— Der Major in der Königlich italienischen Kavallerie Appelius ist behufs militärischer Studien hier eingetroffen.
— Ueber die Verhandlungen des Hauses der Ab⸗ geordneten in der letzten Session wird eine von dem Bureau⸗ Direktor des Hauses der Abgeordneten, Geh. Rechnungs⸗ Rath Kleinschmidt, angefertigte Uebersicht in den nächsten Monaten zum Druck gelangen.
Es sind darin in gleicher Weise, wie in die Uebersicht für die Session 1872,73, die Gesetzesvorlagen, sowie die dazu gehörigen Kommissions- und sonstigen Anträge dem Wortlaut nach, mit An⸗ gabe der gefaßten Beschlüsse, übernommen, so daß, unter Ver⸗ meidung des zeitraubenden und schwierigen Zurückgehens auf die verfchiedenen Drucksachen, also auch ohne daß die Drucksachen überhaupt zur Hand sind, aus der Uebersicht selbst Information darüber gewonnen werden kann, wie die Gesetze in den einzelnen Paragraphen und im Ganzen sich gestaltet haben.
Ueber alle sonstigen Gegenstände der Verhandlungen des Hauses, den Staatshaushaltsetat, die Petitionen ꝛe. enthält die Jebersicht ebenfalls einen vollständigen Nachweis, und eine der⸗ selben angehängte, nach dem Alphabet geordnete Rednerliste er⸗ giebt nicht nur den Tag, an welchem, sondern auch den Gegen⸗ stand, über welchen jeder einzelne Redner gesprochen hat, unter Hinweis auf die betreffenden Seiten der stenographischen Berichte.
Die Uebersicht, deren Kosten sich auf etwa 1 bis 11 2 Sgr. pro Druckbogen belaufen, wird in der Verlagsbuchhandlung von W. Moeser in Berlin, Stallschreiberstraße Nr. 34, ausgegeben werden. Um die Auflage bemessen zu können, würde die Be⸗
schleunigung der Bestellung erwünscht sein.
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Düsseldorf, 8. Juli. Der Regierungs⸗A1ssessor Forster ist nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienste auf Grund des durch den XXII. rheinischen Provinzial⸗Landtag unterm 30. Mai 1874 genehmigten Beschlusses des Provinzial⸗Verwal⸗ tungsraths vom 24. April d. J. zum ersten Ober⸗Beamten der provinzialständischen Verwaltung der Rheinprovinz und ersten Beamten der Centralbehörde ernannt worden.
Bayern. München, 8. Juli. Der Kronprinz Ru dolf von Oesterreich ist heute Morgens hier eingetroffen und wird zum Besuche seiner Schwester, der Prinzessin Gisela, mehrere Tage hier verweilen.
— Die Kammer der Reichs räthe hat heute dem Gesetz⸗ entwurf wegen Erweiterung der pfälzischen Eisenbahnen in der Fassung der Abgeordnetenkammer zugestimmt mit Aus⸗ nahme der Linie Kaiserslautern-Lauterecken, welche abgelehnt wurde.
Sachsen. Dresden, 9. Juli. Der König und die Königin haben heute Mittag mittelst Extrazuges ihre Reise von Bautzen nach Löbau fortgesetzt. Die Königlichen und die städtischen Behörden, sowie das Offizier⸗Corps waren in Bautzen zur Verabschiedung im Bahnhofe anwesend. Nachmittags gegen 3 Uhr haben Ihre Majestäten, nachdem dieselben auf dem Bahn⸗ hofe durch eine Deputation des Stadtraths und der Stadt— verordneten, den Regiments⸗Commandeur und den ersten Geist⸗ lichen ehrfurchtsvoll begrüßt worden waren, unter dem Jubel der Bevölkerung ihren Einzug in die festlich geschmückte Stadt Zittau gehalten.
Mecklenburg. Schwerin, 8. Juli. Die Großher⸗ zogin-Mutter ist gestern Abend hier wieder eingetroffen und hat im Greenhouse Wohnung genommen.
— Der Erbgroßherzog von Mecklenburg-Strelitz ist am 1. d. M. nach Neustrelitz zurückgekehrt.
Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha. Coburg, 8. Juli. Nach den neuesten Bestimmungen wird der Herzog von Edin⸗ burgh mit Gemahlin am 22. d. M. hier eintreffen. Se. Hoheit 1 Herzog wird am 21. d. aus dem Seebade hierher zurück— ehren.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 8. Juli. Der Feld⸗ marschall Erzherzog Albrecht reiste gestern Nachmittags 5 Uhr mittelst Separathofzuges der Nordbahn nach Warschau ab. Im Gefolge Sr. Kaiferlichen Hoheit befand sich der Oberst⸗Hofmeister Feldmarschall⸗Lieutenant Freiherr von Piret.
— Das Kaiserlich Königliche Infanterie-⸗Regiment König Georg V. von Hannover feierte am 6. d. M. in Theresienstadt, seiner Ergänzungsbezirksstation, das Jubiläum seines 200 jährigen Bestehens. Das Regiment wurde im Jahre 1674 in Folge eines zwischen Kaiser Leopold J. und Johann Hartmann, Bischof von Würzburg und Herzog zu Franken, ab⸗ geschlossenen Vertrages errichtet und erhielt, da dem Bischof die Oberstinhaberswürde vorbehalten war, den Namen „Würz⸗ burgisches Regiment“. Das Regiment hat schon an der Be⸗ freiung Wiens von den Türken 1683 kräftigen und ruhmvollen Antheil genommen, und zahllos sind die rühmenden Erwähnun⸗ gen und dankerfüllten Belobungen, welche ihm von Feldherren und Kaisern zu Theil wurden. Eine die Geschlechter über⸗ dauernde Auszeichnung brachte ihm die Schlacht von Wagram (5. und 6. Juli 1809), — damals Regiment Erbach geheißen — nach welcher ihm für sein ruhmvolles Verhalten für alle Zeiten das Recht verliehen wurde, den Grenadiermarsch schlagen zu dürfen.
— Auf Befehl des Kaisers wird, wie die „Mil. Ztg.“ berichtet, das dermalige Avancementgesetz von Seite des Reichs⸗ Kriegs⸗Ministeriums einer Umänderung unterzogen. Diese Um⸗ arbeitung soll noch vor dem nächsten November beendet sein, so daß das nächste Avancement nach den neuen Normen erfolgen könnte, da das alte bei Erscheinen des neuen Entwurfes sofort außer Kraft treten dürfte.
Pest, 8. Juli. Im Abgeordnetenhause interpellirte Horn den Finanz-Minister wegen Aufklärungen über den angeb⸗ lichen Zusammenhang zwischen den Eisenbahnvorlagen und der Anlehensoperation. Ghyczy erklärte, über den definitiven Stand der letzteren erst später Aufklärungen geben zu können; die zweite Hälfte des 153⸗Millionen⸗Anlehens sei übrigens noch nicht begeben. Taczdlay interpellirte wegen Aufhebung der Zoll⸗ freiheit für die rumänisch⸗serbischen Getreidesendungen. In Be⸗ antwortung einer Interpellation Domahidys versprach der Finanz⸗Minister, wegen Uebertragung der Steuerexekutionsagenden an die Administrativbehörden im Herbst eine Vorlage zu machen. Justiz⸗Minister Pauler beantwortete Tisza's die neue Gefängnißordnung betreffende Interpellation und wies die Halt⸗ losigkeit der von Tisza erhobenen Beschwerden über inhumane Bestimmungen derselben nach. Um eine genaue Aus⸗ führung derselben überwachen zu können, müßte den Staatsanwälten die Oberaufsicht übertragen werden. Die Verordnung selbst basire auf den modernsten Grund⸗ sätzen; er — der Minister — werde sich derselben nicht zu schä⸗ men haben, wenn sie in alle europäischen Sprachen übertragen werde. Tisza anwortete: der Minister sei ungesetzlich vorgegan⸗
gen, indem er den Staatsanwälten eigenmächtig eine richterliche Gewalt einräumte und sogar die Befugniß ertheilte, über die Gefängnißaufseher eine zweiwöchentliche Haft zu verhängen. Die ungarische Justiz werde durch solche Verfügungen vor Europa gebrandmarkt. Das Haus nahm Paulers Antwort mit großer Majorität zur Kenntniß.
Hierauf folgte die Spezialdebatte der Wahlgesetzvorlage. Zu §. 1 beantragten Majoros und Stane scu, die Wahlberech⸗ tigung auch auf die Frauen auszudehnen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Bei 5. 2 wurde die Debatte abgebrochen; morgen findet die Fortsetzung derselben statt.
Schweiz. Der Entwurf einer neuen Organisa⸗ tion des schweizerischen Heeres, welcher gegenwärtig in kommissarische Berathung gegeben ist, enthält nach dem „Fr. J.“ folgende wesentliche Bestimmungen:
Die Wehrpflicht erstreckt sich auf alle Schweizer von dem Jahre an, in welchem sie das 20. Altersjahr zurücklegen, bis zu dem Jahre, in welchem sie das 44. Altersjahr vollendeten, umfaßt also 25 Jahr⸗ gänge. Für die Organisation der so gebildeten Wehrmannschaft (etwa 206 000 Mann) ist die Zweitheilung, Auszug und Landwehr, festgesetzt. Ersterer oder die eigentliche mobile Armee soll 12 Jahr⸗ gänge umfassen oder (ophne die Ueberzähligen) 104,745 Mann. Die Landwehr umfaßt alle aus dem Auszug übergetretene Mannschaft bis zur Beendigung der Wehrpflicht, also 13 Jahrgänge, mit ungefähr gleicher Stärke wie der Auszug. Der Auszug bildet in sich eine geschlossene Armee,
eingetheilt in acht Divisionen. Die Landwehr ist mit Bezug auf die ein⸗
zelnen Truppenkörper gleich organisirt, wie der Auszug. Jedem Truppen ⸗ körper im Auszuge entspricht ein solcher in der Landwehr. Die Land⸗ wehr wird nur zu eintägigen Uebungen zusammengezogen. Jeder Wehrpflichtige kann zur Bekleidung eines Grades, sowie zur Ueber⸗ nahme jedes Kommandos angehalten werden. Wenn in Kriegszeiten Gefahr im Verzuge liegt, so steht dem General das Recht zu, an Stelle der ordentlichen Wahlbehörden Offiziere zu ernennen oder ihrer Kommandos zu entheben. Die Entlassung der Offiziere vor Ablauf der gesetzlichen Dienstzeit und mit der Wirkung, daß sie keinen Dienst mehr zu leisten haben und in die Klasse der Steuenpflichtigen fallen, geschieht durch die Wahlbebörde wegen schlechter Aufführung oder Un⸗ fähigkeit. Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der General. Ist er daran verhindert, so wird der Oberbefehl vom Chef des Ge⸗ neralstabes übernommen. Der Bundesrath ertheilt dem Ober—⸗ Befehlshaber verbindliche Instruktionen über den Lurch die Truppen Aufstellung zu erreichenden Endzweck und stellt ihm die erforderlichen Streitmittel zur Verfügung. Der General verordnet alle mailitärischen Maßregeln, welche er zur Er⸗ reichung des ihm bezeichneten Endzwecks für nöthig erachtet. Er verwendet die ihm zur Verfügung gestellten personellen und materiellen Streitmittel nach seinem Gutfinden und hat überdies das Recht, über alles nicht zum Heere gehörige Kriegsmaterial, sowie über alles bewegliche und unbewegliche Eigenthum, das sich im Bereiche, der Truppenaufstellung befindet, behufs Ausführung seiner militärischen Anordnungen zu verfügen. Die Kantone sind verpflichtet, der schul⸗ pflichtigen männlichen Jugend denjenigen Militärunterricht zu erthei⸗ sen, welcher mit den gymnastischen Uebungen verbunden werden kann. Der Bund überwacht diesen Unterricht. Die Militärbildung der Lehrer geschieht durch den Bund. Die aus der Schule entlassene Jugend ist bis zum Beginn der Wehrpflicht zur Fortsetzung dieser Uebungen ver— halten, welche jährlich während wenigstens 15 halben Tagen vorzu— nehmen sind. Die Gemeinden sind verpflichtet, alle Fuhren gegen ge— setzliche Entschädigung zu leisten. In Zeiten von Krieg oder Kriegs gefahr ist der Ober⸗Befehlshaber und, so lange ein solcher nicht bestellt ist, der Bundesrath berechtigt, den Kriegshetrieb der Eisenbahnen zu verfügen. Das Verfügungsrecht der Gesellschaften wird suspendirt. Für den Transport voön Truppen, Kriegsmaterial und Bedürfnissen der Armee, welcher während des Kriegs stattfindet, wird die Hälfte derjenigen Taxen bezahlt, welche für die gleichen Transporte im ge⸗ wöhnlichen Betriebe festgesetzt sind. Die Transporte von Verwundeten und Kranken geschehen unentgeltlich.
Großbritannien und Irland. London, 8. Juli. Auf Wind sor fand gestern unter dem Vorsitz der Königin eine Kabinetsberathung statt, bei welcher der Herzog von Rich⸗ mond (Präsident des Staatsrathes), der Marquis von Hartford (Oberst⸗Kämmerer), der Earl von Malmesbury (Geheim⸗Siegel⸗ bewahrer) und Hr. Croß (Minister des Innern) zugegen waren. Während des Conseils wurde Lord Henry Lennox, der Ober⸗ Kommissär der öffentlichen Arbeiten, als Mitglied des geheimen Raths vereidigt. Nach dem Conseil ertheilte die Königin Hrn. Crowe, dem hritischen General⸗Konsul in Christiania, sowie Hrn. Green, dem früheren englischen General-Konsul in Bukarest, die Ritterwürde.
— Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh werden bis zum 22. ds. in Jugenheim verweilen.
— Sir Edward Thornton, der britische Gesandte in Wasphington, ist in London angekommen.
Frankreich. Paris, 8. Juli. Der Kriegs⸗Minister, General de Eissey, hat folgendes Schreiben an die Corps-Kommandanten gerichtet:
Versailles, 17. Juni.
Mein lieber General! Ich bin benachrichtigt, worden, daß eine die Artillerie betreffende wissenschaftliche Denkschrift unter der Form einer Note von dem der Armee angehörenden Verfasser an eine große gelehrte Körperschaft gesandt wurde. Das Studium der Wissenschaften und Künste, bei deren Fortschritten die Armee interessirt ist, muß gewißlich unter allen Offizieren ermuthigt werden. Es ist aber voll⸗ ständig gegen die Prinzipien der Rangordnung und die festgestellten Regeln, daß das Ergebniß dieser Studien, unter einerlei welcher Form, ohne die Kontrole der Oberbehörde eine Publizität erhalte, die in gewissen Fällen nicht ohne Unbequemlichkeit sein würde. Es können in der That Umstände eintreten, wo eine Mittheilung wie die, um welche es sich handelt, in wenigstens nutzlose Enthüllungen, in an militärische Anstalten oder n, , gerichtete Kritiken oder in persönliche Streitigkeiten ausarten können. Es ist also gut, daß kein vom Kriegs ⸗Minister abhängiger Offizier oder Beamter ohne vorherige Ermächtigung an irgend eine gelehrte Körperschaft, deren Sitzungs⸗ berichte der Oeffentlichkeit übergeben werden, Mittheilungen xichtet, welche die verschiedenen Dienstzweige der Armee betreffen. Ich bitte Sie, allen unter Ihrem Befehle stehenden Offizieren diese Regel ins Gedächtniß zurückzurufen. Sie wollen sich außerdem, insofern es das Zuwiderhandeln gegen diese Vorschriften betrifft, auf das ministerielle Circular vom 19. Dezember 1873 beziehen.
Der Vize⸗Präsident des Ministerraths, Kriegs⸗Minister . General de Cissey.
— 10. Juli. Die Mehrzahl der Tages blätter äußert sich ustimmend über den Inhalt der gestrigen Botschaft des Mar⸗ fir n Mae Mahon (s. u. Versailles). Die republikanischen Organe kommen zu dem Schlusse, daß die von dem Marschall geforderte Organifirung seiner Gewalten nur in der Errichtung der Republik bestehen könne, da die Monarchie jetzt als völlig beseitigt angesehen werden müsse. „Soleil“ vermuthet, daß der Antrag Perier zur Annahme gelangen werde. — Die legiti⸗ mistischen Blätter allein sprechen sich mit einer gewissen Gereizt⸗ heit über die Botschaft aus.
Versailles, g. Juli. (W. T. B.) In dec heutigen Sitzung der Nationalversammlung wurde folgende Bot⸗ schaft des , verlesen:
„Als durch das Gesetz vom 20. November v. J. die Exekutip⸗ gewalt auf 7 Jahre in meine Hände gelegt wurde, hat die National- versammlung, indem sie das mir übertragene Mandat außerhalb jeder Frage und uͤber jeden Zweifel stellte, den Interessen des Landes zu⸗
.
gleich diejenige Sicherheit geben wollen, deren diese bedürfen und die
ihnen staatliche Institutionen von nur prekärer Natur in genügender
Weise nicht zu gewähren vermögen. Das Votum der Nationalver⸗ sammlung legte mir schwere Pflichten auf, für deren Erfüllung ich Frankreich gegenüber verantwortlich bin, und denen ich in keinem Falle mich entziehen darf. Das Votum der Nationalversammlnng übertrug mir Rechte, deren ich mich nie anders, als zum Wohle des Landes bedienen werde. Die Gewalt, mit der ich bekleidet worden hin, hat eine fest begrenzte Dauer. Das Vertrauen der Nationalversammlung hat dieselbe zu einer unwiderruflichen gemacht, und indem die National⸗ versammlung mir jene Gewalt vor, ihrer Beschlußfassung über die konstitutionellen Gesetze übertrug, hat sie selbst ihrer Souveränetãt gewisse Fesseln auferlegen wollen. Diese Gewalt, deren Endzeitpunkt nicht abgekürzt werden kann, werde ich handhaben, um sie mit allen mir darch die Gesetze zu Gebote stehende Mitteln zu vertheidigen. Ich werde so der Erwartung und dem Willen der Nationalversamm⸗ lung entsprechen, die, als sie mich auf sieben Jahre an die Spitze der Regierung stellte, eine starke, stabile und geachtete Gewalt zu schaffen glaubte. Aber das Gesetz vom 20. November v. J. be⸗ darf der Vervollständigung. Die Nationalversammlung, die der Gewalt auch die derselben nothwendigen weiteren Mittel, zu ge⸗ gen versprach, kann nicht daran denken, ihren Verpflichtungen untreu zu werden. Möge sie mir erlauben, ihr dieselben heute in der dringlichsten Weise ins Gedächtniß zurückzurufen und deren beschleu⸗ nigte Ausführung zu fordern. Unter den Wünschen des Landes steht die Organisation der Gewalten obenan, welche ein Unterpfand sein wird fuͤr die Stetigkeit der Verhältnisse. Es ist durchaus nothwendig, daß diese bisher zurückgestellten Fragen zur Lösung gelangen. Neue Zögerungen in dieser Beziehung würden die Ungewißheit verlängern, den Gang der Geschäfte lähmen und der Wohlfahrt des Landes Schaden zufügen. Der Patriotismus der Nationalversammlung wird nicht schwach werden gegenüber den Verpflichtungen, die ihr noch zu erfüllen bleiben, sie wird dem Lande geben, was sie ihm schuldig ist, und was dasselbe von ihr erwartet. Namens der wichtigsten Interessen des Landes beschwöre ich die Versammlung, ihr Werk zu vervollständigen und ohne Verzug in die Berathung derjenigen Fragen einzutreten, die nicht länger unerledigt bleiben dürfen. Die Beruhigung der Gemüther er⸗ fordert dies dringend. Getragen von dem gleichen Gefühle der, Ver— antwortlichkeit, werden Nationalversammlung und Regierung gemeinsam alle Pflichten erfüllen, die ihnen auferlegt sind. Die gebieterischste Pflicht aber besteht darin, dem Lande durch definitive Institutionen diejenige Ruhe, Sicherheit und Befriedigung zu gewähren, deren das⸗ selbe bedarf. Ich beauftrage meine Minister, die Kommission für die konstitutionellen Gesetze ohne Verzug diejenigen Punkte wissen zu lassen, auf welche, als die wesentlichsten, ich besonderes Gewicht legen zu müssen glaube.
Die Botschaft wurde von der Rechten und dem rechten Centrum mit Beifall aufgenommen. Casimir Perier beantragte, die Versammlung solle die konstitutionelle Kommission auffor⸗ dern, ihren Bericht sofort vorzulegen. Der Wunsch des Mar⸗ schall⸗Präsidenten stimme mit seinen eigenen bezüglichen Wünschen durchaus überein, und es sei nothwendig, den Gewalten des Marschalls in einer prinzipiell fest bestimmten Regierungsform eine Stütze zu geben. Der Vorsitzende der konzitutionellen Kommission, Batbie, erklärte den Antrag Periers für überflüsfig, weil die Kommission schon Montag den fraglichen Bericht er⸗ statten lassen werde. Perier zog in Folge dessen seinen Antrag zurück.
Vom Abgeordneten Duval ward hierauf der Antrag auf Auflösung der Nation alversammlung eingebracht., Es wurde beantragt, die Wahlberechtigten zur Vornahme der Neu⸗ wahl der Nationalversammlung zum 25. Oktober d. J. zusam⸗ menzuberufen, die dermalige National versammlung soll erst nach Einberufung der neu zu wählenden aufgelöst werden. Die Dringlichkeit dieses Antrags ward indeß ab gelehnt. Nur die Linke, die äußerste Linke und die Bonapartisten stimmten für die Dringlichkeit. Ebenso wurde die Dringlichkeit für den wei⸗ teren Antrag Hervé de Saisy's abgelehnt, daß die jetzige Nationalversammlung nicht eher auseinandergehe, als bis die Reorganisation der Armee gesichert sei.
Die Versammlung trat darauf in die Berathung des Ge— setzes, betreffend die Aufkesserung der äußeren Lage ber Unteroffiziere, ein und nahm dasselbe in erster Lesung an.
Spanien. Madrid, 9. Juli. Vernehmen nach hat Dorregaray ein Manifest an die „kivilisirten Nationen“ erlassen, in welchem er die Regierungs-Armee auf das Gröbste verleumdet, indem er sagt, daß die Aufführung dieser Armee ihn gezwungen habe, seine Art der Kriegsführung zu verändern. Er giebt zu, daß er in Folge deffen 15 Gefangene habe erschießen kassen. Diese Erklärungen Dorregaray's widersprechen durchaus dem letzten Tagesbefehl Concha's, in welchem Letzterer ausspricht, daß er die Feinde besiegen aber nicht morden wolle.
Griechenland. Athen, 9. Juli. (W. T. B.) Die Wahlen zur Deputirtenkammer sind heute beendigt. Durch den Ausfall derselben ist, soweit bisher zu übersehen, die Majorität der Regierung gesichert.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 5. Juli. Der Kronprinz reist am Dienstag von Helsingborg mit sei⸗ nen Lehrern nach der Schweiz.
König Oscar verweilt augenblicklich in der Umgegend von Jönköping, wo die Feldmanöver seit dem 1. d. M. ab⸗ gehalten werden. Die Voraussetzung, unter welcher dieselben geschehen, ist, daß ein feindliches Heer in die Gegend von Wingäker und Pälsboda, vorgedrungen ist; daß dessen Hauptstärke am Abend des 30. Juni bei Drös⸗ phult stand und daß sie sich der westlichen Stamm⸗ bahn zu bemächtigen gedenke, entweder um gegen Carlsborg zu rücken oder den Knotenpunkt Herrljunga zu nehmen. Das ver⸗ theidigende Heer sucht nun dem Feinde in der Gegend von Hals⸗ berg und Askersund zu begegnen; die Vorposten desselben standen am 30. Juni Abends bei Sandhem. Gegen Schluß der Uebungen wird auch Prinz Alexander der Niederlande hier erwartet.
— Die Kadettenkorvette „Norrköping“, Commandeur⸗ Kapitän J. H. Ankarcrona, verließ „Aftonbladet“ zufolge gestern den Elfsborgfjord, um vor ihrer Ankunft in Reikigvik auf Island, 26. d., in der Nordsee zu kreuzen Lagercrantz, welcher den König beim dortigen 1000jährigen Jubiläum vertreten soll, schiffte sich gestern Vormittag auf der Korvette ein.
Dänemark. Kopenhagen, 7. Juli. „Berl. Tidende“ theilt mit, daß es jetzt bestinimt ist, daß die Reise Sr. M aje⸗ stät des Königs über die Faröer nach Island am 20. oder 21. d. M. ihren Anfang nehmen wird, entweder von Ko⸗ penhagen oder von Frederikshaun aus. Se. Majestät wird, außer von dem Prinzen Waldemar, begleitet werden von dem Justiz⸗Minister, dem Direktor des isländischen Departements O. Stephensen, dem Kabinets⸗Sekretär Trap, Oberst Holten, Kapitän Hedemann, Kapitän zur See Koch, sowie ferner vom Etats-⸗Rath Worsaage (dem bekannten Alterthumsforscher), dem Folkethings mann für die Faröer, Kapitän Bärentzen, dem Ma⸗ rinemaler, Professor Sörensen und dem Dichter, Kammer⸗ Assessor Karl Andersen.
(W. T. B.;) Dem
Der Contreadmiral J. R.
— Prinz Alexander der Niederlande ist vor seiner Abreise von hier zum Ritter des Elephanten⸗Ordens er⸗ nannt worden; auch wurden die Se. Königliche Hoheit beglei⸗ tenden Kavaliere mit hohen dänischen Orden deforirt.
— Der „Ministerialtid. zufolge umfaßt die Prägung der neuen Kronmünzen bis zum 1. Juli die Anzahl von 253,000 1⸗Oerestücken, 3,721,500 2⸗Oerestücken, 1, 169.000 5⸗Oerestücken und 3, 174,000 10⸗Oerestücken. ö
Amerika. (A. A. C.) Die Cheyenne⸗, Comanche⸗ und Kiowa⸗Indianer, die im Stande sind, 3000 Mann ins Feld zu stellen, drohen mit Krieg und wollen, wie man fürchtet, die Niederlassungen angreifen. Truppen haben Befehl erhalten, zum Schutz der bedrohten Distrikte abzugehen.
Cuba. (A. A. C.) Auf Befehl des General Kapitäns hielten die Pflanzer am 31. Juni eine Versammlung in Havana ab, um über die beste und schnellste Methode der Fundirung der Noten der spanischen Bank zu berathen, welche auf Grund der 10prozentigen Abgabe von Landeigenthum ausgegeben wur⸗ den. Die Pflanzer beschlossen zuletzt, eine ähnliche Abgabe für die Munizipal⸗Ausgaben zu zahlen und den General⸗apitän zu benachrichtigen, daß, wenn 16 Prozent nicht ausreichen soll⸗ ten, sie 25— 30 Prozent oder Alles, was die Behörden für nothwendig erachten würden, zu bezahlen bereitwillig wären. — Das vielverbreitete Gerücht, daß zwischen dem Praäͤsidenten der „Republik“ Cuba, Cisniénos und dem General Maximo Gomez bedenkliche Differenzen ausgebrochen seien, wird von hervorragen⸗ den, aus dem Innern zurückgekehrten Cubanern als ganz un⸗ glaubwürdig bezeichnet. Die Civil⸗ und Militärbehörden der Insel stehen in keinem zu Konflikten Anlaß gebenden Verhält⸗
nisse zu einander, und man hält jenes Gerücht für eine auf
Täuschung der Spanier berechnete Erfindung. — Im Hafen von Havana richtete am 21. Juni eine gewaltige Wasserhose bedeu⸗ tende Verwirrung und Zerstörung an. Sie wurde durch Kano— nensalven zum Platzen gebracht. — Die Journale Havanas er⸗ mahnen die Bewohner, aus ihrer Lethargie zu erwachen und die e vor dem sinanziellen Ruin zu retten, ehe es dazu zu pät sei.
Asien. Indien. Aus Calcutta wird der „Times“ vom 8. d. M. telegraphirt: „Die Bevölkerung von Bahej hat Fadhil Ali, der in 1863 zu Gunsten seines Oheims, des ver⸗ storbenen Sultans, abdankte, weil er damals noch sehr jung war, zum Sultan gewählt. — Ein zeitiges und rasches Steigen des Ganges und Brahmaputra hat die Indigosaaten sehr beschädigt.“
— Der „Bombay Gazette“ zufolge ist Herr de Lesseps geneigt, sein Projekt einer Eisenbahnlinie zur Verbindung Ruß⸗ lands und Centralasiens mit Indien zu Gunsten einer Eisen⸗ . zwischen Rußland und China zeitweilig auf⸗ zugeben.
— Der „New Jork Herald“ enthält die Nachricht aus Amoy vom 9. Juli, daß die aus Veranlassung der japanischen Expedition gegen Formosa entstandenen Streitigkeiten zwischen China und Japan friedlich beigelegt seien und die chinesische Regierung sich zur Tragung der Kosten bereit er⸗ klärt, sowie die Garantie für Sicherheit der Fremden über⸗ nommen habe.
, Nr. Id des Justiz⸗Ministerial⸗Blatts für die preu⸗ ßische Gesetzgebung, und Rechtspflege, herausgegeben im Bureau des Justiz⸗Ministeriums, enthält: Bekanntmachung vom 6. Juli 1874 — betreffend das Verzeichniß der höheren Lehranstalten
des preußischen Staats.
Statistische Nachrichten.
Das Rechnungs-Departement des Kaiserlich Königlichen Finanz⸗ Ministeriums (Abtheilung für die indirekten Abgaben] veröffentlicht die Ergebnisse der Verzehrungssteuer in Oesterreich⸗ Ungarn im Jahre 1873. Die „Wien. Z.“ entnimmt der Publika—⸗ tion Daten, welche darthun, daß die Ergebnisse der Konsumtionssteuer auf allen Gebieten, mit Ausnahme derjenigen der Zuckerproduktion, einen beträchtlichen Aufschwung erfahren und sich gegen das Vorjahr um 1,917,651 Fl. respektive um 3,2 * gesteigert haben. Die Ge⸗ sammtbevölkerung der im Reichsrathe vertretenen Länder beträgt nach der Zählung vom 31. Dezember 1869: 20,217,531 Einwohner, wovon 1185466 in sogenannten geschlossenen Städten! und 19,057,065 am 86 Lande wohnen. Ein auf statistischen Erhebungen basirender
ergleich zwischen der Bevölkerungszahl vom Jahre 1873 und der— jenigen vom Jahre 1872 ist wegen Mangels der Daten nicht möglich. Der Gesammliertrag der Verzehrungssteuer betrug im Jahre 1873 63, 305,208 Fl. gegen 61,390, 957 Fl. im Jahre 1872, somit im Jahre 1873 um 1,517,251 Fl. oder um 3,12 * mehr als im Vorjahre. Von dem Gesammtergebnisse pro 1873 entfallen 17053. 218 Fl. auf die sogenannten geschlossenen Städte und 46.254990 Fl. auf das offene Land, gegen 15, 890, 819 Fl. und 45,500,138 Fl. im Jahre 1872.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Berlin. ‚Friedrich Wilhelm der Dritte, König von Preußen, und Seine QDurchlauchtigsten Söhne: König ie,. Wilhelm der Vierte und Kaiser und König Wil⸗ helm, drei Lebensskizzen“, ist der Titel einer im Verlage von Alexander Dun cer hierselbst von Dr. R. G. Stillfried, Ober⸗Cere⸗ monienmeister Sr. Majestät des Kaisers und Königs, Königlich preuß. Wirkl. Geh. Rath u. s. w. herausgegebenen Schrift, deren Erlös fuͤr das Augusta⸗Hospital in Berlin bestimmt ist. Den Zeitraum vom 3. August 1770, dem Geburtstage König Friedrich Wilhelms III., bis zum 2. September 1873, dem Tage der feierlichen Enthüllung des Siegesdenkmals auf dem Königsplatze umfassend, stellt dieselbe in großen Umrissen Preußens ereignißreiche Geschichte unter den genannten drei Herrschern in chronikartiger, und deshalb sehr übersichtlicher Weise dar. Wichtige Urkunden, Schreiben, Armeebefehle dienen zur weiteren Ausführung der Lebensskizzen. Dem vortrefflich ausge— statteten Hefte sind außer einer Stammtafel das Porträt König Friedrich, Wilhelms JIs. nach einer Rauchschen Büste, das senige König Friedrich Wilhelms ITV. nach dem Originalgemälde von Prof. Otto und das Sr. Majestät des Kaisers und Königs nach einer Ori⸗ ginalbüste von Prof. Bläser in Photolitographie, sowie ein Gruppen⸗ bild König Friedrich Wilhelm III. mit der Königin Louise und Seinen beiden ältesten Söhnen darstellend, beigegeben.
. Ehrenbürger⸗Brief der Stadt Ehem⸗ nitz, welcher in diesen Tagen dem Reichskanzler Fürsten von Bis marck übergeben worden ist, trägt auf der feinen gußeisernen Schrift platte die Wismungsworte: „Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bis⸗ marck, Kanzler des Deutschen Reiches, der sich durch sein mannhaftes Eintreten in den Kampf gegen die finsteren Pläne römischer Herrsch⸗ begier von Neuem als der unermuͤdliche Vorkämpfer für Deutsch⸗ lands Einheit und Größe bewährt hat, ist zum Zeichen tief empfun⸗ denen Dankes das Ehrenbürgerrecht unserer Stadt von uns ertheilt worden. Chemnitz, den 26. Februar 1874. Der Rath der Stadt Chemnitz. Müller, Bürgermeister. Die Stadtverordneten. Melzer, Vorsitzender.“
— Das Gesangsfest, welches der Märkische Sänger bund nr zu arrangiren pflegt, fand diesmal nicht in Neu— stadt E⸗W., sondern in Freienwalde a. O. unter großer Theil⸗ nahme der einzelnen Gesangvereine und des Publikums am vorigen Sonntag statt. Die Berliner Gesangsgenossen traten in zwei besonde⸗ ren Zügen die Fahrt an. Freienwalde hatte sich festlich geschmückt, alle Häuser waren bekränzt und mit Fahnen dekorirt. Auf dem Marktplatze versammelten fich die Mitglieder der 597 Gesangvereine; hier überbrachte auch der Bärgermeister Linsing den Dank und Gruß der Stadt in einer kurzen Anspyrache, die in einem jubelnd aufge— nommenen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser endete. Um 105 Uhr setzte sich der lange Zug vem Marktplatze aus unter Gesang und Musikbegleitung in Bewegung nach, dem auf steilem Hügel gelegenen Eichenhain, wo die Hauptfeier stattfinden sollte. Dieser Theil der Feier begann init dem Massengesange des Liedes „Dich grüßt Freienwalde. Der mit großem Beifall aufgenommene Pcolog stammte von Hrn. Karl Weise her und endete mit einem Hoch auf Franz Mücke und den Märkischen Sängerbund. Die Festrede hielt Hr. Lehrer Sondermann aus Berlin. Demnächst wurden fünf Fahnen eingeweiht und die Fahne des Gesangvereins „Amicitia“, welcher sein 2hjähriges Bestehen feierte, mit einem silber⸗ nen Kranz geschmückt. Sieben Vereine ließen sich neu in den Bund aufnehmen. Der Nachmittag war geschäftlichen Verhandlungen und privaten Vergnügungen gewidmet, bis die sechste Stunde den ganzen Festzug zur Schlußfeier wieder anf den Marktplatz führte, von wo der Marsch nach dem Bahnhofe angetreten wurde.
— Wie in der am Sonnabend abgehaltenen Sitzung der geo⸗ graphischen Gesellschaft mitgetheilt wurde, ist ein Brief des Pr. Nachtigall eingetroffen, welcher vom 20. April dalirt ist und das Wohlbefinden des Afrikareisenden konstatirt. Dr. Nachtigall schreibt, daß er Gelder und Briefe empfangen habe und im Mai seine Rückkehr in die Heimath über Chartum anzutreten gedenke, da er sein Unternehmen eigentlich als vollendet betrachte. Der Brief be⸗ zeugt die günstige Stimmung des Reisenden. Sobald derslbe zurück= ie h sein wird, wird die Gesellschaft eine außerordentliche Sitzung abhalten.
Landwirthschaft.
Der Vorstand des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues in der Provinz Brandenburg hat den diesjährigen Berliner Coconmarkt auf Mittwoch, den 15. d. M. festgesetzt. Berselbe wird in der Turnhalle, Prinzenstraße 57, abgehalten werden. Die Generalversammlung der Mitglieder des Seidenbau Vereins findet an demselben Tage in demselben Lokale statt.
Aus Rheinhessen, 8. Juli, wird dem „Fr. J.“ über die Ernte mitgetheilt: Die Folgen der Fröste sind bei Weitem nicht so bedeutend, wie man annahm. Mit wenigen Ausnahmen wird der allge⸗ meine Stand der Früchte von erfahrenen, vorurtheilsfreien Männern als ganz vorzüglich bezeichnet. Die Körnerfrüchte versprechen ein recht befriedigendes Ergebniß; nur die Gerste steht hier und da etwas mager. Den Fuitergewächsen dagegen war der geringe Vorrath an Winter Feuchtigkeit durchgängig hinderlich, und am Klee wird wohl eine Schur eingebüßt werden. Einen Rückschlag auf die Fleischpreise wird dies indessen kaum üben, da der Viebstand. der Provinz noch immer sehr reduzirt ist und die Produkte der Mischwirthschaft übri⸗ gens auch bereits fabelhafte Preise erlangt haben. Der Weinstock steht Überall Prächtig. Kräftige, gesunde Ansätze sind die vielversprechende Haupteigenschaft der zahlreichen, sehr großen Gescheine, und die Blüthe ist unter den güänstizsten Umständen verlaufen. An einigen
Berlin.
Stellen verursacht der Mangel an Regen zwar bereits Abfallen der Beeren, für jetzt ist dies indessen ohne Bedeutung, und wenn die Witterung in den nächsten zwei Monaten nicht ganz abnorme Sprünge macht, wird das gegenwärtige auch zu den Weinjahren gezählt werden.
Gewerbe und Sandel.
In der Generellen Uebersicht über diej nigen Aktiengesellschaften ꝛe., welche mit Nr. 157 d. Bl. ausgegeben, ist am Schlusse bei Aktien⸗Verein des Zoologischen Gartens 1600006 Thlr. statt 100,000 Thlr. Aktienkapital zu lesen.
— Nach einer telegraphischen Depesche der „Weser⸗Zeitung“' aus Em den, 6. Juli, ist das Jagerschiff der dortigen Heringsfischerei mit dem ersten diesjährigen Heringsfange, 291 Tonnen, eingetroffen.
London, 9. Juli. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nach—
richten haben seit gestern cirea 20009 Kohlenbergwerks-Arbei⸗ ter in Süd-HJorkshire die Arbeit niedergelegt, weil sie auf eine Herabsetzung der Löhne um 1243x nicht eingehen wollen. Es heißt indeß, daß dieselben eine Herabsetzung der Löhne um nur 10 anzunehmen geneigt seien. — Großbritanniens Exporthandel ist noch immer nicht im Zunehmen begriffen. Nach den effiziellen Tabellen des britischen Handelsamtes repräsentirte der Gesammtwerth des Exports von bri⸗ 937 und irischen Produkten im Monat Juni einen Werth von 19367, 613 Lstr. gegen 19,160,083 Lstr. im Juni 1873 und 20, 223,621 Lstr, im Parallelmonat von 1872. Eine beträchtliche Zunahme zeigt indeß die Einfuhr des Monats, sie betrug 34,124,424 Lstr. gegen 30,242,119 Lftr. im Parallelmonat des Vorjahres.
Verkehrs⸗Anstalten.
Berlin. Die Kaiserlich deutsche Telegraphen⸗Verwal⸗ tung zählte am Schluß des letzten Jahres 336 selbständige, 957 mit Postanstalt verbundene, 155 Privat⸗ resp. zur Verwaltung übertragene und 21 von Kommunen errichtete und unterhaltene Stationen; im Ganzen 1459 Stationen; 78 mehr als am Schlusse des Jahres 1872. Das Personal bestand aus 296 Beamten der General-Direktion (die Unterbeamten eingeschlossen. Bei dem Betrieb der selbständigen Stationen waren 3135 Beamte und 813 Unterbeamte, bei dem Be⸗ trieb der nicht selbständigen Stationen 1790 Personen, mithin im Ganzen 5944 Personen beschäftigt. Die Gesammtlänge der Tele⸗ graphen Linien betrug 39,643 Kilometer (gegen das Vorjahr 2158 mehr), der Telegraphen ⸗Leitungen aber 104,440 Kilometer (gegen das Vor— jahr 6551 Kilometer mehr).
Düsseldorf, 8. Juli. Der Ausschuß des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Inter⸗ essen in Rheinland und Westfalen war gestern zu einer Sitzung zusammengetreten. Gegenstand der Berathung war dis ihm zugegangene Aufforderung. einen Delegirten zu der am 22. d. M. im Reichs Eisenbahn⸗Amte zu Berlin stattfindenden Konferenz bezüglich der Tarifreform zu ernennen. Der Ausschuß beschloß bei dem Reichs Essenbahn-Amte zu beantragen: „die Erhebungen und die Beschluß⸗ fassung über die Tarifreform bis zum Okiober dieses Jahres zu ver⸗ tagen, in der Zwischenzeit dem deutschen Handelsstande die für die erstere in Aussicht genommenen Grundsätze und Tarifvorschriften zur Begutachtung zu unterbreiten und erforderlichen Falls das durch die Tariferhöhung bis zum 31. Dezember er. geschaffene Pcovisorium ent sprechend zu verlängern. Für den Fall, daß das Reichs-Eisenbahn⸗ Amt auf diesen Antrag nicht eingehen sollte, wurde die Hrrn. Direk⸗ tor Bertelsmann und General⸗Sekretär Bueck zu Delegirten des Vereins für die in Berlin stattfindenden Konferenzen gewählt. Zur Berathung der Tarifvorschriften und des Systems, welches bei der Tarifreform befolgt werden soll, sowie zur Prüfung der für die Ein⸗ reihung der Waaren⸗-Artikel in die neuen Spezialtarife gemachten Vorschläge (Nr. 6 der Mittheilungen des Vereins, Seite 173 183) wurde für den 20. d. M. eine weitere Ausschußsitzung anberaumt, zu welcher auch Delegirte der befreundeten wirthschaftlichen Vereine, sowie der Handelskammern Rheinlands und Westfalens eingeladsn werden sollen.
Swinemünde, 10. Juli. (W. T. B.) Der Postdampfer des baltischen Lloyd, „Hum boldt“, ist gestern via Antwerpen nach New⸗York in See gegangen.
— Der Riesendampfer „Great East ern“ wird am 26. d. M. absegeln, um die Legung des neuen Kabels der Anglo⸗Ameri⸗ kantschen Telegraphen⸗Gesellschaft zwischen Irland und Neu⸗ fundland zu vollziehen. Das neulich gerissene 1866er Kabel ist auf der Höhe der irischen Küste aus der Tiefe gehoben worden; stür⸗ misches Wetter verhinderte indeß bis jetzt die Verbindung der gerisse⸗ nen Theile.
Rew⸗York, 8. Juli. Der Dampfer der Hamburg amerikani⸗ schen Gesellschaft, Silesia“ ist heute Morgen hier angekommen.
Aus dem Wolff'schen Telegraphen-Büäreau.
London, Freitag, 10. Juli, Vormittags. Das Unterhaus trat heute auf Antrag von Gurney in die zweite Lesung des Gesetzent⸗ wurfs über die Regulirung des öffentlichen Gottesdienstes ein. Hall beantragte, unterstützt von Knaichbull⸗Hugessen, die Verwer⸗ fung des Gesetzentwurfs, gegen welchen auch Gladstone sich mit Entschiedenheit aussprach. Gladstone erklärte, wenn das Gesetz die zweite Lesung passiren sollte, werde er einen Antrag gegen die Berathung im Comité stellen, und theilte ferner mit, daß er mehrere Resolutionen gegen den Gesetzentwurf einbringen werde. Nachdem dann noch mehrere Redner für und gegen den Gesetz⸗ entwurf aufgetreten waren, wurde die Berathung auf Montag vertagt.
Die Ausgrabungen in Olympia.
Dem Bericht, den Professor Eurtius in dem neuesten Hefte der „Preußischen Fahrbücher“ über seine Reise nach Griechenland erstattet, entnehmen wir Folgendes:
Auf die Anregung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen ist das Projekt der Aufdeckung in Olympia, welcher schon König Friedrich Wilhelm IV. auf eine von K. Ritter, Bötticher und Professor Curtius 1853 gemachte Eingabe eine lebendige Theil- nahme zuwandte und für welche auf Befehl Sr., Majestät des Kaisers im Juli 1869 eine vorberathende Kommissien eingesetzt wurde, nunmehr in Fluß gekommen, und es ist an maßgebender Stelle anerkannt worden, daß eine für Kunst und Wissenschaft so viel ver— sprechende Unternehmung würdig sei, vom Deutschen Reiche als eine seiner ersten größeren Friedensaufgaben in Angriff genommen zu werden.
Bis jetzt sind auf griechischem Boden immer nur einzelne Denk⸗ mäler der Gegenstand von Ausgrabungen gewesen, die Tempel in Assos, Magnesia, Epoesos, in Aigina, Phigaleig, Kartheia, Fleusis, das Hereion bei Argos, die Burgen der Troas, die Kuppel bauten von Mykenai, das Theater von Athen, sowie einzelne Grab— stätten und Gräberstraßen. In größerem Zusammenhange ist nur die attische Akropolis untersucht worden. Wenn nun also das die wür⸗ digste Aufgabe ist, eine zweifellos denkmälerreiche Stätte in der Weise aufzudecken, daß man die aus den Schriften der alten Periegeten be— kannten Monumente in ihrem örtlichen Zusammenhange wieder an das Licht zieht, so müssen die Gedanken auch jetzt noch, wie in den Tagen Winckelmanns, auf Olympia zurückkommen. Denn hier war ein Mittelpunkt nationaler Geschichte; hier ist die Fülle von Schrift- und Kunstdenkmälern aller Gattungen am sichersten verbürgt, und unter ihnen sind diejenigen, welche zur Entführung am wenigsten reizten, Tempelfkulpturen und Inschriften, für uns die allerwichtigsten. Hier ist der Boden frei, d. h. nur mit Saaten und Ppflan⸗ ungen bestanden, während die anderen Orte, auf welche man n sein Augenmerk richten müßte, Athen, Delphi, Eleusis, Argos, Theben von neueren Ortschaften überbaut sind. Hier ist ein weicher
Boden, welcher die zusammenstürzenden Trümmer aufgenommen und
sie, durch Abspülung der nahen Höhen sowie durch Ueberschwem⸗ mungen des Alpheios allmählich erhöht, in seinem Schooße geborgen
hat; hier ist das Ausgrabungsfeld durch Alpheies und Kladeos, die
in rechtem Winkel zusammen treffenden Flüsse, sicher begrenzt; hier ist das Centrum durch die Ruine des Zeustempels festgestellt, so daß man nicht, wie in Ephesos, Fahre lang tastend umhersuchen muß, sondern einen gesicherten Ausgangspunkt hat; hier hat, so viel wir wissen, kein zer—⸗ störender Kampf des Christenthums und des Heidenthums stattgefunden. Hler sind nach bem Verfall des Alterthums keine bedeutenderen Neubauten gemacht, und es sind keine neueren Städte vorhanden, deren Bewohner das verfunkene Material herausgeholt und verbaut oder zu Kalk ver— brannt haben. Hier werden durch Fischer und durch Bauern fortwäh⸗ rend Alkerthümer gelegentlich gefunden, und die einzige gründlichere Ausgrabung, welche hier veranstaltet worden ist, die der Franzosen im Jahre 1825, welche nach wenig Wochen mitten im besten Finden ab= Jebrochen werden mußte, hat den Beweis geliefert, daß von dem alten Inventar der Altis, das Pausanias beschreibt, noch ein ansehnlicher Rest vorhanden ist.
Günstigere Voraussetzungen sind also nicht denkbar und darum kam auch Ludwig Roß, einer der genauesten Kenner Griechenlands, 1853 auf den Winckelmannschen Plan zurück und suchte durch Privat⸗ beiträge die Mittel zusammenzubringen. Das geringe Ergebniß wurde später auf das Heraion in Argos verwendet.
Ueber eine an Ort und Stelle vorgenommene Besichtigung des Qr⸗ rains der projektirten Ausgrabungen meldet Professor Curtius: Die Schwierigkeiten des Unternehmens sind unverkennbar. Eine Schicht von ungefähr 12 Fuß Höhe liegt über dem Boden des Tempelbezirks, und wir haben keine Ahnung davon, wie hoch sich die Grundmauern der andern Gebäude, die den Tempel umgeben, über dem alten Bo⸗ den erhalten haben. Es fehlt an Land⸗ und Wasserstraßen, die den Transport erleichtern könnten; die Entfernung der beiden nächsten Dörfer erschwert die Arbeit. Das Klima ist übrigens nach allen Erkundigungen viel besser, als man gewöhnlich annimmt, und nur in den heißesten Sommermonaten wird die Arbeit ausgesetzt werden müssen. Der Erdboden ist weich, und. einige zum Versuche gemachte Grähen zeigten, daß unter der Oberfläche die Tempeltrümmer, wie sie zusammengestürzt sind, noch unberührt in weichen Schlamm gehüllt liegen. Man wird also von der West⸗ und
Ostseite des Tempels den Boden zunächst bis auf etwa 50 Fuß frei⸗ legen, um zu sehen, was an Tempelskulpturen zu finden ist, und dann in der Linie, wo man die bedeutendsten Gründungen von Olympia in dichten Gruppen voraussetzen darf, das Pelopion, den großen Altar, das Heraion und das Metroon, gegen den Kronos-Hügel vordringen, an dessen Fuße die Schatzhäuser der hellenischen Staaten lagen.“
Aus dem Reisebericht sei die Bemerkung erwähnt, die Curtius hin⸗ sichtlich des Schliemannschen Fundes, den er in Athen besichtigte, macht: „Wenn es auch nicht möglich war, in der Folge der Fundschichten eine urkundliche Gefchichte der kroischen Vorzeit zu erkennen und die in Bezug auf Ilion und seine Dynastie gemachten Folgerungen anzuerkennen, so trat uns doch die Alterthümlichkeit der älteren Thongefäße, sowie der vielbesprochene Eulenkopf überzeugend entgegen, und es schien mir hierin ein interessanter Ueberrest phönikischer Idolatrie und phönikischer Ansiedlung am Hellespont erhalten zu sein“.
Der Direktor der Sternwarte des Collegio Romano, P. Secchi, macht im „Osservatore Romano“ unterm 24. v. M. über den Ko⸗ meten Coggia folgende Mittheilungen: Die Astronomen sind im eifrigen Studium über die Lösung verschiedener Probleme, die sie mit dieser Erscheinung in Verbindung bringen. Der Kometenkern hat be⸗ reits einen schönen Strahlenfächer entfaltet; die Strahlen waren fast gleichförmig, und keiner zeigte eine außerg wöhnliche Form, wie dies kei den Konteten von 1866 und 1862 der Fall war. Das prismatische Spektrum ift aus den drei Zonen Gelb, Grün und Blau von Kohlen- oryd zusammengesetzt, und die mittlere, nämlich die grüne, ist äußerst lebhaft. Die Zonen sind verdunstet, wie der Fächer, und stellen bis jetzt noch nicht scharfe metallische Linien dar. Ein schwaches beharr⸗ liches Spektrum verband sämmtliche drei Zonen und ging, wenn nicht Mondschein war, von dem lebhaftesten Theil des Kernes aus. Bisher bilden die parabolischen Elemente seiner Bahn keine Anhaltspunkte für die Beobachtung, daher ist auch nicht festzustellen, ob er periodisch sei. Die Beobachtungen, die anf der anderen Hemisphäre gemacht werden, dürften die Löͤsung dieser Frage erleichtern.