1874 / 259 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

taktvellem Geschick das erfreuliche Gedeihen des Vereins zu danken ist. Der dritte Toast, gesprochen vom Hanptmann von Lin- stow, galt den Damen, welche im Herold“ durch sieben Mitglieder vertreten sind. Das frühzeitige Ableben eines früheren Vorsitzen⸗ den, des Freiherrn C. Chl. von Reitzenstein in Straßburg i. E, wurde publizirt und sein Andenken durch Erheben von den Sitzen geebrt. Der zeitige Redacteur vertheilte den ersten Katalog der Ver⸗ einsbibliothek, die jetzt Soo, zum Theil sehr werthvolle, Werke zählt, und trug aus der Einleitung zum neuen Mitgliederverzeichniß, das 305 Jachgenossen umfaßt, allgemein interesstrende, statistische Daten über Stand, Beruf und Wohnort der Mitglieder vor. Am 31. Oktober Abends starb hier plötzli . 3. Lebensjahre der frühere Regisseur der Königlichen 2 . W aàgner, der Vater der bekannten Sängerin und Schaufpielerin Johanna Jachmann, Wagner, der ältere Bruder Richard Wagners. Derselbe wurde im Jahre 1857 bei der Königlichen Oper als Re—⸗ gissenr angestellt und war namentlich bei der Inscenesetzung des Tannhäuser“ und des „Lohengrin“ꝰ von Richard Wagner thätig. Nach dem Abgange seiner Tochter von der Hofbühne, zog auch er sich ins Privatleben zurück Der 2. Jahrgang 1875 des im Verlage von 8 Schneider u. Co. hierselbst erfceinenden Tafchenkalenders für Offiziere mit militärstagtist ischen Notizen, von H. Reinhard'und A. Frhrn. v. Fircks, ist foeben ausgegeben worden. (2 Theile, Pr. J Thlr. 5 Gr.) Der erste Theil hat den Zweck, Offizieren von . Stellung und Waffengattung es zu ermöglichen, über die ver⸗ chiedenen Dienstgegenstände stets handbereite Notizen zu haben und ich für den täglichen Dienst Aufzeichnungen zu machen. Auch für Notizen über Privat. Angelegenheiten, über die Schon und Schieß kiten des Wildes n. . w. finden sich Schemata und Tabellen. Dieser Theil des Kalenders ist mit Rücksicht auf seine Bestimmung und die im ersten Jahre gemachten Erfahrungen nach mancher Richtung hin gegen den vorigen Jahrgang verbessert und praktischer eingerichtet worden. Der zweite Theil, des Kalenders, welcher u. A. auch die neueste Eintheilung und Dislokation der gesammten deutschen Armee enthält, hat hauptsãchlich den Zweck, ein Organ der Militär-Statisti u sein. An Stelle des bisherigen Mitarbeiters, Major v. Marées, ist der Hauptmann a. D. und Decernent im Königlich preußischen statistischen Bureau Frhr. v. Fircks, getreten, welcher das zuverlãssige militär · statistische Material für den Kalender geliefert hat. Unter den 63 Tabellen sind diejenigen von allgemeinem Interesse, welche die Angaben über Länge der Eisenbahnen und Pferdebestand im Deutschen Reiche, Anwachsen der Einwohnerzahl in den deutschen Städten über W000 Einwohner, Resultate des Ersatzgeschäftes im Deutschen Reiche, Schulbildung der Ersatzmannschaften der einzelnen europäͤischen Heere, den relativen Betrag der Ausgaben für Armee und Marine bei den europäischen Staaten und die Notizen über Gefechtsverluste enthalten. Hat. der Kalender in seinem ersten Jahrgange schon eine recht große Verbreitung gefunden, so werden ihm die neuen Verbesserungen und das hinzugekommene neue Material gewiß auch manchen neuen Freund ringen.

Ven Ritters Geographisch⸗Statistischem Le ikon über die Erdtheile, Länder, Meere, Buchten, e ben gin ff Inseln, Gebirge, Staaten, Städte, Flecken, Dörfer, Weiler, Bäder, Bergwerke, Kanäle 2c, mit Angabe sämmtlicher Post= Eisenbahnen⸗ und Telegraphen⸗Stationen der wichtigeren Länder, für Post⸗Bureaus, Compioirs, Kaufleute, Fabrikanten, Zeitungsleser, Reifende, Real, Industrie⸗ und Handelsschulen. (Sechste, gänzlich umgearbeitete, stark vermehrte und verbesserte Auflage unter Redaktion von Dr. Otto Denne am Rhyn. Leipzig, Verlag von Stto Wigand) sind soeben die und S8. Lieferung IJ. Bandes, enthaltend die Artikel: Selkentrop⸗Szasz⸗Tyyukos, Deutsch⸗Tekas und Szʒas z · Ujfalu, Nendorf⸗ Utzmannsbach ausgegeben worden.

Verein

= Nachdem der Magistrat der Stadt Erfurt und der

für Geschichte und Alterthumskunde Erfurts“, jeder in seiner Art, Dem verstorbenen Stadtrath Herrmann einen ehrenden Nachruf ge⸗ widmet, bringt auch die „Thüringer Zeitung“ einen ausführlichen Nekrolog, in welchem die vielen Verdienste des Verstorbenen Wür⸗ digung finden.

Am 28. Oktober, als am Jahrestage der Uebergahe von Metz, fand in dem Festsaale der Aula in Göttingen die feierliche Ent⸗ hüllung einer Ge dächtnißtafel für die im französtschen Kriege ge— fallenen 2 Studirenden der Universität statt unter zahlreicher 8e. theiligung des Corpus academicum, des Offiziercorps wie des Publi⸗ fums der Stadt. Die Weiherede hielt der zeitige Protektor Hofrath Griesebach; ste gab eine weitere Ausführung der auf der Tafel selbst angebrachten Inschriften, des homerischen Berses: s oc oraeros dusche Te? ecdrοùns, und der Schlußworte: „Den Ent⸗ schlafenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Nahrung!“

Die Nr. 3 der FIllustrirten Jagdzeit ung, Organ für Jagd, Tischexei und Naturkunde, herausgegeben von W. H. Nitzsche, Kgl. Oberfötster (Leipzig. Verlag von Heinrich Schmidt), Preis 1 Thlr, halbjährlich in alen Buchhandlungen und Postan⸗ stalten, enthält: Eine einfache Geschichte vom Fuchsfang. Die Vogelschutzfrage und die Jagd von E. v. Wolffersdorff. Die Antilopenjagd mit Falken in Afrika nach M. T. v. Heuglin. Zur Naturgeschichte des Fuchses von v. Schaper. Statt einer Fisch⸗ gtter ein Priester im Eisen von Baron Nolde. Die Jagd in Schleswig. Glücksjall auf der Hirschjagd von Berth' Graf Bernstorff u. s. w. u. s. w. Illustration: Die Antilopenjagd mit Falken und Windhunden in Afrika. Originglzeichnung von H. Leute⸗ mann. Der neue Jahrgang hat am 1. Oktober angefangen.

Seit dem 1. November d. J. sind im Kaiserlich en Hof— Operntheater zu Wien die längst als nothwendig anerkannten Theatergesetze in Kraft getreten. In denselben findet sich u. A. folgende Bestimmung: „Um die Gesammtwirkung eines Kunstwerkes nicht zu beeinträchtigen und dessen Zusammenhang nicht zu stören, ist es den Opernmitgliedern untersagt, auf Verlangen des Publikums irgend ein Musikstück zu wiederholen, bei offener Scene sich zu ver— beugen, Kränze oder Blumen aufzunehmen u. s. w. Es soll über. haupt jede Aktion unterlassen werden, welche unpassend oder störend, nicht durch die Handlung geboten ist. Nachdem diese Anordnungen im Interesse der Vorstellung selbst begründet sind, haben auch fremde, hier als Gast auftretende Künstler sich denselben zu fügen. Nur

* der Vorhang gefallen, ist es erlaubt, dem Hervorrufe Folge zu geben.“

Ueber einen werthvollen literarischen Fund theilt Aftonkladet. Folgendes mit: Bei einem Befuche auf dem gräflich Piperschen Fidelkommis Engsö“ in Vestmanland, welcher gemacht wurde, um daselbst einiges Material 26 Schilderung dieses hiff n t merkwürdigen Ortes in der „Beschreibung über schwedische Schlösser im Mittelalter wovon die erste Abtheilung das Schloß Vik zu Weihnachten erscheinen wird, zu sammeln, haben di Herren C. A. Klingspor und B. Schlegel u. A. ca. 200 bisher unbekannte Perga⸗ mentbriefe, die ältesten vom Jahre 1300, sowie auch viele wichtige Dokumente aus dem Mittelalter gefunden.“

Land⸗ und Forstwirthschaft.

2 2n Regierungsbezirk Po ts dam hat die Ernte einen nicht ganz so ungünstigen Ertrag gegeben, wie vor einigen Wochen befürchtet wurde. Zwar haben die Wiesen und Kleefelder nur hõchst dürftig Futter gegeben, dagegen hat die Mißernte der Sommerung nur einzelne Gegenden betroffen, während in anderen Gerste und Hafer nicht ungünstige Erträge geliefert haben. Auch das Wintergetreide hat in einigen Gegenden recht günstige, im Allgemeinen aber befriedigendere Resultate geliefert, als zu hoffen war. Bie Kartoffeln versprechen im Ganzen keinen reichen Ertrag, sind aber schmackhaft und gesund. Die Tabaksernte ist sehr ungünstig.

Im Regierungsbezirk Frankfurt ist die Ernte auf

leichtem Boden sehr gering ausgefallen, auf besseren Bodenarten über⸗ trifft sie eine gute Mittelernte erheblich, im Oderbruch ist sie über Erwarten gut gewesen. Die Oelsaaten haben einen guten Ertrag gewährt; minder befriedigend ist aber der Klee geblieben. Der Tabak erreicht den Durchschnittsertrag. Die 5 geben auf leichtem Boden einen geringen, guf gutem ein reichlichen Gewinn. Die Rüben sind klein geblieben, sind aber zuckerreich. Mit der Obsternte, namentlich in Betreff der Pflaumen und des Weins ist man zufrieden.

Die Ernte in den Regierungsbezirken Trier, Aachen und D sseldorf ist im Ganzen recht günstig, im letztgenannten Regierungsbezirk sehr gut, in manchen Kreifen sogar ausgezeichnet ausgefallen. Insbesondere ist die Winterung überall vortrefflich ge⸗ rathen. Die Sommerung ist im Reg.-Bez. Trier unter dem Ein= fluß der Dürre weniger günstig ausgefallen. Der Futtergewinn ist nur ein sehr geringer gewesen. Die Kartoffelernte ist vorzüglich. Die Obfternte war im Reg. Bez. Düsseldorf, namentlich in Birnen und Pflaumen reichlich, in dem Reg. Bez. Aachen und Trier nur strichweise gerathen. Die Weinstöcke bei Trier, an der oberen Mosel und Saar liefern kaum 1 eines vollen Herdstes, während die Wein⸗ stöcke in einzelnen Feldmarken an der Mosel, wie Zeltingen, Graach, Merzig, mit Weinen überladen sind.

Für die hohenzollernschen Lande kann die Ernte durch⸗ weg als gut bezeichnet werden. Die Kartoffeln befriedigen im Ganzen, zeigen jedoch hier und da Spuren von Fäulniß. Steinobst ist total mißrathen, von Kernobst fehlen Berichte.

. in den Jahren 1872 und 1873 eingedeichte domänen⸗ fiskalische Kaiser Wilhelm-⸗Koog“ im Kreise Süderdith⸗ marschen ist, obwohl die Uebergabe der verkauften Parzellen erst im November v. J. stattfinden konnte, bei Weitem zum größten Theil jener Parzellen bereits als Acker benutzt worden. Die Erträge an Hafer dies ist für jetzt die Hauptfrucht sind sehr bedeutend. Vielfach ist das 26 bis 30. Korn gewonnen. Auch Gerste hat im Allgemeinen eine gute Ernte geliefert. ein reges Leben. Neue Anbauten sind in bedeutender Zahl vorhan⸗ den, und es wird hiermit ununterbrochen fortgefahren. Die im Herbste v. J. etablirten interimistischen, meistens aus Holz und Stroh zusammengefügten Wirthschaftsgebäude machen mehr und mehr masstven Bauten Platz, und es wird der neue Koog in seiner ganzen äußern Erscheinung sich in kurzer Zeit nicht mehr von den um und neben ihm liegenden alten Kocgen unterscheiden. Zwischen 140 und 50 Gebäude befinden sich jetzt schon dort, ihre Zabl wächst immer nach, und es wird der Koog im nächsten Jahre schon eine nicht unerhebliche Seelenzahl dort Angesessener haben.

Gewerbe und Sandel.

Der Aufsichtsrath der Berliner Weißbier Brauerei vorm. Carl Landrs setzte in seiner Sitzung am 2. November nach höchst zulässigen statutenmäßigen Abschreibungen die Dividende pro 1874 auf 6 ** fest. Die pekuniäre Lage der Gesellschaft ist im Uebrigen eine günstige. Die Bilanz weist einen baaren Kassenbestand von 125,000 Thalern auf.

Wie die Magdeburgische Zeitung“ hört, sind die 300,000 Thlr. Aktien der Su denburger Maschinenfabrik, welche von dem Vorbesitzer und den Gründern als Aequivalent für die von der Generalversammlung ertheilte Decharge gratis einzuliefern waren, endlich nach langen Verhandlungen an die Gesellschaft übergeben.

Die Hannoversche Bank wird, wie aus dem Inseraten⸗ theil unserer gestrigen Nummer zu ersehen, nunmehr mit der Ausgabe ihrer neuen 100⸗Banknoten beginnen.

Die Generalversammlung des Bergischen Gruben- und Häüttenvereins Hochdahl“ beschloß, den Verlust von 60,226 Thlirn. aus dem Reservefonds zu decken. Letzterer behält einen Be— stand von 49,798 Thlru. Die ausscheidenden Mitglieder des Ver— waltungsrathes wurden wiedergewählt.

In der am 2. November abgehaltenen Generalversammlung der Märkischen Majch inen bau⸗Anstalt (vorm. Kamp. n Co.) * zu Wetter in Westfalen waren 20 Aktionäre anwesend, welche ein Aktienkapital von S0, O00 Thlr. vertraten. Die Vertheilung einer Dividende von 7 pCt, (8090 Thlr.) wurde einstimmig beschlossen und der Rest von 13090 Thlr. für besondere Abschreibungen zur Verfügung gestellt. Die Auszahlung der Dividende erfolgt vom 15. November ab bei J. L. Eltzbacher u. Co. in Cöln und W. v. Born in Dortmund. Die nach dem Turnus ausscheidenden Mit⸗ glieder des Aufsichtsraths wurden einstimmig wiedergewählt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Berlin⸗Anhaltische-Eisenbahn. Der Bahnhof zu Berlin, Ascgnischer Platz Nr. 6, wird zum Zweck des Umbaues Montag, den 9. November er., für den Personenverkehr unmittelbar

nach dem 12 Uhr 15 Minuten früh hier eintreffenden Courierzuge

Im ganzen Kooge herrscht

Clchlossen Die Abfertigung saͤmmtlicher Personen züge, der Billet⸗= erkauf, die Gepäck ⸗Annahnie und Ausgabe, die Beförderung tele⸗ graphischer. Depeschen 2. erfolgt demnäͤchst auf dem am Ausgange der Trebbinerstraße neu erbauten provisorischen Personenbahnhofe und beginnt mit dem Montag, den 9. November, früh 6 Uhr von hier 24 Halle und Coͤthen abgehenden Personenzuge.

Auf der Indo⸗Europäischen Telegra en Linie wurden im Monat Oktober d. J. an ih ee sg, Depeschen befõrdert: a. gus London, dem übrigen England und Amerika nach und Indien 1154 Stück, b. aus Persien und Indien nach

ondon, dem übrigen England und Amerika 1007 Stück, . vom Europäischen Kontinent erelustve Nußland nach Persien und Indien 8 Stück, d. aus Persien und Indien nach dem Europäischen Kontinent exclusive Rußland 1160 Stück; Summa 2349 Stück.

. Zusammenstellun der im Deutschen Reichs‘ und Königlich ischen Staats Anzeiger bis ult. Oktober 1574 bekannt e, e. austehenden Subhastations⸗ ermine.

Die zur Subhastation stehenden Immobilien.

ge ce A

. Gericht, bei welchem die Subhast. schwebt.

Kr.⸗Ger. Berlin

Verkaufs ; Termin.

Grundstücke nebst Zubehör Oyp. Nr. 297 zu Tempel hef und Hyp. Nr. I09 zu

ariendorf 13.11. 74.

Grundstuck nebst Zubehör Oyp. Nr. 3 15 zu Tempelhof 18.11. 74

Grundstück nebst Zubehör Hyb. Nr. 161 zu Steglitz 23/11. 74

Grundstũc nebst Zubehör Hyp. Nr. 166 zu Rei⸗ nickendorf

Grundstück nebst Zubehör Qyp. Nr. 456 zu Ält- Schõneberg

Grundstück nebst Zubehör Hyp. Nr. 277 zu Steglitz

Grundstück nebst Zubehör Hyp. Nr. 37 zu Weißenfer

Grundstũck (Villa) nebst

Zubehr Hyp. Nr. 195

zu Steglitz

Grundstũck (Villa) nebst

Zubehör Hyp. Nr. 274 zu

Stegiitz Ackerparzelle 87 dez Pohl⸗

schen Planes nebsft Zu⸗

behör Hyp. Nr. 420 zu

Deut sch⸗Rixdorf

Kr. Ger. Dep. Char⸗Grundstũc nebst Zubehör lotten burg Hyp. Nr. 1569 zu Westend

Kr. Ger. Crossen Fabrik beim Dorfe Lochwitz

(Hyp. Nr. 48 und Nr. 95

3j Lochwitz und Hyp.

Nr. 50 zu Zettitz)

Rittergut Zwippendorf

Gut Hyp. Nr. 21 zu Garo⸗

linenhöhe

Rittergut Krüffow B.

adeliges Gut Brelewo

(Biylewo)

21.11. 74

3011. 74 2/12. 74 14/12. 74

16/12. 74

18.12. 74

/. 75 19.12. 74

28/11. 74 14/12. 74

4111. 74 18/12. 74.

11.1. 75 3.2. 75 28.11. 74

5. 11. 74

Kr. Ger. Sorau Kr.Ger. Spandau

Kr. Ger. Stargard Kr.⸗Ger. Lissa

issa Kr. Ger. Oppeln Rittergut Dombrowka v. / Kr. Ger. Glogau Rittergut Gußitz 6 Kr. Ger. Pleß Rittergüter Kopciowitz und Sciern Kr.Ger.⸗Kom. Rei Arsenikwerk Reicher Trost chenstein und Arsenik - Hüttenwerk Hyp. Nr. 268 bei Reichen⸗ stein Kr. Ger. Sagan Bauernahrung Hyp. Nr. 7 zu Reichenbach Kr. Ger. Wittenberg Rittergut Rudersdorf nebst Zubehör, und Wohnhau⸗ nebst Zubehör Hyp. Rr. 2ᷣ zu Dorf Rudersdorf

19/1. 75 2.12. 74

15.2. 75 26.11. 74

Amts⸗Ger. Wennigsen Vollmeierhof Haus Nr. 5

in Ronnenberg

Königliche Schauspiele.

Donnerstag, den 5. November. Spernhaus. (214. Vor⸗ stellung. ) Fra Diavolo, oder: Das Gasthaus zu Terracina. Dper in 3 Abtheilungen. Musik von Auber. Pamella: Frl. Forina. Zerline: Fr. Mallinger. Fra Diavolo: Hr. Niemann. Lord Cookburn: Hr. Salomon. Lorenzo: Hr. Schleich. Anfang 7 Uhr. Hohe Preise.

Schauspielhaus. (222. Vorstellung) Die Fräulein von St. Lustspiel in 5 Aufzügen nach A. Dumag von S. Börn⸗ Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

(215. Vorstel⸗

Freitag, den 6. November. Opernhaus. Große Oper in 5 Abtheilungen nach

juug) Der Feensee. Scribe. Musik von Auber. Margarethe: Frl. Horina. Zeila: Fr. Kupfer⸗Berger. Graf Rudolph: Hr. Salomon. Albert: Hr. Link. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspiel haus. (223. Vorstellun g.) Alte Schweden. Schau⸗

spiel in 5 Akten von A. E. Brachvogel. Anfang 7 Uhr.

Cyr. stein.

Mittel⸗Preise.

Königliches Schauspielhaus.

Die Königliche Bühne feierte gestern das 100jährige Jubiläum der ersten Aufführung des „Clavigo“ von Goethe, welche am 3. November 1774, wie der in der Samm⸗ lung des bekannten Herrn Barth enthaltene Theaterzettel besagt, der im genauen Abdruck des Originals an die Besucher ver⸗ theilt wurde, „mit Seiner Königl. Maj in Preussen aller— gnädigstem Privilegio von der Kochischen Gesellschaft Deutscher Schauspieler“ in Berlin stattfand. Den Beschluß machte damals wegen der Kürze des Trauerspiels „das pantomimische Ballet: Der Vogelfang. Der Schauplatz war „in dem gewöhnlichen Komodienhause in der Behrenstraße, der Anfang präcise um 5 Uhr.

Den Clavigo gab in der ersten Aufführung Hr. Brückner, die Marie von Beaumarchais Mad. Henischin, den Carlos Hr. Witthöft, den Beaumarchais Hr. Müller, die Sophie Gilbert Mad. Henckin, ihren Mann Hr. Hencke. Das dem Jubel⸗Zettel beigegebene Verzeichniß der Künstler, welche innerhalb der ver⸗ flossenen hundert Jahre in dem Trauerspiel auf der Königlichen Bühne mitwirkten, weist die bedeutendsten Namen der deutschen Theatergeschichte auf; so im Clavigo: Beschort, Lemm, L. De⸗ vrient, Hendrichs und Liedtke; in der Rolle des Carlos: L. Devrient, Marr, Porth, Ed. Devrient, Seidelmann, Döring,

Hoppé, Dawison. Die Marie wurde dargestellt von Mlle. . . Charlotte von Hagn, Frl. Stich, spätere Fr. Hopps u. s. w.

Im Jahre der ersten hiesigen Darstellung des Clavigo er⸗ lebte das Stück 6 Aufführungen, seitdem ist dasselbe, die gestrige Vorstellung mit eingerechnet, 71 Mal gegeben worden. Der um das deutsche Schauspiel und die Pflege der Klassiker hochverdiente Heinrich Gottfried Koch, der Stifter des ersten deutschen Theaters in Berlin, überlebte die epochemachenden Auf⸗ führungen des „Götz“ und des „Clavigo“ nur kurze Zeit, er starb bereits im Jahre 1775.

Der „Clavigo“ hat den Vorzug vor dem anderen drama⸗ tischen Jugendwerke Goethe's, dem „Götz von Berlichingen“, daß er bühnengerecht ist, weil er für die Bühne geschrieben war. Es scheint, als habe Goethe zeigen wollen, wie leicht es ihm sein würde, dem großen Publikum zu gefallen. Diese Absicht hat er selbst in „Wahrheit und Dichtung“ eingestanden. Er schrieh das Stück in 3 Tagen nach einer Denkschrift des be⸗ kannten Dichters des „Figaro“, in welcher dieser die französische Rechtspflege seiner Zeit an den Pranger zu stellen suchte. Die französische Manier fand auch bei dem Publikum Beifall, während die Freunde des Dichters ihn des halb tadelten und befon⸗ ders Merck sein Mißfallen mit Recht in die derbsten Ausdrücke kleidete; denn Goethe erhebt sich im Clavigo keineswegs über das

Mittelmaaß und ist als Dichter des Götz darin kaum wiederzu⸗ erkennen. Uebrigens ist das Gestaͤndniß Goethes interessant, welches sich in einem Brfefe an Jakobi findet: in dlesem äußert er, daß sich Clavigos Charakter und Elavigo's That ar 4 Charakter und Thaten in ihm selbst amalgamirt

Am gestrigen Jubelabend gab Hr. Goritz den Clavigo, den der Künstler schon seit einigen Jahren . hat, 6 zu Leinen besten Rollen zählt. Neu war Frl. Meyer als Marhe, die in dieser Parthie wiederum Gelegenheit fand, ihre vielseitige künstlerische Begabung zu bekunden. Die vortrefflichen Leistun⸗ gen der 5H. Kahle und Berndal als Carlos und Beau— marchais uind schon früher an diefer Stelle besprochen worden. Die Aufführung war eine der Festlichkeit des Creignisses wür- . fand Seitens des Publikums entsprechende An⸗

Redacteur: F. Preh m. Ver log der Expedition Kessel). Druck: W. El aner.

Vier Beilagen leinschließlich Börsen⸗ und Handelsregister⸗Beilage),

Berlin:

.

. erinnern, besonders auf Bemerkungen über Pfaffen und Sozial demo kraten? Zeuge: Er hat blos über Sozialdemokraten gesprochen. Präs.:

H

demokraten gelesen, und er hat gesagt:

zum Dautschen Reichs⸗Anz

Berlin, Mittwoch, den 4. November

2589.

Erste Beilage

Prozeß Kullmann. Würzburg. 29. Oktober. (S. Nr. 255, 256, 257, 258 d. Bl)

ö (Fortsetzung des Verhörs des Zeugen Daseler.) Präs.: Ihr Vater soll

einmal aus Zeitungen gelesen haben über Geistliche, und darũber soll er Bemerkungen gemacht haben; können Sie sich nicht mehr darauf

Also es wurde etwas darüber gelesen aus Zeitungen? Nun, was hat

er darüber gesagt? Zeuge: Ja, es wurde aus Zeitungen Über Sozial⸗

Die Pfaffen waren mitunter selbst schlechter, als die Sozialdemokraten. PVräs.: Hat er nicht auch die Bemerkung gemacht, wie es mit der Gefundheit des Fürsten Bismarck stehe? Zeuge: Jawohl, das war zufällig in der Werkstãtte. Er sagte ruhig vor sich hin: „Wenn man so etwas liest. Präs.: Haben Sie die Wahrnehmung gemacht, daß er, so lange er

kei Ihnen war, in die Kirche gegangen ist? Zeuge: Nein, so viel ich

. weiß, ist er nicht in die Kirche gegangen. . Kullmann, haben Sie

. etwas zu erinnern? Angekl.: Nein. Sie eine Frage? Staatsanwalt: Vertheidiger: Nein.

: Hr. Staats anwalt haben

Nrã ; h Präs.: Hr. Vertheidiger?

Nein.

Der fünfundzwarzigste Zeuge Johann Baptist Schnaus, Gast—

rpwirth in Nün lingen, wirt vorherü fen, nach Maßgabe besl Ge setzcs wer efeidigt und erklärt:

Ich heiße Johann Baptist Schnaus, bin katho⸗ lischer Religion, 33 Jahre alt, geboren zu Reckendorf und wohnhaft

zu Nüdlingen; verheirathet, Gastwirth und Oekonom. Präs.: Ist der

Angeklagte in Ihrer Wirthschaft gewesen? Zeuge: Ja, am 11. Juli d. J. Präs.: Ist derselbe im Fremdenbuche eingetragen? Zeuge: Ja. Präs.: Hat er bei Ihnen übernachtet? Zeuge: Ja. Präs: Wann ist er aus Ihrem Hause fertgegangen? Zeuge: Am Sonntag, den 12. Juli, früh 6 Uhr. Präs.: Hat derselbe nichts besonderes gefragt? Zeuge: Er fragte, wie weit es nach Kissingen sei. Präs.: Und was haben Sie geantwortet? Zeuge: Er bekam darauf die Antwort, daß es höchstens eine Stunde sei. Präs.: Hat er Sie nichts weiter gefragt? Zeuge; Ig, er hat auch gefragt, ob Bismarck da sei. Präs.: Haben Sie ihm Aufschluß darüber gegeben? Zeuge: Ja, ich habe gesagt, daß Fürst Bismarck schon seit einigen Tagen da fei. Präs.: Hat er sonst noch Auskunft verlangt, oder ist Ihnen jonst noch, etwas aufgefallen? Zeuge: Ja, er hat sich allein gesetzt und hat gar keine Theilnahme an der Gesellschaft bewiesen.

ö. Präs.: Ist er bald zu Bette gegangen? Zeuge: Ja. Präs.: Und früh

6 Uhr abgereist? Zeuge: Ja. Präs.: Hat er seine Rechnung bezahlt? Zeuge; Ja. Präs⸗: Hahen Sie sonst keine Wahrnehmung über ihn

. gemacht? Zeuge: Nein. Staatsanwalt: Es wurde gefagt, daß er sehr

geeilt habe, um fortzukom men. Präs.: Haben Sie das bemerkt? Zeuge:

. Ja. Präs.: Woraus schließen Sie diese Eile? Zeuge: Weil er oͤfter

nach dem Kaffee verlangte. Präs.: Hat er solchen auch noch ge—

terunken? Zeuge: Ja. Präs.: Und hat er auch gesagt, daß es pressire?

Zeuge: Ja. Präs.: Hr. Staatsanwalt, haben Sie noch eine Frage?

ö Staatsanwalt: Nein. Präß.: Hr. Vertheidiger? Vertheidiger: Nein.

Der sechsundzwanzigste Zeuge Andreas Debon, Königlicher Land— richter in Kissingen, wurde gerufen, und nachdem er nach Aufforderung des Hrn. Präsidenten die vorgeschriebene Eidesformel selbst ablegte, erklärt derselbe Folgendes: Ich heiße Andreas Debon, bin katholischer Religion, 52 Jahre alt, zu Würzburg geboren und zur Zeit Königlicher Landrichter in Kissingen, verheirathet. Die Übri— gen Fragen verneint er. Präs.: Kennen Sie den Angeklagten? Zeuge: Ich kennne ihn seit seiner ersten Vernehmung in Kissingen. Präs.: Welche Wahrnehmung haben Sie über denselben gemacht?

euge: Die erste Vernehmung Kullmanns fand nach dem vom Herrn Fürsten geäußerten Wunsche in seiner Gegenwart statt. Nachdem er seine persönlichen Verhältnisse asgegeben hatte und die Frage des Herrn Fürsten, ob er ihn früher gekannt habe, verneinte, sagte Kull⸗ mann aus, daß er auf den Fürsten geschossen habe. Und als er nach dem Grunde gefragt habe, warum? äußerte er, wegen der Maigesetze. Weitere Fragen fanden bei dieser Gelegenheit nicht statt. Der Herr Fürst beschränkte sich lediglich auf Gefüͤhlsäußcrungen, welche sich in den Worten kundgaben, daß es nicht schön sei, wenn Landsleute auf⸗ einander schießen. Mit Bezugnahme auf die Aeußerung Kullmanns, daß er dieses wegen der Maigesetze gethan habe, bemerkte der Herr Fürst, daß Kullmann jedenfalls von kirchlicher oder geistlicher Seite aus Anderes gehört haben werde, nämlich, daß er gewiß stets gehört habe, daß man vor der Obrigkeit Achtung haben müsse, und daß er sich dessen bewußt sei, welche Pflichten er in diefer Beziehung zu erfüllen habe. Auf diese Gefühlsäußerung, die im milden Tone gesprochen war, erwiderte Kullmann Nichts. Sein Benehmen war gleichgültig. Nachdem der Hr. Fürst sich entfernt hatte, und nachdem ich mit ihm gesprochen, zu welcher Zeit es ihm gefällig sei, wurde das erste Verhör mit Kullmann vorgenommen. Nachdem derfelbe mir alle bekannten Fragen beantwortet und gesagt hatte, wie er dazu gekommen sei, nach Kissingen zu reisen, wo, wann und wie er den Entschluß zur That gefaßt habe, erzählte er Alles vom Anfange an: wie er in seiner Heimath den Entschluß gefaßt habe, Bismarck zu tödten, wie er sich zuerst nach Berlin begeben, da Bismarck nicht ge— troffen habe, und wie er dann nach Kissingen gereist sei. Er er⸗ zählte seine Reise dorthin ins Detail, bemerkte, daß er sie theils per Eisenbahn, theils zu Fuß gemacht habe, bis zu dem Augenblicke, wo er in Kissingen ankam. Ich kann mich lediglich darauf keschränken, Ihnen zu sagen, was weiter geschah. Kullmann erzählte Alles vollständig, wie es auch im Verhöre zu Protokoll konstatirt ist. Er benahm sich dabei voll stãn · dig kalt und gleichgültig. Nach Beendigung des Verhörs mußte ich auch zu Fürst Bismarck, um zu konstatiren, daß eine Wunde vorhan⸗ den ist. Das war aber ein negatives Resultat. Präs.: Um welche Tageszeit haben Sie die erste Vernehmung mit dem Angeklagten vorgenommen? Zeuge: Um 43 Uhr. Um 2 Uhr, alss kurz nach der Zeit, in der das Attentat geschehen war, hatte ich einen Gang zu bejorgen und hörte hierbei, es sei soeben auf den Fürsten Bismarck geschossen worden. Ich begab mich hierauf sofort mit dem Bezirksarzte in die Wohnung des Hrn. Fürsten Bismarck, also kurz darnach. Präs.: Sie haben sich darüber auszusprechen, wie Sie den geistigen Zustand des Angeklagten nach der That gefunden haben. , Sie irgend eine Störung wahrgenommen? Zeuge: Nicht das indeste; er war kalt und gleichgültig dabei und erzählte Alles, was er gethan hatte, in der Weise, wie irgend ein Anderer mit einem Manne spricht, der eine Geschäftsreise macht. Ohne Stockung, mit der größten Gleichgültigkeit, erzählte er den ganzen Vorgang. Präßs.: Vertheidiger, haben Sie keine Frage? Verth.: Nein! Präs. zum Zeugen; Setzen Sie sich. .

Siebenundzwanzigster Zeuge: Heinrich von Fabrice, Bezirks⸗ gerichtsarzt zu Schweinfurt. Derselbe wurde vom Präsidenten nach Nan r., des Gesetzes als Zeuge und Sachverständiger vereidigt und er erklärt:

Ich heiße Heinrich von Fabrice, bin protestantisch, 65 Jahre alt, ver⸗ heirathet, zeboren in Altdorf, jetzt Bezirksgerichtsarzt in Schweinfurt. Die übrigen Generalien wurden verneint. Präs. Sie haben in der Frohn⸗ veste den Kullmann öfter gesprochen uünd ihn auch öfter untersucht. Wollen Sie uns das Resultat dieser Wahrnehmung mittheilen ? Zeuge: Der erste Theil meines schriftlichen Gutachteus ist jetzt na= türlich ganz überflüssig geworden, da Sie die gengueste Auskunft von den beiden vernommenen Sachverstaäͤndigen erhalten haben. Ich kann Ihnen einfach sagen, daß ich vollkom⸗ men auch ihre Ansicht habe, und daß ich diese bei · den Wunden, wie sie, eben falls für eine Brandwunde und für eine Projektilwunde erachten muß. Die weiteren Folgen, die die Sache

hatte, kann ich Ihnen natürlich nicht mittheilen. Es wurde mir gleich, nachdem Kullmann in. die Frohnveste eingeliefert worden war, der Auftrag zu Theil, ihn zu untersuchen bezüglich seiner physischen Ge— sundheit, und ich habe ihn deshalb sehr viel besucht und sehr genaue Beobachtungen angestellt. Mir war vor Allem auch darum zu thun, von der Familie die gehörigen Aufschlüsse zu bekommen, und ich habe den Untersuchungsrichter in Preußen gebeten, die nöthigen Er— kundigungen einzuziehen. Ich hörte über die Kullmannsche Familie Folgendes: Johann Kullmann, der Vater desselben, giebt uns an, daß in der ganzen Familie Geisteskrankheiten etwas Unbe— kanntes sei. Von der Müllerschen Familie erhielten wir besonders durch die noch lebende mütterliche Großmutter, eine Frau Mende, auch genaue Auskunft; sie versichert, daß in der Familie, wo sie selbst lebte, dann in der ihres Mannes Geisteskrankheiten etwas Un— bekanntes seien. Auch ihre Descendenten und wieder die ihrer Kinder sind vollkommen gesund geblieben mit einer Ausnahme, das ist die Mutter des Kullmann. Darüber haben Sie vorhin gehört, die Frau ist irrsinnig gestorben. Wir haben nun von der Frau Mende selbst erfahren, daß diefe Erkrankung sich

dadurch erklärt, daß die Frau in sehr traurigen Familienverhaͤltnissen

gelebt: ihr Mann bekümmerte sich nichts um die Familie, sie selbst hat 9 Kindbetten durchmachen müssen, und der Bedarf der Familie war ein sehr bedeutender und die Last ruhtezganz auf ihr, und ich glaube, daß traurige Familienverhältnisse allerdings ein Grund sind, wo man leicht in Irrsinn verfallen kann. Ganz dem, was die ein⸗ fache Frau angiebt, entsprechend, berichtet auch Hr. Dr. . .. von ihrem Arzt in Halle, dem die Mutter bald nach ihrer Erkran— kung übergeben wurde, daß auch er bei der Erkrankung eine Anlage zu Geisteskrankheiten an ihr nicht vorfand und speziell auch keine erhebliche Anlage bei ihr annehmen konnte und schreibt die Entstehnng der Quelle der Erkrankung blos der häuslichen Noth der Frau Kullmann zu. Unter diefen traurigen Ver—

hältnissen aufgewachsen, hat sich dennoch der junge Mensch körperlich

gut entwickelt. Sie sehen, der Angeklagte ist von kleinem Wuchfse. Ich habe die sorgfältigsten Messungen wiederholt bei ihm vorgenom- men. Sie finden, wenn wir diese beachten, daß der Körper ein ganz proportionirter ist, daß namentlich auch das Sinnesorgan gut ist; daß die Dimensionen des Kopfes ganz entsprechend sind, kurz, auch die Brustorgane sind gesund, und auch an allen Unterleibsorganen ist nichts zu bemerken. Daß er den Beischlaf ausgeübt hat, hat er mir versichert, und onanirt hat er, wie er sagt, nie. Diese Dinge alle zeigen, er ist ein gesunder und gut gebauter Mensch und hat auch wirklich während seines Lebens, wie ich erfuhr, nur eine einzige Krank— heit durchgemacht. In seinen Kinderjahren hat er an den Masern gelitten. Bezüglich feiner geistigen Anlage habe ich bemerkt, daß, wenn er auch in der Schule durch sein. Betragen Anlage zur Klage gehabt, daß er sich wirkliche Kenntnisse erworben hat. Er hat jetzt noch von diesen ziemlich viel aufgespeichert. Er ist dabei sehr wißbegierig, und wenn man sich mit ihm unterhält und dabei auf verschiedene Gegenstände kommt, die in seine Bildungsphäre fallen, so kann er in der That ganz gut darüber sprechen, er geht auf erschöpfende Gespräche gerne ein, er unterhält sich auch gerne über Politik, und er hat sich mir gegenüber sehr empfänglich gezeigt gegen meine freundliche Behandlung. Ich habe ihn nie anders gefunden, als zuvorkommend gegen meine Wünsche, und niemals hatte ich eine Klage gegen sein Benehmen, trotzdem ich ibn mit meinen körperlichen Untersuchungen beschäftigte und ihn häufig in meinen Unterhaltungen examinirte. Er war dabei immer sehr anständig. Nun, meine Herren, ich sage Ihnen, ich konnte nichts Anderes finden, als daß ꝛc. Kullmann ein gut organisir— ter Mensch bezüglich seines Körpers und daß er ebenso auch ganz gut organisirt bezüglich seiner geistigen Anlage sei. Ich habe nirgends eine Spur physischer Belastung an ihm wahrgenommen. Fragen wir nun uns, ob überhaupt in der Natur des Verbrechens, welches Kullmann zugesteht, begangen zu haben, ob in der Natur des Verbrechens irgend etwas liegt, daß man daraus sollte entnehmen können, es müsse die That eines Wahnsinnigen sein. Die Geschichte giebt uns die Antwort darauf. Die großen Männer aller Zeiten haben viele Anhänger, viele warme Anhänger, aber auch viele Feinde. Sie haben mörderische Attentate auf große Männer nur zu häufig in den Annalen der Geschichte verzeich⸗ net, und vom Fürsten Bismarck wissen wir selbst, daß sein Leben im Jahre 1866 durch ein mörderisches Attentat schon gefährdet worden war. Fragen wir uns nun nach der Persönlichkeit des geständigen Attentäters. Sie haben den ganzen Gang der Verhandlung in der allerschönsten Weise durch die aufmerksame Beobachtung der Zeugen nacheinander verfolgt. Sie sehen, daß er als Knabe einen wider— spenstigen Charakter hatte, woran ganz entschieden schon die fehlende Zucht im väterlichen Hanse schuld war. Die Mutter nimmt den Knaben in Schutz, wenn der Sohn wegen seiner Unart in der Schule gestraft wird, der Vater thut nichts für den Sohn, es ist der Trotz bei ihm ungebeugt geblieben, und das hat sich weiter fortgepflanzt. Er ist widerspenstig auch gegen seine Meister gewesen, er hat namentlich bei einem etwas heftigeren Temperament gleich zu Gewaltthätigkeiten seine Zuflucht genommen, wenn er sich irgendwie beleidigt geglaubt hat. Sie haben eine ganze Reihe von Gewaltthätigkeiten erfahren, die er versucht oder ausgeführt hat, mit einem Wort, daß er immer zu gewaltsamer Hülfe aufgelegt war, und mithin nun, wenn wir das von ihm heute abgelegte Bekenntniß gehört . daß er das große Verbrechen einsieht, welches er damit zegangen hat, daß er in unseren Gesprächen die Sache so oft ge— schildert hat, und daß er mir gegenüber auch sich mehr mals darüber geäußert hat, ich weiß recht wohl, daß ich unrecht dabei gethan habe, doch hat Fürst. Bismarck auch unrecht gethan, wie er die Gesetze gemacht hat; ich bitte, das wohl zu berücksichtigen. Bedenken Sie, daß er das Unrecht seiner That eingesehen hat; fragen Sie jeden Psychologeu, jeder muß Ihnen die Antwort geben, ein Wahnsinniger, der eine Gewaltthat begeht, wird nie dahin gebracht werden können, daß er einsieht, etwas Unrechtes begangen zu haben. Dadurch kennzeichnet sich die That des Kullmann als eine keineswegs von einem Wahnsinnigen verübte. Wir kommen nun dazu, wenn Kullmann eine andere geringfügige That begangen hätte, so wäre es gewiß Niemandem eingefallen, ihn nach seinem physischen Zustande zu fragen. Man hätte ihn genommen, wie er ist, und er ist ein zu Ge⸗ waltthätigkeiten geneigter Mensch. Das ist auch bereits, wie Sie heute selbst gehört haben, in Preußen der Fall gewesen, Sie wissen Alle, daß die preußischen Gerichtshöfe wegen der Trefflichkeit ihrer Rechtspflege berühmt sind. Sie haben heute gehört, daß vor einem preußischen Gerichtshofe im vorigen Jahre der Angeklagte gestanden hat, und daß er von diesem ohne allen Anstand zu einer Gefängnißstrafe ver⸗ urtheilt wurde. Wir haben nur noch ein einziges Moment etwas näher zu betrachten. Es ist das. der Umstand, daß bei ihm die Mutter geisteskrank gewesen. Wir haben die Sache schon einmal besprochen. Ich mache Sie nochmals auf das Zeu niß der Frau Mende und auf das des Irrenarztes aufmerksam. Sie sehen daraus einen hinreichenden Grund, daß die Frau im vorigen Jahre erst geisteskrank wurde, daß die Frau durch a Veranlassung enk wurde. Nun wissen wir wohl, daß diese Anlage bei vielen Menschen vorhanden ist, und ich erlaube mir Ihnen etwas mitzutheilen, was uns den deutlichen Beweis giebt, wie ungefähr die Verhältnisse sind. Ein . Arzt hatte im Jahre 1865 eine statistische Zusammen stellung herausgegeben, worin er die höchst interefsante Mit ; theilung macht, daß unter etwas über 28,000 Irren 4009 und einige darüber noch waren, bei welchen sich eine körperliche Anlage nach- weisen ließ, bei den 4,000 anderen hat sich keine körperliche Anlage

eiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

187M.

—— . d · . gefunden. Dann ferner giebt er uns noch das höchst interessante Da⸗ tum, daß er von 4000 Personen zeige, deren beide Eltern geisteskrank gewesen, und die dennoch bei der vollkommensten Gefundheit sind. Sie haben Alle wohl, meine Herren, gewiß in ihrer Bekanntschaft ebenfalls Fälle der Art genug gesehen, daß wir bei geistes kranken Eltern ganz gesunde Kinder erhalten haben. Da war niemals eine Anlage zur Geisteserkrankung. Nicht überall, wo die Mutter geistes krank war, ist bei dem Kinde eine geistige Belastung anzunehmen. Es hat hierüber der als Autorität geltende vortreffliche Doktor Gugge in München in seinem Werke für gerichtliche Medizin eine ganz schöne Stelle. Er sagt, er müsse vor Allem vor falschen Schlüssen warnen, so wenig man aus einem zu großen oder zu kleinem Kopfe auf eine geminderte Intelligenz schließen durfte, ebenso ist es nicht gestattet, aus dem Vorkommen von einzelnen physischen Krankheiten in einer Familie auf eine psychische Belastung zu schließen. Wir haken den Angeschuldigten heute wiederum gesehen, wir haben Alles gehört, was er gesagt, er hat verftändig' alle feine Angaben gemacht. Von einem solchen Verhöre, wie es der Angeklagte heute durchgemacht hat, werden Sie doch von vornherein überzeugt sein, daß ein Mensch, der solche Antworten giebt,

kein schwachsinniger sein kann, und ebenso wenig haben Sie nur ein Zeichen eines Grades einer psychischen Affektion wahrnehmen können. Ich habe das bei den vielen Untersuchungen, die ich mit dem Angeklagten vorgenommen habe, auch nicht gefunden, ich habe überhaupt von einer geiftigen Be— lastung nicht die geringste Spur wahrgenommen. Es kommt nun die Frage, die dem Gerichts arzt zur Behandlung vorgelegt wird, ob der Art. Il des deutschen Reichs- Str. G. B. eine Anwendung auf den Angeklag⸗ ten findet. Es ist nämlich davon die Rede, daß dann Strafausschluß stattfindet, wenn der andere Schuldner zur Zeit der That in einem Zustande der pfychischen Erkrankung war, wenn seine Willensbestim⸗ mung dadurch ausgeschlofsen war. Wir werden diese Frage ganz gewiß verneinen. Seine Willensbestimmung war durch seinen geistigen Zu— stand nicht altertirt; er war zurechnungsfähig, während er Die That verübt hat, er war zurechnungsfähig vor der That und war zurechnungsfähig bis am heutigen Tage. Wenn wir bei solchen Verbrechen bloß aus dem Unmstande, daß sie Aufällig cine geisteskranke Mutter, einen geifteskranken Vater des Thäters haben wenn wir daraus den Grund einer vsychischen Be⸗ lastung annehmen wollen, so würden wir den vielen Tausenden, welche geistesgestörte Eltern haben, einen förmlichen Freibrief zu Verbrechen geben, oder wir würden vielmehr ihnen das noch weit schlechtere Loos zuwenden, daß sie als der öffentlichen Sicherheit gefährliche Irre in Irrenhäuser eingesperrt würden, so wie sie eine Gewaltthat irgend welcher Art begingen. Vor diesem Schicksal, glaube ich, denken wir Alle, woll? der Himmel einen Jeden bewahren. Wer geiftesgesund ist und soll als Irrer in einer Irrenanstalt sein, der hat gewiß das entsetzlichste Loos von Allen.

Präs.: Ihr Gutachten geht also dahin: Der Angeklagte war zur Zeit der Begehung der That zurechnungsfähig, fein freier Wille war nicht ausgeschloffen, Sie konnten weder für jetzt noch für früher eine Störung seines Geistes wahrnehmen? Sachverständiger: Ja. Präs.: Angeklagter! Haben Sie Etwas zu erinnern? Angekl.: Nein. Ver— theidiger: Das Eine möchte ich hervorheben: Nach den gepflogenen Recherchen hat sich ergeben, daß der Großvater mütterlicher Seits sich erhängte. Welches Gewicht legt der Herr Sachverständige hierauf? Sachverständiger; Ich erinnere mich jetzt ganz genau auf diese Er⸗ hebungen. Der langjährige Hausarzt Br. Rasche, welcher in der Fa⸗ milie fortwährend beschäftigt war, meinte, daß dieser Großvater ein ganz verständiger und ruhiger Mann gewesen sei, an welchem er niemals die geringste Spur von Geisteskrankheit bemerkte, und daß nur ein schweres Fußleiden ihn zu dem traurigen Entschlusse des Selbstmordes brachte. Hofrath Br. Rienecker: Damit ist auch ein Theil meiner beabsichtigten Frage beantwortet. Es ist also Thatsache, daß der Großvater des Angeklagten sich selbst das Leben nahm? Präs.: Es wird das, glaube ich, noch zur Verlesung gelangen. Dr. Rienecker: Es würde mich sehr interessiren, das Zeugniß des Dr. Köppe Mu vernehmen. Dr. v. Fabr.: Des Dr. Kippe! Hofrath Dr. Rienecker: Verzeihln Sie, ich kenne den Herrn persönlich, er heißt Köppe. Präs.:— Das Zeugniß ist bei den Akten und kann verlesen werden.

Achtundzwanzigster Zeuge: Dr. Friedr. Vogt leistet den Eid als Zeuge und Sachverständiger und fährt fort: Ich bin 63 Jahre alt, zu Aschaffenburg geboren, Altkatholik, verheirathet, Kreis⸗ Medizinal-Rath dahier; die übrigen allgemeinen Fragen verneine ich. Präs.: Sie haben den Angeklagten in der Frohnfeste öfters unter- sucht; Sie haben der heutigen Verhandlung beigewohnt; wollen Sie uns nun Ihre Ansicht, Ihr Gutachten über den jetzigen geistigen Zu= stand des Angeklagten und, so weit möglich, über jenen während der That, welche ihm zur Last gelegt wird, kund geben? Sachverstän⸗ diger: Meine Herren Geschworenen! Wenn das normale Verhalten des Geisteszustandes eines Angeklagten beanstan⸗ det wird, dann pflegen wir die körperliche Beschaffen⸗ heit desselben einer genauen Untersuchung zu unter⸗ ziehen; denn bei dem innigen Zusammenhange zwischen den geistigen Aeußerungen und, den Organen des Körpers können wir erwarten, daß mit geistiger Störung auch eine Abnormität des Körpers verbunden zu finden ist. Fassen Sie den Angeklagten ins Auge! Er ist kleiner Statur, mißt 158 Ctm., sein Körper gedrungen, regelmäßig, seinem Alter von 21 Jahren gemäß entwickelt. Seine Physiognomie nicht unangenehm, sein Mienenspiel dem jeweiligen Gedankengange ent- sprechend; sein Auge beweglich, aber Versonen und. Gegen⸗ stände scharf und verständig fixirend; seine Stimme ist nicht nach⸗ drucksam, aber seine Sprache schnell und fließend; seine Stirne ist breit und gerade, wie seine Gesichtsmiene. Nichts erinnert an den Typus eines Schwachsinnigen Ueber seinen Schädelbau geben uns Umfang und Durchmesser Auf⸗ schluß. Der Umfang seines Schädels beträgt 54.4 Em. das Durchschnittsmaß ist 54.5 Cm.; in Folge der Angaben Virgoffs in den Durchschnittsmessern. Der längste Durchmesser des Kopfes von Stirne bis Hinterhaupt beträgt hei Kullmann 177 Cm. Das Duchschnittsmaß ist 133 Em. also 6 Mm. wäre dieser kürzer. Der Querdurchmesser oberhalb des Schädelbeines von einem Theile zum andern beträgt 163 Cm. das Durchschnittsmaß ist 151 Em. also 12 Mm. ist der Querdurchmesser größer als gewöhnlich. Wenn man nun vergleicht das Verhältniß zwischen der Breite und der Länge des Kopfes, so verhält sich solches im lãng⸗ sten Durchmesser wie 2: 10; Das. Durchschnittsverhält. niß ist 89 : 109. Also der. Kopf. Kullmanns gehört zu den exquisiten Breit⸗ oder Querköpfen. Ich will noch eine Ano⸗ malie erwähnen. Unmittelbar oberhalb des Oberhauptes J der Schädel Kullmanns die größte Breite, welche gewöhnlich erst ober⸗ halb an den Schädelbeinen vortritt. Die rechte Keopfhälste ist um ein Weniges, ungefähr 1 Ctm, mehr entwickelt, als die linke. Wenn ich nun noch der kleineren Verbindungen erwähne, daß z. B. seine Ohrenläppchen an die Wangen angewachsen sind, daß er Flachfüße im, geringen Grade hat, die ihn leider vom Militärdienste be= freiten, so glaube ich die äußeren Abnormitäten so ziemlich berührt zu haben. Was seinen Gesundheitszustand betrifft, giebt Kullmann an, daß er in seiner Jugend die Masern hatte, sonfi aber nie krank war. Er beklagt sich über keine Körperleiden, kein Kopfweh, es gehen alle Funktionen ordentlich von Statten. Einen Befund darf ich wohl nicht übergehen: Kullmann ist seit 19 Jahren 2mal spphilitisch infizirt gewesen, es sind hiervon die Narben noch ersichtlich; es mag dies doch einen Schluß zulassen auf eine gewisse Zugellosigkeit der Sitten. Wenn ich Ihnen den äußeren Befund sei⸗ nes Körpers rekapitulire, so finde ich einige Anomalien am Schädel“