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— Am 1. November d. Is. wird die von Athus in Belgien nach Rodingen im Großherzogthum Luxemburg füh⸗ rende Eisenbahnstrecke dem Verkehr übergeben werden und ge⸗ mäß 5. 17 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 den be⸗ stehenden Zollstraßen für den Eisenbahntransport hinzutreten. Von dem gedachten Zeitpunkte ab wird in Rodingen für diesen Verkehr unter einstweiliger Erhaltung des für den Landverkehr bestehenden Nebenzollamtes II. ein Rebenzollamt J. mit den Be⸗ fugnissen zur unbeschränkten Verzollung, zur Ausstellung und Erledigung von Begleitscheinen J., zur Ertheilung von Begleit⸗ scheinen Il. auf das Hauptzollamt resp. die Bahnhofs⸗Zollexpe⸗ dition in Luxemburg und zur Abfertigung von Mustern aus⸗ . Handlungsreisenden beim Ein⸗ und Ausgange errich⸗ et werden.
— Der Kaiserliche Botschafter beim Königlich großbritan⸗ nischen Hofe, Graf Münster, ist heute früh nach London zurückgekehrt.
— Der Kaiserliche Gesandte am Königlich niederländischen Hofe, Freiherr von Canitz, hat am 22. d. Mts. einen mehr⸗ wöchentlichen Urlaub angetreten, während dessen als Geschäfts⸗ träger im Haag Legations⸗Rath von Schmidthals fungirt.
— Der General⸗Lieutenant, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der Garde⸗Kavallerie⸗ Division, Graf von Brandenburg II. ist von seiner Urlaubs⸗ reise hierher zurückgekehrt.
— Der General⸗Major von Rothmaler, beauftragt mit Führung der 7. Divifion, ist mit kurzem Urlaub von Magdeburg hier eingetroffen.
— Der Major à la suite des 2. Westfälischen Husaren⸗Re⸗ giments Nr. 11, von Vgerst, ist zur Dienstleistung als per⸗ sönlicher Adjutant bei Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Carl kommandirt worden und zur Uebernahme seiner neuen Stellung hier eingetroffen.
Fulda, 30. Oktober. (W. T. B.) Der ausgewiesene Pfarrer Helfrich von Dipperz ist bei Gelegenheit der Abhal⸗ tung eines Gottesdienstes verhaftet und zwangsweise nach dem Kreise Schlüchtern transportirt worden.
Bayern. München, 28. Oktober. Das heut ausge⸗ gebene Amtsblatt des Königlichen Staats⸗Ministeriunis des In⸗ nern Nr. 47 bringt die Bekanntmachung über die Ergebnisse der Generalrechnung des allgemeinen Unterstützungsvereins für die Hinterlassenen der Königlich bayerischen Staats⸗ diener und der damit verbundenen Töchterkasse für das Jahr 1873.
Hiernach betrugen die Einnahmen des Hauptvereins 776,554 Fl. 53 Kr., die Ausgaben 784.285 Mehrausgabe, von 730 Fl. 114 Kr., welche nur in der Kapital Mehranlage ihren Grund hat und gegenwärtig bereits ausgeglichen ist. Unter den Einnahmsposten erscheinen die Beikräge von 3644 Vereins⸗ mitgliedern mit 92,166 Fl. 244 Kr. Die Zinsen von angelegten Ka—
italien mit 93,243 Fl. 2 Kr.; der reine Anfall an Wittwen⸗ und
zaisen-Fondsbeiträgen mit 122,408 Fl. 234 Kr., und die Hälfte des reinen Anfalls an geheimen Rathtz⸗ und Kanzleitaxen mit B, 174 Fl. 51 Kr. Unter den Ausgabeposten entziffern die Unterstützungen für 502 Wittwen, 629 einfache und 59 minderjährige Doppel⸗ waisen von Vereinsmitgliedern die Summe von 61,556 Fl. 286 Kr., mehr gegen das Vorjahr um S695 Fl. 281 Kr. Der Verein besaß am Ende des Jahres 187353 ein Ver⸗ mögen von 2,547,469 Fl. 486 Kr. Die Einnahmen der mit diesem Vereine verbundenen Toͤchterkasse betrugen in demselben Jahre 285,966 Fl. 58 Kr. Die Ausgaben 297,94 Fl. 304 Kr., sohin Mehraus⸗ gabe 11427 Fl. 321 Kr, welche gleichen Grund wie die des Haupt— vereins hat. Unter den Einnahmeposten sind aufgeführt die Beitrage von 1361 Mitgliedern mit 16075 Fl. 25 Kr. Die Zinsen von an⸗ gelegten Kapitalien mit 24113 Fl. 18 Kr., die Halfte des reinen Anfalls an Geheimen Raths⸗ und Kanzlei⸗Taxen mit 43,174 Fl. öl Kr. Unter den Ausgaheposten entziffern die Präbenden und Unterstützungen für 81 doppeltverwaiste großjährige Toͤchter von Mit⸗ gliedern die Summe von 3528 Fl. 133 Kr. Der Vermögensstand erreichte Ende 1573 die Summe von 716,522 Fl. 27 Kr. Die Ge— sammtverwaltungskosten für beide Vereinsabtheilungen haben sich auf 1932 Fl. 53 Kr. beschränkt.
Sachsen. Dresden, 30. Oktober. Der Staats⸗Mi⸗ nister v. Nostitz⸗ Wallwitz begiebt sich heute nach Berlin, um als Abgeordneter des 3. sächsischen Wahlkreises an den Ver⸗ handlungen des Reichstages Theil zu nehmen.
HGessen. Darm stadt, 29. Oktober. Der zweite Aus⸗ schuß der Ersten Kammer der Stände wird morgen zur Fest⸗ stellung der Berichte über die Kirch engesetze zusammentreten. Für die nächste Sitzung der Ersten Kam mer ist vorläufig der 10. November in Aussicht genommen.
Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 29. Oktober. Der Herzog von Meiningen ist gestern aus Tirol wieder in seine Residenzstadt zurückgekehrt. Fuͤr die Abgebrannten sind, der „Magd. Ztg.“ zufolge, nunmehr 454,791 Fl. eingegangen.
Sachsen⸗ Altenburg. Altenburg, 29. Oktober. Ihre Hoheiten der Herzog und die Herzogin werden dem Vernehmen nach heute Abend in Begleitung Ihrer Königlichen n. der Prinzessin Albrecht von Preußen aus Eisenberg
ier eintreffen. Da Ihre Königliche Hoheit feit Ihrer Vermäh⸗ lung zum ersten Male Altenburg wieder besucht, so haben das Residenzschloß, die öffentlichen und viele Privatgebäude geflaggt.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 29. Oktober. Der Feldmarschall Graf Roon hat heute mit seiner Familie seine Besitzung Neuhof bei Coburg wieder verlassen und hat sich nach Berlin begeben.
Anhalt. Dessau, 30. Oltober. m Auftrage Sr. Hoheit des Herzogs erklärte in der Sitzung vom 26. der Minister von Larisch die Landtagsdiät für vertagt. Das Wieder⸗ zusammentreten des Landtags wird im Januar 1875 stattfinden.
— Die Gesetz⸗Sammlung für das Herzogthum Anhalt enthält ein Gesetz, betreffend die mit Einführung der Reichsmark⸗ rechnung eintretende Aenderung der Steuersätze für die Grund⸗ steuerklassen.
Neuß. Gera, 29. Oktober. (Weim. Ztg.) Heute Mittag 1 Uhr wurde im Marmorsgale des Fürstlichen Schlosses Oster⸗ stein durch Se. Durchlaucht den Fürsten der Landtag für Reuß j. C. in Person eröffnet. Vorher war Gottesdienst in der Schloßklirche. Die von Sr. Durchlaucht dem Fürsten ver⸗ lesene Thronrede lautet:
„Geehrte Herren! Die Vertreter des Landes um Mich 6. melt zu sehen, ist Mir jedesmal eine Freude gewesen, und auch heute ist es ein herzliches Willkommen, mit dem Ich den neugewählten Landtag begruͤße. Von den beiden Hauptgegenständen der ver—⸗ fassungsmäßigen . des Landtag, — Staatshaushalt und Gesetzgebung — wird zunäaͤchst vornehmlich nur der erstere Ihre Thätigkeit in Maspruch nehmen. Auch die Gesetzentwürfe, welche neben dem Etat Ihnen zugehen werden, haben, abgesehen von einem
Fl. 44 Kr. Es besteht sohin eine
die Ordnung der Phrysikatsverhältnisse betreffenden Gesetz, mehrentheils eine finanzielle Beziehung. Für eine Reihe von Jahren stehen be— trächtliche, außerordentliche Ausgaben bevor, theils durch die infolge des Reichsmünzgesetzes erforderlich gewordene Einziehung des von den einzelnen Bundesstggten . Papiergeldes, theils durch die Leistung der für Eisenbahnen übernommenen Zinsgarantien. Zur Vermeidung eines zu starken Steuerdrucks habe Ich die Ent⸗ schließung gefaßt, einen Theil der in nächster Zeit zu bestreitenden außerordentlichen Ausgaben aus Meiner . zu decken. So weit Ich kann und darf, komme Ich Meinem Lande gern zu Hülfe. Das Steigen der Preise aller Lebensbedürfnisse, wie es in den letzten Jahren in bisher ungekanntem Maße hervorgetreten, ist von einer Erhöhung des Lohnes aller Arbeiten begleitet. Auch die Besoldungen der Staatsdiener müssen entsprechend gufgebessert wer ⸗ den, damit darauf gerechnet werden kann, daß in Zukunft geeignete Kräfte dem öffentlichen Dienste sich zuwenden. Ich habe zu Ihnen, Meine Herren, das Vertrauen, daß Sie diese Nothwendigkeit, die sich in anderen Staaten bereits geltend gemacht hat, auch für Unser Land anerkennen und den in dieser Hinsicht in dem Etat— entwurf gemachten Vorschlägen Ihre Zustimmung nicht versfagen werden. Auf der andern Seite därfen Sie versichert sein, daß jede nur irgend thunlich erscheinende Minderung der Beamteuzahl, wie solche bisher schon erstrebt worden ist, auch künftig stattfinden wird. Die in Verbindung mit der Gesetzgebung über den Straf⸗ und Civilprozeß zu erwartende reichsgesetzliche Feststellung der Gerichts ver⸗ faffung wird darauf in Ansehung eines erheblichen Theils des Beamten⸗ standes maßgebend sein. Die beiden Staatsanstalten für Schulbil⸗ dung, sowie das städtische Gymnasium zu Schleiz und die Real⸗ schule der Stadt Gera sind im Laufe dieses Jahres einer Revision durch Sachkundige aus Preußen unterzogen worden, deren Urtheil über den befundenen Zustand im Allgemeinen ein befriedigendes war, zugleich aber darauf hinwieg, daß vermehrte Geldmittel auch für dieje Anstalten nöthig seien. Wie sehr in neuester Zeit die Hebung der Lage der Volksschullehrer überall in Deutsch— land als unerläßlich sich herausgestellt hat, wird Ihnen, Meine Her⸗ ren, nicht entgangen sein. Die Schulgemeinden des Fürstenthums müssen zu den Ausgaben für diesen Zweck stärker herangezogen, ärme⸗ ren Gemeinden aber auch Zuschuß gus der Staatskasse mehr noch als seither gewährt werden. Hierüber sowohl, wie über einige Aufbesse⸗
rungen gering besoldeter geistlicher Stellen, werden Sie zu berathen
haben, und Ich zweifle nicht an Ihrem Einverständniß damit, daß die für Kirche und Schule erforderlichen Geldmittel nicht vorenthalten wer⸗ den dürfen. Außer den Landesausgaben im engeren Sinne, werden auch die Aufwände für Reichszwecke in nächster Zeit mehr betragen, als bis⸗ her. Um so lebhafter beklage Ich, daß die dazu von den einzelnen Bundes⸗ staaten gegenwärtig nach Maßgabe der Bevölkerung zu leistenden Bei⸗ träge noch nicht durch anderweite Einführung von Reichssteuern hat ersetzt werden können. Bis dieses durch die Reichsverfasfung vorgesteckte Ziel erreicht wird, ist einige Erhöhung der Terminenzahl der ö und Einkommensteuer im Fürstenthum unvermeidlich. Wie aber Wir alle an der Größe und Macht des gemeinsamen Vaterlandes dankbar theilnehmen, so wollen Wir auch die Lasten, welche dasselbe Uns auflegt, willig tragen. Die Steuererträge der letzten Jahre haben gezeigt, daß der Wohlstand im Fürstenthum, wenn auch leider nicht gleichmäßig in beiden Bezirken desselben, im Zunehmen begriffen ist. Hoffen Wir, daß derselbe unter den Segnungen des Friedens auch ferner wachse. Ihrer vorurtheilsfreien Erwägung, geehrte Herren, empfehle Ich die Vorlagen, welche Sie für Ihre Verhandlungen be⸗ reit finden werden; möge das Werk, zu melchem Sie schreiten, durch Gottes Segen dem Lande zum Heile gereichen!“
Se. Durchlaucht der Fürst wurde beim Eintritt in den Marmorsaal, sowie nach Schluß der Thronrede, mit Hochrufen von der zahlreichen Versammlung lebhaft begrüßt.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 29. Oltober. Der Kaiser wird morgen in Wien eintreffen. .
— 39. Oktober. In der ,. Sitzung des Abgeord⸗ netenhauses wurde der Handels⸗Minister darüber interpellirt, ob die Regierung beabsichtige, die Handels- und Schiffahrts⸗ verträge mit Italien, England, Frankreich, Belgien und den Niederlanden im Jahre 1876 einer Reviston zu unterziehen. Eine zweite Interpellation richtete der Abg. Roser an die Re⸗ gierung darüber, welche Maßnahmen sie zur Durchführung der konfesstonellen Gesetze ergriffen habe?
Pest, 29. Oktober. Nach Verkündigung des Wahl⸗ resultates legte der Justiz⸗Minister dem Abgeordetenhause den Entwurf des Strafgesetzes und den des Wechselgesetzes vor. Ueber Beibehaltung oder Neuwahl der in der vorjährigen Session entsendeten Fachausschüsse entspann sich eine längere Debatte. Schließlich wurde entschieden, daß blos der kirchenpolitische Aus⸗ schuß neugewählt wird.
Nach der heutigen Sitzung beginnen die Sektionen ihre Arbeiten; nach deren Beendigung werden die Sitzungen wieder aufgenommen.
Schweiz. Bern, 28. Oktober. Der Nationalrath hat sich heute bei Fortberathung des neuen Militärorganisations⸗ Gesetzes hauptsächlich mit den Artikeln, betreffend den Unterricht der Kavallerie und Artillerie, beschäftigt. Nach dem Antrage der Kommission wurden angenommen:
„Art. 108. Der Unterricht der Guiden⸗ und Dragonerrekruten dauert 60 Tage. An diesem Unterricht haben außer den Rekruten die nöthigen Cadres an Unteroffizieren und die neuernannten Offiziere theil zunehmen.“
Art. 109. Zu den Wiederholungskursen der Kavallerie, welche eine Dauer von zehn Tagen haben, werden die Cadres vier Tage vor⸗ her einberufen. Diese Kurse finden in bestimmter Reihenfolge entweder mit einzelnen oder mehreren Schwadronen und Comgagnien, oder in Verbindung mit anderen Waffengattungen stgtt.“
„Art. 111. Die Offizierbildungsschulen für Dragoner und Guiden haben eine Dauer von . Wochen; in die zweite Hälfte derselben werden die zu Offizieren vorgeschlagenen Unteroffiziere einberufen. Die Schule wird jährlich abgehalten.“
Nach dem — 5. des Bundesrathes fanden Annahme:
„„Art. 112. Die Wiederholungskurse sind für die Dragoner und Guiden getrennt. Die übrigen Kurse sind für beide Abtheilungen ge—⸗ meinschaftlich.“
„Art. 113. Das Instruktionspersonal ist für die Dragoner und Guiden gemeinschaftlich und besteht aus einem Oberinstruktor nebfst der nöthigen Zahl von Instruktoren erster und zweiter Klasse und den erforderlichen Hülfsinstruktoren.“
Dagegen wurden wieder nach dem Antrage der Kommission zum Beschluß P
Art. 114. er Rekrutenunterricht der Artillerie dauert 50, für die Rekruten der Feuerwehr ⸗Compagnien 42 Tage. Außer den Rekru⸗ ten werden in diesen Schulen zur Bildung der Cadres einberufen: I) die zu Hauptleuten vorgeschlagenen Ober ⸗Lieutenants, 2) die neu ernannten Lieutenants, 3) die neuernannten Korporale und Wacht⸗ meister, 4 die zur allfälligen Ergänzung dieser Cadres nöthigen Offiziere, Unteroffiziere, Arbeiter und Spielleute.“
Art. 115. Die. Wiederholungskurse der Artillerie finden alle . Jahre statt; diejenigen der Feldbatterien in der Dauer von 18
agen; diejenigen der übrigen Einheiten in der Dauer von 16 Tagen und zwar in einem bestimmten Turnus mit einzelnen oder mehreren . oder in Verbindung mit Infanteriewiederholungs⸗ ursen.“
Endlich wurden nach Vorlage angenommen:
Art. 116. Die jährtich abzuhaltenden Unteroffiziersschulen haben eine Dauer von fünf Wochen. An denselben haben Theil zu nehmen die zu Unteroffizieren vorgeschlagenen Soldaten, sowie die zu Feld⸗ webeln, Fourieren und Wachtmeistern (Geschützführern) vorgeschlagenen
Unteroffiziere. Für die Wachtmeister der Parkcomgagnien, der Park train⸗Compagnien und der Positiongcompagnien sind besondere Unter= offiziersschulen einzurichten. Zu diesen Unteroffiziersschulen wird die nöthige Zahl von Offinieren kommandirt.“ z
Art. 117. Der Unterricht der Offiziers Aspiranten wird jedes Jahr in einer besonderen Schule ertheilt, welche in zwei Abtheilungen ret von denen die erste eine Dauer von sechs, die andere eine olche von neun Wochen chat. In die zweite Aspirantenschule sind auch die zu Offizieren vorgeschlagenen Unteroffiziere beizuziehen.“
Art. 118. Die Offiziere erhalten ihren weiteren Unterricht in den Schulen, welche in den Art. 114, 135 — 139 näher bezeichnet sind.“
Art, 119. Außer den regelmäßigen jährlichen Schulen können nach Bedürfniß noch besondere Specialkarse angeordner werden.“ Art. 120. Das Instruktionspersonal der Artillerie besteht aus einem Qber-Instruktor, der nöthigen 36 von Instruktoren erster und zweiter Klasse und den erforderlichen Hülfs Instruktoren.“
— Der Ständerath beschäftigte sich auch heute noch mit dem neuen Gesetze, betreffend Civilstand und Ehe. Morgen wird seine Kommission die Berathung des Militär⸗Organisations⸗ Gesetzes beginnen, womit sie bis zu seinem Wiederzufammentritt am 3. November zu Ende sein muß.
. — Der diesjährige Wasserschaden in Kanton Uri wird auf 161,891 Fres. geschätzt.
Großbritannien und Irland. London, 29. Oktober. Die Kaiserin von Rußland besichtigte gestern die Kunst⸗ sammlungen in Grosvenor⸗House und Dudley⸗House und em⸗ pfing dann den Besuch des Prinzen und der Prinzessin Christian von Schleswig⸗Holstein, sowie des Fürsten Teck. — Der Prinz und die Prinzessin von Wales sind heute nach zwei⸗ monatlicher Abwesenheit von England in London angekommen.
— Eine sehr zahlreiche Deputation unter der Führung des Herzogs von Westminster und des Lord Elcho machte gestern dem Minister des Innern, Hrn. Croß, ihre Aufwartung, um ihm ihre Ansichten bezüglich der projektirten Formation einer einzigen Munizipalbehörde für London vorzu⸗ legen. In einer dem Minister überreichten Denkschrift wurde urgirt, daß die wirksamste Munizipalverwaltung, die hergestellt werden könnte, die Ausdehnung der Gewalten und Pflichten der Korporation der City von London über das gesammte haupt⸗ städtische Areal sein würde. Die Denkschrift verlangt ferner die Vornahme solcher Aenderungen, die nicht allein eine einheit⸗ liche und mächtigere, sondern auch eine billigere und bessere Lokalverwaltung, als bisher der Fall ist, herstellen dürften. Gleichzeitig wurde dem Minister ein, den Plan der sich kürzlich gebildeten Munizipal⸗Reform⸗ Association darstellender Gesetzentwurf überreicht, mit dem Er⸗ suchen, denselben dem Kabinet vorzulegen. Von Seiten des Lord Elcho wurde hinzugefügt, daß die Maßregel wesentlich konservatiy und eine sei, welche eine konservative Regierung natürlich adoptiren dürfte. Hr. Croß erwiderte, daß er die An⸗ sichten der Deputation in reifliche Erwägung ziehen würde.
— Von dem Schiffsbauhofe der Thames Shipbuilding Company in Blackwall lief gestern eine für Rechnung der Pforte gebaute neue Panzerfregatte, der, Mesondiys“ genannt, erfolgreich vom Stapel. Den Taufakt vollzog die jüngste Tochter des türkischen Botschafters Musurus in London, in Gegenwart einer destinguirten Gesellschaft. Der „Mesondipé“, der für die türkische Marine bestimmt ist, hat eine Länge von 332 Fuß, eine Breite von 50 Fuß, eine Tragkraft von 9060 Tonnen, und seine Maschinen sind von 1250 Pferdekraft. Nach Art der Monitors erbaut, wird er eine Armatur von zwölf 18 Tonnen schweren — erhalten. Seine Panzerbekleidung hat eine Stärke von
oll.
— 31. Oktober. (W. T. B.) Die „Times“ macht in ihrer heutigen Morgennummer den Kullmannschen Prozeß zum Gegenstande einer Erörterung. Der Artikel hebt hervor, daß auf die Verantwortlichkeit, welche ersichtlich den katholischen Verein in Salzwedel für das Verbrechen seines Mitgliedes treffe, und ebenso auf die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft und einer Kirche, welche eine solche Erbitterung in ihren Angehörigen zu schüren im Stande sei, vom Standpunkte des öffentlichen Interesses aus am meisten Gewicht zu legen sei. Von den Katholiken werde natürlich er⸗ klärt, daß Niemand von ihren Geistlichen angestiftet sei, den Fürsten Bismarck zu ermorden und daß auch das Attentat von ihnen nicht gebilligt werde, diese Erklärung könne indessen als genügend nicht angesehen werden. Die Frage sei, ob nicht in der ultramontanen Presse, auf der Kanzel und in der ganzen Art und Weise, wie die politischen und kirchlichen Fragen von den Ultramontanen erörtert würden, eine Feindseligkeit gegen den Urheber des kirchlichen Kampfes sich geltend mache, welche sich einem jähzornigen Temperamente, wie dem Kullmanns, ein⸗ prägen und ihn zu dem Attentat veranlassen konnte. Die von Kullmann gebrauchten Ausdrücke seien kaum eine Uebertreibung der von seinen eifrigsten Parteigenossen gebrauchten Bezeichnungen gewesen, wenn sie des Reichskanzlers erwähnten.
Frankreich. Paris, 29. Oktober. Der Marschall Mac Mahon giebt am nächsten Dienstag den Spitzen des diplomatischen Corps im Elysée ein Diner, zu welchem auch der . des Aeußern von seinem Urlaub zurückgekehrt ein wird.
— Der Prinz und die Prinzessin von Wales haben gestern Paris verlassen und sind über Calais nach England zurückgekehrt. Während seines Aufenthalts in Frankreich ist der Prinz von Wales bei den Herzögen von Larochefoucauld, de Luynes und de La Trömouille, bei dem Prinzen von Orleans, Herzog von Aumale, bei den Herren von Mouchy und Seillisres, sowie bei dem Marschall⸗Präsidenten zu Gaste gewesen.
— Der Kriegs-⸗Minister General de Eissey ist, nachdem er die Arbeiten an den rings um Paris in der An⸗ lage begriffenen neuen Forts in Augenschein genommen und die nöthigen Weisungen zu einer rascheren Fortführung derselben ertheilt hat, gestern nach Bourges gereist und hat dort über die in dem Lager von Avor vereinigten und von dem General Duerot befehligten Truppen eine Revue abgenommen.
— 30. Oktober. (W. T. B.) Die Thronrede des Kaisers Wilhelm bei Eröffnung des Deutschen Reichstags ist von der Mehrzahl der Journale ohne jeden begleitenden Kommentar abgedruckt worden, die übrigen Blätter nehmen Akt von den friedlichen Erklärungen, welche die Thronrede enthält. Das „Journal de Paris“ weist auf die ö Bedeutung der friedlichen Versicherungen des Deutschen Kaisers hin und hebt namentlich hervor, es sei klar, daß Europa auf einen dauer⸗ haften Frieden rechnen könne, wenn Deutschland entschlossen sei, nur zu seiner eigenen Vertheidigung Krieg zu führen.
Türkei. Konstantinopel, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Fürst von Montenegro hatte dem russischen Bot⸗ schafter General Ignatieff, als Doyen des hiesigen diplo⸗ matischen Corps, telegraphisch nahe gelegt, wie es zweckmäßig erscheine, daß der Untersuchung über die Vorfälle in Podgorieza
Herrin hingestreckt liegt.
ein internationaler Charakter verliehen werde. General ö ö indeß nach Berathung mit seinen Kollegen geantwortet, da as diplomatische Corps, nachdem der Großvezier die Uebung prompter Justiz zugesichert, sich darauf beschränken werde, für den ö den weiteren Verlauf der Angelegenheit abzu⸗ warten.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 28. Okto⸗ ber. Die „Börse“ meldet, daß das Recht der Juden , sich überall im russischen Reich niederzulassen, erweitert werden soll. Bisher hatten die Juden, abgesehen von den ihnen speziell eingeräumten Bezirken, nur dann uneingeschränkt das Recht, sich, wo sie wollten, niederzulassen, wenn sie Kaufleute oder Gewerbtreibende waren oder den Kursus einer höheren Lehranstalt absolvirt hatten. Jetzt soll dieses Recht auf alle Juden, welche eine beliebige Lehranstalt durchgemacht haben und darüber ein Attestat aufweisen können, ausgedehnt werden. — Demselben Blatte zufolge beabsichtigt man auch für die Juden ein der Civilehe analoges Institut ins
Leben zu rufen. Diese Maßregel wird durch die Nothwendigkeit
hervorgerufen, eine schärfere Kontrole über die jüdische Bevölke⸗ rung zu führen, wie das durch die allgemeine Wehrpflicht erforderlich wird.
— Die Loskaufsoperationen vom 27. Oktober 1861 an bis zum 1. Oktober 1874 haben folgendes Resultat ergeben: Von der Hauptloskaufsbehörde sind im Ganzen 81,071 Loskaufs⸗ akte bestätigt worden, auf Grundlage deren 7,189, 562 Bauern zum Loskauf geschritten sind. Das losgekaufte Land nimmt 25,502, 045 Dessj. 186 Quadratfaden ein. Die Loskaufsanleihe beträgt 663,558,329 Rbl. 75 Kop.
— Im See⸗Ministerium ist man nach der „M. Ztg.“ mit der Abfassung neuer Regeln über den freiwilligen Eintritt in die Flotte beschäftigt.
— Die Volksbildung in Polen macht rasche Fort⸗ schritte. In diesem Jahre war der Zudrang zu den Gymnasien so stark, daß sich die Nothwendigkeit herausgestellt hat, im War⸗ schauer Lehrbezirk 29 neue Parallel⸗Abtheilungen zu eröffnen und die Mittel von 23 bereits bestehenden zu verstärken. Die „M. Ztg.“ erfährt, daß man diese Maßregel als fest beschlossen ansehen könne. Die Verwirklichung des Planes erfordert eine Ausgabe von 47,411 Rbl. im Jahr und eine einmalige Aus⸗ lage von 8000 Rbl.
Schweden und Norwegen. Christiania, 26. Okto⸗ ber. „Morgenbladet“ zufolge ist Staatsrath Essendrop schon am Sonnabend zum Bischof im Christiania⸗Stift ernannt worden. Derselbe behält die Oberleitung des Kirchendepartements bis zum 1. Januar und soll dann seine Stellung einnehmen, wenn das Gnadenjahr für die Erben des Bischofs Arup abgelaufen ist.
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Amerika. New⸗JYork, 30. Oktober. (W. T. B.) Ein vom General Sheridan hierher gesandtes Telegramm meldet, daß der Indianerkrieg als beendet zu betrachten wäre, da die Führer der Insurrektion sämmtlich gefangen genommen seien.
— Aus Cuba wird gemeldet, daß der General⸗Kapitän
Concha eine Rundreise mache, welche zum Zweck habe, Calixto
und Careia aufzusuchen, um über die Unterwerfung aller oder
des größten Theils der Insurgenten mit denselben zu verhandeln und ihre Ansichten bezüglich der Amnestie entgegen zu nehmen.
Asien. Zur Gefangennahme von Nena Sahib wird der Times“ von ihrem indischen Korrespondenten aus Morar vom 28. ds. telegraphisch berichtet:
Ich habe soeben den angeblichen Nena unter der Bedeckung der 26. Carmeronigner, die ihn scharf bewachen, gesehen. Er ist rasirt und von dem Vater des Mannes, der die Tochter von Nena's Adop⸗ tivvater heirathete, erkannt worden. Oberst Mombran Thompson, einer der Wenigen, welche die Metzelei von Cawnpore uͤberlebten, er⸗ kannte eine Schramme an seiner Stirn, wie auch eine allge⸗ meine Aehnlichkeit, kann ihn aber nicht mit Bestimmtheit identifizi⸗ ren. Dr. Tressides, des Nena's Doktor, kann den Gefangenen nicht identifiziren. Der Angeschuldigte wird in einer vergitter⸗ ten Zelle gefangen gehalten und er spricht unaufhörlich von seiner Un—⸗ schuld: „Wie kann ich eine Lüge sagen?“ hörte ich ihn wiederholt sprechen. Die Identiftzirung durch den Vetter des Gatten der Toch= ter des verstorbenen Peisswa war dramatisch. Kaliblütig seine Brille aufsetzend, blickte der Greis dem Gefangenen scharf ins Gesicht und sagte: Du bist der Neng. Das gestern stattgefundene Verhör war entschieden gegen den Gefangenen. Sein Aussehen ist äußerst elend. Er sitzt da, plappernd wie eine geistesschwache Person. Seindia's Verhaltea war sehr lobenswürdig. Er verliert durch diesen kühnen Schritt an Ansehen bei seinen Landsleuten.“
Bombay, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Zustand der Baumwollenernte in der hiesigen Präsidentschaft ist ein ganz ausgezeichneter und verspricht einen kaum dagewesenen Er⸗ trag. Die Ernte wird in etwa 14 Tagen ihren Anfang nehmen. Im Distrikte Oomrawuttee hat die Ernte bereits begonnen, die⸗
selbe ist gleichfalls vorzüglich
Statistische Nachrichten.
Die Universität in Upsaln zählt in diesem Halbjahre 84 Studenten weniger als im vorigen Jahre, nämlich 1544 gegen 1628.
Gewerbe und Handel.
Stettin, 36. Oktober. (Osts. Ztg.) In der „Stettiner Ma— schinenfabrik und Schiffsbauwerft⸗ (Möller K Holberg) wird gegen⸗ wärtig für Berliner Fischhändler ein eigenthümlich konstruirter ziemlich großer Dampfer gebaut. Das Schiff ist im Raum mit 5 Bassins versehen, in denen das Wasser Zutritt hat. Diese Bassins sollen zur Aufnahme von lebenden Fischen dienen, welche der . von der schwedischen und dänischen Küste zu holen bestimmt ist. er Dampfer wird seine Ladung nach Stettin bringen und von hier wer— den die Tische per Bahn eder auf Trebeln nach Berlin weiter spedirt.
— Die Maschinen bau -⸗Aktiengesell schaft „Union zu Essen hat im Geschäfté jahr 1873,74 einen Bruttogewinn von 170,587 Thlr, erzielt. Davon sind 59, 921 Thlr. zu ,,. verwandt und ist somit ein Reingewinn von 110666 Thlr. verblieben. Aus diesem Reingewinn ist der Reservefonds statutmäßig dotirt, es sind aus demselben die Tantièmen des Auffichtsrathes und der Direktion, sowie angemessene Gratifikationen für die Beamten der Gesellschaft entnommen und nachdem 7x Dividende auf das Aktienkapital, welches 1006000 Thlr. beträgt, festgesetzt, weitere circa 15,000 Thlr. dem Separat⸗Reservefonds überwiesen. Die Rohmaterialien und Waaren wurden zum Tagespreise in die Bilanz eingestellt. Die bei den Reserve⸗ fonds betragen ca. 118,699 Thlr. Bie Gesellschaft trat am J. Juli 1874 in das neue Geschäftsjahr mit Aufträgen im Betrage von ca.
romantische Oper in 3 Akten von R. Wagner.
400, 9000 Thlr. Es sind seitdem weitere Bestellungen eingegangen und der Betrieb der Werkstätten auf Monate gesichert. Der Ver⸗ sandt im Jahre 1873/1874 betrug 4633, 129 Kilo gegen 3 888,954 Kilo im . 1872/1873. Das von 600 000 Thlr. auf 1A 000 000 Thlr. im Jahre 1873ñ 1874, also um 400,000 Thlr. erhöhte Aktienkapital ist dabei keineswegs produktiv gewesen. Die neuen Werkstätten sind erst Ende des Geschäftsjahres in Betrieb gekommen.
Verkehrs⸗Anstalten.
Die Berlin⸗Görlitzer und die Halle⸗Sorau⸗Gube⸗ ner Eisenbahn haben neue Fahrpläne herausgegeben, die mit dem 1. November in Kraft treten.
— Die italienische Regierung wird nächstens eine Kommission zur Besichtigung der Arbeiten an der Eisenbahn von Udine nach Pontebba abschicken. Die Linie soll bis zu dem österreichischen Eisenbahnnetze fortgesetzt werden.
Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Büreau.
New⸗York, Freitag, 30. Oktober, Abends. Die hiesigen Blätter veröffentlichen ein Schreiben des Präsidenten Grant aus dem Jahre 1872, in welchem derselbe erklärt, er habe niemals eine Zeile geschrieben, oder auch nur den Gedanken gehegt, und am wenigsten Schritte gethan, die republikanische Partei zu seinen eigenen Gunsten oder zum Nachtheile des von ihr auf⸗ gestellten Kandidaten zu beeinflussen. Eintretenden Falles sei er bereit, seinerseits alle Opfer zu bringen, um den Erfolg desselben
zu sichern.
Königliche Schauspiele. Sonntag, den 1. November. Opernhaus (211. Vorstellung.) Die lustigen Weiber von Windsor. Komisch⸗phantastische Oper in 3 Akten nach Shakespeare. Musik von Nicolai. Tanz von Hoguet. Frau Fluth: Fr. Mallinger. Frau Reich: Frl. Lam⸗ mert.
theilungen. genhuber.
Schauspielhaus. (219. Vorstellung. Das Käthchen von Heilbronn. Historisches Ritter⸗Schauspiel in 5 Aufzügen von H. v. Kleist. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Dienstag, den 3. NoNvember. Opernhaus. (213. Vorstellung.) Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg. Große Elisabeth: Fr. Mallinger. Venus: Frl. Horina. Landgraf: Hr. Fricke. Tann⸗ häuser: Hr. Niemann. Wolfram: Hr. Betz. Anfang halb 7 Uhr. gehn Preise.
Schauspielhaus. (220. Vorstellung.) Zur 100jährigen Ju⸗ belfeier: Clavigo. Trauerspiel in 5 Abtheilungen von Goethe. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Die Kunstausstellung der Königlichen Akademie der Kün ste. L. Portraitmalerei. (Vgl. 250 d. Bl.) Den Einzelsiguren und Studienköpfen, lekte Bericht handelte, schließen sich am bequemsten die Por⸗ traits an, deren lange, mehr als hundert Nummern umfassende Reihe sich jedoch selbstverständlich einer auf jede einzelne Lei⸗ stung eingehenden Besprechung entzieht. Ueberdies giebt eine große Anzahl der ausgestellten Portraits wenig mehr als das äußerlich abgeschriebene Konterfei irgend einer zufälligen Erschei⸗ nung, ohne dabei in malerischer Hinsicht eine gewisse mittlere Durchschnittslinie des heutigen technischen Könnens zu überschrei⸗ ten. Fuͤr die Würdigung einer derartigen Arbeit bleibt im Grunde nur noch die außerhalb des Bereichs der öffentlichen Kritik liegende Erörterung über die etwa erreichte äußere Ueber— einstimmung der Formen des Bildes mit denen des Originals, — die Frage nach der sogenanten „Aehnlichkeit“ übrig, die an sich dem Bilde nöch keineswegs eine künstlerische Bedeutung zu verleihen vermag. Das Geheimniß der künstlerischen Wirkung des Portraits, die, wie es die Bildnisse von der Hand der gro⸗
ßen Meister der Portraitmalerei beweisen, nicht etwa an die
einer Person vielleicht anhaftende, anziehende äußere Erscheinung gebunden ist, besteht vielmehr, wie oft genug auseinandergesetzt worden ist, in jener höheren inneren Wahrheit der Schilderung, welche die wesentlichen Züge des Darzustellenden in einem be⸗ sonders charakteristischen Moment zusammen zu fassen und durch seine geistige Eigenart die äußere Erscheinung zu bestimmen, den
Menschen als das Produkt der äußeren und inneren Einflüsse, unter denen er sich entwickelt hat, zu erkennen und wiederzu⸗
geben versteht.
Unter einer ganzen Reihe von Bildnissen achtbarer Qualität befinden sich auf der Ausstellung einige, die an dieses höchste Ziel, die Lösung eines der bedeutendsten Probleme der Kunst, in mehr oder minder hohem Grade heranreichen. Dies gilt so⸗ wohl von dem trotz seiner unverkennbaren Mängel doch in Hin⸗ ficht auf den physiognomischen Ausdruck meisterhaften Potrait Sr. Majestät des Kaisers von Lenbach und von den in jedem Sinne vollendeten Portraits Ihrer Kaiserlichen und König⸗ lichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronprinzessin von 6 v. Angeli, die bereits an anderer Stelle erwähnt worden
nd, wie auch ganz besonders von den Arbeiten, die Gustav Richter ausgestellt hat. Unter ihnen erfreut sich das Portrait der Fürstin Carolath mit Recht der allgemeinsten Bewunderung. Kopf, Hals und Arme der Dargestellten, die sich vor dem Kamin ihres Gemaches niedergelassen hat, heben sich schimmernd in feinem zarten Fleischton aus dem meisterhaft gemalten weißen Atlas des Gewandes hervor, das, die Gestalt eng umschließend, auf der einen Seite diskret von der röthlichen Gluth des Feuers
angehaucht, auf den Teppich des Fußbodens herabfällt, auf dem
eine große graugelbe Dogge ruhig zu den Füßen ihrer Gegen den stolz aufgerichteten, von braunem Haar umrahmten Kopf hat diese leicht die Hand des rechten Armes erhoben, den sie auf die Lehne des xothen Polsterfessels stützt, während die Linke, deren Finger lässig in eine locker um das Handgelenk geschlungene Perlenkette greifen, bequem an der Seite herabgesunken ist. Von so eigenartig vor⸗ nehmer, imponirender Schönheit, wie die Dargestellte selber, ist
Zeichnung und Kolorit dieses Bildes, wunderbar fein und wahr
die psychologische Schilderung des reichen Seelenlebens, das sich in dem träumerisch sinnenden Antlitz wiederspiegelt, der unter
stolzer Ruhe verhüllten tiefgehenden inneren Bewegung, die leise,
von denen der
kaum merklich, die edlen Züge desselben durchzittert. In dem Bilde einer mit dem schärfsten Blick lebensvoll erfaßten Indivi⸗ dualität scheint hier zugleich das ideale Abbild der vornehmen Kreise unserer Zeit ausgeprägt zu sein; dem Maler ist eines jener seltenen Portraits gelungen, die später einmal von dem Charakter unserer modernen Gesellschaft mit der unmittelbar überzeugenden Gewalt erzählen können, mit der heut etwa die Portraits eines Frans Hals die Menschen seines Volkes und seiner Zeit in leibhaftiger Gestalt, in ihrem ganzen Denken und Trachten, vor uns auferstehen lassen.
Zu den erlesensten Portraits der Ausstellung gehört ferner desselben Malers Bildniß des amerikanischen Gesandten Mr. Bancroft, der, in seinem Lehnsessel sitzend, aus den dunklen Augen des prächtig modellirten Kopfes ernst sinnend vor sich hin blickt. Die Rechte faßt dabei leicht in den vollen weißen Bart, während die über die Lehne des Sessels herabfallende Linke ein Buch zwischen den Fingern hält. Die ruhige, würdige, geistig bedeutende Erscheinung des Mannes ist meisterhaft wieder⸗ gegeben, die Malerei und Modellirung in allen Theilen so un⸗ bedingt vollendet, wie die Charakteristik, der Ton des Bildes fein und ruhig, von einfacher, wahrhaft nobler Wirkung.
In zwei als Pendants gemalten, genrehaft angeordneten Portraitgruppen führt Richter sich selbst und seine Familie dem Beschauer vor. Auf dem einen derselben lehnt er in einem offenen, gewölbten und reichverzierten Fenster und hält, glücklich lächelnd zu ihm aufblickend, seinen nackten Knaben mit den Händen umfaßt, der, auf der Brüstung des Fensters auf einem Kissen halb kniend, halb sitzend mit den großen dunklen Augen seines reizenden, blühenden Kindergesichts den Beschauer anblickt und ihm, in der Rechten das Champagnerglas erhebend, das vom Vater vorgesprochene „Evviva“ entgegenruft. Auf dem anderen Bilde ist die Gattin des Malers dargestellt, in ein prächtiges Costüm von rosafarben schillernder Seide mit darüber geworfenen schwarzen Spitzen gekleidet, den Hals mit einem lief herabfallenden dichten Gehänge feiner Goldketten geschmückt, mit denen das Händchen des kleineren nackten Knaben spielt, der, auf den Armen der Mutter getragen, sich dicht an deren Brust und Haupt anschmiegt und dem Beschauer das unbefangen drein⸗ blickende runde volle Köpfchen zudreht. Beide Bilder, bewun⸗ dernswerth sowohl als Portraits der in ihnen dargestellten Per⸗ sonen wie als herrliche, tief empfundene Schilderungen ihres schönen, allgemein gültigen, rein menschlichen Inhalts, entzücken nicht minder durch ihre malerische Vollendung, durch den poetischen Reiz ihrer reichen, zu feiner Har⸗ monie gestimmten Farbe, durch die edle Zeichnung ihrer Gestalten und die plastische Modellirung des bluͤhenden, Leben athmenden Fleisches, durch die meisterhafte Komposition, die in dem Bilde der Mutter von schlichtester, fast klassischer Einfachheit ist und in der geistreicheren Anordnung des Pen⸗ dants doch keinen Zug eines aufdringlichen Arrangements an sich trägt. Eine ebenso glückliche, von warm pulsirendem Leben erfüllte Schöpfung ist endlich noch ein Rundbild desselben Ma⸗ lers, das dieselben beiden Knaben, die dem Beschauer auf den eben besprochenen Portraits entgegentreten, ihm noch einmal zeigt, wie sie, zu einer Gruppe voller frischer Anmuth und köst⸗ licher Naivetät vereinigt, sich gegenseitig umarmen und küssen.
Seinen Ruf, unter den Berliner Malern einer der besten
Koloristen zu sein, bewährt Biermann auch auf der dies⸗
maligen Ausstellung sowohl durch das Kniestück einer in grünen, mit Atlasstreifen garnirten Sammet gekleideten Dame, die in einfacher Haltung mit gesenkt gefalteten Händen dasteht und den blassen, von feinem Leben erfüllten Kopf dem Beschauer zu⸗ wendet, wie in dem Portrait einer anderen, älteren Dame, die,
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in modefarbenem Kleide auf einem grünen Sammetfauteuil sitzend, in ganzer Figur dargestellt ist und sich von einem war⸗ men, goldig getönten Fond abhebt. Wenn wir aber bereits in diesem Bilde der meisterhaft gelungenen Wiedergabe einer in sich geschlossenen, bestimmten Persönlichkeit gegenüberstehen, auf deren in der Haltung wie in dem freundlich liebens⸗ würdigen Ausdruck der Züge charakteristisch ausgesprochener Eigenart in der ganzen Leistung des Malers durchaus der ungestörteste Nachdruck ruht, so macht sich diese Kraft der Charakteristik vollends in dem Brustbild eines älteren, graubärtigen Mannes in schlichtem Ueberrock, noch unter⸗ stützt durch die feinberechnete koloristische Haltung des Bildes, in so eminentem Maße geltend, daß dieser von dem lebendigsten individuellen Ausdruck erfüllte Kopf, der den Stempel über⸗ zeugender Wahrheit an sich trägt, unbedingt als ein Werk aller⸗ ersten Ranges gelten muß. Dieser gesunden Energie der Auf⸗ fassung entbehrt leider eine Kindergruppe desselben Meisters in hohem Maße. Sie zeigt zwei Knaben und zwei Mädchen in anmuthig aufgebauter Gruppe, ist aber in dem süßlich sentimen⸗ talen, unkindlichen Ausdruck der Köpfe, namentlich des geziert bewegten Knaben, der einen Ball in der Hand hält, und des in Grün gekleideten hübschen Mädchens wenig erfreulich, während die ihr gegenübersitzende Schwester in rothem Kleide sich viel ge⸗ sünder und frischer giebt. Sogar die brillant zusammengestellten Farben erscheinen hier und da etwas reichlich ätherisch ange⸗ haucht, wie es die Gestalten des Bildes sind.
Von Graef ist ein Portrait des Gesandten Herrn v. Keudell ausgestellt, eine Arbeit von schlichter Wahrheit der Auffassung, die das feine geistige Leben des Kopfes zu voller Geltung bringt und durch die anspruchsloseste Tüchtigkeit der Ausführung im⸗ ponirt. Zwei weibliche Portraits desselben Künstlers, die sich ebenso durch feine Charateristik, wie durch zarte und vornehme Stimmung des Tons auszeichnen, gehören zu den bedeutendsten der Ausstellung. Das eine derselben zeigt, von einem blau⸗ grauen Fond sich abhebend, die duftig zarte Gestalt einer sitzenden jungen Dame in grauem, in's Malvenfarbige spielenden tief ausgeschnittenem Kleide mit weißem Spitzenüberwurf, den rosigen Kopf mit seinen anmuthig durchgeistigten Zügen dem Beschauer zuwendend, den linken Arm auf die röthlich braune Decke des Tisches auflehnend und mit den Fingerspitzen der herabhangenden Hand die leicht auf dem Schooße ruhende Rechte berührend, den schlanken Hals, über den eine blonde Locke niederfällt, von einem eng anliegenden schwarzen Sammetband umschlossen. Malerisch vielleicht noch bedeutender ist das Portrait einer jungen Dame in ganzer Figur in hellblauem, mit Spitzen garnirten Seidenkleide, die, den Fächer mit beiden Händen fassend, in leichtschreitender Bewegung feitwärts blickend, sich von der hellen gelblichen Tapete und dem dunkleren Vorhang des Hintergrun⸗ des abhebt. In bewundernswerther Weise verbindet sich hier mit dem größten Reichthum die vornehmste Einfachheit des Ar⸗ rangements, die den Kopf, das gistig Bedeutendste des Bildes, innerhalb der großen Tafel durchaus dominiren läßt.
Mit drei männlichen Portraits von gewohnter Tüchtigkeit ist Schrader vertreten. Namentlich das lebensvolle, durch sprechende Aehnlichkeit und charakteristischen Ausdruck hervor⸗ ragende, in vortrefflichem Fleischton meisterhaft modellirte Brust⸗ bild des verstorbenen Professor Blaeser und das bei gleichen Vorzügen durch seinen energischen Ton in noch höherem Maße imponirende des Abg. Löwe⸗Calbe sind zwei, durch inneren Werth und durch Solidität der malerischen Durchführung gleich sehr ausgezeichnete Arbeiten. ;
Zu den vorzüglichsten Portraits der Ausstellung gehört
endlich noch das Bildniß eines etwa vierzehnjährigen Knaben in