als Landespolizeibehsrden die Fürsorge für das Gemeinwohl der Unterthanen in negativer und positiver Hinsicht übertragen ist und dieselben danach berechtigt und verpflichtet erachtet sind, Allem vorzu— beugen, was dem Staate und seinen Bürgern Gefahr oder Nachtheile bringen kann, mithin die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffent⸗ lichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung zu 5 daß nach §. 2 ad 3 der In struktion vom 23. Oktober 1817 (Gesetz⸗Samml. S. 249) als zu den vor die erste Abtheilung der Regierungen gehörigen Gegenstän⸗ den die Vorkehrungen gegen ansteckende Krankheiten und Seuchen unter Menschen und Thieren bezeichnet werden; — daß nach der allgemeinen Bestimmung des §. 10 der Allerh. K. D. vom z. August 1835 (Re⸗ gulativ über sanitätspolizeiliche Vorschriften) — Gesetz⸗Samml. S. A9, — welche sich auch mit den anfteckenden Krankheiten unter Thieren beschäftigt! (vergl. S§. 92ff, 109 ff, 119ff.) die Polizei⸗ behörde verpflichtet ist, die ersten Fälle ansteckender Krankheiten ärztlich untersuchen zu lassen und darüber der vorgesetzten Behörde Mittheilung zu machen, es aber dem Ermessen der betreffenden Regierungen überlassen ist, ob die Umstände eine Bekanntmachung durch die Amtsblätter gerathen machen; und daß nach §§5. 2, 3, 4, 6, 7 der Verordnung wegen Abänderung und näherer Bestimmung einiger Vor⸗ schriften des Patents vom 2. April 1803 wegen Abwendung der Vieh⸗ seuchen vom 27. März 1836 (Ges. Samml. S. 173) die Anordnung der Sperrmaßregeln den Provinzialbehörden vorbehalten und nur für bestimmte Fälle den Magisträten und Landräthen die Vornahme be⸗ stimmter Sicherheitsmaßreg In überlassen, zugleich aber vorgeschrieben ist, daß auch in solchen Fällen die gedachten Polizeibehörden der ihnen vorgesetzten Regierung und dem Ober-Präsidenten Anzeige zu machen und von ihnen weitere Verhaltungsbefehle zu erwarten haben; in Er⸗ wägung sodann, daß in Uebereinstimmung mit der zur Zeit der Ema⸗ nation des Preuß. Strafgesetzbuchs bestehenden Gesetzgebung nach §. 307 desselben die Uebertretung der Absperrungs⸗ oder Aufsichts⸗ maßregeln, welche von der Regierung zur Verhütung des Ein⸗ führens oder Verbreitens von Viehseuchen angeordnet sind, unter Strafe
eftellt ist, und daß unter dem Ausdrucke „Regierung“ nicht jedes
zrgan der Staatsregierung im Allgemeinen, also nicht jede Obrig⸗ keit oder Behörde überbgupt, sondern eine bestimmte Behörde, näm— lich die zuständige Bezirksregierung Candespolizei⸗Behörde), vergleiche 55. 93, 120, 146 des Preuß. Strafgesetzbuchs, im Gegen⸗ jatze zu den Orts. und Kreiepolizeibehörden, vergl. 8. 119, 3. ibid., hat verstanden werden sollen, wie dies auch aus der Beseitigung des in den früheren Entwürfen zum ,. gewählten Ausdruckes „Obrigkeit“, welcher erst in dem Entwurfe zum Strafgesetzbuch von 850 durch Regierung“ ersetzt ist, deutlich hervorgeht; vergl. Golt⸗ dammers Math. II. S. 632; Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 13. Januar 1854, Entscheidungen Bd. 27, S. 143; daß der Entwurf des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund sich in §. 325 in wejentlicher Uebereinstimmung mit der Vorschrift des §. 307 Preuß. Strafgesetzbuchs bei Bezeichnung der für die fraglichen Absperrungosͤ⸗ und Aufsichtsmaßregeln kompetenten Behörde des Ausdruckes „Landes⸗ polizeibehörde“ bedient hat, welcher in Folge eines bei den Ver⸗ handlungen des Reichstages gemachten Abänderungsvorschlages durch den allgemeinen Ausdruck „zuständige Behörde“ ersetzt worden ist, er⸗ sichtlich in der Absicht, die in Betreff der Zuständigkeit der fraglichen Behörden in den EFinzelstaaten bestehenden gesetzlichen Bes immungen unberührt zu lassen; daß sonach durch die fuͤr den 8. 328 Reichs- Strafgesetzbuchs beschlossene Fassung in dem Rechtszustande innerhalb der preußischen Monarchie eine materielle Aenderung nicht getroffen worden ist; in Erwägung, daß die Ausführung der Nichtigkeitébeschwerde, es sei, wenn man mittelst der Beseitigung der im Entwurfe 8. 324 gewähl⸗ ten Bezeichnung „Landespolizeibehörde“ und mittelst der Wahl des Ausdruckes »zuständige Behörde“ keine wesentliche Aenderung beabsich tigt hätte, zweckmäßiger gewesen, bei dem Ausdrucke Landes polizei⸗ behörde stehen zu bleiben, weil damit allgemein die der preußischen Regierung entsprechende Behörde bezeichnei“ gewesen wäre, nicht zu= treffend erscheint, weil wie die in 5. 328 Reichs⸗Strafgesetzbuchs gewählte Fassung ergiebt, — die Absicht des Gesetzgebers nicht dahin gegangen ist, die in Preußen betreffs der Kompetenz der fraglichen Behörden geltenden Bestimmungen in die Reichsgesetzgebung einzufüh— ren, sondern vielmehr, die dieserhalb in den einzelnen Staaten be⸗ stehenden Bestimmuntzen als maßgebend zu erklären: daß fonach der Appellationsrichter, wenn von demselben angenommen worden ist, daß die von dem Königlichen Landrathe, Rn Naugard, angeordnete Absperrung des Ortes Daher, Freiheit nicht unter den Begriff der von der zuständigen Behörde . §. 328 Reichs⸗Strafgesetz⸗ buchs anzuordnenden AbJperrungsmaßregeln falle, die Vorschriften des Patents vom 2. April 1803 und §. 325 Reichs-Strafgesetzbuchs nicht verletzt hat; daß mithin, wie geschehen zu erkennen gewefen ist; für Recht erkannt: daß die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Erkenntniß des Kriminal⸗Senats des Königlichen Appellationägerichts zu Stettin 2 6 September 1873 zurückzuweisen und die Kosten außer Ansatz zu lassen.
— Der General⸗Intendant der Königlichen Schauspiele von Hülsen hat sich nach Helgoland begeben.
Sachsen. Dresden, 22. Juli. Der König hat sich gestern Abend 6 Uhr nach Ostende begeben.
Württemberg. Friedrichshafen, 20. Juli. Der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg⸗ Schwerin sind gestern Abend, die Herzoginnen Helene, Mathilde und Pauline von Württemberg heute Morgen von hier wieder abgereist. Die Herzoginnen begeben sich nach Schloß Horn bei Rorschach zum Besuch der dort weilenden kö von Hessen⸗Philippsthal, geb. Herzogin von Württem⸗
erg.
HSessen. Darmstadt, 21. Juli. Die Erste Kammer der Stände erledigte in ihrer heutigen (19) Sitzung die Re⸗ gierungsvorlage über das Nachtragsbudget. Im Allge⸗ meinen wurden die einzelnen Positionen gemaͤß den Beschlüsfen der Zweiten Kammer genehmigt. Von Differenzen ist u. A. her⸗ vorzuheben; 1) die von der Zweiten Kammer gestrichene Befol⸗ dungsaufbesserung des technischen Raths hei der Poftkommisfton wurde genehmigt. 2) Die Anforderung für die Kreisschulinfpek⸗ toren wurde nur unter der Voraussetzung bewilligt, daß die Re⸗ gierung, wenn irgend thunlich, weniger als 18 Kreisschulinspek⸗ toren anstellen werde. 3) Der von der Zweiten Kammer ange⸗ nommene Antrag des Abg. Heinzerling: Das Schulgeld an Gym⸗ nasien und Realschulen fur mehrere dieselben besuchenden Kinder derselben Eltern verhältnißmäßig zu vermindern, wurde abgelehnt. 4 Dem Beschluß der Zweiten Kammer, die Eingabe der Real⸗ schuldirektoren und Reallehrer über die Besoldungsregulirung der Regierung zur etwa geeigneten Berücksichtigung zu empfehlen, wurde nicht beigetreten. 5 Die Besoldungserhöhung für die Lokalmedizinalbeamten wurde ohne die von der Zweiten Kammer beliebte Beschränkung auf die gegenwärtigen Inhaber der betr. Stellen genehmigt.
— 22. Juli. (B. T. B.) Der Herzog und die Her⸗ zogin von Edinburgh sind heute Morgen nach Coburg abgereist. — Die Kaiserin von Rußland hat sich heute Vachmittag von der Großherzoglichen Familie verabschiedet und Jugenheim verlassen.
Mecklenburg. Schwerin, 22. Juli. Der Groß⸗ herzog und die Großherzogin sind gestern Vormittag hier wieder eingetroffen und haben sich gleich weiter nach Rabenstein⸗ feld begeben. Die Herzogin Marie ist, den „Meckl. Anz.“ zufolge, zur Fortsetzung der Kur zur Zeit noch in St. Moritz zurückgeblieben.
— Der vormalige Minister⸗Präsident Staats⸗Minister von Oertz en ist in der Chu eh vorgestern Nachmittag nach langen Leiden verstorben.
Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha. Coburg, 22. Juli. (W. T. B) Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh sind heute Nachmittag um 6 Uhr hier eingetroffen. Die hohen Gäste wurden bei der Fahrt durch die Stadt von der Bevölke⸗ rung mit lauten Kundgebungen begrüßt.
Anhalt. Dessau, 21. Juli. In den ersten Stunden des heutigen Tages entstand hier in der Nähe des Herzoglichen Schlosses eine sehr bedeutende Feu ersbrunst, die durch das über einen großen Theil der Stadt sich ausbreitende Flugfeuer sehr verhängnißvoll werden konnte. Zum Glück blieb dieselbe auf die allerdings ziemlich ausgedehnten Gebäude der (zum größ⸗ ten Theile auf einer Muldeinsel gelegenen) Herzoglichen Mühle beschränkt, welche in sehr kurzer Zeit, mit Ausnahme eines Wohngebäudes und einer größeren Fabrik, sämmtlich ausbrann⸗ ten. Auch der Thurm mit dem Reservoir einer Wasserleitung wurde zerstört. Leider ist auch der Verlust eines Menschenlebens zu beklagen.
Lübeck, 20. Juli. In der gestrigen Sitzung der Bürger⸗ schaft stand der anläßlich seiner Begutächtung durch den Bürger⸗ ausschuß schon erwähnte Senatsantrag auf Rachbewilligung von 40,922 Mark zur Deckung von Mehrverwendungen im Bauetat für 1873 auf der Tagesordnung. Die Geschäfts⸗ führung der Baudeputation wurde dabei einer Kritik unterzogen, schließlich jedoch erfolgte die Nachbewilligung mit der auch von der Bürgerschaft jetzt, wie schon vorher vom Bürgerausschuß ausgesprochenen Erwartung, daß, dem Regulativ für die Bau⸗ deputation gemäß, die Nachbewilligung sofort beantragt werde, wenn während der Arbeit es sich herausstelle, daß eine Mehr⸗ verwendung über die bewilligte Sumine hinaus erforderlich
werde. — Bei der Verhandlung über Revision der Wege⸗ ordnung in derselben Sitzung beschloß die Bürgerschaft mit großer Majorität den Wegfall der Chausseegelderhebung von der Zeit an, wo die Pachten für die einzelnen Hebestellen ablaufen.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 22. Juli. Der Kaiser hat von Ischl aus sofort nach Empfang der authentischen Nach⸗ richten über das Attentat an den Reichskanzler Fürsten v. Bis⸗ marck folgenden telegraphischen Glückwunsch abgesendet: 2zLieber Fürst! Ich danke Gott für seine Gnade, mit der er Sie so sichtbarlich beschützt hat. Empfangen Sie meine Glückwünsche und die Versicherung meiner Freundschaft!“
Franz Josef.“
— Die Königin Karola von Sachsen ist unter dem Namen einer Gräfin von Plauen in Marienbad, die Prinzessin Hermine und die Prinzen Otto und Adolf von Schaum⸗ burg⸗Lippe sind in Franzensbad zum Kurgebrauche eingetroffen.
— (Wien. 3.) In der gestrigen Sitzung der Inter⸗ nationalen Sanitäts-Konferenz wurde die Berathung über das Reglement für die Seesanitäts⸗Inspektion beendei. Die früheren 55. 8, 9 und 10 des Entwurfes wurden mit einigen Aenderungen angenommen und die §5§. 11 bis inclustvje 15 mit Rückicht auf die offen gelassene Frage über die Wirksamkeit der Desinfektion und ihrer verschiedenen Mittel fallen gelassen. Aus demselben Grunde wurde im 5. 8 (jetzt 5) der Passus gestrichen, welcher die Des⸗ infektion mit schweflicher Säure behandelte.
Bei §. 9 (letzt 6) wurde über Antrag des niederländischen Delegirten, Marine⸗Sanitätsoffiziers F. L. Reeder, der Zusatz an⸗ genommen, daß nach Entfernung sämmtlicher Personen, mit Ausnahme der für die Bedienung des Schiffes unumgänglich nothwendigen Schiffsmannschaft, die Desinfektion des betreffenden Schiffes vorzunehmen sei.
Bei §8. 10 (jetzt 7) wurde über Antrag des französischen Delegirten Dr. Fauvel der Zusatz angenommen, daß auch Hadern (Lumpen) und Gebrauchsgegenstände von Cholerakranken nach strenger Desinfektion zur freien Praktik gelangen.
Die gefaßten Beschlüsse lauten:
8. 5. Gleichzeitig werden sämmtliche Kleidungsstücke, welche die gesunden Individuen an sich getragen oder auf der Fahrt gebraucht haben, so wie alle übrigen Effekten derselben in einem hierzu hergestellten Raume und unter strenger Kontrole Seitens der Behörden einer gründlichen Desinfektion unterzogen. Nach erfolgter Desinfektion werden die Effekten ihren Besitzern, welche inzwischen das Reinigungsbad genommen haben, zurückgeliefert und diese werden alsdann zu freier Praktik zugelasfen.
F. 6. Nach Entfernung sämmtlicher Personen, mit Aus— nahme der für die Bedienung des Schiffes unumgänglich noth⸗ wendigen, aus einem unter den sub 5. 4 namhaft gemachten Verhältnissen eingelaufenen Schiffe wird dasselbe in allen seinen Räumen einer gründlichen Desinfektion unterworfen.
. J. Die aus dem desinfizirten Schiffe debarquirten Waaren, auch Lumpen und Gebrauchsgegenstände von Cholera— kranken, gelangen nach strenger Desinfektion ohne Weiteres zur freien Praktik.“
Nach Erledigung dieses Gegenstandes brachte der franzö⸗ sische Delegirte hr. Fauvel die sanitären Uebelstände zur Sprache, welche die Ueberfüllung der Emigranten⸗ und Pilgerschiffe im Gefolge haben, und betonte die Nothwendigkeit einer Abhülfe. Der englische Delegirte Dr. Seaton besprach mit anerkennens⸗ werther Offenheit diesen namentlich von einzelnen englischen Schiff seigenthümern betriebenen sanitätswidrigen Massentransport.
Auch die niederländischen Delegirten wendeten sich gegen diesen Mißstand. Der türkische Delegirte Dr. Bartoletti erachtete diefen Gegenstand für so wichtig, daß er beantragte, die Entscheidung über denselben bis zur Berathung eines Reglements für die Seequarantaine⸗Anstalten zu verschieben. Dieser Antrag wurde angenommen.
In Betreff der dem Ermessen einzelner Staaten anheim⸗ gestellten Seequarantaine⸗Anstalten wurde im Interesse einer gleichmäßigen Einrichtung derselben der Beschluß gefaßt, die Quarantaine⸗Kommission mit der Vorlage eines diesbezüglichen Entwurfes zu beauftragen. Nachdem jedoch die niederländischen und italienischen Mitglieder der Kommission diesen Antrag refu⸗ sirten, weil er ihren Ansichten über die Nutzlosigkeit der See⸗ quarantgine widerstreite, wurden in die Kommiffion gewählt: Dr. Hirsch (Deutschland), Ritter v. Alber⸗Glanstätten (Oester⸗ reich, Dr. Seaton (England), Dr. Fauvel (Frankreich) und Dr. Bartoletti (Türkei.
Auch über die Flußquarantaine wurde gestern debattirt, und es einigte sich die Konferenz in der Anschauung, daß dieser Gegenstand analog den über die Seequarantaine gefaßten Be⸗ schlüssen zu behandeln sei.
Pest, 21. Juli. Das Ab geordnetenhaus beschloß, täg—⸗ lich von 9 bis 2 Uhr Sitzungen zu halten. Hierauf wurde die Wahlgesetzvorlage von §. 6 bis §. 9 erledigt.
Großbritannien und Irland. London, 22. Juli. Großbritanniens Staatsschuld ist einem parlamenta⸗ rischen Blaubuche zufolge seit dem Jahre 1857 um 7,894,763
Lstr. herabgemindert worden und beläuft egenwärtig au 779, 283,245 Estr. H .
— Am 18. d. M. wurde die Arbeiterstadt im Süden von London, soweit dieselbe bis jetzt vollendet ist, mit einer Feier⸗ lichkeit eröffnet, bei welcher der Earl von Shaftesburn, der Pre⸗ mier⸗Minister Disraeli, Lord Granville und andere Personen von Distinktion zugegen waren. Disraeli hielt eine kurze An— sprache, in welcher er den Earl von Shaftesbury zu dem Er— folge seines Unternehmens beglückwünschte. Er bemerkte, daß dadurch eine Frage gelöst worden sei, welche verschiedenen Parla⸗ menten Verlegenheiten bereitete, namlich die Frage, wie passende Wohnungen für die Arbeiterklassen zu beschaffen seien. Lord Granville schloß sich den Glückwünschen des Premier⸗Ministers an, worauf Lord Shaftesbury die Kolonie förmlich eröffnete.
Diese Arbeiterstadt, zu der im August 1872 der Grundstein gelegt wurde, ist in Lavender⸗Hill, im südlichen Stadttheile Battersea, unweit der Clapham Junction Station gelegen und führt nach ihrem Gründer, dem philantropischen Earl von Shafteg⸗ bury, den Namen „Shaftesburl⸗Park“. Im besonderen Inter esse der bemittelten Handwerkerklasse gegründet, sind bereits 749 Häuser verschiedener Klassen bewohnt, und im November d. J. wird die „Stadt“ 1200 Häuser mit 8000 Einwohnern enthalten. Sie ist das Werk der „Artisans, Labourers and General Dwel- lings Company“, die ihre Thätigkeit in 1867 mit einem Aktien⸗ kapital von 500 Lstr. begann und nun über ein Kapital von über 112,000 Lstr. verfügt. Außer den Wohnhäusern, die zu civilen Preisen entweder vermiethet oder verkauft werden, enthalt die Stadt einen öffentlichen Lustgarten, Schulen, eine Lesehalle, Genossenschaftsmagazine, aber nicht ein einziges Wirthshaus oder Pfandleihegeschäft. Die Miethe der Häuser variirt von 58 94 per Woche für ein fünfräumiges Haus, bis zu 26 Lstr. jährlich für ein achträumiges Haus, während der Kaufpreis dieser Häuser zwischen 150 und 310 Lstr. beträgt.
— Aus Ottawa wird unterm 20. ds. per Kabel gemeldet: Die Handelsbehörde des Dominion hat sich zu Gunsten der Abschließung eines neuen Gegenseitigkeitsvertrages zwischen Canada und den Ver. Staaten ausgedrückt und ein Comité ernannt, das den Gegenstand einer Prüfung unterziehen soll.
— 23. Juli. (W. T. B.) Gestern wurde vom Lord⸗ mayor zu Ehren des Ministeriums ein Festmahl ge— geben. Disraeli erwiderte den Toast auf das Ministerium. Er berührte darin zunächst die kirchlichen Fragen und erklärte, An⸗ gesichts des gegenwärtig allerorten zum Ausbruch gekommenen Konflikts zwischen der staatlichen und der kirchlichen Gewalt, sei es die Pflicht der Regierung, sich auf den kommenden Sturm der Stärkung der kirchlichen Institutionen vor⸗ zubereiten, welche er als einen Schirmwall der politischen Freiheit betrachte. Bei Erörterung der politischen Ver— hältnisse äußerte Disraeli darauf, es sei unmöglich, die allgemeine politische Situation mit Befriedigung anzu⸗ sehen, da einige der bedeutendsten Nationen, was er be⸗ klagen müsse, entweder eine Beute der Anarchie ge⸗ worden seien oder sich in noch nicht genügend befestigten Zustän⸗ den befänden. Die Freundschaft Englands sei zu keiner Zeit mehr wie heute begehrt worden, die Regierung werde ihren Einfluß im Interesse des Friedens und der allgemeinen Wohl⸗ fahrt geltend machen und mißbillige den Grundsatz, daß Eng⸗ land für seine Haltung Europa gegenüber nicht verantwortlich sei. Der Minister erklärte schließlich, die Regierung halte es für ihre Aufgabe, in allen hrennenden Fragen durch Geltendmachung ihres Einflusses im Sinne der Erhaltung des Friedens zu wirken und werde durch freundschaftliche Rathschläge die noch in Ver⸗ wirrung befindlichen Länder in ihren Bemühungen unterstützen, eine würdige Stellung und ihr früheres Ansehen wieder zu er⸗ langen.
Frankreich. Paris 21. Juli. Das „Journal offieiel“ veröffentlicht den amtlichen Ausweis des Erträgnisses der direkten und indirekten Steuern während des ersten Halbjahres 1874. Von den direkten Steuern sind über die am 31. Juni fälligen 276,903, 000 Franes hinaus 42,186, 000 Fres. mehr eingegangen, während im Vorjahr dieser Ueberschuß nur 38 Millionen betragen hatte. Die Steuer auf die beweg⸗ lichen Werthe, welche für das ganze Jahr auf 32 Millionen ver⸗ anschlagt ist, hat während dieses ersten Semesters 18,536,000 Fres. eingetragen. Die Beitreibungskosten, die während des ersten Quartals von 1,9, auf 1,3 pro Mille ge⸗ stiegen waren, haben sich um 1 Cent. pro 1000 Freg. vermindert. Das Gesammterträgniß der indirekten Steuern ist um 26,732, 000 Fres. hinter den Voranschlägen zurückgeblieben. Faßt man das Verhältniß zwischen den alten und neuen Steuern näher ins Auge, so ergeben sich folgende Resultate: die alten Steuern sind mit einem Gesammtbetrage von 629, 123,900 Fr. um 16,315,000 Fr., die in den Jahren 1871 und 1872 votirten Steuern mit einem Gesammtbetrage von 214 582, 000 Fr. um 2972, 000 Fr., die in den Jahren 1873 und 1874 vpotirten Steuern mit einem Gesammtbetrage von 39,329, 000 Fr. um L465, 000 Fr. hinter den Voranschlägen zurückgeblieben. Im Vergleiche mit dem Vorjahr haben die alten Steuern ein Minus von 9,936,000 Fr., die in den Jahren 1871 und 1872 votirten ein Minus von 8, 96 7000 Fr. (zusammen 18, 043 000 Fr) erzielt, und ergiebt sich schließlich dennoch ein Plus von 21,326,900 Fr., so wird dieses durch das Erträgniß der in den Zahren 1873 und . votirten Steuern (39, 329, 0090 von 46,774 000 Fr.) bewirkt.
— Das „Siecle“ hat erfahren, daß der Marschall Mac Mahon im September in Nancy, Epinal, Belfort, Toul, Reims u. s. w. erwartet werde, um die daselbst in Angriff genommenen Vertheidigungswerke persönlich in Augenschein zu nehmen.
— 22. Juli, (W. T. B.) Der Marschall⸗Präsident Mac Mahon hat, wie die „Agence Havas“ erfährt, gestern mehreren Deputirten gegenüber erklärt, daß er dem Antrage des Deputirten Cafimir Perier nicht zustimmen könne, weil er nicht zum Präsidenten ernannt worden sei, um vorzugs⸗ weise die Republik zu organisiren. Der Antrag Perier ziele aber dahin, der republikanischen Partei einen ausschließlichen Triumph zu bereiten und ihn, den Präsidenten, von der konservativen Partei, mit welcher er zu regieren beabsichtige, zu isoliren. Die Regierung werde morgen in der Nationalverfammlung die Ab⸗ lehnung des Antrages Casimir Perier verlangen und die baldige Votirung der konstitutionellen Gesetze fordern, welche der frühere Minister des Innern, de Fourtou, bereits in der Dreißiger⸗ Kommission beantragt habe.
Falls der Periersche Antrag morgen von der Nationalver⸗ sammlung verworfen werden sollte, wird, wie der Agence
Havas“ weiter versichert wird, der Deputirte Christophle im Namen der Linken einen Antrag auf Auflösung der National⸗
versammlung einbringen. Nach diesem Antrage sollen die Wah⸗ len für die neue Nationalversammlung, welche am 28. September cr. zusammentreten soll, am 6. September er. stattfinden Die gegen⸗ wärtige Nationalversammlung soll indeß erst auseinandergehen, nachdem die neue konstituirt fein wird.
— 23. Juli. (B. T. B.) Das „Journal officiel! publi⸗ zirt die amtliche Verordnung, durch welche die Wähler des De⸗ partements Calvados zur Vornahme der Ersatzwahl für die Nationalversammlung auf den 16. August d. J. einberufen
Versailles, 22. Juli. (W. T. B.) Die National⸗ ver sammlung hat in ihrer heutigen Sitzung das Budget für Algerien und das für das Ministerium des 5ffentlichen Unter⸗ richts genehmigt.
Spanien. Madrid, 22. Juli. (W. T. B) Nach der Regierung zugegangenen Berichten hat der Brigadier Lopez die gane, in Cuenca gefangen genommene republikanische Division
efreit und dabei einen großen Theil der carlistischen Mann⸗ schaften, welchen die Bewachung der Gefangenen anvertraut war, zu Gefangenen gemacht.
— Von dem Gouverneur von Catalonien ist die Meldung eingegangen, daß die Carlisten 160 gefangene re⸗ publikanische Soldaten erschossen haben. Der Kriegs⸗ Minister hat in Folge dessen dem Gouverneur befohlen, von allen Carlisten eine außerordentliche Kontribution zu erheben, um mittelst derselben die Familien der Erschossenen zu entschädigen.
— Ein zweites Telegramm vom 22. Juli bestätigt, daß der Brigadier Lopez einen erheblichen Erfolg über die Ear— listen davongetragen und ihnen einen Theil der in Cuenca ge— machten Gefangenen wieder abgenommen hat. Der Kommandant der Bewachungsmannschaft und mehrere ecarlistische Offiziere, Waffen, Munition, Pferde und Kriegsmaterial sind Lopez in die Hände gefallen.
Santander, 22. Juli. (W. T. B.) Die Carlisten haben, mit Artillerie ausgerüstet, die Defileen von Bis eaya und A vala besetzt.
Italien. Rom, 17. Juli. (It. N) Prinzessin Mar⸗ garethe gedenkt sich von Schwalbach nach Spa zu begeben. Die Herzogin von Aosta weilt in Moncagliore.
— Fürst Lynar, der Vertreter des deutschen Gesandten von Keudell, kam vorgestern von Albano nach Rom, um dem Minister⸗Präsidenten und dem General⸗Sekretär im Ministerium des Auswärtigen, Com. Artom, den Inhalt der ihm über das Kissinger Attentat zugekommenen, ausführlicheren Depeschen mit⸗ zutheilen. Ein Glückwunsch für des Fürsten glückliche Rettung ging bereits im Namen des Königs nach dem ersten Kundwerden der That von hier ab. — Der Präsident der italienischen Gesell⸗ schaft für Nationalinteressen, welche ihren Sitz in Florenz hat, und der Stadtrath von Perugia haben dem Fürsten von Bis⸗ marck ebenfalls Glückwunschtelegramme zugeschickt.
— Der neue spanische Gesandte am italienischen Hofe, Hr. Rancks, ist in Rom angekommen und vom General⸗ sekretär des Auswärtigen Amtes, Hrn. Artom, gestern empfangen worden.
— Die „Gazzetta Uffiziale“ veröffentlicht das Resultat des Verkaufs der Güter, welche dem Staatsschatze aus dem Kirche nver mögen zugekommen sind. Vom 1. Januar bis zum 30. Juni des d. J. wurden 6488 Loose, die für L. 13,976,041. 63 angeboten waren, für L. 17,471,177. 20 losge⸗ schlagen. Vom 26. Oktober 1367 bis Ende 1873 wurden 94,3576 Loose für L. 447,657,897. 60 lösgeschlagen, demnach wurden im Ganzen 101,164 Grundstücke für L. 465, 129, 074. 80 verkauft.
Weiter veröffentlicht die „Gazzetta Uffiziale“ einen Bericht über die Verwaltung der Wohlthätigkeitsanstalten im Jahre 1873. Demnach existirten in diesem Jahre in den 69 Pro⸗ vinzen des Königreichs Italien 19,441 Wohlthätigkeitsanstalten. Im Jahre 1872 erhielten sie aus Erbschaften, Vermächtnissen und an Geschenken L. 5, 05,461; im Jahre 1873 L. 5, 759,809. Ihre Veräußerungen von Grundstücken beliefen sich auf L. 5,092,599 und die Erwerbungen auf L. 764,822. Im Jahre 1872 wurden 45 Wohlthätigkeitsanstalten aufgelöst und 66 wer⸗ den gegenwärtig von Regierungskommissären verwaltet. Im Jahre 1873 wurden 54 neue Wohlthätigkeitsanstalten gegründet: 11 Kinderasyle, 12 Vermächtnisse für Ausstattungen und andere Unterstützungen, 3 Spitäler, 7 Armenhäuser, 1 Studienstipen⸗ dium, 8 Leihhäuser und 3 Waisenhäuser.
— Dem Erzbischof von Genua ist letzter Tage auf sein Ansuchen vom Könige das Exequatur bewilligt worden.
— In Parma fanden am 16. ernste Unruhen statt. Es war bekannt geworden, daß ein lombardischer Kornhändler eine Quantität Geteeide aufgekauft hatte, und daß dieses nach der Eisenbahn abgefahren werden sollte. Die Menge rottete sich daher zusammen und wollte die Fuhrleute zwingen, das Getreide zurückzufahren. Es erschienen aber zur rechten Zeit? Kompagnien des 69. Regiments auf dem Platze, welche die Haupttumultuanten festnahmen.
Türkei. Konstantinopel, 22. Juli. (W. T. B.) Morgen wird das Kaiserliche Irade, betreffend die Ver⸗ größerung des Wirkungskreises der Banque impe⸗ riale, veröffentlicht werden. Das JIrade enthält alle in der Londoner Generalversammlung der Aktionäre der Banque im⸗ periale am 25. Juni d. J. dargelegten wichtigen Bestimmungen und zwar besonders betreffs der Besorgung des Schatzdienstes, der Einziehung aller Einnahmen und der Zahlung aller Aus⸗ gaben des Reichs nach Feststellung durch die Budget⸗Kommission unter Zuziehung von Delegirten der Bank. Die Minister dür⸗ fen den Voranschlag nur auf Grund von Spezialkrediten, welche der Budget⸗Kommission eröffnet sind, überschreiten.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 20. Juli. Auf Allerhöchsten Befehl hat die Weihe und Eröffnung der bei der Haupt⸗Admiralität geschaffenen Gartenanlagen des Alexander-Gartens stattgefunden. Bald nach 10 Uhr nahm der gottesdienstliche Theil der Feier seinen Anfang. Gegen halb 12 Uhr erschien der Kaiser, die Großfürsten Kon⸗ stantin Nikolajewitsch, Dmitri; und Wjatscheslaw Konstantino⸗ witsch. Der Eintritt erfolgte von der Seite des Winterpalais. Se. Majestät trug die Marine⸗Uniform. Am Eingang von dem Präsidenten des Gartenbauvereins, Admiral Greigh, dem Vize—⸗ Präsidenten Herrn Regel, den Spitzen der Stadtbehörden u. s. w. empfangen, begab sich der Kaiser nach dem der Isaakskirche gegenüber gelegenen großen Rasenplatze, wo acht junge Eichen bereit gestellt waren, um von den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften gepflanzt zu werden. Herr Regel überreichte das Grabscheit, mit wel⸗ chem Se. Majestät eigenhändig eine Eiche pflanzte. Darauf bewegte sich der Festzug am Peterdenkmal vorüber dem Aus⸗ gange zu, welcher dem Senat gegenüber liegt. Von hier aus begaben sich Se. Majestät und die übrigen Höchsten Herrschaften
werden.
zu Wagen an den englischen Quai, um nach Kronstadt zu fah⸗ ren, wo heute eine Revue über verschiedene Kriegsschiffe statt⸗ finden sollte. Gleich nachdem der Kaiser den Wa⸗ en bestiegen hatte, machte der Präsident des Garten⸗ auvereins, Admiral Greigh, den versammelten Mitgliedern des Vereins, wie den übrigen Anwesenden die Mittheilung, daß Se. Majestät der Kaiser gestattet habe, die neuen Anlagen Alexandergarten zu nennen, welche Mittheilung von allen Anwesenden mit einem dreimaligen Hoch begrüßt wurde— Gegen 12 Uhr wurden die Eingänge für das Publikum ge⸗ öffnet, das sehr bald in dichten Strömen die schönen Anlagen füllte. Drei Musikchöre, die an verschiedenen Punkten des Gartens musizirten, erhöhten die Anziehungskraft der neuen Anlagen.
— Der Großfürst Konstantin Konstantinowitsch hat sich am 14. Juli an Bord des Klippers „Shemtschug“ zu dem Marine⸗Schulgeschwader begeben, das gegenwärtig im Fin⸗ nischen Meerbusen kreuzt. — Die Fregatte „Sswetlana“, unter Befehl des Großfürsten Alexej Alexandrowitsch, ist am 18. Juli Morgens in See gegangen, zunächst nach Tran⸗ sund. Die Besatzung des Schiffes besteht aus 14 Offizieren, 77 Unteroffizieren und 453 Mann. — Die große Flottenrevue, welche am 27. Juli bei Transund stattfinden sollte, ist, wie der „Golos“ hört, abbestellt worden. Statt dessen wird im Laufe des Monats August auf der Großen Rhede von Kronstadt eine Flottenrevue stattfinden.
— Der Gesandte der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Marshall Jewell, ist am 19. Juli mit der Warschauer Bahn von St. Petersburg abgereist.
Moskau. Ueber den Aufenthalt des Erzherzogs Al⸗ brecht von Oesterreich entnehmen wir der ‚M. 3.“ Folgen⸗ des: Am 17. Juli halb 1 Uhr Mittags langte der Erherzog mit einer Suite von 11 Personen an und wurde von dem Ge⸗ neral⸗Gouverneur auf dem Bahnhofe der Nikolaibahn begrüßt. Der Erzherzog nahm im Kreml in den Gemächern des Thron⸗ folgers Wohnung. Nach dem Frühstück wurden die Merkwür⸗ digkeiten des Kreml⸗Palastes in Augenschein genommen. Um 6 Uhr war bei Sr. K. K. Hoheit ein Diner von 32 Gedecken, zu welchem Einladungen an angesehene Personen der Einwohner⸗ schaft ergangen waren. Am 18. Juli begab sich der Erzherzog Albrecht mit seiner Suite um 961 Uhr Morgens nach Kolomens⸗ koje, wo er die Denkwürdigkeiten aus alter Zeit und den Park in Augenschein nahm und das erste und zweite Kriegsgymna⸗ sium sorgfältig inspizirte. Darauf nahm er im Kreml das Früh⸗ stück ein, besuchte darauf mehrere der merkwürdigsten Kirchen, das Findelhaus und das Romanowsche Haus. Nachmittags war Galadiner bei dem General⸗Gouverneur.
— Aus Astrachan wird dem „Reg.⸗Anz.“ geschrieben:
Der hiesige Gouverneur erhält zuweilen von Kaufleuten dieses Gouvernements, wie auch aus anderen Orten des Reiches, Anfragen über den Grad der Sicherheit, welchen die Handelswege zwischen Krassnowodek und dem Chanat Chiwa bieten, mit welchem Lande sie, die Kaufleute, in Handelsverkehr zu treten geneigt wären. Demzufolge hat der Gouverneur die genauesten Erkundigungen eingezogen und sich u. A. auch mit dem Chef des transkaspischen Militärbezirks in Ein⸗ vernehmen gesetzt, worauf dann den erwähnten Kaufleuten die Mittheilung geworden ist, daß der Weg nach Chiwa über Fort Alexandrowsky allerdings sicherer ist, als der von Kraßnowodsk. Tetz⸗ terer Weg ist aber viel kürzer und wird von den meisten Karawanen benutzt, von denen zwei die vor nicht zu langer Zeit von Krassnowodsk abgegangen waren, in Chiwa glücklich angekommen sind und sogar bald zurückkehren werden. Außerdem hat der Gouverneur noch her— vorgehoben, daß man im August von Krassnowodsk eine große Kara— wane abzufertigen gedenkt, welcher sich auch eine wissenschaftliche Expe⸗ dition anschließen wird. ; ö.
Gegenüber der Annäherung, die sich mehr und mehr zwischen den Russen und Nomaden vollzieht, sowie unter dem wachsenden Ein—⸗ fluß, welchen die Verwaltung des Transkaspischen Gebiet‘ auf diese letzteren ausübt, wird der Weg von Krassnowodsk, abgesehen davon, daß er der kürzere ist, auch mit jedem Tage sicherer werden.
Dänemark. Kopenhagen, 18. Juli. Die Abreise der Königlichen Familie mit dem Dampfschiffe „Sleswig“ fand gestern Abend statt. Bei der Zollbude am Hafen hatte sich ein Kreis von Damen und Herren aus der höheren Gesell⸗ schaft, sowie ein zahlreiches Publikum eingefunden, um die hohen RKeisenden zu begrüßen. Unter den Anwesenden bemerkte man sämmtliche Mmister, Geheimrath Tillisch und Graf Sponneck, die abgegangenen Minister: Graf Holstein⸗Holsteinborg, Geheim⸗ rath Hall und Oberst Thomsen, die hiesigen Mitglieder des Corps diplomatique, verschiedene höhere Civil⸗ und Militärbe⸗ amte, sowie Hofbeamten, den Ober⸗Präsidenten der Hauptstadt, Kammerherrn E. Rosenörn u. s. w. Um sieben Uhr kam die Kronprinzessin mit ihrer Hofdame, Baronesse Zytphen⸗Adeler und dem Hofchef, Graf Danneskjöld Samsoe, in offener Equipage von Charlottenlund und kurz darauf die Königliche Familie mit Gefolge von Bernstorff ebenfalls in offenem Wagen. Nachdem dieselbe sich mit verschiedenen der Anwesenden eine Zeit lang unterhalten hatte, begaben der König, die Königin, die Kronprinzessin, Prinzessin Thyra und Prinz Waldemar sich unter lebhaftem Hurrahrufen und Königssalut von der Batterie Sixtus“ in die RKönigsschaluppe und ließen sich an Bord des Dampfschiffes „Sleswig“ übersetzen, welches gleich darauf nach Norden absegelte. HJ .
Auf der Reise nach Jütland wird die Königliche Familie begleitet von der Oberhofmeisterin Geheimräthin Bille, den Hof⸗ damen Fräulein Oxholm und Baronesse Zytphen⸗-Adeler, Ge— heimen Etatsrath Trap, Kammerherr L. Castenstjold, Stallmei⸗ ster, Kammerherr Scheele, so wie den Adjutanten, Kapitän Hede⸗ mann und Rittmeister v. d. Maase u. A. m.
Der König wird sich in Frederikshavn nach Island ein⸗ schiffen. Die Abreise ist durch die lange Dauer der Minister⸗ krise verzögert worden. P .
— Die Adressen an das isländische Volk sind in diesen Tagen fertig geworden. Die Adresse der Universität ist von dem Isländer Benediet Gröndahl in isländischer Sprache geschrieben und ein kalligraphisches Meisterwerk. Die Adresse des Studentenvereins ist in dänischer Sprache geschrieben. .
— Aus Jütland wird mitgetheilt, daß Oberst Ankzär nach Schluß der Lagerübungen dem Vernehmen nach die Kriegs⸗ Minister⸗Portefeuille übernehmen wird. .
— Die vorbereitenden Arbeiten zum Bau der festen Eisen⸗ bahnbrücke über den Liimfjord bei Aalborg sind nun sowelt fortgeschritten, daß der eigentliche Brückenbau in aller⸗ nächster Zeit beginnen kann. Die Arbeit ist von der „Com⸗ pagnie de Fives Lille“ in Paris übernommen worden.
Amerika. Aus New⸗Jork wird unterm 29. d. per Kabel gemeldet: Die hier im Umlauf befindlichen Gerüchte, daß zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten in Verbindung mit den amerikanischen Forderungen um Entschädigung wegen der Virginius-⸗Affaire Verwicelungen entstanden seien, sind
offiziell dementirt worden.
— Die Indianer fahren fort Exzesse zu verüben, und es haben mehrere Scharmützel zwischen ihnen und den Bundestruppen stattgefunden. — In Saratoga fand am 18. d. Mts. ein Wettrudern statt, an welchem sich die Bootklubs von vier amerikanischen Universt äten, der von Co⸗ lumbia, Harvard, Jale und der wasleyanischen, betheiligten. Das Boot der Columbia kam zuerst am Ziele an und trug den Siegerpreis davon, während die Mannschaft von Harvard den zweiten Platz beanspruchte.
Asien. Aus Japan meldet die „China Mail“ vom 6. Juni, daß Verstärkungen für die japanischen Truppen in For⸗ mosa abgesandt werden. Die Chinesen scheinen die Japaner in der Invasion von Formosa zu unterstützen. Es haben bereits zwei Gefechte stattgefunden und Blut ist auf beiden Seiten ver⸗ gossen worden. Den neuesten Nachrichten zufolge hatten die Ja⸗ paner ein Eingeborenendorf mit sehr geringfügigem Verrust zer⸗ stört. Die japanischen Zeitungen behaupten, daß die Regierung heabsichtigt, denjenigen Theil von Formosa, der nicht unmittelbar unter chinesischer Jurisdiktion steht, zu annektiren und zu koloni⸗ siren. — Ein neuer japanischer Gesandter bei China hatte sich nach Peking begeben. — Die Einkuͤnfte Japans im vorigen Jahre betrugen 88 867,636 Jen (ein Jen — 1 Dollar) und die Ausgaben im gleichen Zeitraum 62,169, 3.44 Jen. Die auswärtige Schuld Japans beläuft sich auf 17, 085,597 Jen. — In Kioto hat eine große Feuersbrunst stattgefunden, durch welche 1600 Häuser ein⸗ geäschert wurden; 1300 Häuser brannten auch in Hamamatzu nieder. — Die Eisenbahn von Kabe nach Osaka wurde am 11. Juni eröffnet. — Das Gerücht von einer Feindschaft zwischen Japan und Corea ist autoritativ dementirt worden.
Aus China meldet dasselbe Blatt, daß ein Gesuch des französischen und des britischen Gesandten um eine Audienz beim Kaiser am chinesischen Neujahrstage abschläglich beschieden wurde. Der neue russische Gesandte wurde am 20. Juni vom Kaiser in einer Audienz empfangen.
— Das wöchentliche Telegramm des Vizekönigs von Indien über die Nothlage in Bengalen meldet, daß mit Bezug auf die Hülfsoperationen nichts von Belang zu berichten sei. Im südwestlichen Bengalen war der Regenfall entschieden spär⸗ lich, aber bis jetzt ist kein permanenter Schaden entstanden. Anderwärts sind die Ernteaussichten sehr gut und Hungertodes⸗ fälle sind nicht gemeldet worden.
Nr. 14 des ‚Armee⸗Verordnungs⸗Blatts“, herausgegeben vom Kriegs.Ministerium, hat folgenden Inhalt: Prüfung der von dem Rechnungshofe des Deutschen Reichs revidirten Rechnungen durch die Stempelfiskale in Beziehung auf das preußische Stempelinteresse. — Korrespondenz in Rechnungs- und Liquidationsangelegenheiten Königlich württembergischer Truppentheile, sowie einzeln kommandirter Militärpersenen. — Gewährung der Tagegelder an die Truppen Büchsenmacher bei Kommandos zu Waffen Revistonen außerhalb der Garnison. — Reservetheil⸗ und Patronenbüchsen für das Infanterie⸗ gewehr und die Jägerbüchse m / 71. — Wegfall von Vakatmeldungen für das Ressert der Kaiserlichen Admiralität. — Ausstattung der La— zarethe mit Thermometern zum Messen der Körperwärme. — For— mulare zum Journalblatt, Beilage D zum Friedens ⸗Lazarethreglement. — Aenderung des Preisverzeichnisses von den einzelnen Seitengewehr⸗ und Lanzentheilen beim Verkauf an die Truppen pro 1874. — Nach⸗ weisung der im II. Quartal 1874 vorgekommenen Veränderungen im Bestande der Kaiserlich Deutschen Reichs⸗-Telegraphenstationen. — Nachlaßsachen, welche wegen ungenauer 2c. Angaben über die Erblasser nicht ausgehändigt werden können.
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Statistische Nachrichten.
Statistischen Nachrichten zufolge sind während des ersten Halb— jahres 1874 von Liverposl 49,357 Personen weniger als in den ersten sechs Monaten von 1873 ausgewandert. Während des am 36. Juni beendeten Quartals sind 35,848 Personen nach verschiedenen Theilen der Welt ausgewandert, welche Zahl im Vergleich mit der des entsprechenden Quartals im Vorjahre ebenfalls eine beträchtliche Ab⸗ nahme nachweist. Während des Monats Juni segelten 14667 Emi— granten nach transatlantischen Häfen ab, gegen 18,603 im Juni 1873.
— Durch Ei senbahnunfälle wurden in England im Jahre 1873 amtlichen Statistiken zufolge 1372 Personen getödtet und 3110 verletzt. Von dieser Anzahl waren 160 Getödtete und 1750 Verletzte Passagiere, die übrigen 1212 Getödteten und 1360 Verletzten entweder Eisenbahn-⸗Angestellte oder Personen, die durch fahrlässiges Betreten der Schienen verunglückten.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
„Die Preußische Stempelgesetzgebung für die alten und neuen Landestheile,!“ Kommentar für den praktischen Ge— brauch, herausgegeben von Hoyer, Regierungs⸗Rath und Provinzial⸗ Stempelfiskal, zweite, umgearbeitete Auflage (Verlag von J. Gut⸗ ten tag 1D. Collin) liegt uns in der 1. Lieferung vor. Die J. Ab- theilung behandelt vornehmlich das Stempelwesen im Gebiet der alten Landestheile; sie berührt aber wesentlich auch das Gebiet der neuen im Jahre 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Landes- theile, theils wegen der Gemeinsamkeit der Stempelgesetzgebung bei einzelnen Materien, theils wegen der gemeinsamen. Anwendbarkeit mannigfacher, die Auslegung stempelgesetzlicher Vorschriften betreffender Ministerial! und Gerichts⸗Entscheidungen, theils weil auch solche für die neuen Landestheile getraffene Spezial-⸗Bestimmungen mit aufge— nommen sind, welche sich den für den Geltungsbereich des Stempel= gesetzes vom J. März 1822 ergangenen anschließen oder für beide Gebiete maßgebend sind. Die, besondere Stempelgesetzgebung für die neuen Landestheile folgt in Abtheilung IJ. Das Gesetz vom 30. Mai 1873 (G. S. S. 329), betreffend die Erbschaftssteuer (sowie den Werthstempel von Schenkungen unter Lebenden §. H, nebst den Ausführungevorschriften und Erläuterungen enthält der Anhang. Die 1. Lieferung reicht bis. 5. 7 des Gesetzes wegen der Stempelsteuer vom 7. März 1822. Das Werk wird in 5 Lieferungen zu 8 — 10 Bogen vollständig sein.
— Die Restauration der Gemächer des von Sr. Majestät dem König von Bayern auf der Herrnchiemseeinsel erworbenen Schiößchens wird zur Zeit auf das Eifrigste betrieben, und so die schönen Gebäude des Klosters, welches im Jahre 776 vom Herzoge Thassilo gestiftet wurde, vor dem Verfalle geschützt. Der soge⸗ nannte Prälatensaal erfordert die umfangreichsten Restauratione⸗ arbeiten.
— Die Königlich bayerische Akademie der Wissen⸗ schaften wird am 25. d. M., Vormittags 11 Uhr, zur Vorfeier des Geburts⸗ und Namenfestes Sr. Majestät des Königs Ludwig II. eine öffentliche Sitzung halten. Nach einer Einleitungsrede des Hrn. Stiftspropstes Reichsrath Dr. v. Döllinger, als Vorstand, über die Leistungen der Akädemie im Gebiete der orientalischen Studien! und nach Proklamation der Wahlen durch die HH. Klassen Sekretäre, wird der Direktor des Königlichen allgemeinen Reichsarchivs, Hr. Dr. v. Löher, ordentliches Mitglied der historischen Klasse, einen Vortrag halten „Ueber Deutschlands Weltstellung“.
— Am 21. d. M. starb in Augsburg nach langer Krankheit der Redactenr der „Allgemeinen Ztg.“ Dr. Julius von Gosen.
— Die soeben ausgegebene Nr. 20 J. Jahrg der (Illustrirten Jagdzeitung“, Organ für Jagd, Fischerei und Naturkunde, her