpfende Vorlage Seitens der Königlichen Staatsregierung an. Nachdem darauf der mit dem Herzogthum Braunschweig ab⸗ geschlossene Vertrag über die Theilung des Kommunion⸗ gebietes am Unterharz und der mit dem Großherzogthum Mecklenburg⸗Schwerin abgeschlossene Vertrag wegen Regulirung der Landesgrenze auf und an der Elbe vom Einfluß der Löck⸗ nitz bis zur Mecklenburg⸗Lauenburgischen Grenze unterhalb Boitzenburg, sowie über die Verhältnisse des Vorwerks Kalten⸗ hof in erster und zweiter Berathung unverändert genehmigt waren, beschäftigte sich das Haus mit Petitionen.
— Se. Durchlaucht der Fürst zu Zssenburg⸗Birstein, Mitglied des Herrenhauses, ist heute Morgen aus Birstein hier eingetroffen und im Hotel Royal abgestiegen.
— Der General⸗Feldmarschall von der Armee von Stein⸗ metz ist zur Beiwohnung der Berathungen des Herrenhauses von Görlitz hier angekommen und im Hotel de France ab⸗ gestiegen.
— Der General⸗Major und Kommandant von Minden von Delitz ist mit Urlaub von Minden hier eingetroffen.
— Der General⸗Telegraphen⸗Direktor Oberst Meydam, à la suite der Armee, hat eine Dienstreise nach den westlichen Bezirken angetreten.
— Der Kreisthierarzt Wangemann zu Naugard ist auf seinen Antrag in den Kreis Malmedn versetzt worden.
Bayern. München, 11. Mai. Der König hat sich heute Mittag 12 Uhr 30 Minuten mittelst Extrazuges nach Starnberg und von da nach Schloß Berg begeben. Im Gefolge Sr. Majestãt befanden sich, außer dem dienstthuenden Adjutanten Freiherrn von Stauffenberg und dem Ober⸗Medizinal⸗Rath Dr. von Schleiß, die Beamten des Königlichen Kabinets, Ministerial⸗ Rath von Eisenhart, Geheim⸗Sekretar Stattner und Assessor Dr. von Ziegler. Das Königliche Hoflager wird ebenfalls heute nach Schloß Berg verlegt.
— Am gestrigen Jahrestage des Frankfurter Friedens feierte, wie schon telegraphisch gemeldet, der hiefige Krieger⸗ und Veteranenverein das Fest der Weihe seiner ihm von dem Könige verliehenen Fahne. Von nah und fern, aus allen Gauen des Vaterlandes und auch aus Oesterreich, waren die Kampf⸗ genossen in großer Anzahl zu dem Feste hier eingetroffen; nahezu 100 verschiedene Vereine mit 7 - 80600 KFampfgenossen waren vertreten. Von der Sonnenstraße ab begab sich nach ] Uhr Morgens der große Festzug über den Maximiliansplatz 2c. nach der Lud⸗ wigsstraße. Eine Reiterabtheilung und die Gebirgsschützen⸗Com⸗ pagnie von Gaisach voran, folgten die Vereine der Münchener Vorstädte, dann jene von Ober⸗ und Niederbayern und der an⸗ deren Regierungsbezirke mit ihren Mufik⸗Corps und Fahnen, der Regensburger Verein im Ganzen 20 Musik⸗Corps und etwa 200 Fahnen. Es kamen hierauf der Salzburger Radetzky⸗Verein und die anderen österreichischen Vereine, die Veteranen⸗Ver⸗ eine von Hallein, Steyer, Salzburg und Braunau ꝛc. dann der Deutsche Kriegerbund mit seinem Präsidium unter Füh⸗ rung des Ehrenpräsidenten und der deutsche Kriegerverein Stutt⸗ gart; ferner: die Gebirgsschützen⸗ Compagnie Lenggries mit Fahne und Trommler, sowie den Uniformen, welche bei der Schlacht von Sendling (1705) getragen wurden; das Münchener Hülfs⸗ comits von 1870 71, die Ehrenmitglieder des Krieger⸗ und Veteranenvereins; eine Abtheilung der alten Veteranen aus den Jahren 1812 —15; der Krieger⸗ und Veteranenverein München, in 4 Compagnien formirt und in deren Mitte eine Reihe Wagen mit gebrechlichen Veteranen, schließlich die Gebirgsschützen⸗Com⸗ pagnie Wackersberg. Nach beendeter Aufstellung in der Ludwigs⸗ straße wurden sämmtliche Fahnen in die Kirche gebracht, wohin sich auch die Deputationen, die Ehrenmitglieder u. s. w., wie die Gebirgsschützen⸗Compagnien begaben. Es waren in der Kirche Prinz Luitpold als Stellvertreter des Königs mit seinen Söhnen, den Prinzen Leopold und Arnulf, die Staats⸗Minister. die Generalität, die Mitglieder des Corps, die Deputationen der beiden Gemeindekollegien u. s. w. anwesend. Der Erzbischof von München vollzog den feierlichen Akt der Weihe der Fahne, worauf eine Feldmesse celebrirt wurde. Nach beendeter Kirchen⸗ feier wurden die sämmtlichen Fahnen unter Musik und Trommel⸗ schall aus der Kirche nach dem Platze vor der Universität ge⸗ bracht; Prinz Luitpold, die Minister, Gesandten, Generale 2c. schlossen sich an. Der Platz war in ähnlicher Weise wie bei dem Truppeneinzug im Jahre 1871 festlich dekorirt, und in
Mitte desselben ein Podium aufgeschlagen, auf welchem durch
den Prinzen Luitpeld die Uebergabe der neugeweihten Fahne an den Verein mit entsprechenden Anreden und unter dem Donner der Geschütze erfolgte. In ein Sr. Majestãt dem König von dem Vereinsvorstand ausgebrachtes dreimaliges Hoch stimmten Alle begeistert ein, und sämmtliche Musikcorps spielten die Na- tionalhymne. Während des Vortrages eines Festgesanges wurden die Fahnen von den Fahnenjungfrauen mit den von den Frauen des Vereins gestifteten Fahnenbändern geschmückt. Prinz Luit⸗ pold ließ dann am Gebäude des Kriegs⸗Ministeriums den Fest⸗ zug vorüberziehen, den nunmehr eine Reihe Wagen mit den , . und Blumenmädchen, sowie mit den älteren
gebrechlichen Veteranen eröffnete. Der 3 bewegte sich dann durch einen Theil des Hofgartens ꝛc. nach dem Max⸗Jo⸗ sephsplatz an der Koͤniglichen Residenz vorbei. Der König er⸗ schien am offenen 2 von den zahlreichen Volksmassen mit mit dem herzlichsten elruf begrüßt. Alle vorüberziehenden Vereine brachten Sr. Majestãt ihre gung durch sich fort und fort erneuernde Hochruse, so daß sich der große Festzug unter einem ununterbrochenen Jubel fortbewegte. Der Vorbeimarsch nahm über . Stunden in Anspruch. Der Zug begab sich durch die Hauptstraßen, deren Häuser alle mit Flaggen und Fahnen geschmückt waren, nach dem Kolosseum, wo Nachmittags in dem großen Saale das Festmahl stattfand. An demselben nahmen über 1000 Personen, Vertreter aller zum Feste
anwesenden Vereine, Theil. Eine Reihe patriotischer Reden wurden gehalten und die auf den König, auf den Deutschen Kaiser, die Königin⸗Mutter und die Königliche Familie, auf den Deutschen Kronprinzen, das deutsche Heer, auf Deutschland, auf Bagern, auf die deutschen Heerführer, auf die Stadt München, auf die Gäste, auf sämmtliche deutsche Krieger⸗ und Veteranenvereine ausgebrachten Toaste mit lautem Jubel begleitet. An den Deutschen Kaiser wurde folgendes Telegramm gesendet: ö
Bei der heutigen feierlichen Weihe der von Sr. Majestät dem König von Bayern dem unterfertigten Verein Allergnädigst ge⸗ spendeten Fahne Ew. Kaiserlichen Maj-stãt aus treuem vollen Herzen ein dreifaches Hoch!
Der Krieger und Veteranenverein München“.
Das Gartenfest., welches dem Mahle folgen sollte und zu dem namentlich auch in dekorativer Beziehung die umfassendsten Vor⸗ kehrungen getroffen waren, mußte wegen der regnerischen Witterung unterbleiben.
Im Laufe des Nachmittags waren von zahlreichen Vereinen aus allen Gauen Deutschlands die herzlichsten Begrüßungs⸗ Telegramme eingelaufen.
— Die zur Zeit hier weilenden Mitglieder der Kammer der Reichs räthe werden morgen Mittag 2 Uhr in ihrem Sitzungssaale zum ersten Male zusammentreten. Im Laufe des heutigen Tages sind bereits über 190 Abgeordnete, hier⸗ unter auch deren Praͤsidenten, eingetroffen und haben ihre An⸗ kunft angezeigt. — Der Finanzausschuß der Kammer der Abgeordneten hält morgen Nachmittags Sitzung. — Die Tages⸗ ordnung für die 29. auf morgen Vormittags angesetzte allge⸗ meine oͤffentliche Sitzung der Kammer der Abgeordneten lautet: 1) Praͤsidialvortrag über den Personalstand der Kammer nebst anderweitigen geschäftlichen Mittheilungen; 2) Bericht des Finanzausschusses über die den Centralfonds zugewiesenen Staatseinnahmen und deren Verwendung im Verwaltungs jahre 1870; Berathung und Beschlußfassung hierüber.
Bamberg, 11. Mai. Das Fest der Fahnenweihe des Krieger- und Veteranenvereins hierselbst wurde gestern unter h großer Theilnahme gefeiert. Nach der Festpredigt in der Michaelskirche fand die feierliche Fahnenweihe durch den Dompropst Fellner statt, bei welcher auch der Stadtkommandant v. Baumiller, das Offizierskorps der Garnison und eine Depu⸗ tation des Stadtmagistrats anwesend waren. Die Kriegervereine von Nürnberg, Würzburg, Fürth, Hallstadt, Bischberg und Bur⸗ gebrach waren durch eine große Zahl Mitglieder vertreten. Die Königin Amalie von Griechenland, welche die Pathen⸗ stelle übernommen hatte, ließ die Fahne mit einem prachtvollen Bande zieren.
Sach sen. Dresden, 12. Mai. Die Königin⸗Mutter hat am 10. d. M. ihren Aufenthalt in Schloß Jahnishausen genommen. — Tie Erzherzogin Elisabeth ist heute früh nach Prag abgereist.
— Die gestrige vierstündige Abendsitzung der Zweiten Kammer war vollständig von der allgemeinen Debatte über die Steuerreformvorlage ausgefüllt. Alle Redner, mit Aus⸗ nahme des Abg. Krause, empfahlen Annahme des von der De⸗ pufation mit der Regierung vereinbarten Kompromißrorschlages: Annahme des Einkommensteuergesetzes in der ihm von der De⸗ putation gegebenen Fassung; daneben Beibehaltung eines Theils der bestehenden direkten Steuern und Offenhaltung der Frage, in welchem Verhältniß der durch direkte Steuern aufzubringende Staatsbedarf durch die erstere und die letzteren aufgebracht wer⸗ den soll, für den nächsten Landtag. Abg. Krause entwickelte sei⸗ nen von dem der Deputations⸗Majorität abweichenden Stand⸗ punkt, er empfahl im Wesentlichen eine Reform der Gewerbe⸗ steuer, welche auf das landwirthschaftliche Gewerbe auszudehnen wäre; dafür wäre die Grundsteuer aufzuheben und eine Gebäude⸗ steuer einzuführen. Der Finanz⸗Minister Frhr. v. Friesen präzi⸗ sirte Sinn und Tragweite des der Kammer vorgeschlagenen Kompromisses. Es solle die Erörterung der eigentlichen Prin⸗ zipfragen verschoben werden, bis auf Grund der nach dem vor⸗ geschlagenen Einkommensteuergesetz vorzunehmenden Abschätzung ein klares Bild gewonnen sei, wie groß das steuerbare Ein⸗ kommen und in welchem Verhältniß es zwischen den einzelnen Klassen der Bevölkerung vertheilt sei. Denn der Hauptgrund, daß bisher die Reformbestrebungen zu keinem Ziele geführt hätten, sei doch darin zu suchen, daß man noch immer mit unbe⸗ kannten Faktoren habe rechnen müssen. Die Erwartungen der Freunde sowohl, als die Befürchtungen der Gegner der Einkommen⸗ steuer hätten bisher mehr oder weniger auf willkürlichen Vor⸗ aussetzungen beruht. Es handle sich bei dem Vorschlag der Re⸗ gierung und der Deputation nicht um ein Experiment, noch weniger um einen Schritt der Verzweiflung, sondern um weiter nichts, als einen ganz wohl überlegten Versuch, eine nothwen⸗ dige Zwischenstufe, die der Gesetzgebung Klarheit über die weiter zu thuenden Schritte verschaffen, sie in die Lage versetzen solle, nicht ferner ins Blaue hinein Beschlüsse fassen zu müssen. Den Antrag des Abg. Krause erklärte der Minister mit derselben Bestimmtheit, wie es Seitens des Referenten geschehen war, für unannehmbar, seine Annahme würde die vollständige Sistirung der Steuerreform bedeuten, nicht blos bis zum naͤchsten Land⸗ tage, sondern es wäre dann gar nicht abzusehen, wenn man wieder dahin kommen werde, wo man jetzt endlich einmal an⸗ gelangt sei. In seinem Schlußworte forderte der Referent nochmals die Kammer ö Annahme des Kompromisses auf.
In der heutigen Sitzung trat die Kammer in die Spezial⸗ berathung des Einkommensteuergesetzentwurfes ein und gelangte bis 5. 9. Eingang und §. 1 des Entwurfs wurden schließlich in der von der Deputation beantragten Fassung angenommen; es lautet danach der Eingang:
Wir u s. w. haben beschlossen, eine allgemeine Einkommen⸗ steuer, zunächst zum Ersatze eines Theils der bestehenden direkten Steuern einzuführen“,
und §. 1: ;
h ö Königreich Sachsen wird eine allgemeine Einkommensteuer erhoben.
Gegenstand der Steuer ist das reine Einkommen, gleichviel, ob dassel be ans Grundstücken, aus Renten⸗ oder Kapitalbesitz, aus einer mit Gehalt oder Lohn verbundenen Stellung, oder aus gewerblicher oder sonstiger gewinn bringender Thätigkeit herrührt.“
Württemberg. Stuttgart, 12. Mai. Ueber die Truppen⸗Parade am 9. d. M. entnehmen wir dem „St.⸗A.“ noch Folgendes: Um 11 Uhr kamen der Kaiser Alexander und König Karl mit glänzender Suite zu Pferde auf dem Rennplatze auf dem Canstatter Wasen an, wo die Truppen Auf⸗ stellung genommen hatten und wo eine unabsehbare Menschen⸗ menge die höchsten Herrschaften mit lebhaften Hochs begrüßte. Sofort wurden die Fronten abgeritten, wobei die Königin Olga mit andern höchsten Herrschaften im 4spännigen Wagen folgte. Als Commandeur der Parade fungirte General⸗Lieute⸗
nant Frhr. v. Reitzenstein, General v. Schwartz koppen ritt in der
Suite.
Die Aufstellung der Truppen war folgende: J. Treffen ( Commandeur General⸗Major v. Hertzberg)
: 1. Inf.⸗Regt. (Gren.⸗
Regt. Königin Olga) Nr. 119 und 7. Inf⸗Regt. Nr. 125.
II. Treffen (Commandeur Oberst v. Knörzer): 3. Inf⸗Regt. Nr. 121 und 4. Inf⸗Reg. Nr. 122. III. Treffen (Commandeur General⸗ Major v. Salviatih: 1. Dragoner⸗Reg. Nr. 25, 1. Ulanen⸗Reg. (König Karl) Nr. 19 und 2. Ulanen⸗Reg. Nr. 20. IV. und X. Treffen (Commandeur Oberst v. Marchtaler): Württ. Feldartil⸗ lerie⸗Reg. Nr. 13, Divis.⸗Art. und Württ. Trainbataillon Nr. 13. Sobald Ihre Majestäten auf dem linken Flügel des II. Treffens angelangt waren, formirte sich das erste Treffen zum Parade⸗ marsch. Derselbe wurde zuerst in Zugs⸗ und dann in Kom⸗ pagnie⸗ (resp. Eskadrons⸗) Kolonne ausgeführt. Beim zweiten Vorbeimarsch ging Kavallerie, Artillerie und Train im Trabe vor. Se. Majestät der Kaiser sprach sich in anerkennendster Weise über die vortreffliche Haltung der Truppen aus.
Gestern Morgen inspizirte Prinz August von Würt⸗ tem berg, General⸗Oberst der Kavallerie und Commandeur des Königl. Preußischen Garde⸗Corps, auf dem Canstatter Wa⸗ sen je ein Bataillon der beiden hiesigen Infanterie⸗Regimenter und zwei Eskadronen des Ulanen⸗Regiments.
— Von den fürftlichen Gästen sind der Herzog und die Herzogin Eugen Erdmann von Württemberg mit Tochter, sowie der Prinz und die Prinzessin Wilhelm von Baden am 9., der Großfürst Konstantin von Rußland mit seinen Söhnen, den Großfürsten Konstantin, Dmitri und Wiatscheslaw, sowie der Prinz Sergei Romanoffski, Herzog von Leuchtenberg, vorgestern von hier wieder abgereist. Auch Prinz Wilhelm von Württem⸗ berg hat sich nach seiner Garnison zurückbegeben.
— Durch Königliche Verordnung vom 10. d. M., die der heutige „St⸗A.“ veröffentlicht, wird die vertagte Ständever⸗ sammlung auf Montag, 18. Mai, einberufen.
Baden. Karlsruhe, 11. Mai. Heute Nachmittag traf die Königin von Schweden, von Baden kommend, hier ein, wurde von dem Großherzog und der Großherzogin auf dem Bahnhaf begrüßt und setzte nach halbstündigem Aufenthalt die Reise nach Monrepos bei Neuwied fort, wohin sich die Kö⸗ nigin zum Besuch ihrer Schwester, der verwittweten Fürstin von Wied, begeben wird. Nachmittags begaben sich Ihre Königlichen Hoheiten nach Baden zum Besuch Ihrer Majestät der Deutschen Kaiserin und kehrten am Abend in der Residenz zurück.
— Am 9. d. M. waren die Vertreter der 7 großen Städte des Landes im kleinen Rathhaussaale hier versammelt, um über einige wichtige Gegenstände, welche die Stadtgemeinden berühren, zu berathen. Diese Gegenstãnde sind: der Gesetzentwurf über die Führung der Grund⸗ und Pfandbücher in einigen Städten, die Gemeindebesteuerung, die Abänderung des die Anlage der Orts⸗ straßen betreffenden Gesetzes, ferner wohl auch noch die Gebüßhren⸗ ordnung der Gemeindebeamten und die Verordnung über die Verwaltung der Ortsstiftungen.
— 17. Mai. (W. T. B.) Bei der Generaldebatte des Gesetzentwurfs, betreffend die Verhältnisse der Altkatholiken, welche in der heutigen Sitzung der Zweiten Kam mer auf der Tagesordnung stand, bezeichnete der Abgeord⸗ nete Fieser (Engen) das Unfehlbarkeitsdogma als eine infame Irrlehre, was zu einem erheblichen Zwischenfalle Veranlassung gab. Die ultramontanen Abgeordneten protestirten gegen diese Bezeichnung und verließen mit Ausnahme des Abgeordneten Junghaus unter großem Lärm die Sitzung. Junghaus bean⸗ tragte darauf den Ordnungsruf gegen Fieser, welcher nach län⸗ gerer Debatte unter Zustimmung des Staats⸗Ministers Jolly und der Abgeordneten Baar und Bluntschli vom Präsidenten aus⸗ gesprochen wurde. Die ultramontanen Abgeordneten kehrten darauf in die Sitzung zurück, worauf die Debatte fortgesetzt wurde.
Mecklenburg. Schwerin, 12. Mai. Die Herzogin Marie und der Sroßfürst Wladimir verweilten gestern Morgen längere Zeit in stiller Andacht in der heiligen Bluts⸗ kapelle. Später besichtigten die Hohen Herrschaften den Dom ein⸗ gehend. Gestern Morgen fanden auf dem festlich dekorirten Schieß⸗ platze der 1. Compagnie des Jägerbataillons in Gegenwart des Großherzogs und des Großfürsten, sowie der Generalität u. s. w. Schie ßproben mit dem neuen Mausergewehr statt. Ferner besichtigte Se. Kaiserliche Hoheit 10 in feldmarschmäßiger Aus⸗ rüstung aufgestellte Jäger.
Braunschweig. Braunschweig, 10. Mai. Der zum Commandeur des Herzoglichen Infanterie⸗Regiments er⸗ nannte Oberst⸗ Lieutenant vom Berge⸗ und Herrendorf traf, wie das „Br. Tgbl.“ mittheilt, am Sonnabend hier ein und stieg im Hotel de Prusse ab. Am Sonntag meldete sich derselbe bei Sr. Hoheit dem Herzoge und begab sich Abends nach Pfalzburg.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 11. Mai. Gestern ist das den im letzten Kriege gefallenen Angehörigen des 95. Regiments gewidmete Denkmal enthüllt worden. Der Feierlichkeit wohnte der Herzog, der Divisions⸗Commandeur, der frühere Regiments⸗Commandeur, der verwundete Obrist von Beckedorf, sowie eine große Anzahl höherer Offiziere bei; außer⸗ dem waren die staatlichen und städtischen Behörden, die Gym⸗ nasien und . vertreten, und eine der Tribünen war den Landtags⸗Abgeordneten reservirt. Aus allen Orten des Herzogthums fanden sich die Invaliden und die Landwehr⸗ vereine ein — letztere 500 Mann stark und unter Vorantritt eigener Mufikcorps — aus Hildburghausen aber war eine Deputa⸗ tion des dort stehenden, dem 95. Regimente angehörenden Ba⸗ taillons erschienen. Nach einer vom Staatsanwalt Morchutt ge⸗ haltenen Rede wurde unter dem Geläute aller Glocken der Stadt und unter Kanonendonner das in Obeliskenform errichtete Denk⸗ mal enthüllt, welches auf seinen 4 Seiten die Namen der in den einzelnen Schlachten Gefallenen enthält. Der Herzog, der an der Spitze des hiesigen Bataillons auf den Festplatz gekommen war, brachte hierauf ein Hoch auf den Deutschen Kaiser aus, dem ein vom Divisions⸗Commandeur auf den Herzog aus⸗ gebrachter Fechtuf und der Parademarsch des Bataillons folgte. Die Invaliden wurden Mittags auf Kosten der Kaiser Wilhelm⸗ Stiftung in einer hiesigen Restauration gespeist.
Coburg, 11. Mai. Der Herzog ist heute Mittag, von Gotha kommend, hier wieder eingetroffen. Derselbe war in voriger Woche in Halberstadt, um das Offizier⸗Corps des 7. Kü⸗ . sier⸗ Regiments, dessen Chef er ist, mit seinem Besuch zu eehren. ,
Anhalt Dessau, 10. Mai. Der kommandirende General des XVIII. Armee⸗Corps von Blumenthal ist, nachdem er in den Garnisonen des Landes Inspizirungen der Truppen ab⸗ gehalten, zunachst nach seiner Besitzung Quellendorf von hier 3. abgereist Der Herzog empfing denselben bei einem
iner.
DOesterreich⸗Ungarn. Wien, 13. Mai. (W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht in ihrem amtlichen Theile die vom Kaiser jetzt vollzogenen Gesetze über die äußeren Rechts verhältnisse der katholischen Kirche und über die Beiträge des Pfründenvermögens zum Reli⸗ gions fonds.
Graz, 13. Mai. (W. T. B.) In ganz Steiermark sind nach hier eingegangenen amtlichen Meldungen die Flüsse und Bäche über ihre Ufer getreten, wodurch eine bedeutende Bo⸗ denfläche überschwemmt ist. Der Verkehr auf den Eisenbahnen hat wegen der durch die Ueberschwemm ung veranlaßten Be⸗ schädigung oder Gefährdung der Bahnkörper theilweise eingestellt werden müssen.
Pest, 11. Mai. Im Abgeordnetenhause reichte Polit im Namen der Abgeordneten für die Militär⸗ grenze einen Beschlußantrag ein, wonach zur Abstellung zahlreicher Uebelstände in der Verwaltung und Justiz⸗ pflege ein Spezialausschuß entsendet werden soll, welcher die ge⸗ eigneten Verfügungen vorzuschlagen hätte. Iranyi legte einen Beschlußantrag vor, wonach die Regierung angewiesen werden soll, in Betreff der Geld⸗ und Kreditkrise und zur Milderung des Nothstandes Verfügungen zu treffen. Hierauf wurde der rückstãndige 5. 54 des Notariatsgesetzes, betreffend den Notariats⸗ zwang, erledigt.
— Im Dberhause wurden Ausschußberichte entgegen⸗ genommen und deren Verhandlung auf Mittwoch anberaumt.
— 12. Mai. (W. T. B.) In einer heute stattgehabten Konferenz der Deakpartei machte der Finanz⸗Minister Ghyczy die Mittheilung, daß er demnächst um die Ermächtigung zur Aufnahme der zweiten Hälfte der Anleihe von 175 Millionen nachsuchen werde.
Niederlande. Haag, 9. Mai. Der außerordentliche Gesandte Marquis d'Asche, welchen der König der Belgier abgeordnet, um dem Könige der Niederlande seine Glückwünsche zu dessen Krönungsfest zu überbringen, ist gestern im Haag ein⸗ getroffen; demselben sind vier Attachés beigegeben. — Aus Luxemburg wird sich Herr Servais, der Präsident des luxem⸗ burgischen Landtags, in dessen Auftrag nach Amsterdam be⸗ geben, um den König zu beglückwünschen.
Amsterdam, 12. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser von Rußland ist um 12 Uhr 55 Minuten in Begleitung des Prinzen der Niederlande, welcher ihm bis zur Landesgrenze ent⸗ gegengereist war, auf dem rheinischen Bahnhofe hier eingetroffen. Der Kaiser wurde am Bahnhofe von dem Könige und den Königlichen Prinzen empfangen und fuhr mit denselben, allent⸗ halben von den lebhaftesten Kundgebungen der Bevölkerung be⸗ grüßt, nach dem Königlichen Schlosse, auf welchem die russische Flagge aufgezogen war. Von dem Balkon des Schlosses aus nahm der Kaiser darauf einen Festzug in Augenschein. Die Ab⸗ reise des Kaisers findet heute Abend um 4 Uhr 20 Minuten statt. Derselbe wird vom Könige bis an den Bahnhof be⸗ gleitet und vom Prinzen von Oranien bis zur Grenze geleitet werden. e
— Die Jubiläumsfeierlichkeiten nehmen unter großer Betheiligung der Bevölkerung ihren programmmäßigen Verlauf. Bei dem Festmahle, das dem Känige und der Königlichen Fa⸗ milie von der Stadt Amsterdam heute Abend im Industriepalaste gegeben wurde, erwiderte der König einen auf ihn ausgebrachten Toast mit dankenden Worten und mit einem Hoch auf das Wohl der Landeshauptstadt. Heute Abend ist eine allgemeine festliche Erleuchtung der Stadt veranstaltet. 6 3
x London, 11. Mai.
Großbritannien und Iriand. Die Königin stattete am Sonnabend in Begleitung der Prin⸗ zessin Beattice der Kaiserin Eugenie in Chislehurst einen Be⸗ uch ab. such — Am Sonnabend wurde der neue Chelsea⸗Quai, eine Fortsetzung des großen Themse⸗Quais, von Sloane⸗Square nach Pimlico, vom Herzog von Edinburgh unter entspre⸗ chenden Feierlichkeiten eröffnet. wohnte der Ceremonie an.
— 12. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Oberhauses machte der Staatssekretär der Kolonien, Earl of Carnarvon, die Mittheilung, daß die Regierung, was die Frage der englischen Besitzungen an der Gold küste betreffe, dieselbe im Einvernehmen mit dem Parlamente und mit dem Lande zur Entscheidung zu bringen gewünscht habe. Man kam darauf zu dem Entschlusse, daß es unter den gegenwärtigen Verhältnissen unmöglich sei, die Besitzungen an der Goldküͤste wieder aufzugeben. Der Minister gab einen kurzen Umriß der einzelnen Administrativmaßregeln, durch welche die Administration der gedachten Besitzungen konsolidirt werden soll.
rankreich. Versailles, 12. Mai. (W. T. B.) Die Natio⸗ nalversammlung hat heute ihre Sitzungen wieder aufgenom⸗ men. In der heutigen Sitzung gelangte zunächst ein Schreiben des
bekannten Deputirten Piccon zur Verlesung, in welchem der⸗
selbe der Versammlung die Anzeige macht, daß er sein Mandat niedergelegt habe und weitere Erläuterungen über die am 19. April d. J. von ihm bei dem Banket der Aktionäre der Nizza⸗Cueno⸗ Eisenbahn in Nizza hehaltene Rede giebt. Piccon erklärt unter Bezugnahme darauf, daß der von den Journalen veröffentlichte Text feiner Rede bereits früher von ihm als unrichtig bezeichnet worden sei, er habe nur der Nationalversammlung selbst eine Darlegung des wirklichen Sachverhalts geben wollen. Er liebe Nizza, seine Heimath, über Alles und habe die Abtretung derselben an Frankreich acceptirt, nachdem die⸗ selbe eine vollendete Thatsache geworden. In der Rede, aus welcher man ihm einen Vorwurf mache, habe er nur geäußert, wenn die Wiedererwerbung Nizzas durch Italien möglich wäre, könne dieselbe nur durch eine freie Vereinbarung unter den be⸗ theiligten Mächten herbeigeführt werden. — Nach Verlesung des Picconschen Schreibens erklärte Beauregard, Deputirter für Savoyen, er muͤsse gegen die separatistische Kundgebung, welche in den Aeußerungen von Piccon enthalten sei, Verwahrung ein⸗ legen; wenn in seiner Heimath auch eine Verschiedenheit der po⸗ litischen Ansichten existire, gäbe es über einen Punkt doch keine Divergenz, da alle Parteien, Monarchisten und Republikaner geeinigt seien in dem Rufe: Es lebe Frankreich! „Das haben wir im letzten Kriege bewiesen. — Es folgte darauf die Aus⸗ loosung der . worauf die Sitzung geschlossen wurde. Morgen wird die Wahl des Präsidiums vorgenommen werden.
Italien. Rom, 6. Mai. Der König wird am nächsten Montag die internationale Ausstellung von Blumen und Garten⸗ früchten in Florenz eröffnen.
— General Menabrea's Bericht an den Senat über den die Landesvertheidigung betreffenden Gesetzentwurf ist bereits unter der Presse.
Die Herzogin von Edinburgh
— Gestern nahm in der Trinitätskirche auf dem Pincio der neuernannte Kardinal Regnier, welcher Titular dieser Kirche geworden ist, dieselbe in Gegenwart der französischen Gesandt⸗ schaft beim Vatikan und vieler hier anwesenden französischen Prälaten feierlich in Befitz.
— J. Mai. Die Deputirtenkammer beschäftigte sich gestern mit den neuen Eisenbahntaxen und nahm nach kurzer Debatte den ersten Artikel des Gesetzentwurfs an, welcher die Taxe vom Eilgut von 10 auf 13 pCt. erhöht und den zweiten Artikel, der eine Taxe von 2pCt. auf die Beförderung von ge⸗ wöhnlichem Frachtgut legt. Auch die Artikel, welche Bestim⸗ mungen über Freibillets und Fahrkarten zu herabgesetzten Preisen betreffen, wurden schließlich angenommen.
Rußland und Polen. Monats⸗Uebersicht für April. In Bezug auf die Hofereignisse erscheint der April als ein weniger bewegter Monat, als die vorherigen; nur zu Ende desselben wurde das Land durch die Nachricht von der bevor⸗ stehenden Verlobung des Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch, zweiten Sohnes des Kaisers, mit einer Prinzessin von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin erfreut. Am 1. Mai neuen Styls erfolgte sodann die Abreise des Kaisers nach dem Auslande.
Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik war der inzwi⸗ schen bekannt gewordene Schriftenwechsel des Fürsten Gortscha⸗ koff mit Lord Granville zu registriren. Er konstatirte eine volle Uebereinstimmung zwischen Rußland und England in Betreff der mittelasiatischen Angelegenheiten: Afghanistan bleibt nach wie vor für Rußland außerhalb des Gebiets seiner politischen In⸗ fluenz, doch erschien wichtig, daß dem Emir Schir Ali von eng⸗ lischer Seite der Rath ertheilt würde, sich nicht in die Streitig⸗ keiten der Truchmenen zu mischen, ihnen vielmehr alle Hoffnung auf etwaigen Rückhalt von seiner Seite gänzlich zu benehmen. Sich selbft überlassen, fügten fich die widerspenstigen Truchmenen und brachten durch den Chan von Chiwa einen Theil der schul⸗ digen Kontribution ein.
Im Hinblick darauf, daß in den russischen BGrenzgebie⸗ ten, die nach Mittelasien zu liegen, nun gesicherte und ge⸗ ordnete nachbarliche Zustände einkehren, sind diese Gebiete in administrativer Beziehung definitiv geregelt worden. Zunächst ist die Verwaltung des General⸗Gouvernements Tu rkestan (nach einem übrigens schon seit längerer Zeit vorbereiteten Ent⸗ wurfe, bei welchem der chiwasche Feldzug Modifikationen nöthig machte) endgültig festgestellt worden. Das General⸗Gouverne⸗ ment Turkestan zerfällt in vier Gebiete (Syr⸗Darja, Semiret⸗ schinsk, Samarkand und Amu Darja), deren Chefs unter dem General⸗Gouverneur die Stellung von Gouverneuren haben. Der Etat der Verwaltung von Turkestan beträgt, außer dem Gehalte des General⸗Gouverneurs, etwa 700,000 Rubel jährlich. Der General⸗Gouverneur von Turkestan hat zugleich die direkten diplomatischen Verhandlungen mit den mittelasiatischen Chanaten.
Das zweite Gebiet, welches einer definitiven Regelung unter⸗ worfen ward, ist das transkaspische, jener Distrikt, welcher von dem Uralgebiet, dem „Mertwoi Kultuk“, dem kaspischen Meere, dem Atrek und dem Chanat Chiwa begrenzt wird. Schon vor längerer Zeit wurde dieses Gebiet der Statthalterschaft des Kaukasus zugewiesen, doch noch ohne eine bestimmte Organi— sation. Auch die gegenwärtige Organisation gilt noch als eine zeitweilige“, doch hat sie bereits einen abgeschlossenen Charakter. Dieses Verwaltungsgebiet östlich vom kaspischen Meere steht zur kaukasischen Statthalterschaft im Range eines Gouvernements und zerfällt in zwei Kreise, den von Krasnowodsk und den von Mangnschlak, mit den Bezirksstãdten Krasnowodsk (zugleich Hauptort des ganzen Gebiets) und Alexandrowsk. Die Ver⸗ waltungskosten des transkaspischen Gebiels belaufen sich jährlich auf etwa 40.000 Rubel. Einfacher ist noch die Regelung des Embagebietes am nordöstlichen Ufer des kaspischen Meeres. Bei der Feststellung der zu beobachtenden Gerichtsordnung ist das volksthümliche Prinzip (Richter aus den Siammhäuptern gewählt) möglichst aufrechtgehalten worden, ebenso auch bei der Regelung der religiösen Verhältnisse.
Während des April wurden zwei gelehrte Expeditionen zur Erforschung der Grenzgebiete Rußlands vorbereitet: von der Re⸗ gierung die große wissenschaftliche Expedition, welche unter Lei⸗ tung des Großfürsten Nikolai Konstantinowitsch nach dem Amu Darja geht und aus etwa 25 Gelehrten besteht, und von der naturforschenden Gesellschaft in St. Petersburg eine kleinere Ex⸗ pedition, welche die Erforschung der Fauna und Flora, sowie auch der geologischen Verhältnisse des aralo⸗kaspischen Bassins und des Plateau Ust⸗Urt zum Ziele hat. Die Expedition der naturforschenden Gesellschaft erhält von der Regierung einen Zu⸗ schuß von 10000 Rubel.
Die Zusammenkunft der Vertreter der Bodenkredit⸗Banken hatte die Reorganisation der ländlichen Kreditverhältnisse auf mehr gesicherter Basis zum Zweck. Das Hypothekensystem im deutschen Sinne kannte man früher in Rußland (außer Polen und den baltischen Provinzen) gar nicht, und die Regierung war der einzige Gläubiger, bei welchem man auf Immobilien Geld aufnehmen konnte. Die Umgestaltung der ländlichen Verhältnisse unter Alexander II. führte zur Errichtung zahlreicher Bodenkredit⸗ Gesellschaften; von diesen gerieth eine Anzahl in eine Art von Krisis — einestheils, weil die Taxation der Grundwerthe nicht feststand, und anderentheils, weil die Banken sich gegenseitig Konkurrenz machten und durch freiere — aber ihnen selbst schädliche Bedingungen sich unter einander zu überbieten suchten. Die Zusammenkunft der Vertreter der Bodenkredit⸗Banken hatte zur Folge, daß für Grundwerthe eine einheitliche Taxationsmethode, für die Banken selbst ein überein⸗ stimmender Modus der Abrechnung angenommen ward; ferner sollen künftig, um wetteifernden Konkurrenzen vorzubeugen, die Bodenkredit⸗Banken ihre Wirksamkeitsbezirke nach gütlicher Uebereinkunft unter einander abgränzen; endlich sollen die 11 Bodenkredit⸗Banken, um die es sich handelte, im Laufe des Jahres 1874 nicht mehr Pfandbriefe herausgeben, als für 30 Millionen Rubel. Die in diesem Jahre von den betref⸗ fenden Banken schon entrirten Geschäfte wären in dieses Kollektiv⸗ Maximum von 30 Millionen mit hineinzurechnen. Die Banken, auf welche dieses Arrangement sich bezieht, sind folgende: Die Charkowsche laͤndliche Bank, die Moskauer ländliche Bank, die Peters burg⸗Tulasche, die Kiewsche, die Nischnn⸗Nowgorod⸗Sa⸗ marasche, die Wilnasche, die Saratow⸗Simbirskische, die Jaroslaw⸗ Kostromasche, die Donische, die Bessarabisch⸗Taurische, die Pul⸗ tawasche Bank. Die Maxgimal⸗Beträge, die diese Banken für das Jahr 1874 emittiren dürfen, variiren — von der erstgenann⸗ ten anfangend — zwischen 4 Millionen und 1,B200 000 Rubel.
Im April kam es zum ersten Male zur Zeichnung auf die Aktien solcher Bahnen, die nach dem neuen Eisenbahngesetz vom 30. März 1873 vergeben wurden. Die Regierung ertheilt keine Konzessionen mehr, sie bestimmt vielmehr im Voraus, welche Bahnen gebaut werden sollen, und sie ist es auch, welche die erste Aktienzeichnung veranstaltet. Die Bahnen, auf welche sie