1874 / 166 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Jul 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Die angezogenen Grundzüge für die Einrichtung gewerb⸗ licher Fortbildungsschulen lauten: 1

Die gewerblichen Fortbildungsschulen haben die Aufgabe, die Volksschulbildung ihrer Zöglinge zu befestigen, zu ergänzen und mit der Richtung auf die Erhöhung ihrer Erwerbsfähigkeit und Gewerbs⸗ tüchtigkeit zu erweitern. .

Bei der ö Verschiedenheit in der Entwickelung der Industrie in den einzelnen Landestheilen und der Mannigfaltigkeit der Stufen, bis zu welchen der Unterricht der Volksschule in denselben geführt wird, ist die Aufstellung eines allgemein gültigen Normalplanes für die gewerbliche Fertbildungsschule noch nicht, an der Zeit. Schon jetzt sind indeß für deren Einrichtung folgende Grundsätze bei Ausarbeitung der Spezial Lehrpläne zu beachten. ;

A. Die normal eingerichtete Fortbildungsschule hat zwei Stufen, deren jede sich in mehrere Klassen gliedern kann,

J. Die Unterstufe hat die Aufgabe, die allgemeine Bildung des Zöglings im Hinblick auf seinen Beruf zu fördern; sie umfaßt dem⸗ nach thunlichst sämmtliche Lehrgegenstände der Oberklassen gehobener Volksschulen; selbstverständlich mit Ausnahme der Religion. Die Lehrgegenstände sind sämmtlich obligatorisch.

II. Die Aufgabe der oberen Stufe ist die Erhöhung der Ge— werbstüchtigkeit des Zöglings insbesondere. Die Auswahl der Lhr— egenstände für diese Stufe bestimmt sich nach den gewerblichen Ver⸗

. des Ortes, an welchem sich die Schule befindet, insofern nämlich an dem einen Orte mehr die Ausbildung für das gewerbliche Leben im weiteren Sinne, an einem andern die Ausbildung für den e . Betrieb eines Handwerks im Bedürfnisse der Schüler iegen kann.

I) In den gewerblichen Fortbildungsschulen im weiteren Sinne sind demgemäß auf der Oberstufe neben den zu J. bezeichneten Lehr⸗ gegenständen, namentlich Physik und Chemie, bürgerliches und kauf⸗ männisches Rechnen, Buchführung und Handelskorrespondenz zu lehren. Wo ein Bedürfniß darnach vorhanden ist, können auch fremde Sprachen als fakultativer Lehrgegenstand in den Lehrplan aufgenommen werden. In dem Unterricht derselben ist nicht sowohl eine genaue Kenntniß der Grammatik, als diejenige Fertigkeit der Zöglinge im mündlichen und schriftlichen Gebrauche der Sprache anzustreben, welche für den Ge⸗ schäftsverkehr nothwendig ist.

2) In den eigentlichen Handwerker⸗Fortbildungsschulen bildet der Zeichenunterricht den Hauytlehrgegenstand und sollen auf denselhen möglichst acht wöchentliche Lehrstunden verwendet werden. Wo dies ausführbar ist und der Unterricht in mindestens 2jährigem Kursus fortgeführt werden kann, ist als Ziel anzusehen: im Freihandzeichnen, Sicherheit und Fertigkeit in der Darstellung von Flachornamenten, Blattformen, einfachen Körpern, Gefäßen und Geräthen nach der Natur; im Zirkelzeichnen nach Einübung des Zeichnens einfacher Flächenmuster und wichtiger geometrischer Konstruktionen Fertigkeit in der Darstellung von einfachen Körpern, Holzverbindungen und Ma— schinentheilen.

Die gleiche Stundenzahl, wie dem Zeichenunterrichte, ist der Fort⸗ setzung des Unterrichts in den zu J. bezeichneten Lehrgegenständen zu widmen. Insbesendere ist neben dem Unterrichte im Rechnen und den Naturwissenschaften der Einführung der Zöglinge in die Geschichte und die Volksliteratur ihres Vaterlandes eine besondere Sorgfalt zuzuwenden.

3) Gestatten oder erfordern es die Verhältnisse des Ortes, auf

der Oberstnfe einer mehrfach gegliederten gewerblichen Fortbildungsschule die unter J und 2 bezeichneten Zwecke neben einander zu verfolgen, so steht dem selbstverständlich nichts entgegen.

4) Die Zöglinge der Oberstufe (1— 3) können von der Theilnahme an dem Unterrichte in den ihren Beruf nicht unmittelbar berührenden Gegenständen dispensirt werden; doch ist dabei zu vermeiden, daß sie ihre Theilnahme auf die ausschließlich auf das Berufsleben gerich- teten Gegenstände beschränken. Es ist vielmehr darauf zu halten, daß ö. Schüler sich auch an dem Unterrichte betheilige, welcher die Be⸗ estigung seiner sittlichen Tüchtigkeit zur Aufgabe hat.

5) Die entsprechend vorgebildeten Zöglinge können sefort in eine der zur Oberstufe (1 —3) gehörigen Klassen aufgenommen werden. Solchen Zöglingen ist erforderlichen Falls ausnahmsweise die gleich— 6 Theilnahine an dem Zeichenunterrichte auf der Unterstufe zu gestatten.

B. Wo es nicht angeht, der vorstehend gegebenen Norm ent- sprechend die beiden Stufen der gewerblichen Fortbildungsschule in besonderen Klassen zum Ausdruck zu bringen, sondern nur eine ein⸗ klassige Schule eingerichtet werden kann, ist in dem Lehrplane der⸗ selben vorzugsweise die Aufgabe der Unterstufe zu berücksichtigen; doch nach Möglichkeit dafür Sorge zu tragen, daß befähigtere oder besser vorgebildete Schüler auch zu ihrer Weiterbildung Gelegenheit finden.

C. Bezüglich der Einrichtung und Ausstattung der Lehrzimmer, sowie der Beschaffung der Lehrmittel gelten die entsprechenden all— gemeinen Bestimmungen für die Volk und Mittelschulen.

Die zum Besuch des oberen Coetus pro Cursus 1873/74 in der vereinigten Artillerie⸗ und Ingenieur⸗Schule kommandirt gewesenen 34 Ingenieur⸗Offiziere sind zu ihren resp. Truppentheilen entlassen worden.

Der General⸗Lieutenant, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der Garde⸗Kaval⸗ lerie⸗Division Graf von Brandenburg II. hat sich mit Ur⸗ laub nach Domanze in Schlesien begeben, desgleichen der Major von Prittwitz⸗ und Gaffron, persönlicher Adjutant Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Carl von Preußen, nach Pommern.

Der General⸗Major und Commandeur der 3. Garde⸗ Kavallerie⸗Brigade Freiherr von Los ist von seinem Kommando zur Beiwohnung der Uebungen der Königlich schwedischen Armee hierher zurückgekebrz.

Hannover, 16. Juli. Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht ist heute Nacht um 1 Uhr 8 Minuten, von Norderney kommend, hier eingetroffen. Se. Hoheit der Herzog von Altenburg ist heute Nacht um? Uhr 45 Minuten nach Altenburg abgereist. ;

Bannern. München, 15. Juli. Die Kammer der Reichs räthe berieth heute den Gesetzentwurf wegen Aus⸗ dehnung und Vervollständigung der Staatseisenbah⸗ nen. Die erste der zu erbauenden Bahnen ist die durch das Fichtelgebirge; Frhr. von Schrenck machte auf die unverhästniß⸗ mäßigen Kosten, welche diese Linie veranlasse, und auf die finan⸗ zielle Lage aufmerksam. Graf Bothmer, Minister von Pfretzsch⸗ ner und Referent von Niethammer sprachen für die Genehmi— gung des Postulats, das denn auch mit allen gegen sieben Stimmen bewilligt wurde. Die von der Abgeordnetenkammer in den Entwurf eingestellten Linie Donauwörth⸗Treuchtlingen wurde trotz lebhafter Befürwortung durch Graf Pappenheim und Mi⸗ nister von Pfretzschner jedoch mit großer Mehrheit gestrichen. Auch die Strecke Wolnzach⸗Münchsmünster, die wegen fh Kon⸗ kurrenz, welche sie der Ostbahn machen würde, schon in der Ab⸗ geordnetenkammer Anfechtungen erlitt, wurde verweigert, worauf Minister von Pfretzschner den Vorbehalt aussprach, in einer spätern Session auf dieses Postulat zurückzukom⸗ men. Der Kredit, welcher durch dieses Eisenbahngesetz dem Mi⸗ nisterium eröffnet wird, beträgt 52, 147,700 Fl, da 8,960, 9000 Fl. für die Donauwörth -Treuchtlinger und 1,950, 000 Fl. für die Wolnzach⸗Münchsmünsterer Linie abgesetzt worden sind. Einige Debatte veranlaßte noch der Vorschlag des Referenten v. Niet⸗ hammer, wonach dem Entwurf ein neuer Artikel beigegeben wer⸗

nicht mehr als 29 Millionen Gulden für Zwecke des Neubaues von Eisenbahnen aus gegeben werden dürften. Dieser Ho gn begründet durch 6 Mangel an Arbeitskräften bei der Landwirthschaft, ward jedoch verworfen, weil man zu der Re⸗ gierung ohnehin jeder Berücksichtigung der Interessen des Landes sich versehen dürfe. Bei Mittheilung des Resultats der zweit⸗ maligen Budgetberathung in der Abgeordnetenkammer, daß dort nämlich die Leibrente an die Nachkommen des Markgrafen von Ansbach bewilligt, dagegen die 3000 Fl. für die Glasmalerei⸗ Anstalt verweigert worden seien, beantragte Prinz Ludwig nun⸗ mehr, den Wunsch an die Staatsregierung auszusprechen, sie möge die Glasmalerei als Unterrichtsgegenstand in das Lehr⸗ programm der Akademie der bildenden Künste aufnehmen und bei dem Bau des neuen Akademiegebäudes hierauf geeignete Rücksicht nehmen. Dieser Wunsch wurde ohne Widerspruch an⸗ genommen.

16. Juli. (W. T. B.) Die Kammer der Reichs⸗ räthe hat in ihrer heutigen Sitzung die Beschwerde des Jesuitenpaters Grafen Fugger, betreffend die durch seine Ausweisung begangene Verletzung der Verfassung, mit 27 gegen 11 Stimmen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Finanz⸗Minister v. Pfretzschner verlas darauf ein König⸗ liches Dekret, nach welchem der Landtag bis auf Weiteres vertagt wird.

Sachsen. Dresden, 16. Juli. Das Verzeichniß des Vermögens der Stadt Dresden am 31. Dezember 1873, mit spezieller Nachweisung der seit dem 31. Dezember 1872 ein⸗ getretenen Veränderungen, ergiebt in der Zusammenstellung die Vermögensbestände: 3,696,078 Thlr. gegen 3,618,295 Thlr. im Jahre 1872 Substantialvermögen, 431,090 Thlr. gegen 407,359 Thlr. Reservefonds, 100 000 Thlr. Betriebssonds und 1,072,235 Thlr. gegen 1,003,258 Thlr. Vermögen der Gasanstalt, in Summe 5,299,403 Thlr. gegen 5, 128,912 Thlr., mithin eine Vermehrung um 170491 Thlr.

Leipzig, 16. Juli. Die Königin der Niederlande traf gestern Abend mit dem Schnellzuge auf der Königlichen Staatsbahn mit zahlreichem Gefolge von Marienbad hier ein, übernachtete in Hauffe's Hotel und setzte heute Vormittag auf der Magdeburger Bahn ihre Reise nach Cöln fort.

SGessen. Darmstadt 14. Juli. (Fr. J) Der von dem Referenten des Finanz⸗Ausschusses der Ersten Kammer, Frhrn. v. Schenck zu Schweinsberg, erstattete Bericht über das Nachtrags-⸗Budget ist unter der Presse und wird in den nächsten Tagen zur Ausgabe gelangen. Als Tag des Zusam⸗ mentritts des Plenums der Ersten Kammer ist jetzt der 21. d. M. festgesetzt. Es kommt in erster Linie zur Verhandlung das Nachtrags⸗Budget mit dem konnexen Antrag der Abgg. Buff und v. Rabenau, sodann eine Reihe von Vorlagen, Anträgen und Petitionen. Die Zweite Kammer wird dem Ver⸗ nehmen nach noch im Laufe des August wieder zusammentreten.

Sach sen⸗Weimar⸗Cisenach. Belvedere, 16. Juli. Heute Nachmittag siedelte der Großherzogliche Hof von Bel⸗ vedere nach Wilhelmsthal über.

Anhalt. Dessau, 15. Juli. Der Erbprinz Leo— pold und der Prinz Friedrich sind vorgestern Mittag nach einer langen Abwesenheit im besten Wohlsein hier eingetroffen und auf dem Bahnhofe von der ganzen Herzoglichen Familie begrüßt worden. Der Herzogliche Hof ist heute hier anwesend, um die Herzogin von Dalarne bei ihrem Eintreffen zu e,. und zu einem längeren Aufenthalte nach Woͤrlitz zu

egleiten. ,

Oe sterreich⸗ Ungarn. Wien, 15. Juli. (Wien. 3.) Bei Beginn der heute stattgefundenen zehnten Sitzung der inter⸗ nationalen Sanitäts⸗Konferenz theilte der persische De⸗ legirte Dr. Polak (Hekim Baschi)h ein aus Teheran eingelangtes Telegramm mit, nach welchem derzeit in Persien weder die Cholera, noch die Pest herrsche. Der türkische Delegirte Pr. Bartoletti knüpfte an diese Mittheilung die Bemerkung, daß die jüngst aus Tripolis gemeldeten Todesfälle in der That eine Folge des Auftretens der Pest gewesen seien.

Die Konferenz setzte hierauf die Generaldebatte über die See⸗Quarantäne fort. Die türkischen, ägyptischen und franzö⸗ sischen Vertreter hielten an ihrer Ansicht für die Aufrechthaltung der See⸗Quarantäne fest und motivirten ihre Anschauungen in längeren, Auseinandersetzungen unter Hinweis auf ihre Erfah⸗ rungen aus der Epidemie im Jahre 1873. Die Delegirten der Schweiz und Luxemburgs traten gleichfalls für die Aufrecht⸗ haltung der See Quarantäne ein.

Von den Gegnern der Quarantäne, also den Vertretern der Kommissionsvorschläge, hoben der italienische Delegirte Dr. Semmola, der norwegische Delegirte Dr. Kierulf und der per⸗ sische Delegirte Dr. Polak in beredten Worten die Unzweckmäßig⸗ keit der See⸗Quarantäne hervor und belegten ihre Behauptun— gen mit zahlreichen Daten. Ihnen erwiderte der französische Delegirte Dr. Fauvel in einer langen, gehaltvollen Rede, in welcher er besonders auf die klimatischen Unterschiede und die hieraus resultirenden lokalen Verhältnisse hinwies. Er stellte schließlich den Vermittlungsantrag, den Gegenstand nochmals in den Kommissionssitzungen zu erörtern und zu denselben auch zwei Mitglieder der Opposition beizuziehen. Dieser Antrag wurde verworfen, dagegen der Antrag des italienischen Delegirten Dr. Semmola, den Gegenstand unter besonderer Erwägung der von der Opposition geltend gemachten Bedenken nochmals in kommissionelle Berathung zu ziehen, angenommen. Die nächste Sitzung der Konferenz findet Freitag, den 17. d. M, statt. Ischl, 16. Juli. (W. T B.) Fürst Milan von Serbien stattete heute Vormittag dem Kaiser von Oesterreich einen Besuch ab. Der Fürst setzt morgen Vormittag seine Reise nach Salzburg fort. SGasstein, 17. Juli. W. T. B) Der frühere ägyptische Minister Nubar Pascha ist zur Kur hier anwesend. Karlowitz, 16. Juli. (W. T. B.) Der serbische Kirchen⸗ kon greß hat den Bischof von Ofen, Stoikovies, mit 63 Stimmen zum Patriarchen gewählt. Sieben Kongreßmitglieder enthielten sich der Theilnahme an der Wahl. Die Sitzungen des Kongresses sind vertagt worden, bis der Kaiser seine Entschließung betreffs der Patriarchenwahl getroffen hat.

( Monatsübersicht In dem Aprilberichte war erwähnt, daß Se. Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Kronprinz Rudolf, dem ihm vorge— schriebenen Lehrplan entsprechend, in der Religion, der deutschen Sprache und den Naturwissenschaften eine Prüfung bestanden hatte. In weiterer Entwickelung des stufenmäßigen Bildungs⸗ ganges des Kronprinzen wurde am 27. Mai ein eingehendes Examen in den beiden, zu dieser Zeit zum Abschlusse gelangten Lehrfächern, der böhmischen und der Kunstgeschichte, vorgenommen.

2 für den Monat Zuni.)

den sollte, mit der Bestimmung, daß bis auf Weiteres jährlich

Sprache statt, und ließ der Kronprinz in deren Ausdruck eine große Gemandtheit 22 . Ebenso erregte das Verständniß und die, Jeurkhellung der Kunstgeschihte die befondere Zu⸗ friedenheit sämmtlicher Prüfungsgäste, unt wurde den beiden be— treffenden Lehrern von Sr. Majesät die volle Anerkennung aus⸗ gesprochen.

. In. den militärischen Studien Sr. Kaiserlichen Hoheit fand eine Prüfung am 22. d. M. statt: dicselbe fing mit dem Pionier⸗ dienste an und schloß mit Fragen über Feldbefestigung und Gen: etruppendienst. Se. Majestät der Kaiser sprachen auch über diese Leistung Ihre hohe Befriedigung aus, und es wurden den beiden Instrultoren die gnädigsten Worte für ihre erfolgreichen Bemühungen zu Theil.

Mit ähnlichem Ceremoniell, wie das Ausertehungsfest, fand am 4. d. M. die Frohnleichs namsprozession statt. Se. Faiserliche und Königliche Apostolische Majestät fuhren in Begleitung der Erzherzoge um 7 Uhr früh im feierlichen Zuge von der Hofburg nach St. Stephan, wohnten dem von Sr. Eminenz dim Kardinak Fürst Erzbischof von Wien celebrirten Hochamte bei urd machten sodann den feierlichen Umgang mit, welcher mit Zuzichung der Kaiserlichen und Königlichen Orden, des Hofstaates und ier Veib⸗ garden abgehalten wurde. In allen Straßen der Stadt, durch welche der Zug ging, war Militär in Reihen aufgestellt. Nach beendeter Ceremonie kehrten die Allerhöchsten und Höchsten Herr⸗ schaften wieder in der nämlichen Weise in die Hofburg zurik, worauf von einem am Graben aufgestellten Bataillm die gewöhnlichen 3 Salven abgefeuert wurden. Se Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät geruhten zum Schluß die ausgerückten Truppen auf dem inneren Burgplatze defiliren zu lassen.

Als neuer Beweis für die zwischen Oesterreich und Ruß⸗ land herrschenden guten Beziehungen darf der Besuch gelten, den der Großfürst Constantin Nikolajewitsch an der Spitze einer Deputation von Generalen, Obersten und Adjutanten dem hie— sigen Hofe machte, um Sr. Majesät dem Kaiser zu dem Jubi⸗ läum als Ritter des russischen St. Georgs⸗Ordens, der Aller⸗ höchstdemselben vor 25 Jahren für die Erstürmung der Festung Raab vom Kaiser Nikolaus J. verliehen wurde, zu gratuliren.

Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst traf am 27. in Wien ein und wurde nach herzlicher Bewillkommnung von Sr. Ma⸗ jestät dem Kaiser in das Schönbrunner Schloß geleitet. Am Abend vereinigte daselbst ein Diner die engeren Hofkreise; am nächsten Tage, dem Jubiläumstage, fand ein Galadiner in der Hofburg statt, bei welchem der von Sr. Majestät ausgebrachte Toast auf das Wohl Sr. Majestät des russischen Kaisers,

der russischen Armee und des Groß⸗Admirals der russischen

Flotte, Großfürsten Constantin von Letzterem unter Wie⸗ derholung der Glückwünsche zu dem Festtage mit Dank erwidert wurde. Zum 29. waren Einladungen zu einer Soirée im Lust⸗ schlosse zu Schönbrunn ergangen, und am 30. kehrte Se. Kai⸗ serliche Hoheit der Großfürst nach St. Petersburg zurück. Ihre Majestät die Kaiserin wohnte diesen Festen nicht bei, da sie sich bereits am 22. Juni von Schönbrunn nach Ischl begeben hatte.

Auf politischem Gebiet hat der Wechsel in der Person des gemeinsamen Kriegs⸗Ministers zu lebhaften Erörterungen in der Presse der beiden Reichshälften geführt.

Durch Allerhöchstes Handschreiben vom 14. wurde der Kriegs⸗ Minister Feldzeugmeister Baron von Kuhn auf seine wiederholte Bitte von der Leitung des Kriegs⸗Ministeriums entbunden und seinem Wunsche nach Wiederzutheilung zur Armee durch die Verleihung des Grazer General-Kommandos entsprochen An Stelle des Baron von Kuhn wurde der Statthalter von Böh— men, General der Kavallerie Freiherr von Koller, zum Kaisem—⸗ lichen und Königlichen gemeinsamen Kriegs-Minister ernannt. Die in politischen Kreisen durch diese Aenderung hervorgerufene Erregung legte sich wieder, als man zu der Einsicht gelangt war, daß lediglich ein Personen⸗, kein Systemwechsel staͤttgefunden hätte. Uebrigens schied Baron von Kuhn mit den seltensten Be⸗ weisen der Kaiserlichen Huld aus seiner Stellung. Das Groß⸗— kreuz des St. Stephans Ordens, welches heute die Brust des⸗ selben schmückt, ist stets nur sehr wenigen Generalen verliehen worden, und gegenwärtig zählt die aktive Armee neben dem Freiherrn von Kuhn kein einziges Großkreuz der genannten De⸗ koration.

Im Zusammenhang mit dem Ministerwechsel stehen noch folgende Personenveränderungen: der Geh. Rath und Statt⸗ halter von Mähren, Freiherr Weber von Ebenhof wurde zum Statthalter im Königreich Böhmen ernannt und der dadurch vakant gewordene Statthalterposten dem Sektions-Chef im Ackerbau⸗Ministerium Freiherrn von Possinger übertragen.

Ferner wurde Feldzeugmeister Freiherr von John zum Chef des Generalstabes ernannt, wodurch eine wesentliche Aenderung in der österreichischen Militär⸗Organisation eingetreten ist. Der Generalstab hört mit dieser Ernennung auf, eine Abtheilung des Kriegs⸗Ministeriums zu sein und wird unter der Leitung eines bewährten Generals dadurch an Einfluß, Bedeutung und Ansehen gewinnen.

Aus dem diplomatischen Corps ist zu berichten, daß Se. Majestät der Kaiser den Königlich sächsischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Geheimen Rath von Bose, zu empfangen und dessen neue Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen geruht haben. Herr von Bose hat mit dem Anfang d. Mts. seine Stellung wieder angetreten, nachdem er wohl ein Jahr lang durch Krankheit genöthigt war, seine Thä⸗— tigkeit zu suspendiren und zum größten Theil von Wien abwe⸗ send zu sein. Während dieser Zeit war die Königlich sächsische Regierung durch die deutsche Botschaft vertreten worden.

Die spanische Regierung hat den bereits früher als Gesandten in Wien akkredidirt gewesenen Herrn Eypriano del Mazo wieder hierher geschickt, um die guten Beziehungen zwischen beiden Län⸗ dern bis zur Wiederherstellung der offiziellen Verbindungen zu pflegen. Ferner hat dem Venehmen nach die hiesige Regierung den früheren Gesandten bei der Pforte, Grafen Ludolf, designiri, um in ähnlicher Weise, wie Don Mazo, in Wien in der spani⸗ schen Residenz die Interessen seines Landes wahrzunehmen.

Nachdem die konfessionellen Gesetze seit Monatsfrist in Kraft getreten sind, hat sich in der Presse ein lebhafter Streit über deren Anwenbarkeit auf spezielle Fälle entsponnen. Am meisten polemisirt wurde in der nunmehr erledigten Affaire des Abgeord⸗ neten Abbate Baron Prato, der, um nicht mit seinen priester⸗ lichen Pflichten in Konflikt zu gerathen, sein Reichsrathsmandat niedergelegt hatte.

Um derartigen Unzuträglichkeiten, welchen vielfach in geist⸗ lichen Kreisen Ausdruck gegeben wurde, abzuhelfen, wurden im Ministerconseil Durchführungsbestimmungen zu den konfessionellen Gesetzen, so u. a. ein Normativ hinsichtlich der Regelung des Konkurses für erledigte Kanonikate und Seelsorgepfränden, fest⸗ gestellt, welche inzwischen den Statthaltereien behufs Zustellung

Die Prüfung in dem ersten Gegenstande fand in böhmischer

an die Ordinariate bereits zugegangen sein dürften.

um 203 1Ct.

Um das Arbeitsprogramm des ungarischen Abgeordneten⸗ hauses zu entlasten, hat die Regierung beschlossen, den von ihr vorgelegten Mittelschul⸗Gesetzentwurf erst in der Herbstsession auf die Tagesordnung zu bringen.

Das sogenannte Inkompatibilitätsgesetz, welches gewisse Stände von der Wählbarkeit ausschließt, ist nach langwierigen Debatten am 26. Juni angenommen worden. Bei der vorge⸗ rückten Zeit der Session, deren Schluß bekanntlich gegen Ende Juni fallen sollte, werden außer der Wahlnovelle nur noch die Eisenbahnvorlagen dem Abgeordnetenhause zur Erledigung vor⸗ gelegt werden, und es würden erst in der Herbstsession die Gesetz⸗ entwürfe über die Inkompatibilität und die Wahlnovelle im Oberhause zur Verhandlung gelangen.

In der Sitzung der ungarischen Repräsentanten vom 23. Juni kam die Frage zur Verhandlung, ob die Berashung des Civilehegesetzes bis zur nächsten Session zu vertagen sei. Die Linke und äußerste Linke sprachen sich mit großer Lebhaftigkeit gegen die Vertagung aus, und die Deak⸗ partei selbst wär nur durch die bestimmte Erklärung des Mi⸗ nister Präsidrnten zu beruhigen, daß die Regierung noch dem jetzigen Reichstage ein Civilehegesetz vorlegen werde.

Eine Angelegenheit, die nicht nur für Oesterreich⸗Ungarn von größter Tragweite ist, die Anschlußfrage der ungarisch⸗ru⸗ mänischen Eisenbahnen, kann als erledigt angesehen werden. Die Verbindung zwischen Bukarest mit dem aufblühenden Kronstadt im siebenbürgischen Burzenlande durch den Tömöscher Paß sowohl, wie der Bau der Linie Ploseschti⸗Tömösch mit dem ÄAnschluß an die ungarische Ostbahn im Donauthale bei Orsowa ist gesichert, indem die rumänische Regierung sich verpflichtet hat, die erforderlichen Bauten in 4 Jahren fertig zu stellen. Mit diesem Ergebniß wäre die vielverzweigte Anschluß⸗ frage der österreichischungarischen Verkehrswege mit dem Orient im Prinzipe abgeschlossen. Die Mündungspunkte der tärkischen und serbischen Bahnen, Novi und Semlin, und später Brod und Baziasch, sind längst festgestellt; mit Orsopa und Tömösch werden nun die noch fehlenden Maschen in das eiserne Netz geknüpst, wodurch das ganze langgestreckte Gebiet von dem öst⸗ lichen Gestade der Adria bis hinauf zu den Buchenwäldern der Bukowina, welches bisher in fast mittelalterlicher Weise Verkehr und Waarenaustausch mit den Grenznachbarn gepflogen, mit den bestehenden Schienensträngen verbunden werden wird. Die eisernen Bande, welche uns in wenigen Jahren mit der Balkan ⸗Halbinsel und dadurch mit der Welt des Ostens verbinden, werden in den wechselseitigen Beziehungen der Völker und Länder eine neue Epoche hervorrufen. Der Zusammentritt der ursprünglich für den 15. Juni nach Wien berufenen internationalen Sanitätskonferenz ist bis zum 1. Juli verschoben worden, da mehrere Delegirte bis zum erst⸗ genannten Zeitpunkt nicht rechtzeitig eintreffen konnten. Die Konferenz hat es sich zur Aufgabe gestellt, zu vollenden, was der internationale Kongreß zu Konstantinopel im Jahre 1866 bezweckte, nämlich die Abschließung eines internationalen Ver⸗ trages zur Vereinbarung sanitärer Maßregeln gegen Epidemien, insbesondere gegen die asiatische Cholera.

Die Konferenz wird unter dem Präsidium Sr. Excellenz des Barons Max von Gagern zusammentreten, und sind von Deutsch—⸗ land Dr. Max Pettenkofer und Dr. Hirsch delegirt worden.

Zur Erleichterung des Eisenbahnverkehrs mit Deutschland hatten die Regierungen von Oesterreich Ungarn in dem mit dem j. August 1872 ins Leben gerufenen Betriebsreglement dieselben Prinzipien als Grundlage acceptirt, welche im Deutschen Reiche bereits in Anwendung Dies Reglement hatte den guten Erfolg, daß seither der Eisenbahnverkehr zwischen den drei Staaten noch bedeuten⸗ dere Dimensionen annahm. Es entstand daraus das praktische Bedürfniß, nicht allein die leitenden Prinzipien, sondern auch die Ausführungsbestimmungen wieder mehr zu nähern. In Folge dessen traten im Herbst 1873 die Vertreter der drei Staaten in Berlin abermals zusammen und arbeiteten ein neues Betriebs— reglement aus, das zwar nicht wesentlich von dem alten ab⸗ weicht, in seinen einzelnen Bestimmungen jedoch wichtige und für die Handelswelt bedeutsame Verfügungen enthält. ;

Nachdem das neue Reglement die Genehmigung aller drei Regierungen erhalten, werden seine neuen Bestimmungen mit dem J. Juli in Kraft treten.

Die in der „Wiener Zeitung“ veröffentlichten finanziellen Ergebnisse des Postbetriebes in Oesterreich ergeben folgende Ziffern: die Gesammteinnahme der Postanstalten betrug 1870 10,658,470 Fl., 1871 11,839,130 Fl., 1877? 12,979,410 Fl. und hat daher von 1870 auf 1871 um 112, von 1871ñ᷑ auf 1872 um 9, und von 1870 auf 1872 zugenommen. Eine interessa te Verkehrsziffer bietet der Vergleich des Portoertrages mit der Einwohnerzahl. Im Allgemeinen entfallen im Jahre 1872 auf einen Bewohner 32, Kreuzer des gesammten Briefportos und 22,9 Kreuzer des Frachten⸗ oder Fahrpostportos.

Die ordentlichen Ausgaben für den Postbetrieb bezifferten sich 1870 mit 8, 925,000 Fl., 1871 mit 9. 338,270 Fl., 1872 mit 10 862,850 Fl.ͥ, wogegen die außerordentlichen Ausgaben für 1872 im Ganzen 139,390 Fl. betrugen. Nach Abrechnung der passiven Beträge von 1,900 450 Fl. stellt sich für das Jahr 1872 das Reinerträgniß auf 2, 116,560 Fl. oder auf 163009 der Brutto⸗ Einnahme.

Ferner kamen im Laufe des Monats Juni in der „Wiener Zeitung“ zur Veröffentlichung: die Gesetze, betreffend die An⸗ legung von Eisenbahnbüchern und über das Verfahren in Civil— rechtsstreitigkeiten; die Ministerialverordnungen in Betreff des Irrenwesens und des neuen Eisenbahnbetriebsreglements. ferner die mit der Allerhöchsten Sanktion versehenen Delegations⸗ beschlüsse; der am 21./9. Mai des vergangenen Jahres zu St. Petersburg zwischen Oesterreich Ungarn und Rußland ab— geschlossene Postvertrag, sowie schließlich mehrere Gesetze über die Fortsetzung bereits begonnener resp. die Erbauung neuer Eisenbahnlinien.

Schweiz. Aus den Bundesrathsverhandlungen vom 15. Juli. Auf Verwendung des deutschen Gesandten be— willigte der Bundesrath, gleich wie solches früher schon gegenüber Baden geschehen ist, daß die Truppen der 58. Infanterie⸗ Brigade nach Beendignng ihrer diesjährigen Uebung im Schwarzwald von Waldshut aus auf der Eisenbahn über Klein⸗ basel und Leopoldshöhe mach dem Elsaß zurück befördert werden. Die Durchreise soll am 15. oder 16. September in vier Zügen und zwar ohne Aufenthalt in Basel erfolgen.

Nach stattgehabter Untersuchung und Erprobung der Bahn⸗ strecke Rigi⸗Kaltbad⸗Unterstetten durch eidgenössische Ex⸗ perten hat der Bundesrath die sofortige provisorische Eröffnung des Betriebes auf derselben bewilligt.

Großbritannien und Irtand. London, 15. Juli. Der Herzog von Edinburgh traf gestern von Jugenheim in

waren..

London ein, wird sich aber in wenigen Tagen wieder zu seiner Gemahlin nach dem Kontinent zurückbegeben.

16. Juli. (W. T. B.) Gladstone erklärte heute im Unterhause, daß er, nachdem gestern die zweite Lesung des Gesetzentwurfs über die Regulirung des öffent⸗ lichen Gottesdienstes fast einstimmig beschlossen worden sei, 23 9 ihm angekündigten Resolutionen gegen das Gesetz zu⸗ rückziehe.

Frankreich. Paris, 15. Juli. Das Ministerium des Innern zeigt im „Journal offieiel“ an, daß der Paß⸗ zwang für die auf französisches Gebiet eintretenden Bürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika aufgehoben ist.

In der gestrigen Erneuerung der Bureaus hat die Linke neun Präsidenten und acht Sekretäre (bei fünfzehn Bu⸗ reaus) durchgesetzt.

Herr Collet⸗Meygret, unter dem Kaiserreich Ge⸗ neral⸗Sekretär der Polizeipräfektur und Komthur der Ehren⸗ legion, ist gestern von dem Pariser Zuchtpolizeigerichte wegen trügerischer Vorspiegelungen, mit welchen er als Verwaltungs⸗ rath der Socièté des Halles et Marchés de Naples das Publi⸗ kum übervortheilt hat, im Verein mit einem anderen Ver⸗ waltungsrathe, Namens Louault, zu zwei Jahren Gefängniß und einer Geldstrafe von 500 Fr. verurtheilt worden.

Versailles, 16. Juli. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung interpellirte der Abg. Duprat die Regierung über die Lage der französischen Landesangehörigen in Aegypten gegenüber den ganz enormen Abgaben, mit denen die ägyptische Regierung die Euro⸗ päer belastet habe. Der Interpellant erwähnte, die europäischen Konsuln seien aufgefordert worden, die fraglichen Abgaben ein⸗ zuziehen, der französische Konsul habe sich dessen aber geweigert und erklärt, die gedachten Abgaben seien ungesetzlich und den bestehenden Kapitulationen zuwider. Duprat begründete sodann die Nothwendigkeit, daß über die Beohachtung der Kapitu⸗ lationen gewacht werde, und fügte hinzu: „Der Khedive bedarf unseres Marktes, und man kann dem Khedive, der doch sehr einsichtsvoll sein soll, begreiflich machen, daß ihm unser Markt vollständig verschlossen werden wird, wenn er nicht auf Maßregeln verzichtet, die für uns doch gar zu drückend und beschwerlich sind. Der Minister des Auswärtigen, Herzog von Deécazes, erklärte, finanzielle Bedürfnisse hätten den Khedive allerdings dazu gezwungen, Abgaben einzuführen, von denen die Einheimischen wie die Fremden getroffen würden. Namentlich sei für letztere die enorme Höhe gewisser Abgaben besonders drückend. Es seien nun in Folge dessen der ägyp⸗ tischen Regierung zwar freundschaftliche Vorstellungen gemacht worden; aber vor Allem hätte sich die Regierung doch fragen müssen, ob dem Khedive das Recht dazu zustehe, neue Abgaben einzuführen oder nicht, auch hätte dieselbe sich über die Ansichten der dabei interessirten übrigen Nationen erst orientiren müssen. Es sei daher ein Meinungsaustausch deshalb eingeleitet. Die Verhandlungen mit den betheiligten übrigen Nationen befänden sich noch in der Schwebe, die Versammlung könne aber versichert sein, daß die Regierung die ihr nach den Kapitulationen zuste⸗ henden Rechte vertheidigen und die Interessen der Landesange⸗ hörigen gehörig wahren werde. Die Versammlung begann hierauf die Berathung eines Antrags des Deputirten Gouin, wonach zur Deckung des Defizits Schuldobliga⸗ tionen, die binnen 30 Jahren amortisirbar sind und deren Er⸗ trag zur Bedeckung der für die Eisenbahnkompagnien übernom⸗ menen Zinsgarantien ausreichen würde, ausgegeben werden sollen. Der Minister für öffentliche Arbeiten, Caillaux, trat indeß diesem Antrage ebenso, wie einem ähnlichen von Pouyer⸗Quertier ge⸗ stellten Antrage entgegen, und zog in Folge dessen Gouin seinen Antrag zurück. Der Antrag Pouyer-Quertiers wurde mit 424 gegen 205 Stimmen abgelehnt.

Spanien. Madrid, 15. Juli. (W. T. B.) Die Car⸗ listen haben einen abermaligen Angriff auf Puycerda ge⸗ macht, sind aber wiederholt zurückgeschlagen worden. Unter den Truppen Don Alfonso's ist Meuterei ausgebrochen, und die einzelnen Bandenchefs sind unter einander vollständig entzweit.

16. Juli, (W. T. B. Die carlistische Abthei⸗ lung unter Marco Bello ist, wie die Regierung verbreiten läßt, vollständig geschlagen und zerstreut worden. Die von den Carlisten angegriffene Stadt Cuenza vertheidigt sich auf das Energischste; morgen werden Truppen zum Entsatz dahin abgehen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 14. Juli. Ueber die beiden letzten Tage des Aufenthalts des Kaisers in Warsch au veröffentlicht der R. J.“ noch folgende ausführ⸗ lichere telegraphiscke Nachrichten: Am 19. Juli hielten Abthei⸗ lungen von 64 Schützen⸗Bataillonen, zwei Garde⸗Kawallerie⸗ dem Dragoner⸗ und drei Donischen Kosaken-Regimentern, sowie von 30 Fuß- und drei reitenden Batterien Uebungen im Ziel⸗ schießen. Die Resultate waren ausgezeichnet. Die anwesenden

Ausländer interessirte besonders das Schießen aus den Mitrail⸗

leusen. Am 11. Juli wohnte der Kaiser nach dem Gottes dienste in der Kirche des Lazienki⸗Palais einem doppelseitigen Manöver bei, bei welcher Gelegenheit Se. Majestät die Uniform des Grodnoschen Garde⸗Husaren⸗Regiments angelegt hatte. Am Manöver betheiligten sich 63 Bataillone, 35 Schwadronen und 144 Geschütze. Nach Beendigung desselben ritt Se. Majestät mit dem Erzherzog Albrecht zu dem Kexholmschen Grenadier— Regiment des Kaisers von Oesterreich, das an diesem Tage sein Regimentsfest beging, zog den Degen und ließ dasselbe zu Ehren seines erhabenen Chefs unter den Klängen der österrei⸗ chischen Hhmne und Hurrahrufen das Gewehr präsentiren. Darauf sprach Se. Majestät der Kaiser dem Commandeur der Truppen, General⸗Adjutanten Kotzebue und allen Chefs der ein⸗ zelnen Truppentheile, seinen Dank aus.

= Die Kaiserpara de über die im La ger von Krassnoje⸗ Sselo stehenden Garden und die Truppen des St. Peters burger Militärbezirks wird Mittwoch, den 15. Juli, stattfigden. Wie der „Golos“ meldet, werden dabei 51“ Bataillone Infanterie, 4016 Escadrons Kavallerie, 128 Geschütze der Artillerie zu Fuß und 34 Geschätze der Artillerie zu Pferde in Front stehen. Mon⸗ tag, den 20 Juli, wird Se. Majestät der Kaiser das auf der Kronstadter Rhede liegende Kriegsschiff „Peter der Große“ und die von der Reise um die Welt zurückgekehrte Korvette, Witjas“ besichtigen. Die Revue über das Panzergeschwader auf der Gro⸗ ßen Rhede von Transund wird, demselben Blatte zufolge, durch den Kaiser Montag, den 27. Juli, abgehalten weeden.

Die „Moskauer Zeitung“ meldet, daß die besondere Kommission, welche mit Prüfung der Frage beauftragt war, ob nicht die einzelnen, bei den verschiedensten Departements beste⸗

henden Kronsdruckereien aufzuheben und zu einer großen Staatsdruckerei zu vereinigen wären, dahin Beschluß gefaßt hat, daß für jetzt nur die Druckerei beim Ministerium des In⸗ nern aufzuheben und mit der Druckerei der Zweiten Abtheilun Sr. Majestät eigenen Kanzlei zu vereinigen sei. Ebenso kön auch die beim Ministerium der Kommunikationen befindliche Druckerei nach Ablauf des gegenwärtigen Pachtverhältnisses mit der Druckerei der zweiten Abtheilung vereinigt werden. Was die Druckereien der Ministerien des Krieges und der Marine betrifft, so hat die Kommission gefunden, daß dieselben unter der Ver⸗ waltung ihrer bezüglichen Ressorts zu belassen seien.

Die „M. 3.“ bringt die Mittheilung, daß das Mini⸗ sterium des Innern die von ihm ausgearbeiteten Regeln über die Zählung der hebräischen Bevölkerung den Mini⸗ sterien des Krieges und der Finanzen zur Beschluß⸗ fassung übergeben habe. Die Regeln haben den Zweck, die Israe⸗ liten zu verhindern, sich der allgemeinen Wehrpflicht zu ent⸗ ziehen. Die Civilstandsregister der Juden sollen von den lokalen Civilbehörden geführt werden.

Das neue Reglement für die Vormundschafts⸗ behörden soll nach dem genannten Blatte von der zu diesem Zweck bei dem Ministerium des Innern niedergesetzten Kom⸗ mission beendet sein. Das gesammte Material ist dem Reichsrath zur Beurtheilung unterbreitet worden.

16. Juli. (W. T. B.) Der General⸗Gouverneur v. Kotzeb ue ist von dem Kaiser in den Grafenstand erhoben worden.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. Juli. Der vormalige Staatsrath Freiherr Johann August Gripen⸗ stedt ist gestern Vormittag, ungefähr 61 Jahre alt, verstorben. Derselbe war eine Reihe von Jahren Schwedens Finanz⸗Minister.

Der Kriegs-Minister hat, in Begleitung mehrerer höheren deutschen und dänischen Offiziere, welche dem jüngst be⸗ endigten Feldübungen beigewohnt, der Festung Frederiksborg in der Nähe von Waxholm einen Besuch abgestattet, um die dortigen Befestigungsarbeiten zu inspiziren.

Die Eisenbahnlinie Carlskrona⸗Wexiö wird am 5. August von Ihren Majestäten eröffnet werden, in wel⸗ cher Veranlassung verschiedene Festlichkeiten, namentlich in Carls⸗ krona, stattfinden werden.

Christiania, 13. Juli. Die jetzt abgeschlossene no rwe⸗ gische Staatsfinanzrechnung für 1873 zeigt, daß die Staatseinnahmen 6,284,000 Species betragen haben, während nur 5,225,000 Species budgetirt waren, also 1060, 000 Species mehr als berechnet; die Staatsausgaben beliefen sich auf 5, 338, 0090 Spec. (55, 000 Spec. mehr als budgetirt), und ist der Ueberschuß gegen 950,000 Spec. gewesen.

In Veranlassung des Geburtstages der Königin von Schweden-Norwegen gab die Königin⸗Wittwe am 10. d. Mts. auf dem Königlichen Schlosse hier ein großes Fest⸗ diner, zu welchem der Staats-Minister nebst Gemahlin, die Staatsräthe nebst ihren Gemahlinnen sowie viel höhere Civil⸗ und Militärbeamte geladen waren.

Der Staats-Minister Kierulff nebst Familie reist dieser Tage nach Helsingborg, um dort den Sommer zuzubringen. Während des Königs Aufenthalt in Sofiero (ganz in der Nähe HelsingborgsJ wird daselbst ein norwegischer Staatsrath abgehalten werden, weshalb auch die in Stockholm fungirenden norwegischen Staatsräthe sich auf Sofiero einfinden werden.

Dänemark. Kopenhagen, 13. Juli. Die heutige „Berl. Tid.“ theilt mit, daß unterm 9. d. M. die Verdienst⸗ Medaille in Gold, mit der Erlaubniß sie zu tragen, dem Minister des Auswärtigen, Kammerherrn C. A. Fon nesbech, Großkreuz vom Dannebrog und Donnebrogsmann, verliehen ist.

Nach „Svendb. Amtstid.“ hat der Minister der Kom⸗ mune zu Spvendborg die Erlaubniß ertheilt, eine Anleihe von 30,000 Rdl. zu machen, um Aktien in der südfünischen Eisen⸗ bahn zu nehmen, unter den vom Rath der Stadt vorgeschlagenen Bedingungen, nämlich die Anleihe nur mit 1 Prozent jährlich zu amortisiren. .

Amerika. New⸗Jork, 15. Juli. Hier eingegangene Nachrichten melden, daß in Oshkosh, in Wisconsin, eine Feuers brunst stattfand, die einen Schaden im Betrage von über LOb000QOQO— Dollars anrichtete.

16. Juli. (W. T. B) Der durch die Feuer g brunst in Chicago angerichtete Schaden wird auf 4 Millionen Dollars angeschlagen. Eiwa 2 Millionen dessetben sind durch die Feuerversicherungsbeträge gedeckt.

Ein Telegramm der „Times“ aus Philadelphia vom 16. Juli theilt mit, daß nach dem offiziellen Bericht für den Monat Juli der Stand der Baumwollernte sich gegen den Juni um 3 bis 13 Prozent gebessert hat und im Allgemeinen auch besser ist, als im Juli des Vorjahres.

Centralamerika. (A. A. C.) Berichte aus Guate⸗ mala via Panama, 21. Juni, melden, daß die Zusammenkunft sämmtlicher Präsidenten der Freistaaten von Centralamerika aufgege⸗ ben worden ist. Man zweifelt, ob irgend etwas Gutes aus einer solchen Konferenz resultiren würde. Die Magee⸗Affaire ist zwischen Guatemala und der britischen Regierung geordnet worden. Der Urheber des Exzesses sieht im Gefängniß seinem Prozeß entgegen. Hr. Magee ist mit wiedererlangter Gesundheit zu seinen Geschäf⸗ ten zurückgekehrt Aus Honduras wird gemeldet, daß das Land in Folge der durch den Bürgerkrieg verursachten Vernach⸗ lässigung der Saaten und Landwirthschast mit einem Mangel an Nahrungsmitteln bedroht wird, der fast auf eine Hungers⸗ noth hinausläuft. Nachrichten aus Hayti melden, daß Gene⸗ ral Michel Domingue am 11. Juni einstimmig zum Präsidenten gewählt und am 14. vereidigt wurde. Der frühere Finanz⸗ Minister findet noch immer eine Zuflucht auf der britischen Le⸗ gation. Das westindische Telegraphenkabel in gutem Betriebe und liefert große Erträge.

Brasilien. Rio de Janeiro, 22. Juni. Die Antwort des Bischofs von Para auf die Anklageschrift des Kronanklãä⸗ gers ist eingelaufen, in welcher der Blschof erklärt, daß ihm nichts zu thun übrig bleibe, als aus seinem Gefängnisse im Arfenal von Rio an die göttliche Gerechtigkeit zu appelliren.

Argentinische Republik. Buenos Ayres, 14. Juni. In Rosario macht fich der Eindruck geltend, daß in Kurzem wieder Unruhen in Entre Rios entstehen würden. Es hieß, daß Lopez Jordan wieder in Thätigkeit sei, obwohl ein Gerücht, daß er in Entre Rios eingefallen sei, nicht allgemeinen Glauben and.

Chili. In Valparaiso ist, wie unterm 4. Juni gemeldet wird, der Hauptgegenstand des Interesses ein drohender Exrdsturz des Cerro de la Conception hinter der Stadt. Der Erdrutsch wird stündlich umfangreicher und nimmt allmählich einen sehr

gefährlichen Aspekt an. Ein bedeutender Erdsturz wird auch in der