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Duvernois, ist zu zweijähriger Gefängnißstrafe und zur Zahlung von 500 Fres. verurtheilt worden. Drei andere desselben Verbrechens Angeschuldigte wurden zu der gleichen Strafe verurtheilt.
St. Peters burg, 25 November. (W. T. B) Die Reichs⸗ bank wird vom 1. Dezember cr. das fund Reinsilber zu 23 Rbl. 75 Kop. und Ein⸗Rubelstücke zu 104 Kop. annehmen. Der Gold- preis in Barren und Münze bleibt unverändert.
— Ein amerikanisches Blatt berichtet aus PGa⸗oiladelphia über die Ausstellungsbauten: „Am Memorialgebäude oder der Gedenk- halle ist bereits der massive Unterbau vollendet, und der Granitsockel ist bis auf vier Fuß über dem Boden aufgeführt, während die inneren von Ziegelsteinen konstruirten Wände schon bis zum zweiten Stockwerk errichtet sind Bis zu Winters Anfang soll der ganze Granitsockel für die eisernen Träger, für das erste Stockwerk und einen Theil des zweiten vollendet sein. Ist das Wetter mild, so wird nicht geruht werden, jedenfalls wird Alles vorbereitet für Wiederaufnahme der Arbeit in den ersten Tagen des nächsten Frühlings. Das große vierzig Acres haltende Plateau für das Hauptgebäude und die Maschinenhalle ist vollständig gradirt, und fast überall ist das Steinfundament für die eisernen Pfeiler des Hauptgebäudes ge⸗ legt und zwar 6 Fuß tief und 25 Fuß von einander entfernt; vor Winters Anfang werden alle diese Fundamente fertig sein. Die gro⸗ Fen eisernen Saulen, welche in einer großen, dem Bauplatze nahen Gießerei hergestellt werden, sind fast sämmtlich fertig und werden während des Winters in Position gebracht werden, obgleich das kaum nöthig ist, da auch ohne Winterarbrit das ganze 1809 Fuß lange und 400 guß breite Gebäude schon im Juli 1875 so weit fertig gebracht werden dürfte, daß die innere Arbeit darin beginnen kann. Auch um diesen großen Bau wird eine Eisenbahn gelegt, und ebenso werden verschiedene Schienenwege im Innern der Baustelle angebracht, und die eisernen Säulen und Balken werden sämmtlich per Dampf aus der Gießerei herbeigeschafft und in Position gebracht. Für die Ma⸗ schinenhalle und für das große Gewächshaus werden die Spezial⸗ pläne und Zeichnungen demnächst vollendet sein, und da diese Bauten in kurzer Frist hergestellt werden können, so ist keine besondere Eile dabei nöthig. Für ihren Bau werden neue Kontrakte ausgeschrieben werden. Das. Gewächshaus oder die Gar— tenbauhalle wird ein Prachtbau aus Eisen und Glas werden, welcher permanent den Hüg(l der Old Pines ein⸗ nehmen soll; die Maschinenhalle wird als temporärer Bau ziemlich leicht konstruirt und westlich von dem Hauptgebäude nach George Hill zu errichtet werden. Daß die Ausstellung jener ganzen Gegend, welche außen halb, des Varkes an dieselbe grenzt, mit riesiger Geschwin⸗ digkeit ein städtisches Aussehen verleihen wird, ist schon jetzt sichtbar. Eine ganze Anzähl solider Gebäude ist dort im Bau, und da die Straßen, welche dort bis jetzt ganz wüst lagen, namentlich die 100 Fuß breite Girard Avenur, bald sämmtlich stattlich mit belgischen Blocks gepflastert sein werden, so wird schon im nächsten Frühjahre sich daselbst den Augen der erstaunten Besucher ein ganz neuer großer Stadttheil repräsentiren.“
Verkehrs⸗Anstalten.
Kiel, 23. November. (W. T. B) Der Eiderka nal ist seit heute voll Eis und die Schiffahrt, falls kein Thauwetter eintreten sollte, als geschlossen zu betrachten.
Die Arbeiten an der Stade⸗Cuxhavener Bahn sind in der 3 von Stade, am Schwarzenberge, am 21. November eingestellt worden.
— Am 20 Nevember hat auf der Schweinfurt⸗Meininger Bahn der offizielle Probezug stattgefunden; die Bahn wurde als vollständig fertig und fahrbar befunden.
Bern kastel, 22. Novem der. Heute ist die neue Mosel⸗ brücke eingeweiht worden. S hat, nach der Kobl, Ztg.“, 5 Q Land⸗ 3 Wasser⸗ Pfeiler mit einer Spannung von je 108 Fuß und trägt eine Eisenbedachung von ca. S060 Ctr. Begonnen wurde der Bau im Juni 1872 durch den jetzigen Bauinspektor Schoenbrodt in Saar⸗ brücken; beendigt wurde er durch Kreis⸗Baumeister Freudenberg. Bei der Probe auf die Tragfähigkeit der Brücke, die dadurch gemacht wurde, daß man 1 Fuß hoch Kies aufschüttete, senkte sie sich 7 Milli⸗ meter, zwei Millimeter weniger, als angenommen war.
Kopenhagen, 19. November. Der national-ökonomische Verein hat gestern Abend eine Versammlung abgehalten, in welcher der Chef des statistischen Bureaus, Falbe Hansen, eine Mittheilung über Dänemarks Handel mit dem Auslande im vorigen Finanz⸗ jahre machte Das Resultat erwies, daß der Gesammt—⸗ werth dieses Handels 200 Millionen dl. gewesen ist, wovon 115 Millionen auf die Einfuhr und. S5 Millionen auf die Ausfuhr kemmen. Es ist somit für 30 Millionen Rdl. mehr eingeführt, als ausgeführt werden. Pro Individuum betrug die ge⸗ nannte Summe 112 Rd., wodurch Dänemark unter den übrigen Staaten die vierte Rangstufe einnimmt. In Holland wird pro In dividuum 244, in England 174 und in Belgien 161 Rdl. gerechnet. Danach kommt Dänemark mit 1123 Rdl., ferner Frankreich mit 87, Deutschland mit 84 Rdl. u. s. w.
Königliche Schauspiele.
Freitag, den 27. November. Opernhaus. (233. Vor⸗ stellung Belmonte und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Oper in 3 Abtheilungen. Musik von Mozart. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Schauspielhaus. (244. Vorstellung) Ein Erfolg, Lust⸗ spiel in 4 Akten von Paul Lindau. Anfang halb 7 Uhr.
Mittel⸗Preise.
Sonnabend, den 28. November. Opernhaus. (234. Vor⸗ stellung Don Juan. Oper in 2 Abtheilungen mit Tanz von Mozart. Zerline: Frl. Minnie Hauk, vom Kaiserlich Königli⸗ chen Hof⸗Operntheater in Wien, als Gast. Donna Elvira: Frl. Brandt. Donna Anna: Fr. von Voggenhuber. Don Juan: Hr. Betz. Comthur: Hr. Fricke. Octavio: Hr. Schleich. Le⸗ porello: Hr. Salomon. Masetto: Hr. Krolop. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise. —
Schauspielhaus. (245. Vorstellung) Alte Schweden Schau⸗ spiel in 5 Aktẽh von A. E. Brachvogel. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Es wird ersucht, die Meldekarten (sowohl zu den Opern⸗ haus⸗, wie zu den Schauspielhaus⸗Vorstellungen) in den Brief⸗ kasten des Bpernhauses, welcher sich am Anbau desselben, gegen⸗ über der Katholischen Kirche, befindet, zu legen.
Dieser Briefkasten ist taglich für die Vorstellungen des fol⸗ genden Tages nur von 10 bis 12 Uhr Vormittags geöffnet.
Meldungen um Theater⸗Billets im Bureau der General⸗ Intendantur oder an anderen Orten werden als nicht eingegan⸗ gen angesehen und finden keine Beantwortung
Die in den Königlichen Theatern gefundenen Gegenstände konnen von den Eigenthümern innerhalb 4 Wochen bei den Hauspolizei⸗Inspektoren Schewe (Opernhaus) und Hoff m ei ster Schauspielhaus) in Empfang genommen werden. Erfolgt die Zurüuͤckforderung der betreffenden Sachen in der angegebenen Frist nicht, so werden dieselben den Findern ohne Veiteres ausgehändigt.
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26. November.
S0., schw. bedeckt. O8 O., wass. heiter. NNVW., schw. bedeckt. NNO., sehw. bed, Schnee. SD., schwach. wenig bewölkt. NNV., schw. bedeckt. OSO ., lebhaft. bedeckt. NNO., lebh. bedeckt. S W., schwach — O080., schw — SW. , sehr. bedeckt. N., s. schw. bedeckt. Windstille. Nebel. VW., schw. trübe.
— bedeckt. ) NV., schw. heiter SV., schwach. neblig. NO., schw. bedeckt. SO, mäss. heiter. 8 )., mäss. völlig ksitsr. OSO. , stille. schön. S0., schwach heiter. SS80O., schw. NVW., schw. XV., mäs3. NO., schw. heiter. O., mäss. bedeckt, Nebel. NVW., schwach. trübe. O NO., schw. bewölkt. S0, mäss. heiter. O., mäss. bedeckt. W., schw. bedeckt. O., mäss. trübe. S0., schwach. Schnee. S0O0., mäss. trübe. O80. , s. schw. bedeckt. NNV., mäss. bedeckt. SVW., mäss. bedeckt.)
) Gestern Nachmittag O. schwach. *) Strom S8. Gestern Nachmittag NNG. schwach. Strom S. 3) Gestern Regen und stürmisch. ) Gestern Abend sehr starker N.
Haꝑaranda 340,9 Christianed. 339,2 Nernõösand 34 l, Helsingfors. 338,4 Petersburg. 336,5 Stockholm 339, 7 Skndespäs. 339,27 Oröe 339, 6 Frederiksh. — ] Helsingõr.. Moskan .. 330,7 Nemel ... 338. FlensBhurg. . 339,4 Königsberg 337,5 Danzig .... 338,1 Patbas,. 338, Fieler Haf 338, 8 Gsslin... 339, 5 fes. Lehtt 338,3 KRVilhelmsh. 337,3 Irsnin gex . 339, Sremen. 338, 8 Nelas... 3385 338,4
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Ueber die Reorganisation des Saarbrückener Bergschulwesens
entnehmen einem an den Handels ⸗Minister erstatteten Bericht der Königlichen Bergwerk Direktion zu Saarbrücken über die Bergschulen im dortigen Bezirk folgende Mittheilungen:
Die zunehmende Ausdehnung des Betriebes der Königlichen Steinkohlengruben bei Saarbrücken und der in Folge dessen stets wachsende Bedarf an Grubenbeamten hahen in den letzten Jahren — ähnlich wie auch im westfälischen Steinkohlenbezirke — Anforde—⸗ rungen an das Bergschulwesen gestellt, welchen dasselbe bei seiner bisherigen Einrichtung nicht mehr zu entsprechen vermochte.
Während nämlich seither die Bergschule zu Saarbrücken aus der Zahl der in den bestehenden 3 Revier⸗Vorschulen vorgebildeten jungen Bergleute in einklassigem, zweijährigem Kursus höchstens 28, also durchschnittlich jährlich 14 Beamten -Aspiranten auszubilden in der Lage war, hatte sich der durch Abgang oder zur Besetzung neuer Stellen erforderliche Ersatz an technischen Grubenbeamten inzwischen auf jährlich 33 - 40 gesteigert. Die Gruben waren unter diesen Um⸗ ständen genöthigt, nicht nur die von der Bergschule abgegangenen Steiger-Aspiranten fast ohne Auswahl, und ehe dieselben eine allseitig praktische Erfahrung sich angeeignet haben konnten, als Beamte anzustellen, sondern auch daneben noch nahezu zwei Drittel ihres neuen Beamten bedarfes direkt aus dem Arbeiterstande selbst zu entnehmen, beides Mißstände, die sich nach mancherlei Richtungen auf die Dauer un— haltbar erweisen mußten. Dazu trat andererseits noch, die Thatsache, daß bei dem immer umfangreicher und schwieriger werdenden Betriebe die bisherige theoretische Ausbildung nicht mehr in allen Fällen als ausreichend zu erachten war, und namentlich auf eine den Forderungen der Neuzeit mehr ent— sprechende, umfassendere wissenschaftliche Vorbildung derjenigen jungen Bergleute Bedacht genommen werden mußte, die dereinst zu den höheren Grubenbeamtenstellen als Fahrsteiger, Obersteiger oder Maschinenwerkmeister befähigt sein sollten.
Die vorbesprochenen Verhältnisse führten zu einer durchgreifenden Reorganisation des Saarbrücker Bergschulwesens, welche, von längerer Hand vorbereitet, durch das „Reglement für die Bergschulen im Be⸗ zirke der Königlichen Bergwerks⸗Direktion zu Saarbrücken vom 1. April 1873. festgestellt wurde und mit dem Kursus 1873 — 74 praktisch ins Leben getreten ist.
Gemäß der neuen Organisation besteht das Saarbrücker Berg⸗ chulwesen nunmehr aus 3 Bergvor⸗ und Steigerschulen sowie 1 Haupt⸗
ergschule, erstere mit den Sitzen in Altenkessel (Saarrevier), Dud⸗ weiler (Sulzbachreviery und Neunkirchen (Bliesrevier), letztere zu Saarbrücken.
Die 4 und Steigerschulen haben den Zweck, geeig⸗ nete junge Berglente zu den Stellen als Fahrhauer, Grnben⸗ oder Jaschinensteiger wiffenschaftlich auszubilden und dieselben zu⸗ gleich für den etwaigen späteren Besuch der Hauptschule vorzubereiten. In der Hauptbergschule sollen befähigtere junge Bergleute zu brauch baren Fahrfteigern, Obersteigern oder Maschinenwerkmeistern wissen⸗ schaftlich weiter ausgebildet werden — Die früheren drei Vorschulen in den Revieren konnten in Wegfall kommen, da die für sämmtliche Gruben organisirten bergmãnnischen Fortbildungaschulen (Werksschulen) . wohl in der Lage sind, aus der großen Zahl (00 — 800) der sie besuchenden jungen Bergleute ausreichend vorbereitete Schüler für die Steigerschulen zu liefern.
Der Lehrkursus an sämmtlichen 4 Bergschulen ist ein 1 jähriger, und ö wird während desselben der Unterricht bei den Bergvor⸗ und Steigerschulen in je 24 26 wöchentlichen Lehrstunden an den Vormittagen, bei der Hauptbergschule in wöchentlich 32 Stunden an den Vor- und Nachmittagen der Wochentage ertheilt. Die Schüler der Bergvor und Steigerschulen haben an den Wochennachmittagen regelmäßig eine sechsstündige Arbeitsschicht auf der Grube zu verfah⸗ ren, während die Schüler ber Hauptbergschule sich nur während der Ferien praktisch beschäftigen.
Zur Aufnahme in eine Bergvor⸗ und Steigerschule ist der Nachweis einer mindestens einsährigen wirklich bergmännischen Handarbeit und das Bestehen einer besonderen Aufnahmeprüfung erforderlich, welch letztere sich indessen lediglich auf die Elementar⸗ 5 (geläufigeß und verständliches Lesen, deutliche Hand= chrift ohne grobe Fehler, geläufiges Rechnen nach den 4 Spezies
*
schule wird dagegen verlangt: daß der Aspirant bereits eine Bergvor⸗ und Steigerschule mit vollständig gutem Erfolge durchgemacht hat oder andernfalls in einer besonderen Prüfung die dem Unterrichts⸗ eusum der genannten Schulen entsprechenden Kenntnisse nachweist, odann daß derselbe sich die erforderliche Geschicklichkeit bei der Berg⸗ arbeit oder im Maschinenfache angeeignet, und endlich, daß er seiner Militärpflicht genügt hat oder von derselben befreit ist.
Jede der 3 Bergvor⸗ und Steigerschulen ist vorläufig auf eine Schülerzahl von 24 bis 30, die Haupt Bergschule auf eine solche von 12 —15 berechnet.
Der Unterricht an den Schulen findet unentgeltlich statt. Die Schüler der Hauptbergschule erhalten eine laufende Geldunterstützung bis zur Höhe von je 15 Thlrn. monatlich, wogegen an den Bergvor— und Steigerschulen in der Regel keinerlei Geldunterstützung gewährt werden soll.
An jeder der Bergvor und Steigerschulen wirken je ein Haupt⸗ lehrer für die elementaren und wissenschaftlichen, sowie mehrere Hülfs⸗ lehrer für die speziell technischen Fächer; an der Hauptbergschule 1 Bergschul⸗Direktor, ordentlicher technischer Lehrer und 1 oder nach Bedarf mehrere Hülfslehrer.
Sämmtliche Schulen stehen unter der Bergwerks-Direktion zu Saarbrücken, welche ihre äußeren Verhöltnisse regelt, den generellen Lehrplan feststellt und über Aufnahme und Entlassung der Schüler entscheidet. Die Leitung des Unterrichts im Einzelnen so wie die innere Disziplin liegt bei den Bergvor und Steigerschulen dem betreffenden Hauptlehrer jeder Schule, bei der Hauptschule dem Bergschuldirektor ob.
Die Keosten des ganzen Bergschulwesens werden aus fiokalischen Mitteln (Königliche Bergschulkasse) bestritten.
Der Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen
hielt am Mittwoch Abend unter dem Vorsitze des Peofessors Dr.
Gneist seine 26. Generalversammlung. Nach dein Bezichte hat der Verein seine Thätigkeit nach . Richtungen hin entfaltet. Nach der. einen Seite hat er sich bestrekt, auf dem Wege der Gesetzgebung für den Arbeiter thätig zu sein; andererseits sucht er einen Einfluß auf die praktische Thätigkeit der Arbeitgeber zu gewinnen; letztere thut ja viel für die Hebung, jedoch stets nur in räumlich beschränkten Ver— hältnissen. Die Aufgabe des Vereins ist vorzugsweise eine sammelnde und vermittelnde; sie zerfällt in zwei Abtheilungen, in eine transi⸗ torische, die darin besteht, daß von Zeit zu Zeit vom Verein ein größeres Vorhaben ausgeführt wird, und in eine permanent vermit⸗· telnde. Als eine transitorische Aufgabe des Vereins war die verwirk⸗ lichte Erleichterung des Besuchs der Wiener Ausstellung. 297 Ar⸗ beiter haben je 14 Tage die Kaiserstadt an der Dongu besucht; von dem hierzu ausgesetzten Kapital wurden noch 480 Thaler für die fleißigsten Berichte über die Ausstellung ausgegeben und 930 Thaler wiederum der Kasse überwiesen. Als eine dauernde Aufgabe ist das Erscheinen des Vereinsorganes, des Arbeiterfreundes, anzusehen, der in einer Auflage von 1006 Exemplaren sechsmal jährlich erscheint. Besondere Anerkennung wurde dem Verleger, L. Simion, sowie dem Redacteur Victor Böhmer gezollt, der von Zürich seinen Wohnsitz nach Dresden verlegt und somit auch räumlich dem Vereine noch näher tritt. Was den Kassenbestand betrifft, so belief sich derselbe auf 165500 Thlr. in Papieren und S650 Thlr. baarz 2000 Thlr. wurden in diefem Jahre kapitalistrt, so daß sich zur Zeit das Ver⸗
— —
Es wurde alsdann in der Generalversammlung der Gedanke an⸗ geregt, eine Konkurrenz des besten Ofens für den Haushalt des Ar- beiters auszuschreihen und im Winter 1816 eing Ofenausstellung zu arrangiren. Der Antrag wird in der näͤchsten Vorstandssitzung zur definitiven Beschlußnahme vorgelegt werden. — Der Ausschuß des Vereins hat den Professor Dr. Schwabe durch den Tod verloren; die ausscheidenden Vorstandsmitglieder wurden durch Acclamation wieder . in den Ausschuß wurden neugewählt die Herren Dr. Wittig, Direktor Waltz, Dr, Emminghaus in Gotha, Reichstagsabgeordneter Gustav Müller in Stuttgart, Moritz Müller in Pforzheim und Dr. E. Websky in Wüstewoltersdorf in Schlesien.
Zum Besten der Afrikanischen Gesellschaft
bielt gestern der Professor Dr. Neumayer einen Vortrag über den Magnetismus eiserner Schiffe und das Verhalten des Kompasses. Es sei, leitete Redner ein, ein gewagter Sprung von den FHlühenden Gefilden Japans, von den herrlichen Küsten Afrikaß zum Magnetigmus der Schiffe, und doch könne ohne genaue Kenntniß der Schiffahrt und ihrer besten Stütze, des Kompasses, kein fernes Land besucht werden. Die . sprechung des Themas sei um so zeitgemäßer, durch die noch nicht vollständige Kenntniß der Einwirkung des Magnetismus auf die Schiff- noch mancher Unglücksfall herbeigeführt wird, Ein rechtes Verständniß der Frage ist nicht möglich, ohne daß in aller Kürze die Bedeutung des Kompasses dargelegt wird. Derselbe dient vor Allem, um den Cours auf der weiten Wasserwüste zu bestimmen; gewisse Theile des Oceans können gar nicht heschifft werden, sobald eine bestimmte Richtungeslinie nicht vorhanden ist. Der Seemann kann nicht vorwärts ohne Kompaß, er leitet aus ihm seine Position ab. Die Steuermanns kunst ist auf kleinen Fahrten unabhängig von der astronomischen Schiffskunst, nur auf größeren Reisen können durch letztere die Fehler der ersteren enfdeckt und vermieden werden. Die Abweichung des Kompasses von der richtigen Linie heißt die Deviation, die wissenschaftlich nach Strichen bemessen wird. Die magnetische Kraft läßt den Kompaß stets nach Nor⸗ den zeigen und, zieht das Nordende herab; letzteres be⸗ eichnek die Wissenschaft mit der Inklination der Nadel. Bie kommt es aber, daß man bei dem Einfluß des Eisens gleichwohl die Nadel gebrauchen kann? Jedes Schiff, das auf einem Halling gebaut wird, hat einen Nord⸗ und Süd ⸗Magnetismus, der während der Bauzeit entsteht. Den magnetischen Charakter eines Schiffes erkennen wir sefort, sobald die magnetische Probe angestellt wird. Die induktive Kraft der Erde wirkt hierbei fort und fort. Das Schiff kann auch seine Neigung zum Wasserspiegel verändern, und es geht dann sogleich eine magnetische Veränderung vor sich, die sich im Trennungsfehler des Kompasses äußert. Durch Beobachtung ist es gelungen, das Gesetz der Vertheilung des Magnetismus zu finden, ja die Wissenschaft ist noch weiter gegangen und hat auch die raft des Magnetismus gemessen. Man ist auch der Frage näher getreten, ob der Kompaß auf, einem eisernen Schiffe nicht so aufgestellt werden könne, daß er frei von jedem störenden n , Das ist absolut unmöglich, doch können wir an der Hand der Wissenschaft wenigstens größeren Abweichungen entgegentreten und durch einen konstanten und starken Magnet regeln. Zahlreiche Einflüsse machen sich bei der Deviation der Nadel geltend, selbst das Heizen des Kessels und das ö der Maschine machen sich bemerkbar. Man hat jedoch
ierüber Berechnungen aufs Genaueste angestellt und kann sagen, daß man der Schwierigkeiten ziemlich Herr geworden ist. — Ueber die
mögen auf 185500 Thlr. in Papieren und 196 Thlr. baar beläuft. Die. Mitgliederzahl betrug im Oktober d. J. 576, gegen 461 im Vorjahre und 187 im Jahre 1872. Uater diesen, 576 Mitgliedern sind zu nennen 59 Vereine und Behörden, 41 Aktiengesell schaften, 4 Mitglieder, die durch einmalige Zahlung von hundert Thalern als Permagnent aufgeführt werden; es leben in Berlin 135, im übrigen
reußen 267 Mitglieder, am stärksten ist die Rheinprovinz (986), am chwächsten die Provinz Posen (5) vertreten; im außerpreußischen Deutschland wohnen 68, außerhalb des Reiches 2 Mitglieder. Die Bibliothek des Vereins ist zahlreich, wird aber wenig gelesen, man will deshalb dem Gedanken näher treten, Piefelbe dem Magistrat zu überweisen unter der Bedingung des Eigenthumsrechtes, der eventuellen Zurücknahme und der steten
in ganzen und gebrochenen Zahlen 2c.) erstreckt. Für die Haupt⸗
Erlaubniß für Mitglieder, die Bibliothek benutzen zu dürfen.
Kräfte des Magnetismus wird die Wissenschaft noch weiteres Licht verbreiten, wenn magnetische Observatorien, wie eines derselben bei Potsdam gebaut wird, erst den Erdball bedecken.
— Die zweite Kurliste von Meran vom 112 d. M. weist 194 k aus. Der neue Kursaal wurde am 14. d. M. feierlich eröffnet.
Redacteur: F. ** Berlint Verlag der Crpebition Kesseh. Druck: W. El sner. Drei Beilagen
feinschließlich Börsen und Handelsregister ⸗ Beilage)
Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Mm 278.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 26. November. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags nahm in der ersten Berathung der Justizgesetze nach dem Abg. Dr. Reichensperger der Bundes⸗ bevollmächtigte Justiz Minister Dr. Leonhardt das Wort:
Meine Herren! Ich kann es nicht anerkennen, wenn der Herr Vorredner geglaubt hat, daß ich von dem Standpunkt, welchen ich in Betreff der Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung einnehme, diejenige Erweiterung der Gerichtsverfassung genehmigen möchte, die er Ihnen vorgeschlagen hat. Am allerwenigsten möchte ich glauben, daß die Zu⸗ ständigkeit der Reichsgesetzgebung sich erstrecke auf die staatsrecht· liche Frage in Betreff der Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Justiz und Verwaltung, =
Meine Herren Ich bin überzeugt, daß sie unter allen Um- ständen die Kommission sich die Aufgabe stellen wird, das Gerichts⸗ Verfaffungsgesetz über die ihm jetzt gezogenen Grenzen zu erweitern, auch wem es dem Hrn. Abg. Lasker nicht gelingen wird, mich in Be treff der Nr. 15 des Art. 4 der Verfaffung zu verstãndigen — ich glaube allerdings nicht, daß ihm dag gelingen wird. Dann, meine Herren, übernehmen Sie eine sehr große Aufgake, und meine besten Wünsche werden Sie begleiten. Das ift in der That mein Ernst. — Ich kann nicht übernehmen, auf alle die verschiedenen Punkte einzugehen, welche von Ihnen als solche bezeichnet sind, welche einen Platz in dem Gerichtsverfasfungsgesetze finden sellen; ich möchte aber doch einige allgemeine Bemerkungen mir in aller Kürze erlauben.
Meine Herren! Nehmen Sie doch nicht mit dem Hrn. Abg. Lasker einen fo hohen Flug und jagen Sie nicht nach Idealen, welche garnicht erreicht werden können. Wenn der Hr. Abg. Lasker auch nur eine kurze Zeit in einem großen oder kleinen. Stgate Justiz · Minister wäre, so würde er finden, daß reale Verhältnisse existiren, welche nothwendig Berückfichtigung finden müssen. Meine Herren! Es ist viel geredet in Betreff der Unabhängigkeit der Richter, und in dieser Richtung sind sehr mannigfaltige Garantien vorgeschlagen. Die wahre Unabhängigkeit des Richters liegt in seinem Charakter; Fußere Garantien müssen daneben gewährt werden und im hohen Maße. Solche äußere Garantien sind auch im preußischen Staate gewährt. Daß es in anderen Einzelstaaten nicht so sein mag, gehe ich zu, wie ich überhaupt behaupte, daß in Preußen die Justizverwaltung reichlich so gut geregelt ist, wie in irgend einem anderen Stagte, und daß die Justizverwaltung keines anderen Staates die von Preußen übertrifft. Das bemerke ich mit Hinblick auf einige Aeußerungen Des Herrn Äbgeordneten für Meppen. — Der Herr Abgeordnete von Meppen geht nun noch weiter, wie der Hr. Abg. Lasker; er will nicht, daß Titel verliehen werden, daß Orden verliehen werden; ich wundere mich nur, daß er die Richker nicht zur Ehelosigkeit ver— urtheilt. Es ist gar nicht zu bezweifeln, daß ein Richter, der unper. heirathet ift, ohne alle Rückwirkung von Frau und Kind, unabhängiger ist, wie ein verheiratheter Richter, .
Der Herr Abgeordnete für Meppen ist soweit gegangen, zul be⸗ haupten, es wäre, um die Unabhängigkeit der Richter zu sichern, nöthig, daß eine Wahl stattfinde., Ich glaube, er sprach vom obersten Gerichtshofe; allein wenn die Wahl zum obersten Gerichtshof ge⸗ boten ist, dann wird auch die Wahl zu den höheren Gerichten ge⸗ boten fein; denn in dem Eintritt in höhere Gerichte liegt immer eine Beförderung. Aber selbst damit kommt man noch gar nicht weiter. Meine Herren, die Rücksicht auf; freiwillige Verfetzung ist auch eine solche, die von nicht unerheb⸗ licher Bedeutung, möglicherweise der Gegenstand einer Einwirkung sein wird. Wie wollen Sie denn hier helfen? Es soll doch nicht etwa das Anciennetätsprinzip befolgt werden? Es ist ganz unmög—⸗ lich, meine Herren, daß Sie einen Richter vollständig unabhängig vom Jufstiz⸗Minsster stellen können; alle Ihre Garantien schlagen nicht durch; eine . Garantie muß auch in dem Justiz Minister liegen, und der Juftlz⸗Minister muß durch die parlamentarische Kontrole genö⸗ thigt sein ordnungsmäßig zu handeln, wenn er an sich keine Neigung dazu hätte. Der Herr Abg. Windthorst hat Ihnen, um die Wahl — das ift für mich ein ganz verhängnißveller Gedanke—— schmackhaft
zu machen, bemerkt, daß das große. Ansehen, welches das Dber⸗ Appellationsgericht in Celle gehabt hätte, auf dem Prãäsentationsrecht Fer Landschaft beruht habe; — ein mir ganz neüer Gedanke; ich wundere mich in der That, wie der Herr Abg. Windthorst in einem Hause, in welchem doch so viele Bewohner der Provinz annover anwesend sind, eine solche Behauptung hat auf⸗ sellen können. Ich will ja gar nicht leugnen, daß sehr tüch⸗ tige Männer, unter ihnen der Hr. Abg. Windthorst, durch Präsen— faiion Mitglied des obersten Gerichtshofes des früheren Königreichs 6 geworden sind, aber daneben sind doch auch untüchtige anner in das Gericht gekommen. (Abg. Windthorst: Das ist nicht wahr! Die Königlichen waren es.) ö Wenn der Abg. Windthorst das nicht glaubt, so will ich noch Folgendes hinzusetzen. Es bestand bei dem Ober · Appella tionsgericht zu Gelle als Erschwerniß zum Eintritt in das Gericht zweierlei, ein⸗ mal das Serutinium de vita et moribus. In diesem Skrutinium hat nie unterlegen ein landesherrlich ernannter Richter, wohl aber haben zwei Präsentaten das Skrutinium nicht bestanden. Als zweites Hinderniß war aufgestellt eine Prüfung. Rie hat ein landesherrlich ernannter Richter diese Drüfung nicht bestanden, wohl aber ver; schiedene Präsentaten, und diese Durchfälle nahmen in der letzten Zeit in erschreckender Weise zu. Es ist nicht erwünscht, daß ganz junge Leute in den obersten Gerichtshof kommen, das geschah aber in Folge der Praͤsentationen, lediglich weil die Familien verbindungen das mit sich prachten. Vor 20 Jahren — es ist vielleicht noch etwas länger her — wurde ein Kanzleiassessor zum Mitglied des obersten Gerichtshofes zu Celle ernannt, was mit gutem Grunde das größte Aergerniß bei dem damaligen König Ernst August erregte. Nach einiger Zeit ging man sogar soweit, einen Gerichtsassessor, also einen noch nicht einmal etatsmäßigen Richter zum Mitgliede des obersten Gerichtshofes zu präsentiren. Mir sind die Verhältnisse sehr wohl bekannt, und des⸗ halb möchte sch dem Hrn. Abg. Windthorst anheimgeben, auf solche Argumente sich nicht zu stützen.
Dann gestattet mir der Hr. Abg. Windthorst wohl noch, daß ich die Mitglieder der hannoverschen Sbergerichte gelegentlich in Schutz nehme. Nach . Aeußerungen muß man 4annehmen, daß diese sich weniger wissenschaftlich ausbilden, als die Mitglieder Fer Amts⸗ gerichte. Davon weiß ich nichts, und wenn der Hr. Abg. Windthoꝛst einmal die Zeitschrift für hannoversches Recht durchblättern will, so wird er finden, 6. verhältnißmäßig sehr viel mehr Mitglieder der Dbergerichte wissenschaftlichen Studien sich hingeben, als itglieder
der Amtsgerichte. Ich würde dem Abg. Windthorst noch ein Mehreres entgegnen, wenn ich nur einen genügenden Anhalt hätte. Er hat nämli Ver⸗ schiedenes für den Landtag in Aussicht gestellt. Das ist jedoch ver⸗ deckt, und indem es verdeckt vorgebracht wird, schwirrt es herum, und erregt den Glauben, daß außerordentlich Schlimmes in der Just ißderwaliung Preußens porgehe. Wenn der Herr Abg. Windihorst nur offen hervortreten wollte, dann könnte ich mich auf die Dinge einlassen; fur jetzt beschränke ich mich auf dieje Ausführungen und werde im Landtage wohl Gelegenheit finden, das Weitere nach? uholen. 1. Der Hr. Abg. Lasker hat sodann auf die Freiheit der Advokatur Rücksicht genommen und d, gemeint, daß die Freiheit der Advokatur gegeben sei durch den Anwaltszwang. Ich vermag nicht abzusehen, in welcher Weise die Advokatur, mit dem Anwalts zwange
Berlin, Donnerstag, den 26. N
darauf an, was man darunter versteht. Wenn man darunter ver- steht, 1 der zur Anwaltschaft Qualifizirte als Anwalt zugelassen werden soll, ist dagegen Nichts einzuwenden. Wenn man aber so weit gehen wollte, zu sagen, es solle in das Belieben Jedermanns gestellt wer⸗ den, an welchem Otte er die Anwaltschaft treiben will, dann, meine Herren, wollen Sic wohl erwägen, in welchem Zusammenhange dieser Punkt mit dem Anwaltszwange steht. Wollen Sie nur solche freie Advo⸗ katur beschließen, dann heben Sie die Anwaltschaft auf, beseitigen dann aber auch die Mündlichkeit, wie sie in der Civilprozeßordnung estaltet ist. Der Hr. Abg. Lasker hat auf die Verhältnisse des hen r. Stadtgerichts hingewiesen und gesagt, wie übel es einwirke, daß keine Freiheit der Advokatur bestehe. Es sei Mangel an An⸗ wälten vorhanden, man würde gedrängt nach Personen, die nicht be fähigt wären. Da der Hr. Abg. Lasker Rechts anwalt ist, so möchte ich ihn bitten, wenn er solche Erfahrungen gemacht hat, dann doch zu bewirken, daß der Ehrenrath der Anwälte die Sache zur Kenatniß des Justiz⸗Minifters bringt; ich kann ihm die Versicherung geben, da
dann die gewünschte Zahl weiterer Anwälte sehr bald erscheinen würde. Dann hat der Hr. Abg. Lasker bemerkt, es müsse, vorzugs weise darauf gesehen werden, daß die Zahl der Richter vermindert und die Befoldung derselben erhöht werde. Ich bin von ganzem Herzen ein⸗ verstanden, daß das in aller möglichen Weise geschieht; aber leider das fage ich als Vertreter der Königlich preußischen Regierung sind die Entwürfe nicht mehr so beschaffen, daß man in dieser Beziehung sich große Aussichten machen dürfte, wie auch der Hr. Abg. Windt⸗ horst bereits bemerklich gemacht hat. Die Intentionen der Königlich preußischen Regierung gingen etwas mehr in der Richtung, welche der Hr. Abg. Lasker verfolgt wissen will, weiter. Wenn die Kommission in dieser Beziehung wirken kann, so wird das der Königlichen Regie⸗ rung, die ich zu vertreten die Ehre habe, sehr erwünscht sein. .
Dann, meine Herren, lassen Sie mich in verhãltnißmãßiger Kürze die Betheiligung der Laien an der Rechtspflege, die so viel in Betracht gezogen wird, berühren, um Ihnen hier den Standpunkt der Königlich preußischen Regierung darzulegen. Es ist Ihnen wohl bekannt, daß bei der Bearbeitung der Strafprozeßordnung der preußische Justiz · Minister von der Ansicht ausgegangen ist, die Schöffengericht verfassun einzufũhren. Darunter verftand er: volksthümliche Strafrechtspflege. Ich gehe da⸗ von aus, daß eine wirllich korrekte Rechtspflege nur durch rechts⸗ gelehrte Richter garantirt wird. Aber es kommt nicht allein auf kor⸗ rekte Rechtspflege an, sondern auf eine Rechtspflege, die das Ver⸗ trauen genießt. Ferner hat die Sache eine rechte politische Seite. Es erscheink nämlich erwünscht, daß einerseits das Recht dem Volke wie⸗ der näher geführt wird, und umgekehrt, das Leben dem Richter. Diese Gedanken rechtfertigen, daß man Laien an der Strafrechtspflege be⸗ theiligt. Als man ragte, in welcher Weise ist das zu erreichen, ob durch Geschworene oder durch Schöffen, so konnte, wenn man die realen Verhältnisse in Betracht zog, die Antwort nur sein: das kann nur durch Schöffen erreicht werden. Das Geschworen eninstitut setzt einen so großen Apparat voraus, daß es ganz unmöglich ist, die Strafrechkspflege in allen Ordnungen mit Geschworenen administriren zu lassen. Wenn man die Schöffengerichts verfassung, wodurch die Gerichtsver⸗ fassung und das Verfa hren außerordentlich vereinfacht wird zu Grunde legte, so fiel ganz ohne Weiteres die Betheiligung von Geschworenen für schwere Fälle; denn es würde vom Standpunkte der Schöffengerichts- verfassung aus gar nicht zu begreifen sein, warum denn etwas anderes Rechtens sein soll für die jchweren Fälle, wie für die mittleren Fälle, wenn man nicht etwa die Geschworenen zu einer politischen Institution machen und dann die Zuständigkeit der Geschworenen bestimmen will nicht etwa nach der Schwere der Strafe, die verwirkt ist, sondern nach dem Charakter des Verbrechens.
Nun habe ich es meinerseits für kein Uebel erachtet, wenn die Geschworenen fielen. Ich bin durchaus kein Feind der Geschworenen, aber daß sie eine so vorzügliche Institution bildeten, daß sie in aller Weise zu erhalten seien, nehme ich nicht an. Ich werde mich natürlich hier nicht näher aussprechen über die Licht⸗ und Schattenseiten, welche einer seits das Geschworeneninstitut, anderersgits das Schöffeninstitut bietet, aber aus eigener Erfahrung möchte ich kurz bemerken: man hat den Schöffen immer vorgeworfen, sie wären nicht unabhängig dem Richter gegenüber, der Richter wirke zu stark auf sie ein. Ich meinerseits sinde in dieser Einwirkung von einzelnen Personen auf die Geschwo⸗ renen die größten Bedenken bei dem Geschworeneninstitut. Meine Herren! Ich habe mehrfach wochenlang als Geschworener fungirt und habe bei bieser Gelegenheit erfahren, wie außerordentlich stark der Einfluß ist, den einzelne Persönlichkeiten auf ͤ ) Üben. Ich habe, als ich zuerst bei einer ausgezeichnet besetzten Ge⸗ schworenenbank als Obmann fünf Wochen lang fungirte, mix von der erften Sitzung an zur Aufgabe gemacht, meine Ansicht nicht zu er— kennen zu geben, mich auf die Leitung und Abstimmung beschrankend. Auch der Geschworene ist nicht unabhängig, ö
Der Abg. Reichensperger hat Ihnen heute bemerklich gemacht, seine Erfahrung sei eine außerordentlich günstige, er habe wohl erlebt, daß nach der Ansicht der Richter Schuldige freigesprochen wurden, nicht aber das Umgekehrte. Solche Erfahrun˖ gen habe ich nicht gemacht. Es sind mir allerdings mehrere Fälle vorgekommen, in welchen die Geschwornen Unschuldige verurtheilt haben. In einem Falle trat das sogar in eklatantester Weise heraus. Der eine der unschuldig Verurtheilten entzog sich selbst dem Leben und der Andere stand ganz nahe vor dem Schaffot; die Todesstrafe wurde jedoch nicht vollstreckt. Aber, meine Herren, das lege ich den Geschwornen durchaus nicht zur Last, irren können die rechtsgelehrten Richter ebenso, wie die Geschwornen. .
Melne Herren! Ich habe mir diese Bemerkungen eilaubt. weil man vielfach davon ausgegangen ist, daß der preußische Juftiz . Minister mit großer Halsstarrigkeit die Idee der Schõffengerichts ver, faffung sesthalte und verfolge. Das ist gar nicht der Fall gewesen, ich bin vielmehr von vornherein davon ausgegangen, daß die Reform, welche in der Schöffengerichtsverfassung siegt, eine viel zu große ist, als daß sie so zu sagen e . werde. Wenn dafür keine Sympathie im Volke herrscht, o muß man ohne Weiteres davon absehen. Ich habe auch im Laufe der Zeit über die Sache doch anders gedacht, wie das früher der Fall war. Die Zeit, als ich davon ausging, die Schöffen gerichts verfassung aufzunehmen, liegt in weiter Ferne, und Vieles hat sich seitdem ge⸗ ändert; die Zeit ist eine in pelitischer, in kirchlicher, in sozialer Be⸗ ziehung so bewegte geworden, daß ich es nicht wagen möchte, jetzt noch die Schöͤffengerichtsverfassung zu empfehlen. Die Sache liegt jetzt einfach so: Der preußische Justiz⸗Minister hat im Justizaus schuß pes Bunbesrafbs bei erster Gelegenheit und zwar ohne weitere Dis ⸗ kussion die Schöffengerichtsverfassung fallen lassen. Wie die Sache jetzt liegt, sossen Geschworene urtheilen in schweren Fällen, Schöffen in unterfter Instanz, rechtsgelehrte Richter in der mittleren Instanz; dieser Zustand ist zwar nicht sehr schön, ist auch nicht sehr harmenisch, aber er besteht doch in einer Reihe von Staaten und ohne irgend welche Beschwerde. . . .
Was von verschiedenen Seiten befürwortet wird, in der mittleren Instanz Schöffen einzuführen, würde ich für im höchften Grade be⸗ denklich halten. Einmal hat die Schͤffengerichtsverfassung, im Greßen und Ganzen gedacht, außerordentliche sachliche und ö Vor⸗ theile, aber getheilt gewiß nicht, Man kann wohl dargu rechnen, das erforderliche Personal mit einigem guten Willen zu finden, wenn man die Schöffen zerichte verfassung ganz durchführt, nicht aber, wenn man in der mittleren und unteren . Schöffen, daneben aber den großen Apparat der Geschworenen für die oberste Instanz in An · spruch nimmt. Es scheint mir recht bedenklich zu sein, die
zusammenhängt. Die freie Advokatur billige ich, es kommt nur
Kräfte der Laien in einer so außerordentlichen Weise in
die Geschworenen aus
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Anspruch zu nehmen, wie dies die Zuziehung in mittlerer Instanz mit sich bringt. Die Laien werden wenigstens in Preußen Tuch in der Verwaltung sehrr in Anspruch genommen, jetzt uch noch in Sachen der Civilehe. Ich glaube nicht, daß eine Neigung vor⸗ walten wird, sich noch weiteren Funktionen zu unterziehen; Alles hat seine Grenzen, auch die Last, die man den Laien auflegt. Und dann, meine Herren, bin ich, wieich bereits hervorgehoben habe, keineswegs gene gt, zu erklären, daß die Schöffengerichte verfassung, also die Zuziehung ven Schöffen überhaupt, nicht ihre Bedenken hätte; an sachlichen Bedenken fehlt ez nicht. Und ferner kommt für mich in Betracht, daß mir die Zeit eine zu bewegte ist, als daß man in großem Umfange eine so bedeutende Reform wagen könnte. Deshalb meine Herren, wäre ich der Arsicht, daß Sie es bei der Zuziehung der Laien, wie sie der jetzt vorliegende Entwurf vorschlägt, belassen möchten — daß Sie. aber lieber die Schöffen in der untersten Instanz streichen, als daß Sie dieselben noch einführen in die Mittelinstanzen.
Hierauf erklärte der Königlich bayerische Staats⸗Minister der Justiz Dr. v. Fäustle: .
Der Hr. Abg. Römer hat den §. 7 Des Einführungsgesetzes zur Gerichtsverfassung bekämpft. Wie gern ich nun auch die maßvolle und objektive Ark anerkenne, womit der Herr Abgeordnete sein Be⸗ denken gegen den 5.7 entwickelt hat, so halte ich mich doch für ver= pflichtet. gegen ein ze feiner Bemerkungen einen kurzen Widerspruch einzu- legen. Meine Herren, ich glaube, wenn Sie sich den Entwurf des Gerichtsverfafsüungsgesetzes ansehen, so werden Sie der bayerischen Re⸗ gierung den Vorwurf, lediglich partikularistischen Neigungen nach⸗= gegangen zu sein, nicht machen können. Die bayerische Regierung hat, nachdem fie auf Grund der Versailler Verträge auch dat Gesetz des vormaligen Norddeutschen Bundes über die Errichtung eines Reichs ⸗Dber ⸗Handelsgerichts übernehmen mußte, si auch den weiteren undermeidlichen Konsequenzen unterwerfen. Sie werden finden, daß im Gebiete des Strafrechts, wo wir im Reiche die Ein heit des Rechtes bereits haben, Bayern sich der Judikatur des Reichs gerichtes nicht entziehen wollte. nders ist es bezüglich der Civil- rechtsftreitigkeiten. In 5. 7 des Einf ⸗Ges. sind drei Gedanken hierüber zum Ausdruck gebracht: Für dicjenigen Fälle, in welchen bisher das Reichs⸗Oberhandelsgericht zuständig war, soll auch das Reichsgericht zuftändig bleiben. Wenn ferner noch vor dem Insleben⸗ treten des Dentschen Civilgesetzbuches das Reich in die Lage kommen sollte, Spezialgesetze zu erlassen, bleibt es der Reichsgesetzgehung an⸗ heimgestellt, darüber zu befinden, ob nicht die Zuständigkeit des Reich⸗ gerichtes auch auf diese Fälle ausgedehnt werden soll. Endlich drittens ist es der Reichsgesetzgebung anheimgegeben, wenn seiner Zeit ein allgemeines deutsches Civilgesetzbuch erlassen sein wüd, nach Maßgabe der Be⸗ stimmungen derjelben darüber zu befinden, welche Rechtssachen nun⸗ mehr dem Reichsgerichte überwiesen werden sollen und können. Die bayerische Regierung hat sonach auch hier die vollen Konsequenzen des Grundfatzes übernommen, daß die Einheit des Rechtes auch die Einheit des obersten Gerichtes erheischt. Allein, meine Herren, wenn ich diesen Grundsatz anerkenne als Fundament des Reichsgerichtes, so muß ich andererseits, — und ich spreche es hier offen aus. ehen so entschieden betonen, daß die Einheit des Rechts nicht blos das Fun— dament für das Reichsgericht ist, so ndern anch seine Grenze.
Für viele deuische Staaten ist die Frage allerdings gegenstands los. Für jene Staaten, welche in der Lage sind, ihre Appellationsgerichte zu einem gemeinsamen Oberlandes⸗ gerichte zusammenzuziehen, wird dieses für die Landesrechts sachen die Rechtseinheit vollkommen zu verwirklichen in der Lage sein. In dieser Situation befindet sich Bayern aber nicht. Es wird mir jeder mit den bayerischen Verhältnissen Vertraute zugeben müssen, daß die bayerische Justizverwaltung absolut nicht in der Lage ist, für die falz und die Rieben rechtsrheinischen Kreise ein gemeinsames Ober- Landesgericht zu errichten. Es werden. nach wie vor fünf bis sechs solcher ber · Landes appellationsgerichte fortbestehen müssen. Ohne ein gemeinsames oberstes Gericht ist daher Bayern der Gefahr preisgegeben, die Rechtseinheit für sein Landesrecht zu verlieren. Ich werde der Kommission, welche das Hohe Haus zu herufen beahsich⸗ tigt, seinerzeit einen amtlichen Ausweis darüber ʒu liefern in der Lage fein, daß fast alle umfangreicheren Partikularrechte in Bayern sich in ihrem Geltungsbereich uber den Bereich eines Appellationsgerichte· sprengels hinaus erstrecken. — Die kleineren Partikularrechte kommen nicht in Betracht; aber bei den größeren ist es der Fall.
Meine Herren! Ich glaube, daß ich die Frage zu stellen berech⸗ tigt bin: Was hat das Reich für ein Interesse an der Erledigung diefer Landesrechtssachen? welche Gründe können bestimmend sein, daß diese Angelegenheiten einem Gerichte entzogen werden, welches mit den baherischen Rechtezuständen vollkommen vertraut ist und einem Gericht zugewilesen werden, welches den bayerischen Rechts- zuständen bisher fremd gegenüber stand? Ich frage: was hat das Reich für ein Interesse, Landesrechtssachen dem Forum in München zu entziehen, und den bayerischen Staatsbürgern anzusinnen, in allen den jenigen bürgerlichen Rechtssachen, in welchen sie Revision einzu⸗ legen genöthigt sind, den theuern Weg der Rechtshülfe in Berlin oder in Leipzig zu suchen? Ich stehe nicht an, offen zu bekennen, daß der bayerische Justiz ⸗Minister, der nicht Alles aufbietet, um die Ange⸗ hörigen seiner Heimath vor diesen Inkonvenienzen, welche in den meisten Fällen effektiv zur Entziehung. des Rechts⸗ mittels der Revision in Landegrechtssachen führen werden, zu schützen, sich berechtigten Vorwürfen aussetzen würde, und ich werde es meines Theiles nicht fehlen lassen, diesem Gedanken
zumal ein wahres Reichsinteresse dadurch gar
lagen Sie sich beiläufig den 6 Entwurf der Gerichts⸗
ch bin überzeugt, wir werden ltniffen zu einem Gerichtshef von wenn ich zu der ganzen Straf⸗ welche das Reichs ⸗
verdient, so halte bühr zu belasten, es mit einer Ueberzah dessen das Reichsgerich deffen viele Senate Alle Rechts. ;
Es darf nicht
eife zu beschweren, daß
rden muß, in Folge
ament werden würde,
als die Einheit des
. gelassen zt , daß wir, so gern ich aß wir jetz leg auf- bieten, t 5 wenigftens bezüglich; des. gerichtlichen Verfahrens zu einer Rechtseinheit zu gelangen, eigentlich inxerso ordine verfahren. Der normale Fall wäre der, daß zuerst das Civilrecht bearbeitet, daß das bürgerliche Recht zuerst elde und dann das gerichtliche Ver- fahren geordnet wird. Wir können das nicht, aber wir sollten uns beshalb, weil wir fo verfahren müssen, auch hüten, von jeder Ent⸗ wicklungs⸗ und Uebergangsstufe absehend, auf unfertiger Grundlage schon jetzt definitive Zustände anzustreben. Wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, nachdem die zu besorgenden Maͤngel hervortreten alẽ⸗· bald wieder legislative Aenderungen vornehmen zu müssen, hielte ich es gerade bei dem Reichsgerichte für das Gerathenste, sich vollständig auf das augenblickliche Bedürfniß zu beschränken, vorerst nicht weiter zu gehen, als es die Einheit des bestehenden Reichsrechtes aus⸗
außer anerkenne,
drücklich erheischt, und im Uebrigen den Zustand der Entwickelung ab⸗