1874 / 282 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Lowell hat den ihm angebotenen St. Petersburger Ge⸗

sandtschaftsposten abgelehnt.

New⸗Jork, 30. November. (W. T. B.) Der Mayor der Stadt, Havemeyer, ist ganz . gestorben.

Aus Centralamerika liegen folgende Meldungen der „A. A. C.“ vor:

Die einzige Nachricht von Interesse ist ein anderer miß⸗ glückter Aufstandsversuch in Costa Rica. Am 17. ult. um Mitternacht griff ein Haufen Rebellen, aus Nicaraguanern, Salva—⸗ dorianern und Costa Ricanern heftehend, die Citadelle von Punta Arnnas an und nahm sie ein, wobei Sennor Joaquim Fernandez, der vorher mit seiner Familie in Gemäßheit der Amnestie in diesem Hafen gelandet war, zum Präsidenten proklamirt wurde. Zur Zeit der Ein⸗ nahme war der Kommandant und Vize⸗ Kommandant von der Citadelle abwesend, aber da sich zwei Offiziere und fünf Soldaten in ihrer Begleitung befanden, stationirten sie sich in ein benachbartes Gebäude und hielten vier Stunden hindurch ein lebhaftes Feuer gegen die Rebellen aufrecht. Alsdann schifften sie sich auf dem Dampfer „General Cannas“ ein und begaben sich nach der San Lucas⸗Insel und von da nach Bebedero (dem Haupthafen in der Provinz Guanagcastle), wo sie nach Liberia in derselben Provinz um Truppen sandten. Die Verluste in dem Gefecht waren 3 Verwundete auf Seiten der Regierung. Der Verlust der Rebellen ist nicht angegeben. Aus den amtlichen Berichten erhellt indeß, daß die Einwohner die Rebellen entwaffneten und daß Sennor Fernandez mit seinen Anhängern am nächsten Tage (18) abziehen mußte, nachdem er 11,000 Dollars, die er in der Agentur der Na— tionalbank vorgefunden, mit sich genommen.

Aus Jam atca wird unterm 9 d. M. berichtet, daß der letzte fürcht erliche Orkan nngeheure Verheerungen verursachte. Im Binnenlande wurden riesige Bäume und große Quantitäten wachsender Produkte aus dem Erdboden gerissen. Unter den kleinen Kolonisten droht erustlicher Nothstand, wenn nicht gar absolute Hungersnoth ein⸗ zutreten. Die Kaffeefelder sind sehr beschädigt. Eine Menge Häuser wurde niedergeweht und in einigen Bezirken sind die Landsiraßen weg⸗ gespült worden. Der den Werften und kleineren Küstenfahrzeugen zu

efügte Schaden ist ebenfalls sehr beträchtlich. Der Verlust an enschenleben ist glücklicherweise unerheblich. Auch wurden nicht alle Theile der Insel von dem Orkan heimgesuckt.

Australien. Aus Hawaii wird über New⸗York vom 27. Nov. gemeldet, daß Kalakua, der König oer Sandwichsinseln, den Prinzen Delawhowbe zum Regenten während seines Besuches in den Vereinigten Staaten, sowie zu seinem Nachfolger auf dem Thron ernannt hat.

Nr. 83 des „Amts-Blatts der Deutschen Reichs⸗Post⸗ Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Generalverfügungen vom 24. November 1874. Ansatz des Portos, Bestellgeldes und der Vor—⸗ schußbeträge auf den Briefen 2c, Zutaxirung und Verrechnung der Porfo⸗ ꝛc. Beträge nach Einführung der Reichsmarkrechnung. Vom 25. November 1874. Verpackung der Begleitadressen zu gewöhnlichen Packeten nach Berlin. Vom 25. November 1874. Revision des Briefbeutel⸗Inventariums. Vom 26. November 1874. Eröffnung der Eisenbahn Dortmund⸗Lünen. Bescheidung vom 21. November 18574. Tragen von Schutzkragen Seitens der Postillone.

Nr. 20 des „Deutschen Postarchivs“, Beiheft zum Amtsblatt der Deutschen Reichs-Postverwaltung, hat folgenden In— halt: 1. Aktenstücke und Aufsätze: Bericht des Ausschusses des Bundes⸗ raths für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, betreffend den zu Bern abgeschlossenen Postvereinsvertrag. Zum Berner Postkongreß. Die Verhandlungen des Reichstages über die Postverträge mit Peru und Chile, sowie über die Novelle zum Portotaxgesetze. Island und die Izgländer. II. Kleine Mittheilungen: Die Sprachgrenzen in Elsaß⸗Lothringen. III. Zeitschriften⸗Ueberschau.

Nr. 24 des „Central⸗Blattes der Abgaben⸗, Ge⸗

werbe; und, Handels- Gesetzgebung und Verwaltung in den Königlich Preußischen Stgaten“ hat folgenden Inhalt: Cirkular⸗Verfügung des Königlichen Finanz⸗Ministeriums, die Erträge aus der Grasnutzung 24. in den Gräben der Staatschausseen be⸗ treffend, vom 31. August 1874. Cirkular-Verfügung des König⸗ lichen Finanz⸗Ministeriums, die Abtretung von Staatsgrundstücken an die Reichsverwaltung betreffend, vom 6. September 1874. gFirkular⸗ Verfügung des Königlichen Finanz-⸗Ministeriums, die auf österreichi⸗ schem Gehiete belegenen deutschen Zollstellen betreffend, vom 13. Sep tember 1874. . Cirkular⸗Verfügung der Königlichen Ministerien der Finanzen und für Handel 2c. das bei fiskalischen Bauausführungen zu beobachtende Verfahren betreffend, vom 19. September 1874. Verfügung des Königlichen Finanz⸗Ministeriums, die Mindestbeträge der Geldstrafen bei Zoll⸗Defraudationen und Kontraventionen be treffend, vom 24. September 1874. Verfügungen des Königlichen Finanz ⸗Ministeriums, Veränderungen in dem Stande und in den Be⸗ fugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen betreffend, vom 4. November 1874. Verfügung des Königlichen Finanz-Ministeriums, die Ver⸗ ö von Malzkeimen, welche zur Bierbereitung verwendet wer⸗ en, betreffend vom 16. September 1874. Verfugung des König⸗ lichen Finanz⸗Ministeriums, die Steuerfreiheit der Methbereitung he⸗ treffend, vom 24. September 1874. Verfügung des Königlichen Finanz- Ministeriums, die Tarifirung von Patent⸗Lederfilz beireffrnd, vom IJ. September 1874. Personal Chronik.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von, den Entscheidungen oberster deut scher Ge⸗ richtshöfe in Streitsachen des öffentlichen Rechls und der Verwal⸗ tung, herausgegeben von Dr. Hermann Stolp, (Berlin 1874, Expedition der Deutschen Gemeindezeitung) ist das dritte Heft er— schienen. Dasselbe enthält Entscheidungen und Rechtsgrundsaͤtze des Bundesamts für das Heimathwesen, des Königlich preußischen Ge— richts hofs zur Entscheidung der . des Königlich preußischen Ober⸗Tribunals, des Obersten Gerichtshofs des König⸗ reichs Bayern. Das Werk theilt bekanntlich jedesmal den aus den Entscheidungen abzuleitenden Rechtsgrundsatz in kurzer, präziser

Fassung und demnächst einen ausführlichen erläuternden Auszug aus den Entscheidungsgründen mit. .

Von dem Sammelwerk: Die Ortsgesetze, örtliche Polizei⸗, Verwaltungs- und Benutzungsordnungen ꝛc. 2c, welches ebenfallz von dem Dr. H. Stolp in demselben Verlage herausgegeben wird, ist der fünfte Band erschienen. Derselbe enthält 49 verschiedene Lokalord⸗ nungen, ferner ein nach Stücken und Gegenständen geordnetes Inhalts⸗ Verzeichniß über die ersten fünf Bände des Werkes.

Fr. Kreyßigs Vorlesungen über Sha kespeare, seine Zeit und seine Werke“, (Berlin, Nicolai'sche Verlagsbuch⸗= handlung Stricker) liegen nach der kürzlich erfolgten Ausgabe des 2. Bandes, nunmehr in zweiter vermehrter und verbesserter Auflage vollständig vor. Sie zeichnen sich vor vielen Schriften der Shakespeareliteratur durch Objektivität und Unbefangenheit des Urtheils rühmlich aus. Der Verfasser hatte kaum nöthig sich dagegen zu verwahren, als hätte ihn zur Abfassung dieser Vorlesungen „der Kitzel, an Shake⸗ speare ästhetische Geistesgymnastik zu üben“, veranlaßt. Sie tragen wirklich den Stempel gemüthsinniger praktischer Beschäftigung mit dem Dichter und verdanken ihre Vorurtheilsfreiheit ganz besonders dem Unstande, daß sie ihrer Natur nach für das Bedürfniß naiv genießen⸗ der Hörer bestimmt, die Fühlung mit dem Leben nicht verloren. In⸗ dessen sind die Schriften der schul⸗ und i n e Shakespeare⸗ literatur nicht unbeachtet geblieben. Der Verfasser ist den Kämpfen auf diesem Gebiete gefolgt und hat manches zu verbessern gehabt, während dieselben die Grundanschauungen nicht zu erschüttern ver⸗ mochten. Erweitert und emendirt sind besonders die historischen und literarhistorischen Einleitungen zu den Dichtungen, gänzlich umge—⸗ arbeitet ist die Biographie Shakespeare's. Die asch hen und ethischen Ausführungen über die einzelnen Stücke, für welche det Verfasser keine Unfehlbarkeit beansprucht, sind der Ausdruck einer eigenartigen tiefen Ueberzeugung und unerschrockenen Denkens. Warme ungefälschte Empfindung und klare Anschaulichkeit sind ihre Vorzüge, Zum Beweise dessen mögen hier die Worte fol- gen, in denen Kreyßig diejenige Schöpfung des Dichters zusammenfassend beurtheilt, die uns stets am sympatischsten aber auch räthselvollsten erschien: die Schlußworte der Vorlesung über Hamlet.

Der Held, sagt Kreyßig, ist kein Märtyrer zarter Gewissenhaf⸗ tigkeit, auch keine tragische Inkarnation des modernen humanen Geistes inmitten der Naturmäͤchte eines rohen Jahrhunderts, sondern einfach der ursprünglich edel, genial angelegte, aber durch einseitige Ueber⸗ bildung an Willen und Entschlußfähigkeit geschädigte Schöngeist, den die Verhältnisse nöthigen, aus der von ihm glänzend be errschten Welt der Gedanken und Worte sich einen ausnahmsweise schwierigen Weg in die der Thatsachen zu bahnen, und der über den innern Widerspruch dieser Aufgabe nicht hinaus kann.“

Kreyßig will mit diesen Vorlesungen bei der heranwachsenden Generation ein fruchtbares Shakespearestudium fördern, indem erR ihr seinen vortrefflichen Kommentar in die Hand giebt, mit dessen Hülfe sich die Schönheiten der Werke des großen Dichters erst in aller Pracht erschließen. Denn; Shakespeare muß man lesen bemerkt der Verf. treffend nicht um darüber mitreden zu können, was der Dichter mit Hamlet, Lear, Coriolan ꝛc. sagen und beweifen wollte, sondern, um an jenen, gewiß nicht durchweg künstlerisch vollkommenen, aber lebendigen und gewaltigen Offenbarungen menschlichen Seins und Thuns zu erstarken für eine würdige männliche geistesfrohe und gemüthsinnige Auffassung menschlicher Dinge überhaupt.

Im Verlage von Fr. Kortkampf hierselbst ist erschienen „Die Ertheilung von Erfindungspatenten“, nach der Gesetzgebung des Deutschen Reichs und der deutschen Einzelstgaten, für den praktischen Gebrauch zusammengestellt von einem höheren Regierungsbeamten.

Dem Professor Botgorschek am Konservatorium in Haag ist von Sr. Majestät dem König von Württemberg das Ritterkreuz erster Klasse und dem Kapellmeister Sir Julius von Benedikt in London das Commenthurkreuz zweiter Klasse des Friedrichs⸗Ordens verliehen worden.

Ein Korrespondent der Augsb „Allg. tg.“ schreibt aus Rom Nur wer Rafaels Tapeten im Vatikan sah, kann sich eine Vor': stellung davon machen, was in diesem Gebiete der handwerklichen Ar⸗ tistik von Pinsel, Farben, Leinwand und Holz unabhängig in Flan— dern damals erreicht wurde. Eben schrieh Signor Pietro Gentili die Geschichte der in seiner Familie traditionellen Kunst, die er jetzt in Italien als Meister repräsentirt: Erfahrung und Sicherheit des Urtheils, Fleiß und Mannigfaltigkeit des Studiums zeichnen ihn aus. Der Ursprung der Tapetenmalerei, ihre Fabriken in den verschie⸗ denen Ländern, die Entwickelung dieser Kunst in Rom, ihr Verfall und ihr Wiederaufleben, ihre Förderung durch Pius IX. sind eingehend behandelt. Von Interesse sind besonders die Nachrichten über die von römischen Artisten eingebrachten Veränderungen des hand- werklichen Theils der Tapetenarbeit, für welche auch heute noch, wie in Rafaels Zeit, die ersten Maler die Kartons zeichnen. Ist die Monographie auch nicht absolut vollständig, so ist sie doch das reichste Ergebniß der bisher über die Arrazzi (Arrgs) gemachten Studien und für die Kunstgeschichte ein willkommener Beitrag.

Gewerbe und Sandel.

Berlin. Die künftigen Einhundert Maxk-⸗Noten lassen folgende Banken aus gleichem Papier, in gleichem Format (193: 172) mit gleichem Wasserzeichen, gleicher Grundfärbung und mit einer für alle gleichmäßigen Rückseite anfertigen: die Anhalt⸗Deffauische Landeg⸗ bank, die i nnn . Bank, die Kommerzbank in Lübeck, die Kommunalständische Bank für die Preuß. Oberlausitz in Görlitz, die Geraer Bank, die Hannoversche Bank, die Lübecker Privatbank, die Magdeburger Privatbank, die Privatbank zu Gotha, die Rostocker Bank, die Thüringische Bank, die Weimarische Bank. Im , und in der Grundfärbung stimmen mit dem Einhundert Mark-Noten dieser Banken auch die Einhundert Mark— Noten der Sächsischen Bank, der Bayerischen Hypotheken und Wech. selbank, der Städtischen Bank in Breslau, der Landständischen Bank in Bautzen und der 6 Stadtbank vollständig überein. Auch bei der Leipziger Bank, der Bank für Süddeutschland und der Cölni⸗

schen Privatbank ist wie bei den obigen 17 Banken die grüne Farbe

als Grundfarbe acceptirt. Es ist somit für den bei Weitem größten Theil der norddeutschen Zettelbanken die möglichste Uebereinstimmung in der äußeren . der von ihnen zu emittirenden Einhun⸗ dert Mark⸗Noten mit gutem Erfolg angestrebt worden.

Seit dem Jahre 1861 wird unter dem Namen My cotha— naton“ von der Firma Vilagin C Co. in Berlin ein chemisches Präparat in den Handel gebracht, welches die Eigenschaft besitzt, den ih des Holz“', Haus- und Mauerschwamm nicht allein zu vertilgen, ondern auch zu verhüten. Das Mycothanaton, welches keinerlei der Gesundheit schädliche Substanzen enthält, wird bei der Anwendung in einem eisernen Gefäß bis zum Siedepunkt (60. R erhitzt und sodann auf alle Stellen, worauf sich der Schwamm vorfindet, einige Male stark aufgetragen. Das einfache Mittel hat sich bis jetzt be. währt, worüber dem Verfertiger Zeugnisse zu Gebote stehen. Das Nähe siehe im Inseratentheil.

In der am 30. November in Osnabrück abgehaltenen General⸗ versammlung der Flachs spinnerei Osnabrück wurde eine Divi⸗ dende von 103 genehmigt und Hr Louis Holle aus Wolffenbüttel einstimmig in den Aufsichtsrath wiedergewählt.

Der Verband der Kon sum vereine der Pfnrovinz Bran⸗ denburg hielt am 29. d. M. in Berlin einen Börsentag ab Vertreten waren als Käufer 10 Konsumpereine und wurden in Kolo— nialwaaren, Mühlenfabrikaten, Seifen, Petroleum, 6 Zucker und Butter ziemlich bedeutende Umsätze erzielt. Eine Börsen⸗Ord⸗ nung wird demnächst eingeführt werden und ist der nächste Verbands⸗ tag zum 27. Dezember d. J. einberufen.

Die Bilanz des Cöln⸗Müsener Bergwerksvereins für das Geschäftsjahr 1873,74 schließt mit einem Verlust⸗Saldo von 88,810 Thlr. ab. Unter den Aktiven stehen 14,233 Thlr. Kassa, 11,454 Thlr. Wechsel, 136,898 Thlr. Debitoren. Dem gegenüber stehen 317,973 Thlr. Kreditoren und ein Delkredere⸗Konto von 2500 Thlr. Der früher gebildete Reservefonds wird durch den vorjährigen Verlust fast ganz aufgezehrt. An die Vertheilung, einer Dividende se. für das vergangene Jahr unter diesen Verhältnissen nicht gedacht werden.

. Nachdem die Vorarbeiten der Baudirektion für die Lahn⸗ Sieg-Eisenbahn Seitens des preußischen Handels⸗Ministeriums genehmigt, hat am 2.5. November in Westerburg die polizeiliche Prüfung der Linie stattgefunden. Die Angelegenheit wurde in kurzer Zeit zu allerseits befriedigendem Abschluß gebracht und wird voraus⸗ sichtlich mit Anfang des neuen Jahres der Bau der schwierigeren Stellen der Bahn beginnen. Die Arbeiten an den Tunnel⸗Richtstollen und dem Maschinenschachte in der Nähe genannter Stadt schreiten tüchtig vorwärts. Ankaufsverträge wegen der Ländereien sind abge⸗ schlossen.

Der Bau der zweiten Hälfte der Erzherzog Albrecht⸗ bahn, nämlich der Strecke Stiy⸗Stanislau, naht seiner Vollendung. Gutem Vernehmen nach soll die Eröffnung dieser Bahnstrecke, falls keine außererdentlichen Hindernisse dazwischen treten, am 15. De⸗ zember l. J. erfolgen. Bei der Betriebsdirektion werden schon jetzt die hierzu nöthigen Anstalten getroffen.

London, 30. November. (W. T. B., Die Bank von Eng—⸗ land hat heute den Diskont von 5 auf 6 * erhöht.

St. Petersburg, 1. Dezember. (W. T. B.) Das hi sige Bankhaus Wynecken macht unter Bezugnahme auf die durch ein hiesiges Lokalblait verbreiteten fälschlichen Gerüchte bekannt, daß es vom morgenden Tage ab seine sämmtlichen, selbst die erst nach drei Monaten fälligen Accepte unter Abzug des Bankdiskontsatzes baar

auszahlen werde. Verkehrs⸗Anstalten.

Berlin, 1. Dezember. Heute wurde die Strecke der Pferde⸗ bahn vom Oxanienburger Thore nach dem Wedding platz eröffnet. Zwischen dem Prenzlauer Thor und dem Wedding⸗ platz kurstren durchgehende Wagen; der Preis für die ganze Tour beträgt 2 Sgr., für die halbe Tour vom und bis zum Oranien⸗ burger Thor 1 Sgr. Auch das zweite Geleise der Moabiter Linie von der Chausseestraße nach dem Platze am Neuen Thor ist heute eröffnet, so daß auf der ganzen Linie kein Aufenthalt mehr stattfindet.

Am 26. November fand die landespolizeiliche Prüfung und Abnahme der Eisenbahnstrecke Gießmansdorf⸗Camenz statt. Die Bahnlinie fand sich vollständig fertig gestellt und gab zu keinen Bemängelungen Veranlassung, so daß voraussichtlich landespolizeiliche h,, gegen die Eröffnung des Betriebes nicht werden erhoben werden.

Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗GBüregun.

Karlsruhe, Dienstag, 1. Dezember, Mittags. Bei der gestern hier stattgehabten Wahl von 3 Mitgliedern der katholi⸗ schen Stiftungskommission, an der römische Katholiken und Alt⸗ katholiken sich betheiligten, find die altkatholischen Kandidaten gewählt worden.

Königliche Schauspiele.

Mittwoch, den 2. Dezember. Opernhaus. (238. Vor⸗ stellung Die Hugenotten. Oper in 5 Abtheilungen nach Scribe. Musik von Meyerbeer. Ballet von Paul Taglioni. Margarethe: Frl. Lehmann. Valentine: Fr. v. Voggenhuber. St. Bris: Hr. Krolop. Nevers: Hr. Betz. Raoul: Hr. Nie⸗ mann. Marcel: Hr. Fricke. Anfang halb? Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspielhaus. (249. Vorstellung.) Neckereien. Lust⸗ spiel in 1 Akt von A. v. Winterfeld. Hierauf: Ein gefähr⸗ licher Freund. Lustspiel in 1 Akt, aus dem Französischen von A. Fresenius. Zum Schluß: Der zerbrochene Krug. Lustspiel in 1 Akt von H. von Kleist. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗-Preise.

Donnerstag, den 3. Dezember. Opernhaus. (239. Vor⸗ stellung Der Barbier von Sevilla. Komische Oper in 2 Ab⸗ theilungen. Musik von Rossini. Rosine: Frl. Minnie Hauk, vom K. K. Hofoperntheater in Wien, als Gast. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspielhaus. (250. Vorstellung) Alte Schweden. Schauspiel in 5 Akten von A. G. Brachvogel. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Der Berliner Asyl⸗Verein für Obdachlose

hielt unter dem Vorsitze des Professor Leo am Montag Abend im Bürgersaale des Rathhauses eine außerordentliche Generalversamm⸗ lung ab. Es gelangte dabei zunächst der Bericht des Verwaltungs rathes über die Monate April bis Oktober incl. zur Verlesung, dem wir nachstehende Daten entnehmen.

Waͤhrend die Frequenz im Frauenasyle gegen das vorige Jahr in beständiger Abnahme begriffen ist, stieg die Frequenz im Männer⸗

asyle. Die Verwaltung der Asyle trägt hieran keine Schuld; schon

die Hausordnung bevorzugt die Frauenasyle insofern, als die wirklich Obdachlosen fünfmal, die Männer nur dreimal, das Asyl besuchen dürfen. Im Frauenasyl, wo durchschnittlich nur der dritte Theil der vorhandenen Lagerstätten belegt wird, wird wirk— li obdachlosen Famlien gern gestattet, mehr als fünf Nächte monatlich im Asyl zu verweilen. Trotzdem jst das Frauen. Asyl in diesem Jahre schwächer besucht gewesen als im vorigen; es nächtigten vom April bis Oktober 1873 11,885 gegen 8383 in diesem 5 Es benutzten somit das Asyl im vorigen Jahre 56, in diesem

ahre 40 Personen 6. Nacht; es badeten sich durchschnittlich 5 Per⸗ sonen oder 1215. ie Abnahme der Frequenz wurde als ein gutes Zeichen begrüßt und ihre Ursache un darin gesucht, daß jetzt fleinere Wohnungen reichlicher und billiger zu haben sind, und ferner darin, daß die Frau seßhafter ist, als der Mann, sie wird noth⸗

en, vom Asyl nur dann Gebrauch machen, wenn sie keine ohnung finden oder zahlen kann. Unter den 19,519 weiblichen Asylisten des vorigen Jahres waren 8683 Frauen, 8156 Mädchen und 2660 Kinder. Die Mädchen gehören größtentheils der dienenden Klasse an; sie werden, wenn sie von auswärts konimen, von den Polizeibeamten auf den Bahnhöfen direkt in das Asyl geschickt und verbleiben dort, bis sie einen passenden Dienst gefunden.

Was das Männerasyl betrifft, so ist die Frequenz gegen das Vorjahr gestiegen. Es nächtigten vom April bis Oktober 1873: 30,524 gegen 32,266 Personen in diesem Jahre; es ergiebt dies eine

unahme von 1742 Köpfen; an Bädern wurden 6170 verabreicht.

bgleich unwürdigen, arbeitsscheuen Leuten, die Mißbrauch mit dem Asyl treiben, der Eintritt erschwert wird, 64 der Besuch trotzdem nicht abgenommen. Die Qualität hat sich sogar verbessert und ein anständigeres Publikum sucht das Asyl auf. Es sind Handwerker von außerhalb, welche Arbeit suchen und ehe sie dieselbe finden, die Gastfreundschaft des Asyls in Anspruch nehmen. icht hoch genug anzuschlagen ist der 6 Einfluß, welchen das Asyl guf funge, unerfahrene Männer und Mädchen ausübt, die zum ersten Male nach Berlin kommen und der Verführung auggesetzt sind. Die Hausväter und Hausmütter sind angewiesen, junge Männer und Mädchen von den alten zu trennen. Auch der Sinn für Reinlichkeit nimmt zu, wodurch der öffentlichen Gesundheit ein großer Dienst erwiesen wird; das Waschen ist nach

hig er obligatorisch und der Wunsch nach Bädern äußert sich ãufiger.

Als ein Schwester⸗Institut des Appl ⸗Vereins ist der Verein für Volksbäder zu betrachten, der für 27 Sgr. ein warmes Wannenbad mit Seife und Handtuch liefert. Im ersten Jahre seines Besthens hat der Verein in 14 Wannen 26 800 Bäder verabreicht.

Ueher die finanzielle Lage des Asyl-Vereins für Obdachlose konnten keine erfreulichen Mittheilungen gemacht, werden; die außerordentlichen Beiträge fließen in Folge der augenblicklichen wirthschaftlichen Lage sehr sparsam; den Ausgaben des nächsten Jahres, die auf 7763 Thlr. ver— anschlagt sind, stehen nur 5430 Thlr. Einnahmen gegenüber, so daß die Differenz von 2333 Thlrn. aus freiwilligen Beiträgen gedeckt werden muß.

Seit Den fünf Jahren seines Bestehens hat der Verein 3090, 009 Menschen Obdach, ein Bad, Abendrot und Frühstück gewährt und bierfür 33, 000 Thlr. verausgabt, trotzdem besitzt er ein Vermögen von IS-zo Thlrn. in Grundstücken und 4990 Thlrn. in Fonds,. Ein solcher Verein giebt die beste Gewähr für seine Lehensfähigkeit und trägt einen gesunden Keim langer und segensreicher Thätigkeit in sich.

. Medacteur: F. Preh m.

Verlag der Crpedition (Kesselh. Druckt W. El sner. Vier Beilagen

(einschließlich Börsen und Handelsregister⸗Beilage)

H 282.

Erste Beilage

Berlin, Dienstag, den 1. Dezember

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

187M.

Aichlamtliches.

Oesterreich Ungarn. (Monatsübersicht für Okto⸗ ber) Am 4 Oktober, als dem Namensfeste Sr. Faiser⸗ lichen und Königlichen apostolischen Majestät wurde von Sr. Eminenz dem Kardinal Fürst⸗Erzbischof von Wien in der Metropolitankirche zu St. Stephan unter zahlreicher Assistenz ein feierliches Hochamt celebrirt. Sämmtliche Truppen der Gar⸗ nison waren theils in ihren Kasernen, theils in den denselben zunächst gelegenen Pfarrkirchen zu einem feierlichen Gottesdienst persammelt. Die Ceremonie schloß mit einer Defilirung der Truppen, die von dem Feldmarschall Erzherzog Albrecht abge⸗ nommen wurde.

Ihre Majestät die Kaiserin traf nach längeren Auf⸗ enthalt in England am 7. wieder in Schönbrunn ein und begab sich mit Sr. Majestät dem Kaiser am darauf folgenden Tage nach Gödöllö in Ungarn.

Tie Provinzialvertretungen schlossen am 15. Oktober ihre diesjährige Session. Der Verlauf derselben war geschäfts⸗ mäßig und im Allgemeinen ruhig. Als wichtigstes Ereigniß der ab⸗ gelaufenen Session ist der Eintritt der sieben jungezechischen Ab⸗

ecrdneten in den böhmischen Landtag zu verzeichnen. Wenn⸗

gleich der leidenschaftliche Kampf zwischen Alt⸗ und Jungczechen in der böhmischen Presse mit unverminderter Heftigkeit fortge⸗ führt wird, so ist doch der Aufschwung der Dinge unverkennbar, ebenso wie die Niederlage, die die Altezechen und ihre Passivitäts⸗ olitik erlitten haben. Man kann annehmen, daß die im Ent⸗

ehen begriffene Partei der Jungezechen bei dem nächsten Wahl⸗ gange größere Erfolge aufzuweisen haben wird, und daß die Folgen der Wahlreform mehr und mehr zum Ausdruck gelangen werden.

Mit der am 13. Oktober erfolgten Wiederherstellung der Bankakte ist die Krisis des Jahres 1873 formell wenig⸗ stens zum Abschluß gelangt. Als vor mehr als 17 Monaten die über die Wiener Börse hereingebrochene Katastrophe eintrat, entschloß sich die Regierung am 13. Mai des Vorjahres, jenen

14 der Bankakte zu suspendiren, kraft dessen der österreichi⸗

chen Nationalbank verboten ist, mehr als 209 Millionen Gulden metallisch nicht bedeckter Noten auszugeben. Man hoffte dadurch die Krisis auf das Gebiet der Börse zu beschränken.

Daß diese Erwartung sich nicht erfüllt hat, ist bekannt. Zwar wurde durch die der Bank gebotene Möglichkeit, jeden vertrauenswürdigen Kreditwerber zu befriedigen, eine Geldkrisis vermieden; aber dies hinderte die Börsen⸗ krisis nicht in ihrer Entwickelung, vielmehr erreichte sie erst unter heftigen Zuckungen ihren Höhepunkt im Dezember des Vorjahres. Der Widerstandskraft der österreichischen Produktion ist es zu verdanken, daß die Krisis doch nur vorübergehende Krankheits⸗ erscheinung des wirthschaftlichen Organismus blieb und nicht zum Vorläufer des dauernden Verfalles ward.

Durch das in der „Wiener Zeitung“ vom 2. Oltober ver⸗

öclffentlichte Allerhöchste Handschreiben vom 27. September d. J. wurden von Sr. Majestät in Anwendung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vom 21. Dezember 1867 als Mitglieder auf Lebensdauer in das Herrenhaus be⸗ rufen: der Geheime Rath und Großmeisters⸗Stellvertreter des souveränen Johanniter⸗Ordens, Bailli Johann Freiherr Ceschi a Santa Croce; der Gutösbesitzer Wladimir Graf Dzieduszycki; der Hofrath Wilhelm Ritter von Engerth; der Geheime Rath und Feldmarschall⸗Lieutenant im Ruhestande Friedrich Freiherr Kellner von Köllenstein; der Geheime Rath und F5M. im Ruhestande Rudolf Freiherr von Roßbacher; der Groß⸗Industrielle Franz Ritter von Schmitt; der Geheime Rath Simon Freiherr von Sina, und der Kämmerer und Guts⸗ besitzer Victor Graf von Widmann⸗Sedlnitz y.

Die „Wiener Zeitung“! vom 1. Oktober veröffentlichte das an den Minister des Innern Freiherrn von Lasser gerichtete Allerhöchste Handschreiben d. d. Gödöllö, den 29. September, wonach der Reichsrath zur Wiederaufnahme seiner Thätigkeit auf den 20. Oktober berufen wurde. Vier Tage später fand die Wiedereröffnung des ungarischen Reichstages statt. In beiden Häusern wurden bei Wiederaufnahme der Sitzungen die Voranschläge für das Budget des nächsten Jahres eingebracht.

Der Finanz⸗Minister de Pretis legte in der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses des Reichsrathes das Budget pro 1875 vor. Der Voranschlag weist an Ausgaben 381K, 782,551 Fl., an Einnahmen 369,429,694 Fl., mithin ein Defizit von 12,352,852 Fl. nach, für dessen Deckung durch Heranziehung der nach dem Gesetz vom 24. Dezember 1873 noch verfügbaren Rentenreserve gesorgt werden soll.

Der Ausfall wurde durch Mindereinnahmen hkauptsächlich aus den indirekten Abgaben und dem Zollerträgniß herbeigeführt. Die indirekten Abgaben weisen gegen 1873 ein Minus von 10 348, 000 Fl. auf; das Zollerträgniß ist gegen 1874 um 2,552,200 Fl. geringer. Die Ersparnisse im Betrage von ea. 116 Millionen Fl. rühren aus den geringeren Positionen für das Landesvertheidigungs⸗Ministerium (— 4130900 Fl.), des Tabaks⸗ und Salzmonopols und anderen Posten her. Seit 1869 ist dies Budget das erste mit einem Defizit. Bis zur Einbringung des diesjährigen wiesen die Staatseinnahmen eine jährliche Durchschnittserhöhung von 21 Millionen Fl. auf.

Die Wiedereröffnung des ungarischen Reichstages fand am 24. Oktober statt. Minister⸗Präsident Bitto entwickelte in der Sitzung vom 28. die Ansichten der Regierung über die ein⸗ zubringenden Vorlagen und deren Reihenfolge.

In derselben Sitzung legte der Finanz⸗Minister Ghyezy den Voranschlag für das Jahr 1875 vor, sowie eine Reihe von Ge⸗ setzen, die fämmtlich darauf hinausgehen, die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Der Minister⸗Präsident hob in seiner Rede hervor, daß es die Hauptaufgabe der Regierung sei, auf die Heilung der finanziellen Uebelstäͤnde und Herstellung des Gleich⸗ gewichts im Staatshaushalte hinzuwirken. Derselbe ist der Ueberzeugung, daß, wenn der Reichstag die ihm vorzulegenden Steuerreform⸗-Gesetze annähme, binnen zwei Jahren das Gleich⸗ gewicht im Staatshaushalt werde hergestellt werden können. Nach dem Voranschlage betragen die ordentlichen Ausgaben 211,388,116 Fi. die ordentlichen Einnahmen dagegen 200 437,354 Fl. Nach. der Berechnung des Finanz- Mmnisters beläuft sich das Gesammtdefizit auf 7,490,978 Fl. Da nun aus den neuen Steuergesetzen ein Zuwachs zu den Einnahmen von ea. 12 Millionen erwartet wird, würde demnach

ein Defizit von 15,490,978 Fl. verbleiben. Die gedachten Steuergesetze sind folgende: 1) über die Manipulation der öffent⸗ lichen Steuern; 2) über die Erwerbsteuer; 3) über die Kapitalzinssteuer; 4 über die Fleischsteuer; 5) über die Steuer der zur öffentlichen Rechnungslegung ver⸗ pflichteten Unternehmungen und Vereine; 6) Über die Berg⸗ werkssteuer; 7) über die Wein⸗ nnd Fleischverzehrungs⸗ steuer; 8) über die Transportsteuer; Y) über die Jagd⸗ und Gewehrsteuer; 10) über den in Sachen der den Stem⸗ pelgebühren und Taxen und den i. J. 1875 auszuwerfenden 5 prozentigen außerordentlichen Steuerzuschlag nach den direkten Steuern, sowie 11) über die Luxussteuer.

Die kommissionellen Berathungen in Betreff der Reorga⸗ nisation der Militär⸗Bildungsanstalten und des Generalstabs, sowie der Aenderungen im Avancementgesetz nehmen einen günstigen Verlauf. Die Prinzipienfragen sind größtentheils als gelöst zu betrachten und können bei den Militär⸗ Bildungsanstalten in der Kräftigung des militärischen Elements und in der Wiedererrichtung niederer Militär⸗Bildungsinstitute. beim Generalstabe in der Rekonstruirung desselben zu einem von den Konkretualftänden der Truppen gesonderten Körper und in scharfer Begrenzung seiner Wirkungssphären, beim Avancement⸗ Gesetze in der Aufhebung der Außertour⸗Beförderungen ange⸗ sehen werden.

Ueber die Bewaffnung der österreichisch⸗ungari⸗ schen Fußtruppen erfährt die „Wehr⸗Zeitung“ Folgendes: „Ende des Monats Oktober werden nebst der gesammten Jäger⸗ truppe noch 43 Infanterie⸗Regimenter nebst deren Reserpe⸗Komman⸗ den und Augmentations⸗Magazinen vollständig mit dem Werndl⸗ Gewehre ausgerüstet sein. Die Vertheilung dieser Präzisionswaffe an die übrigen 37 Regimenter ist in der Weise in Aussicht genommen, daß bis zum Frühjahre 1876 das ganze stehende Heer dieselbe in Händen haben wird. Auch die Kavallerie besitzt bekanntlich schon seit vier Jahren den Werndl⸗Karabiner. Ueberdies wurden in letzter Zeit am Absehen, am Schlosse und am Verschlusse des Werndl⸗Gewehres einige Verbesserungen vorgenommen und die Pulverladung der Patrone erhöht, so daß das Gewehr, nebst seinem sicheren Schusse und einer bequemen Handhabung, auch eine Tragweite bis auf 2500 Schritte besitzt und daher seinen Platz ebenbürtig neben jeder Präzisionswaffe der Gegenwart be⸗ hauptet. Die angedeuteten Verbesserungen werden successive an den bereits ausgegebenen Gewehren vorgenommen werden.“

In der „Wiener Zeitung“ vom 3. Oktober wurde der Er⸗ laß des Kultus⸗Ministers von Stremayr vom 28. v. M. an die Dekanate der rechts⸗ und staatswissenschaftlichen Fakultäten, be⸗ treffend die Frequenz der Kollegien, veröffentlicht. Es wird darin geklagt, daß die Frequenz der juristischen Kollegien „eine weit geringere“ ist, als an anderen Fakultäten. Es ergeht an die Dozenten die Aufforderung, in vorkommenden Fällen von den durch die Studienordnung an die Hand gegebenen Disziplinarmitteln rückhaltlosen Gebrauch zu machen.

Der bisher befolgte Gebrauch der Bestätigung der Melde⸗ bücher soll künftighin nicht mehr geduldet werden. Der Mini⸗ ster besteht auf der persönlichen Ueberreichung.

Ein zweiter gleichzeitig ergangener Erlaß des Unterrichts⸗ Ministers ist an die Vorstände der Kommissionen für die theoreti⸗ schen Staatsprüfungen gerichtet und fordert diese zu größerer Strenge bei Abhaltung dieser Prüfungen auf. Ebenso wur⸗ den die medizinischen Professoren⸗Kollegien der Universitäten in Wien, Prag, Graz, Innsbruck und Krakau verpflichtet, den für die Ausbildung der Aerzte so nothwendigen Besuch der Kliniken möglichst nutzbringend zu machen. Zu diesem Behufe wurde verordnet, daß jeder Studirende der Medizin, welcher bereits ein Semester hindurch eine Klinik besucht hat, je zwei Semester auf der medizinischen und chirurgischen und je ein Semester auf der gynäkologischen und okulistischen Klinik zu praktiziren hat. Die Ausfolgung des Absolutoriums ist von der Vorlage dieser Nach⸗ weisung abhängig zu machen.

Durch Kaiserliche Enischließung vom 29. September 1850 wurde die Königliche Rechts akademie zu Agram an der Save einer Reorganisation unterworfen, die so lange in Kraft

bleiben sollte, bis es möglich sein würde, dieselbe zu einer mit

allen Privilegien auszustattenden Universität zu machen. Bis dahin sollte sie den Namen „K. K. Rechtsakademie“ führen. Die zum Staatsdienst, der Advokatie und dem Notariat erforderlichen Studien konnten an derselben absolvirt werden, nur die Kandidaten des juristischen Doktorgrades mußten mindestens ein Jahr an einer anderen Universitaäͤt studirt haben. Beschwerden waren vom Banus zu entscheiden, bei wichtigen Verfügungen mußte die Ge⸗ nehmigung des ki, gene eingeholt werden.

Der Wunsch, den Croatien und Slavonien von jeher ge⸗ hegt, die Kaiserlich Königliche RechtsCakademie in eine Universität umgewandelt zu sehen, und auf dessen Er⸗ füllung namentlich von Bischof Stroßmayer hingewirkt wurde, ist nunmehr realisirt worden: am 19. Oktober wurde die erste croatische Hochschule unter dem Na⸗ men: „Franz Josephs Universität“ unter großen Feierlich⸗ keiten eröffnet. Um g Uhr wurde in der Domkirche die Festmesse unter zahlreicher Assistenz celebrirt. Die Landtagsmitglieder, die weltlichen und geistlichen Würdenträger, der Banus an der Spitze, die Vertreter auswärtiger Universitäten, Vereine und Korpora⸗ tionen, der Rektor mit den Professoren und die Studentenschaft wohnten der Festmesse bei. Gegen halb 11 Uhr bewegte sich der imposante Zug in die obere Stadt zum Landtagsgebäude, wo die feierliche Eröffnung der Universität und die In⸗ stallation des Rektors stattfand. Se. Excellenz Banus Mazuranic erklärte als Königlicher Komissär die Uni⸗ versstät im Namen Sr. gal ih und Königlichen aposto⸗ lischen Majestät für eröffnet und lud den Rektor Mesis ein, den Rektorsitz einzunehmen. Letzterer hielt sodann in croatischer und ie in lateinsscher Sprache eine Rede, in welcher der Ver⸗

ienste Aller, welche für das Zustandekommen der eg mn. gewirkt, warm gedacht ward. Nach Professor Mesie's Rede wurde die junge Universität Seitens der Vertreter der auswär⸗ tigen Hochschulen begrüßt Seitens der Berliner Universttät von dem a, Pr. Gneist worauf der Banus die Ver⸗ sammlung schloß und als Erster seinen Namen in das Gedenk⸗ buch der Agramer Universität einschrieb.

Am 4. Oktober eröffnete der In du strietem pel im Prater seine Portale wieder den Besuchern und zwar die zwei Transepte unmittelbar an der Rotunde, in denen im Sommer des vorigen

Jahres das Deutsche Reich und Oesterreich die Produkte ihres Gewerbefleißes ausgestellt hatten. Diese Ausstellung ist eine doppelte und hat einen doppelten Zweck. Sie geht vom Drien⸗ talischen Museum“ und vom eisleithanischen Handels⸗Ministerium aus. Das „Drientalische Museum“ setzt sich in erster Linie zur Aufgabe, den Verkehr Oesterreichs mit dem Orient zu fördern. Die Männer, die es ins Leben gerufen, haben richtig erkannt, daß, wenn Oesterreich mit dem Orient verkehren will, es ihn vor Allem kennen muß. Der österreichischen kaufmännischen und in⸗ dustriellen Welt die Kenntniß des Orients zu vermitteln, erscheint ihnen also als das Präambulum zu jedem weiteren Schritte. Die Ausstellung zeigt, daß sie ihre Aufgabe in großem Styl erfaßt und durchgeführt haben. Wären nicht Photographien von orientalischen Ansichten an den Wänden, würde man nicht durch die auf⸗ und abschreitenden Sicherheitswachmänner daran erinnert, daß man in einer Ausstellung weilt, man könnte glau⸗ ben, in einem orientalischen Bazar zu sein. Die Schätze, die der Orient zur vorjährigen Ausstellung sandte und die da⸗ mals, eng zusammengepreßt, nicht zur vollen Geltung gelangen konnten, erglaͤnzen jetzt erst in ihrer ganzen Pracht. Zugleich haben die Aussteller eine Sammlung der für den Orient gang⸗ barsten Importartikel zusammengestellt, Artikel europäischer Arbeit, wie z. B. englische Baumwollhemden, großgeblümte Tücher aus der Schweiz u. s. w., die der Drientale zu kaufen liebt.

Die Sammlung der fachgewerblichen Lehrmittel, die das Handels⸗Ministerium exponirt, bildet die zweite Hälfte der Nach⸗ ausstellung. Die dem Handels⸗Ministerium gehörigen Objekte sollen leihweise an die Gewerbeschulen, Gewerbe⸗Akademien u. s. w. überlassen und auch sonst auf jede mögliche Weise der Benutzung strebsamer Industrieller zugängig gemacht werden.

Im niederösterreichischen Landtage wurde am 5. Oktober eine Interpellation über das Auftreten der Rebwurzel⸗ laus (Phylloxera vastatrix) eingebracht und am 9. von dem Statthalter beantwortet. Bei den verheerenden Wirkungen des langsamen aber stetigen Fortschreitens der Reblaus sieht man einem Gesetze entgegen, welches den Regierungs⸗ Organen die rücksichtslose Vertilgung der von der phylloera ergriffenen Weinstöcke und die gründliche Des⸗ infektion des Bodens einräumt. Alle bisher angewandten Mittel, das schädliche Insekt auszurotten, find erfolglos ge⸗ blieben, und nicht ohne Besorgniß sieht man der Zukunft ent⸗ gegen.

Zu jenen industriellen Erzeugnissen, welche einen von Jahr zu Jahr steigenden Absatz im Auslande finden, ist auch das 5 sterrreichische Bier zu rechnen. duktion unausgesetzt im Steigen begriffen ist, so erübrigen auch immer größere Mengen zur Ausfuhr, welche durch die Export⸗ prämie der Steuer⸗Restitution wesentlich befördert wird. Auch im Jahre 1874 gestaltet sich der Export günstig. In den ersten 7 Monaten wurden 359, 939 Zollcentner, d. i. 38,997 Centner oder um 12 pCt. mehr als im Vorjahre ausgeführt. Die steigende Beliebtheit österreichischer Biere im Auslande datirt aus dem Jahre 1867. Die Weltausstellung zu Paris verschaffte demselben einen Weltruf. Die Bierausfuhr betrug in Zollcentnern: 1860: 58. 313; 1867: 290010; 1868: 388,433; 1869: 4093 550; 1870: 394,764; 1871: 488,526; 1872: 440700; 1873: 550,495. Die Zunahme der Exportmenge beträgt seit 1860 S844 pCt. und im Mittel der Jahre 1860-1873, gegen die vorangegan⸗ genen Jahre 1860 = 1866 245 pCt. Bezüglich des Absatzes nach dem Auslande ist zu bemerken, daß etwa 40 pCt. der Jahres⸗ mengen nach Deutschland und Frankreich, 18 pCt. nach Italien, 10 pCt. zu Lande nach der Türkei und Rußland und 32 pCt. nach Triest und den anderen Häfen austreten, von wo ein Theil nach überseeischen Ländern verschickt wird.

Einer in der „Austria“ veröffentlichten Tabelle über die Ergebnisse des Postverkehrs im Jahre 1873 ist Fol⸗ gendes entnommen: der Briefpostverkehr im Inlande betrug 190,192, 608, derjenige aus Deutschland 39, 129,552, aus dem sonstigen Auslande 7663, 194, vom Ausland nach dem Ausland 1,613, 10, zusammen 245,348, 190 Stück Briefe, ferner 21, 350, 424 Korrespondenzkarten und 60,321,530 Zeitungen. Was den Fahrpostverkehr betrifft, so betrug er 5,450,795 ge⸗ wöhnliche Packete, 21,125,187 Geld⸗ und Werthsendungen im Gesammtwerthe von 4,270,632, 849 Fl. Oe. W.

Dem vom Rechnungs⸗Departement für die indirekten Ab⸗ gaben im Kaiserlich⸗Königlichen Finanz⸗Ministerium zusammen⸗ gestellten Tabellen über die Ergeb nisse des Waarenver⸗ kehrs der österreichischen Monarchie mit dem Auslande und den Zollausschlüssen in den Monaten Januar bis inkl. August d. J. entnehmen wir die folgenden Daten: Es betrug in den acht ersten Monaten des Jahres

1874 1873 die Einfuhr 379,268,214 Fl. 381,767,548 Fl. die Ausfuhr 278,513,167 F. 264,763,548 Fl.

Die Einfuhr in den acht ersten Monaten d. J. ist demnach fast ebenso groß als in der entsprechenden Periode des Vorjahres, indem dieselbe nur um 2, Millionen Bl. zurückblieb. Da im vorigen Monat noch ein bedeutendes Minus der Einfuhr ausgewiesen wurde, so folgt daraus, daß der Import im Monate August sich bedeutend um mehr als 19 Millionen Gulden gehoben hat. Was die Waaren⸗ ausfuhr anbelangt, so überstelgt der Gesammtwerth derselben jenen der gleichen Periode des Vorjahres um 13, Millionen Gulden. Der Werth der ein⸗ und ausgeführten Edelmetalle, dann der Gold⸗ und Silbermünzen beträgt in den ersten 8 Mo⸗ naten d. J. in der Einfuhr 15 924,748 Fl., in der Ausfuhr 17,565,710 Fl. An Zöllen und Nebengebühren sind (mit Aus⸗ nahme von Dalmatien) in den Reichsländern eingegangen: an Eingangszöllen 1409467 Fl., an Ausgangszöllen 161 5651. an Nebengebühren 175,583 Fl., zusammen 11,746,615 51. gegen 15447, 247 Fl. im Vorjahre. Der Minderertrag an Eingangs⸗ zöllen (15,150,377 Fl. im Jahre 1873) wurde vorzugsweise durch den schwächeren Import an Kaffee, an mittelfeinen Süd⸗ früchten, an . Schweinen und fetten Oelen, an Brannt⸗ wein, Wein, Roheisen und Halbfabrikaten aus Eisen, an Webe⸗ und Wirkwaaren, dann an Maschinen sowie durch die zeitweilige Aufhebung der Getreidezölle veranlaßt.

Im Monat September d. J. wurden auf den im Betriebe

ehenden österreichisch⸗ungarischen Eisenbahnen bei ken Gesammtaus dehnung ö. 205339 Meilen im Ganzen

4,158,477 Reisende und 556,825, 150 Zolleentner Frach⸗

Da die inländische Pro⸗

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