Die Kunstausstellung der Königlichen Akademie der Künste. X. Kulturgeschichtliche Darstellungen. Ethnographisches und land⸗ schaftliches Genre. — Die Kleinmeister des Genres. (Vgl. Nr. 256 d. Bl.)
Beachtenswerthe Bilder, in denen das einer bestimmten Zeitperiode angehörige Kostüm nicht vorwiegend aus malerischen Rücksichten gewählt, sondern in erster Linie die Schilderung einer kulturgeschichtlich interessanten Scene beabsichtigt ist, sind diesmal nur von zwei Malern ausgestellt worden. Von Dansaert ist eine „Ginguette“ (Tanzlokal) vorhanden, dicht angefüllt von tanzend oder plaudernd sich umherbewegenden Figuren im Kostüm der französischen Revolutionszeit, die trefflich gezeichnet und von durchaus echtem und charakteristischem Gepräge sind. Stryows ki malte ein sehr geschickt komponirtes Rencontre zwischen Danziger Patrizier und Plebejerkindern im Kostüm des 17. Jahrhunderts. Die Letzteren haben ihre vornehm gekleideten, in einem reichdeko⸗ rirten Portal zusammengedraͤngten jugendlichen Gegner mit Schneebällen in die Enge getrieben und verlachen den übel an⸗ gebrachten Muth eines derfelben, der ernsthaft zu seinem Säbel greift. In der technischen Behandlung des Bildes ist mehr die Zeichnung als die Farbe betont, die etwas trocken erscheint. In einer zweiten Komposition desselben Malers, einer Gruppe von Juden, die in einer entlegenen Gegend der Stadt, ihr „Tasch⸗ lech“ feiernd, in das vorbeifließende Wasser Körner streuen, ist bei gleichen Vorzügen der Zeichnung und bei meisterlich charak⸗ teristischer Auffassung der einzelnen Gestalten, eine viel energi⸗ schere farbige Wirkung erzielt.
Eine in hohem Grade charakteristische Scene orientalischen Lebens, die in Auffassung, Bewegung und Ausdruck der ziemlich großen, meisterhaft in den engen Raum komponirten Figuren das Gepräge überzeugender Echtheit trägt, schildert Gysis in einem durch leuchtende Kraft der Farbe wie durch außerordent⸗ lich kecken und sicheren Vortrag gleich sehr bemerkenswerthen Bilde, der „Bestrafung eines Hühnerdiebs in Smyrna.“ Das gestohlene Federvieh an den gebundenen Händen befestigt, rück⸗ wärts auf einem Esel sitzend, wird der Schuldige zum weidlichen Ergötzen der Zuschauer, der ernsthaft dasitzenden Männer und des auf dem Pflaster sich streckenden Gassenvolks, von einem be— waffneten Gerichtsdiener durch die schmale schattige Straße ge⸗ leitet, während ein Führer den Esel vorwärtszerrt und unter Trommelschlag das Verbrechen des Bestraften ausruft.
Das Bild von Gysis leitet uns zu einer Gruppe von Darstellungen über, die, meist ohne besondere Accentuirung eines bestimmten, einheitlich abgeschlossenen Vorgangs, Land und Leute in ihrem täglichen Thun und Treiben malerisch auf— fassen und als ethnographisches Genre bezeichnet zu werden pflegen. Mit erklärlicher Vorliebe sehen wir die Maler die Motive derartiger Darstellungen dem farbenreichen Leben Italiens und des Orients entlehnen. Hierher gehört das mit Menschen und Thieren reich staffirte, bewegte Bild eines „Nilufers bei Cairo“ von O. Heyden, der „Bazar von Damaskus“, eine große, im Landschaftlichen wie in den charakteristischen Staffage⸗ gruppen mit gleicher, meisterhafter Sorgfalt ausgeführte Aquarelle von Carl Werner, der außerdem noch zwei nicht minder vortreffliche große Interieurs morgenländischer Kirchen ausgestellt hat, und endlich Körners „Partie aus Damaskus“, ein Bild, das in seiner reichen und energischen Farbe, in der Klarheit seiner Luft, in dem Kontraste des sonnig daliegenden, von originellen Gebäudegruppen umschlossenen, durch reiche Staffage belebten breiten Platzes und der auf ihn hinführenden schattigen Bazargasse einen hohen malerischen Reiz entfaltet und die freieste Breite der Behandlung mit überraschend feiner Detailwirkung verbindet.
Zahlreicher vertreten sind die Darstellungen des italienischen Volkslebens, von denen einige zu den bedeutendsten Gemälden der Ausstellung zählen. Ein befonders glücklicher Griff, eine meisterhaft lebendige Schilderung des Volkes von Chioggia, ist das „Volkstheater⸗ von Alois Schönn. In der dichtgedrängten Zuschauermenge, die den schmucklos zusammengezimmerten Theater⸗ raum mit dem kräftig einfallenden vollen südlichen Licht bis auf das offene Dach hinauf dicht anfüllt und lebhaft an der Hand⸗ lung der Bühne Antheil nimmt, auf der eben eine grausige Mordscene sich abspielt, kommt das naive Interesse des Volkes, die verschiedenartig gesteigerte Bewegung der Einzelnen zu vol⸗ lendet charakteristischem Ausdruck, und dabei gelingt es jeder der prächtigen Gestalten ihre Geltung zu wahren, ohne die geschlos⸗ sene Haltung des als ein einheitliches malerisches Ganzes ange— schauten Bildes irgendwie zu stören. Eine ebenso fesselnde Schil⸗ derung der echten naturwüchsigen Schönheit dieses Volkes im Zustande ruhiger Bewegung, die hier in ihrer realistischen Wahr⸗ heit und Tüchtigkeit imponirender wirkt als in jeder idealisirenden Verallgemeinerung, giebt desselben Malers „Heimkehr der Fischer. Die farbig leuchtenden Segel der gelandeten Boote, die Gestalten der Frauen mit ihren Kindern, der nackt⸗ beinigen jungen Burschen, die auf den Quadern der Marmor— terrasse hingestreckt daliegen oder mit ihren Fischkörben die Stu⸗ fen der Treppe hinagufsteigen, der Männer, die ruhig dastehend, über das dunkle Meer hinblicken, heben sich in klaren, scharfen Umrissen vor dem goldig glühenden Abendhimmel ab. Ebenso eigenartig tief und kräftig, wie in dem „Volkstheater“, ist der Ton auch in diesem Bilde, ebenso intensiv das Licht, ebenso energisch die Zeichnung der schönen Gestalten und die gesammte Malerei, ebenso meisterlich echt und wahr Bewegung und Aus⸗ druck, und dazu die Komposition von trefflich abgewogener, ruhig harmonischer Vertheilung der Massen und von einem durchgehend noblen und großen Zuge der Linienführung. Eine, besonders in koloristischer Hinsicht, verwandte Darstellung des Fischmarktes vom Chioggia“ hat Ribarz ausgestellt, der jedoch die Figuren seines Bildes weniger individualisirt, als sie viel— mehr einer in gleichem Maaße echten und energischen Gesammt— wirkung unterordnet. Noch weit mehr geht Kappis in einem gelungenen, farbenfrischen Bildchen des „Fischmarktes von Ve— nedig“ allein auf diesen Totaleindruck der malerischen Erschei⸗ nung aus.
Von Echter ist der Platz „vor der Logetta in Venedig“ gemalt, die prächtig dekorirte Fagade des Gebäudes und vor ihr eine Reihe von Figuren, die sich dort betrachtend, ruhend, vor⸗ übergehend zusammengefunden haben. In ungezwungen zu⸗ fälliger Anordnung sind sie über den Platz verthellt, ein Tourist, der die Bronzestatue einer Nische betrachtet und dabei von den auf den Stufen sitzenden Kindern angebettelt wird; eine Frau, welche die in dichten Schaaren heranflatternden Tauben füttert, vor deren Ungestüm das kleine Mädchen neben ihr erschreckt zurückweicht; weiter seitwärts ein paar mit einander redende
Klosterbruders, malte v. Suchodolski.
Typen aus dem Volke, — ein Ensemble von wunderbar echtem Gepräge und eminent charakteristischer Auffassung der einzelnen Figuren, die in der sonnigen Helle der heiterklaren Luft delikat und plastisch herausgearbeitet sind und durch den feinsten malerischen Reiz des energischen, lichten Tons entzücken. In der Schärfe seiner Beobachkung, in dem individuellen Leben der Köpfe reicht dieses Bild nahe an Passini heran, der diesmal in einer großartigen Aquarelle von seltenster Energie und Schön⸗ heit der Farbe und vollendeter Feinheit der malerischen Ausfüh⸗ rung eine „Prozession in Venedig“ schildert. Der lange, figurenreiche Zug mit den voraufschreitenden Chorknaben und Priestern und den stattlich kostümirten Trägern der Fahnen und Kandelaber schreitet von einer gewölbten Brücke her, hart am Rande eines Kanals, an den Häusern entlang. Auf den Trep⸗ pen und Balkonen, an den Fenstern und in den Gondeln auf dem Wasser drängen sich die Zuschauer zusammen, Menschen jeden Alters, jeder Art und jedes Standes, meisterhaft gezeichnete Gestalten und gleich den gravitätisch in der Prozession Einher⸗ schreitenden im Ausdruck der Köpfe, in der Bewegung des Kör⸗ pers voller Kraft und Grazie, voller Leben und Charakter.
Neben diesen hervorragendsten Darstellungen mögen noch ein Abend im römischen Gebirge“ von Fay und ein „Nachtfest in Venedig‘ von Berninger genannt sein. Interessanter sind einige von italienischen Malern ausgestellte Genrebilder, wie das minutiös ausgeführte, im Ausdruck lebendige Bild von Rotta, eine Alte, die einen Hahn schlachten will, worüber sich ihr Bube unwillig und trotzig abgewendet hat, und die Scenen aus dem italienischen Bauernleben von Guglielmi, die mit tüchtiger Zeichnung und etwas harter Farbe eine gesunde Charakteristik verbinden; namentlich in einer „Katechisation“ erfreut der Maler durch eine Reihe anziehend aufgefaßter Kinderfiguren.
Zwei ziemlich gleichartig behandelte Bilder von Harrer, ein auf der Schwelle eines verfallenen Hauses sitzendes, von Tauben umflattertes „Mädchen aus Olevano“ und ein ähnliches, trotzig dreinblickendes junges Mädchen, bei einer häßlichen alten Wahrsagerin in einem düsteren Winkel kauernd, bekunden ein entschiedenes Talent charakteristischer Auffassung. Malerisch be⸗ deutender ist Michaels „Mädchenschule im Sabinergebirge“. Die hübschen, leider von einem kränklichen Zuge nicht ganz freien Kindergestalten sind fein empfunden und lebendig individualisirt; der Ton des ganzen Bildes, die Malerei des dunklen, rauchigen Zimmers mit dem durch ein hoch in der Wand angebrachtes Fenster nur kärglich einfallenden Tageslicht, in welchem die Kinder um eine lehrende Klosterfrau gruppirt sind, zeugt von nicht ge— ringer koloristischer Begabung; nur die etwas verschwommene Behandlung beeinträchtigt einigermaßen die vortreffliche Wirkung des Bildes. Viel weniger tritt, bei gleichen Vorzügen, dieser Mangel in der großen, prächtig naiven, über ihren Schularbeiten unwillig brütenden Einzelfigur einer kleinen „Genueferin! und in einem dritten Bilde desselben Malers hervor, einem Mönch, der in Gegenwart mehrerer Geno ssen an einem großen Bilde der Himmelfahrt Mariä arbeitet.
An das letztgenannte Bild reihen wir zwei andere Dar⸗ stellungen aus dem Klosterleben. Ein meisterhaftes Bild von Riefstah! ist das „Refektorium eines schwäbischen Klosters“, eine hohe, kühle Säulenhalle, von mild gedämpftem Licht erfüllt, das von der Seite her durch die hohen Bogenfenster einströmt. Dieser imponirenden, herrlich gemalten Architektur entspricht die Staffage des weiten Raumes, die links an langer Tafel spei⸗ send und trinkend mit ihren Ehrengästen dasitzenden Mönche und die Gruppe derer, die rechts, dicht unter einem Fenster und von dem einfallenden Lichte scharf beleuchtet, die Bowle brauen und den Waldmeister in den Wein schütten, zu welchem Werk ein weißbärtiger Lilter mit erhobener Hand seinen Segensspruch giebt. Bei kleinstem Maßftabe ist jeder dieser Gestalten von fein⸗ ster Charakteristik, jede einzelne Figur ein voller Mensch und das Ganze in seinem harmonischen Zusammenklang der Staffage und der ehrwürdigen Architektur eine unübertreffliche Schilderung der eigenartigen Poesie des Klosterlebens. Das Begräbniß eines Der lange Trauerzug der Mönche, die in weißen Kutten, Kerzen in der Hand tragend, einherschreiten, bewegt sich durch ein düsteres, mit feinen Pinien⸗ gruppen in schweigend stiller Abenddämmerung daliegendes, von hohen Felsen umschlossenes Thal einförmig schweigfam dahin. In den einzelnen Gestalten ist nicht dieselbe feine Individualisi⸗ rung zu suchen, wie in dem Bilde von Riefstahl, aber in der ganzen Komposition und in ihrer malerischen Wirkung ist eine ernste, feierliche Stimmung ergreifend ausgesprochen.
Ein Meisterwerk in der Auffassung des individuellen Cha⸗ rakters einer Landschaft und ihrer Bewohner, ein Meisterwerk auch in der feinen grauen, überaus charakteristischen Tönung ist G. v. Bochmanns „Sonntag bei einer Kirche in Esthland“, eine kahle, öde Gegend und in ihrer Mitte zwischen dürftigem Buschwerk die Kirche, ein ebenso trauriges nüchternes Bauwerk, vor dem sich die Bauern der Umgegend mit ihren Pferden und Wagen in einzelnen meisterhaft gezeichneten Gruppen versammelt haben, das Ganze aber, in seiner trostlosen Einförmigkeit, von bestimmt ausgesprochener eigenartig poetischer Stimmung und von bedeutendem malerischen Reiz. Bemerkenswerthe Bilder des landschaftlichen Genres sind außer diesem noch ausgestellt von L. Hartmann in einer ‚Rast aus dem Felde“, von A. Boehm in zwei Hofinterieurs, von Quaglio in einer Partie aus Dachau“, von P. Boehm in einem koloristisch fein⸗ gestimmten Lager ungarischer Wallfahrer, von Th. Schůtz in einer großen figurenreichen, außerordentlich delikat behandelten, aber von einer gewissen süßlichen Empfindungs⸗ weise nicht ganz freien ländlichen Idylle, einem „Sonntag ⸗Nach⸗ mittag in einem schwäbischen Dorfe“, und in einem ähnlich be— handelten „Sonntag⸗Nachmittag in Grafenberg bei Düsseldorf“. Q. Beckers „Vor dem Pfarrhause“ erfreut ebenso durch die liebevolle Sorgfalt der Ausführung wie durch den idyllisch an⸗ muthigen Zug der ganzen Komposition, der schattigen Dorfstraße und der Staffagegruppe, des Pfarrers und seiner Gattin, die zu begrüßen der Gutsherr nebst seinem Knaben auf ihrem Ritt durch das Dorf angehalten haben. Von Hallatz ist ein vor⸗ treffliches, lustig und lebendig bewegtes „Erntefestreiten west⸗ fälischer Bauern! und ein mit ihrer Meute durch den nebelverhüllten herbstlichen Wald dahersprengender Trupp rothbefrakter Jäger ausgestellt, ein Bild von maeister⸗ hafter Zeichnung der fluͤchtig bewegten Gruppe und von feiner und wahrer Stimmung der landschaftlichen Scenerie. Das hervorragendste Werk dieser Gattung ist jedoch Gieryms ki's „Hirschjagd aus der Zeit Ludwigs TV.“ In den Reitern, die in ihren blauen Röcken bei klarer, sonnig heiterer Luft durch das noch grüne Gestrüpp des Waldes auf prächtig gezeichneten Rossen dahinsagen, offenbart sich ebenso die seltenste Schärfe in der Beobachtung der Natur und das hingebendste Studium ihrer
Mönche, dazwischen ein reizendes kleines, scheu blickendes Mädchen, dreifte Buben, die sich träge umherlungernd strecken und dehnen; ein Händler, der seine Apfelsinen ausruft, und andere prächtige
feinsten Details wie die größte Keckheit in der Bewältigung
die in jedem Pinselstrich die klarbewußte Sicherheit des künst⸗ lerischen Könnens verräth. In seiner ganzen Erscheinung ist das Bild von unvergleichlich gesunder, lebensfreudiger Wahrheit, in der charakteristischen Auffassung der in ihm dargestellten Figuren sowohl, wie in der Kraft und Energie des Tons und der Farbe.
Von poetischer Stimmung und von feinstem malerischen Reiz ist das feingetönte, ganz in der Weise Wouvermans auf⸗ gefaßte Bildchen von Diez, zwei Kavaliere, die bei stũrmisch regnerischem Wetter in später Abendstunde an einem einsamen Daidekrug sich von einer jungen Dirne einen Trunk reichen lassen. Format und Behandlung reihen dieses Bild ebenso der Gruppe der Kabinetstücke an, wie das delikat gezeichnete „Wettrennen“ moderner Reiter von H. Lang. Zierliche Rabinetstücke sind fer⸗ ner der „lesende Kavalierᷣ von Arons, sowie der „Lauten⸗ spieler“ und der junge Bursch in mittelalterlich buntem Kostüm, der den vom Fuß gezogenen, ihn in seiner Wanders- aft stören⸗ den Schuh betrachtend in der Hand hält, von Ehrentraut. Beide Figuren sind durch feine Ausführung, die letztere auch durch eigenartig pikante Färbung ausgezeichnet. Denselben Reiz besitzen die beiden von einer lichten Wand sich in heller Färbung absetzenden und ungemein lebendig charakterisirten jungen Rekruten! im Kostüm des 17. Jahrhunderts von Eichler, während die „Idylle“ desselben Malers, ein im blüthenschweren Park dahinwandelndes Liebespaar, durch ein wohlig gestimmtes, warmes Kolorit und durch ebenso ausdrucksvolle Zeichnung erfreut. Charakteristisch aufgefaßt und in warmer Tönung äußerst subtil behandelt sind die beiden Herren im Rococokostüm von Munsch, die in die Prüfung eines Dokuments vertieft dasitzen, meisterhaft frei und sicher bei delikatester Detailausführung, charakteriftisch in jeder Linie und von schönster Kraft und Klarheit des Tons die beiden Kabinetstücke von Fritz Werner, der „Fahnenjunker des Regiments Schwerin“, der, vor der Front stehend, sich pla⸗ stisch vor der hellen, sonnigen Luft abhebt, und ein „Rococo⸗ interieur“ ein Herr, der sich seine Pfeife stopft, und sein Töchterchen,
das den Fidibus anzündet, beide in einem echt ausgestatteten Gemach am Kaffeetische sitzend. Von A. Keller sind drei ta⸗ lentvolle Bildchen je einer modern gekleideten Dame ausgestellt, die, mit geistreich keckem Pinsel gemalt, den gleichen koloristischen Sinn beweisen wie zwei in ganz kleinem Format ausgeführte landschaftliche Kompositionen. Endlich sind hieran noch die Ar— beiten zweier Italiener anzuschließen, die charakteristische Figur eines in seine Zeitung vertieften, lebhaft gestikulirenden Schusters von Orfei und drei sehr ansprechende Einzelfiguren von In⸗ duno, eine zierliche Mädchengestalt am offenen Fenster, eine einsam ihren Weg wandelnde Alte und ein nach langer Modell- situng im Lehnstuhl ausruhender kleiner Hirtenbube. — Die „Landpartie“ von Müller⸗Schönhaufen mit ihren außerordentlich charakterisch aufgefaßten und ausdrucksvoll bewegten, modern gekleideten Herren und Damen, sowie die tüchtig gezeichnete Figur eines zur Ver⸗ einssitzung schreitenden ernsthaft blickenden Kleinstädters von J. Hübner treten bereits aus dem Rahmen des Kabinetbildes her⸗ aus und nähern sich dem größeren Genre. Ebenso „der kleine Patient“ von Rumpler, ein Bild von auserlesener Feinheit der hellgetönten Farbe, von äußerst delikater und doch breiter Malerei und von gesund anmuthigem, herzigen Ausdruck des armen kleinen Burschen, der, ein Tuch um den Kopf gebunden, mit untergezogenem Beine betrübt dasitzt, und der älteren Schwester, die, seinen Kopf aufrichtend, ihm zröstend zuspricht.
Berichtigung. Im vorigen Aufsatze (Nr. 256 d. Bl.) ist Sp. 3, 3. 25 v. o. „weichlich“ statt „reichlich“, Sp. 4, 3. 14 v. o. „Ton stimmung“ statt „Be stimmung“ zu lesen, 3. 24 „auch“ zu streichen.
Göttingen, 1. November. In der unter dem Vorsitz des Professor Meyer stattgehabten Sitzung des Anthropologischen Vex eins hielt Professor Ehlers einen eingehenden Vortrag uͤber die Architektur des Schädels beim Menschen und den anthropoiden Affen. In einer vergleichend anatomischen Ueberstcht hob der Vortragende besonders die Bedeutung und das Schicksal der knöchernen Bögen hervor, welche als der vegetative Theil des Kopfstelets mit der das Centralorgan enthaltenden Schädelkapsel in Verbindung treten. Verhältnißmäßig neu sei der morphologische Begriff des Trabekularbogens, welcher mit dem Kieferbogen und dem Hyoidbogen in mannigfachen Modifikationen kom— plizirte Verschmelzungen eingeht. Sodann wurde die Gestaltung des Kieferstils (s quadratum) bei den verschiedenen Klassen der Wirbel= thierreihe besprochen, welcher endlich bei den Säugethieren seinen Platz im Innern des Gehörorgans findet. Der Unterkiefer folgt dem Kieferstiefel auf seinem Zuge nach der Schädelwand. Eine Haupt⸗ eigenthümlichkeit der Primaten (Mensch und menschenähnliche Affen) besteht in der bedeutenderen Entwickelung des Hirnschädels im Ver— hältniß zum Gesichtsschädel, während bei den mederen Säugethieren der gewaltige Kieferapparat die vorwiegende Rolle spielt. Ferner sind die Augenhöhlen nur bei diesen höchststehenden Vertre— braten nach hinten durch eine knöcherne Wand geschlossen. Der wesentliche Unterschied zwischen Menschen.· und Affen⸗ schädel liegt in der Bildung eines ausgeprägten Schnauzen— theils beim letztern, d. h. in dem Hervorragen des vegetativen Theiles. Ferner sind die Ansatzfelder für die Kaumuskeln beim Menschen durch einen beträchtlichen Zwischenraum getrennt; beim Drang fließen sie in einem Kamm auf der Mitte des Schädels zu⸗ sammen. Endlich wurde hervorgehoben die ungleiche Lage des Joch⸗ bogens und des Hinterhauptloches, sowie die Bildung des Kinns, welches nur beim Menschen vorkommt. Professor Kranse machte so⸗ dann der Gesellschaft die erfreuliche Mittheilung, daß, Dank den Be⸗ mühungen eines Vereinsmitgliedes, die deutsche anthropologische Ge— sellschaft gelegentlich ihrer diesjährigen Herbstversammlung in Dresden eine pekuniäre Unterstuͤtzung für die Rosdorfer Ausgrabungen bewilligt habe, welche im Laufe des November energisch wieder aufgenommen werden sollen. Redner führte darauf eine Reihe von Gesichtspunkten an, welche bei dieser Ausgrabung in Betracht zu nehmen seien.
Der württembergische Landeskonservator, Dr. Paulus, theilt im „St. A. f. W Folgendes mit: In neuester Zeit wurde bei Köngen auf der Jlur „Hagenloch“, eine Viertelstunde nordwestlich vom Burgfeld, der Stelle, wo die einstige Römerstadt gestanden, eine Quelle, der sog. Hagenbrunnen, auf Gemeindekosten ausgegraben und dabei ein zerfallener römischer Ziehbrunnen aufgedeckt, der mit Feldsteinen rund ausgemauert war und auf eichenen Pfählen ruhte. Man fand in demselben den zum Brunnen gehörenden Schöpfeimer, und in diesem lag ein Seiher, beide von römischer Arbeit und noch wohl erhalten. Der Schöpfeimer, zwei Fuß im Durchmesser haltend, von kesselartiger Form und aus Bronzeblech getrieben, war von einem eisernen Reif umfaßt, an dem sich zwei Eisenringe zur Aufnahme eines Seiles oder einer Kette befinden. Der Seiher, gleichfalls von Bronze, zeigt im Boden und an der Seite zierliche Muster und hat Aehalichkeit mit den vor Jahren bei Markgröningen und bei Rutesheim aufgefundenen römi⸗ schen Seihern. In der Nähe des Brunnens entdeckte man früher Grunpdreste von römischen Gebäuden, und es ist anzunehmen, daß derselbe zu diesem Gehöfte (Villa) gehört hat. — Die genannten Gegenstände wurden der Gemeinde Köngen abgekauft und dem Mu⸗ seum vaterländischer Alterthümer in Stuttgart einverleibt.
6 Redacteur: F. Preh m. Verlag der Expedition (Kesselh. Druck: W. Elsner.
eines der schwierigsten koloristischen Probleme und eine unbe— dingte Meisterschaft der Zeichnung und der malerischen Technik,“
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Berlin, Freitag, den 6. November
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Königreich Preußen.
ionen der Stadt Grabow a4. O, Regierungsbezirk Stettin, zum nn,, von 60 000 Mark Reichswährung II. Emission. Vom 28. September 1874 FM LI. 9118. M. d. J 1. B. 6155. &. M. IV. 1712 u. 17406. Wir Wilhelm, von Goites Gnaden König von Prußen zx. Nachdem der Magistrat der Stadt Grabow a. O im Einver⸗ stãndnisse mit der Stadtverordnetenversammlung daselbst darauf angetragen hat, zur Erbauung eines Rathhauses eine Anleih⸗ von 60 000 Reichs. mark aufnehmen und zu diesem Behufe auf jeden Inbaber lautende, mit Zinscoupons versehene und Seitens der Gläu biger unkündbare Stadtobligationen ausgeben zu dürfen, ertheilen Wir in Geinäßgeit des 5. 2 des Gesetzes vom 17. Juni 1833 durch gegenwärtiges Pri⸗ pilegium zur Ausstellung von Grabower Stadtobligationen zum Be⸗ trage von sechszigtgusend Reichsmark, welche nach dem anliegen, den Schema in 200 Apoints à 300 Mark Reichswährung auszufertigen, mit fünf vom Hundert jährlich zu verzinsen und, anhebend mit dem Jahre 1876, nach dem festgeftellten Tilgungsplane durch Ausleosung mit mindestens einem Prozent der Kapitalichuld unter Zuwachs der durch die fuccessive Tilgung der letzteren herbeigeführten Jinsenerspar⸗ nisse, sowie unter spaͤterem Hinzutriit derjenigen jährlichen 3750 Reichs- mark, welche zur Amortisation der mittelst Unseres Privilegiums vom 4. April 1868 genehmigt n Anleihe der Stadt Grabow g. O. von 25.060 Thlrn. ausgesetzt sind, und zu diesem Zwecke vom Jahre 1900 ab nicht mehr erforderlich sein werden, spätestens in 30 Jahren zu amortisiren sind, Unsere landesherrliche Genehmigung. . Durch vorftehendes Privil-gium, weiches wir vorbehaltlich der Rechte Dritter eriheilen, wird für die Befriedigung der Inhaber der Obligationen eine Gewährleistung Seitens des Staats nicht über⸗ men. . . . Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Instegel. . Gegeben Berlin, den 28. September 1874. Wilhelm.
Graf zu Eulenburg. Dr. Achenbach.
Camphausen.
P inz Pomm ern. Regierungsbezirk Stettin . (Grabower Stadtwappen. Obligation der Stadt Grabow a. d. Oder. II. Emission. Littr. D. ; über Dreihundert Mark . J sgefertigt in Gemäßheit des landesherrlichen Privilegiums vo . 5 . September 1874. (Amteblatt der Königlichen , 3 Stettin vom Stuck. ..). Wir Magistrat der Stadt Grabow 4. O. urkunden und be— kennen hierdurch, daß der Inhaber dieser Obligation Dreihundert Mark . ̃ ö Fmpfang wir bescheinigen, von der hiesigen Stadtgemeinde al . . fordern hat. Diese 300 Reich mark bilden einen Theil des zu Kommunalzwecken auf Grund des Allerhöchsten Privilegiumẽ vom 28. September 1874 aufgenommenen Darlehns von 50 000 Mark Reichswährung. Die Rückiahlung dieses Gejammtdarlehns von 60.0090 Mark geschieht, nach Emijssion der Obligationen, vom Jahre 1876 ab binnen spätestens 30 Jahren nach Maßgabe des festgestellten Til⸗ ungsplans dergestalt, daß die darin jährlich ausgeworfene Amorti⸗ ationsrate in den Haushalts⸗Etat aufgenommen und aus diesem Tilgungsfonds die Stadtobligationen mittelst Auslgosung eingelöst werden. — Die Stadtgemei de Grabow a. O. behält sich das Recht vor, den Tilgungsfonds zu verstärken, sowie sämmtliche noch umlaufende Schuldverichreibungen auf einmal zu kündigen. Den Inhabern der Obligationen steht dagegen, kein Kündi—⸗ gungerecht zu. Die ausgeloosten, sowie die gekündigten Schuldverschreibungen, werden unter Bezeichnung ihrer Nummern sowie des Termins, an welchem die Rückzahlung erfolgen soll, öffent- lich bekannt gemacht. Diese Bekanntmachung erfolgt spätestens 3 Monate vor dem Zahlungstermine in dem Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staats Anzeiger, in dem Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Stettin und in einer der in Stettin erschei⸗ nenden Zeitungen. Jedesmal, sobald eines dieser Blätter eingehen sollte, wird an Stelle desselben ein anderes uit Genehmigung der Königlichen Regierung zu Stettin bestimmt werden. Die jährliche Ausloosung erfolgt im Monate September. durch den Magistrat und die Auszahlung der ausgelgoften Obligationen vom 1. April des auf die Ausloosung folgenden Jahres ab. Bis zu dem Tage, an welchem solchergestalt das Kapital zurückzuzahlen ist, wird dasselbe in halbjährlichen Terminen, am 2. Januar und J. Juli, mit fünf Prozent jahrlich verzinst. Die Auszahlung der Zinsen und des Kapitals geschieht gegen bleße Rückgabe der ausgegebenen Zins⸗ coupons, beziehungsweise dieser Schuldverschreibung bei der Kämmerei⸗ kasse zu Grabow a. O. in der nach dem Eintritte des Fällig⸗ keitstermins folgenden Zeit. Auch werden die fälligen Zins- coupons bei allen Zahlungen an die hiesige Stadtkasse in Zahlung genommen. Mit der zur Empfan nahme des Kapitals präsentirten Schuldverschreibung sind auch die dazu gekõrigen Zins coupons der späteren Fälligkeitstermine zurückzuliefern. Für die fehlenden Zins coupons wird der Betrag vom Kapital abgezogen. Die ausgeloosten, beziehungs- weise gekündigten Kapitalbeträge, welche innerhalb 30 Jahren nach dem Rückzahlungstermine nicht erhoben werden, sowie die inner= balb 4 Jahren, nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie fällig geworden sind, nicht erbobenen Zinsen verjähren Zu Gunsten der Stadtgemeinde Grabow a. O. Beim Verluste von Obligationen kommen die Vorschriften der Verordnung vom 16. Juni 1819, be⸗ treffend das Aufgebot und die Amortisation verlorener oder ver= nichteter e,, f,. öüꝰ⸗ 1 bis 12, mit nachstehenden näheren estimmungen in Anwendung: . . . a. die . § 1 jener Verordnung vorgeschriebene Anzeige muß dem Magistrate zu Grabow a. O. gemacht werden, welchem alle diejeni⸗ gen Geschäfte und Befugnisse zustehen, welche nach der ange= führten Verordnung dem Schatz Ministerium zukommen, während gegen seine Verfügungen der Rekurs an die Königliche Regierung zu Stettin stattfindet; ; ö . 566 . e. 8 ö , gedachte Aufgebot erfolgt beim oͤniglichen Kreisgerichte zu Stettin; k in den S§5. 6, 9 und 12 jener Verordnungen vorgeschriebenen Bekanntmachungen sollen durch diejenigen Blätter geschehen, durch welche die , Obligationen veröffentlicht werden;
d. an die Stelle der im 5 der Verordnung erwähnten 6 Zah⸗ lungstermine sollen 4, an die Stelle des in den 55. 8 und 9 er= wähnten achten Zahlungstermins soll der fünfte treten.
Zinscoupons können weder aufgeboten noch amortisirt werden; doch soll für den Fall, daß der Verlust der Zinscoupons vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist beim Magistrate zu Grabew a. O. an⸗ gemeldet und der stattgehabte Besitz der Zinscoupons durch Vorzeigung der Obligationen oder sonst in glaubhafter Weise dargethan wird, nach Ablauf der Verjährungsfrist der Betrag der angemeldeten und bis dahin nicht , n,. Zins coupons gegen Quittung ausgezahlt werden. Mit dieser Schuldverschreibung sind zehn halbjährige Zins- coupons ausgegeben; die ferneren Zinscoupons werden für fünfjährige Perioden ausgegeben werden. Die Ausgabe einer neuen Zinẽ coupons Serie erfolgt bei der Kämmereikasse zu Grabow 4. O. gegen Abliefe⸗
Verluste des Talons erfolgt die Aushändigung der neuen Zinscoupons- 53 an den Inhaber der Schuldverschreibung, sofern deren Vor- zeigung rechtzeitig geschieht, und es wird, daß dies geschehen, auf der Obligation vermerkt. Zur Sicherheit der hierdurch eingegangenen Verpflichtungen haftet die Stadtgemeinde Grabow a. O. mit ihrem gesammten gegenwärtigen und zukünftigen Vermögen und mit ihrer Steuerkraft. Kö . Dessen zu Urkund haben wir diese Ausfertigung unter unserer 1 66 ĩ 3 Srabow a. O., den. ten.... . Der Magtstrat.
anterschrift des Dirigenten und eines Magistratsmitgliedes unter ö 1 ; Beifügung ihrer Amtatitel.)
Regierungsbezirk Stettin.
Serie JI. Zins · Coupon (Laufende Nr. zu der des Coupons.) Grabower Stadtobligation. II. Emission m über 300 ,,, , dessen Růggab Der Inhaber dieses Zinscoupons empfängt gegen dessen Rückgabe am ö. . 34 18 .. an fälligen d i e Zinsen aus der Kämmerikasse u Grabow a. OD. . sieben Mark fünfzig Pfennige Reichswährung. D den 185 Der Magistrat. ; . Unterschrift des Dirigenten und eines Magistratsmitgliedes.) Dieser Zinscoupon wird ungültig, wenn dessen Geldbetrag nicht innerhalb vier Jahren, vom Ablaufe des Kalenderjahres der Fälligkeit ab gerechnet, erhoben wird.
Provinz Pommern.
(Laufende Nr. des Coupons.)
Grabow a.
Regierungsbezirk Stettin. 1 ö dessen Rückgabe bei er Inhaber dieses Talons empfängt gegen dessen Rückga — der . . Grabow a. O. zu der Grabower Stadtobli⸗ gation LIter Emission Littr. D. Nr.... über 3090. Reichsmark die . Serie Zinscoupons für die fünf Jahre 18. bis 18. , sofern nicht von dem Inhaber der Obligation gegen diese Ausreichung bei dem unterzeichneten Magistrat rechtzeitig protestirt worden ist. Grabow a. O., den. ten. 18. Der Magistrat. . . (Unterschrift des Dirigenten und eines Magistratsmitgliedes,) Anmerkung zu den Schemas für die Zinscoupons und Talons. Die Namensunterschriften des Magistrats -⸗Dirigenten und des zweiten Magistratsmitgliedes können mit Lettern oder Faesimile⸗ stempeln gedruckt werden, doch muß jeder Coupon und Talon mit der eigenhändigen Namensunterschrift eines Kontrolbeamten versehen werden.
Provinz Pomm ern.
Aichtamtliches.
Frankreich. (Monatsübersicht für Augu st, Sep⸗ tember und Oktober.) Die Ratio nalversammlung hielt im Monat August noch vier Sitzungen, nämlich am 1., 3. 4. und 5, und vertagte sich sodann bis zum 30. November. Die Sitzungen waren hauptsächlich mit Debatten über das Budget ausgefüllt, auch wurde der Postvertrag zwischen Brasilien und Frankreich angenommen (1. August).
Die aus 25 Mitgliedern zusammengesetzte Perm anenz⸗ Kommision, welche ernannt worden ist, um während der Kammerferien eine gewisse Kontrole über die Regierung auszu⸗ üben, und in welcher die Rechte durch fünfzehn, die Linke durch neun Mitglieder vertreten ist, hielt am 206. August ihre erste Sitzung. Die Regierung wurde in derselben wegen der Ent⸗
pellirt. Die anwesenden Minister gaben über beide Fragen Erklärungen, mit denen sich die Majorität der Permanenz Kommisston einverstanden zeigte. Die Sitzung wurde darauf aufgehoben, ohne ein erhebliches Resultat gehabt zu haben.
Die französische . erkannte die Regierung des Mar⸗
all Serrano in Spanien an. h Der Marschall 8 zaine entwich in der Nacht vom 9 zum 10. August aus dem Staatsgefängniß auf der Insel St. Margurite. Der Kolonel Vilette, früherer Adjutant des Marschall Bazaine, wurde, der Mitwissenschaft bei dieser Flucht
achtig, verhaftet. ö. JJ der Präsident des Munizipalrathes von Paris, reichte, in Folge eines heftigen Wortwechsels mit Hrn. Duval, dem Seinepräfekten seine Entlassung ein.
Der Präsident der Republik, Marschall von Mac Ma⸗ hon, machte eine Reise durch die Bretagne, um mit der Bevöõl⸗· kerung dieser Provinz in direktem Verkehr zu treten. In St. Malo wurde er von dem Präsidenten der Handelskammer, Hrn. Hovius, empfangen, der in einer längeren Anrede über die Lage der Geschäfte in Frankreich klagte und die heutige Regierung dafür verantwortlich machen zu wollen schien. Dieser Zwischen⸗ fall erregte großes . . wurde Wochen lang in allen
n en Zeitungen besprochen. ö 66 König . on Bayern langte am 21. August in Paris an, wo er sechs Tage verweilte und im Hotel der Deut⸗ schen Botschaft seinen Aufenthalt nahm. Der König besuchte bie Schlösser von Fontainebleau und Versailles, sowie die wich⸗ tigstnn Monumente und Museen von Paris. Er empfing den Herzog Decazes, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten Der durch die Resignation des Herzogs von Larochefoucauld⸗ Bisaccia frei gewordene Posten des französischen Botschafters am englischen Hofe wird durch Herrn von Jarnaec wiederbesetzt.
Bei der in Calvados stattfindenden Ers atzwahl zur Na⸗ tionalversammlung wurde der bonapartistische Kandidat Herr Le Provost de Launan gegen den republikanischen Kandidaten Hrn. Aubert mit einer Majorität von 14 000 Stimmen erwählt.
Der Abbe Rapp aus Straßburg wurde zum Kanonikus zweiter Ordnung beim Kapitel zu St. Denis ernannt,
Dem „Journal du Hävren, einem weitverbreiteten Pro⸗ vinzialblatte, wurde wegen ungebührlicher Aeußerungen über die Kaiferin von Oefterreich der Straßenverkauf verboten.
Der Staatsmann Hr. k la Roquette starb
12. August im Alter von ahren. 4 Die ö hielt im Monat September zwei Sitzungen, am dritten und am siebzehnten. Die Regierung
weichung Bazaine' s, und über die Anerkennung Spaniens inter⸗
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Anerkennung Spaniens und die Stellung des FKonsuls Lindau in Bayonne interpellirt. Die Minister, Hr. Chabaud Latour, Minister des Innern, und Herzog Decazes, Minister des Aus⸗ wärtigen, erklärten die Anerkennung der spanischen Regierung als eine vollendete Thatsache, über die jede Diskussion unnütz sein würde. Die Stellung des Konsul Lindau bezeichaete der Herzog Decazes als eine vollständig regelmäßige. Hinsichtlich der Presse bedauerte der Minister des Innern das Fehlen eines Preßgesetzes, bemerkte jedoch gleichzeitig, daß die Presse niemals so frei gewesen sei, wie heute. Gegen das Bergersche Manifest verweigerte die Regierung im Interesse der Wahlfreiheit ein⸗
uschreiten. 3 der Ersatzwahl
Bei zur Nationalversammlung im Departement Maine⸗et⸗Loire wurde der republitanische Kandidat Maillé gegen den bonapartistischen Kandidaten Berger und den septennalistischen Bruas mit schwacher Majorität gewãhlt. Graf Chaudordy, ehemaliger französischer Botschafter in Bern, wurde zum Botschafter in Madrid ernannt.
Der Großfürst Constantin von Rußland besuchte auf der Reise nach Biarritz Paris, wo er sich mehrere Tage aufhielt Die Pariser Zeitung, „Univers“, brachte am 7. September einen sehr heftigen Artikel gegen den Marschall Serrand und wird deswegen auf vierzehn Tage suspendirt. Diese Maßregel erregte großes Aufsehen. . . . Der Jahrestag der Revolution vom 4. September ging in ganz Frankreich ruhig vorüber. In Meze und, Montpellier allein fanden einige . statt, die das Einschreiten der bewaffneten Macht nöthig machten.
ö . der Republik, Marschall von Mac Mahon, nachdem er von seiner Rundreise durch die Bretagne zurück⸗ gekehrt war, besuchte die nördlichen Departements von Frankreich. Der spanische Botschafter, Marguis Veja de Armijo, wurde am 11. September vom Marschall Mac Mahon zum ersten Male offiziell empfangen. . . r . es Bonaparte stellte sich bei den Gene⸗ ralrathswahlen in Korsika den Wählern von Ajaccio unter den Auspizien des Kaiserlichen Prinzen vor und wurde bei dieser Gelegenheit in eine heftige Polemik mit dem Prinzen Jerome Napoléon verwickelt. Letzterer sagte sich in Folge dessen von der Partei des Kaiserlichen Prinzen vollstandig los.
Der Oberst Baron von Stoffel, welcher in Folge des Bazaine'schen Prozesses angeklagt worden war, eine Depesche an den Marschall Mac Mahon unterschlagen zu haben, wurde, da die Anklage gegen ihn nicht zu begründen war, aus der Haft entlassen. Er veröffentlichte zu seiner Vertheidigung eine Bro⸗ schure, welche vom „Journal officiel⸗ für unrichtig und ungenau erklärt ward. Der Baron von Stoffel hielt in einem offenen Antwortschreiben Alles aufrecht, was er gesagt hatte.
Hr. Gam betta veröffentlichte kurz vor den Generalraths⸗ wahlen ein Manifest an die repüblikanische Partei. Er betonte darin, daß den Wahlen ein politisches Gepräge aufgedrückt wer⸗ den müsse, um zu beweisen, daß unter den Republikanern kein Mangel an praktischen Männern sei, welche geeignet wären, die Geschäfte des Departements zu leiten und zu überwachen.
Das Kriegsschiff Orénoque“, welches lange Zeit vor Civita⸗Vecchia gelegen hatte, und dem Papste zur Disposition gestellt worden war, ist am 28. September nach Frankreich zurückgerufen. Diese Maßregel wurde von den regierungsfreund⸗ lichen Blättern und von den republikanischen Zeitungen gelobt, erregte aber auf der andern Seite große Entrüstung in der ultra⸗ montanen Presse. .
Der . Staatsmann und Schriftsteller Guizot starb am 12. September im vollendeten 87. Lebensjahre.
Die Permanenzkommission hielt im Monat Oktober drei Sitzungen, am 1, 15. und 29. Oktober. Das Ministerium wurde wegen der Abberufung des Orénoque“ und wegen der spanischen Note interpellirt. Der Herzog Decazes, Minister . Auswärtigen, gab über diese Fragen beruhigenden Bescheid, un hatten diese Interpellationen weiter keine Folgen. Eine Anfrage an das Ministerium in Bezug auf die Verhaftungen in Mar⸗ seille wurde mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß das Mini⸗ sterium die Verantwortlichkeit für die getroffenen Maßregeln übernehme. . . Generalrathswahlen vom 4. Oktober lieferten nach den Notizen der Agence Havas“ folgendes Resultat: Es wurden gewählt 851 Konservative und 501 republikanische Ge⸗ neralräthe; in 79 Fällen fanden Stichwahlen statt. .
Bei den Ersatzwahlen zur National versammlung in den Departements Seine⸗et⸗Dise, Alpes maritimes und as de Ea⸗ lais wurden gewählt der Republikaner Senaro gegen den . partisten Herzog von Padoue, und die republikanischen Kandl⸗ baten Medecin und Chires, im Departement Pas⸗de⸗-Calais, wo sich der Bonapartist Delisfse⸗Engrand, der Republikaner Bras me und der Legitimist Jonglez de Ligne gegenüberstanden, kam es zu keinem Resultat und wird dort eine neue Wahl stattfinden.
Herr Thiers unternahm eine Reise durch Italien wo ihm an vielen Orten ein glänzender Empfang zu Theil wurde. . Reden, welche er bei en 3 33 , wurden von der antirepublikanischen Presse lebhaft angegriffen. ö
2 a . geren Marquis Veja de Armijo, über⸗ reichte dem Herzog Decazes, Minister des Auswärtigen, 6. Note betreffs der Haltung der französischen Regierung h. Tarlisten gegenüber. Diese Note machte großes Aufsehen un wurde von der französischen Presse mit nur wenigen Ausnahmen . getadelt.
Dem H
rzog von Broglie wurde die Ehre zu Theil, den ge cen 6. Mar Mahon, Präsidenten der Republik, auf
i losse bewirthen zu können. 4 . 9 zog ö 1 Minister des Auswärtigen,
Reise nach Südfrankreich und hielt in Bordeauz eine Rede, in welcher er die friedfertige Politik des heutigen Kabinets betonte. Die französische Presse sprach sich ganz allgemein mit großer Befriedigung über diese Rede aus. Die ultramontanen Zeitungen allein, indem sie auf die Anerkennung Spaniens und die Abberufung des „Ors⸗ noque“ Bezug nahmen, klagten den Herzog von Decazes an, die Würde Frankreichs der Fürcht vor möglichen Komplikationen mit Italien und Deutschland aufgeopfert zu haben. . Den republikanischen Zeitungen „Sie cle“ und XIX Sisele“ wurde der Straßenverkauf un tersagt.
begab sich auf eine
wurde in denselben über Maßregeln gegen die Presse, über das
rung des der älteren Zinscoupons⸗Serie beigedtuckten Talons. Beim
Wahlmeanifest des bonapartistifchen Kandidaten Berger, die
Der legitimistische Deputirte General du Tem plle ver⸗