1874 / 267 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Tribunal in seinem die Nichtigkeitsbeschwerde zurückweisen— den Erkenntniß aus, „ob die Gemeinschaft der Altkatholiken die katholische Kirche im Sinne des 5. 166 des Reichs⸗Straf⸗ gesetzbuchs repräsentirt, ist von der Frage unabhängig, ob und wie in rechtsgültiger Weise eine Theilung der römisch⸗katholischen Kirche stattgefunden hat oder stattfinden kann. Denn eine nach kirchenrechtlichen Grundsätzen gültige Trennung in zwei Reli— gionsgesellschaften wird von keiner der beiden Parteien behauptet; eine jede derselben erhebt vielmehr für sich den Anspruch, die Rechtsnachfolgerin der bis zum 18. Juli 1870 ungetrennt be⸗ standenen römisch⸗katholischen Kirche zu sein, und macht der an—⸗ deren Partei den Vorwurf, von letzterer willkürlich sich ge⸗ trennt zu haben. Der Richter kann mithin entweder nur beiden Parteien diesen Anspruch zuerkennen oder denseiben bei⸗ den versagen. Eine Versagung an beide Parteien aus dem Grunde, weil eine jede derfelben gegenwärtig nicht die Gesammt⸗ heit der katholischen Kirche umfaßt, würde aber offenbar da, wo es sich um Anwendung des 5. 166 des R. Str. G. B. han⸗ delt, dem Geiste dieses Paragraphen nicht entsprechen, weil da⸗ durch der Schutz, welchen der Staat den anerkannten christlichen Kirchen, namentlich auch der katholischen, hat gewähren wollen, auf das Wesentlichste beeinträchtigt werden würde. Es bleibt daher nichts übrig, als die Gemeinschaft der Altkatho—⸗ liken, obwohl sie die Gesammtheit der Katholiken nicht umfaßt, dennoch bei Anwendung des 5§. 166 des R. Str. G. B. als Repräsentanten der katholischen Kirche anzusehen.“

Bei den Antragsdelikten ist nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 14. Oktober er. der Antrags⸗ berechtigte, welcher den Strafantrag gestellt, ihn jedoch wieder vor dem gerichtlichen Erkenntniß zuruͤckgezogen, nicht mit den durch seinen Antrag veranlaßten gerichtlichen Auslagen zu belasten. Die Frage führt das Ober⸗Tribunal in seinem Er— kenntnisse aus, wem bei Antragsdelikten die dem Staate er⸗ wachsenen Kosten eines wegen Zurücknahme des Strafver— fahrens vor Verkündigung eines auf Strafe lautenden Erkennt⸗ nisses eingestellten gerichtlichen Strafverfahrens aufzulegen, und besonders in wie weit der Antragsberechtigte damit zu belasten, hat zur Zeit in der Reichsgefetz gebung ihre Lösung noch nicht gefunden und unterliegt somit der Prozeßgesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten zur alleinigen Entscheidung. In Preußen besteht für das hier allein in Betracht kommende Gebiet der Strafprozeß⸗Ordnung von 1867 eine positive Vor⸗ schrift nicht, welche dem Antragsberechtigten als folchem diese Kosten entweder direkt zuweist oder seine Verurtheilung zur Er⸗ stattung derselben ermöglicht. Von einem auf Strafklage des Staatsanwalts eröffneten Strafverfahren läßt sich niemals sagen, daß ein Anderer als der Staatsanwalt, und fei es auch der durch die That Verletzte, die Thätigkeit des Gerichts in An⸗ spruch genommen, und noch weniger, daß das Verfahren im Interesse des Verletzten von Amtswegen stattgefunden, da nach S8. 2 3 der Str. Pr. O. die Gerichte weder von Amtswegen Untersuchungen einleiten, noch der Staatsanwalt, wenn er solche veranlaßt, dabei ein anderes, als das öffentliche Interesse zu vertreten hat.

Der Postverkehr von Berlin belief sich im Jahre 1850 auf 18167 Millionen eingegangener Briefe (etwa ebensoviel abgegangen) und 700,000 eingegangener Packete; im Jahre 1873 betrugen diese Zahlen resp. 1062 Millionen und 31, Millionen. Es bestanden im Jahre 1850 in Berlin 18 Postanstalten und 127 Briefkasten, 1573 dagegen 58 und 311. Das Postpersonal der Hauptstadt bestand 1850 aus 844 Köpfen, 1873 aus 3106. Unter je 300 Berlinern ist also ein Angehöriger der Postverwal⸗ tung, und da man Greise, Frauen nnd Kinder abrechnen muß, so dürfte sich ergeben, daß von den Männern Berlins viel leicht je der hundert und zwanzigste ein Postmann ist. Trotz der vielen Eisenbahnen ist die Zahl der Berliner Postreisenden in dem gedachten Zeitraum nur von 15631 auf 14,127 gesunken. Die Einnahmen der Berliner Post sind von 95, 000 Thlr. auf 3463, 000 Thlr., die Ausgaben von 753, 384 Thlr. auf 3,503, 18 Thlr. gestiegen. .

Der General der Infanterie von Stülpnagel von der Armee und mit den Geschäften des Gouvernements von Berlin, sowie einstweilen auch mit den Geschäften des Chefs der Landgensd armerie beauftragt, welcher sich zur Inspizirung der Landgensd'armerie in den westlichen Provinzen auf Dienstreisen begeben hatte, ist hierher zurückgekehrt.

S. M. Kanonenbot „Meteor“ hat am 3. November er. Konstantinopel verlassen, ist am 11. in Smyrna eingetroffen und wird voraussichtlich am 15. d. Mts. die Rückreise nach Konstantinopel wieder antreten. An Bord Alles wohl.

Ohlau, 12. November. Der hiesige Bürgermeister ver⸗ öffentlicht folgende Bekanntmachung:

Se. Majestät der Kaiser und König haben mir den Auftrag u ertheilen geruht, den Bewohnern der Stadt Seinen Dank auszu— eee, für den herzlichen Empfang und für die reichhaltige Aus⸗ schmückuug der Stadt. Er erkenne darin und in der patröotischen Haltung der gesammten Einwohnerschaft ein schönes Zeichen der An— hänglichkeit an Ihn und Sein Haus. Gleichzeitig bemerkten Se. Maßestät, daß ein Wiedersehen im nächsten Jahre in Aussicht gJe— nommen sei.“

Münster, 12. November. (W. T. B.) In dem Pro⸗ zessesgegen die Damen des westfälischen Adels wegen Beleidigung des hiesigen Kreisgerichts anläßlich der bekannten Adresse an den Bischof von Münster hat vor dem hiesigen Appellationsgerichte heute die Verhandlung in zweiter Instanz stattgefunden. Die Angeschuldigten waren nicht erschienen. Als Zuhörer waren zahlreiche Mitglieder des westfälischen Adels und viele katholische Geistliche anwesend. Die Vertheidiger, Justiz- Rath Windthorst (Münster) und Justiz⸗Rath Plaßmann (Hamm), beantragten die Freisprechung saͤmmtlicher Angeklagten. Vom Gerichtshofe wurde das erste Erkenntniß, welches die Gräfin Nesselrode⸗Reichenstein zu einer Geldbuße von 200 Thlrn., event. einer Haft von 6 Wochen, und die übrigen 30 Damen zu je 190 Thlrn. Geldbuße, event. 3 Wochen Haft, ver⸗ urtheilt, lediglich bestätigt.

Bayern. München, 13. November. (W. T. B.) Der König hat den General⸗Sekretär, Ministerial⸗Rath von Eisen⸗ hart, zum Staatsrath im außerordentlichen Dienst ernannt.

Wie der „Corr. v. u. f. D.“ mittheilt, sind gegenwärtig nachstehende Offiziere auf längere Zeit nach Berlin beordert: Die Majore von Pylander und Helvig, dann Hauptmann v. Asch zum Großen Generalstabe, der Premier⸗Lieutenant v. Sten⸗ gel in die historische Abtheilung des Großen Generalstabes zur Hülfeleistung bei Herstellung des Geschichtswerkes über den Krieg von 1870 —=71, die Hauptleute Vogl und v. Hartlieb, sowie der Premier- Lieutenant v. Lupin bei der Arüllerie⸗ Prüfungs⸗ Kommission; vorübergehend zu seinem Course in der Artillerie⸗

Schießschule sind die Hauptleute O. Heerwagen und B. Seuffert von der Fuß-Artillerie nach Berlin kommandirt; am 29. Januar beginnt ein Cours für Feld⸗Artillerie, zu welchem wieder baye⸗ rische Offiziere kommandirt werden.

Das Gemeindekollegium von Fürth hat bekanntlich bei Berathung des neuen Schulstatuts die Beslimmung auf⸗ genommen, daß auch ein israelitischer Geistlicher in der Schul⸗ Kommission und Inspektion Sitz und Stimme haben solle. Nachdem aber der Magistrat seine Bedenken gegen diese Be⸗ stimmung ausgesprochen hat, da Angesichts der jüngst mitge⸗ theilten Ministerial⸗Entschließung eine Richtgenehmi ung des ganzen Schulstatuts von Seiten der Regierung zu befürchten wäre, hat jetzt auch das Gemeindekollegium diese Bestimmung fallen lassen.

Württemberg. Stuttgart, 10. November. Ihre Ma⸗ jestät die Königin der Niederlande ist heute von hier wie⸗ der abgereist. ö

Baden. Karlsruhe, 109. November. Ihre Königlichen Doheiten der Großherzog und die Großherzogin sind gestern Vormittag, von Baden kommend, zu dauerndem Aufenthalte in der Residenz eingetroffen.

Als Preisrichter für die Konkurrenzpläne zum Festhalle⸗ bau wurden ernannt die Herren: Ober-Bürgermeister Lauter, Verwaltungsgerichts⸗Präsident Renck, Ober⸗Baurath Berckmüller, Ober⸗Baurath und Professor Sternberg, Baurath und Professor Hochstetter von hier und Architekt Lang von Baden.

Von dem Badener Gemeinderath wurden in der Sitzung vom 2. d. M. einige wichtige Beschlüffe gefaßt: bezüg⸗ lich der Einführung der neuen Städteordnung wurde dem Bürgerausschuß zur Zustimmung vorgeschlagen, daß ein Ober⸗ Bürgermeister, ein Bürgermeister, beide besoldet mit einem Ge⸗ halte von 5000 Fl. zufammen, und 18 Stadträthe (hierunter einer von dem Nebenorte Badenscheuern gewählt) ernannt wer⸗ den sollen.

Am vergangenen Sonntag wurde in Baden die Wessen⸗ bergfeier in würdigster Weise begangen. Am Vormittag fand die kirchliche Feier in der den Altkatholiken eingeräumten Spital— kirche statt. Am Abend hielt Pfarrer Feig ei nen 11M Stunden währenden Vortrag über Wessenberg im großen Saale der Restauration Weber, der von reichlichem Beifall belohnt wurde. Ein Bankett, bei welchem es an kernhaften Trinksprüchen nicht fehlte, schloß die Feier. Etwa 200 Personen nahmen an der⸗ selben Theil.

Hessen. Darm stadt, 11. November. Die Er ste Kam⸗ mer der Stände begann in ihrer heutigen (23. Sitzung die Spezialbergthung der Kirchengesetze. Der Gesetzes⸗ entwurf, betreffend die rechtliche Stellung der Kirchen und Reli⸗ gionsgenossenschaften wurde, in Uebereinstimmung mit der Zwei⸗ ten Kammer angenommen, nur die Wirksamkeit dieses Gesetzes von dem Inslebentreten der übrigen Kirchengesetze nicht abhängig gemacht. Sodann wurden die ersten 11 Artlkel des Gesetzes, betreffend den Amtsmißbrauch der Geistlichen, im Wesentlichen in Uebereinstimmung mit der Zweiten Kammer angenommen, jedoch die von letzterer gestrichenen Demeritenanstalten wieder hergestellt.

Mecklenburg. Neustrelitz, 9. November. Ihre Königliche Hoheit die Sroßherzogin-Mutter ist heute Vor⸗ mittag zu einem längeren Aufenthalte nach Schloß Remplin abgereist. Nach hier eingetroffenen Nachrichten hat sich die Herzogin Caroline von Rom nach Neapel begeben. Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog hat am 3. in Neu⸗ brandenburg an dem Jagässuper im festlich geschmückten Saale des Fürstenhofes theilgenommen, mit welchem der Par⸗ forcejagd⸗Verein die Feier des Hubertustages abschloß. Am 4. gab der Erbgroßherzog den Vereinsmitgliedern ein Diner im Saale, der goldenen Kugel, welcher zu diesem Zwecke fest⸗ lich dekorirt war.

Braunschweig. Braunschweig, 13. November. Die Gesetz⸗ u. V. S.“ veröffentlicht die Verordnung, die Publikation der der Halberstadt-⸗Blankenburger Eisenbahn⸗Gesellschaft ertheilten Konzession zum Baue und Betriebe einer Zweigbahn vom Bahn⸗ hofe zu Blankenburg nach der am Michaelsteiner Kommunikations— wege belegenen Hohofen⸗ÄAnlage der Harzer Werke zu Rübeland und Zorge betreffend, d. 4 Braunschweig, den 30. Oktober 1874; ferner Bekanntmachung, die Smisfion von 300 000 Mark Reichs⸗ währung Prioritäts⸗Obligationen der Halberstadt⸗Blankenburger , n, n hahn betreffend. d. d. Braunschweig, den 30. 8k⸗ tober 1874. .

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 12. November. Die Gesetz⸗Sammlung enthält: Ministerialerklätrung, die Auf⸗

31. Januar ; hebung der unter dem 31. März 1854, nach Seite 133, 134

der Gesetz- Sammlung vom Jahre 1854, zwischen der Königlich sächsischen und der Herzoglich fachsen⸗altenburgischen Regierung abgeschlossenen Uebereinkunft wegen der in Kriminal- und Polizeiuntersuchungen erwachsenden Kosten betreffend. Vom 15. August 1874. Bekanntmachung des Herzoglichen Ministeriums, Abtheilung für Kultusangelegenheiten, betreffend die Gleich= stellung der Maturitätszeugnisse der übrigen deutschen Gyn⸗ nasien mit denen des hiesigen Landes gymnasiums. Vom 1. September 1874. Verordnung des Herzoglichen Ministeriums, Abtheilung des Innern, den Zinngehalt der Flüssigkeitsmaße betreffend. Vom 3. September 1874. Gesammt⸗Ministerial⸗ Bekanntmachung, die Verwaltung des Domänenfideikommisses betreffend. Vom 23. September 1874. Verordnung des Herzoglichen Ministeriums, Abtheilung des Innern, be⸗ treffend die Einschärfung der für das Maß⸗ und Ge⸗ wichtswesen bestehenden Vorschriften und die Bestrafung von Uebertretungen derselben. Vom 30. September 1874. Gesammt⸗ Ministerial⸗Bekanntmachung, die Aufhebung des Herzoglichen Gerichtsamtes zu Lucka und des Herzoglichen Gerichts zu Meufel⸗ witz betreffend Vom 15. Oktober 1874. Bekanntmachung des Herzoglichen Ministeriums, Abtheilung des Innern, die Verlei⸗ hung der Rechte einer milden Stiftung an den Verein zur Lei⸗ tung und Erhaltung der sogenannten Agnesschule in Eisenberg betreffend. Vom 27. Oktober 1874.

Anhalt. Dessau, 11. November. (8. 3.) Auf die Einladung Sr. Maj stät des Kaisers wird auch in diesem Jahre Se. Hoheit der Herzog zu der demnächst stattfindenden Hofsagd sich nach Letzlingen begeben. Die Uebersiedelung des herzoglichen Hofes aus dem bisher bewohnten erbprinzlichen Palais nach dem seit mehreren Jahren im Umbau befindlichen Residenzschlosse wird in diesen Tagen erfolgen. Nach der „Cöth. Ztg.“ steht für diesen Winter eine Reihe großer Hoffeste bevor.

Neuß j. L. Gerg, 11. November. Die Gesetzsamm⸗ lung veröffentlicht eine Fürstliche Verordnung, die Schon⸗ zeit des Wildes betreffend, vom 10. November 1874. Nach

derselben sind mit der Jagd zu verschonen: weibliches Rothwild und Wildkälber in der Zeit vom 1. Februar bis 15. Oktober; Auer und Birkhennen das ganze Jahr hindurch; Rebhühner in der Zeit vom 1. Dezember bis Ende August.

Bremen, 11. November. In der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft wurde die Einkommenschoß⸗ Ordnung weiter berathen, jedoch noch nicht vollständig erledigt, da noch die 55. 6—– 14 ausstehen. Die Anlage 3, welche das steuerbare Einkommen spezifizirt, wurde bis auf den Schlußsatz festgestellt. Die Versteuerung des kaufmännischen Einkommens hat nach den gefaßten Beschlüssen wie folgt stattzufinden: „Der Kaufmann hat das zu versteuernde Einkommen auf Grund der von ihm ordnungsmäßig in Gemäßheit der Bestimmungen des Handels⸗ gesetzbuches aufzustellenden Bilanz zu ermitteln; dabei muß er die von ihm selbst und seiner Familie verbrauchten Vorräͤthe, Wagren und baaren Beträge als Theil des zu versteuernden Einkommens berechnen. Ferner wurde folgender Zusatz be⸗ schlossen: „Wenn ein Gewerbtreibender auf Grund der Vor⸗ schrift des Handelsgesetzbuchs kaufmännische Bücher führt, so hat er das steuerpflichtige Einkommen nach dem ordnungsmäßig aufgestellten 2 zu berechnen.“

Oesterreich⸗Angarn. Wien, 12. November. In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde vom Handels⸗Minister eine Konvention mit Rußland zum Schutz der Handelsmarken vorgelegt. Der Kultus Minister beantwortete hierauf die Interpellation, betreffend die Ausführung der kon— fesstonellen Gesetze, dahin, daß die Erhebungen behufs Fixirung der zum Religionsfonds zu leistenden Beitrage zwar eingeleitet, wegen der Massenhaftigkeit des zu bewältigenden Materiaks aber noch nicht beendet seien. Die zum Religionsfonds zu leistenden Beiträge würden als Nachträge zum Budget aufgeführt werden. Bei der Weiterberathung des Aktiengesetzes wurde die Bestim⸗ mung zum Schutze der Minoritäten und wegen Vertretung der Minoritätsmitglieder im Aufsichtsrathe mit 138 gegen 92 Stim— men angenommen.

Prag, 12. November. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin haben an der für heute angesetzten Jagd keinen Theil genommen, weil die Nachricht eintraf, daß Erzherzog Karl Ferdinand in Selowitz mit den Sterbesakramenten ver⸗ sehen worden sei.

Schweiz. Bern, 10. November. Der Nation alrath hat trotz der vielen Manifestationen in der Presse und aus militärischen Kreisen, welche sich zu Gunsten einer längeren Dauer der Rekrutenschulen ausgesprochen, gegenüber dem Staände—⸗ rathsbeschluß, welcher dieselbe auf 50 Tage angesetzt hat, auf den von ihm beschlossenen 45 Tagen beharrt. Der betreffende Beschluß erfolgte nach längerer Debatte mit 55 gegen 40 Stim⸗ men unter Namensaufruf.

Niederlande. Haag, 12. November. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat heute das Budget für In dien, im Belaufe von 98,780, 000 Gulden, mit 64 gegen 2 Stimmen genehmigt.

Großbritannien und Irland. London, 11. November. Die Herzogin von Edinburgh fuhr gestern zum ersten Male seit ihrer Entbindung in Begleitung ihres Gemahls aus. Am 14. übersiedelt das Herzogliche Paar in Begleitung der Kaiserin von Rußland vom Buckingham-⸗Palast nach Gastwell-Park, seiner neuen Besitzung in Kent.

In Downing-⸗Street fand gestern der erste Mini⸗ sterrath seit dem Schluß der Parlamentssession statt, bei welchem alle 12 Mitglieder des Kabinets zugegen waren.

Der Administrator der Niederlassung von Layos, Char⸗ les Cameron Lees, ist zum Vize-Gouverneur der Kolonie der Goldküste ernannt worden.

Die neueste Nummer der „London Gazette“ enthält eine Königliche Verordnung, welche die Niedersetzung einer aus Lord Penzance, Lord Hampton, Hrn. Bouverie, General⸗ Major Johnson, General-Major Herbert, Hrn. Welby und Ge— neral⸗Major Foster bestehende Königliche Kommißsion ver— fügt, die Erhebungen über den Stand des Avancements— verhältnisses in der Armee unter dem Stellenkaufsystem an⸗ stellen, die besten Mittel zur Herstellung eines solchen Avance⸗ mentsverhältnisses in der Zukunft vorschlagen, und ferner be⸗ richten soll, in welcher Weise ein für die Aufrechthaltung der Wirksamkeit der ganzen Armee in allen ihren Zweigen hinläng⸗ liches Avancement am besten erzielt werden, und auch wie die Beziehungen von Offizieren der britischen Truppen zu Offi⸗ zieren der indischen Stabscorps so geordnet werden können, um beiden Gerechtigkeit zu erweisen.

Frankreich. Paris, 12. November. (W. T. B.) Die Professoren der Ecole de médieine haben in Folge der jüngsten Vorgänge beschlossen, die Schule bis zum 1. k. M. vollständig zu schließen.

Versailles, 12. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Permanenzkommission richtete Picard eine Anfrage an die Regierung wegen Eintheilung der Gemeinden in verschiedene Wahlsektionen bei den am 22. d. bevorstehenden Munizipalwahlen, er erklärte, daß er diese Maßregel für illegal halte. Der Minister des Innern erwiderte, die Eintheilung der Gemeinden in Sektionen sei von den Generalräthen in gesetzlicher Weise angeordnet und müsse deshalb auch ausgeführt werden. Von den Deputirten von der Linken wurden Klagen über die Strenge vorgebracht, mit der man gegen die republikanischen Journale zu Werke gehe, während die Regierung den bonaparti⸗ stischen Blättern gegenüber die größte Toleranz zeige.

Spanien. Nach über Paris, 12. November, eingegangenen, aus offizieller carlistischer Quelle stammenden Berichten von der eata⸗ lonischen Grenze ist die Nachricht von einer diplomatischen Mis⸗ sion, mit der Don Alfonso von Don Carlos beauftragt wor⸗ den wäre, ohne allen Grund. In zwei vor seiner Abreife erlas⸗ senen Tagesbefehlen bezeichnet Don Alfonso als alleinige Ursache seines zeitweiligen Rücktritts den Befehl des Don Carlos, durch welchen Catalonien von seinem bisherigen General⸗Kommandan⸗ ten getrennt wird. Don Alfonso erklärt weiter, er ziehe sich mit Genehmigung des Königs zurück und erwarte den Augenblick, wo seine Dienste der Sache Gottes, des Vaterlandes und des Königs, die er stets vertheidigen werde, wieder nützlich werden könnten.

Aus Hendaye, 12. November, meldet ‚W. T. B.“: Die Freiwilligen von Irun und eine Anzahl Miquelets haben innerhalb des Weichbildes von Irun mehrere Gebäude in Brand gesteckt. General Laserna hat befohlen, dieselben zu verhaften und vor ein Kriegsgericht zu stellen. Der Totalverlust der Re⸗ gierungstruppen in dem letzten Gefechte gegen die Carlisten be⸗ trägt 300 Mann.

Ueber Bayonne, 12. November, Abends, geht fol⸗ gendes Telegramm ein; Don Alfonso von Bourbon hat vor seiner Abreise aus Catalonien das von ihm formirte Zouaven— Bataillon aufgelöst und die Fahne desselben an sich genommen.

In einem Tagesbefehl sprach Don Alfonso die Hoffnung aus,

daß er das Bataillon unter günstigeren Verhältnissen wieder⸗ sehen werde. .

Eine zweite Depesche aus Bayonne, 13. November, meldet: Die Regierungstruppen setzen die Verfolgung der Carlisten fort und haben alle am Wege liegenden Baulichkeiten, deren Zahl auf 300 geschätzt wird, niedergebrannt. Die Carlisten scheinen sich zwischen Vera und Lesaca konzentrirt zu haben. Die Regierungstruppen verfolgen dieselben in dieser Richtung.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 10. November. Der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch d. A. ist gestern aus Livadia und der Fürst Ssergei Maximilianowitsch Roma—⸗ nowski Herzog von Leuchtenberg vorgestern aus dem Aus— lande hier eingetroffen. .

Die „St. Pet. Ztg.“ veröffentlicht folgendes Aller⸗ höchste Reskript an den Generalg ouverneur von Turkestan, General⸗Adjutanten von Kaufmann L:

Konstantin Petrowitsch! In den Mir vorgelegten Adressen der Kreise, Gemeinden und Aule des Syr⸗Da ja⸗Gebiets in dem Ihrer Verwaltung anvertrauten Generalgouvernement Turkestan findet der Wunsch der einheimischen Bevölkerung Ausdruck, nach Kräften an den Opfern und Lasten des ruhmreichen Feldzuges nach Chiwa theilzu— neh men, dessen Resultate nach der Ueberzeugung der Bewohner auf die Festigung der Ruhe im Lande und die Hebung des Wohlstandes in demselben in der Zukunft unzweifelhaft ihren wohlthaätigen Ein— fluß üben werden. Wie es in den Adressen heißt, verzichtet die ein⸗ heimische Bevölkerung des Syr Darja. Gebiets auf jegliche Entschä— digung für die zum Transport des Gepäcks der Truppen, welche im vergangenen Jahre 1873 gegen, Chiwa operirten, gestellten Kamele.

Mit Vergnügen habe Ich in den Adressen den Ausdruck der Ge—⸗ fühle, welche die einheimische Bevölkerung beseelt, und der treuunter⸗ thäͤnigen Ergebenheit für Mich und ihr gemeinsames Vaterland 2. Rußland gelesen und befehle Ihnen, in Meinem Namen den Ein⸗ wohnern des Generalgouvernements Turkestan zu danken für ihre lobenswerthe Führung, für die Ergebenheit, die sich in einem so be— deutenden Opfer kennzeichnet, und für ihr Verständniß Meines Sor⸗ gens und Strebens um die Festigung ihrer Ruhe und die möglichste Entwickelung ihres Wohlstandes.

Ich bleibe Ihnen immerdar wohlgewogen. . .

Das Original ist von Sr. Maj. dem Kaiser Höchsteigenhändig unterzeichnet.

Zarskoje Sselo am 4. Juni 1874. Alexander.

Dänemark. Kopenhagen, 10. November. Das Landsthing hat gestern in erster Berathung wie das Folke⸗ thing einstimmig ohne Diskussion den Pensionsvorschlag von 1000 Thlr. für die Wittwe des Oberst Tscherning angenommen.

Im Folkething wurde gestern eine Anzahl Ausschüsse gewählt, welche bis auf Weiteres die vorliegenden wichtigen Fragen, besonders die Predigergesetze, berathen sollen.

In der heutigen Sitzung des Folkethings entspann sich eine eingehende Diskussion anläßlich einer Interpellation der Linken, betreffend Polizeiverbote in Provinzialstädten gegen Mor⸗ monenversammlungen, worin die Linke eine Kränkung der grundgesetzlichen Versammlungsfreiheit sah. Der Justiz-Mi⸗ nister erklärte, von einer prinzipiellen Kränkung der Versamm⸗ lungsfreiheit sei nicht die Rede. J. A. Hansen brachte eine Tagesordnung ein, welche dem Justiz⸗Minister die Bewahrung der Versammlungfreiheit mit Ausschluß präventiver Maß⸗ regeln in Erinnerung bringen sollte, indem die betreffenden Poli⸗ zeiverbote nach Ansicht des Folkethings als grundgefetzwidrig be⸗ zeichnet werden. Der Justiz⸗Minister sprach sich wiederholt ge⸗ gen die Sprache und allerlei Insinuationen aus, die jetzt im Thinge gegen Minister und speziell gegen ihn geführt würden. Ueber den einen Fall, in Nakskau, habe er keinerlei Mittheilung erhalten, könne also nicht darüber urtheilen. Der rechte Weg in solchen Dingen sei, daß die Betreffenden bei den Vorgesetzten des Polizeimeisters, der angeblich seine Befugniß überschritten, Klage führten, nicht aber sollten solche Dinge im Folkething vorgebracht werden. Gegen diese Auffassung ze. sprachen außer der Linken u. A. auch Octavius Hansen und Schjörring. Der Justiz⸗Minister hob hervor, daß sehr wohl hinreichende gesetzliche Gründe zur Erlassung eines Polizeiverbots gegen eine solche Versammlung unter Dach vorhanden sein könnten. Gad und mehrere schlugen eine Tagesordnung vor, welche nicht, wie die der Linken, ein Mißtrauen und Urtheil enthielt, sondern nur die Versammlungs⸗ freiheit wahren sollte. Dinefen theilte mit, daß die verbotene Mormonenversammlung am Sonntage während des Gottes⸗ dienstes hätte stattfinden sollen. Oct. Hansen modifizirte seine Auslassungen, nachdem er erfahren, daß das Verbot wesentlich einem Mormonenvortrag gegolten. Gads Tagesordnung wurde mittelst namentlicher Abstimmung mit 54 gegen 33 Stimmen abgelehnt, J. A. Hansens 2c. dagegen mit 54 gegen 28 Stim⸗ men angenommen.

12. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Folkething wurde über eine Interpellation verhandelt, welche die vom Kultus-Minister verfügte Zurechtweisung eines Schullehrers betraf, der sich ungeziemende Aeußerungen über den König hatte zu Schulden kommen lassen. Die Linke schlug eine Tagesordnung vor, in welcher die ernstliche Mißbilligung des Verfahrens des Kultus-Ministers ausgesprochen wird. Der Präsident des Ministerkonseils erklärte, daß die Annahme dieser Tagesordnung die Auflösung des Folkething zur Folge haben werde. Die Berathung wurde heute nicht beendet, sondern soll morgen fortgesetzt werden.

Amerika. Washington, 12. November. (W. T. B) Nach dem von dem Schatz departement erstatteten Jahres⸗ berichte betrugen im letzten Jahre die Staatseinnahmen aus Zöllen 25 Millionen weniger als in Vorjahre; das Schatz⸗

departement schreibt diesen Ausfall den ungünstigen Börsenver⸗

hältnissen und deren Einwirkung auf den Handelsverkehr zu. Die inneren Einnahmen hatten fich ebenfalls um 11 Millionen verringert, was aus der veränderten Gesetzgebung bezüglich der inneren Abgaben erklärt wird. In den Ausgaben war nur eine Herabminderung von 2 Millionen eingetreten.

Asien. Aus dem in Peking im Oktober unterzeichneten Dokument bezüglich der Regelung der Differenz zwifchen Ehina und Jap an veroffentlicht die, Times“ den folgenden Auszug: Die chinesische Regierung zahlt an Japan 560 000 Taels, von denen 1660, 000 Taels eine Entschädigung für die beschädigten japanischen Familien bilden und 80050 Taels für die Kosten der Anlegung von Straßen und des Baumate⸗ rials, das die japanische Armee in Formosa zurücklassen wird. Die Zahlungen follen wie folgt entrichtet werden: 100, C09 Taels sofort und 00, 00 Taels am 20. Dezember a. e. Die japa⸗ nische Armee wird Formosa am letzterwähnten Datum verlassen. China räumt ein, daß die japanische Regierung unter den

Umständen berechtigt war, eine bewaffnete Macht nach Formosa zu senden.

Aus Cawnpore wird der „Tim es“ unterm 10. ds. telegraphirt, daß der Vizekönig die förmliche Prozedur gegen den Gefangenen von Gwalier suspendirt hat, um den Fall in reiflichere Erwägung zu ziehen. Dies gewährt Grund zu der BSoffnung, daß der Prozeß, sei er lang oder kurz, schließlich in die Oeffentlichkeit und in legaler Form geführt werden wird. Die Schwierigkeiten der Identifizirung vergrößern sich und die Meinungen über den Gegenstand in Cawnpore sind sehr verschiedenartiger Natur.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 13. November. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags beantwortete der Bundesbevollmäch⸗ tigte Staats-Minister Präsident Dr. Delbrück die Interpel— lation des Abg. Herz „Wird dem Reichstage noch in dieser Session ein Gesetzentwurf über die Beurkundung des Personen—⸗ standes und die Einführung der obligatorischen Civilehe vor—⸗ gelegt werden?“ wie folgt:

Meine Herren! Ich bedaure, daß ich nicht in der Lage bin, die gestellte Frage präcis beantworten zu können. Die Sachlage, wie sie vor anderthalb Wochen vorhanden war, ist in der Uebersicht, welche der Herr Interpellant selbst in Bezug genommen und deren bezüglichen Theil er vorgelesen hat, enthüllt. Seitdem hat sich die Sachlage nicht in einer Weise geändert, die es mir heute mehr möglich machte, als es vor 13 Wochen der Fall war, zu sagen, ob die Vorarbeiten so rasch werden gefördert werden können, um dem gegenwärtig ver— sammelten Reichstage den Gesetzentwurf vorzulegen.

Die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betref fend die Naturalleistungen für die bewaffnete Mach im Frieden, leitete der Bundeskommissar Geh. Regierungs⸗ Rath Starke, wie folgt, ein: .

Meine Herren! Der Gesetzentwurf, in dessen erste Berathung Sie eintreten, soll die Gesetzgebung des Reiches über die Natural⸗ leistungen für die bewaffnete Macht in der Hauptsache zum Abschluß bringen. Er schließt sich dem Gesetze über die Quartierleistungen im Frieden vom 2B. Juni 1868 und dem Gesetze über die Kriegsleistun- gen vom 13 Juni vorigen Jahres eng an und bildet mit diesen bei⸗ den Gesetzen zusammen gewissermaßen ein Ganzes. Seine Vorle-t gung entspricht einem Verlangen, welches von vielen Seiten hervor— getreten ist, und welches auch in den Verhandlungen dieses Hohen Hauses wiederholt Ausdruck gefunden hat.

Für die Beurtheilung der Frage, ob in Wirklichkeit ein Bedürf— niß zum Erlaß eines Gesetzes der vorliegenden Art vorhanden sei, fallen hauptsächlich zwei Momente ins Gewicht. Es ist zunächst das Interesse einer gleichmäßigen, möglichst gerechten Vertheilung der öffentlichen Lasten, welches erheischt, daß die Befugniß zur FInan« spruchnahme von Naturalleistungen für die bewaffnete Macht, die Verpflichtung zu solchen Leistungen und die Vergütung derselben für das ganze Reich einheitlich geregelt werde. Wenn der Zustand, den das Gesetz in dieser Beziehung in Aussicht nimmt, insofern noch ein unvollkommener ist, als nach 5. 1 mit Bezug auf die Quartierleistung im Frieden für Bayern und Württem— berg die landesgesetzlichen Bestimmungen einstweilen in Kraft bleiben sollen, so erlaube ich mir ausdrücklich hervorzuheben, daß dieser unvollkommene Zustand nur ein provisorischer sein wird. Es sind Verhandlungen über die Einführung des Quartierleistungs⸗ gesetzes von 1868 in Bayern und Württemberg im Gange. Diese⸗ ben haben bezüglich Württembergs bereits zu dem Ergebniß geführt, daß dem Bundesrath eine Vorlage unterbreitet worden ist, welche die unveränderte Einführung des Quartierleistnngsgesetzes in Würt— temberg zum Gegenstande hat. Die Verhandlungen wegen der Ein⸗ führung dieses Gesetzes in Bayern sind noch nicht so weit gediehen, werden aber voraussichtlich auch in Kurzem ihren Abschluß finden.

Das zweite Moment, welches für die Beurtheilung der Bedürf⸗ nißfrage ins Gewicht fällt, und welches bei der bisherigen öffentlichen Besprechung der Angelegenheit entschieden in den Vordergrund getreten ist, beruht in der Nothwendigkeit, an Stelle der vielfach unzureichenden Vergütungen, welche die gegenwärtige Gesetzgebung den Leistungspflichti⸗ gen gewährt, ein ausreichendes Maß der Vergütung treten zu lassen. Indem der Entwurf dieses Ziel erstrebt, läßt er auch hier die Quartier⸗ leistung unberührt.

Die Revision der Grundlagen für die Quartiervergütung, welche im §. 3 des Quartierleistungsgesetzes vorgesehen ist, ist für sich im Gange, Es haben jedoch die Verhandlungen, die sehr umfangreich und schwierig sind, noch nicht bis zur Aufstelluag eines Gesetzentwurfs gefördert werden können. .

Meine Herren! Ich glaube, ich kann im Allgemeinen sowohl hinsichtlich der Prinzipien, auf welchen der Gesetzentwurf beruht, als in Ansehung der einzelnen Bestimmungen mich auf die näheren Dar— legungen beziehen, welche in den Motiven gegeben sind. Der Entwurf beschränkt das Maß der Leistungen auf dasjenige, was im Interesse der kriegerischen Ausbildung und der Erhaltung der Armee als das Unerläßliche angesehen wird; er will dasjenige, was sich aus dem Bedürfniß im Laufe der Zeit entwickelt und in den verschiedenen ge⸗ setzlichen und reglementarischen Bestimmungen Ausdruck gefunden hat, einheitlich und gesetzlich fixiren. Ausdehnungen der bestehenden Ver⸗ pflichtungen sind nur mit Bezug auf die Zwecke der Marine in Aus—⸗ sicht genommen; die bisherige Gesetzgebung hat der Natur der Dinge nach die Verhältnisse der Marine nicht in Betracht ziehen können. ;

Ich glaube, mich mit meinen Bemerkungen zur Zeit auf diese Punkte beschränken zu können.

Auf eine Anfrage des Abg. v. Saucken⸗ Tarputschen ant⸗ wortete der Bundesbevollmächtigte General⸗Major v. Voigts⸗ Rhetz:

def in Herren! Ich kann mich auf wenige Worte beschränken. Einer der Herren Abgeordneten hat gefragt, weshalb wir die Re— monten nicht per Eisenbahn transportiren, und hat als Gründe dafür nicht blos die finanzielle Seite angeführt, sondern auch, daß wic bie jungen Pferde gewissermaßen einmarschiren wollen. Diesen zweiten Grund kann ich als nicht maßgebend bezeichnen; es handelt sich ledig⸗ lich um die finanzielle Frage. Wenn Reserve Transporte per Eisenbahn geschickt werden, so werden die Leute früher entlassen; sie treten also aus der Verpflegung; darin liegt eine Ersparung als Aequivalent für die Transportkosten. Werden dagegen die Remonte⸗ pferde per Eisenbahn transportirt, so bleiben sie in der Verpflegung, und dies ergiebt einen großen finanziellen Effekt. Würde man sich darüber wegsetzen, so wäre der Militärverwaltung damit ganz außer⸗ ordentlich gedient, daß die Remonten per Eisenbahn transportirt wür— den. Auch würde man, wie treffend vom Herrn Vorredner hervor⸗ gehoben worden, einer großen Gefahr aus dem Wege gehen, die uns schon öfter in große Unannehmlichkeiten verwickelt hat, der Möglichkeit der Infizirung in infizirten Gegenden. Lediglich aus finanziellen Rücksichten ich wiederhole es ist die Maßrengel noch nicht durchgeführt; Sie finden aber in dem Etat für 1875 bereits einen Posten, der als ein erster Schritt die Regelung der Sache an⸗ bahnt. Was nun die Beurtheilung des Gesetzes im Allgemeinen anbetrifft, so ist von den Herren Rednern nicht darauf Rücksicht ge⸗ nommen, daß dasselbe zwei Zwecken dient; Es ist einmal fuͤr die Uebungen und Märsche in Friedenszeiten bestimmt, sodann regelt es auch die Verhältnisse in solchen Zeiten, wo das Kriegsleistungsgesetz nicht in Kraft tritt, z. B. bei Grenzpostirungen, Unruhen und der⸗ gleichen, die ganz plötzlich eintreten können, wo all die Truppen in eine Lage kommen andere Anforderungen stellen zu müssen, als dies bei gewöhnlichen Friedensübungen geschieht.

Auf eine Widerlegung der Einwürfe im Detail glaube ich, nicht eingehen zu sollen, weil, wie es scheint, die Herren geneigt sind, das Gesetz in eine Kommission zu verweisen, wo dies gründlicher geschehen kann,

und wo jedwede geforderte Auskunft ertheilt werden wird. Hierbei wird es sich denke ich sehr bald herausstellen, daß diejenigen Einwendungen, die gegen das Gesetz gemacht worden, sich zum Theil wesentlich ab schwächen werden. Nur darauf möchte ich schon jetzt aufmerksam machen, daß der zeitige Zustand unserer Naturalforderungen nicht, wie es angedeutet wurde, ein willkürlicher ist, sondern daß die Regu⸗ lative, die zur Zeit über diese Materie bestehen, durch §. 61 der Verfassung mit Gesetzeskraft versehen sind. Die Militärverwaltung würde nicht in Verlegenheit gerathen, wenn sie mit diesen Regula⸗ tiven weiter fortwirthschaften müßte. Es liegt vielmehr im eigensten wohlverstandenen Interesse der Leistungspflichtigen des ganzen Rei⸗ ches, daß die Sache gesetzlich und anders geregelt werde. Der Vor— spann hat wesentliche Erleichterungen gefunden; das Betreten der Uebungsfelder, das jetzt ohne eine Einschränkung eintreten konnte, ist beschränkt; die Fouragelieferung ganz wesentlich erleichtert worden. Es wird sich mit Rückicht auf diese Erleichterungen doch sehr empfeh⸗ len, das Gesetz mit günstigen Augen anzufehen, und ich zweifle nicht, daß die Kommissionsberathungen darüber volle Klarheit verbrei⸗ ten werden.

In der Diskussion über die Verordnung, betreffend die Geschäftssprache der Gerichte und gerichtlichen Be— amten in Elsaß-Lothringen entgegnelke der Bundeskom— missar, Direktor im Reichskanzler⸗Amt, Wirkl. Geh. Ober⸗ Regierungs Rath Herzog:

Meine Herren! Ich kann dem Herrn Redner nur dankbar sein

für die Auffassung der Gesetzesvorlage, der er Ausdruck gegeben hat;

er darf sich versichert halten, daß, wenn auch der Schritt, den er als

einen ersten bezeichnet hat, in der That nicht der erste ist, die Reichs—

regierung andere gern folgen lassen wird, soweit sie darauf eien darf, bereites Entgegenkommen bei den Elsaß-Lothringern zu nden.

Die Sorge, die er gusgesprochen hat, als sei die Handhabung des Ge⸗ setzes in die Willkür des Reichskanzlers gelegt und damit nicht die Sicherheit gegeben, die er beanspruchen zu müssen glaubt, ist, glaube ich, unbegründet. Ich verstehe seinen Wunsch, dem Gesetze statt der fakultativen Fassung eine imperative zu geben und die Entscheidung, wie lange der Ge—⸗ brauch der franzbsischen Sprache in den hier angegebenen Beziehungen noch beibehalten werden dürfe, dem Reichstage vorzubehalten, nicht von der Bestimmung des ersten Paragraphen, der fa nur für einzelne Personen die Fakultät, der französischen Sprache sich weiter zu bedienen, ge— währt, sondern ich verstehe ihn von dem §. B in Bezug auf 5. 15 des zu Grunde liegenden Gesetzes über die Gerichtsspraͤche, der eine Ergänzung dieses Gesetzes dahin versieht, daß der Reichskanzler be⸗ stimmen soll, wann der Gebrauch der französischen Sprache aufhöre.

Es ist bei Ausführung des Gesetzes über den Gebrauch der Ge— schäftssprache mit der äußersten Rücksicht bisher vorgegangen, und es wird dies auch ferner der Fall sein. Die Deutschen sind keine Nation, die die Vielsprachigkeit grundsätzlich haßt. Wir haben in Elsaß⸗ Lothringen, soweit es irgend möglich war, für die Zulassung des Französischen in der Geschäftssprache sowohl der Verwaltungsbehörden als der Gerichte die äußerste Grenze gezogen; es wird aber kaum durchführbar sein, und diese Schwierigkeit ist der Grund der hier vorgeschlagenen Bestimmung, in jedem einzelnen Falle und für jede einzelne Gemeinde, wo eine Aenderung nunmehr eintreten soll, den Apparat der Gesetzgebung in Bewegung zu setzen. Es wird auch der Reichstag schwerlich in der Lage sein, ein Urtheil zu fällen, ob in dem einzelnen Falle die Verhältnisse soweit reif ge⸗ worden seien, um bei den gerichtlichen Verhandlungen und für die in Rede stehenden Beurkundungen der Notare und Gerichtsvollzieher an Stelle der französischen die deutsche Sprache zu setzen. Ich glaube, daß der Herr Reichskanzler wohl das Vertrauen in Anspruch nehmen darf, daß er, wenn ihm die Entscheidung übertragen wird, dieselbe mit Schonung und unter völliger Berücksichtigung der obwaltenden Ver— hältnisse treffen werde, und ich bitte Sie, ihm dies Vertrauen durch die Genehmigung des 5§. 2, wie er vorliegt, zu beweisen.

Statistische Nachrichten.

Während des vergangenen Jahres wurden in der Central⸗ halle zu Paris folgende Viktualien verkauft: 5.435782 Hühner go44428 Enten, 2,365,241 Kaninchen, 663,597 Gänse, 426,847 Trut- hähne, 1,647,458 Tauben, 10,416 Ziegenböcklein, 282,953 wilde Ka⸗ ninchen, 193,930 Feldhasen, 523,127 Reshühner, 3i049 Fasanen, 5191 Rehböcke, L498, 049 Lerchen, 109,223 Lämmlein, 13,959 Perl hühner, 33,124 Schnepfen, 15,517 Doppelschnepfen, 24, 446 Wachteln, 33.987 Wildenten, 9861 Ferkeln, 10920 Pakete von Hahnenfämmen, 5070 Drosseln, 2708 Krammetsvögel, 1691 Bachstelzen, 10995 Kie⸗ bitze, 2 817 Wasserenten. Ebenso wurden daselbst 114 Millionen Kilos Ochsenfleisch, 23 Millionen Kilos Schweinefleisch, 25 Millio- nen Kilos Fische, 14 Millionen Kilos Butter 440 Millionen Eier und 17 Millionen Austern verkauft.

Der Bericht der Lütticher Handelskammer von 1873 enthält eine Zusammenstellung der Produktionsquanten von Kohlen und Anthracit in den Hauptstaaten Europas und in Nordamerika von 1845 1872. Demnach betrug die Produktion in Tonnen von 20 Centner:

In England 1845 38,082,615 1854 68,965,983 1865 104,B707, 043 1869 114 614,220 1870 117,807,995

Nordamerika Belgien

Frankreich

Zollverein 4,402,091

11M, 06 S 9l 1254 21 74. 765 6. 774,368 I6 397 667

4,919, 196 7,947, 42 6, 827, 90 1I, 840,703 11,840, 0090 12.943, 994 12,570, 820 13, 697,110 12,512,550 1871 122,191,132 29,373,273 3459614095 13,773,176 12,759,409 1872 131,639,993 33,306,418 425794, 000 15,0568, 948 15,204, 176

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Königliche Theater in Wiesbaden feierte am 6. November das 40jährige Künstlerjubiläum der Königlichen Schauspielerin Fr. Flindt, welche als Generalin von Mans⸗ feld in dem Birch⸗Pfesfferschen Schauspiel „Mutter und Sohn“ von der Bühne und dem Publikum Abschied ahm. Die Gefeierte wurde mit Lorbeerkränzen und Bouquets beim Auftreten ausgezeichnet und am Schlusse des Schauspiels uner lautem Beifall dreimal gerufen; der Hervorruf wiederholte sich nach dem den Abend beschließenden Festspiele. Durch ein Schreiben des General-Intendanten von Hülsen ward der Jubilarin ihre Ernennung zum „Ehrenmitglied“ der König lichen Schauspiele angezeigt. Die Wiesbadener Bürgerschaft widmete der Künstlerin als Ehrengeschenk einen kostbaren Brillantschmuck mit goldener Kette, das Bühnenpersonal einen in Silber und Geld gear— beiteten Lorbeerkranz mit einer goldenen Inschrift auf einen Gedenk⸗ blatt und mit goldenen Schleifen, worauf die Hauptrollen der Gefeierten eingrapirt sind.

Die Nrn. 86 - 91 der Wissenschaftlichen Beilgge der Leipziger Zeitung enthalten folgende größere Aufsätze:; Die Erd— rundfahrt des Freiherrn v. Hübner (Fortsetzung). Musikalische Zustände in Leipzig. Hottfried Hermann, eine Gedächtnißrede zu dessen hundertjährigem Geburtstage. Unter Dolomiten, von 6 Mara. Von der Arcona: Fidschi⸗ und Samoa -Inseln.

Im Theater der Lon don er Universität fand am 10. Abends die Eröffnungssitzung der Session der königlich britischen geogrgphischen Gesellschaft von 187475 statt. Eine mehr als üblich zahlreiche und glänzende Versammlung hatte sich ein— gefunden, um eine von Lieutenant Payer über die österreichisch⸗ ungarische Nordpol-Expedition verfaßte Abhandlung anzuhören. Unter den Anwesenden befanden sich der Herzog von Edinburgh, der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland, Graf Beuͤst, Baron Hochschild, der schwedische Gesandte, der Marineminister Herr Ward Hunt, Lord Haughten, Admiral Sir Alexander Milm, Sir Bartle Frere, Sir F. Goldsmid und andere ersonen von Distinktion. Sir Henry Rawlinson, der Präsident der Gesellschaft, führte den Vorsttz.

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