Nach Beendigung des 3. Treibens fand um 114 Uhr auf einer prächtigen, vom Walde umschlossenen Wiese das Dejeuner statt. Se. Majestät der Kaiser nahmen hierbei an einer Tafel Platz, die unter einem umfangreichen Jagdzelt errichtet war. In der Nähe des Zeltes hatte die Hofküche eine Feldküche eingerichtet, wo die Speisen zubereitet wurden.
Gegen 41 Uhr Nachmittags wurde Strecke gemacht. Die⸗ selbe ergab 34 Rehe, 486 Fasanen, 111 Hasen und einen Bussard. Se. Majestüt hatten hiervon geschossen: 7 Rehe, 24 Fasanen und 11 Hasen.
Se. Majestät der Kaiser verließen demnächst mit dem Gefolge das Jagdrevier und kehrten unter dem jubelnden Zu⸗ rufe des Publikums nach der Stadt zurück.
Als Jäger hatten sich am ersten Jagdtage an der Jagd betheiligt außer Sr. Majestät, Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen, dem Prinzen Carl, dem Prinzen Friedrich Carl und dem Herzog Wilhelm von Mecklenburg, der General⸗ Adjutant Graf v. d. Goltz, die Flügel-Adjutanten Fürst Radziwill und Graf Lehndorff, der Hofmarschall Graf Per⸗ poncher, der Leibarzt Dr. von Lauer, Hauptmann von Liebenau, Major von Prittwitz, Rittmeister Graf Wartens⸗ leben. Außerdem waren durch Jagdeinladungen beehrt morden die Herzöge v. Ratibor und v. Ujest, der General⸗Lieutenant Graf v. Brandenburg, der Ober⸗Präfident Frhr. v. Nordenflycht, General der Kavallerie v. Tümpling, Graf Jork v. Wartenburg und der Landschafts⸗Direktor Baron v. Scherr⸗Thoß. Se. König⸗ liche Hoheit der Prinz August von Württemberg war durch Un⸗ wohlsein an der Theilnahme bei der Jagd verhindert. Geleitet wurde die Jagd von dem Oberst⸗Jägermeister Fürsten v. Pleß und dem Hofjägermeister v. Heintze.
Um 7 Uhr Abends begann das von den Kreisständen dar⸗ gebotene und von Sr. Majestät dem Kaiser angenommene Diner. In der aufs Festlichste illuminirten Stadt wogte, wie am Abend vorher, die Menschenmenge noch bis zu später Stunde dicht⸗ geschaart auf den Straßen, und vor Allem auf dem Platze vor dem Ständehause, wo Se. Majestät Wohnung genommen hatten.
Der zweite Jagdtag, am Sonnabend, 7. d. M., begann früh 79 Uhr wiederum mit einer von den sechs Militär⸗Kapellen aus⸗ geführten Morgenmusis'. Gegen 8; Uhr erschienen Se. Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit der Kronprinz und Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl. Kurz vor 9 Uhr bestiegen Se. Majestät den Wagen, und nun setzte sich der Jagdzug in Bewegung. Im Fürstenwalde von Linden fanden zwei Feld⸗ und drei Wald⸗ treiben statt. Se. Majestät der Kaiser und König erlegten 3 Rehe, 1 Fasan und 36 Hasen. — Das von Ma⸗ jestät gegebene Diner begann um 51 Uhr und endete etwa eine Stunde später. An demselben nahmen 48 Personen Theil. Um 7 Uhr 10 Minuten erfolgte die Abfahrt Sr. Majestät un⸗ ter den Hochs des zahlreich auf dem Bahnhofe versammelten Publikums. Die äußersten Spitzen der Behörden hatten sich auf dem Bahnhofe eingefunden. Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl blieb noch in Ohlau zurück.
Die Gesammtstrecke der am 6. und 7. im Fürstenwald und auf der Feldmark Linden bei Ohlau abgehaltenen König⸗ lichen Hofjagden beziffert sich auf: 97 Rehe, 559 Fasanen, 447 Hasen, 2 Rebhühner, 2 Füchse und 3 Raubvögel, zusammen 1110 Stück Wild.
— Se. Majestät der Kaiser und König gedenken Sich am Donnerstag, 12. d. Mts.,, von hier über Gardelegen zur Abhaltung der diesjährigen Hofjagd nach Letzlingen zu begeben. Die Abreise erfolgt Nachmittags 3 Uhr 30 Minuten mittelst Extrazuges der Lehrter Bahn bis Gardelegen, von wo Se. Majestät zu Wagen weiterreisen und Abends 6 Uhr 15 Minuten in Letzlingen eintreffen. Das Logis nehmen Se. Majestät im dortigen Jagdschlosse. Am Freitag Morgen um 9 Uhr erfolgt Aufbruch zur Jagd nach dem Revier Colbitz. Vor dem Dejeuner findet ein Lapptreiben und nach demselben eingestelltes Jagen statt. Nach der Rückkehr nach Letzlingen ist um 7 Uhr Diner im Jagdschlosse. Am Sonnabend finden die Jagen in dem Revier Jävenitz, und zwar Vormittags wieder ein Lapptreiben und nach dem Dejeuner eingestelltes Jagen statt. Nach dem Diner im Jagdschlosse um 5 Uhr 30 Minuten erfolgt die Rückreise auf demselben Wege und die Ankunft in Berlin um 10 Uhr 15 Minuten.
— Morgen, 10. d. Mts., findet Königliche Parforce⸗ Jagd statt. Rendezvous Mittags 1 Uhr beim Jagdschloß Stern.
— Der Bundesrath hielt am 7. d. M. die 41. Plenar⸗ sitzung. Den Voisitz führte der Staats⸗-Minister Dr. Delbrück.
Zur Vorlage kamen der Entwurf eines Gesetzes wegen Ein⸗ führung des Quartierleistungs⸗Gesetzes vom 25. Juni 1868 in Württemberg, ferner die Schreiben des Präsidenten des Reichs⸗ tags über die vom Reichstage beschlossene Genehmigung: a. des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung verschiedener Artikel des Lübischen und Rostocker Rechts; b. des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Disziplinarkammer für Reichs⸗Eisenbahnbeamte im Auslande; (. des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Gesetzes über das Post-Taxwesen; d. des Postvertrages mit Chili; e. des Postvertrages mit Peru.
Hierauf folgte eine Mittheilung über die Errichtung eines Marine⸗Lazareths in Jokohama.
Sodann wurde Beschluß gefaßt in Betreff der Einführung eines einheitlichen Zeichens für „Mark“.
Ausschußberichte wurden erstattet über: a. den Entwurf einer Noth⸗ und Lootsen⸗Signalordnung für Schiffe auf See ꝛc.; b. den Entwurf eines Gesetzes über die zu erhebende Abgabe von der Branntweinbereitung in den Hohenzollernschen Landen; c. den Erlaß der Uebergangsabgaben für das auf dem Trans⸗ port unter Begleitschein abhanden gekommene Gut; d. die Tara⸗ vergütung für Südfrüchte.
Endlich wurden einige Eingaben vorgelegt.
— Heute trat der Ausschuß des Bundesrathes für Zoll⸗ und Steuerwesen zu einer Sitzung zusammen.
— In der heutigen (6.) Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tags, welcher der Präsident des Reichstanzler⸗Amts, Staats⸗Mi⸗ nister Dr. Delbrück, der General⸗Major von Voigis⸗Rhetz, der Oberst Fries, ferner der Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Michaelis und zahlreiche Fommissarien beiwohnten, wurde von der erfolgten Wahl der Mitglieder der Budget⸗Kommission, der Kommissionen zur Vorberathung der Gesetzentwürfe über den Landsturm, über die Ausübung der Kontrole über Personen des Beurlaubtenstandes, über die Einrichtung und Befugnisse des Rechnungshofes, sowie der Kommissionen zur Prüfung des Haushalts für 1873 und der allgemeinen Rechnungen für 18671871 und von der er⸗ folgten Konstituirung dieser Kommissionen Mittheilung gemacht, sodann ein Schreiben des Reichskanzlers um Ertheilung der Genehmigung zur gerichtlichen Verfolgung des Schneider⸗ gesellen Suhr zu Weißenfels wegen Beleidigung des Reichstags
der Geschãftsordnungs⸗Kommissic m überwiesen und hierauf in die erste Berathung des Reichshaus! ilts⸗Etats für 1875 (S. unter Reichstags⸗Angelegenheiten) ein treten, welche der Staats⸗Mi⸗ nister Präsident Dr. Delbrück mit einer Uebersicht über die all⸗ gemeine Finanzlage des Reiches inleitete.
Der Abg. Richter (Hagen) sprach sodann den Wunsch aus, daß die Praxis, bei Beginn des Etatsjahres allgemeine Ueber⸗ sichten über die Finanzlage des noch laufenden zu geben, sich hier einbürgern möge. An dem Etat selbst machte Redner ver⸗ schiedene Ausstellungen in formeller und materieller Hinsicht. Er tadelte es, daß man die Ausgaben der Pensionen für Civil⸗ und Militärbeamte zusammengefaßt habe. Der Militär⸗Etat sei unvollständig und in einem Zustande, der die Prüfung, ja sogar das Verständniß desselben fast unmöglich mache. Am mangel⸗ haftesten seien die Zusammenstellungen in den Titeln 20-31. Uebrigens sei es, nachdem man über den Militär⸗Etat 10 Jahre hindurch nicht berathen habe, ganz unmöglich, ihn jetzt in einem Jahre vollständig durchzuberathen. Auch der Marine⸗Etat sei derart beschaffen, daß wenigstens einige Titel desselben an die Budget⸗Kommission üwrden verwiesen werden müssen. Die Er⸗ höhung der Matrikularbeiträge um 8 Millionen Thaler sei durchaus nicht nothwendig und von tief einschneidender Wirkung auf die gesammte Finanzentwickelung. Es sei nicht konstitutio⸗ nell und auch nicht wirthschaftlich, an Steuern mehr zu erheben, als man nothwendig brauche.
Bei Schluß des Blattes hatte der Abg. Graf Minnigerode das Wort.
— Nach der Cirkularverfügung des Finanz⸗Ministers und des Ministers der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten vom 10 No⸗ vember v. J. bildet die Anwendung des öffentlichen Sub⸗ missions⸗ und Lizitationsverfahrens bei fiskalischen Bauausführungen zwar nach wie vor die Regel; falls jedoch Gründe vorliegen, von demselben abzusehen, soll es dazu der Genehmigung der Bezirksregierungen (Landdrosteien) und, falls die Genehmigung ertheilt wird, einer Anzeige darüber bei den Ministern nur dann bedürfen, wenn der Werth der baulichen Ausführung den Betrag von 50 Thalern übersteigt.
Nachdem durch die Cirkularverfügung des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten vom 16. Mai d. J., im Einverständnisse mit sämmtlichen betheiligten Ressortchefs die Grenze für das Erforderniß der Veranschlagung, Revision und Abnahme bei fiskalischen Bauten, soweit dieselben nicht zum Ressort der Militär⸗ oder der Domänen⸗ und Forstverwaltung gehören, auf 100 Thaler hinaufgerückt worden ist, haben auch der Finanz-Minister, der Minister des Innern und der Minister der geistlichen 2. Angelegenheiten auf denselben Betrag die Grenze
hinaufzurücken beschlossen, innerhalb deren die Baubeamten nach
Befinden des Falles selbständig das beschränkte Sub⸗ missionsverfahren, oder die Verdingung aus freier Hand an die Stelle des öffentlichen Submissions- und Lizitationsverfahrens treten zu lassen befugt sind. Bei Bauausführungen, deren Werth unter dem Betrage von 100 Thalern bleibt, bedarf es daher, soweit dieselben zu den gedachten Ressorts gehören, künf⸗ tighin der Einholung der Eenehmigung der Bezirksregierungen zur Emngehung des öffentlichen Submissions⸗ ꝛc. Verfahrens nicjt Erest und dem entsprechend auch keiner den Ministern zu ersn.Staren Anzeige. Dabei soll jedoch auch ferner strenge an dem Grundsatze festgehalten werden, daß ein beschränktes Sub⸗ misstonsverführen, oder Ae Verdingung aus freier Hand nur dann eintreten darf, wenn davon ein besserer Erfolg mit Be⸗ stimmtheit erwartet werden kann.
— Nach einem Spezial⸗Erlaß des Ministers des Innern vom 15. v. M. geht der Vorsitz im Kreisausschufsse auf den Kreis-Deputirten nur dann über, wenn er den Land⸗ rath, wie z. B. bei einer Beurlaubung des letzteren, in der ge⸗ sammten landräthlichen Verwaltung vertritt, während in vorüber⸗ gehenden Behinderungsfällen des Landraths, in denen an sich der Kreissekretär zur Vertretung des Landraths berufen sein würde, nicht dieser, sondern das hierzu vom Kreisausschusse ge⸗ wählte Mitglied den Vorsitz zu übernehmen hat.
— Für einzelne Nummern der Amtsblätter und öffent⸗ lichen Anzeiger, sowie für Belagsblätter über die geschehene Aufnahme von Bekanntmachungen in diese Blätter wird gegen⸗ wärtig pro Bogen ein Silbergroschen erhoben und demnach für die Theile eines Bogens resp. , 1 und 1, Silbergroschen. Nach der zum J. Januar k. J. bevorstehenden Einführung der Reichsmarkrechnung läßt sich diese Theilung nicht festhalten, in⸗ dem ste zur Rechnung mit Bruchpfennigen führen würde. Der Minister des Innern hat daher angeordnet, daß vom 1. Januar 1875 ab bei der Verabreichung einzelner Nummern und Belags⸗ blätter von den Amtsblättern und öffentlichen Anzeigern für einen ganzen Bogen sowohl wie für dreiviertel Bogen zehn Reichspfennige, für einen halben Bogen und ebenso für einen viertel Bogen fünf Reichspfennige zu erheben sind. Hierdurch wird in der unentgeltlichen Verabreichung von Belagsblättern zu den kostenfreien Insertionen in den gedachten Blättern nichts geandert.
— In einem jüngst (am 12. Oktober er.) ergangenen (und von uns zur Zeit auch erwähnten) Erkenntniß des Ober⸗-Tribu⸗ nals, nach welchem der religiöse Unterricht in der Volksschule eine öffentliche Amtsthätigkeit ist, wird ein kurzer Ueberblick über die historische Entwickelung des Verhältnisses zwischen Staat und Schule in Preußen während der beiden letzten Jahrhunderte bis zur Gegenwart gege⸗ ben: „Es ist unbestritten, daß in einer früheren Periode der Schulunterricht Kirchensache und der Schullehrer Kirchendiener gewesen; allein nach der Reformation hat sich dieses Verhältniß geändert, und der Staat hat eine sich mehr und mehr stärkende unmittelbare Einwirkung auf das Schulwesen erlangt. Diese Sut⸗ wickelung der Dinge, welche bereits in dem für die katholischen Schu⸗ len in Schlesien ergangenen Reglement vom 3. November 1765, sowie in dem allgemeinen Landes⸗Schulreglement vom 12. August 1763 sehr entschieden sich zeigte, fand ihren Abschluß in dem Allge⸗ meinen Landrecht Th. II. Tit. 12 der Artikel, daß das Verhält⸗ niß der Geistlichkeit als Beamte der Schule schlechthin und ohne Unterscheidung zwischen Religions- und sonstigen Unterricht nicht weniger scharf hervortrat, als die staatliche Eigenschaft der Schule selbst. Die Schulen sind hiernach Veranstaltungen des Staates, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kennt⸗ nissen und Wissenschaften zur Absicht haben (Tit. 12 8. I). So⸗ weit sie öffentliche sind, unterliegen sie der Aufsicht des Staates (5. 9), welche Letzterer in den gemeinen, dem ersten Jugendunterricht gewidmeten Schulen durch die Gerichtsobrigkeit unter Zuziehung des Gemeindegeistlichen ausübt (5. 12). Diese haben sich beide nach den vom Staate ertheilten und genehmigten Schulordnungen zu richten und nichts vorzunehmen, was denselben zuwider ist (§. 15). Fin⸗ den sie bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften
Zweifel, so muß der geistliche Vorsteher der dem Schulwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde davon Anzeige machen, und eben dieser Behörde gebührt die Entscheidung, wenn die Obrigkeit sich mit dem geistlichen Schulvorsteher über eine bei der Schule zu treffende Anstalt oder Einrichtung nicht vereinigen kann (55. 16 und 17). Die Schullehrer bestellt in der Regel die Gerichtsobrigkeit (5. 22). Der Prediger des Orts ist aber schuldig, nicht nur durch Aufsicht, sondern auch durch eigenen Unterricht des Schullehrers sowohl, wie der Kinder zur Er⸗ reichung des Zwecks der Schulanstalten thätig mitzuwirken (5. 49). — Dieser Oberaufsicht des Staats ist denn auch seit⸗ her in neueren Verordnungen, z. B. in dem Schulreglement vom 18. Mai 1801 für die niederen katholischen Schulen in Schlesien gehandhabt worden. Insbesondere rücksichtlich des Religionsunterrichts bestimmt 8. 3 der Verfügung des Ober⸗ Präsidenten von Schlesien vom 29. Juli 1832, daß der Lehrer den „elementaren! Religionsunterricht zu ertheilen, der Pfarrer jedoch desselben sich soweit als möglich und unbedingt alsdann anzunehmen habe, wenn der Lehrer anderer Konfession ist. In diesem Allen spricht sich auf das Klarste aus, daß der Staat die vollständige Herrschaft über die Schule, einschließlich des Religionsunterrichts, für sich in Anspruch genommen und dabei der Geistlichkeit als solcher nur eine Mitwirkung dabei für seine Zwecke eingeräumt hat. — In diesem Zustande ist auch durch die Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 eine Aenderung nicht eingetreten. Zwar enthält dieselbe in Art. 24, 2 die Bestimmung: „den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betr. Religionsgesellschaften; allein diese Bestim⸗ mung, deren Bedeutung und Tragweite für das Verhältniß des Staats zum Religionsunterricht in der Volksschule hier ganz dahin gestellt bleiben kann, gehört zu denen, welche nach dem klaren Wortlaut des Art. 112 der Verfassung bis zum Erlaß des im Art. 26 vorgesehenen, bis jetzt aber noch nicht zu Stande gekommenen allgemeinen Unterrichtsgesetzes in ihrer Anwendung suspendirt worden sind, und hat daher einstweilen nur die Bedeutung einer Richtschnur für den Gesetzgeber gestattet dagegen keine Schlußfolgerungen für die noch zu Recht bestehende ältere Gesetzgebung. — Ebensowenig hat das Gesetz vom 21. März 1872, betreffend die Beaufsichtigung des Unter⸗ richts und Erziehungswesens in dieser Beziehung irgend eine Aenderung hervorgerufen. Denn dasselbe hat nur die Schul⸗ aufsicht im Allgemeinen, abgesehen von dem Religionsunterricht, geregelt, in letzterer Hinsicht aber nichts Anderes gesagt, als daß der Art. 24 der Verfassungsurkunde unberührt bleibe, wodurch 256 unmittelbare praktische Anwendbarkeit keineswegs anerkannt worden ist.“
— Mit Genehmigung des Chefs des Generalstabes der Armee wird morgen ein Detachement der 3. Compagnie des Eisenbahn-Bataillons in der Stärke von 3 Offi— zieren, 6 Unteroffizieren und cires 50 Mann unter dem Kommando des Hauptmanns Knappe zum Legen des Ober⸗ baues auf der Strecke Zossen⸗Berlin nach Groß⸗Machnow ab⸗ rücken und dort auf einige Zeit Quartier nehmen. Demnächst wird dasselbe voraussichtlich auf circa 3 bis 4 Wochen nach Dahlewitz umquartieren. Ein anderes Detachement derselben Compagnie des Eisenbahn⸗Bataillons begab sich heute nach Zossen und wird daselbst ungefähr 3 bis 4 Wochen verbleiben. .
— Das am 11. September er. zur Ausführung von Unter— iunnelungs⸗Arbeiten an der Berlin⸗Dresdener Eisenbahn in der Stärke von 1 Offizier, 4 Unteroffizieren und cirea 40 Mann nach Dresden abgerückte Detachement des Eisenbahn Bataillons ist von dort hierher zurückgekehrt.
— Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte Ministerial⸗Rath Los ist aus München hier eingetroffen.
— Der General⸗-Arzt 1. Klasse und Corps⸗Arzt des XII. (Königlich sächsischen) Armee⸗Corps Roth ist nach beendigtem Urlaub von hier wieder abgereist.
— S. M. S. „Gazelle“ hat am 8. September er. Nach⸗ mittags Banana verlassen, traf am 26. dess. Mts. auf der Rhede von Capstadt ein und beabsichtigte am 3. Oktober er. die Reise nach Kerguelen⸗Island fortzusetzen.
Breslau, 6. November. Im Amtsblatt wird die Urkunde vom 15. September d. J. von der Königlichen Regierung in Breslau und dem katholischen Bischof Joseph Hubert Reinkens unter dem Namen „altkatholische Parochie Breslau“ errichtete katholische Parochie veröffentlicht. Dieselbe ist unterm 30. September d. J. von dem Minister der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten genehmigt worden.
Coblenz, 5. November. Im Amtsblatt wird eine Dienst⸗Instruktion für die Königlichen Kreis-Schul— Inspektoren der katholischen Elementarschulen des Regierungsbezirks Coblenz, vom 16. Oktober 1874, ver⸗ öffsgNdglicht.
Muskau, 5. November. (G. N.) Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Dänemark feierte am Sonnabend hierselbst ihren Geburtstag. Den festlichen Tag be⸗ grüßten Vormittags 10 Uhr 12 Kanonenschüsse. Mittags fand im Schlosse Gratulationscour statt, an welcher sich auch Depu⸗ tationen der Behörden und der Geistlichkeit betheiligten. Um dieselbe Zeit hatte die Kapelle des 52. Infanterie⸗Regiments aus Cottbus im Schloßhofe Aufstellung genommen und trug die dänische, schwedische, niederländische und russische Nationalhymne vor. Nach⸗ mittags wohnten die Herrschaften der Darstellung einer wendi⸗ schen Hochzeit, welche im Schloßhofe stattfand, bei und unter⸗ nahmen sodann eine längere Ausfahrt. Um 6 Uhr fand Gala⸗ diner statt, zu welchem die Repräsentanten der Behörden und der Geistlichkeit befohlen waren. Ein imposanter Fackelzug (gegen 459 Lampions), ausgeführt von der Bürgerschaft, der Schützen⸗ gilde, dem Krieger⸗ und dem Turnverein, sowie der Schuljugend, bewegte sich gegen 8 Uhr Abends unter Vorantritt der genannten Militärkapelle vom Marktplatze aus durch die Schloßstraße nach dem Schlosse und nahm Aufstellung im Schloßhofe. Am Haupt— portale des Schlosses begrüßte Sanitäts⸗Rath Dr. Prochnow Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Danemark, die Glück⸗ wünsche der Bürgerschaft darbringend. Nach einem Gruß der Schulen, gesprochen von jungen Mädchen in deutscher, englischer und französischer Sprache, brachte der Major der Schützengilde, Bürgermeister Köhler, unter dem Donner der Geschütze ein drei⸗ faches Hoch aus. — Heute früh reisten Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Däne—⸗ mark nach siebentägigem Aufenthalte von hier wieder ab. Gleich⸗ zeitig begab sich Se. Durchlaucht der Fürst zu Wied nach Neu⸗ wied, wo derselbe acht Tage zu verweilen und sodann wieder nach Schloß Muskau zurückzukehren gedenkt.
Bayern. München, J. November. (Allg. Ztg.) Die gestern Abends im Saal der Westendhalle abgehaltene Versamm⸗
lung zur Gründung des „Vereins der liberalen Reichs⸗
freunde zu München“ war zahlreich besucht. Hr. Magistrats⸗ Rath Eckart führte den Vorsitz. Der Entwurf der Statuten für den neuen Verein (aus welchen wir die wesentlichsten Bestim⸗ mungen bereits vor einigen Tagen mitgetheilt haben) wurde vom Hrn. Landtagsabgeordneten und Staatsanwalt Wülfert mit
einer nach Inhalt und Form gleich ausgezeichneten Rede moti⸗
virt und derselbe dann auch von der Versammlung mit Ein⸗ stimmigkeit angenommen. Es folgten dann sogleich die Wahlen für den Vereinsausschuß Hr. Landtagsabgeordneter Hof⸗ rath Dr. Henle sprach dann in sehr sachgemäßer Weise für die ungeschmälerte Erhaltung der Schwurgerichte, insbesondere fũt politische und für Preßvergehen, und beantragte schließlich folgende Resolution: „Wir erwarten, daß der Deutsche Reichs⸗ tag keiner Strafprozeßordnung zustimme, durch welchen die in Bayern erprobte Einrichtung des Schwurgerichts entweder ganz oder auch nur für politische oder für Preßvergehen hinwegfallen würde.“ Nachdem Hr. Rechtsanwalt Dr. Gotthelf diese Re⸗ solution eingehend unterstützt hatte, wurde derselben mit Ein⸗ stimmigkeit beigestimmt. Die Resolution wurde dem Münchener Reichstagsabgeordneten, Frhrn. von Stauffenberg, mitgetheilt und wird von demselben auch bei der Berathung des Strafpro⸗ zesses im Reichstag kräftigst vertreten werden.
— Im ‚„Badischen Beabachter“ war aus München be⸗ hauptet worden, daß der Alt katholizismus hier in voller Auf⸗ lösung begriffen, der Sekretär des Comités entlassen sei und die Gasteigkirche nicht mehr besucht werde; in Folge dessen wird in heute erschienener Nr. 45 des „Deutschen Merkur“ konstatirt: I) daß Hr. Dr. Zirngiebl nach wie vor die Sekretariatsgeschäfte des hiesigen Comités versieht, 2) daß die entlegene Gasteig⸗ kapelle jeden Sonn⸗ und Feiertig, auch bei schlechtem Wetter, gut besucht, nicht selten überfüllt ist, und 3) daß der gesteigerten Anforderung der Seelsorge, zumal des Religionsunterrichts, nach Beschluß der letzten Co⸗ mitésitzung durch eine Vermehrung der seelsorglichen Kräfte in Altbayern entsprochen werden soll. Zahlen beweisen am gründlichsten. Vom Beginn dieses Jahres bis zum 5. No⸗ vember vollzog der Seelsorger der Gasteig⸗-Kapelle 45 Taufen, 15 Trauungen, 50 Beerdigungen. Im vorigen Schuljahre be— suchten 85 Kinder den altkatholischen Religionsunterricht, dar— unter wenige aus höheren Klassen; jetzt, vor Beginn des Winter— Semesters, wurden 108 Schüler angemeldet, und unter diesen besuchen 45 die höheren Lehranstalten. Angesichts der zahllosen Schwierigkeiten seien vorstehende, wenn auch an sich geringen Zahlen ein lautes Zeugniß für die zähe Lebenskraft des Altkatho— lizismus an der Isar.
— Von der Inspektion der Artillerie und des Trains wird, nach dem „Corr. v. u. f. D.“, dem Kriegs-Ministerium der An⸗ trag unterbreitet, die für den kommenden Winter bestimmte theoretische Bearbeitung taktischer Aufgaben Seitens der Offiziere, da diese durch die Einführung der neuen Reit- Fahr⸗ und Exercirvorschriften zu sehr in Anspruch genommen sind, aus⸗ fallen zu lassen, dagegen die obligatorische Einführung des in der übrigen deutschen Armee mit bestem Erfolge benützten Kriegs⸗ spiel es (eine sinnreiche Aneinanderreihung taktischer Grundsaͤtze, plastisch dargestellt und auf wirklichen Situations(Kriegs⸗) Karten zur Anschauung gebracht) anzuordnen.
Sachsen. Leipzig, 6. November. Der soeben erschienene Haushaltsplan für die Stadt Leipzig auf das Jahr 1875 weist in den Bedürfnissen und Deckungsmitteln eine Summe von überhaupt 4 082,300 Mark auf. Die hervorragendsten Posten unter den Bedürfnissen sind 405,300 Mart für das Polizeiamt, 429,200 Mark für die Wohlfahrtspolizei, S3, 715 Markfür Schulen, 330, 745 Mark für städtische und milde Anstalten, 291,266 Mark für Straßen und Wege, 560,154 Mark Zinsen, 221,810 Mark Rathsstube u. s. w. — Unter den Deckungsmitteln nehmen die städtischen Gebäude mit 411,233 Mark, die Zinsen mit 344,541 Mark die hervorragendste Stellung ein. Das Budgetdefizit be— ziffert sich auf 2 056,000 Mark.
Württemberg. Stuttgart, 6. November. Der gestrige „St.⸗A. f. W.“ meldet: Heute fand die Ueberführung der Leiche des Präsidenten und Qber⸗Trihunal⸗Raths v. Weber nach Ell⸗ wangen statt, wo der Verstorbene zur letzten Ruhe bestattet sein wollte. Am Trauerhause befand sich eine ungemein große Lei— chenbegleitung ein. Ein Königlicher Wagen eröffnete den Zug der Wagen. Unter der Fußbegleitung bemerkten wir Se. Königliche Hoheit den Herzog Eugen von Württemberg, den Königlichen Adjutanten Major Frhr. v. Baldinger, die Herren Minister, den Präsidenten der Ersßen Kammer Fürst v. Zeil-Trauchburg, den Oberst-Hofmeister des Königs Frhr. v. Valois, die Mit— glieder des Geheimenrathes, den ständischen Ausschuß, die Mit— glieder des Ober⸗Tribunals; dann folgte eine große Anzahl von Mitgliedern beider Häuser der Ständeversammlung und eine noch größere Anzahl von Freunden des Verblichenen. Der lange Leichenzug begleitete den mit Palmzweigen, Lorbeerkränzen und Blumen reich geschmückten Sarg bis zu dem Güterbahnhofe, in dessen Nähe eine Trauermusik aufgestellt war, und von welchem aus die Ueberführung des Sarges nach Ellwangen erfolgte.
— Der Prälat und Ober⸗Konsistorial⸗Rath M. Ch. G. von Moser feiert heute sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum. Die Mit⸗ glieder des Königlichen evangelischen Konsistoriums haben ihrem Kollegen zu diesem Tage eine Glückwunschadresse gewidmet.
Baden. Karlsruhe, 6. November. Ihre Majestät die Kaiserin-Königin hatte, wie seiner Zeit gemeldet wurde, am 28. v. M., in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin, unter andern An⸗ stalten auch die vom badischen Frauenverein zum Zweck der Fortbildung schulentlassener Mädchen ins Leben gerufene Luisenschule mit einem Besuche beehrt. Allerhöchstdieselbe hat bei diesem Anlasse den Zöglingen und den Gründern und Leitern der Anstalt gegenüber Ihre Befriedigung über die erhal⸗ tenen Eindrücke ausgesprochen und dieser Anerkennung neuerdings durch ein Handschreiben an Ihre Königliche Hoheit die Groß⸗ herzogin als Protektorin des badischen Frauenvereins unter gleich⸗ zeitiger Uebersendnng eines Betrags von 100 Thalern Ausdruck gegeben. Das Schreiben lautet nach der „Karlsruher Zeitung“ wie folgt:
„Ew. Königliche Hoheit wollen Mir die Freude gestatten, in dankbarer Erinnerung an Meinen Besuch in der Lanisenschule, dieser vortrefflichen Anstalt, welche die Ehre hat, den Namen ihrer Stifte⸗ rin zu tragen, beifolgende Gabe zu widmen, mit dem Wunsche, daß in der Gegenwart und Zukunft tüchtige Zöglinge aus ihr hervorgehen und die Interessen der Frauen. Erwerbsthäͤtigkeit im schönen kadischen Lande fördern mögen.
Coblenz, den 4 November 1874.
Augu sta.“
— Die gestrige Wessenberg-Feier im großen Kasino⸗ saal zu Mannheim erfreute sich einer sehr großen Betheili⸗ gung. Nach Vortrag des Männerchors „Das deutsche Lied“
erfolgte die Begrüßung der Anwesenden durch den Vorstand der altkatholischen Gemeinde, Professor Bauer, worauf Pfarrer Pro⸗ fessor Rieks in längerem fesselndem Vortrage den Lebensgang und die Bestrebungen Wessenbergs für die Rirchenreform schil⸗ derte. Mit dem Männerchor „Wir glauben All' an einen Gott“ endigte die Feier. Ein engerer Kreis blieb noch zu ge⸗ selliger Unterhaltung zusammen.
Hessen. Darmsstadt, 7. November. Der Direktor der Ober⸗Studiendirektion i. P., Geheime Rath Wilhelm Willich, ge⸗ nannt von Pöllnitz, ist zum lebenslänglichen Mitgliede der Ersten Kammer der Stände ernannt worden. — Das heute ausgegebene Großherzogliche Regierung sblatt Nr. 53 enthält u. A. das e, e, die Wittwen⸗ und Waisenkasse der Volksschullehrer be⸗ treffend.
Bremen, 5. November. Die Rechnung über die An⸗ lagekosten der neuen städtischen Wasserkunst ist jetzt vorge⸗ legt. Sie ergiebt eine Ueberschreitung der Kostenanschläge um die Summe von 311,000 Mark. Die Mitglieder der Deputation entschuldigen dies damit, daß die Anschläge damals nur approximatipv gemacht seien. Wegen verspäteter Lieferung ver⸗ schiedener Arbeiten sind mehrere Konventionalstrafen fällig.
Elsaß⸗Lothringen. Metz, 5. November. In der hie⸗ sigen Kathedrale hat gestern die Verkündigung des römischen Konsistorial⸗Dekrets stattgefunden, demzufolge die Diözese Metz der Jurisdiktion des Erzbischofs von Besangon entzogen wird, um künftighin direkt vom heiligen Stuhle abhängig zu sein. Die Verkündigung wurde, wie der „Moniteur de la Mos.“ berichtet, durch den Abbe Stumpf, Superior des Straßburger Seminars, der dazu durch den Bischof Räß im Namen des apostol. Nuntius delegirt war, vorgenommen. Die wirklichen und Ehren⸗-Domherren, sowie der ganze Pfarrklerus der Stadt waren in der Kirche anwesend, nur der Bischof Dupont des Loges war durch ein leichtes Unwohlsein abgehalten, der Cere⸗ monie beizuwohnen. Der Bürgermeister, die Beigeordneten und ein Theil der Mitglieder des Gemeinderaths von Metz waren ebenfalls in der Kirche erschienen. In Straßburg wird die Ver⸗ kündigung des Dekrets durch einen der Generaloikare des hie⸗ sigen Bischofs erfolgen, welcher dazu in üblicher Weise delegirt worden ist.
Desterreich⸗ Ungarn. Wien, 8. November. Der Kaiser hat sich gestern von Schönbrunn, die Kaiserin von Gödöllö aus nach Kladrub begeben.
— In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses überreichte der Justiz⸗Minister den Entwurf eines neuen Straf— gesetzbuchs mit der Erklärung, daß die Grundlage und ein nicht geringer Theil der Bestimmungen desselben sich dem deutschen Reichsstrafgesetzbbpuche anschließe. Es sei dadurch zunächst der Vortheil erreicht, daß die österreichische Gesetzgebung dem großen Zuge folge, welcher die Strafgesetzgebung Europa's seit dem Beginne dieses Jahrhunderts in unverkennbarer Weise be⸗ herrsche. Selbstverständlich sei der Entwurf nicht eine unbedingte Nach⸗ ahmung, vielmehr hätten die eigenthümlichen politischen Verhält— nisse und manche werthvolle kriminalistische Traditionen Oester⸗ reichs in demselben eingehende Berücksichtigung gefunden. Was die Arbeiten wegen Regelung des Polizeistrafrechts betreffe, so seien dieselben im Gange und bereits sehr weit vorgeschritten.
Das Haus nahm die Erklärung des Ministers sehr bei⸗ fällig auf und setzte, nachdem ein Antrag, betreffend die gesetz⸗ liche Berechtigung zur Errichtung von Freimaurerlogen, an den Vereinsausschuß überwiesen worden war, die Spezialdebatte über das Aktiengesetz fort und nahm die Artikel 173 bis 180 des Aktien— gesetzes unverändert nach den Ausschußanträgen, den Artikel 181 mit einer wesentlichen Modifikation an.
Der Finanz⸗Minister Freiherr v. Pretis legte eine Re⸗ gierungsvorlage, betreffend den Abschluß eines Uebereinkommens mit der Landesvertretung von Istrien zur Regelung des Ver⸗ hältnisses des Staates zu dem Grundentlastungsfonds für Istrien, zur verfassungsmäßigen Behandlung vor.
— Der Budgetausschuß nahm eine Resolution an, wo⸗ durch die Regierung aufgefordert wird, noch in dieser Session eine Gesetzvorlage einzubringen, wodurch der Zeitungs stempel auf die Hälfte des gegenwärtigen Betrags herabgesetzt wird. Der Antrag betreffs einer gleichen Begünstigung des Kalender— stempels wurde abgelehnt.
Pest, J. November. Das Abgeordnetenhaus nahm in seiner gestrigen Sitzung die Modifikationen in der Advokatursvorlage dem Oberhaustexte gemäß an bis auf die Bestimmung über die Zusammensetzung der Disziplinar⸗ gerichte der Advokatenkammern. Das Oberhaus wünscht die Beiziehung zweier Mitglieder des Richterkollegiums, während das Unterhaus ein ausschließlich aus Advokaten bestehendes Disziplinargericht normirt. Die letztere Fassung wurde mit 83 gegen 77 Stimmen aufrecht erhalten. Die Dauer der Praxis ward dem Oberhaustexte gemäß auch für bereits praktizirende Kandidaten mit drei Jahren festgesetzt. Damit sind die Ober⸗ hausnuntien erledigt.
— In der heutigen Sitzung legte der Minister des In⸗ nern unter allgemeinem Beifall einen Gesetzentwurf über Auf⸗ hebung der Institution der städtischen Obergespäne vor, welcher dem Finanzausschusse zugewiesen wurde. Auf eine Interpellation Schwarz sagte der Minister des Innern für demnächst die Vor⸗ lage des bereits fertigen Inkolatsgesetzentwurfes zu. Simonyi interpellirte wegen Enthebung des Barser Obergespans und be—⸗ fragte den Minister wegen der Beweggründe. Minister Szapary erklärte, er sei nicht verpflichtet, hieruber Aufklärung zu geben, nachdem dies zur Kompetenz der Krone gehöre. Simonyi repli⸗ zirte, daß dies die konstitutionswidrigste Antwort wäre, die je in irgend einem Parlament gegeben wurde. Der
sinister Szapary antwortete, er wolle sich durchaus nicht hinter den Prärogativen der Krone verschanzen oder von der Verant⸗ wortlichkeit lossagen. Simonyi verlangte, den Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Bei der Abstimmung wurde Sza⸗ parys Antwort von der Majorität zur Kenntniß genommen. Zsedenyi erklärte nach der Abstimmung unter Zustimmung zahl⸗ reicher Deakisten, blos die zweite Antwort Szaparys zur Kennt⸗ niß genommen zu haben. Der Minister hatte ursprünglich nicht beabsichtigt, auf die Interpellation Simonyi's heute zu ant⸗ worten; erst nachdem der Präsident erklärt hatte, daß er die Sitzungen für einige Zeit unterbrechen werde, sah sich der Mi⸗ nister zur sofortigen Beantwortung veranlaßt.
Das Abgeordnetenhaus beschloß, nach vorgenommener Wahl des kirchenpolitischen Ausschusses die Sitzungen für einige Zeit zu vertagen. . .
— Im Oberhause wurden die Nuntien des Unterhauses entgegengenommen und die Verhandlung der Wahlgesetzvorlage für den 16. November anberaumt.
Bern, 6. November. Im St. Gott⸗ wurden laut amtlich mitgetheilter Rech⸗ nung der Regierung von Tessin an sämmtliche Kantone vom 1. Oktober 1873 bis 1874 an 17,221 arme Rei⸗ sende aller Nationen 64114 Rationen sammt verschiedenen Kleidungsstücken unentgeltlich verabfolgt, worunter 147 Kranke und Halberfrorene besonders eine längere Pflege erforderten und in Anspruch nahmen. Die Totalausgaben beliefen sich auf Fr. 14841. 509. Die Totaleinnahmen beliefen sich auf Fr. 133247. 15. Bleibt Rückschlag oder Mehrausgabe Fr. 1594. 35.
November. (W. T. B.) Der Ständerath hat heute das Militärgesetz zu Ende berathen und in der Generalabstimmung mit 30 Stimmen angenommen. Ein Mit⸗ glied der Versammlung enthielt sich der Abstimmung.
Niederlande. Haag, 4. November. Der König hat dem bisherigen Königlich sächsischen Gesandten im Haag, Baron von Fabrice, das Großkordon des Ordens des mederländischen Löwen verliehen. Baron v. Fabrice, welcher sich aus dem Haag nach Brüssel begeben hat, um nun auch dem Könige der Belgier, bei dem er ebenfalls als Gesandter beglaubigt ist, seine Abbe⸗ rufungsschreiben zu überreichen, wird, dem Vernehmen nach, im Laufe dieses Jahres noch einmal nach dem Haag kommen, um von der Königin, welche sich gegenwärtig in Stuttgart befindet, in einer Abschiedsaudienz empfangen zu werden.
— Die Regierung hat jüngsthin Entscheidung gefaßt bezüg⸗ lich des im letzten Sommer von dem Gemeinderathe von Amster⸗ dam an sie gerichteten Gesuchs, daß der Staat die Vollendung des Nordsee⸗Kanals übernehmen möge, um dessen Herstel⸗ lung in dem in der Konzession der Kanalgesellschaft vorgesehenen Termine, nämlich bis zum 1. August 1876, zu sichern. Die Regierung geht auf dieses Gesuch nicht ein, erklärt sich aber bereit an den Zugängen des Kanals die Wellenbrecher durch den Staat errichten zu lassen, welcher dafür drei bis vier Mil⸗ lionen Gulden aufzuwenden haben würde; sie stellt jedoch die Bedingung, daß die Kanalgesellschaft sich zu weiteren Verbesse⸗ rungen für zweckgemäße Ausführung des Unternehmens ver⸗ pflichte und die Stadt Amsterdam, welche seiner Zeit einen wei⸗ teren Beitrag von drei Millionen Gulden unter der Bedingung zugesagt, daß der Kanal bis zum 1. August 1876 fertig her— gestellt sein würde, zu einer Verlängerung dieses Termines bis zum 31. Dezember 1877 einwillige. Der Gemeinde⸗ rath von Amsterdam hat sich in seiner heutigen Sitzung mit den diesfälligen Vorlagen beschäftigt. Er nahm nach langer und lebhafter Debatte mit 23 gegen 13 Stimmen einen Antrag der Herren Nierop und Cromelin an, nach welchem eine aus vier Mitgliedern des Gemeinderathes und dem Bürgermeister als Präsidenten bestehende Kommission gebildet werden soll, welche mit der Regierung und der Direktion der Kanalgesellschaft in Berathung trete, um zwischen der Kanal⸗ gesellschaft, der Gemeinde Amsterdam und der Regierung eine Uebereinkunft zu erzielen, welche die bestehenden Differenzen be⸗
Schweiz. hards⸗Hospiz
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seitigen und Bürgschaft dafür bieten würde, daß der Nordsee⸗ Kanal am 31. Dezember vollkommen brauchbar und vollendet als Schiffahrtskanal sein werde.
Großbritannien und Irland. London, 9. Novem⸗ ber. (W. T. B.) Die „Times“ veröffentlicht in ihrer heutigen Morgennummer ein Schreiben des Erzbischofs Manning, welches sich gegendie letzte Broschüre Gladstones richtet und die in derselben gegen die Loyalität der Katholiken erhobenen An⸗ schuldigungen zu widerlegen sucht. Das Schreiben führt aus, daß Gehorsam und Treue gegen die bürger⸗ liche Obrigkeit ein Glaubenssatz der katholischen Kirche sei. Die vatikanischen Dekrete hätten weder die Verpflichtung der Bürger zur Treue gegen den Staat aufgehoben, noch dieselbe an andere Be⸗ dingungen geknüpft. Gehorsam gegen die Obrigkeit werde von allen Katholiken ebenso beobachtet, wie von allen übrigen Ehristen und allen Menschen, welche an Gott glauben oder ein über ihnen stehendes Sittengesetz anerkennen. Bei Niemandem sei indeß der Gehorsam gegen die Obrigkeit ganz unbegrenzt und die Treue gegen den Staat bei allen Menschen, welche an Gott glauben ö durch ihr Gewissen sich regieren lassen, in diesem Sinne getheilt.
Frankreich. Paris, 7. November. Das „Journal officiel veröffentlicht eine Reihe von Ernennungen von Generalen für den Großen Generalstab.
— Dem „Moniteur Universel' zufolge hat General Poureet vom Kriegs⸗Minister die strengsten Weisungen zur Wahrung der Neutralität des französischen Gebietes erhalten. Seit einigen Tagen hält sich der General in Hendaye auf, wo— hin er eine Batterie des 14. Artillerie Regiments und einige Compagnien des 34. Linien⸗Regiments gezogen. — Die „Liberte“ theilt mit, daß die Regierung dem Unter⸗Präfekten von Bayonne, Baron de Bray, 10,000 Frs. zugestellt habe, damit derselbe sie unter die gestüchteten Einwohner von JIrun vertheile.
— Der Minister des Innern hat folgendes Rund⸗ schreiben an die Präfekten gerichtet:
; Paris, 7. November.
Herr Präfekt! Mir wird von mehreren Ihrer Kollegen mit⸗ getheilt, daß die Ankündigung des Zusammentritts der Revisionsräthe für die Territorialarmee auf dem Lande einige Besorgnisse hervor⸗ gerufen habe. Es wird Ihnen leicht sein, Hr. Präfekt, die öffent⸗ liche Meinung in dieser Beziehung aufzuklären. Der Zusammentritt der Revisionsräthe, welche über die Falle der Befreiung vom Dienst in der Territorialarmee zu bestimmen haben, ist nur eine An⸗ wendung des Gesetzes, welches jeden Franzosen dem persönlichen Militärdienft unterwirft. Diese Operation muß alle Jahre er⸗ neuert werden und kann zu keinerlei Besorgniß Anlaß geben. Die Nationalversammlung votirte das Gesetz vom 77. Juli 1872 in einem friedlichen Geiste. Die Regierung bringt dieses Gesetz im nämlichen Geiste in Anwendung. Der ge—⸗ sunde Menschenverstand der Bevölkernng wird sich darüber nicht täuschen und nicht gestatten, daß man neue Maßregeln aufstellt, welche die nothwendige Folge unserer militärischen Einrichtungen sind. Ergreifen Sie eine jede Gelegenheit, um diese Thatsachen und Ver⸗ sicherungen zur Kenntniß des Publikums zu bringen. Um das Werk der Reorganisation zu Ende zu führen, welchem sich der Marschall⸗ Präsident der Republik gewidmet, bedarf es des Schutzes und der Ruhe der öffentlichen Meinung. Er zählt auf alle guten Bürger ohne Unterschied der Partei zur Ausführung eines Gesetzes, das nach unseren Unglückefällen von allen denen gefordert wurde, welche die Aufrechterhaltung der Ordnung und des Friedens wollen. Geneh⸗ migen 20.
? Der Minister des Innern, General Chabaud-Latour.
— 9. November. (W. T. B.) Ueber die gestrigen Er⸗ satzwahlen zur Nationalversammlung legen bis jetzt folgende Nachrichten vor: Im Departement de la Dröme wur⸗ den für Madier de Montjau (Republikaner) 34,702, für Morin (Bonapartist) 18109 Stimmen abgegeben; aus 120 Gemeinden liegt noch kein Wahlergebniß vor. Im Departement Oise erhiel⸗ ten Levavasseur (gemäßigter Republikaner) 17,771, André Rous⸗