1874 / 290 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

der jetzt in Angriff genommenen allgemeinen Regulirung des Civil⸗ rechts ausgesetzi werden könnte. Es ist auch eine besondere Dring⸗ lichkeit weder aus den gedruckten Motiven noch aus dem eben ge⸗ hörten Vortrage des Herrn Antragstellers zu entnehmen gewesen. So⸗ fern übrigens heute der vorliegende Antrag vom Reichstage würde angenommen werden, so werden die mecklenburgischen Regierungen . im Bundesrathe für denselben ihre Stimme abzugeben ereit sein.

In der sofort folgenden zweiten Berathung über den An⸗ trag des Abg. Dr. Proch nahm zunächst der Bundes⸗Kommissar, Großherzoglich mecklenburgischer Ober⸗Appellationsgerichts⸗Rath v. Am sberg das Wort:

Meine Herren! Ich kann mich mit der Tendenz des vorliegenden Antrags, hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts der Volljährigkeit eine einheitliche Regelung fuͤr das ganze Gebiet des Reiches eintreten u lassen, vallständig einverftanden erklären; ich glaube aber, daß der

ahme des Anträges selbst, so wie er vorliegt, Bedenken entgegen. treten. Ich halte nämlich den Antrag, so wie er vorliegt, nicht für vollständig, ich glaube daher, daß, wenn der Antrag, so wie er vorliegt, zum Gesetz erhohen werden würde, er zu Ergebnissen führen müßte, welche, wie ich fest überzeugt bin, weder der Herr Antrag= 6 noch diejenigen Herren gewollt haben, die diesen Antrag unter⸗ tützt haben.

Wie es keiner weiteren Ausführung bedarf, schließt sich der An= trag seiner Fassung nach dem preußischen 946 vom 9. Dezember 1869 an. Er will, joweit ich den Antrag verftehe, die Grundsãtze, die damals für die preußische Monarchie ausgesprochen wurden, übertragen wiffen auf das Deutsche Reich. Trotz dieser Uebereinstimmung zwischen dem preußischen Gesetze und dem gegenwärtigen Antrage glaube ich, daß die Wirkung des Antrages, wenn er angenommen sein wird, eine völlig verschiedene von derjenigen sein wird, welche das preußische Gesetz haben mußte. Diese Verschiedenartigkeit der Wirkung entnehme ich daraus, daß es sich nicht gegenwärtig darum handelt, für ein Land, son⸗ dern daß es sich darum handelt, für das Reich ein Gesetz zu geben. Ich glaube, daß in dieser Beziehung zwei Punkte die Aufmerksamkeit verdienen, und ich hebe diese Punkte schon gegenwärtig im Interesse des Antrages und in der Absicht hervor, um von vornherein den Versuch zu machen, alle Bedenken zu erledigen, welche etwa der Annahme des Antrages im Bundesrathe entgegentreten können.

Es fehlt meiner Ansicht nach zunächst in dem Gesetz ein Vor⸗ behalt, durch welchen die besonderen Vorschriften der Hausverfassungen und Landesgesetze rücksichtlich der Mitglieder der landesherrlichen Fa⸗ milien aufrecht erhalten werden. Sie finden einen derartigen Vor behalt im preußischen Gesetz nicht. Meines Erachtens war derselbe für Preußen auch durchaus nicht nothwendig, denn für Preußen ergab sich ohne Weiteres, daß die Bestim⸗ mungen, wie sie in der preußischen Verfassung stehen, wie sie ferner in der Hausverfassung des preußischen Königshauses enthalten find, Bestimmmngen, welche dahin gehen, daß der „önig sowie die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses mit dem 18. Jahre die Volljährigkeit erhalten daß alle diese Bestimmungen aufrecht erhallen werden mußten. Es traf nämlich die Auslegungregel zu, daß das allgemeine, generelle Gesetz in keiner Weise die speziellen Gesetze, welche Ausnahmen von der früheren allgemeinen Regel enthalten, berührt.

Anders gestaltet sich die Sache, solern es sich darum handelt, die Materie reichsgesetzlich zu regeln. Ich gehe von der Ansicht aus, daß das Reichsgesetz dem Landesgesetz vorgeht, daß also das Reichs- gesetz jede entgegenftehende Bestimmung des Landesrechts beseitigen muß, ohne Rüchicht darauf, ob diese Bestimmungen auf einem gene⸗ rellen Gesetz oder auf speziellen Gesetzen, auf Hausordnungen auf Dausverfaffungen u. s. w. beruhen. Es ift aus dieser Erwägung auch geschehen, daß in den drei großen Justizgesetzen spezielle Vorbehalte rüäckichllich der Mitglieder der landesherrlichen

amilien aufgenommen sind und in dem aus der Initiative des

aufes hervorgegangenen Gesetzentwurf wegen der Beurkundung des

erfonenstandes und der Form der Eheschließung ift auch speziell n, nee, Foren Ker Gheschlic kung en, Wörbchall für di Mat= glieder der landesherrlichen Familie in Vorschlag gebracht worden.

Ich möchte daher glauben, daß es nothwendig ist, die Vorlage, sei es durch einen Zusatz zu § 1, sei es durch einen besonderen Paragraphen, in der hervorgehobenen Be⸗ iehung zu vervolsständigen; denn darüber kann gar kein 6 sein: wird ein Vorbehalt nicht aufgenommen und ist die von mir vertretene Ansicht über die Natur des Reichsgesetzes richtig, so wird ein tiefer Eingriff in das Staatsrecht der monarchisch verfaßten Bundesstaaten gemacht, ein Eingriff, der meines Erachtens von dem

errn Antragfteller in keiner Weise beabsichtigt ist. Es genügt in⸗ pweit darauf hinzuweisen, daß in denjenigen Staaten, nach deren Rechte mit dem vollendeten 18. Jahre der Thronfolger vollsährig wird, wenn diese Frist auf 21 Jahre erhöht würde, die Regentschaft, die fär den Fall der Minderjährigkeit in der Verfaffung vorgesehen

ist, sich sehr viel länger hinausziehen würde, ein Moment, welches staatsrechtlich von der äußersten Bedeutung fein würde.

Ich möchte daher empfehlen, daß aus der Mitte des Hohen Hauses der vorliegende Antrag nach dieser Seite hin einer Vervoll⸗ stãndigung unterzogen wurde.

Meine Herren! Es kommt noch ein zweiter Punkt in Betracht, der Allerdings zweifelhafter liegt, als der zuerst von mir berührte: es fragt sich nämlich, ob es nicht eines weiteren Vorbehaltes, einer Bestimmung dahin bedarf, daß die landes gesetzlichen Bestimmungen

gegenwärtigen Antrages in keiner Weise tangirt werden sollen. Der Derr Antragsteller hat selbft bereits au, diesen Punkt, bin- gewiesen. Er ist der Ansicht, daß in dieser Beziehung durch den beantragten Gesetzentwurf nichts geändert werden n, Ich bin allerdings auch der Ansicht, daß für eine Aenderung ein Be⸗ dürfniß vorliegen, daß es insbesondere nicht gerechtfertigt sein würde, die Ertheilung der venia aetatis auszuschließen.

In den preußischen Gesetzen findet sich über die Ertheilung der Vollsährigkeit keine Bestimmung; es konnte aber keinem Zweifel un. terliegen, daß die Bestimmungen über die venia aetatis durch das preußische Gesetz vom 9. Dezember 1869 in keiner Weise modifizirt werden. Gegen die Aufnahme eines Vorbehalts kann man einwen⸗ den, daß der gegenwärtige Antrag lediglich darauf hinausgeht, festzu⸗ stellen, wie es demnächst mit dem Zeithunkt des Eintritts der Voll— jährigkeit gehalten werden soll, daß er lediglich diese eine Seite der Frage berührt, im Uebrigen alles bei Bestand läßt, was in den ein zelnen Landesgesetzge bungen rũcksichtlich der sonstigen, die Volljährigkeit betreffenden Fragen vorgeschrieben ist.

Ich muß bekennen, der Einwand beseitigt nicht einen Zweifel, dessen Eedeutung ich vielleicht überschãtze, der aber nach meiner Ansicht so wichtig ist, daß ich glaube, ihn dem . Hause zur weiteren Prüfung vor⸗ legen zu müffen. In der Ertheilung der venis aetatis ist eine Dis- pensation von der Vorschrift des beantragten Gesetzes enthalten. Es fragt sich: können die Landesregierungen oder können die Land sbe⸗ hörden in den einzelnen Bundesstaaten, denen die Ertheilung der Lenia aetatis überwiesen ist, von einem Reichsgesetze dis pensiren? Meine Herren! Ich bin weit entfernt davon, diese sehr epinöse Frage bei gegenwärtiger Gelegenheit irgend wie approfondiren zu wollen, ich glaube nur, daß das Bedenken im vollsten Maße berechtigt ist. daß die einzelnen Landesregi rungen die Befugniß nicht haben, daß also, sobald ein Vorbehalt rücksichtlich der landesgesetzlichen Bestimmungen über die Ertheilung der venia aetatis in daẽ Gesetz nicht aufgenommen wird, man sehr wohl zu der Anschauung berechtigt ist: es hätten die ein⸗ zelnen Landesregierungen oder die einzelnen Landesbehörden nicht das Recht, einzugreifen in ein Reichsgesetz, also trotz der postitiven Be⸗ stimmung des Reichsgesetzes zu erklären, daß bereits mit dem 18. resp. 20. Jahre Jemand als volljährig anerkannt werden solle.

Ich möchte, um eben die ganze Frage vorläufig intakt zu lassen, wie weit die einzelnen Landesregierungen oder Landesbehörden zur Dispenjation von einem Reichsgesetz berechtigt ind, es für vorsichtiger und richtiger halten, in dieser Beziehung einen Vorbehalt aufzunehmen, einen Vorbehalt dahin, daß die landesgesetzlichen Beftimmungen über die Ertheilung der venia aäetatis, über die Ertheilung der Groß= jährigkeit vollständig unberührt bleiben sollen.

Ich erlaube mir schließlich noch zu bemerken daß der Bundes—= rath bisher keine Gelegenheit gehabt hat, sich über den Antrag schlüssig zu machen, ich bin also momentan nicht in der Lage, positiv erklären zu können, daß der betreffende Antrag, vorausgesetzt, daß die einzelnen ven mir hervorgehobenen Zusätze gemacht werden, angenommen wer— den wird, ich hoffe aber, daß, falls die Zusätze gemacht worden find, der Annahme im Bundesrathe ein Bedenken voraussichtlich nicht ent⸗ gegentreten wird. Ich möchte, soweit es an mir liegt, dazu beitragen, ein jedes Hindernißz für eine günstige Entscheidung des Bundesraths von vornherein zu beseitigen, damit auf diesem, wenn auch so kleinem Gebiete die Reichseinheit in Deutschlaad hergestellt werde.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Der Vertreter des 2. Wahlkreises des Regierungsbezirks Cöln Cöln⸗Bergheim⸗Euskirchen) im preußischen Hause der Abgeordneten, Pfarrer El kem ann zu Worringen ist am 9. d. M. gestorben.

Gewerbe und Handel.

Zum 28 Dezember wird eine außerordentliche Generalver- sammlung der Italienisch - Deutschen Bank einberufen, um über die Auflösung der Gesellschaft Beschluß zu fassen. .

Verkehrs⸗Anstalten.

Nr. 97 der Zeitung des Vereins Deutscher Eisen bah n⸗Verwaltungen“ hat folgenden Inhalt: Verein Deutscher

über die Ertheilung der Großjährigkeit durch die Bestimmungen des

Eisenbahn · Verwaltungen: Badische Staats bahn, Bruchsal⸗Rheinshei eröffnet. Vereinsgebiet: Publikation von d · der Vereinszeitung ꝛc.

Aus Münster wird mitgetheilt, daß von der zum 31. d. M. beabsichtigten Betriebseröffnung der Münster⸗Ensch eder Eisen⸗ bahn hat Abstand genommen werden müssen, weil die aberaus un. gũnstigen Witterung verhältnifse es trotz der grõßten Anstren. e, nicht angãnglich erscheinen lassen die noch rückstãndigen

ke fn mit der wänschenzwerthen Sorgfalt bis Ablauf d. J. fertig zu stellen.

Die Einnahmen der schwedischen Staatsbahnen in den verflossenen 160 Monaten dieses Jahres haben betragen: 11738, 699 Kronen, davon für Passagierbeförderung 4 79, 981 und für Gůtertransport 7G28, 717 Kronen, Die Durchschnittslänge von traft⸗ kirter Bahn ist 129, und die Einnahmen pr. Tag und Bahnmeile 298 Kronen 41 Oere.

Die Eijenbahnen Norwegens hatten in den 10 ersten Menaten diess Jahres eine Einnahme von 737 806 Spezies, gegen S7 9.535 Spezies im entsprechenden Zeitraume des vorigen Jahres Die Zolleinnahmen in den bezeichneten 10 Monaten betrugen 3.72322 Spezies oder 4346748 Spezies mehr als im vorigen Jahre und 707, 000 Spezies mehr als im Jahre 1872.

NewYork, 8. Dezember. (W. T. B) Der Dampfer det norddeutschen Lloyd ‚Hansa! ist heute hier eingetroffen. um

Königliche Schauspiele.

Freitag, den 11. Dezember. Opernhaus. (247. Vor⸗ stellung Margarethe. Oper in 5 Akten nach Goethes Faust. Mustk von Gounod. Ballet von Paul Taglioni. Margarethe: Frl. Minnie Hauk, vom Kaiserlich Königlichen Hof⸗Operntheater in Wien, als Gast. Siebel: Srl. Horina. Faust: Hr. Link. Mephistopheles: Hr. Salomon. Valentin: Hr. Schmidt. An⸗ fang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspiel haus. (258. Vorstellung.) Neckereien. Lustspiel

in 1 Akt von A. v. Winterfeld. Hierauf: Ein gefährlicher

Freund. Lustspiel in Akt, aus dem Französischen von A. Fre⸗

senius. Zum Schluß: Der zerbrochene Krug. Lustspiel in 1

Akt von H. v. Kleist. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

en Sonnabend, den 12. Dezember. Opernhaus. Keine Vor⸗ ung.

Vierte Sinfonie⸗Soiree der Königlichen Kapelle.

Schauspielhaus. (259. Vorstellung.) Zum ersten Male: Die Sirene. Komödie in 4 Aufzügen von Mosenthal. In Scene gesetzt vom Direktor Hein. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗ Preise.

Besetzung: Präsident . D. v. Waltersdorf, Hr. Oberländer. Die Präsidentin, seine Frau, Fr⸗ Breitbach. Hedwig, beider Tochter, rl. Meyer. Die Generalin von Wall see, Wittwe, Frl. Stollberg. Friedrich von Eggenburg, Hr. Berndal. Fräulein Toni von Eggen burg, seine Tante, Fr. Frieb⸗Blumauer. Farl von Rechtern, sein Freund, Hr. Goritz. Elise Jung, Gesellschafterin der Generalin,

Riemann a. G. Saftgrün, Nedacteur der Leuchte, Hr. Dehnicke.

thar, ein Schauspieler, Hr. Vollmer. Franz,. Bedienter bei Wal⸗ tersdorf, Hr. Berthold. Josephine. Stubenmädchen der Generalin, Frl. Farchow. Ort: Eine deutsche Stadt. Zeit: Modern.

Am Sonntag, den 13. Dezember, Mittags 12 Uhr, findet

im Königlichen Opernhause eine Matinée zum Besten der Ge⸗ nossenschaft Deutscher Bühnen⸗Angehöriger statt und wird: Der Verschwender, Zauber⸗Märchen in 3 Akten von Raimund, Musik von Kreuzer, zur AuffÜührung gelangen; unter gefälliger Mitwirkung der Damen Frau Erhartt, Frau Frieb⸗Blumauer, Frl. Grosst, Frau Mallinger und Frãäulein Meyer, der Herren Betz, Berndal, Döring, Kahle, Krolop, des Direktors Franz Jauner aus Wien, als Gast, sowie der übrigen Mitglieder der Königlichen Schauspiele.

Die permanenten, sowie die auf Meldungen reservirten Billets müssen * Freitag von 10 bis 2 Uhr vom Kass⸗ des Königlichen Schauspielhauses, Eingang von der Ta straße, abgeholt werden. Der Verkauf der übrigen Billets findet ebendaselbst am Sonnabend von 10 bis 2 Uhr und am Sonntag Vormittag von 11 Uhr ab im Königlichen Opernhause statt. Hohe Preise. .

Zur Statistik Berlins.

Die „Post“ veröffentlichte in der Sonntags⸗Post' kürzlich einen Artikel Vom Markt des Lebens der Residenz“ Dem wir rücksichtlich des Konfums und anderer statistischer Verhältnisse Berlins Folgendes entnehmen. .

Rach den amtlichen Tabellen des städtischen statistischen Bu reaus wurden in Berlin 1873 verzehrt: ;

Stückzahl. Gesammtgewicht in Centnern. Ochsen und Stiere 37,626 oder 206, 943 Kühe und Färsen 38,900 J h Schweine und Spannferkel 243 245 . und Lammer 187, 196 gvie ;

ischwaaren ̃ 127,725 d. h. also die Gesammtsumme des 1873 von Berlin in Anspru ch ge⸗ nommenen schlachtsteuerpflichtigen Konsums repräsentirt die Zahl: gõ3 / 467 Ctr. Fleisch. . Im Jahre 1872 bezifferte sich diese Summe auf circa 798,600 ot. Cle atereescherd suh zie ente des mahlt enso ũberra ie Resultate m ahl steuerpflichtigen Konsums der Residenz pro ö . lauten: e. Weizen . Me gend Starke, Gries und Weizen Graupen und allerlei Getreide Mehl aus Weizen Mehl aus Roggen Schrot und Backwaaren aus Weizen 2,582 Schrot und Backwaaren aus Roggen 202 069 also in Summa ein Konsum von 1,820 834 Gentnern. Hierzu treten nun noch die importirten Wildmassen hinzu. Ber⸗ lin verzehrte 1873 1371 Stück Rothwild, 901 Stück Damwild, 381 wilde Schweine, 12501 Rehe, 112 Frischlinge, 18375 Fasanen, Schnepfen und Hühner, 172.149 Hasen und 1969 wilde Enten. Die Zahl der zahmen Hühner, Enten und Tauben, Fische, Hummer und Der in Millionen begehrten Austern entzieht jeder Berechnung. Man weiß aus den Steuerbüchern, daß 1873 noch etwa 3900 Zim⸗ mer und Keulen von Roth und Damwild, Rtehen und Schweinen konsumirt sind, daß 3211 Pferde geschlachtet wurden und 2679 Gäͤnse feilgebeten worden süd (genau die doppelte Zahl vom Jahre 1570, die Schinken Westfalens. die Würste Thüringens, die Speck Hier von der Weichsel und Sder, Hie bier zusammęnströmen, die erge von Butter und Fett, die Massen von 2 ier, Spirituo⸗

9048 Centner 36 888

20577 18.568 633 060 898, 042

Der in du strielle Charakter Berlins erweist sich am beften durch die eine Thatsache, . auf 3.6 Bewohner ein Induftrieller kommt. Das Bekleidungsgewerbe ist das am stärksten vertretene; auf 13 Be⸗ wohner kommt ein Arbeiter, auf 19 Bewohner z. B. ein Schneider. Da es klar liegt, daß von 19 Kunden kein Schneider leben kann, so beweisen dig Zahlen zur Evidenz das große Exportgeschäft der Re⸗ sidenz in allen den vielgestaltigen Beziehungen, die gewöhnlich in dem Ausdruck Konfektionsartikel zusammengefaßt werde Naäͤchst den Be⸗ kleidungsgewerben tritt der Handel mit Produkten der Industriege⸗ werbe am stärkften auf, indem er einen Selbstthätigen auf 22 Be- wohner aufweist. Die Gruppe für Herstellung von Wohnungen 3. Drechsler, Tapetenfabrikanten, Glgser, Tapezierer n s. w.) tellen 1 Arbeiter auf 48 Einwohner, die Baugewerbe 1:46. Die Bedeutung des Maschinenbanes, der Eisen⸗· und Stahlwaagren⸗. n,, spiegelt sich darin ab, daß 1 Arbeiter auf 47 Menschen

mmt. Auf 538 Einwohner ift in Berlin ein Gärtner zu finden, während in Provinzialstãdten auf 2— 3000 Einwohner ein Gãrtner kommt. Das Restauratigns⸗ Gasthofsleben und die Zimmerver⸗ miethung find jo gefuchte Beschäftigungskreise, daß auf 45 Einwohner ein Vertreter kommt. Aerzte, Lehrer, Doktoren, Professoren, Künftler, Schriftsteller, Jeurnalisten, Geistliche und Schauspieler, also das bedeutungzreichs Gebiet der Intelligenz giebt cinen Vertreter auf 30 Menschen; die Hof⸗ Staatg. Justiz und Gemeindebeamten stellen einen auf 7 Einwohner. In der Papier. und Pappenfabrikation, die vielleicht die ichnellfte Ausdehnung in den letzten Jahren gewann, beschäftigten 1867 erft 4217 Menschen einen Arbeiter, während 1871 nur 19153 Einwohner der Restdenz dazu gehörten Die Buch⸗, Kunst⸗ und Mustkalien⸗Handlungen scheinen dagegen auf das Entschiedenste im Abnehmen begriffen zu sein. ;

Im Jahre 1575 standen im Betriebe 831 Droschken erster und 3336 Droschken zweiter Klasse, 7 Thorwagen, 185 Omnibusse. Zum polizeilichen Schutze sind 1855 Schutzleute in Thätigkeit, nämlich 179 Wachtmeister, 1579 Schutzmänner zu Fuß, 12 Wachtmeister und 186 Schutzmãnner zu Pferde. Das Corps Feuerwehrleute zählt 20 Mann, die Anzahl der Straßen beträgt 640, die der bebauten Grundstũcke 14776, die Konsumtion von Gas 127,607 Kubikmeter täglich.

*

Das von Professor Neumayer zur Feier des Venusdurch⸗ gang es veranstaltete Festessen hatte am Abend des 8. Dezember eine zahlreiche Gesellschaft in dem Saale des Restaurants zur Reichs . versammelt, der mit Enblemen, die in launiger Weise auf die

edeutung des Tages hinwiesen, kunst⸗ und geschmackvoll dekorirt war. Von den bei Tische gehaltenen Reden erwähnen wir zunãch st die des Profefsor För ster. Derselbe wies auf die hohe Bedeutung dieses Pwl̃ĩnomens für die Wifsenschaft hin; er bemerkte weiter, daß es schon bei den Alten gebräuchlich gewesen, bei ähnlichen Ge⸗

sen und Milch, die Berlin täglich verb , . gelten systenmalijchen Kontrolle. e men,,

könne die heutige Zusammenkunft aufgefaßt werden, aber das Trankopfer, das er darbringen wo e, sei nicht den alten Göttern geweiht, sondern dem, der in voller Würdigung der Wichtigkeit des Ereigniffes die Ent- sendung der mehrfachen Expeditionen zur Beobachtun esselben ermög⸗ licht habe, dem Beschützer der Kunst und . dem, in dessen Namen Alles gipfele, was durch das deutsche Vaterland und für es geschehe; darum: Se. Majestät un er Allergnädigster Kai⸗ ser, Er lebe hoch! Baron von Richthofen dankte sodann in seiner Rede allen denen, die das Unternehmen und die Ausrüstung der Expeditionen gefördert, namentlich den Mitgliedern der Akademie der Wifsenschaften, die schon seit fünf Jahren in dieser Richtung ewirkt hätten, und nicht minder den Mitgliedern der verschiedenen inisterien. Er hob besonders hervor, wie Deutschland zum ersten Male sich bei einem Unternehmen von so hoher wissenschaft⸗ licher Bedeutung den anderen Großmächten ebenbürtig an die Seite gestellt habe, was, früher bei der Zersplitterung Deutschlands nicht möglich gewesen sei.— Professor Neumayer endlich gedachte der Mitglieder der verschiedenen deutschen Venus-⸗Cxpeditionen, wesche sich zur Zeit auf dem weiten Erdenrund zerstreut befänden; er hob hervor, wie diese Männer keine Mühe, leine Anstrengung und keine Entbehrung gescheut, lediglich um der Wissenschaft zu dienen. Diesen Männern weihe er sein Glas, möge ihnen die elohnung, die sie einzig wünschen, ein günstiger Erfolg der Beobachtung werden, da sie ihn ja doch in so hohem Maße verdienen. Gleich nach . Neumgyer grhob' sich der Vorsihende der Afrikanischen Gesellschaft, Professor Bastian, und theilte unter dem lauten Beifalls ruf der Gesellschaft mit, daß unser berühmter Landsmann und Afrikareisende, Dr. Nach tigal, nachdem er Jahre lang ver⸗ schollen gewesen, nach einer eben eingetroffenen Depesche glůcklich wieder in Kairo angelangt ei Er muͤsse das als ein glucliches Omen für den günstigen Verlauf der Beobachtungen des heute statt⸗ findenden Phänomens ansehen und schlage vor, sofort ein Glůck⸗ wunschtelegramm an Dr. Nachtigal im Namen der versammelten Gesellschaft nach Kairo abzusenden, welcher Vorschlag mit Akklamation angenommen wurde.

Es folgte dann die Enthüllung zweier von Künstlerhand gewid- meter Aquarellen, welche die mythologischen Gestalten der Venus, des Saturn und des Amor darftellten. Erläutert wurden diese Bilder d ein humoriftisches Gedicht, welches unter lautem Jubel der Versammlung vorgetragen wurde. J

2

Redactenr: F. Prehm. = Verlag der Crpedition (ef fel. Druck! W. El s ner.

Vier Beilagen

Berlint

legenheiten den Göttern ein Trankopfer zu bringen, um sie für den glůcklichen Ausgang des Unternehmens günstig zu sfkimmen. Aehnlich

(einschließlich Börsen · md Han delzregister · Beilage)

zum Deutschen 290.

P ocßverhandlung gegen den Grafen von Arnim. Berlin, 9. Dezember. Erster Sitzungstag. (Fortsetzung.) Die von dem Staatsanwalt Tessendorf erhobene. in der gestri⸗ gen Rr. d. Bl. bereits erwähnte Anklage lautet wörtlich wie folgt:

; Anklage .

wider den Kaiserlich deutschen Botschafter 3. D. Wirklichen Geheimen Rath Dr. jur. Harry Grafen v. Arnim, 1824 zu Moitzelfitz in Pommern geboren, Sohn des ver. storbenen Gutsbesitzers v. Arnim zu Polzin in Pommern, zur Zeit fich hier aufhaltend, evangelischer Konfession, von preußischen Orden Ritter des St. Johanniter ⸗Ordens und des Rothen Adler ⸗Ordens

2. Klasse (Stern) mit Eichenlaub, wegen Vergehen im Amte.

Der Angeklagte trat am 1. Februar 1847 als Auskultator in den Staatsdienst. 1850 zur diplomatischen Laufbahn übertretend, wurde er im Mai 1851 nach besonderer diplomatischer Prüfung zum Legatione sekretãr ernannt, fungirte als solcher bei den Missionen zu Rem, Cassel und Wien, erhielt 1856 den Legationsraths · Charakter, 1869 die Kammerherrnwürde und wurde 1867 zum Gesandten in Lisfabon befördert. In gleicher Eigenschaft war er demnãchst in Cassel und München und feil dem 20. Oktober 186 bei dem päpstlichen Stuhle in Rom beglaubigt. Im Sommer 1870 in den Grafenstand erhoben, wurde er im März 1871 zum Kom⸗ missar für die auf den Friedensschluß mit Frankreich be zuglichen Geschäfte in Brüssel ernannt und fungirte demnächst in gleicher Eigenjchaft zu Frankfurt a. M. Durch ullerhöchste Ordre vom 23. August 1571 zum Gesandten bei der französtschen Republik in außerordentticher Mission ernannt, wurde er von diesem inzwischen zu einer Botschaft erhobenen Posten mittelst Allerhöchster Ordre vom 2. Rärz 1874 unter Vorbehalt anderweitiger Verwendung ab⸗ berufen und dem entsprech nd am 19. desselben Monats zum Bot⸗ schafter in Kenstantinopel ernannt. Nachdem er am 29. April 1874 dem Praͤsidenten der französischen Republik sein Abberufungsschreiben übergcben und al-dann Paris verlassen hatte, wurde er durch Aller- höchste Ordre vom 15. Mai 1874 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

gig dem Abgange des Angeklagten von Paris wurden die Ge⸗ schäfte der Botschaft von dem Botschafts Rath Grafen v. Wesdeh⸗ len bis zu dem Eintreffen des neuen Botschafters, Fürften von Hohenlohe, interimist isch verwaltet. Der Letztęre vermißte bald nach seinem Amtsantritte aus dem Archive der Botschaft mehrere amtliche Schriststücke Eine demnächst von ihm veranlatzte genaue Recherche ergab das Fehlen einer großen Anzahl solcher Schriftstücke, ing besondere der unten unter Nr. J, II, III. aufgeführten.

Der Angeklagte erscheint als überführt, diese Schriftstũcke (Urkunden), welche für die Politik des Deutschen Reichs, resp. defsen Beziehungen zu Auswärt gen Mächten von der größten Bedeu⸗ tung sind, bei Seite geschafft und unterschlagen zu haben.

Einen Theil dieser Schriftflücke (ef. Nr. J. und II) hat der Angeklagte geständlich mitgenommen, während er von dem Verbleib Ter übrigen (Rr. III) nichts wissen will. Von den ersteren hat er auf die Aufforderung des Auswärtigen Amtes eine Anzahl (ef. Nr. L) mit der Behauptung zurückgegeben, daß es nicht seine Absicht gewesen sei, sie für sich zu behalten, die übrigen (Nr. I) aber unter dem Vorgeben, daß sie sein Privateigenthum seien, herauszugeben verweigert. ö

Die Frage nach dem amtlichen Charakter der hier in Rede stehenden Schriftstücke unn deren archivarischen Aufbewahrung ist lediglich nach den hierauf bezüglichken allgemeinen Grundsãtzen zu ent⸗ scheiden, da für die Korrespondenz des Auswärtigen Amtes mit seinen diplomatischen Agenten hiervon abweichende Spezialbeftimmungen nicht existiren. ö

Als im Jahre 1843 ein Gesandter bei dem Minister der Aug · wärtigen Angelegenheiten die Frage zur Sprache brachte, ob die Kon⸗ zepte der Berichte der Gesandten den Letzteren oder in das Archiv zebörten, reskribirte dieser unter dem 21. Dezemher unter Hinweis auf eine Verordnung vom 14. Februar 1711, daß es einer hierauf bezuglichen Generelverfügung nicht bedürfe:

„weil die diesseitigen diplomatischen Agenten im Ganzen sich nicht nur in Betreff der Frage, was in das gesandtschaftliche Archiv ge höre, sondern auch in Betreff der Aufbewahrung der Dienstpapiere anz nach den allgemeinen Grundätzen richten, welche jeder hreu⸗ ischen Behörde im Inlande hinsichts ihrer Registraturen zur Richt. schnur dienen und welche sich bis jetzt im Wesentlichen auch als vollkommen ausreichend bewährt haben.“ ö

Anlangend die geschäfts, und bureaumäßige Behandlung. der Korrcsponden; des Auswärtigen Amtes mit seinen diplomatischen Agenten, so wird nach bestehenden Vorschriften zwischen der poli⸗ tischen und der übri gen Korrespondenz unterschieden. Die er stere zerfällt, je nachdem die Schriftstücke von dem Auswärtigen Amte oder von den diplomatischen Agenten ausgehen, in Erlaffe und „Be⸗ richte“. Um dem Empfänger die Kentrole des Einganges der für ihn bestimmten Schriftstücke zu ermöglichen, erhalten die Erlasse und Be⸗ richte jahrweise eine fortlaufende Nummer. Ueber die olitische Kor⸗ refpondenz des Auswärtigen Amtes werden bei demselben besondere Journale geführt, und zwar: .

2 ein Ausgangs journal, in welches die abgehenden Erlasse,

b ein Eingangejournal, in welches die eingehenden Berichte, unter fortlaufenden Nummern mit Bezeichnung der Nummer und des Datums des Erlaffes, resp. Berichtes des Adressaten und des Inhalts des Schriftftückes eingetragen werden. Die Konierte und die Reinschriften der ergehenden Erlasse und die eingehenden Berichte erhalten nach geschehener Eintragung in die Journale die betreffende

ch Dies hat auch der Angeklagte 334 und sind d

nale ganz in der oben beschriebenen geführt worden. Außerdem hat er fur die Zeit vom September 1873 bis Ausgangs Januar 1874 ein sogenanntes Geheimjournal führen e welches jedoch mur wenige Eintragungen enthält. Das politisch. Archiv befand sich in elnem in dem K des Angeklagten stehenden Schranke, welchen er sfelbst unter Verschluß hatte. Ebendort wurden auch die Journale aufbewahrt. Die Eintragungen in die letz ·

Ersfte Beilage

teren erfolgten durch den Kanzleidiätar Hamm erdörf er. Sobald dieser von dem Angeklagten eingegangene Erlasse oder abzusendende Berichte zum Eintragen erhielt, Üieß er sich den Schlüssel zum Archiv schrank geben, hewerkstelligte jofort die Eintragung in die Journale, legte die Schriftstücke in die betreffenden Alten · Fascikel und die Four nale wieder in den Schrank, verschloß denselben und gab den Schlũssel an den Angeklagten zurüc. J

Hieraus ergiebt sich, daß die nicht eingetragenen Schriftstücke überhaupt nicht in das Archiv gelangt sind. Von den fehlenden Schriftstücken ist der größte Theil nicht eingetragen.

L 13 Erlasfse und Berichte, welche der Angeklagte gest ãndlich mitgenom men, später aber zurückgegeben hat. Als der Botschafter Fürst von Hohenlohe bald nach seinem Amtsantritte sich uber kirchenpolitische Angelegenheiten zu informiren wünschte, und zu diesem Behufe in den Journalen und in dem Archive nach hierauf bezũglichen Schriftftücken recherchiren ließ, ergab sich, daß nach den Journalen solche Schriftstücke zwar vorhanden sein mußten, in dem Archive jedoch fehlten. Derselbe zeigte darauf mittelft Schreibens vom 3. Juni 1874 dem Auswärtigen Amte das Fehlen folgender Schriftftücke: . .. .

1) des Berichtes Nr. 38 vom 16. April 1873 über die Even⸗ tualitat einer Sedisvakanz, ; ö

2) des Berichtes Nr. 39 vom 26. April 1873 über das bevor⸗ stehende Konklave, . . (

3) des Berichtes Nr. 40 vom 28. April 1873, betreffend eine Unterredung mit Hrn. Thiers über die Krankheit des PVapstes, sowie eines hierauf bezüglichen Erlasses,

. der Bitte an, ihm Abschrift dieser Schriftstücke zukommen zu assen. /

Das Auswärtige Amt forderte mittelst Erlasses vom 15. Juni 1874 den Angeklagten auf, sich über den Verbleib jener Berichte und zweier Erlasse (Nr. 49 und 66 pro 1573) zu ãußern.

Der Angeklagte erwiderte hierauf in einem Briefe d. 4. Karls- bad, 19. Juni 1874, wörtlich Folgendes; .

„In Erwiderung des geneigten Schreibens vom 15. beehre ich mich zu bemerken, daß die in demselben erwähnten Schriftstũce meines Erachtens nicht zu den Akten der Botschaft gehören. Sie beziehen sich auf Konversationen, welche ich mit Hrn. Thiers hatte und die den Charakter vertraulicher Privatgesprãche trugen.

Ich bin jetzt noch der Ansicht, daß diese Korrespondenz nicht bestimmt war, in die Archive der Botschaft zu kommen und somit . Kenntniß jedes interimistischen oder definitiven Missionschefs zu gelangen. ö.

. das Auswärtige Amt hierüber andere Auffassungen zu haben scheint, werde ich demselben die fraglichen Schriftstũcke bald⸗ thunlichst zugehen lassen, um damit nach Gutdünken zu verfahren.

Gr. Arnim.“

Das Auswärtige Amt, welches inzwischen dem Fürsten v. Hoh en⸗ lo he eine genaue Revision des Botschafte Archivs aufgetragen und von diesem die Anzeige von dem Fehlen einer großen Anzahl Schrift. ftücke erhalten hatte, richtete unter dem 20. Jun 1874 einen neuen Erlaß an den Angeklagten, in welchem es gegenüber feiner Erflärung, daß er einzelne in amtlicher Eigenschaft erstattete politische Berichte und die darauf bezüglichen amtlichen Instruktionen des Reichskanzlers als Hrivatkorrespondenzen betrachte, sich weitere Maßregeln vorbeẽhielt und ihn zugleich zur Aeußerung darüber, ob er noch andere Schriftstücke zurückbehalten habe, sowie zur unverzũglichen · gabe der Dokumen e aufforderte.

Auf diesen Erlaß antwortete der Angeklagte aus Karlsbad mittelst Schreibens vom 21. Juni, im Widerspruch mit seiner früheren Erklärung: daß es ihm nicht in den Sinn gekommen fei, die qu. Schriftstücke als Privatkorrespondenzen anzusehen und hren amtlichen Charakter zu bezweifeln, daß vielmehr seine Zweifel sich nur darauf bezogen hätten, ob die Schriftstücke in Paris Fleiben oder an das Auswärtige Amt abgeliefert werden sollten. Da der Reichskanzler die qu. Erlafsse als für ihn persönlich bestimmt be⸗ zeichnet und ihm deren sorgfältigste Sekretirung zur Pflicht gemacht, so habe er sich für die zweite Alternative entschieden, und zwar um so eher, als er besorgt habe, daß der Fürst Hohenlohe sich durch einige Ausdrücke in den Berichten als Katholik und Bruder eines Kardinals verletzt fühlen könnte. In Karlsbad durch Krankheit fest⸗ gehalten, habe er die beabsichtigte Zurüũdcgabe der Schriftstücke, die er der Post nicht habe anvertrauen wollen, bisher nicht bewerkstelligen können, jedoch seinen Sohn mit der Abholung und Neber⸗ pringung der Papiere beauftragt. Der letztere überbrachte denn auch Ende Juni die auf das Verhältniß zur Kurie und auf die Papftwahl bezüglichen Schriftstücke, zu denen außer den bereits oben erwähnten

Berichten

Nr. 38, 39 und 40 aus 135 und Srlassen Nr. 49 und 66 aus 18733, noch die Berichte und Er⸗ laffe aus dem Jahre 1872 gehörten und zwar:

1) Erlaß vom 14 Mai 1872 Nr. 101,

2 Bericht vom 17. Mai 1872 Nr. I8,

35 Bericht vom 28. Juni 1872 Nr. 90,

4 Erlaß vom 11. Juli 1872 Nr. 140,

5j Erlaß vom 11. Juli 1872 Nr. 141,

6) Erlaß vom 11. Juli 1872 Nr. 142 mit Anlage,

75 Erlaß vom 22. Juli 1872 Nr. 152,

s) Bericht vom 21. Mai 1873 Nr. 46.

Die saämmtlichen, von dem Angeklagten mitgenommenen und der- nãchst zurückgegebenen 13 Schriftstücke finden sich in den Journalen der Botschaft eingetragen. . .

Der Behauptung des Angeklagten, daß er die qu. Schriftstũcke in der Abssicht mitgenommen habe, sie dem Auswärtigen Amte zu äüberliefern, stehen folgende Thatsachen entgegen:

Bel feinem Abgange hat er dem Krafen v. Wes dehlen, wel cher von ihm die Geschäfte und das Archiv interimistisch übernahm und welcher die qu. Schriftstücke kannte, von deren Mitnahme kein Wort gesagt. ö -

Wenn in den bezüglichen Erlassen von dem Reichskanzler Aus · drũcke, wie vertraulich. = zu Ihrer persönlichen Information =

für Sie persönlich', zu sekreliren⸗. = gebraucht worden ind,

so hat damit offenbar nicht gesagt werden sollen, daß der Angeklagte diese Schriftstũcke auch seinem Nachfolger im Amte vorenthal⸗ ten sollte. Aus der Person des Fürsten von Hohenlohe konnte er Bedenken um so weniger herleiten, als ihm derselbe persõnlich, io= wie ferner bekannt war, daß derselbe die Kirchenpolitik des Den chen Reiches billigte und daß sein Bruder, der Kardinal Hohenlohe, zum deutschen Gesandten bei der Kurie ausersehen gewesen war.

Nachdem der Angeklagte Ende April 1874 Paris verlassen hatte, hat er sich hier 2 bis 3 Wochen aufge alten und die qu. Schrift stücke, anstatt sie im Auswärtigen Amte abzugeben, von hier mit nach Karlsbad genommen, von wo er sie auf wie derholte Aufforderung erst Ende Juni zurũckgeschickt hat. .

H. Erlasse, welche der Angeklagte gestãndlich mit genommen, noch hinter sich hat. ;

In dem sud Nr. J. erwähnten Schreiben 4 d. Karlsbad, 21. Juni 1874 hatte der Angeklagte zugleich erklärt, daß er auf die Frage, ob sich * andere amtliche Schriftstuücke in seinem Gewahrsam befãn ; ben, sich die Antwort auf den nächsten Tag vorhehalten und für den Fall, . sich wider Erwarten noch etwas der Art vorfinden sollte,

nicht verfehlen wärde, es gleichzeitig mit den übrigen en (eonft. Nr. L) ju übersenden. .

Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 10. Dezember.

187041.

Unter dem 24 Juni 1874 schrieb er ebendaher, daß ich außer jenen Sachen noch ein Erlaß des Reichskanzlers über das Kund= schafterwesen vorgefunden habe, und daß er andere die astliche Papiere, die er dem Auzwãrtigen Amte zuzustellen hätte, nicht besitze. Jenen Erlaß üͤbersandte er gleichzeitig mit anderen Sachen (sus Nr. L). . . = Nachdem der Fürst Hoh en Llohé mittelst Berichts vom 26. Juni 1874 dem Auswärtigen Amte angezeigt hatte, daß durch die auf dessen Veranlassung vorgenommenen Recherchen das weitere Jehlen einer roßen Anzahl politischer Erlasse und Berichte konstatirt worden sei, das Auswärtige Amt unter Beifũgung des hierũher lauten⸗ den Verzeichnisses mittelst Erlasses vom 6. Juli 1874 den An- geklaglen zur amtlichen Aeußerung über den Verbleib dieser wichtigen Schriftftũcke auf. . K . Der Angeklagte erwiderte in einem Schreiben 4. d. Nassen heide, O Juli 1854: daß er, soviel er wife, außer einen Personal- akten keine amtlichen Schriftstücke besitz, daß er jedoch die sorgfältigsten Nachforschungen nach den Papieren veranlassen werde. Unter dem 20. Juli schrieb er ebendaher an den Staats Sekretãr v. Bülow, welcher die bisherige Korrespondenz mit ihm geführt hatte indem er sein Schreiben am Rande als „Priv atbrief bezeichnete, Folgendes:

„Seit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand habe er nicht mehr die Ehre, mit dem Auswärtigen Amte in irgendwelchen Beziehungen zu stehen, vielmehr stehe er zur Disposition Sr. Ma⸗ seffat Tes Kassers. Das Auzwärtige Amt, sei deshalb nicht in der Lage, amtliche Aeußerungen von ihm zu erfordern. .

Mit diesem Vorbehalte ließ er sich über die in dem Verzeichnisse aufgeführten Schriftstücke dahin aus, daß er einen Theil der Erlasse, welche, wenn auch an politische Fragen anknũpfend, doch im Wesent⸗ lichen feinen persönlichen Konflikt mit dem Reichskanzler betrãfen und Anschuldigungen gegen ihn enthielten, als sein Privateigen⸗ thum anfähe und deshalb mitgenommen hätte, daß von den Be⸗ richten 3 (die Nr. 131, 132 und 133 aus 1873) durch ein von ihm sehr bedauertes Versehen unter seine Privatpapiere gekommen seien, diese fandte er zurück, daß er dagegen über den Verbleib der übrigen Erlasse und Berichte etwas Bestimmtes nicht anzugeben vermöge.

u den von ihm als Privateigenthum bisher zurũckbehaltenen Erlassen gehören folgende: ; . :

1 Gin Nr A4 vom 8. November 1872, in welchem der Reichs. kanzler den Angeklagten zur Acußerung über eine angeblich mit dem Grafen St. Vallier zu Nang geführte Unterhaltung auffordert.

Rach einer vertraulichen Mittheilung des General v. Man⸗ teuffel sellte der Angeklagte zu dem rafen St. Vallier, wie diefer dem Ersteren erzählt, geäußert haben:

Er betrachte die gegenwärtige franzõsische Regierung als unhalt⸗ bar, dem Hrn. Thie rs werde Gambetta, diesem die Kommune und dieser ein militärisches Regiment folgen, wenn Frankreich nicht rechtzeitig eine monarchische Verfassung wãhle. =.

. 3) Erlaß Nr. 239 vom 23. November 1872, abgefaßt und unter⸗ schrieben von dem damaligen stellvertre enden Staatesekretãr . Balan,; Inhalts dessen Namens des Reichskanzlers die von dem Angeklagten gegen Thiers und dessen Regierung erhobenen Bedenken widerlegt und dem Angeklagten für sein Verhalten der damalig en franzõsichen Regierung und e,, . gegenuber eine ganz bestimmte In= truktion ertheilt wird. ;

3) Erlaß Rr. T5 vom 20. Dezember 1872. Indem der Reichs kanzler die Berichterstattung des Angeklagten über die politische Situation in Frankreich als zum Theil auf irrthümlichen Voraus- setzungen beruhend bezeichnet und nãher kritisirt, unterzieht er zugleich die Frage, welche Regierungsform in. Frankreich für das Deutsche Reich dermalen am zuträglichtten sei, einer eingehenden Erörterung und giebt dem Angeklagten die erforderliche Dirsktive, .

I Erlaß Rr. 231 vom 23. Dezember 1872, betreffend die Be⸗ richterftattung des Angeklagten über Aeuherungen von Thier.

5) Erlaß Nr. 90 vom 2. Juni 1573, betreffend Artikel des Gaulois und „Francais über Aeu ßerungen des Angeklagten

6) Erlaß Nr. 102 vom 18. Juni 1873, betreffend den selben Gegen⸗ stand, wie sub Nr. 5. Die genannten Blätter hatten die Notiz ge⸗ bracht, daß der Angeklagte sich dahin ausgesprochen habe, der deut⸗ schen Regierung sei an der Echaltung des Herrn Thiers nichts ge⸗ legen. Der Angeklagte hatte auf den Erla sub Nr. 5 berichtet, daß die Rotiz ganz aus der Luft gegriffen sei. Der Erlaß Nr. 102 kon⸗ statirt die Befriedigung über diese Erklärung, zugleich aber auch die Nebereinstimmung der dem Angeklagten unterscho benen Beurtheilung der Situatien mit seiner bisherigen Berichterstattung /

7) Erlaß Nr. 1094 vom 19. Inni 1873, betreffend die Ueber⸗ sendung einer Abschrift des Erlasses. sub Nr. 6, dessen rechtzeitige Beförderung an den Angeklagten zweifelhaft eworden war, weil man nicht wußte, ob er sich damals noch hier au hielt, oder bereits nach Paris zurückgekehrt war. ; .

s) Erlaß Nr. 2 vom 3. Januar 1874, unterzeichnet vom Staats Sekretãr v. Bülow, betreffend die Hirtenhriefe der französischen Bischõfe und die dieserhalb zu ergreifenden Maßnahmen, In dem- selben werden die letzteren an der Hand der französischen Gesetzgebung eingehend erörtert und wird zugleich im Auftrage des Reichskanzlers monirt, daß der Angeklagte hierüber noch nicht berichtet.

I) Erlaß Nr. 14 vom 11. Januar 1874, unterzeichnet vom Staats Sckretãr v. low, betreffend das von der franzõsischen Regierung an die Bischöfe 6 Rundschreiben, worin die Bedeu . tung des letzteren, sowie das erhalten der Bischöfe näher erörtert werden, zugleich auf die nicht rechtzeitig und entschieden genug er- folgte Geltendmachung der Beschwerden des Deutschen Reichs Seitens des Angeklagten hingedeutet und demselben weitere Information und Instruktion ertheilt wird. z

10 Erlaß Nr. 33 vom 21. Januar 1814, betreffend die Aus⸗ übung des Gesandtschaftsrechts durch die deutschen Mittelstaaten, Die Frage wird aus Anlaß eines von dem Angellagten hierũber erstatte⸗ fen Berichts näher erörtert und zugleich der An spruch auf ein höhe⸗ res Maß von Fügsamkeit gegen die Inftruktionen des Reichskanzlers und auf ein geringeres Maß von selbständiger Initiative gegen den Angeklagten erhoben. . .

19 Erlaß Rr. 74 vom 4 März 1874 unterzeichnet vom Staats⸗ Sekretär v. low, betreffend eine vom Angeklagten aus Veran⸗ laffung des Eriaffes nb Rr. 10 an Se. Majestät gerichtete Imme⸗ diateingabe. Es wird darin monirt, daß die der Eingabe e . gewesene Abschrist des . ungenau eine Reihe von Berich⸗ tigungen nothwendig gema abe.

z 69 Erlaß . vom 3. Dezember 1873, betreffend die di⸗ plomatische Vertretung Frankreichs bei den dentschen Mittelstaaten

e

* *. 96. Erlaß sub Nr. 12 hatte der Angeklagte sich früher nicht erklärt, vor Gericht gab er an, daß er denselben wohl eben- falls noch hinter sich hahe. Der Erlaß sub Nr. 10 befindet sich nach seiner Angabe zur Zeit im Besitze einer Person, die er nicht namhaft machen will. ;

Von diefen Erlassen ist nur der sub Nr. 7 aufgeführte 866 Nr. I6h in das politische Journgl der Betschaft eingetragen zwar ĩist die Eintragung in Abwejenheit des Angeklagten auf Veran⸗ lassung des Grafen v. Wes dehlen erfolgt. ö

* diefe Erlasse, deren Herausgabe der Angeklagte . . indem sie amtliche , und zwar zumeist politische Fra= en von ber allergrößten Wichtigkeit behandeln, resp. dem An ekla

erhalten Instruktionen ilen, sich nicht blos

ormell, sondern auch materiell als amtliche Schriftftücke

är sein amtliches dern chnen. welche dem Staate, resp. in dessen Archine, nicht aber dem