November er. die wesentliche Entscheidung: Es ist nicht erforder⸗ lich, daß der Hehler Kenntniß von der Strafthat, mittelst deren die Sache erlangt ist, ihrem speziellen Charakter nach gehabt habe, vielmehr genügt, daß er wußte oder den Um⸗ stãnden nach annehmen mußte, daß die Sache mittelst einer strafbaren Handlung erlangt sei.
— Der Invalide T., der im letzten Kriege durch einen Gewehrschuß an der linken Hand verwundet worden, dem die Hand aber erhalten blieb, bezieht vom Staate die Invalidenpension zweiter Klasse mit 7 Thlr. monatlich und die Pensionszulage mit 2 Thlr. monatlich. Erstere wird den Soldaten gewährt, wenn sie zu keinerlei Militärdienst mehr tauglich (ganzinvalide) und dabei durch Dienstunfähigkeit gänzlich erwerbsunfähig; letztere, die Zulage, wird ihnen alsdann gewährt, wenn sie durch den Krieg ganzinvalide geworden sind. T. bean⸗ spruchte jedoch noch eine fernere Verstümmlungszulage von 6 Thlr. monatlich, welche auf Grund des 5. 72 Lit. C. des Gesetzes vom 27. Juni 1871 denen zusteht, welche an einer der Hände, der Arme oder Füße so verstümmelt worden, daß „die Störung der aktiven Bewegung sfähigkeit des betreffenden Gliedes dem Verluste des Gliedes gleich zu achten sei.“ Die Militär⸗Verwaltungsbehörde er⸗ kannte jedoch nach einer Unters uchung des Invaliden T. und nach abgegebenem Gutachten von Militärärzten diesen Anspruch nicht an, und T. klagte nun gegen den Fiskus auf Zahlung der Verstümmelungszulage mit 6 Thlr., indem er behauptete, daß er seine Hand zum Betriebe der Schuhmacher⸗Profes⸗ sion nicht mehr gebrauchen kön ne. Sowohl vom Kammer⸗ gericht, als auch auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers vom Ober⸗Tribunal wurde dieser Anspruch auf die gedachte ¶ Verstũmmelungszulage zurückgewiesen, indem das letztere ausführte: daß Kläger durch die Hand⸗ beschödigung zur Ausübung des Schuhmachergewerbes unfähig geworden sein will, ist für die Anwendbarkeit des §. 72 Lit. c. nicht erheblich. Voraussetzung dieser Be⸗ stimmung ist die dahin bezeichnete, einem gänzlichen Verluste gleich zu achtende Beschädigung der Hand. Sie wird durch eine eingetretene Erwerbsunfähigkeit nicht ersetzt und ist nicht in der Lit. c. als ein zur Verstümmlungszulage berechtigender schwerer Grad der Verletzung, wohl aber vorher bei Abmessung der Höhe der Invalidenpension berücksichtigt. Diese ist in den 55 66 folg. für ganzinvalide verschieden abgestuft, je nachdem e bei gänzlicher Erwerbsunfähigkeit ohne fremde Pflege und Wartung nicht bestehen können, oder gänzlich, oder größtentheils, oder theilweise dienstunfähig, oder nur zu jedem Militärdienste untauglich geworden sin d. Ihnen zufolge erhält auch Kläger die Invalidenpension der durch Dienstbeschädigung gänzlich erwerbsunfähig gewordenen ganzinvaliden Soldaten.“
— Der General⸗Major und Direktor der Ober⸗Militär⸗ Examinations⸗Kommission des Barres hat sich Behufs Ab⸗ nahme der Offizierprüfungen an den Kriegsschulen zu Potsdam, Hannover und Cassel dorthin, der Kapitän zur See und Chef des Stabes der Kaiserlichen Admiralität Batsch in dienstlichen Angelegenheiten nach Kiel und Wilhelmshaven begeben.
— Der Kaiserlich deutsche Gesandte in Brüssel, Graf Perponcher, hat einen mehrwöchentlichen Urlaub angetreten, während dessen der Legations⸗Sekretär Stumm die Geschäfte der Gesandtschaft führen wird.
Stralsund, 25. November. Dritte Sitzung des Kom⸗ munal⸗Landtages. Nach Erössnung derselben um 10 Uhr und nach Verlesung der Protokolle der beiden ersten Sitzungen, wurde in die Tagesordnung eingetreten. Auf derselben standen die Angelegenheiten der ständischen Irrenheilanstalt zu Greifs⸗ wald. Der ernannte Referent trug die Rechnung und den Jahresbericht pro 1873 vor. Die Rechnung wurde dechargirt, der neue Etat pro 1875/77 durchberathen und festgestellt und endlich die nöthig gewordene Neuwahl eines Direktors der Anstalt vorgenommen. Hierauf wurde die Sitzung gegen 12 Uhr ge⸗ schlossen, die morgende auf 10 Uhr Vormittags bestimmt. Nach Schluß der heutigen Sitzung begaben sich die hierzu ernannten Kommissionen zur Inspizirung der hiesigen Irren⸗ und Siechen⸗ bewahr⸗ und der Taubstummen⸗Anstalt.
Bayern. München, 25. November. Es liegen be⸗ reits aus allen Kreisen Berichte über die Eröffnung der Land⸗ rathsversammlungen vor. Der beim letzten Landtage der Abgeordnetenkammer gegebenen Zusage des Kultus⸗Tiinisters Hrn. v. Lutz entsprechend, ist die Frage der Verleihung pragmatischer Rechte an die Gewerheschullehrer (gemäß dem Antrage des Abg. Jörg) allen Landrathsversammlungen vorgelegt worden, und es ist kaum zu bezweifeln, daß sich die große Mehrheit derselben, wo nicht sämmtliche, im bejahenden Sinne darüber aussprechen werden. Der Landrathsausschuß von Mittelfranken hat schon gestern einstimmig beschlossen, den Lehrern der Gerwerbschulen pragmatische Rechte und die Theuerungszulagen pro 1874 und 1875 zu gewähren.
— Der Kämmerei⸗Etat der Stadt Nürnberg pro 1875 beziffert eine Ausgabe⸗Pofition von 1,390,437 Fl. (Mehrung gegen das Vorjahr 193,885 Fl. und um rund 400 000 FI. gegen das Jahr 1873). Zur Bilanzirung des städtischen Haus⸗ halts wurden die Gemeinde⸗Umlagen (wie bereits seit einigen Jahren) auf 90 pCt. festgesetzt.
Sachsen. Dresden, 26. November. Der König und die Königin sind gestern Abend 11 Uhr von Altenburg hier wieder eingetroffen.
Gestern Nachmittag fand auf dem innern Neustädter Friedhofe die Beerdigung des am 22. d. Mts. verstorbenen Königlichen Obersten und Genie⸗Direktors Hrn. Otto Clemens Erdmann Andree statt. Der König war hierbei durch den Flũgeladjutanten Obersten v. Dziembowski, Prinz Georg durch den Adjutanten Rittmeister v. d. Planitz vertreten.
— Das Königl. Landes⸗Medizinalkollegium hat am 23. d. M. unter dem Vorfitze seines Präsidenten Dr. Rein⸗ hard seine neunte ordentliche Plenarversammlung abgehalten.
Braunschweig. Braunschweig, 26. November. Das Herzogliche Staats⸗Ministerium veröffentlicht d. d. Braun- schweig. 23. November, folgendes Höchste Reskript: Von Gottes Gnaden, Wir, Wilhelm, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg ꝛc. ꝛc. Da die Wiederbesetzung der Stelle eines Raths im Herzoglichen Obergerichte erforderlich geworden ist, zu welcher der Landes versammlung das Präsentationsrecht zusteht, so haben Wir beschlossen, die Landesversammlung zu einem auß er⸗ ordentlichen Landtage behuf der vorzunehmenden Wahl einzuberufen und verordnen hierdurch, daß sich die Abgeordneten des Landes Dienstag, den 15. Dezember d. J, in unserer Resi⸗ denzstadt Braunschweig versammeln ꝛc.
Anhalt. Dessau, 25. November. Nach der Coeth. 3.“ wird demnachst die Herzogliche Abtheilung für
die Finanzen, als Oberbehörde zu bestehen aufhören, um als Herzogliche Finanz⸗Direktion“ eine Unterabtheilung des Staats⸗ inisteriums zu bilden.
Sach sen⸗Altenbꝓurg. Altenburg, 26. November. Nach⸗ dem der König von Sachsen gestern noch einer Jagd im Kammerforste beigewohnt, haben beide Königlich sächsischen Maje⸗ 53 Abends 6 Uhr mittels Extrazuges Altenburg wieder ver⸗ assen.
— Heute tritt die Landschaft des Herzogthums zusammen.
Bremen, 24. November. Wie die H. N.“ mittheilen, hat sich der Senat veranlaßt gefunden, die hiesigen Prediger mit Instruktion zu versehen für die Fälle, in welchen Brautpaare aus dem Hannoverschen sich hier kirchlich trauen lassen wollen. Die Instruktion des Senats lautet dahin, daß der Trauung hannoverscher Brautpaare in hiesigen Kirchen nichts im Wege steht, wenn dieselben zuvor dem hiesigen Civilstandsamt nachgewiesen haben, daß ihre Ehe rechts⸗ gültig geschlossen ist, und dessen Bezeugung vorweisen können.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 26. November. Die Kaiserin und Königin ist gestern Nachmittags nach Gödöllö abgereist.
— In der Hofburgpfarrkirche wurde gestern Vormittags das erste Seelenamt für den Erzherzog Karl Ferdinand abgehalten. Demselben wohnten die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften sowie viele Mitglieder des diplomatischen Corps bei.
— Im Abgeordnetenhause theilte der Präsident gestern mit, daß er den seit Eröffnung des Hauses abwesenden Ab⸗ geordneten Thurnherr aufgefordert habe, im Hause zu erscheinen. Gleich darauf wurde ein Gesuch Thurnherr s um einen drei⸗ wöchentlichen Urlaub verlesen, welches jedoch mit großer Ma⸗ jorität abgelehnt wurde. Es wurden hierauf Petitionen böhmi⸗ scher Gemeinden aus Mähren um Herstellung der Eisenbahn Troppau⸗Wlarapaß verlesen. Das Aktiengesetz wurde bis zum Artikel 242 angenommen, die Artikel 2339 und 240 an den Ausschuß zurückgewiesen. — Auspitz und Genossen interpellirten die Regierung über die Regulirung der March, Mises und Ge— nossen: warum in Drohobycz binnen der gesetzlichen Frist keine Neuwahlen für den aufgelösten Gemeinderath ausgeschrieben wurden, während der bestellte Regierungs⸗Kommissar unterdessen vollkommen die Funktionen des Gemeinderathes ausübt. — Von Seite böhmischer, mährischer und schlesischer Kaufleute ist eine Petition eingelaufen, um definitive Errichtung der Ochsenmärkte in Oswiecim und nicht in Krakau.
— In der heutigen Sitzung des Herrenhauses wurde das Börsengesetz angenommen. Der Finanz⸗Minister plaidirte ent⸗ gegen dem von dem Ausschusse gestellten Antrage, für die Re⸗ gierungsvorlage, in welcher bestimmt wird, daß der Leitung der Börse die Autonomie hinsichtlich der Bestimmung der Liquida⸗ tionstermine gewahrt bleibe. Das Herrenhaus nahm den dies⸗ bezüglichen Paragraphen der Regierungsvorlage an und geneh⸗ migte alsdann nach kurzer Debatte den Gesetzentwurf, betreffend die Handelsmakler und Sensale.
— In der heutigen Sitzung des Finanz⸗Ausschusses wurde das Finanzgesetz berathen und der Gesammtbetrag der Staatsausgaben pro 1875 auf 380,873,882 Fl. festgesetzt. Der vom RKultus⸗Minister nachträglich geforderte Kredit von 523, 100 Fl. ist in dieser Summe nicht mit inbegriffen. Die Staatseinnahmen pro 1875 wurden auf 372,531,409 Fl. vor⸗ veranschlagt, das unbedeckte Defizit von 8 342,473 Fl. soll durch Veräußerung der im Besitze des Finanz⸗Ministers befindlichen Rente, im Betrage von 12 Millionen Fl. nominell, gedeckt werden.
Graz, 25. November. Im Auftrage der Statthalterei wurde der Gemeinderath von Marburg aufgelöst.
Pest, 25. November. Der kirchenpolitische Aus⸗ schuß beschloß, sich vor Allem mit der Religionsfreiheit und der Civilehe zu befassen. Der Referent Molnar empfahl die An⸗ nahme des Eötvös'schen Entwurfes über die Religionsfreiheit. Die Einbringung der Civilehevorlage wird bei der Regierung urgirt werden.
Schweiz. Bern, 24. November. Das offizielle Organ des Bundesrathes, das „Bundesblatt“, hat das von den eid⸗ genössischen Räthen zum Bundesbeschluß erhobene neue Mi⸗ litãrorganisationsgesetz unter dem 20. d. M. zur Oeffent⸗ lichkeit gebracht. Dasselbe wird demnach der revidirten Bundes⸗ verfassung zufolge am 20. Februar n. J. in Kraft treten, wenn bis zu diesem Termin nicht von 30,000 aktiven schweizer Bürgern oder 8 Kantonen das Verlangen gestellt worden ist, das neue Gesetz dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorzulegen. Das eidgenössische Militärbudget wird für das nächste Jahr mehr als eine Million weniger in Aussicht nehmen, als dies in dem Kostenvoranschlag der Fall war, welchen der Bundesrath den eidgenössischen Räthen bei der Berathung der neuen Militärorganisation vorgelegt hatte und der auf 10, 500, 000 bis 10,700,000 Fres. angesetzt worden war.
Großbritannien und Irland. London, 25. November. (A. A. C.) Der Herzog und die Herzogin von Edin⸗ burgh übersiedelten in Begleitung ihres Sohnes heute vom Buckingham⸗Palast nach Eastwell⸗Park, ihrer neuen Besitzung bei Ashford in Kent.
— Die amtliche „London Gazette“ meldet die Ernennung des Hrn. Kobert Stuart, bisherigen britischen General⸗on⸗ suls in Odessa, zum Minister⸗Residenten und General⸗Konsul bei der Republik Hayti, und des Hrn. George Edward Stanlen, bisherigen englischen Konsuls in Panama, zum General⸗Kponsul für die russtschen Häfen im Schwarzen Meer und im Azowschen Meer, mit dem Wohnorte in Odessa.
— Der deutsche Botschafter hat sich mit seiner Toch⸗ ter, der Comtesse Marie Münster, nach Chatsworth zu einem Besuche des Herzogs von Devonshire begeben.
— Von dem Kriegs⸗Ministerium und der Admi⸗ ralit ät ist beschlossen worden, den . in Paris zu⸗ sammentretenden geographischen Kongreß Seitens Groß⸗ britanniens nicht zu beschicken, da er nicht unter der Autorität der französischen Regierung stehe. Indeß wird die Geographische Gesellschaft in London bei dem Kongresse repräsentirt sein.
Die „Morning Post' schreibt an hervorragender Stelle: „Die Regierungen von England, Kanada und British Kolumbia haben eine Uebereinkunft betreffs der zwischen dem Dom inion und der Provinz schwebenden Fragen ge⸗ troffen. Wenn die Punkte der Uebereinkunft bekannt sein werden, wird wahrscheinlich m, ,. werden, daß die gerechten Ansprüche von Britissh Kolumbia alle die unter den Umständen mögliche Anerkennung gefunden haben.“
— Greßbritanniens Staatseinnahmen vom 1. April bis zum 21. November en amtlichen Ausweisen zu⸗ folge 53, 494,136 Lstrl. gegen 57,738, 101 Lstrl. in der Parallel⸗
war hier wie anderwärts rein die Sache des Zufalls.
Periode des Vorjahres. Die Ausgaben in demselben Zeitraum beliefen sich auf 50,571,020 Lstrl. gegen 54. 525, 114 Lstrl. im Vorjahre, und die Bilanzen des Schatzamtes in den Banken von England und Irland bezifferten sich am 21. ds. auf 2.923, 116 Lstrl. gegen 3,212,987 Lstrl. am nämlichen Tage im Vorjahre.
26. November. (W. T. B.) Der Schatzkanzler empfing heute eine Deputation von Parlamentsmitgliedern, welche den Wunsch aussprach, daß eine Kommission zur Prüfung der ge⸗ setzlichen Bestimmungen über den Banknotenumlauf und über die Ausgabe von Banknoten eingesetzt werden möge, damit dem periodischen Eintreten von Geldkrisen vorge⸗ beugt werde. Die Deputation wies namentlich auf die Noth⸗ wendigkeit hin, in Bezug auf die gewissen Banken betreffs Aus⸗ gabe von Noten gewährten Privilegien eine größere Gleichmäßig⸗ leit eintreten zu lassen. Der Schatzkanzler sprach sich gegen die Niedersetzung der gewünschten Kommisston aus, wenn derselben für ihre Arbeiten kein spezielles Programm vorgelegt werden könne und empfahl der Deputation die Aufstellung eines solchen Programms, in welchem alle von der Kommission zu erörtern⸗ den Fragen aufgeführt würden.
— 27. November. (W. T. B.) Der Staatssekretãr des Auswärtigen, Lord Derby, empfing gestern eine Seitens der Textil-Industrie der Grafschaft Jorkshire abgesendete Deputation, welche darauf hinwies, daß der zwischen der nord⸗ amerikanischen Union und der Konfödergtion von Kanada ver- einbarte Reziprozitätsvertrag die englischen Waaren denen der Vereinigten Staaten nachstelle und den Wunsch aussprach, daß bei Ratifikation des Vertrages Nordamerika keinerlei Vortheile betreffs der Eingangszölle eingeräumt werden möchten, die nicht auch England als Mutterland befitze. Lord Derby erklärte, daß er mit dieser Anschauung der Deputation einverstanden sei.
Frankreich. Paris, 25. November. (Köln. Ztg.) Heute hielt der Ober⸗Kriegsrath eine Sitzung unter dem Vorsitze des Marschalls Mae Mahon. Morgen findet ein militäͤ⸗ risches Diner bei dem Präsidenten der Republik statt, zu dem die Mitglieder des Ober⸗Kriegsrathes so wie eine größere An⸗ zahl von Generalen geladen worden sind.
— In dem Gesetzentwurfe über die Cadres der französischen Armee wird bekanntlich nichts über die Orga⸗ nisation des Generalstabes gesagt. Wie man vernimmt, oll nach Eröffnung der parlamentarischen Session ein besonderer Gesetzentwurf über die Sache auf den Tisch des Hauses nieder⸗ gelegt werden. Die Armee⸗Kommission hat denselben ausgear⸗ beitet und der General Billot ist mit der Berichterstattung be⸗ traut. Wie verlautet, beantragt derselbe, den Generalstab in der⸗ selben Weise zu ergänzen, wie dieses in Dentschland geschieht. Nur wird man den Rechten der jetzigen Generalstabs⸗Dffiziere alle Berücksichtigung zu Theil werden lassen.
— 26. November. (W. T. B.) Der Großfürst⸗Thron⸗ folger und Großfürst Alexis von Rußland haben, wie die „Agence Havas“ meldet, für nächsten Sonnabend die Ein⸗ ladung zu einem Diner im „Palais Elysée“ angenommen.
— Der hiesige Munizipalrath hat die Vorlage, betreffend die Aufnahme einer Prämienanleihe von 220 Millionen an⸗ genommen. Die mit 500 Fres. rückzahlbaren und mit 20 Fres. per Jahr verzinslichen Obligationen gelangen hinnen 75 Zah⸗ ren zur Rückzahlung. An Prämien kommen jährlich 900, 000 Fres. zur Ausloosung.
Cas .
Spanien. Madrid, 26. November. (W. T. B.) Nach Mel⸗ dungen, welche der Regierung zugegangen sind, herrscht unter den Führern der earlistischen Truppen im Norden voll⸗ ständige Uneinigkeit. Dorregaran soll die Uebernahme eines Kommandos abgelehnt haben und Santacruz wieder mit der Führung von zwei Bataillonen betraut worden sein. Don Carlos befindet sich in Tolosa (Provinz Guipuzeoa).
— Nach über Paris eingegangenen, aus carlistischer Quelle kommenden Depeschen schreiben sich die Carlisten den Sieg in dem Gefechte bei San Mareial zu; sie behaupten, 100 Gefangene gemacht zu haben.
Italien. Rom, 26. November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer erledigte heute die gestern nicht vollständig beendete Wahl ihrer Sekretäre. Dieselbe fiel auf Farini und Gravina, welche der Linken angehören; von beiden wurde die Wahl indeß abgelehnt, weil alle in der gestrigen Sitzung ge⸗ wählten Sekretäre der Rechten angehören. Die Linke hatte bei der heutigen Wahl unbeschriebene Stimmzettel abgegeben.
Rußland und Polen. Ueber die Amur⸗-Dampf⸗ schiff⸗Compagnie und die Goldwäschereien schreibt die „St. Pet. Itg.“ -
Die Angelegenheiten der Amur⸗Dampsschiff Compagnie sind nach Nachrichten der Mosk. Ztg.“ in äußerster Zerrüttung, so daß es nicht einzusehen ist, wie sie sich ohne Liquidation herauswickeln soll. Alle Danpfböte, die alten, wie die neuen, sind in einen so untauglichen Zu⸗ stand gerathen, daß sie ihren Frachtverbindlichkeiten nicht nachkommen konnten, welchen Umstand sich die Besitzer von privaten Dampfern, besonders der Chinese J⸗Chu⸗San, vortrefflich zu Nutze gemacht haben. Dieser thätige Ghinese, der ich vor einigen Jahren ein Dampfboot kaufte, gilt Als der pünktlichste Frachtführer und als der zuverlässigfte Lieferant. Die Unpůũnktlichkeit der Amur⸗Compagnie hat es den Be⸗ sitzern der Privatschiffe ermöglicht, den Frachtsatz zu erhöhen und ihren Gewinn zu vermehren.
Neben der Compagnie bildet die Entdeckung reicher Goldminen am Flußsystem der Burea durch die Leute des Herrn Anossow den Hauptgesprächsgegenstand am Amur. Die Burea fällt vom Norden her in den Amur und ist schon seit langer Zeit von unsern Jägern aus der Jakutzker Gegend besucht worden. An der Burea stand so⸗ gar seit lange schon eine russische Kapelle, bei welcher die russischen Händler mit den eingebornen Jägern zum Eintausch von Fellen zusammenzutreffen pflegten. Die Entdeckung von ,
eim Bade an einem heißen Tage soll ein Arbeiter, der früher Goldfucher gewesen war und durch die Aehnlichkeit der Gegend mit ihm bekannten Goldgegenden frappirt wurde, mit der
and Sand aus dem Grunde des Flusses heraufgeholt, ihn mit ge⸗ übter Hand ausgewaschen, und Gold entdeckt haben. Das hat den Anführer der Partie . Schürfungen veranlaßt, wobei nicht nur Gold gefunden wurde, sondern sich die Torfschicht, die über dem gold⸗ haltigen Sand liegt, als so dünn erwies, daß die goldhaltige Schicht an einigen Stellen fast offen zu Tage tritt. Der Eindruck dieser Entdeckung am Amur war kein freudiger. Allerdings können die Goldwãäschereien einzelnen Menichen Reichthum bringen, den In⸗ habern derselben nämlich und den Branntweinhändlern, aber auf die wirth⸗ schaftliche, kommerzielle und gewerbliche Entwickelung des Amurgebiets werden die Goldminen hier wie anderorts sicher einen schädigenden n. ausüben. Der Mangel an Arbeitern ist ohnehin groß am Amur und jetzt werden sicherlich viele bereits angesiedelte Einwohner vom Gold⸗ fieber ergriffen werden. Die Goldwäscher werden, natürlich aus Mangel an Arbeitern, ohne Wahl alles Gesindel engagiren und Sicherheit und Ruhe in der Gegend werden schwinden. Die ohnehin . Dampfschiffahrt wird sich ausschließlich darauf werfen, Lasten und Arbeiter zu den Minen und zurück zu trangpertiren. Jetzt schon sind die Preise für Tagelohn und die gewöhnlichsten Handels
Objekte und Gewerbeprodukte fast unerschwinglich. Der Zucker z. B. der in Nikolajewsk mit Transport 6 Rbl. ver Pud kostet, wird in Blagoweschtschenst mit 11 Rbl. bezahlt. Wie soll das erst spãter werden?“ .
Schweden und Norwegen. Stockholm, 22. November. Für den verstorbenen Erzherzog Karl Ferdinand von Oesterreich sst eine mit dem gestrigen Tage beginnende sechstãgige Hof⸗ trauer angeordnet worden.
— Der König ist gestern Morgen in Christiania ein⸗ getroffen und wurde auf dem Bahnhofe daselbst vom Stifts amtmann, dem Bürgermeister, Polizeimeister. Stadt⸗ Kommandanten und den übrigen höheren städtischen Be⸗ hörden empfangen. Nachdem er einige Worte mit den Versammelten gewechselt hatte, fuhr der König aufs Schloß, escortirt von der reitenden Bürgergarde. Hier standen die Mit⸗ glieder der Regierung und die Hofchargen zum Empfange bereit und die Wache war von einer Compagnie Bürgerwehr bezogen. Das Diner nahm Se. Majestãt beim Staats- Minister Stang ein. Der Aufenthalt ist vorläufig auf acht Tage festgesetzt. Haupt⸗ zweck der Reise wäre, norwegischen Blättern zufolge, die Ein⸗ setzung eines neuen Kultus⸗-Ministers.
Dänemark. Kopenhagen, 24. November. Der Kron⸗ prinz, welcher am Sonnabend von seiner Reise im Auslande nach Kopenhagen zurückkehrte, ist gestern nach Raynholt in Fühnen abgereist, wo er einer Einladung des Kammerherrn Sehestedt⸗Juul Folge leistend, an den Jagden Theil nehmen wird, welche daselbst in diesen Tagen abgehalten werden sollen.
— Nach einem Telegramm des „Ritzauschen Bureaus“ ist der Polizeimeister in Stockholm, Lund ström, heute Mittag um 2 Uhr mit Tode abgegangen.
— Während das Folkething noch immer mit Ausschuß⸗ sitzungen beschäftigt ist und keine öffentlichen Sitzungen hält, wurde heute im Landsthing eine Interpellation, betreffend bessere Ordnung des Fahrplanes auf den jütischen Eisenbahnen eingebracht, die bei der wachsenden Ausdehnung des Eisenbahn⸗ netzes geboten erscheint. Die Pensionssache für die Wittwe des Oberst Tscherning hat heute im Landsthing die drei üblichen Behandlungen passirt und wird sodann die Königliche Bestä⸗ tigung finden können.
Amerika. Aus Mexiko sind der A. A. C.“ dia Havanna folgende Nachrichten zugegangen: Mexiko, 30. Ot⸗ iober. Die deutsche Brigg „Ana JZoro“ ist auf der Bank von Minakiklan zu Grunde gegangen. Der Staats⸗ rath von St. Luis Potosi ermuthigt die Kolonisation; jeder Kolonist erhält gratis ein Grundstück zum An⸗ bau und zur Errichtung eines Wohnhauses nebst den dazu benöthigten Materialien. Im Staate Guerrero sind große Silber⸗ Quecksilber⸗ und Zinnober⸗Lager entdeckt worden. Am 1. Oktober ist nahe Mazatlan eine Goldader entdeckt worden.
— Eine dem „Reuterschen Bureau“ zugegangene Depesche aus Buenos⸗Ayres vom 26. d. M. meldet, daß der Insur⸗ gentenführer Arredondo die Regierungstruppen unter dem Ge⸗ neral Rocca geschlagen hat.
Asien. Kalkutta, 24. November. Sir Richard Temple hat zwei Proklamationen erlassen, worin er den in Veranlassung der Hungersnoth in Bengalen angestellten Beamten sowie einer großen Menge Europäern und nicht amtlichen Eingeborenen den Dank der Regierung abstattet. Er konstatirt, daß viele Landbe⸗ sitzer die Einziehung der Pachten suspendirten und keine Ent⸗ schädigung für die für die Nothbauten überlassenen Ländereien verlangten. Vierzig Lakhs wurden Zemindars, Landbesttzern und Kaufleuten für Bodenverbesserung, Unterstützung von Päch⸗ tern und Getreideeinfuhr vorgeschossen. Die bengalischen Sub⸗ skriptionen lieferten einen Ertrag von nahezu 190,000 Lstr.
— Im Auswärtigen Amt zu London ist die Meldung ein⸗ gegangen, daß die Ruhestörungen in Masnaah am per⸗ sischen Meerbusen durch den Eindruck, den die Anwesenheit dreier ö Kriegsschiffe hervorrief, in befriedigender Weise ein Ende anden.
— In Cabul, Afghanistan, stürzten am 18. Oktober in Folge eines Erdbebens ungefähr 1000 Häuser ein und be⸗ gruben eine Menge Personen unter ihren Trümmern.
Japan. (2A. A. C.) In Anbetracht einer künftig einzu⸗ führenden Heeresorganisation ist eine Registration aller japanischen Unterthanen vorgeschrieben worden. Der amerikanische Gesandte widersetzt sich der Eintragung seiner japanischen Dome⸗ stiken, da das Verfahren dem Herkommen nicht entspreche. — Die Gesellschaft französischer Astronomen wurde in dem Kaiser⸗ lichen Gasthause in Jeddo aufgenommen, woselbst die amerika⸗ nische Gesellschaft sich früher aufgehalten hat. — Der frühere Geschäftsträger in Washington, Mori, hat ein neues Heiraths⸗ system eingeführt, welches der Eheschließung einen durchaus eivil⸗ kontraktlichen Charakter giebt. Der zum Konsul in New⸗gork ernannte Hr. Towita ist der erste Japaner, der sich nach diesem System trauen ließ.
Afrika. Marokko. Nachrichten aus Tangier vom J. d. melden die Rückkehr der Wadnoon⸗Gefangenen nach diesem Orte nach längerer Gefangenschaft. Nach Berichten aus Oran beabsichtigt der Sultan von Marokko, mit seiner Armee sich nach dem 3 zu begeben und später den Norden seines Reiches zu
esuchen.
— Ueber Oberst Gordons Expedition liegt in den Londoner Blättern eine weitere Depesche aus Khartum vom 9. November vor. Dieselbe lautet;
Overst Lieutenant Long wurde von Gondokoro an den Hof von Mteza, des Königs von Uganda, einem Distrikt an den Ufern des Victoriasees, gesandt. Er war von nur zwei ägyptischen Soldaten begleitet, und obwohl die Reise viele Schwierigkeiten darbot, erreich ten die Reisenden wohlbehalten die Residenz des Königs Mteza, von dem sie sehr gut aufgenommen wurden. Oberst Long berichtet, daß der Victoriasee nicht sehr ausgedehnt ist, indem seine durchschnittliche Breite nur 12—15 Meilen betrage. Sein Wasser ist süß und sein Niveau verändert sich nur in der großen tropischen Regensaison. Auf der Rückkehr von dem Hofe des Königs Mteza verfolgte er den Lauf des Nils von Mondogani nach Farangoni, unweit der Karuma⸗ Falle. Der Fluß war die ganze Entfernung von den Izamba ⸗ und Karuma-Fällen durchweg schiffbar. Er entdecte einen neuen See, der im 10 36 nördlicher Breite gelegen ist (nicht einen Strom, wie in der letzten Depesche irrthümlich gemeldet wurde). In der Nähe eines Ortes, Namens Mavolli, wurde die kleine Reisegesellschaft von einem Trupp von etwa 400 Eingeborenen aus Kamrasts Lande angegriffen, aber nach einem kräftigen Widerstande, der von Mittag bis Sonnenuntergang dauerte schlug sie ihre Angreifer mit einem Verlust von 82 Todten zurück. Oberst Long erhielt eine unbedeutende Wunde im Gesicht; die Soldaten, deren Namen Saad und Abdul Rahman sind, entkamen ohne jede Verletzung. Die Soldaten waren mit Remington ⸗ Gewehren be⸗ waffnet, Dberst Long hatte eine Reillvbüchse Nr. 8. Oberst Gordon äußert sich sehr lobend über die Weise, in welcher Long sich der ihm übertragenen schwierigen und wichtigen Mission entledigte. Die Route zwischen Uganda und Zanzibar ist ea unterbrochen und die einzige prakticable Route für die Elfenbeinhändler von dem Uganda⸗
Lande ist durch Gondokoro und so nach Aceypten. Diese Route bietet gegenwärtig keine Hindernisse dar. König Mteza benachrichtigte Oberst Long am 19. Juli, daß Lieutenant Cameron zur Zeit in Udschidschi war. Vier Mitglieder von Gordons Expedition sind bereits dem Klima erlegen, nämlich Joung Anson, Major Campbell, De Witt und Auguste Linant.
Nr. 82 des Amts-⸗Blatts der Deutschen Reichs ⸗Po st⸗ Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Generalverfügunz vom 24. November 1874 Verkehr der Postanstalten mit den Anmelde- stellen. Vom 23. November 1874. Führung der Reisejournale der Eisenbabn⸗Postschaffner. Vom 22. November 1874. Zurũckweisung unförmlicher, reglementswidrig verpackter Drucksachen. = Bescheidung: Vom 14. November 1874. Verpflichtung der Ausgabebeamten zur Prüfung des Bestellvermerks auf den Post ⸗Packetadressen vor Aus= händigung der Packete.
— Nr. 45 des Justiz⸗Meinisterial-⸗Blatts für die preu⸗ ßische Gesetzgebung und Rechtspflege, herausgegeben im ureau des Justiz⸗Ministeriums, enthält: Allgemeine Verfügung vom 23. November 1874 betreffend die Ernennung von Vorsitzenden der Schwurgerichte. — Allgemeine Verfügung vom 24. November 1874, betreffend das Grundbuchwesen in der Provinz Hannover.
Reichstags ⸗Angelegenheiten.
Berlin, 27. November. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstages nahm in der ersten Berathung des Entwurfs einer Strafprozeßordnung der Großherzoglich badische Bundesbevollmächtigte, Ministerial⸗Präsident, Wirkliche Geheime Rath v. Freydorf nach dem Abg. Miquel das Wort:
Hochgeehrte Herren! Ich enthaite mich einer theoretischen Recht- fertigung der vorgelegten drei Gesetzentwürfe oder auch nur derjenigen Bestimmungen, welche bei den gegenwärtigen Verhandlungen ange⸗ griffen wurden. Dazu fehlt die Zeit; eine solche Rechtfertigung wäre heute auch wenig wirksam und muß einem späteren Stadium der Verhandlungen vorbehalten bleiben. Ich erhene mich nur, um aus einiger Erfahrung Zeugniß abzulegen für wesentliche Vorschläge der Gesetzentwürfe, welche in diesen Verhandlungen Anfechtungen und Zweifeln begegnet sind. Sie legen vielleicht diesem Zeugniß einiges Gewicht bei, wenn ich Ihnen sage, daß die Reichsgesetzentwürfe — ganz anf selbständigem Wege — zu denselben Einrichtungen der Ge⸗ richte, zu derselben Gerichtsverfassung, namentlich im Strafverfahren, gelangt sind, welche im Großherzogthum Baden seit zehn Jahren be⸗ steht. Die Erfahrungen, welche der Hr. Abgeordnete Schwarze ins Feld zu führen in der Lage war, waren dem Hrn. Abg. Reichen⸗ sverger (Crefeld) zu kurz. Unsere Erfahrung ist länger, und der Hr. Abg. Schwarze ist nicht Vater der badischen Gesetze (wie der sächsi⸗ schen nach der Bemerkung des Abg. Reichensperger), obgleich wir, wie diejenigen anderer Juristen, auch seine Kenntniß und Erfahrungen seiner Zeit mit zu Rathe gezogen haben. .
Der Hr. Abg. Reichensperger hat mit Recht hervorgehoben, daß das System, welches der Entwurf vorschlägt, nicht an großer Folge⸗ richtigkeit leidet. Es sollen die schwersten Verbrechen von Geschworenen abgeurtheilt werden; hier urtheilt also über die Thatfrage das, was ich mir erlauben will zu rennen bürgerlicher Verstand. Die mittleren Vergehen sollen abgeurtheilt werden durch Kollegial⸗ gerichte, ausschließlich von Juristen besetzt; hier wird also das Ur— theil gefällt ausschließlich von dem juristisch gebildeten Verstande, und bei den leichteren Uebertretungen wird ein Kollegialgericht zu⸗ sammengesetzt aus juristischem Verffande und aus bürgerlichem Ver⸗ stande, es urtheilt hier ein Richter mit Beiziehung zweier Schöffen.
Ich habe gesagt, daß ganz dieselbe Einrichtung seit dem Jahre 1864 im Großherzogthum Baden besteht. Es ist nun richtig, daß man sich in Regierungskreisen schon mit dem Gedanken der Einführung und Durchfũhrung eines konsequenteren Systems beschäftigt hat, allein ich kann sagen, und die Herren Abgeordneten aus Baden werden mir bezeugen, daß ein irgend dringendes Verlangen nach einer Aenderung unserer Gerichtsverfassung weder in juristischen Kreisen, noch im Volke, noch in der Presse hervorgetreten ist. Es ist schwer, zu einem anderen System zu gelangen. Zu einer Besetzung aller Strafgerichte, einer Aburtheilung aller Vergehen ausschließlich durch juristisch gebildete Elemente will Niemand zurückkehren. Will man Laien zuziehen, so hat man die Wahl zwischen Schwurgericht und zwischen Schöffen. Das Schöffen system läßt sich konsequent durch alle Instanzen durchführen, und der erste im preußischen Justiz⸗Ministerium ausgearbeitete Entwurf einer Gerichtsverfassung hatte dieses System, wie der * Justiz · Minister von Preußen Ihnen gestern erläutert hat, durchgeführt. Allein dieses System scheiterte an dem Verlangen nach Schwurgerichten.
ordert man einmal für die Verbrechen oberster Ordnung Schwurgerichte, so ist das System durchbrochen. Es ist un—⸗ möglich, aus den Gründen, welche der preußische Herr Justiz= Minister bereits erörtert hat, das Schwurgerichtssystem durch alle Instanzen bis herab zu den Vergehen unterster Ordnung durchzuführen Angesichts der ÜUmständlichkeit der Verhandlungen, des großen Apparats und Zeitverlusts, welcher mit Schwurgerichtsver⸗ handlungen verbunden ist; man muß also für Vergehen und Ueber⸗ tretungen nach anderen Gerichten suchen. Hier findet man nun in den bestehenden Land. und Kreisgerichten Gerichte für die mittleren Ordnungen. Man ist durch die Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens gensthigt, auch in der unteren Instanz Kollegialgerichte zu bilden, und hier greift man zu Schöffen und bildet ein Kollegial⸗ gericht aus einem Richter und zwei Schöffen. Ohne Nachahmung, ganz selbständig und ganz auf demselben Wege und aus denselhen Erwägungen ist die Reichsgesetzgebung zu derselben Konstruktien der Strafgerichte gelangt, wie feiner Zeit das Großherzogthum Baden.
Ich habe gesagt, daß dieses System ein nicht sebr folgerichtiges sei, ich kann aber hinzufügen, und man wird es mir von Seiten der Abgeordneten aus Baden bestätigen, daß dieses System in unserem Lande sich erprobt hat, daß kein irgend erhebliches Verlangen nach einer Aenderung sich kundgegeben hat. Einige Abgeordnete nun, meine Herren, haben Anstoß genommen an dem Institut der Schöffengerichte. Es ist von dem Hrn. Abg. Reichensperger (Cre feld), welcher gest ern gesprochen hat, u. A. entgegengehalten worden, daß ein sehr starker Gebrauch von Schöffen von bürgerlichen Beisttzern mit dem Institut der Schöffen verbunden sei. Er hat be— hauptet, daß in Deutschland nach seiner Berechnung ungefähr 4 0900 Schöffen jährlich mobil gemacht werden müßten. Ich halte diese Zahl nicht für übertrieben, allein ich weise darauf hin, daß jeder diefer Schöffen nur für eine Sitzung, nur für einen Tag mobil gemacht, und daß er nur aus der nächsten Nähe herangezogen wird. Das System der schwurgerichtlichen Verhandlungen erfer— dert, wie sich leicht nachweisen läßt, einen verhältnißmäßig viel größeren Verbrauch von Personal und Zeit. Ich kann, meine Herren, aus unsern Erfahrungen in Baden bezeugen, daß, obgleich die badische ebenso große Ansprüche
Gesetzgebung für die Justiz und Verwaltun . i . irgend eines
an die bürgerlichen Elemente macht, als die zebur J anderen deutschen Staates, doch das System der Schöffengerichte sich bewährt hat, daß weder von Seiten der Juristen noch von Seiten des Volkes und der rf Einwendungen dagegen gemacht werden, daß die Schöffen ihren Dienst gerne leisten, und daß das System der Schöffengerichte die Strafrechtspflege in der unteren Instanz, ins⸗ besondere auch die Polizeistrafrechtspflege, in den Augen der Bevõlke⸗ rung wesentlich gehoben hat. Die Erfahrungen in Baden stimmen also mit den Erfahrungen, welche von Hannover und Sachsen aus bern, werden, durchaus überein. .
ehrere der Herren Abgeordneten haben Bedenken geäußert gegen die Aufhebung des Rekurses in Strafsachen. Auch hierin ist mit wenigen anderen, mit der Gesetzgebung, glaube ich, von Oldenburg und Braunschweig, die badische Gesetzgebung vor etwa 10 Jahren vorangegangen, obgleich diese Einrichlung damals noch nirgend er= probt war, und obgleich ihr damals noch wesentlichere Bedenken ent = gegengestellt wurden, alz in den gegenwärtigen, heutigen Verhand ˖
lungen. Die Aufhebung des Rekurses hat sich seither in Baden voll ständig erprobt. Ich kann sagen, daß bis heute weder in der Be⸗ völkerung, noch in juristischen Kreisen irgend eine Stimme laut geworden ist, welche zur Wiedereinführung des Rekurses in Strafsachen drängte. Allerdinzs der Rekurs in Baden (außer gegen schwurgerichtliche Urtheile) wurde nur gegen Urtheile der mittleren Strafgerichte aufgehoben; der Rekurs besteht noch gegen die Urtheile der Amtsgerichte und Schöffengerichte in den un⸗ teren Strafsachen. Es lassen sich die Gründe für und gegen hier nicht erschöpfen; ein Grund aber leuchtet ein. Man ist in den Ver- handlungen von Strafsachen hauptsächlich auf den Zeugenbeweis an- gewiesen, also auf das Gedächtniß des Menschen, und das Gedächtniß ist zuverlässiger für Thatsachen, welche näher liegen, als für That⸗ sachen, welche ferner liegen, und so ergiebt sich, daß in Strafsachen, wollte man den Rekurs beibehalten oder wieder einführen, der zweite Richter schlechter informirt würde, als der erste, vor welchem die Ver⸗ handlungen näher an der That vor sich gehen. Ich kann auch hierin auf das Zeugniß meiner Landsleute aus Baden hinweisen und bestätigen, daß auch diese Seite der neuen Gesetzgebung, daß auch die Aufhebung des Rekurses in höheren und mittleren Strafsachen und die Beschrän⸗ kung der Verhandlung dieser Strafsachen auf e ine Instanz sich in Baden während des zehnjährigen Bestehens der neuen Gesetzgebung bewährt hat.
Dem Abg. Dr. Lasker entgegnete der Bundesbevollmächtigte Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt:
Der Hr. Abgeordnete Lasker hat nach den Eingangsworten seiner Rede mich doch sehr stark mißverstanden. Ich habe gestern am Schlufse meiner Bemerkungen ganz ausdrücklich gesagt: ich gäbe dem Hohen Hause anheim, es bei derjenigen Organisation der Strafrechts⸗ pflege, welche der Entwurf jetzt enthält, zu belassen, und ich habe für den eventuellen Fall, daß das Hohe Haus dafür halten sollte, es sei nicht angänglich, nicht harmonisch, daß in den Gerichten ober⸗ ster Ordnung Laien, bei den Gerichten unterster Ordnung Laien und bei den Gerichten mittlerer Ordnung rechtsgelehrte Richter urtheilen, anheimgegeben, lieber die Laien in der untersten Ordnung fallen zu lassen, als sie heranzuziehen in die mittlere Ordnung.
Dann habe ich des Geschworneninstituts nur gedacht im Ge⸗ gensatz zum Schöffeninstitut. Ich habe bemerklich gemacht: eine eigentlich korrekte Justizpflege scheine mir nur verbürgt zu wer⸗ den durch rechtsgelehrte Richter. Allein neben der Korrektheit der Rechtspflege kämen auch rechtspolitische Momente in Betracht; dieses sprächen fur Zuziehung der Laien zur Strafrechtspflege. Es sei nun aber nach den realen Verhältnissen unthunlich, die Laien in der Ge⸗ stalt von Geschworenen bei den Gerichten aller Ordnungen zu bethei⸗ ligen. Es bleibe demgemäß nur übrig: die Schöffengerichtsverfas⸗ sung; die Schöffengerichtsverfassung habe aber den Wegfall der Ge⸗ schwornen für die oberste Ordnung zur Folge, wenn man nicht etwa das Geschworeneninstitut zu einem politischen Institut machen wolle. Ich habe bemerkt: ich scheue diese Konsequenz nicht, weil ich das Geschworeneninstitut nicht für ein so vorzügliches Jastitut erachte, daß ich es nicht preisgeben sollte gegen die Schöffengerichtsverfassung. Ich habe ausdrücklich hinzugesetzt: ich sei kein Feind des Geschworenen⸗ instituts.
Ich habe dem Herrn Abgeordneten Reichensperger gegenüber, der bemerkte, es seien ihm noch keine Fälle vorgekommen, in welchen die Geschworenen Unschuldige schuldig gesprochen hätten, bemerkt: in der Lage sei ich nicht; mir seien derartige Fälle vorgekommen. Aber ich habe ausdrücklich hinzugesetzt: daraus könne den Geschworenen kein Vorwurf gemacht werden, denn dergleichen Vorwürfe würden auch rechtsgelehrte Richter treffen.
Demgemäß habe ich mich in keiner Weise feindselig dem Insti⸗ tute der Geschworenen geäußert. So lange das Institut der Ge⸗ schworenen Rechtens ist und so lange man nicht etwas Besseres an seine Stelle setzen kann, so lange wird das Geschworeneninstitut von mir gepflegt werden und ich werde volles Vertrauen zu ihm haben!
Mit dem Geschworeneninstitut sind Licht⸗ und Schatten⸗ seiten verbunden, ebenso mit dem Schöffengericht und ebenso mit der Rechtspflege durch rechts gelehrte Richter!
— Der dem Reichstage vorliegende Entwurf ei nes Ge⸗ setzes, betreffend die Feststellung des Landeshaus⸗ halts-Etats von Elsaß⸗Lothringen für das Jahr 1875, hat folgenden Wortlaut:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛc., verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach er= folgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, für Elsaß⸗ Lothringen, was folgt:
§. 1. Der diesem Gesetz als Anlage A. beigefügte Landeshaus⸗ halts-Etat von Elsaß-Lothringen für das Jahr 1875 wird hierdurch in Ausgabe auf 49,8. 2,317 Franken 50 Centimen (39, 897, S4 Mark), nämlich: auf 36,281,B 857 Franken 50 Centimen (29 025,486 Mark) an fortdauernden und auf 13,590,460 Franken (105372368 Mark) an einmaligen und außerordentlichen Ausgaben, in Einnahme auf 49,3872, 517 Franken 50 Centimen G39, 897, 8S54 Mark) festgestellt.
§. 2. I Die direkten Staatssteuern werden im Jahre 1875 in Prinzipale und Zuschlägen nach Maßgabe der als Anlage B. beige⸗ fügten Uebersicht den Bestimmungen der Gesetze gemäß erhoben. 2) Die Kontingente der Bezirke zu dem Prinzipale der Grundsteuer, der Personal und Mobiliarsteuer und der Thür und Fenstersteuer sind in der Anlage C. festgesetzt. 1
. gur Rechnung der Bezirke, Gemeinden, öffentlichen An- stalten und sonst berechtigten Korporationen können im Jahre 1875 I) die nach der bestehenden Gesetzgebung gestatteten Zuschläge zu den direkten Stagtssteuern innerhalb der danach zulässigen Grenzen, 2) die in 5 3 Nr. 2 des Gesetzes, betreffend die Feitstellung des Landes= haushalts-Etats von Elsaß Lothringen für das Jahr 1872, vom 10. Juni 1872 (Gesetzblatt S. 177) bezeichneten besonderen Abgaben und Gefälle erhoben werden. .
5§. 4. Der nach Maßgabe des Reichsgesetzes, betreffend die Aus- gabe von Reiche Sassen scheinen, vom 30. April 1874 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 40) auf Elsaß Lothringen entfallende Betrag an Reichs ⸗Kassen⸗ scheinen ist für die Universttät Straßburg und bis zum Betrage von 150 000 Mark für die Universttäts⸗ und Landes Bibliothek zu Straß⸗ burg, nach der durch den Landeshaushalts ⸗Etat zu treffenden näheren Bestimmung zu verwenden.
Er wird bis zur Verwendung als besonderer Fonds verwaltet. Die demselben überwiesenen Geldbeträge sind zinsbar anzulegen. Die Zinsen wachsen dem Fonds zu. . .
Die Anlegung darf nur erfolgen in verzinslichen Schuldverschrei⸗ bungen, welche 2. auf den Inhaber lauten, oder auf den Inhaber jederzeit umgeschrieben werden können und Seitens des Gläubigers unkündbar sind, und b einer der nachstehend verzeichneten Gattungen angehören: I) mit gesetzlicher Ermächtigung ausgestellte Schuldver⸗ schreibungen des Reichs oder eines deutschen Bundesstaats; 2) Schuld- verschreibungen, deren Verzinsung vom Reich oder von einem Bun desstaate gesetzlich garantirt ift; 3) Rentenbriefe der zur Vermittelung der Ablösung von Renten in Deutschland bestehenden Rentenbanken; 4) Schuldverschreibungen deutscher kommunaler Korporationen (Pro- vinzen, Bezirke, Kreise, Gemeinden u. s. w.), welche einer regel- mäßigen Amortisation unterliegen; 5) Prioritäts - Obligationen deut- scher Eisenbahngesellschaften. . e . ;
Bis zum Betrage von einer Million Mark können die Bestände des Fonds bei einem Bankinstitute, unter Vorbehalt einer drei Mo= nate nicht übersteigenden Kündigungsfrist für die Rückzahlung, zinsbar angelegt werden. . . ; .
Die näheren Bestimmungen über die Verwaltung trifft der Reichskanzler.
Urkundlich ꝛc. Gegeben ze.
Der Etat * das Jahr 1874 derjenige für 18
chloß mit 4286, 210 16 Fr.; 5 ist also um 7086, 076,1 Fr. in Einnahme und
Ausgabe höher.