Barmen, 15. Oktober. Zur feierlichen Weihe des Den k⸗ mals für die in den Jahren 1870/71 gefallenen Barmer Krieger läuteten heute früh von allen Kirchthürmen der Stadt die Glocken und alsbald legte beim sonnenklaren Herbstwetter die große, ausgedehnte Stätte des Gewerbfleißes und der In⸗ dustrie von der Haspelerbrücke bis nach Lengerfeld, also bis zur Grenze Westfalens hin, ihr Festgewand an. Sämmtliche Staats⸗ und ftädtische Gebäude prangten im Schmuck deutscher und preu⸗ ßischer Fahnen und Flaggen. Ein großartiger Festzug bewegte fich vom Rathhausplatz, durch die Wertherstraße, über das Werther Bollwerk, die Berlinerstraße, die Schillerstraße und die Lichtenplatzer⸗ straße in die Anlagen des Verschönerungsvereins gegen 195 Uhr nach dem Denkmal. Das letztere ist, wie die „Elbf. Ztg.“ mittheilt, auf der Höhe der sehr romantisch gelegenen, heute äußerst reich mit farbigen Wimpeln und Kränzen geschmückten Anlagen des Verschönerungsvereins aus hübsch gemeißelten, im Fischerthal gewonnenen Bruchsteinen statllich in der Gestalt eines Thurmes gebaut und von unten bis zur Spitze zugänglich und ersteigbar. Hoch oben bietet sich dem Beschauer die schönste Aus sicht auf das Wupperthal. Eine Anzahl Pfeiler finden ihren Abschluß in Thürmen, sie sind theils mit aus fran⸗ zösischen Sandstein gehauenen Adlern, theils mit Bomben geziert, sie umgeben gleichsam den Thurm, an dessen Haupteingang, unterhalb angebrachte, aus Tuffsteinen gefer⸗ uͤgte Kriegsembleme und Trophäen die Worte verzeichnet stehen: „Den für Deutschlands Einheit 1870,71 gefallenen tapfern Barmer Kriegern die dankbare Vaterstadt. Zu Füßen des Denkmals sind zwei Geschütze aufgepflanzt, die im denkwürdigen Feldzuge von deutschen Kriegern erobert und später von Sr. Majestũt dem Kaiser und König der Stadt Barmen als Ge⸗ schenk überwiesen wurden. Zum Beginn der Einweihungsfeier⸗ lichkeit spielten die Musik⸗Kapellen den Trauermarsch von L. v. Beethoven, dann folgte die erhebende Weiherede des Pastors der evangelisch⸗reformirten Gemeinde zu Gemarke, Hrn. H. Bolhuis. Nach dem Vortrag einer Hauptmannschen Motette unter Leitung des Musikdirektors Anton Krause durch die Orts⸗ Gesangvereine hielt sodann der Geheime Regierungs⸗Rath, Ober⸗ Bürgermeister Bredt, eine Ansprache, die mit dem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser schloß. Der Gesang die „Wacht am Rhein“ bildete den würdigen Schluß der erhebenden Feier, nach welcher sich der Zug zum Rathhausplatz zurückbegab.
Als Gäste der Stadt Barmen waren geladen und wohnten dem Feste bei: der General⸗Lieutenant v. Obernitz, Comman⸗ deur der 14. Division und General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers, der Ober⸗Präsident v. Bardeleben, der Regierungs⸗ Präsident Frhr. v. Ende, der General⸗Major v. Barby, Com⸗ mandeur der 27. Infanterie⸗Brigade.
Von Elberfeld waren eingeladen: Landgerichts⸗Präsident Geh. Justiz⸗Rath Dr. Philippi, Sber⸗Prokurator Ebermaier, Prä⸗ sident Geh. Regierungs⸗Rath Danco, Ober⸗Bürgermeister Jaeger und Beigeordneter Dietze.
Ferner hatten 15 Regimenter und Truppentheile, bei denen die Gefallenen gestanden, Deputationen gesandt.
Bayern. München, 13. Oktober. Die „Allg. Ztg.“ schreibt: „Heute, am Sterbetage des Höchstseligen Königs Maximilian Joseph J., des Stifters des hohen militärischen Max⸗Joseph⸗Ordens, wurde die solenne Gedächtnißfeier des 5 Stifters sowie der verstorbenen Mitglieder des genannten
rdens in der Hofkirche zu St. Michael Vormittags 10 Uhr gefeiert. Die hiesige Garnison war in großer Parade hierzu aus⸗ gerückt. In der Kirche selbst wurde das feierliche Requiem ab⸗ gehalten, Im Chor der Kirche war ein großartiger Katafalk errichtet, auf welchem die Insignien des Königthums und des Ordens lagen; vom Hauptaltar bis zu den beiden ersten Seitenaltären war das Schiff der Kirche schwarz verhangen, und die Wände entlang zeigten sich die Wappenschilder mit den Namen und Todesjahren der seit Stiftung des Ordens (1. Januar 1806) verstorbenen Ordens⸗ mitglieder, 152 an der Zahl. Die Betheiligung von Seite der Generalitaät und des Offiziercorps und der lebenden Max Joseph⸗ Ritter war eine sehr große. Der Orden zählt gegenwärtig 54 Mitglieder aus der bayerischen Armee, von welchen 2 noch in den Kriegen 1813,14 mitgelämpft hatten. Außer der kirchlichen Feier wurde der Tag auch noch dadurch gefeiert, daß von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang jede Viertelstunde ein Kanonenschuß gelöst ward.“
— 14. Oktober. Von den Offizieren, welche sich in großer Anzahl zum Eintritte in die Kriegsakademie gemeldet hatten, wurden 17 zu der heute begonnenen Aufnahmsprüfung ein⸗ berufen; die Prüfung wird einige Tage in Anspruch nehmen. — Durch Verordnung des Ministerius des Innern werden der Gensd'armerie⸗Compagnie der Hauptstadt wiederholt erhöhte örtliche Zulagen bewilligt, und es erhalten sämmtliche Unteroffiziere und Gensd'armen eine Diensteszulage von täglich 12 Kreuzern — 72 Guldrn jährlich; die Pferdegratifikations⸗ . für die berittenen Gensd'armen werden auf 100 Gulden erhöht.
Sachsen. Dresden, 15. Oktober. Dem Staats⸗ und Mi⸗ nister des Kultus und öffentlichen Unterrichts Dr. von Gerber und dem Staats⸗ und Minister der Justiz Abeken ist das Groß⸗ kreuz des Verdienst⸗Ordens verliehen worden.
. Heute Vormittag fand im Ministerium des Kultus und öffentlichen Enterrichts durch den Staats⸗Minister Dr. von Ger⸗ ber die feierliche Verpflichtung des Wirklichen Geh. Rathes, Kreis⸗ direktors Frhrn. von Könneritz als Präsidenten des evangelisch⸗ lutherischen Landeskonsistoriums statt. Der Letztere ver⸗ fügte sich hierauf in die Geschäftslokalitäten dieser Behörde, um er,, die Mitglieder und Beamten des Konfistoriums in flicht zu nehmen. — Mittags 12 Uhr begab sich sodann der Staats⸗ Minister von Gerber mit dem Geh. Rath Dr. Feller in das evan⸗ gelisch lutherische Landes konsistorium, woselbst sich im Sitzungssaale der Präsident und die Mitglieder dieser Behörde versammelt hatten. Der Staats⸗Minister Dr. von Gerber ergriff nun zunächst das Wort und entwickelte in einem längeren Vortrage den Verlauf der sächsischen evangelischen Kirchengesetzgebung und die Bedeu⸗ tung, welche das neue Landeskonsistorium im Organismus unserer evangelischen Kirchenverfassung einzunehmen bestimmt sei. Er schloß hieran die feierliche Einweisung des Präsidenten und der Mitglieder des Konsistoriums in ihr neues Amt an und erklärte namens der in Erangelicis beauftragten Stagts⸗Minister die offizielle Wirksamkeit der neuen Behörde für eröffnet. Hier⸗ auf erwiderte der Präfident Freiherr von Könneritz in kurzer Rede, um die neue Kirchenbehörde der , der Staats⸗ und Schulbehörden zu empfehlen. Zum Schluß sprach der Vize⸗Präsident Dr. Kohlschütter ein feierliches Gebet.
Baden. Karisruhe, 14. Oktober. Am 21. d. M. wird hier eine Versammlung derjenigen evangelischen Geistlichen stattfinden, welche sich zur Herausgabe der Studien der evan⸗ gelischen Geistlichen Badens“ vereinigt haben. Nachdem das
Unternehmen gesichert ist, wird es sich nun zunächst um die Fest⸗ stellung der Siatuten und die Bestellung der Redaktion handeln. An demselben Tage, Nachmittags, wird in Durlach die statuten⸗ gemäße Jahres verfammlung des Ortsvereins⸗Abgeordneten des badischen Protestantenvereins in der Karlsburg zusam⸗ mentreten, zu welcher man eine zahlreiche Vertretung der Orts⸗ vereine erwartet.
GSessen. Darm stadt, 14. Oktober. Die Zweite Kammer der Stände erledigte in ihrer heutigen (80.) Sitzung die zweite Lesung der Kirchengesetze. Zu erwähnen ist das heute beschlossene Verbot der Demeritenanstalten und die An⸗ nahme eines Antrags Dernhurg, wonach die Mitglieder des kirchlichen Gerichtshofs, soweit dieselben aus Collegialrichtern be⸗ stehen (also 4 Mitgliedern), auf Vorschlag des Plenums des obersten Landesgerichts, und soweit dieselben aus sonstigen Per⸗ sonen bestehen (also 3 Mitgliedern), auf Vorschlag des Gesammt⸗ Ministeriums ernannt werden; ein Antrag Dumont, das oberste Landesgericht den kirchlichen Gerichtshof bilden zu lassen, fand nicht die Zustimmung der Kammer. — Morgen wird die Be⸗ rathung des Berggesetz es fortgesetzt werden.
— Mainzer Blätter veröffentlichen folgenden Aufruf:
An die Bewohner von Mainz! Während des ruhmpollen Krieges, dessen Palme die Neuauferstehung des Deutschen Reiches gewesen ist, sind auch in den Mauern von Mainz eine Anzahl tapferer Krieger aus allen Theilen des Vaterlandes ihren auf dem Felde der Ehre erlittenen Wunden und Anstrengungen erlegen. Das Denkmal, welches Bürgerschaft und Garnison in einmüthigem opferwilligem Zu⸗ sammenwirken beschlossen haben, diesen Tapferen zu errichten, ist nun, Dank einer sehr beträchtlichen Beifteuer Seitens Se. Majestät unseres erhabenen Kaisers, in reichster Ausführung vollendet. Am kom⸗ menden 8. Okto ber, einem in doppelter Weise für unser Vaterland hochbe⸗ deutsa men Erinnerungstage, soll jenes Denkmal feierlich enthüllt werden. Wir laden hiermit die Buͤrgerschaft und ihre Korporationen freund⸗ lichst ein, sich zu betheiligen. Wir laden ganz besonders auch alle Diejenigen ein, welche sich während des Krieges bei der Verpflegung der Verwundeten hbetheiligt haben, ferner alle Diejenigen, welche zur Stiftung des Denkmals beilrugen. Die Zusammenkunft der Theil⸗ nehmenden findet auf dem Friedhofe am oben gengnnten Tage P vor 11 Uhr Vormittags statt. Mainz, den 10. Oktober 1874. Frhr. v. Medem, General Major und Kommandant. Deninger, Geheimer Kommerzien Rath. Dr. Schmitt, Prälat. Clausius, Garnisonz⸗ Pfarrer. Labes, Major und Platz ⸗ Ingenieur. Dr. Jung, Gerichts ⸗Rath.
Sach sen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 15. Oktober. Aus Bellaggio vom 10. Oktober eingegangene Nachrichten melden, daß nach der Ankunft des Großherzogs in Meran, woselbst die Großherzog in mit den Prinzessinnen weilte, täg⸗ lich Partien in die Umgegend gemacht wurden. Am 5. Oktober unternahm der Großherzog mit den beiden Prinzessinnen die viertägige Tour über den höchsten fahrbaren Paß Europas, das Stilfser Joch, mit Stationen in Trafoi, Bormio und Sandrio und vereinigte sich mit der Großherzogin, welche unterdessen von Meran nach Trient, Riva über den Gardasee nach Mailand ge⸗ gangen war, am 8. Oktober in Belaggio am Comersee. Die Herrschaften sind vollkommen wohl und genießen die herrliche Umgegend des Sees, indem sie theils zu Wasser, theils zu Land täglich Ausflüge unternehmen.
Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen, 13. Oktober. (Eisenacher Ztg) Mit dem 1. November nimmt das Hoftheater seine Vorstellungen wieder auf; jede dritte Vor⸗ stellung kommt den Abgebrannten zu Gute. Die Kommis⸗ sion von Aerzten und Bautechnikern, welche dieser Tage hier vereinigt war, hat sich gegen die Verwendung des Bauschuttes zum Wiederaufban ausgesprochen; es muß der Schutt deshalb
abgesahren werden
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 14. Oktober. Die auf dem Protestantentag zu Wiesbaden über die geistlichen Stellen im Herzogthum Coburg gegebenen Mittheilungen, daß nämlich von 45 Stellen aus Mangel an Kandidaten 4 un⸗ besetzt seien und daß 38 Geistliche einen Gehalt von weniger als 800 Thlr. bezögen, werden in der heutigen Nummer der Co⸗ burger Zeitung“ dahin berichtigt, daß von 49 Pfarrstellen 2ein⸗ gezogen, 9 aus Mangel an Kandidaten unbesetzt sind und 2 weitere Stellen nächstens durch Wegzug der Geistlichen erledigt werden. Von sämmtlichen Stellen tragen nur 2 über 8090 Thlr., 28 Stellen haben ein Einkommen von 600 bis 900 Fl., im Durchschnitt 768 Fl. oder 439 Thlr.
Anhalt. Dessau, 14. Oktober. Der Herzog, der vor einigen Tagen von seinem Jagdrevier in Tirol wieder in Ballen⸗ stedt eingetroffen ist, wird bereits am 16. d. Mis. mit dem Hofe nach Dessau übersiedeln, um am 18. an der Enthüllungsfeier des Kriegerdenkmals theilzunehmen. Dem Vernehmen nach ist ein Besuch Sr. Majestät des Deutschen Kaisers am hiesigen Hofe im Laufe des nächsten Monats zu erwarten.
Neuß j. L. Gera, 14. Oktober. Bei der General⸗ Versammlung der Frauenvereine zu Frankfurt a. M. war das Fürstenthum ug den Hofmarschall Freiherrn v. Gramm hier vertreten, wodurch sich andere Mittheilungen berichtigen.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 14. Oktober. Am 18. d. M., dem Geburtstage Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen wird, der „Straßb. Ztg.“ zufolge, das in der Citadelle errichtete, von den Offizieren des preußi⸗ schen Ingenieur-Corps seinen im letzten Kriege gebliebenen Kameraden gewidmete Denkmal enthüllt und eingeweiht werden.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 13. Oktober. Die Kaiserin von Rußland hat gestern Abends die österreichische Grenze passirt und sich über Lemberg und Krakau nach Bres lau be⸗ geben. Ein Separatzug der Karl⸗Ludwigs⸗Bahn erwartete Ihre Majestät an der österreichisch⸗russischen Grenze.
Graz, 14. Oktober. Der Landtag genehmigte den Schlußbericht über den Voranschlag, sprach die Erwartung aus daß die Centralkommission für die Grundsteuerregulirung sofort aktivirt werde, und beschloß, die Regierung aufzufordern, Gesetze zum Schutze des Naturweins und zur Ueberwachung der Kunst⸗ weinfabrikation zu erlassen. Der Entwurf einer neuen Ge⸗ e n mn, wurde dem Landesausschusse zugewiesen. Hierauf schloß der Landeshauptmann von Kaiserfeld die Sesston mit einer Rede, zu deren Ende die Abgeordneten ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser ausbrachten.
Salzburg, 14. Oktober. Die beantragte Abänderung der w wurde vom Landtage nach einer erreg⸗ ten Debatte abgelehnt.
Prag, 14. Oktober. Der Landtag beschloß, die Petition des Budweiser Bezirksausschusses wegen angemessener Vertre⸗
dafür sorgen, daß Böhmen eine seiner Bedeutung und Steuer⸗ leistung entsprechende . in der Kommission finde. Auf Antrag des Dr. Herbst wurde das Gesetz betreffs Regelung der Rechts verhältnisse des Lehrerstandes von der Tagesordnung ab⸗ gesetzt und der Landesausschuß beauftragt, den betreffenden Kommissionsbericht in der nächsten Session vorzulegen Auf Antrag Jahnels wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Kinder⸗ gärten, von der Tagesordnung abgesetzt und eine Resolution angenommen, welche die Regierung auffordert, mit der Errich⸗
tung der Kindergärten auf Landeskosten bis zur gesetzlichen
Regelung der Konkurrenzpflicht innezuhalten.
Brünn, 14. Oktober. In der gestrigen Abendsitzung des Landtags wurde der Antrag Prazaks auf Unterbreitung einer Adresse an den Kaiser nach erfolgter Antragsbegründung durch den Antragsteller abgelehnt.
Pest, 14. Oktober. Der Gesetzentwurf über die Reform des Oberhauses wird demnächst die definitive Redaktion er⸗ halten und jedenfalls noch in dieser Se ssion dem Reichstage vor⸗ gelegt werden. .
Agram, 14. Oktober. Der Gesetzent wurf über die Orga⸗ nisation der Gesundheitspflege wurde vom Landtage in drit⸗ ter Lesung, der Gesetzentwurf über das Strafverfahren in Preß⸗ sachen in der General⸗ und Spezialdebatte angenommen.
Schweiz. Bern, 13. Oktober. In seiner gestrigen Sitzung beendigte der Nationalrath das Bundes gesetz über die politische Stimmberechtigung, dessen zwei letzte Artikel in folgender Fassung zum Beschluß erhoben wurden:
Art. 4. Ein Ausschluß vom politischen Stimmrecht darf nur stattfinden: ) durch gerichtliches Strafurtheil; 2) in Folge von Be⸗ vogtigung, die auf einem andern Grunde, als dem der Minderjährig⸗ keit beruht. . ͤ
Art. 5. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf der für die Volksabstim⸗ mung vorgesehen Fristen in Kraft
Der Ständerath beschäftigte sich mit der Fortsetzung seiner Berathung über das Bundesgesetz über den Frachtverkehr auf den Eisenbahnen.
— In seiner heutigen Sitzung hat der Nationalrath die Berathung der neuen Militär⸗Organisation begonnen, und die ersten fünf Artikel des vom Bundesrath Welti verfaß⸗ ten Gesetzes unwesentlich verändert angenommen. Dieselben lauten:
Att. 1. Jeder Schweizer wird zu Anfang des Jahres wehr⸗ pflichtig, in welchem er das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt. Die Wehrpflicht dauert bis zum Schlusse des Jahres, in dem er das vier= undvierzigste Altersjahr vollendet.
Art. 2. Von der Wehrpflicht sind während der Dauer ihres Alters oder ihrer Anstellung enthoben;
a. Die Mitglieder des Bundesrathes und der Kanzler. b. Die Be⸗ amten und Angestellten der Post⸗ und Telegraphenverwaltung, der Pulververwaltung, der eidgenössischen Militärwerkstätten, sowie der eid⸗ genössischen und kantonalen Zeughäuser. 6. Die unentbehrlichen Vor⸗ steher und Krankenwärter der öffentlichen Spitäler, die Direktoren
die Offiziere und Soldaten der Polizeicorps, sowie die Zoll und Grenzwaͤchter. d. Die Geistlichen, welche nicht zu Feldgeistlichen be⸗ stellt sind. 2. Die Lehrer der öffentlichen Schulen sind nur insoweit befreit, als sie von den Uebungen und Schulen dispensirt werden dür⸗ fen, die mit der Erfüllung, ihrer Berufspflichten eollidiren. kt. Die Angestellten der Eisenbahn⸗ Unternehmungen, denen der Unterhalt und die Bewachung der Bahn obliegt, die Angestellten des Bahnbetriebs, das Bahnhof- und Stations⸗ personal, endlich die Angestellten der konzessionirten Dampfschiffunter⸗ nehmungen, denen der Fahrdienst obliegt. Wenn der Kriegsbetrieb der Eisenbahnen und Dampfschiffe angeordnet wird (Art. 205), so leisten die genannten Eisenahn und Dampfschiffangestellten ihren Dienst als solche und sind auch für die e, . Zeit von jeder y, ,. befreit. In Bezug auf die Eisenbahnangestellten bleiben die Bestimmungen der Art. 28, 70 und 207 vorbehalten.
Art. 3. Die diensttauglichen Schweizerbürger, welche zwar der Wehrpflicht enthoben (Art. Y, aber noch nicht eingetheilt sind, haben gleichwohl den Rekrutenkurs in einer Waffengattung mitzumachen und werden einem Truppenkörper zugetheilt.
Ait. 4. Von der Ausübung der Wehrpflicht sind diejenigen aus⸗ geschlofsen, welche in Folge strafgerichtlichen Urtheils nicht im Besitze der bürgerlichen Rechte und Ehren sind.
Art. 5. Die Mitglieder der Bundesversammlung sind während der Dauer der Sitzungen von den militärischen Uebungen befreit.
15. Oktober. W. T. B.) Der Nationalrath hat bei Fortberathung des Militärorganisations⸗Gesetzes die Dienstpflicht bei dem Auszug auf die Zeit vom 20. bis 32. Lebensjahre, die Dienstpflicht bei der Landwehr auf die Zeit vom 32. bis 44. Lebensjahre festgesetzt.
Großbritannien und Irland. London, 15. Oktober. (W. T. B.) Die Kaiserin von Rußland und der Groß⸗ fürst⸗Thronfolger trafen heute früh 3 Uhr in Dover ein, wo dieselben vom russischen Botschafter Graf Schuwaloff und dem Viscount Sydney empfangen wurden. Die Ehrenwache war vom 90. Regiment gestellt. Die Ankunft auf dem
Herzog von Edinburgh die hohen Gäste erwartete und nach Buckingham⸗Palace geleitete.
— 16. Oktober. (W. T. B.) Der „Standard“ bringt die Mittheilung, daß ein spanisches Kriegsschiff in der Socoa⸗ Bay einen Dampfer, der Waffen für die Karlisten landete, auf⸗ gebracht hat und denselben als gute Prise reklamirt. Die Frage wird zur gerichtlichen Entscheidung kommen. Der Kapitän des Dampfers ist entkommen.
Frankreich. Paris, 15. Oktober.
— (W. T. B.) Nachricht, es sei über das Departement der Nieder⸗ pyrenäen der Belagerungszustand verhängt und der dortige Präfekt Nadaillae seines Postens enthoben worden, entbehrt der „Agence Havas“ zufolge jeder Begründung.
— Die für den 8. k. M. ausgeschriebene Deputirten⸗ wahl betrifft die Departements Droöme, Oise und Nord, nicht
Die
Dröme, Oise und Seine.
Versailles, 15. Oktober. (W. T. B.) Sitzung der Permanenztommission. Der Minister des Auswär⸗ tigen, Herzog von Decazes, erklärt betreffs der spanischen, der französtschen Regierung neuerlichst zugegangenen Note, die fran⸗ zöstsche Regierung habe auf eine frühere Reklamation der spani⸗ schen Regierung mit einer auf die Einzelnheiten eingehenden Antwort erwidert gehabt, die sich, wie es geschienen, auch der allgemeinen Billigung der übrigen auswärtigen Mächte zu er⸗ freuen gehabt habe. Neuerdings sei nun von dem spanischen Gesandten eine Reihe von Beschwerden wiederholt worden, die von langer Zeit her datirten und jetzt wieder zusammengestellt worden seien. Er könne nur versichern, daß er Spanien gegenüber seine Schuldigkeit gethan habe, wie dies auch Seitens seines Amtgvor⸗ gängers geschehen sei. Es sei deshalb nothwendig, die Wirkung, welche die spanische Note habe hervorrufen können, auf ein bil⸗ . Maß zurückzuführen. Das spanische Memorandum habe keineswegs die schwer wiegende Bedeutung, die man ihm bei⸗
tung Böhmens in der Centralkommisston für Grundsteuerreguli⸗
rung der Regierung mit dem Ersuchen abzutreten, dieselbe möge
lege. Die Antwort der französischen Regierung werde aufs Neue die Loyalitãt Frankreichs und die Verbesserung (correction)
und Gefangenwärter der Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse,
Bahnhofe von Charing⸗Croß erfolgte um Si Uhr, wo der
der Stellung hervortreten lassen, welche Frankreich in seinen Be⸗ ziehungen zu Spanien eingenommen habe. Was den „Dre⸗ nocque“ und dessen Abberufung anbelange, so habe er hierbei den e . Interessen und der wahren Würde Frankreichs ge⸗ mäß gehandelt und der Papst selbst habe nicht gefunden, daß
es Frankreich ihm gegenüber an Achtung und Ergebenheit habe
fehlen lassen. — Der Minister des Innern, Seneral Chabaud la Tour, erklärte auf eine bezügliche Anfrage der Mitglieder der Linken, daß die Regierung bei dem in Nizza stattfindenden Wahl kampfe sich durchaus neutral verhalten werde.
Spanien. Der „Independance“ wird aus Santander vom 15. d. M. gemeldet, daß die im Vormarsch auf Castilien begriffene carlistische Abtheilung unter Mongropes i durch die Regierungsgenerale Blanco und Villegas geschlagen und zurückgeworfen ist.
— Durch Depeschen, die von earlistischer Seite über Paris, 15. Oktober, eingegangen sind, wird die Nachricht vom Tode Tristany's, des carlistischen Ober⸗Befehlshabers in Catalonien, ebenfo, wie die Nachricht, daß carlistische Abtheilungen der Madrider Regierungsgewalt sich unterworfen hätten, als durchaus unbegründet bezeichnet.
Portugal. Wie die Times“ erfährt, ist die portu⸗ giesische Reglerung im Begriff, ihre Flotte wesentlich zu ver⸗ stärken. Vor einigen Monaten votirten die Cortes eine Summe von 370, 000 Lstr. für den Bau neuer Kriegsschiffe, und Kapitän Testa, ein Ofstzier der portugiesischen Marine, wurde instruirt, direkt sich nach England zu begeben und die vollständigste In⸗ formation über die verschiedenen Typen von Schiffen, die nur für die englische Admiralität gebaut werden, sich zu verschaffen. Die Regierung hat endgültig beschlossen, die folgenden Schiffe zu bauen: zwei mächtige Korvetten, mit einer Armatur von je 6 Geschützen; drei Kanonenboote; ein eisernes Transportschiff und eine große Panzerfregatte.
Italien. (Uebersicht über die Zeit vom 15. Augu st bis Ende September.) Wir hatten in unserer letzten Uebersicht der Zustände in Sicilien zu gedenken, und haben auch heute damit zu beginnen, da dieselben noch immer eine stehende Rubrik in allen Zeitungen bilden. Glücklicherweise ist diesmal die berechtigte Hoffnung kund zu geben, daß durch eine zugleich energische und die gesetzlichen Institutionen schonende Initiative der Regierung in kurzer Frist der von allen Feinden des jun gen Einheitsstaates mit heimlicher Freude betrachteten wirklichen Gefahr Einhalt gethan werde. War es doch dahin gekommen, daß in Palermo in einer Prozeßsache wider eine Bande ver⸗ wegener Spitzbuben, welche sich zum Leihhause einen unterirdi⸗ schen Gang gearbeitet hatten, die zum dritten Male zusammen⸗ berufenen Geschworenen zum dritten Male ausblieben, aus Furcht vor dem Dolche der zur „Mafia“ gehörenden Rächer. Man wußte sich nun nicht anders zu helfen, als dadurch, daß man sämmtliche Verbrecher auf das Festland transportiren ließ, um sie von oberitalienischen Geschworenen richten zu lassen. Diese Prozedur, wiewohl für das Inftitut der Geschworenen in Sicilien, ja für das Selbstbewußtsein der Sicherheits behörde auf der schönen Insel nicht eben schmeichelhaft, soll gleichwohl tiefen Eindruck gemacht haben, ⸗ .
Der von einem Ministerconseil gefaßte Beschluß der Kammerauflösung, seit lange allgemein erwartet, ift. doch erst ganz kürzlich durch den Präsidenten des Conseils, Hrn. Minghetti, dem Könige zur Unterschrift vorgelegt worden, man weiß auch, daß die Genehmigung ertheilt ist doch steht die amtliche Veröffentlichung noch aus. Inzwischen rüstet man sich über⸗ all auf die neuen Wahlen. Hierbei bemerkt man Seitens der Klerikalen, ungeachtet der paäpstlichen Abmahnung, eine starke Neigung zur Betheiligung. ö
Der Radskalismus, doktrinär republikanisches Mazzinithum und die von diesem desavonirten Bestrebungen der Internatio- nalen haben genug von sich reden gemacht. Am 25. August las man, daß der Präfekt von Pisa alle internationalen, mazzinistischen und demokratischen Vereine verboten habe und gleichzeitig kam die Nachricht von massenhaften Arrestationen in Massa, Earrara, Fivizzano und aus Bologna hörte man von starken Patrouillen in der Umgegend. Die Republik San Marino hat sich der inzwischen sehr übermüthig gewordenen verbrecherischen Flüchtlinge von Remini durch Ausweifung ent⸗ ledigt.
giuch in Calabrien wurde in der letzten Augustwoche ein angeblicher Aufstandsversuch durch zahlreiche Verhaftungen ver⸗ eitelt.
Die Anerkennung der Regierung des Marschalls Serrano durch die italienische Regierung hat ihren feierlichen Ausdruck durch den Empfang des Hrn. Rancks in Turin (am 26. Sep⸗ tember) gefunden. Am 20. September hatte Fürst Milan von Serbien Audienz bei dem Könige, Am 19. September starb plötzlich in Rom der General Sirtori, am 29. August wurde der Graf Antonio Aldini in Cesena ermordet.
Ein pädagogischer Kongreß tagte in der Mitte des letzten Monats zu Bologna.
Die klerikale Welt wurde durch den Tod des Paters Theiner in Civita⸗Vecchia (29. August) und die bald. darauf erfolgende Publikation seiner Briefe an den Professor Friederich, die von der italienischen Presse außerordentlich beachtet wurden, in Aufregung gesetzt. War ja der gelehrte, dem Herzen des Papstes ehedem nahestehende Mann einer der besten Kenner des Jesuitismus. Andererseits rechnete sich der Jesuitis mus den Üebertritt des englischen Lord Ripon als Triumph an.
Als der Bischof von Angers in seiner Anrede an Mac Mahon die Initiative Frankreichs zu Gunsten der jesuitischen Restitutionspolitik anrief (29. August), sprach die römische „Italie“ geradezu aus, daß solche Anweisungen an den fran⸗ zöstschen Episcopat direkt aus dem Vatikan hervorgingen. Man behauptet, daß die Ende September hier eingetroffenen legimistischen Deputirten Chesnelong, de Costa und Ernoul eine Audienz beim heiligen Vater nur unter der ausdrücklichen Bedingung völliger politischer Enthaltsamkeit gewährt worden sei. Ebenso bemerkt wurde die reservirte Antwort des apstes auf die hestige Sprache der Adresse der kotholischen Vereine, welche ihm am 20. September, dem von den Römern in an⸗ ständiger Festesfreude begangenen Tage der Einnahme Roms, war vorgetragen worden.
Die Jesuiten laden die Jugend des Auslandes zum Stu⸗ dium in Rom ein unter der ausdrücklichen Versicherung, daß sie hier in vollständiger Sicherheit unter dem Schutze des Papstes ihre theologische Ausbildung, genießen können. Am 1. September starb der Bischof Metti von Livorno. Am 19. desselben Monats trat der Bischof Rota. von Mantua eine durch einen Kanzelexceß veranlaßte sechstägige Kerkerhaft an. An demselben Tage hatte der vom Urlaube zurückgekehrte fran⸗ zösische Botschafter Courcelles wieder Empfang beim Papste.
und Berlin profitirt davon.
Dem im Vatikan abermals anwesenden Kardinal Bonnechose lieh man eine politische Mission. Es mag dahin gestellt sein, ob er die, wie es scheint, von Frankreich beabsichtigte Zurück⸗ ziehung des „Orenoque“ aus den Gewässern von Civita -⸗Vecchia zu motiviren hatte.
Die mit der Convertirung der Klostergüter in Rom und der römischen Provinz betraute Regierungs⸗Kommission hatte am 9. September an einem vollen Hundert ihre Arbeit ge⸗ than. Die Kongregation de Propaganda Fide hat wegen des bereits im vorigen Berichte erwähnten Verkaufes der Villa Montalto bei Frascati einen Prozeß angestrengt. Auch ist nachträglich noch ein Protest der englischen Bischöfe bekannt geworden.
In San Rocco Castagneto fand am 6. September aber⸗ mals eine Pfarrwahl durch Volksabstimmung statt.
Erwähnenswerth ist, daß am 20. September in Neapel das Blut des heiligen Janugrius, von dem „das Volk,“ wie klerikale Blätter sagen, „Heil und Befreiung“ erwarten, richtig wieder flüssig geworden ist.
Das Land sieht einer ungewöhnlich günstigen Weinerte entgegen. Auch sonst ist der Ausfall der Ernte, einige Schä— digungen durch Wolkenbrüche und Hagelwetter abgerechnet, ein erfreulicher und die Belebung der Geschäfte wird bereits empfunden. Ein Naturereigniß von besonderem Interesse war die Eruption des Aetna am Abend des 29. August, die ohne Schädigung der benachbarten Ortschaften verlief.
Der Eisenbahnverkehr hat durch die am 3. September stattgehabte Eröffnung der Linien Mantua -Tremona und Mantua⸗Modena, sowie durch die am 27. festlich begangene Probefahrt auf der Linie Acqui⸗Savong wesentliche Erleich⸗ terungen erfahren. Auch der direkte Verkehr zwischen Rom Bald wird auch durch Fertig⸗ stellung der Strecke Sestri⸗La Spezzia die völlige Verbindung Genuas mit Rom hergestellt sein.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 12. Oktober. Der König hat in Folge einer ihm von der letztabgehaltenen Kirchen versammlung gemachten Vorstellung in diesen Tagen einen Beschluß über die Ordnung einer von der schwedischen Staatskirche ausgehenden Thätigkeit für die Verbreitung des Evangeliums unter dem nichtchristlichen Volke gefaßt. Der Antrag der Kirchenversammlung ging darauf aus, ein Ge⸗ setz u. A. mit der Bestimmung ausarbeiten zu lassen, daß die Missionsthätigkeit durch eine von der Kirchenversamm⸗ lung erwählte Oberleitung ausgeübt werden sollte. Da nach Meinung des Königs eine solche Thätigkeit sofort ins Leben treten müßte, so hat er fuͤr die Zeit bis zur Abhaltung der nächsten Kirchenversammlung eine Oberleitung unter Vorsitz des Erzbischofs niedergesetzt. Betreffend die Thã⸗ tigkeit der Missionsverwaltung ist ferner bestimmt worden, daß sie ihren Sitz in Stockholm haben soll und daß sie die Missions⸗ vereine, deren Zweck und Thätigkeit von derselben für gut be⸗ funden werden, soll unterstützen können; daß sie Missionäre zu den nicht christlichen Völkern aussenden und dieselben unterhalten soll, so wie daß sie die christlichen Gemeinden, welche durch die Thätigkeit dieser Missionäre gebildet werden unterstützen, Missio⸗ näre in eigenen Missionsschulen ausbilden, Missionsschriften herausgeben soll u. . w. Die Verwaltung soll dem Könige über ihre Thätigkeit Bericht erstatten.
Dänemark. Kopenhagen, 14. Oktober. Im „ Mor⸗ genblad“ erklärt Berg, daß er die ihm ertheilte ministerielle Zurechtweisung nicht angenommen, dagegen sein Schulamt nie⸗ derlege, um ganz seinen Pflichten als Volksrepräsentant zu leben.
Amerika. Die „Times“ meldet aus Philadelpia vom 15. d. M., daß nach den vorliegenden definitiven Wahlergeb⸗ nissen aus 63 pennsylvanischen Bezirken, 35 repu⸗ blikanische und 28 demokratische Kandidaten gewählt sind. Die Republikaner haben 9 Sitze verloren, .
— (A. A. C) Der argentinische Fin anz⸗Minister hat dem Kongreß seinen Jahresbericht überreicht, aus dem erhellt, daß die ordentlichen Ausgaben im vorigen Jahre 22, 0900, 000 Dollars, die Einkünfte 20, 000, 090 Dollars betrugen. Es ver⸗ bleibt sonach ein Defizit von 20000090 Dollars, wodurch die schwebende Schuld, hauptsächlich erzeugt durch die Kosten der Rebellion von Entre Rios, auf 17, 000, 000 Dollars erhöht wird. Das Budget für 1875 veranschlagt die Ausgaben auf 21,000 000 Dallars, die Einkünfte auf 24 0000090 Dollars, was einen Ueberschuß von 3, 000, 000 Dollars ergiebt.
= Aus Panama wird die Begrüßung der englischen Flagge Seitens der Regierung von Guatemala als Genugthuung für den von dem Tyrannen Gonzales an dem englischen Vize⸗Konsul Magee verübten Exceß gemeldet. Die Ceremonie, die am 4. September stattfand, wurde am Gestade von 300 Mann mit vier Geschützen aus der Hauptstadt und einer gleichen Anzahl Matrosen von den Schiffen ausgeführt. Prãäsident Borries war durch einen seiner Minister vertreten. Die Ent⸗ schädigungssumme von 10,900 Estr. wurde Herrn Magee aus- gezahlt und Alles verlief in der freundlichsten Weise. Das britische Geschwader segelte alsdann ab.
Aus Callao wird unterm 14. September gemeldet, daß der Präsident noch immer warme Kundgebungen der Sympathie aus allen Theilen des Landes und von allen Klassen der Vevölke⸗ rung anläßlich seines glücklichen Entrinnens aus der Gefahr, ermordet zu werden, erhalte. General Prado, der vor Kurzem von Valparaiso in Lima ankam, wird, wie man erwartet, nach Chili zurückkehren. . .
— Aus Port Royal werden die Gerüchte von der angeb⸗ lichen Unpopularitãät des neuen Präsidenten von Hayti, Do⸗ mingue, dementirt. Der allgemeine Aspekt der öffentlichen Mei⸗ nung in der Republik wird als ruhig und befriedigend be⸗
eichnet. ö — Aus Valparaiso wird der „A. A. C. unterm Das Kosmos⸗Dampfschiff „Denderah“ strandete während der Durchfahrt durch die Magellanstraße auf einer Klippe und wurde beträchtlich beschädigt. Die chilenische Regierung beabsicht in verschiedenen Theilen der Straße Bojen als Wegweiser für Schiffe zu placiren. Der Leuchtthurm an der Küste von Punta Galera, auf der Höhe von Daldewia, wird in vier Monaten fertig sein. Die cubanischen Insurgenten⸗ führer Quesada und Pr. Nambrano, die hier ankamen, um Munition anzukaufen, fanden einen enthusiastischen Willkommen. Buenos ⸗Ayres, 14. Oltober. (W. T. B.) Der Prã⸗ . Avellaneda ist am 12. d. in sein Amt eingeführt wor⸗ en und hat ein Manif est erlassen, in welchem er seinen Ent⸗ schluß kundgiebt, seine ihm durch die Wahl des Volkes verliehe⸗ nen Rechte zu e,, . und erklärt, die Politil seiner Vor⸗ gänger befolgen zu wollen. In das Ministerium sind Alsina als Kriegsminister, Frias für das Auswärtige, Cou tines für die Finanzen und Leguigawea als Unterrichts⸗-Minister eingetreten.
2. September gemeldet:
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— Wie verlautet, hat der Insurgentenchef Jordan die Provinz Entrerios besetzt. General Mitre soll sich mit einer Streitmacht von 10,906 Mann unweit der Stadt Buenos⸗Ayres befinden. Hier herrscht die Besorgniß, daß die Truppen sich er⸗ heben und Mitre anschließen werden.
Asien. Der Mörder Haber's ist in Hakodade am 26. v. Mts. hingerichtet worden.
Australien. Nach einer heute in London eingegangenen Meldung aus Melbourne hat die englische Regierung jetzt formell von den Fidji⸗Inseln Besitz ergriffen.
Zur Begründung des Entwurfs der Eivilprozeß— Ordnung. (Vgl. Nr. 241 d. Bl.) (Schluß.) . .
Der rechtfertigende Grund für die Eröffnung einer dritten Instanz vor einem obersten Gerichtshofe wurde in dem Be— dürfnisse nach Einheit des Rechts und der Rechtspflege gefun— den. Dieser Gedanke kann gar nicht zur Geltung kommen, wenn es sich um Rechtsnormen handelt, deren Geltungsbereich entweder mit den Bezirksgrenzen des Ober-Landesgerichts zu⸗
sammenfällt oder innerhalb dieser Grenzen liegt. Die Einheit
dieser Rechtsnormen kann das Ober⸗Landesgericht ebenso gut und besser wahren als ein oberster Gerichtshof. Daß eine solche Rechtsnorm auch der Kognition eines anderen Ober-Landes⸗ gerichts unterliegen kann, ist richtig, wird jedoch als etwas rein Zufälliges außer Betracht bleiben müssen. — Wenn man aber den obigen, die Zulassung einer dritten Instanz rechtferti— genden Grund unberücksichtigt lafsen oder denselben sogar ver⸗ werfen wollte, so würde doch die Zulassung eines weiteren, lediglich die richterliche Würdigung bezielenden Rechtsmittels dadurch bedingt sein, daß die Mitglieder des höheren Gerichts präsumtiv qualifizirter sind als die Richter der Vorderinstanz, das Recht zu weisen. Für diese Annahme fehlt es nun aber an jedem Grunde, wenn es sich um Provinzialgesetze und Lokal⸗ statuten, insbesondere um provinzielles oder lokales Gewohnheits⸗ recht, sowie ferner um die Rechtsübung in Betreff dieser Rechts⸗ normen handelt. Es wird vielmehr gerade die umgekehrte An⸗ nahme Platz greifen, weil die hier fraglichen Rechtsnormen meist mit Eigenthümlichkeiten, mit den Rechtsanschauungen, Sitten und Gebräuchen, mit den Lebens und Verkehrsverhält— nissen der Geltungsbereiche jener Rechtsnormen im engeren Zu⸗ sammenhange stehen, diese Eigenthümlichkeiten aber von dem ihnen näher stehenden Ober -Landesgerichte präsumtiv richtiger gewürdigt werden, außerdem aber Rechtsnormen präsumtiv sicherer und besser angewandt werden, wenn sie häufiger, als wenn sie selten den Gegenstand der richterlichen Kognition bil— den. Je allgemeiner die Rechtsnormen sind, welche ein oberster Gerichtshof anzuwenden hat, umso mehr ist die Voraussetzung begründet, daß er dieselben richtiger würdigen und auf ein ge⸗ gebenes Faktum anwenden werde, als ein ihm nachgeordnetes Gericht. Je beschränkter dagegen der Geltungsbereich einer Rechtsnorm ist, um so begründeter ist die Befürchtung, daß einzelne Mitglieder, ja selbst ein einzelnes Mitglied des obersten Gerichtshofes einen ganz uͤberwiegenden, durch die Verhältnisse nicht gerechtfertigten Einfluß auf die Entscheidung ausüben werde.
Die große organisatorische und politische Bedeutung der beleuchteten Vorschrift tritt hervor, wenn man daneben ern agt, daß es ungeachtet der Zulassung der Berufung gegen die in erfler Instanz erlassenen Endurtheile der Landgerichte und ge⸗ gen die Endurtheile der Handelsgericht ausführbar ist, sehr große Bezirke der Ober⸗Landesgerichte zu bilden. Erstrecken doch die beiden preußischen Appellationsgerichte zu Cöln und Celle, für welche ebenso wie für die ihnen nachgeordneten Ge⸗ richte mündliches Verfahren gilt, sich über ein weites Gebiet mit drei und zwei Millionen Seelen, obwohl sie Appellations⸗ gerichte sind Und die Appellation auch die thatsächliche Seite des Rechtsstreits ergreift. .
Werden Ober⸗Landesgerichtsbezirke von einer Größe gebildet, welche das Prozeßverfahren zuläßt, so wird schon von vorn⸗ herein das Reichsgericht grundsätzlich als ein Gerichtshof für das Recht des Deutschen Reichs angesehen werden können. Freilich wird daneben einstweilen das gemeine Civilrecht, das Givilrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts und des rhei nischen Gesetzbuchs den Gegenstand der Kognition des obersten Gerichtshofs bilden; allein dieser Rechtsstoff wird sich allmählich mindern und schließlich durch ein allgemeines Deutsches Civil⸗ gesetzbuch ersetzt werden. Dann wird der oberste Gerichtshof nichk allein grundsätzlich, sondern auch faktisch ein Gerichtshof für das Deutsche Reichsrecht sein.
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§. 16. Die Civilprozeßordnung ist als ein Theil eines größe⸗ ren Ganzen gedacht, welches die Gerichtsverfassung, das Civil⸗ verfahren und das Strafverfahren umfaßt. .
Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang ist es erklärlich, daß Vorschriften, welche dem Civilverfahren und dem Strafver⸗ fahren ihrem wesentlichen Gehalte nach gemeinsam sind, aus dem Entwurf der Civilprozeßordnung ausgeschieden und dem Entwurf der Gerichtsverfafsung überwiesen sind. Hierher ge⸗ hören besonders die Vorschriften über Rechts hülfe, Oeffentlich⸗ keit der Sitzungen und Sitzungspolizei jowie über Gerichts⸗ sprache, Berathung und Abstimmung (vergl. Gerichts verfassungs⸗ gesetz 5§5. 127 ff.). . .
Selbstverständlich finden auch die Vorschriften über die Gerichte und deren sachliche Zuständigkeit in dem Gesetze über die Gerichtsverfassung ihren richtigen Platz. Es ist jedoch von Interesse, hier hervorzuheben, daß man bei der Bearbeitung und Feststellung des Entwurfs der Civilprozeßordnung davon ausgegangen ist, daß der Entwurf der Gerichtsverfassung die nachfolgenden Fundamentalsätze anerkennt.
Für das Reichsgebiet bestehen zur Ausübung der ordent⸗ lichen streitigen Civilgerichtsbarkeit erster Instanz und mit ört⸗ lich abgegrenzten Gerichtssprengeln Landgerichte, Handelẽgerichte und Amtsgerichte. Die Verfassung der Landgerichte und der Handelsgerichte ist eine kollegialische, während die Amtsrichter als Einzelrichter verhandeln und entscheiden. .
Vor die nach Maßgabe des Verkehrsbedürfnisses zu errich= tenden Handelsgerichte ehören handelsrechtliche Streitigkeiten ohne Rlͤcksicht auf den Werthbetrag. Den Amtsgerichlen wer⸗ den alle Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswerth die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt, sowie gewisse einfache oder schleunige Erledigung erheischende, oder regelmäßig auf Grund
enauer örtlicher Kenntniß zu entscheidende Rechtsstreitigkeiten
Überwiesen Für alle nicht den ö oder den Amtsgerichten zugetheilten Rechtsstreitigkeiten ind die Landgerichte