1874 / 280 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Nov 1874 18:00:01 GMT) scan diff

setzt, daß derselbe nicht mehr als 32 Centimen und nicht weniger als 20 Centimen beträgt.

Als einfacher Brief gilt jeder Brief, dessen Gewicht 15 Gramm nicht übersteigt. Für Briefe von höherem Gewichte wird für je 15 8 oder einen Theil von 15 Gramm ein einfacher Portesatz er⸗

oben.

Das Porto für unfrankirte Briefe soll das Doppelte desjenigen ge . betragen, welcher im Bestimmungelande für frankirte riefe erhoben wird. ; ;.

Poftkarten müssen frankirt werden. Das Porto beträgt die Hälfte des Portosatzes für frankirte Briefe unter entsprechender Abrundung der Bruchtheile. .

Für jede Beförderung zur See, welche 300 Seemeilen innerhalb des Vereine bercicht äbersteigt, kann dem gewöhnlichen Porto ein Zu⸗ chlag hinzutreten, welcher die Hälfte des allgemeinen für frankirte

riefe festgesetzten Vereinsportos nicht überschreiten darf. .

Art. . Das allgemeine Vereineporto für Geschäftspapiere, Waarenproben, Zeitungen, brochirte oder eingebundene Bücher, Bro⸗ chüren, Noten, Visitenkarten, Kataloge, Prospekte, Ankündigungen und Änzeigen verschiedener Art, gleichwohl ob gedruckt, gestochen, litho⸗ graphirt oder autegraphert, fowie für Photographien wird auf 7 Cen- timen für jede einfache Sendung festgesetzt. ;

Als Uebergangsmaßregel ist jedoch jedem Lande vorbehalten, mit Rücksicht auf seine Münz- und sonstigen Verhältnisse, einen höheren oder niedrigeren als den bezeichneten Portosatz zu erheben, voraus⸗ fett daß derselbe nicht mehr als 11 Centimen und nicht weniger als 5 Centimen beträgt. ; .

Als einfache Sendung gilt jede Sendung, deren Gewicht 50 Gramm nicht Überfleigt. Fuͤr Sendungen von höherem Gewicht wird für je 50 Gramm oder einen Theil von 50 Gramm ein einfacher Portosatz erhoben. ö

Fur jede Beförderung zur See, welche 309 Seemeilen innerhalb des Bereinsbereichs übersteigt, kann dem gewöhnlichen Porto ein Zu⸗ schlag hinzutreten, welcher die Hälfte des für Sendungen dieser Art festgesetzten allgemeinen Vereinsportos nicht überschreiten darf. ;

Das Höchstgewicht der vorerwähnten Gegenstände wird für für Waarenproben auf 250 Gramm, für alle übrigen Gegenstände auf 1000 Gramm festgesetzt.

Der Regierung jedes Vereinslandes ist das Recht vorbehalten, diejenigen im gegenwärtigen Artikel bezeichneten Gegenstände auf ihrem Gebiete nicht befördern oder bestellen zu lassen, in Betreff deren den bestehenden Gesetzen und Vorschrifzen des Landes über die. Bedin gungen ihrer Veröffentlichung und Verbreitung nicht genügt sein sollte.

Art. 5. Die im Art. 2 bezeichneten Gegenstände können unter Rekommandation versendet werden. . .

Rekommandirte Sendungen müssen frankirt sein.

An Porto werden für rekommandirte Gegenstände die nämlichen Sätze erhoben, wie für nicht rekommandirte Gegenstände. ö

An Rekommandationsgebühr, sowie an Ruͤckscheinge bühr dũrfen höhere Sätze nicht erhoben werden, als im inneren Verkehr des Ur⸗ sprungslandes hierfür festgesetzt sind. .

Geht ein rekommandirter Gegenstand verloren, so erhält der Ab⸗ sender, oder auf dessen Verlangen der Adressat, den Fall höherer Ge⸗ walt ausgenommen, eine Entschädigung von 59 Franken von derjeni—= gen Verwaltung, auf deren Gebiet oder auf deren Seepostroute der Verlust erfolgt, d. i. wo die Spur des Gegenstandes verschwunden

ist, es sei denn, daß diese Verwaltung nach den Gesetzen ihres Landes für den Verlust rekommandirter Sendungen im Innern ihres Gebiets nicht verantwortlich ist. .

Die Entschädigung soll sobald als irgend möglich und spätestens innerhalb des Zeitraumes eines Jahres, von dem Tage an gerechnet, gezahlt werden, an welchem sie in Anspruch genommen wird.

Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb Jahresfrist, vom Tage der Posteinlieferung der rekommandirten Sen dung an gerechnet, erhoben wird.

Art. 6. Die Franklrung der Sendungen kann nur mittelst der im ,, , g gültigen Freimarken oder Freicouverts bewirkt werden.

Unfrankirte oder ungenügend frankirte Zeitungen und andere Druckiachen werden nicht befördert. Die übrigen unfrankirten oder ungenügend frankirten Gegenstande werden wie unfrankirte. Briefe taxirt, nach Abzug des Werthes der etwa verwendeten Freimarken oder Freicouverts. ö

Art. 7. Für die Nachsendung von Korrespondenzen innerhalb des Vereinsgebiets wird ein besonderes Porto nicht erhoben.

Nur in dem Falle, wo eine Sendung aus dem innern Verkehre eines Vereinslandes, in Folge der Nachsendung, in ein anderes Ver⸗ einsland übergeht, wird von der Verwaltung des Bestimmungslandes ein Nachschußporto nach ihrem inneren Tarif erhoben.

Art. s. Der auf den Postdienst bezüͤgliche amtliche Schriftwechsel ist portofrei. Im Uebrigen finden weder Porto⸗Befreiungen noch Ermäßigungen statt. ;

rt. 9. Jede Verwaltung behält unverkürzt die von ihr auf Grund der vorhergehenden Art. 3, 4, 5, 6 und JTerhobenen Summen. Es wird daher hierüber eine Abrechnung zwischen den verschiedenen Vereinsverwaltungen nicht stattfinden.

Briefe und andere Sendungen dürfen weder im Ursprunzzslande, noch im Bestimmungsgebiete, sei es zu Lasten der Absender oder der Empfänger, einem anderen Porto oder einer anderen Postgebühr, als den in den vorbezeichneten Artikeln festgesetzten, unterworfen werden.

(Schluß folgt.

Gewerbe und Handel.

Berlin. Im Sachse'schen Kun st vereinshause (Tau⸗ benstraße 34) hat ein Dresdner Künstler gegegenwärtig ein Modell des Berliner Rathhauses im sechsundzwanzigfach verkieinerten Maßstabe der natürlichen Größe zur Schau ausgestellt. An der Nugführung dieses Kunstwerks, welches das Gebäude in allen Theilen der Wirklichkeit getreu wiedergiebt, haben 7 Künstler seit dem vori⸗ gen Herbst neun Monate hindurch unausgesetzt gearbeitet, denn es handelte sich um die Anfertigung und Zusammensetzung von? Millionen Stück kleiner Klammern von Edelfichtenholz, die obgleich ohne Niet und Nagel oder Leim geschigt zu samknengefügt, dennoch dem Bauwerk einen hohen Grad von Widerstandsfähigkeit geben. Es liegt auch in der Absicht des Verfertigers, Gartenhäuser, Lauben u. dergl. aus demselben Material zwecdienlich herzustellen, womit einer vriginellen Industrie die Bahn gebrochen werden würde. Für das Rathhausmodell beziffert sich der Werth auf 6090 Thlr., die Be= sichtigung des nur noch auf kurze Zeit ausgestellten Kunstwerks, wel⸗ ches schon in München und Hamburg Aufsehen erregt hat, ist in An⸗ betracht seiner Seltenheit und Kostbarkeit wohl zu empfehlen.

Unter Anwendung derselhen eigenthümlichen Konstruktionsweise ist eine große Zahl kleinerer Gegenstände von architektonisch richtiger Zeichnung entstanden, welche sich 5 denn e m eignen und zu billigen Preisen in dem genannten Lokale zu haben sind.

Der Handelsrichker des Berliner Stadtgerichts hat die Be—⸗ denken, auf Grund deren er bisher die Eintragung der Beschlüsse der letzten Generalversammlung der Stettiner Vereinsbank aus- gesetzt hatte, fallen lassen und die Eintragung unter dem 23. d. M. verfügt. Es wird nunmehr in nächster Zeit abermals eine außer⸗ ordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Stettiner Vereins- bank einberufen werden, in welcher mit einfacher Majoritãt über die Frage der Auflösung der Bank Beschluß gefaßt werden wird.

St. Petersburg, 2I. November. Die Russische Reichs bank hat den Wechseldiskont von 6 auf 5h, den Lombardzinsfuß von 7 auf 65 x herabgesetzt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Eröffnung der Bahnstrecke Schweinfurt⸗Meiningen, welche am 1. Dezember erwartet wurde, mußte noch verschoben werden (vielleicht auf 190. oder 15. Dezember), da bei einer kürzlich stattgehabten Probefahrt die Bahn selbst zwar ganz vollendet und vollständig fahrbar, dagegen die Hochbauten einiger Stationen, namentlich in Meiningen, noch nicht betriebsfähig befunden wurden.

—̃ Königliche Schau spiele.

Sonntag, den 29. November. Opernhaus. (235. Vor⸗ stellung.) Der Feensee. Große Oper in 5 Abtheilungen von Scribe und Melesville. Musik von Auber. Ballet von Hoguet. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Wegen Heiserkeit des Hrn. Niemann kann die angekündigte Vorstellung: „Die Stumme von Portici“ nicht stattfinden.

Schauspielhaus. (246. Vorstellung.) Neckereien. Lust⸗ spiel in 1 Akt von A. v. Winterfeld. Hierauf: Ein gefähr⸗ licher Freund. Lustspiel in 1 Akt, aus dem Französtschen von A. Fresenius. Zum Schluß: Der zerbrochene Krug. Lustspiel in 1 Akt von A. von Kleist. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Montag, den 30. November. Opernhaus. (236. Vor⸗ stellung.) Cesario. Oper in 3 Akten nach Shakespeares „Was ihr wollt“ von Emil Taubert. Musik von Wilhelm Taubert. Ballet von Paul Taglioni. Unter Direktion des Komponisten. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schaͤuspielhaus. (247. Vorstellung) Ein Erfolg. Lust⸗ spiel in 4 Akten von Paul Lindau. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Dienstag, den 1. Dezember. Opernhaus. (237. Vor⸗ stellung Fantasca. Großes Zauber⸗Ballet in 4 Alten nebst einem Vorspiel (12 Bildern) von P. Taglioni. Musik von P. Hertel. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspielhaus. (248. Vorstellung) Die Fräulein von St. Cyr. Lustspiel in 5 Aufzügen nach A. Dumas von H. Börnstein. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗reise.

Das Projekt eines Kanals von der Oberspree bei Berlin nach der Havel bei Wannsee.

Der Wirkliche Geheime Ober -Baurath Hartwich hat Be—⸗ merkungen über die Schiffahrts⸗ und Vorfluths⸗Ver⸗ hältniffe in und bei Berlin mit Anschluß eines Projekts u einem Kanal von der Oberspree nach der Havel bei 6 (Berlin, 1574, Verlag von Ernst und Korn, Gropiussche Buch- und Kunsthandlung) veröffentlicht, dem wir Folgendes ent nehmen:

Das Aufblühen des kleinen Fischerdorfes Cölln an der Spree zu einer großen Haupt., und Residenzstadt ist vorzugsweise der für die Schiffahrt so überaus günstigen Lage zu verdanken. Von den vielen umfangreichen Seen und Flußarmen, welche sich, von fruchtbaren Länderein, herrlichen Wiesen, großen Waldungen und reichhaltigen Torflagern umgeben, an der Havel von Spandau bis Brandenburg, an der Spree von Berlin bis an die Rüdersdorfer Kalkberge, bis Königs Wusterbausen und weiter ausdehnen, wurden diesem, an den auf flachen Höhenzügen von Norden nach Süden sich hinziehenden Straßen gelegenen Srte, Nahrungsmittel aller Art, Bau- und Brenn- material 24. mit Leichtigkeit und im Ueberflusse durch die Schiffahrt zugeführt. Die natürliche Wasserverbindung mit der Elbe und die spaäͤter künstlich hergestellte mit der Oder machten den Ort aber auch zum Stapelplatze eines lebhaften Handelsverkehrs.

Alle Elemente zur großartigen Entwickelung eines Ortes waren daher im vollen Umfange von jeher vorhanden.

Es war eine e n den damaligen Verhältnissen völlig entsprechende Maßregel, daß man sich durch einen Aufstau der Spree, 12 116, bis 2 Meter wechselt, eine überaus wirksame Wasser⸗

raft schuf.

Die dadurch herbeigeführte Versumpfung großer niedriger Ter⸗ rains war derzeit wenig zu berückfichtigen, indem diese Flächen unbe⸗ baut waren und nur sehr geringen Ertrag lieferten.

Mit der schnellen Vergrößerung der Stadt bildeten sich alle Lokalverhälmmisfe und baulichen Anlagen diesem Stau entsprechend aus. Derselbe gereichte damals mit den großen k zum Wohle der Stadt, hat aber allmählich zu den Zuständen Berlins Veran— lassung gegeben, welche so vielfach gerügte und beklagte Uebelstände mit sich führen.

Diese Mißverhaältnisse wurden vermehrt durch Zersplitterung des Spreelaufes in verschiedene Arme, welche theils zu fortifikatorischen , theils zur Schiffahrt und zum Mühlenbetriebe hergestellt wurden.

Nachdem der Verfasser die Uebelstände geschildert, welche diese Gräben verursachen, fährt derselbe fort:

„Bei dem steten Wachsen der Reichs⸗Hauptstadt, wesches, abge⸗ sehen von einzelnen Sprüngen und darauf folgenden Stillständen, im Allgemeinen unfehlbar regelmäßig und rasch 6 reiten wird, muß sich unter den gegebenen Lokalverhältnifsen auch die Schiffahrt in gleichen Maße vermehren. Wenn schon jetzt zahlreiche Verzögerun⸗ gen und Stopfungen des Schiffsverkehrs innerhalb der Stadt und in den nächsten Umgebungen, namentlich zwischen Berlin und Span dau, stattfinden, so werden diese Uebelstände sedenfalls erheb⸗ lich zunehmen. Die großen Nachtheile, welche Verzögerungen der Schiffahrt mit sich führen, werden selten in ihrem vollen Um fange erkannt und laffen sich nicht, wie etwa bei den Eisenbahnen, in Ziffern nach- weisen, sie treffen nicht den Schifferstand allein, sondern das ganze Publikum durch Vertheuerung der Frachten. Auch entziehen sie eine f: Zahl der kräftigsten Arbeiter anderen nützlichen Beschäftigungen.

ebener ist aber auch die Ansammlung eines großen Schifferperso⸗ nals im Centrum der Stadt in manchen Beziehungen als ein Uebel⸗ stand zu betrachten.

Wenn nun gehofft werden darf, daß durch die in der Ausführung begriffene Kagnalisation, durch Herstellung der Stadtbahn, durch An- lage von Schienenwegen, welche durch Pferde oder besser durch Dampfkraft ohne Beeinträchtigung des Straßenverkehrs mit geringer Heschwindigkeit betrieben werden, durch Anlage neuer Straßen u. s. w. die Justände in Berlin eine erhebliche Umgestaltung und Verbesserung erfahren werden, so haben doch diese auf die vorgedachten und allge⸗ mein bekannten, mit der Spree und der mangelnden Entwässerung im Zusammenhange stehenden großen Mißstãnde keinen Einfluß.

Es erscheint daher dringend geboten, ernstlich auf Mittel zu den⸗ ken, welche auch diese der , , , im jüdlichen Theile . 9 Centrum so sehr hinderlichen Mißstände zu beseitigen geeig⸗ ne ;

Der Verfasser hat ein ausführlich erörtertes und technisch mo— tivirtes Projekt aufgeftellt, welches geeignet erscheint, die vorhandenen Uebelstände zum Theil ganz zu beseitigen, zum Theil in hohem Maße zu vermindern. !

Das Projekt besteht in einem Kanale, welcher an der Spree dicht oberhalb der Mündung des Landwehrkanals mit Schleuse und Wehr beginnt, mit diesem bis zur Richtung des Lonisenstãädtischen Kanals am Urban parallel läuft, dort mit demselben durch eine Schleuse verbunden wird, sich dann zur Gneisengustraße wendet, 'in Deren Mitte zur Jorkstraße fortgeführt wird, unter der Anhaltischen, Drezdener und Potsdam-Magdeburger Bahn durchgeht, am Bota⸗ nischen Garten in Schöncherg die Chaussee kreuzt, nach Durchschnei⸗

dung des Wilmersdorfer Sees in den Grunewald tritt und unter

Benutzung sämmtlicher Grunewald⸗Seen in der Havel am Wannsee mit Wehr und Schleuse endet. .

Die Tiefe und die Wasserstände des Kanales sind so bemessen, daß stets eine allen Bedürfnissen vollständig entsprechende, niemals behinderte Abwässerung des ganzen südlichen Staditheiles mit Umge⸗ bungen erfolgen kann. Die Dimenstonen des Kanales sind so ge⸗ wählt, daß bei einer mäßigen, der Schiffahrt nicht hinderlichen Ge⸗ schwindigkeit der dritte Theil bis die Hälfte der höchsten Fluthwãässer der Spree abgeführt werden kann.

Für die größesten, bis zu zwei Meter tief gehenden Schiffe bietet der Kanal felbst bei den niedrigften Wasserständen Tiefe genug dar. ;

Dan erforderliche Baukapital ist auf Grund der vorhandenen Angaben zwar nur überschläglich, jedoch so reichlich ermittelt, daß . r,. in profektirter Weise jedenfalls dafür hergestellt wer⸗

en kann.

Die Gesammtsumme inel. Zinsen während der Bauzeit beläuft

sich auf 3434,519 Thaler.

Die Vortheile, welche durch die Anlage erzielt werden, sind in Nachstehendem kurz zusammengestellt.

a. Bezüglich der Schiffahrt ergiebt sich Folgendes:

Die Fahrt von der Oberspree bis zur Havel am Wannsee wird durch den nur 3: Meilen langen neuen Kanal um 14 Meile gegen den Weg über Spandau abgekürzt. Dieselbe kann mit Ausnahme des Eisstandes niemals behindert oder erschwert werden, indem die auf den ausgedehnten Havelseen durch widrige Winde oft eintretenden Verzögerungen, ebenso wie die, welche zwischen Spandau und Berlin durch Ueberfüllung von Fahrzeugen entstehen, vermieden werden. Be⸗ sonders wird Berlin selbst von nachtheiliger Anhäufung von Schiffen und übermäßiger Ansammlung von Schiffern befreit.

Es wird die Möglichkeit gewährt, daß größere und tiefer i. Schiffe von zweckmäßiger Konstruktion nach Berlin gelangen

nnen.

Das ganze durchschnittene Terrain von der Ober spree bis Schöne⸗ berg und Wilmersdorf bietet Raum für Niederlagen und industrielle Etablissements jeder Art im größesten Umfange dar. Die großen Seen im Grunewald gewähren Raum für sichere Lagerung der Schiffe im Winter. Der Anschluß an die Eisenbahnen auf verschiedenen Punk- ten kann für den Verkehr durch Anlage von Ueberl adungsstellen, Waarendepots u. s. w. nutzbar gemacht werden.

Die stets ungehinderte Fahrt auf dem Kanale, ebenso wie dessen Dimensionen gestatten eg, daß Dampfboote von geeigneter Konstruk⸗ fon und Einrichtung direkt zwischen Berlin, den anmuthigen Havel⸗ seen und Potsdam courstren können.

Unzweifelhaft wird also der neue Kanal ng zu einer großen Erleichterung, Verbesserung und Belebung der Schiffahrt und der m. eng verbundenen Interessen des Handels und der Industrie geben.

b. Bezüglich der Hochwasserverhältnisse gewährt die neue Anlage folgende Vortheile:

Bei einer regelmäßigen, stetz ungehinderten, raschen Wasserabfüh⸗ rung durch den neuen Kanal lassen sich die Wasserstände in den weit ausgedehnten Wasseransammlern oberhalb. Berlin regeln und unzei⸗ tige Anschwellungen verhüten, wie dies in den Erlaͤuterungen zum , ausführlicher erörtert ist. Da der Kanal für außergewöhn⸗ iche, Fälle e f enn eeignet ist, mindestens den dritten Theil der größesten Wassermassen schnell abzuführen, so kön nen durch denselben die großen Mißstände, welche die ,, für Verlin und Ungegend jetzt herbeiführen, gänzlich beseitigt werden. Es wird daher auch möglich und ohne alle Nachtheile zulässig er⸗ scheinen, den Spreelguf in der Stadt in angemessener Weise auf eine Normalbreite einzuschränken. Durch die Gewinnung neuer Uferplätze

und regelmäßiger Ufer mit geeigneten Kommunikgtionen und Lade⸗ Anstalten wird die Entwickelung des städtischen Verkehrs unendlich

gewinnen, und die jetzigen widerwärtigen Zustände längs des Flusses

werden verschwinden. Bei Herstellung eines regelmäßigen Profiles wird die Strömung eine gleichmäßige Geschwindigkeit annehmen, und die Mißstände, welche Folge ungleicher Flußprofile sind, werden ge— hoben werden. Also ist die Anlage auch, bezüglich der Hochwasser⸗ stände von unberechenbar vortheilhafter Wirkung.

C. Von der allergrößten Wichtigkeit ist aber die Anlage für die mit den hohen Wasserstaͤnden in Verbindung stehende Vorfluth und , des ganzen südlichen Stadttheils und seiner Um⸗ gebungen.

Da der Normalwasserspiegel des neuen Kanales um 2 bis 4 Meter niedriger liegt als die anschließenden Terrains im südlichen Stadttheile, und selbst die höchsten, nur kurze Zeit möglichen, ganz beliebig zu regulirenden Wasserstände niemals die Terrainhöhen er- reichen können, so wird selbst für die niedrigsten, weit ausgedehnten Wiesen⸗Terrains bei Rixdorf resp. bis Köpenick zu jeder Zeit eine völlig unbehinderte und vollständige Entwässerung stattfinden.

Die bebauten Stadttheile zwischen dem bestehenden Landwehr— kanal der Hasenhaide, dem Kreuzberg u. s. w. werden in Kellern und Sonterrains vom Wasser befreit, die großen, noch unbebauten Flächen bieten trockene und gesunde, für die Entwickelung, der Industrie be— sonders geeignete Baustellen dar, und selbst für die niedrigen Stadt⸗ theile am rechten Ufer des Landwehrkanals läßt sich durch Röhren - anlagen unter demselben Kanale die Entwässerung erheblich verbessern. Auch die niedrigen Terrains unterhalb des Botanischen und Hopfen⸗ garteng finden bequeme Entwässerung nach dem neuen Kanal.

Nach den vorstehenden Anführungen ist es unzweifelhaft, daß der neue Kanal für die Entwickelung Berlins mit seinen Umgebungen ebenso, wie für den allgemeinen Verkehr von unberechenbar günstigen Folgen sein wird.

Derselbe hat aber auch eine weiter reichende Bedeutung, er bil— det gewissermaßen eine Fortsetzung der ahgekürzten Schiffahrtslinie, welche Seitens der Reglerung vom Jungfernses bei Potsdam durch den weißen See bei Nedlitz durch den r e cher und den Schlä⸗ nitzsee blß zur Havel am Göͤttiner See hergestellt wird. Beide An⸗ lagen zufammen kurzen den Schiffahrtsweg von Berlin nach Bran— denburg und nach der Elbe um 44 Meilen ab, und erleichtern die

Fahrt sehr erheblich.

Eine weitere, dringend nothwendige Verbindung Berlins mit der

Oder, der Warte und Netze, welche unerschöpfliche Baubolzvorräthe sie fern, durch den Müggelsee über Erkner, durch die Werl⸗, Peetz= und Möln⸗Seen, durch das rothe Luch über Bukow etwa nach Kie⸗ nitz an der Oder darf wohl nur als eine Zeitfrage angesehen werden.

Ein Blick auf die Karte wird genügen, um die allgemein großen

Vortheile zu erkennen, welche durch die gedachten Anlagen erreicht werden. . Wenn für den nördlichen Theil Berlins durch die Stadtbahn eine große Entwickelung und Umgestaltung der Verhältnisse, herbei⸗ geführt werden wird, fo wird der neue Kanal für den südlichen Stadttheil nicht minder wichtig sein. Beide Anlagen stehen aber in einem gewissen Zusammenhange, denn mit der Kanalanlage müssen alle auch noch so unbegründeten Bedenken gegen die Schließung des verderblichen Königsgrabens sowie des gruͤnen Grabens unfe lbar schwinden.

Die für die Herstellung des 37 Meilen langen, auf einem gro—⸗ ßen Theil feiner Länge in der Ausführung durch die städtischen Ver. hältniffe, durch Kreuzung zahlreicher Straßen und Eisenhahnen mit umfangreichen Bauwerken erschwerten Kanales ermittelte Bau summe von 3, 34,519 Thlr. erscheint schon an sich nicht hoch, kann aber im J, e. zu den erreichenden Vortheilen als sehr mäßig bezeichnet werden.

Eine direkte, dem üblichen Zinsfuß entsprechende Rente dieses Baukapitals durch Erhebung von Kanalabgaben wird sich voraus sichtlich nicht erzielen laffen, so daß für die Aufbringung der Mittel

aus Rücksicht auf die Förderung des allgemeinen Verkehrs und des

Wohles der Hauptstadt Sorge zu tragen sein wird.“

Berlin Redacteur: F. Preh m. Verlag der Crpedition (Kessel. Druck: W. El s ner.

Vier Beilagen leinschließlich Börsen · und Handel zregister Beilage)

Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Personal⸗Veräudernnugen.

Königlich Preußische Armee. Offiziere, Portepee Fãhnriche ze. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im stehenden Heere. ;

Berlin, 21. November. Graf v. Arnim,

1. Gäarde⸗Drag. Regt. unter Belassung in seinem

Bienstleistung als Flügel- Adjut. Sr, Maj. des Kaisers und Königs,

Don dem Verhälkn. als Adjut. der Garde⸗Kap. Div. entbunden und

dem gedachten Regt. aggregirt, v. Rab e, Rittm. und Escadr. Chef

im 2. Garde⸗Drag. Regt, als Adjut. zur Garde Kap. Div. kommand.

v. Ploetz, Pr. Lt. von demselben Regt. . Rittm. und Escadr.

Chef, v. Wag enh o ff, Sec. Lt. von demfelben Regt, zum Pr. Lt.,

befördert.

; Berlin, 24. November. Richter, Sec. Lt. vom Fuß Art. Regt. Nr. 4, zum Pr. Lt. befördert.

Abschiedsbewilligungen. . Im stehenden Heere. Berlin, 24. November. v. , Pr. Lt. vom Fuß ⸗Art. Regt. Nr. 4, Behufs Uebertritts zur Marine ausgeschieden.

Rittm. vom

Königlich Bayerische Armee.

Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen ze. Im stehenden Heere.

Durch Allerhöchste Verfügung.

Den 17. November. Frhr. v. Falkenhausen, Sec. Lt. vom 4. Chevauleg. Regt. zum 2. Ulan. Regt, Graf v. Arco⸗ Zinneberg, Sec. Lt. vom 2. Ulan. Regt., zum 4. Chevauleg. Regt.

versetzt.

et Durch Kriegg⸗Ministerial⸗Reskript:

Münch en, 13. November. Ritter v. Poschinger, Pr. Lt.

und Regts. Ads vom 4. Chenguleg Reg., Krämer, Ser. Lt. und 26 Ads. vom 6. Jäg. Bat. der Adjutanten Funktion auf Nachsuchen enthoben.

- Münch en, 14. November. Manz, Pr. Lt. vom Inf. Leib— Regt, Ba ptiftella, Sec. Lt. vom 6. Jäg. Bat. als Bats. Adju tanten bestäͤtigt.

Abschiedsbewilligungen. Im stehenden Heere. Durch Allerhöchste Verfügung.

Den 13. November. Frhr. v. 6 Pr. Lt. vom 1. Inf. Regt, Schmitt, Sec. Lt. vom 10. Inf. Reg, Graßmann, Sec. Et. vom 7. Inf. Regt, mit Pension auf Nachsuchen verabschiedet.

Den 17. November. v. Vallade, Oberst Lt. und Commdr. des 2. Jäger⸗Bats., mit Pension verabschiedet.

In der Resetve und Landwehr. Durch Allerhöchste Verfügung. Den 13. November. v. Fischer, Landw. Sec. Lt. vom 1. Inf. Regt, Lohr, Landw. Sec. Lt. vom 11. Inf. Regt. bei zurück gelegter Gesammtdienstpflicht auf Nachsuchen verabschiedet.

Im Sanitäts-Corps. Durch Rriegs⸗Ministerial⸗Reskript. München, 14. November. Dr. Sch il ffarth, einjähr. freiwill. Arzt . 1. Chevaulegers⸗Regt., zum Unterarzt in diesem Regt. ernannt.

Herzoglich Vraunschweigisches Kontingent. Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Verfetzungen.

In der Reserve und Landwehr.

Braun schweig, 20. November. Wegmann, Dony, Vize⸗ Feldw. vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 92, zu Sec. Lts. der Res. Des Inf. Regts. Nr. 92 befördert.

In der Kaiserlichen Marine. Offiziere ꝛc.

Ernennungen, Beförderungen und . Berlin, 24. November. v. Westernhagen, Pr. Lt., bisher im Fuß Art. Regt. Nr. 4. mit seinem bisher. Patent als Pr. Lt. in der See ⸗Artill. Abtbeil. wieder angestellt.

Aichtamtliches.

Italien. (Uebersicht über die Zeit vom 1. Alto ber bis Mitte November. Während der ersten Tage des Oktobers gah die Reise des ehemaligen Präsidenten der französischen Re⸗ Publik, des Herrn Thiers, vielfachen Anlaß zur Erörterung der Beziehungen Frankreichs zu Italien. Thiers, auch von dem Könige Victor Emanuel in Turin empfangen, gab zu wieder⸗

holten Malen seiner Ueberzeugung beredten Ausdruck, wonach

nur eine politisch ohnmächtige Partei in Frankreich der bestehen⸗ den Staatsform Italiens feindlich gesinnt sei. Er selbst habe die italienische Einheitsbewegung früher aus dem Grunde bekämpft, weil sie die deutsche Einheit im Gefolge haben mußte, jetzt jedoch, fügte er fi freue er sich der errungenen Einheit Italiens. Victor Emanuel erschien ihm als der „politischste“ Regent Europas. Die französische Kolonie Neapels, die den greisen Staatsmann ebenfalls eingeladen hatte, erfuhr, daß Gesundheitsrücksichten die Beschränkung auf Ober⸗ Italien und längeren Aufenthalt in Nizza geböten.

Am 2. Oltober feierte man in Rom die Erinnerung an das Plebiszit.

Erst am 3. Oktober brachte die amtliche Zeitung das längst erwartete Dekret der Auflösung der Kammer und die Anordnung der Neuwahlen, die am 8. November statthaben sollten. Gleich⸗ geitig erschien die Ernennung Ruggiero Bonghi's zum Minister

es öffentlichen Unterrichts. Am 3. vereidigt, präsidirte der Minister bereits am 5. dem , ,,, und gab die Er⸗ klärung, daß es vorerst nicht sowohl auf weitgreifende Reformen auf dem Gebiete des Unterrichts ankomme, als vielmehr auf strikte Befolgung der bestehenden Normen. Diesem Programm entsprechen die ersten Cirkular⸗Erlasse Bonghi's.

Die Zustände Siciliens, wie man später erfuhr, auch Gegen⸗ stand eines diplomatischen Ideenaustausches zwischen Lord Derby und Hrn. Visconti⸗Venosta ,, haben die Aufmerksamkeit der Regierung und der Verwaltungsbehörden in erhöhtem Maße in Ansßruch genommen. Schon die Anwesenheit des Hrn. Gera, General⸗ Sekretärs im Ministerium des Innern, zeigte sich erfolg⸗ reich, wenngleich der b ge Präfekt von Palermo, Graf Ras⸗ poni, seine Demission gab. Die öffentliche Sicherheit auf der

Kommdo. zur

gefunden. Am 9. November stellte sich

Berlin, Sonnabend, den 28. November

Insel und in Neapel wurde zu einem Programmpunkte in der Wahlrede des Minister⸗Präsidenten Minghetti, insofern die Vor⸗ lage von Ausnahmemaßregeln in Aussicht gestellt ward.

Die Wahlbewegung war sowohl auf Seiten der Re⸗ gierungspartei wie der Opposition eine sehr lebhafte. In englischer Weise unternahmen es die Minister selbst, in ihren Wahlkreisen ihre bisherige Politik zu rechtfertigen und die Ziele ihrer weiteren Aufgaben zu bezeichnen. So eröffnete Hr. Minghetti am 4. Oktober zu Legnano den Reigen und wies durch die Beschränkung auf die dringlichste Frage, die Beseitigung des Defizits, auch der Opposition die Bahn, die im Wesentlichen auf beiden Seiten innegehalten worden ist. Nach des Minister⸗ Präsidenten, von der Opposition bestrittener, Aufstellung, würde es sich für das Jahr 1875 nur noch um ein Defizit von 54 Millionen handeln, und dieses würde durch erhöhte Steuerein⸗ gänge und Eisenbahnverträge auf 22 Millionen herabgehen. Der ehemalige Finanz-Minister Sella sprach am 18. 3 in Bioglio im Allgemeinen zu Gunsten der Minghetti'schen An⸗ schauung, doch erklärte er sich gegen die Getränkesteuer, die der Minister⸗Prässident angekündigt hatte. Bemerkenswerth ist auch, daß Sella allein von den Rednern der Rechten ein Wort fand für die unabweisbare Nothwendigkeit, dem staatsgefähr⸗ lichen Treiben der Ultramontanen einen Damm ent⸗ gegen zusetz en.

Hr. Visconti⸗Venosta wußte vor seinen Wählern von Ti⸗ rand die in der That seltenen Erfolge der italienischen Politik in sehr gewandter Rede als Resultate der weisen Mäßigung der Moderaten⸗ Regierung hinzustellen. Auch, die Minister des Krieges, der Marine, der öffentlichen Arbeiten und, auf einer Reise in den Südprovinzen zu wiederholten Malen, der neue Minister des Unterrichts, so wie die General⸗Sekretäre verschie⸗ dener Ministerien, nahmen an der Wahlbewegung hervorragenden Antheil. Die Presse blieb nicht zurück. Der Opposition schadete der Mangel eines anerkannten Führers, doch zeigte auch sie außergewöhnliche Rührigkeit. Ein Wahlerlaß des Ministers des Innern Cantelli (10. Oktober) hatte das Glück, vom „Journal ,, der eigenen Regierung als Muster vorgehalten zu werden.

Die am 13. Oktober erfolgte Abfahrt des Orinoqus, aus

CEivita⸗Vecchia ist von Seiten der Regierung wenigstens nicht als ein besonderer Erfolg der auswärtigen Politik Italiens für die Wahlbewegung ins Gewicht gelegt, sondern als eine lediglich französische Angelegenheit behandelt worden. . Der Ausfall der Wahlen, so weit er bis jetzt zu übersehen ist, entspricht nicht ganz den gehegten Erwartungen der Regie⸗ rung, doch ist er keineswegs ungünstig für dieselbe. Man nennt heute 284 Sitze der Rechten und 211 der Opposition; 13 von den 508 Wahlkollegien sind noch unbekannt. Der erste Wahl⸗ gang am 8. November ließ fast die Hälfte unentschieden, erst am 15. ergab sich das oben n n . Verhältniß. Der Süden bleibt vorwiegend opposttionel, Mittel⸗ und O eritalien zeigen sich, mit Ausnahme Roms selbst, gouvernemental. .

In Rom wurde in 2 Wahlbezirken Garibaldi gewählt. In wie weit die Klerikalen, durch eine Rede des Papstes vor Betheiligung an den Wahlen gewarnt, gleichwohl ihre Hand im

Spiele gehabt haben, ist vorläufig nicht recht ersichtlich. So viel.

steht fest, daß klerikale Organe in Norditalien und in Neapel jene Rede nicht als ex cathedra erflossen wollten gelten lassen; auch zweifelt man kaum, daß der Ultramontanismus, hier wie anderswo, der extremsten Opposition gern die Hand bietet.

Was Garibaldi betrifft, so besorgt selbst die regierungs⸗ freundliche Presse nicht, daß er den Hoffnungen einiger Republi⸗ kaner entsprechen werde. Uebrigens zeigte sich bei Gelegenheit des Bekanntwerdens finanzieller Bedrängniß des Einsiedlers von ö an verschiedenen Orten ein Wetteifer, derselben abzu⸗

elfen.

Leider sind auch diesmal eine Reihe von Kriminalfällen zu erwähnen, die allgemeines Aufsehen erregen. In Mantua fand am I. Oktober ein Attentat auf den General Federici statt, ein Akt der Privatrache eines entlassenen Gärtners. Am 4. erschoß in Cella in der Emilia ein junges Mädchen den eben vom Altar getretenen Priester Don Bicola Vecchi; am . nahm eine Bande bei Sora. den päpstlichen Camerlengo Theodoli ge⸗ fangen und ließ ihn erst gegen Erlegung von 50,000 Lire frei, die der Papst dem DOheim des Betroffenen nachher wiedererstattete. Einige Tage später faßte man jedoch die ganze Bande. Am 14. Oktober wurde in Rom ein car⸗ listisches Werbebureau aufgehoben, doch nur 4 Personen konnte das Verbrechen der Anwerbung wirklich nachgewiesen werden. Wichtiger aber ist, daß der Verein der Reduci (Veteranen) der ehemaligen päpstlichen Truppen wegen seiner Betheiligung an solchen Bestrebungen am 21. Oktober aufgelöst wurde.

In Neapel hatte die Polizei Gelegenheit, eine große Zahl von Mitgliedern der dort thätigen Camorra durch mehrfache Razzias dingfest zu machen. Die weitverzweigte Bande, die durch Deportation von ca. 200 Mitgliedern auf die ägadischen Inseln nur eingeschüchtert, nicht vernichtet ist, hat sogar die ,, durch ihre Erpressungen zu besteuern ge⸗ wußt.

In Ravenna dauert der Prozeß gegen die verschworenen Messerhelden (Accoltellatorih noch fort. Die Langsamkeit des italienischen Gerichtsverfahrens zeigte sich hier recht auffallend; die Angeklagten sitzen seit über 2 Jahren in Haft.

Vergleichsweise günstiger kamen die Verhafteten der Villa Ruffi fort, wenigstens die 3, welche durch Beschluß des Tribu⸗ nals von Forli in Freiheit gesetzt wurden, darunter der bekannte Aurelio Saffi. 18 andere werden noch in Haft gehalten. Die Verhaftung des Republikaners Alberto Mario ist vom Turiner Gerichte wegen unbegründeter Anklage aufgehoben worden. Aus Sicilien kommen vielfache Nachrichten von Aufhebung be⸗ rüchtigter Bandenführer, daneben Klagen über die Willkür der Polizeigewalt. .

In Florenz hat man am 23. Oktober in einem gewissen Natta das Haupt der italienischen Abtheilung der Internationale verhaftet und eine umfängliche Korrespondenz desselben auf⸗ ͤ in Cesena der Mörder des Grafen Aldini, Ugo Pio, und es en sich auch hier das Vorhandensein eines verbrecherischen Geheimbundes ergeben ha⸗ ben. Man spricht von 50 Uebelthätern der Art, welche e nen 6. Terrorismus geübt, en es nie zu einer Anzeige ihrer

erbrechen kam. Der Versuch, durch Bedrohungen Geld zu

18 71.

erpressen, wird auch in Rom noch immer wieder gemacht. Ab⸗ gesehen von vereinzelten Excessen südlicher Leidenschaftlichkeit darf indeß Rom als eine sehr gut polizirte Stadt gelten. Pö⸗ belhafte Rohheit ist ganz unbekannt, dafür geben auch die letzten Wahlen ein rühmliches Zeugniß.

Die Vatikanische Partei rechnete fich als großen Triumph die Konversion des Lord Ripon zu. Dagegen betrübte sie die Einweihung einer englischen protestantischen Kirche innerhalb der heiligen Stadt auf dem Platze S. Silvestro (Ende Oktober), . aber der vielbesprochene Brief des Msgr. Dupanloup an Herrn Ming hetti, dessen heftige Invektiven zwar gegen die italienische Reglerung durch ein päpstliches Breve höchlichst gelobt wurden, dessen eigentliche Tendenz jedoch, die Uebertragung des italienischen Garantiegesetzes und seiner Ver⸗ pflichtungen gegen den Heiligen Stuhl an ein Syndikat der ka⸗ tholischen Mächte und damit eine Art Eingeständniß, daß die Restauration der temporellen Gewalt des Papstes durch die Logik der Thatsachen von der Tagesordnung der Kirche abgesetzt ei, in höherem Maße erbitterte, als man aus Besorgniß vor

em Schisma eines großen Bruchtheiles des französischen Klerus durfte merken lassen. Sehr bezeichnend für die Stimmung gegen die „lettera insidiosa“ war, daß der offiziöse „‚Osservatore Ro⸗ mando“ der Dupanloupschen Schrift nur ganz beiläufig unter der Rubrik „Bibliographie gedachte, die sonst meistens der buch- hänndlerischen Reklame klerikalen Verlages geöffnet ist, wie denn auch der Pariser Univers“ Ingrimm und Verlegenheit schlecht genug verhehlte. Ein neuer Schlag war die Abberufung des bisherigen Vertreters Englands beim heiligen Stuhle, des Hrn. Jervoise, welche ungeachtet eines Dementi der klerikalen Organe definitiv erfolgt ist. Wie unerwartet und tief treffend endlich die jüngste Brochure des ehemaligen, der katholischen Kirche bisher wohlwollenden Ministers Gladstone gewesen ist, zeigt noch täg⸗ lich die Fluth von Schmähungen, welche es auf ihn regnet. Der Papst selbst hat angeblich am 109. November vor einer Ver⸗ sammlung englischer Besucher des Vatikans seiner Stimmung erregten Ausdruck gegeben.

Die Republik S. Salvador hat durch ihren bisherigen Ver⸗ treter beim h. Stuhle, Hrn. Lorenzana, erklären lassen, daß sie keine politischen Geschäfte weiter mit der Kurie zu verhandeln habe, daher Lorenzana's Misston erledigt sei.

Für den durch Todesfall erledigten Bischofssitz Livorno wurde durch die Ernennung eines Herrn Mezzetti aus Lucca gesorgt; er gilt für einen ergebenen Klerikalen.

Am 28. Oktober starb der Erzbischof von Florenz, Msr. Gioacchino! Limberti. Er war 1859 ernannt. Der Bischof Orlandi von Pontremoli starb am 9. November.

Man erwartet den Erzbischof von Westminster und andere englische Bischöfe in Rom.

Der als Deputirter und langjähriger Korrespondent der „Dailn News“ geachtete Graf Arrivabene starb Anfang Oktober zu Mantua.

Der kürzlich über die Kasse von S. Giorgio in Genua her⸗ eingebrochene Konkurs hat die Handelswelt daselbst in berechtigte Besorgniß versetzt. Die politischen Zustände in der argentinischen Konföderation gefährden den Handel Genuas erheblich.

Die Eisenbahnlinie von Sestri nach La Spezzia ist am 24. Oktober eröffnet worden, schon vorher, am 17., diejenige von Porto Empedoele nach Comitini (Provinz Girgenti).

In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober kehrte die ita⸗ lienische Fregatte „Garibaldi“, welche unter dem Kommando des Herzogs von Genua eine Weltumschiffung vollzogen hatte, wohl⸗ behalten im Hafen von La Spezzig zurück.

Der König befindet sich seit Beginn des Monats in Rom, das Kronprinzliche Paar wird demnächst hier erwartet.

In einer Schrift über Cavour hat der Professor Vera eine bemerkenswerthe gründliche Kritik der berühmten Cavourschen Formel: libera Chiesa in stato libero geliefert. Der in Florenz lebende deutsche Professor Karl Hillebrand wird durch die Herausgabe einer periodischen Revue „Italia“ (Leipzig bei H. Hartung) ein voraussichtlich erfolgreiches Unternehmen zum An⸗ bahnen wahren gegenseitigen Verständnisses zwischen Deutschland und Italien begründet haben.

Neichstags⸗Angelegenheiten. Zum Landesh aushalts-Etat für El aß⸗ Lothringen 1875.

Die Forstverwaltung in Elsaß-Lothringen erstreckt sich auf 145,965 Hekt. Staatsforsten, einschließlich 17997 Hekt, welche dem Staate und einigen Gemeinden im ungetheilten Eigenthum ge⸗ hören, und auf 196,457 Hekt. Gemeinde und Institutenforsten, ff welche von den Staatsforstbeamten der forsttechnische Betrieb, jedoch ohne den Forstschutz und ohne die den Gemeinden überlassene Ver⸗ werthung der Forstprodukte, zu besorgen ist.

Die Gemeinden und nf entrichten hierfür 5* des Brutto⸗ ertrageg an die Staatskasse als Beitrag zu den Verwaltungékosten, jedoch keinenfalls mehr als 1 Frl. pro Hektar.

Die unter Verwaltung des Staatsforstpersonals stehenden Wal- dungen umfassen also im Ganzen 342362 Heft.

Ueber die Privatforsten, welche ca. 100000 Hekt. einnehmen, steht dem Staate nur ein allgemeines Auffichtérecht bezüglich deren Erhaltung als Wald zu.

Die gesammte Waldfläche des Landes, von welcher hierngch 30 * dem Staate, 46 den Gemeinden und Instituten, 24 * den Privaten gehören, bildet 31 der ganzen Landesfläche und beträgt pro Kopf der Bevölkerung Cesa Hekt. .

Das Areal der Staatsforsten zerfällt in

143,910 Hekt. zur Holzzucht benutzte Fläche ö

10209 , landwirttzschaftlich oder in anderer Weise

benutz e lech u

S . Fläche, Wege, Wasserläufe, ö 86

Der nachhaltfge jährliche Holzeinschlag von jenen 143,910 Hekt. Holzboden, welche zu 35x in Eichen und Buchen Hochwald, zu z2x* in gemischtem Laub und Nadelholz Hochwald, zu 16x in Nadelholz

dd cs vᷣ,

0,60 ,

und 17* in Mittel und Niederwald be e, ist durch die Ertrags⸗ ermittelungen au

157,935 Festmeter Nutzholz, 244070 Festmeter Derbbrennholz, 108,038 Festmeter Reiser⸗ und kitchen. zusammen also auf 50, 043 Festmeter n Hiernach ist die jährliche Ab- nutzung ö Hektar im Durchschnitt 355 Festmeter. Sie steht dem Ertrage ber bayerischen Staatäforsten und derer des preußischen Re— ierungsbezirks Trier von 3,s Festmeter fast gleich, hinter dem der adischen Staatsforsten von 45 Festmeter und der württembergischen

von 5a Festmeter aber zurück. Nach den obwaltenden Standort- 2. an erer aliniffn ist sie als eine streng nachhaltige zu be—⸗