1874 / 295 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

2. Juli 1873 unter Nr. J— XL. bezeichneten Ausgaben nicht zur bleibt gesetzliche Anordnung darüber vor-

Verwendung gelangt ist, behalten. ö

Dieser Gesetzentwurf wurde nach einer längeren Diskussion zwischen dem Abg. Berger und dem Bundesbevollmächtigten General⸗Major von Voigts⸗Rhetz angenommen. Der Gesetz⸗ entwurf, betreffend die geschäftliche Behandlung der Justizgesetze (s. Nr. 292 d. Bl.), wurde in erster und zweiter Lesung erledigt, nachdem ein Antrag des Abg. Franken⸗ burger, statt des Pauschquantums den Kommissionsmitgliedern Tagegelder zu zahlen, im Einverständniß mit dem Staats⸗ Minister Dr. Delbrück (s. unter Reichstags⸗ Angelegenheiten)

abgelehnt war. Der Antrag des Abg. Prosch, betreffend das Alter der Groß jährigkeit im Deutschen Reich, wurde an⸗ genommen, nachdem folgender §. 2 eingefügt war: „Die haugverfassungsmäßigen oder landesgesetzlichen Bestimmun en über den Beginn der Großjährigkeit der Landesherren und der itglieder der landesherrlichen Familien, sowie der Fürstlichen Fa⸗ milie Hohenzollern werden durch die Vorschrift des 5 1 nicht berührt.“ Nachdem noch der Abg. von St. Paul⸗Illaire an Stelle des ausgeschiedenen Abg. Br. Friedenthal zum Mitgliede der Reichsschulden⸗Kommission gewählt worden war, wurde die Sitzung um 4 Uhr geschlossen.

In der heutigen (32.) Sitzung des Deutschen Reichstags, welcher der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Br. Delbrück, der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt, der bayrische Staats⸗Minister v. Pfretzschner, der Königlich sächsische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister v. Nostitz⸗Wallwitz, sowie der Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Michaelis und andere Bundes⸗Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst Namens der Geschäftsordnungs⸗ Rommission von dem Abg. Dr. Harnier über den am Sonnabend eingebrachten, durch die Verhaftung des Abg. Majunke veran⸗ laßten schleunigen Antrag des Abg. Dr. Lasker Bericht er⸗ stattet. Nach demselben war die Kommission nicht in der Lage, dem ihr durch den Antrag gewordenen Auftrage zu entsprechen. Dagegen wurden aus der Mitte des Hauses heute zahlreiche Anträge eingebracht, theils um die Entlassung des Abg. Majunke für die Dauer der Session zu erwirken, theils um den Art. 31 der Reichsverfassung in dem Sinne zu verändern, daß auch die Vollstreckung eines rechtskräftigen Strafurtheils an einem Mitgliede des Reichstags wahrend der Dauer der Session nicht ohne Zustimmung des Reichstages erfolgen soll. Dagegen beantragte der Abg. Becker Uebergang zur Tagesordnung über alle vorliegenden Anträge mit dem Vorbehalt, daß die Kontroverse bei Gelegenheit der Strafprozeßordnung entschieden werden soll. x

Der Bundesbevollmächtigte Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt

nahm an der Diskussion, deren Resultat morgen mitgetheilt wer⸗ den wird, zu dem Zwecke Theil, um die auf die Verhaftung des Abg. Majunke bezüglichen Thatsachen richtig zu stellen.

Im Anschluß an die von uns gestern mitgetheilte Ober⸗Tribunals⸗Entscheidung, betreffend beleidigende Aeußerungen zur Wahrung berechtigter Interessen (5. 193 des Straf⸗Gesetzbuches), verdient ein Erkenntniß des höchsten Gerichts⸗ hofes vom 25. November er. hervorgehoben zu werden, nach welchem die Absicht, der Wille zu beleidigen nicht schon durch eine als Motiv für die objektiv beleidigende Aeuße⸗ rung etwa mitwirkende feindliche Gesinnung des Beleidigers gegen den Beleidigten ersetzt wird. Der Domänen⸗Rentmeister W. zu G., der mit dem Gastwirth G. daselbst auf gespanntem Fuße lebte, richtete im Sommer vorigen Jahres an das zuständige Landrathsamt eine Eingabe, welche die Her— beiführung einer schärferen polizeilichen Beaufsichtigung der Wirthschaft des Gastwirths G. bezweckte, und die einige Aeußerungen enthielt, durch welche sich G. beleidigt fühlte. Auf die von G. gegen W. angestrengte Klage wegen öffentlicher Beleidigung wurde jedoch der Angeklagte in zweiter Instanz freigesprochen, weil die von ihm an das Landrathsamt gerichtete Eingabe im öffentlichen Interesse erfolgt ist. Die vom Beleidigten und Kläger gegen dieses Erkenntniß eingelegte Nich⸗ tigkeitsbeschwerde, in welcher derselbe betont, daß die erwähnte Eingabe eine Folge der feindseligen Gesinnungen sei, welche zwischen ihm und dem Beleidiger bestehen, wurde vom Ober⸗ Tribunal zurückgewiesen, indem es ausführte: Wenn von den Vorinstanzen auf den vom Beschuldigten erfolgten Zweck, im öffentlichen Interesse eine schärfere polizeiliche Beaufsichtigung der klägerischen Wirthschaft mittelst der an das zuständige Land⸗ rathsamt gerichteten Eingabe vom 10. Juni 1873 herbeizuführen, die Kategorie der Wahrnehmung berechtigter Interessen passend erklärt wird, so läßt sich eine rechtsirrthümliche Auffassung hierin ebensowenig finden, als in der Annahme, daß unter jener Voraussetzung die zur Strafbarkeit alsdann erforderliche belei⸗ digende Absicht nicht schon durch eine, als Motiv für Abfassung ꝛc. der Eingabe etwa mitwirkende feindliche Gesinnung des Beschul⸗ digten wider den beleidigenden Kläger ersetzt werde.

Posen, 15. Dezember. (W. T. B) Auf Anordnung des Ober⸗Präsidenten ist der Dekan Rzezniewski in Jarocin

aus der Provinz Posen ausgewiesen und sofort über die Grenze gebracht worden. ,

Rendsburg, 14. Dezember. Die heutige 6 Sitzung des Schleswig⸗Holsteinischen Provinzial⸗Landtags ward von dem Landtags⸗Marschall 5 /. Uhr Abends eröffnet.

Unter den ziemlich zahlreichen Eingängen, welche sich größ⸗ tentheils auf Erstattung von Kriegsschäden und Ausgleichung von Kriegsfuhren bezogen, ist hervorzuheben eine Proposition des Abg. Wiggers⸗Rendsburg:

Der Provinzial Landtag wolle darauf antragen, daß der schon im Herrenhause verhandelte Gesetzentwurf über Waldschutz in hiesiger ,, nicht zur Geltung komme, vielmehr für dieselbe ein beson⸗ deres Gesetz erlassen werde, welches deren eigenthümliche Verhältnisse berücksichtige.

Auf eine Anfrage des Abg. Brockdorff⸗A Ahlefeld erklärte der Regierungskommissar, daß der Entwurf eines Gesetzes über die Ablösung von Servituten und ähnlichen Gerechtsamen für die eg. Provinz fertig gestellt worden sei und dessen Vorlage

emnächst werde gewärtigt werden können.

Eine bei dem Propinzial⸗-Landtage eingereichte Petition des Buchhändlers Homann in Kiel um Gewährung einer Beihülfe von g00 M. aus Provinzialmitteln zur Herausgabe eines Provinzial⸗Handbuchs ward durch Uebergang zur Tagesordnung beseitigt. Dagegen wurde beschlossen, die Aufhebung einer Polizeiverordnung, derzufolge Feldfrüchte nicht unmittelbar an dem Schornstein, sondern nur hinter einem Lattenverschlage liegen dürfen, zu befürworten.

Nach demnächstiger kurzer Vorberathung über den von dem Landes⸗Direktor gestellten Antrag auf Ausdehnung des Wir⸗ kungskreises der ständischen Feuer⸗Versicherungsanstalt auf be⸗ wegliche Sachen motivirte der Abg. Graf Reventlow⸗Wittenberg

Der Provinzial-Landtag wolle beschließen: einen Ausschuß nieder⸗ zusetzen, welcher den Inhalt der durch die beiden Schreiben des König⸗ lichen Landtags⸗Kommissars vom 7. d. M. dem Landtage gewordenen Mittheilungen des Herrn Finauz⸗Ministers und des Herrn Ministers des Innern, betr. die Dotations - Angelegenheit und die Forderungen der Provinz aus den Jahren 1848 1850, in Berathung zu ziehen und dem Landtage Vorschläge darüber zu machen habe, welche Entschlie⸗ ßungen derselbe etwa in dieser Angelegenheit zu fassen haben möchte.

Der Proponent ging kurz auf die Vorgänge in der Dota⸗ tionsangelegenheit zurück, bemerkte, daß die Lage der Provinz dadurch eine ungünstigere geworden sei, daß jetzt nicht mehr ein besonderes Dotationsgesetz für dieselbe erlassen werden solle, sondern deren Dotation mit der Dotation der übrigen noch nicht ausgestatteten Provinzen in Verbindung gebracht worden, wonach es, da es immerhin ungewiß sei, ob die Provinzial⸗Ordnung in der nächsten Diät des Landtags der Monorchie zur Erledigung kommen werde, als zweifelhaft angesehen werden müsse, ob die Provinz zum 1. Januar 1876 in den Befsitz der Dotation kommen werde. Andererseits sei die von der Königlichen Staatsregierung der Provinz als Ausgleich für alle von den Provinzialständen erhobenen Forderungen in Aus⸗ sicht gestellte Summe von 1,200,000 Mark eine sehr geringe und werde dadurch der von dem Abgeordnetenhause befürwortete Ausgleich schwerlich erreicht werden können. Die Proposition fand von keiner Seite Widerspruch, ward vielmehr nach einer kurzen Diskussion über das geschäftliche Verfahren von der Ver⸗ sammlung einstimmig genehmigt. Es ward beschlossen, daß der zu erwählende Ausschuß aus 9 Mitgliedern bestehen solle und die Wahl sofort vorgenommen.

Schließlich motivirte der Abg. Grimm⸗Sonderburg seine Proposition, welche die Einreichung eines Antrags auf Bewilli⸗ gung einer außerordentlichen Dotation aus Staatsmitteln zur Vergütung der Kriegsschäden von 1864, insbesondere der Stadt Sonderburg, bezweckt. Es ward derselben von verschiedenen Seiten theils mit dem Bemerken entgegengetreten, daß die Kriegsschadensersatzfrage als erledigt angesehen werden müsse, theils hervorgehoben, wie es nicht angemessen erscheine, diesen Gegenstand für sich zu behandeln, und darauf die Proposition mit großer Majorität verworfen.

Der Landtags⸗Marschall schloß die Sitzung um 11 Uhr.

Bahern. Die am 13. d. M. in Nürnberg abgehaltene Konferenz von Vertretern bayerischer Städte fand, da eine Anzahl der geladenen Magistrate ablehnende Antworten ertheilten, nur eine schwache Betheiligung. Man einigte sich da⸗ hin, bei der Staatsregierung das Gesuch zu stellen, die Auf⸗ schlagsfälle in der bisherigen Höhe erheben zu dürfen.

Württemberg. Stuttgart, 10. Dezember. Der evangelische Synodus hat sich heute vertagt und wird seine Sitzungen behufs Berathung der Vorlagen für die Landes⸗ synode am 12. Januar wieder aufnehmen.

Mecklenburg. Schwerin, 15. Dezember. Zum gestri⸗ gen Leichenbegängniß des am 10. d. M. im 65. Lebensjahre verstorbenen Chefs des Kammer⸗ und Forstkollegiums, Kammer⸗ Direktors Böeler waren viele Domanial⸗Beamte von auswärts, welche dem Verstorbenen dienstlich nahe gestanden, hier einge⸗ troffen. In dem großen Leichengefolge bemerkte man eine An⸗ zahl höherer Forstbeamte, Schulzen und Erbpächter des Amtes Schwerin. Die Mitglieder der Ministerien, des Kammer⸗ und Forst⸗Collegii, die Subalternbeamten desselben und zahlreiche Freunde des Verstorbenen befanden sich im Leichenzuge. Der in der Sterbewohnung durch den Ober⸗Hofprediger Jahn gehaltenen Gedächtnißrede wohnte der Großherzog bei, welcher auch später dem Sarge folgte. .

Oldenburg. Aus dem Fürstenthum Lübeck, 13. Dezember. Das in Eutin zu errichtende Kriegerdenkmal, von welchem der Sockel nunmehr fertig ist, wird im Laufe des Winters gänzlich hergestellt werden. Dem Vernehmen nach ist die Enthüllung und feierliche Einweihung für den 10. Mai, den Tag des Friedensschlusses, in Aussicht genommen.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 15. Dezember. Das Regierungs⸗Blatt veröffentlicht eine Verordnung vom 17. November 1874, die Erhebung der direkten Steuern, der Hundesteuern und der Brandversicherungsbeiträge betreffend.

Sachsen⸗Meiningen⸗Gildburghausen. Meinin⸗ gen, 13. Dezember. Der Landtag hat, dem „Fr. J.“ zufolge, die Besoldungserhöhungen der Forstbeamten um 12,270 Mark höher festgesetzt, als die Regierung proponirt; auch sind die Penstonen um ein Mehr von 14,300 Mark aufgebessert worden.

Anhalt. Dessau, 15. Dezember. Durch Bekanntmachung des Herzoglichen Staats⸗Ministeriums vom 11. d. M. werden unter Bezugnahme auf den Staatsvertrag vom 18. Sep- tember d. J. und das Gesetz vom 16. November d. J. die Be⸗ theiligten darauf aufmerksam gemacht, daß die Herzogliche General⸗Kommission hier mit dem 31. d. Mts. zu bestehen aufhört und vom 1. Januar 1875 ab an deren Stelle die Königliche General⸗Kommission in Merseburg tritt, an welche von da ab alle Anträge und Gesuche in Separations⸗ und Ab⸗ lösungssachen, insoweit sie nicht vor die Herzogliche Spezial⸗ Kommission in Bernburg, welche bestehen bleibt, gehören, zu richten sind.

Lübeck, 14 Dezember. (H. N.) In der heutigen Bür⸗ gerschaft wurde der Antrag, betreffend die Ermächti⸗ gung des Finanz⸗Departements, als Vertreter für die dem Staate gehörigen Aktien der Lübeck⸗Büchener Eisenbahngesell⸗ schaft für die Emission einer Prioritätsanleihe im Belaufe von 12 Millionen Rmk. zu stimmen, ohne jegliche Diskussion mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Majorität angenommen und ebenso das vom Bürgerausschusse angeregte Ersuchen an den Senat. die Beschlußfassung über den Bau einer Eisenbahn nach Travemünde zu beschleunigen.

Bremen, 13. Dezember. Die Bürgerschaft hat gestern nach längerer Verhandlung, an welcher Bürgermeister Grave und Senator Dr. Pfeiffer theilnahmen, den Deputationsantrag gutgeheißen, wonach an die Spitze des gesammten Bauwesens ein möglichst allseitig unterrichteter und befähigter Fachmann gestellt werden soll, dessen Aufgabe aber nicht sein würde, Bau⸗ ten zu projektiren und auszuführen, sondern nur die Thätigkeit aller anderen Techniker zu kontroliren.

Die Gewerbekammer hat an den Senat eine Ein⸗ abe gerichtet, um die Aufnahme des linken Weser⸗Ufers ober⸗ alb der Stadt in die Reichs⸗Zolllinie zu beschleunigen.

Hesterreich⸗ ungarn. Wien, 14. Dezember. Das Ab⸗ geordnetenhaus erledigte in seiner gestrigen 6 das

Budget des Ackerbau⸗Ministeriums nach den Ausschußanträgen.

seine Propofition:

brachten Anklagen wider seine Agenden und kündigte die baldige Vorlage eines Organisirungsstatuts für die Leobner Bergakademie an. Er erklärte ein plötzliches Abbrechen mit dem Systeme der landwirth⸗ schaftlichen Subventionen für unmöglich, verhieß jedoch eine Reform des Systems auf Grund der gemachten Erfahrungen. Derselbe legte ferner dar, daß das Ministerium alle thunlichen Maßnahmen ergriffen, um dem Ueberhandnehmen der Reblaus und dez Borkenkäfers zu steuern; er gab das über die Devastation der Wälder Vorgebrachte zu und fand deren Hauptgrund in un⸗ genügender Befolgung des Forstgesetzes vom Jahre 1852; er hoffe übrigens die allmähliche Hebung der eingerissenen Uebel⸗ stände durch konsequente Durchführung der aufgestellten Grund⸗ sätze. Im Budget des Justiz-Ministeriums wurden die ersten drei Titel erledigt.

In der heutigen Sitzung entstand eine längere De⸗ batte über das Kapitel „Subventionen“. Zschock beklagte die bei dem Bau der Rudolfsbahn erfolgte Devastirung der Waäl⸗— der. Steudl wünschte eine passive Eisenbahnpolitik, Klaik bean⸗ tragte 20000 Gulden als Subvention für die Societa maritima di Sabioncello, Lumbe sprach gegen den Mißbrauch der Frei⸗ karten. Nach dem Schlußworte des Abg. Herbst, welcher hervor⸗ hob, daß nur nützliche, ertragsfähige und billige Bahnen gebaut werden sollen, wurde das Kapitel „Subventionen“ nach den An⸗ trägen des Ausschusses angenommen, und der Antrag Klaie abgelehnt. Der Antrag Deschmanns auf Erhöhung der Sub⸗ vention für die Grundentlastung in Krain wurde ebenfalls ab⸗ gelehnt. Auf eine Anfrage Pleners erklärte der Finanz⸗Minister, daß er die Anstrebung der ehemöglichsten Herstellung der Valuta als zu den ersten Aufgaben gehörig halte. Kopp beantragte die Resolution, das Ministerium möge bei dem gemeinsamen Mi⸗ nisterium seinen Einfluß geltend machen, daß bei der Festsetzung der gemeinsamen Erfordernisse der Finanzlage Rechnung getra⸗ gen werde. Dieselbe wurde dem Budgetausschusse zugewiesen und sodann das Finanzgesetz in zweiter und dritter Lesung an⸗ genommen.

Pest, 14. Dezember. Das Oberhaus erledigte in heu⸗ tiger Sitzung sämmtliche rückständigen Gesetzvorlagen. Zur In⸗ kompatibilitäts vorlage beantragte der Kommissionsbericht die Aufrechthaltung des Oberhaustertes bezüglich der Funktionäre der Aktiengesellschaften und der geistlichen Lehrorden. Nachdem Vay und Majthönyi die Nothwendigkeit des Zustandekommeng des Gesetzes betont hatten, um der Verdächtigung entgegen⸗ zutreten, daß das Oherhaus die Frage verschleppen wolle, wurde der Unterhaustext mit 27 gegen 22 Stimmen angenommen.

Zur Indemnitätsvorlage gab der Minister⸗Präsident die gleiche Erklärung wie im Unterhause ab, daß dieselbe innerhalb des 1875er Budgets benutzt werden soll. Keglevich und Czi⸗ raky erklärten die Vorlage unter dem Ausdrucke des unbeding⸗ testen Vertrauens zum Finanz⸗Minister, der den Kredit Ungarns gehoben und das Selbstvertrauen wieder geweckt habe, zu vo⸗ tiren. Hierauf wurden die Indemnitätsvorlage, sowie die übri⸗ gen Vorlagen über Verlängerung der Steuergesetze, Rekruten⸗ Kontingent, gemeinsamen Mehrausgaben und Auflassung der städtischen Obergespäne angenommen.

Frankreich. Paris, 14. Dezember. Das Journal officiel! vom 11. veröffentlicht folgenden Bericht des Kriegs⸗ Ministers an den Präsidenten der Republik:

Versgilles, 2. Dezember, Herr Präsident! Ich habe die Ehre, Ihrer Zustimmung ein Dekret, die Organisirung der Infanterie⸗ Offiziersschulen betreffend, zu unterbreiten. Der Zweck dieser Schulen soll sein, Unteroffiziere, die zum Grade der Lieutenants vorgeschlagen werden, militärisch auszubilden. Kein Unter- offizier wird in Zukunft die Epaulette erlangen, der nicht die Instruktionsschule besucht hat und durch ein Certifikat seine Befähigung konstatirt. Ausnahmen von dieser Regel können nur dann gemacht werden, wenn besonders hervorragende Hand⸗ lungen oder außergewöhnliche Dienste, die durch besondere Rapporte gerechtfertigt sind, vorliegen. Diese Schulen werden alle Unter⸗ offiziere, die bei den General⸗Inspektionen der Corps für den Lieu⸗ tenantgrad vorgeschlagen werden, aufnehmen. Nach Beendigung des Kursus, dessen Dauer ein Jahr beträgt (vom 1. Januar bis zum 31. Dezember) werden Examina stattfinden, in Folge deren die Zöglinge nach Verdienst klassifizirt werden. Ein Abgangszeugniß, in welchem ihre Befähigung konstatirt ist, wird ihnen ausgestellt werden. Die Vorschläge zum Apancement dieser Unteroffiziere werden alsdann einer eff nge e el fin der Infanterie unterbreitet, die sowohl der Abgangsnummer als den früheren Ansprüchen auf Beförderung und den für die Zukunft in Aussicht stehenden Dienst⸗ befähigungen der Kandidaten Rechnung trägt. In Folge dessen wird die Kommission die Klasseneintheilung der zu befördernden Unter öoffiziere bewerkstelligen und ein definitives Avancementsverzeichniß ausarbeiten, nach welchem dieselben in die im Laufe des Jahres vakant gewordenen Stellen eintreten können. Um den Eifer der Unter⸗ offizierzöglinge anzuspornen, schlage ich vor, daß eine Anzahl Derer, die beim Abgangsexamen die erste Nummer erlangten, sogleich zum Unter⸗ lieutenant avanciren, vorausgesetzt, daß sie sonst allen Be⸗ dingungen des Gesetzes entsprechen. Ihre Zahl kann jedoch nicht mehr als zehn sein. Die anderen Unteroffiziere gehen wieder zu ihren resp. Regimentern zurück, wo sie ihrem Dienst wie vorher obliegen. Vorübergehende Bestimmungen schien mir pro 1875 noch zweckmäßig. Jedoch vom 1. Januar 1876 an können die Bestimmungen des gegen

Avor errichtete Offizier schule wird am kommenden 1. Januar eröffnet und wird als Muster zu einer zweiten dienen, die errichtet werden wird, sobald der Ort dazu bestimmt und die Fragen ihrer Exrichtung erörtert sein werden. Wenn Sie die Vorschläge, die ich die Ehre habe Ihnen zu unterbreiten, für gut befinden, so bitte ich Sie, bei⸗ liegendes Dekret zu unterzeichnen, in welchem alle Anordnungen, das Personal, die Disziplin und die Administration der Schule betreffend, getroffen sind. Genehmigen Sie 2c. Gen. G. v. Cissey.“ Hierauf folgt im „Journal officiel das betreffende, vom Marschall Mac Mahon unterzeichnete Dekret, welches aus 48 Artikeln besteht, von denen folgende Punkte hervorzuheben sind: Art. 4. Der mittlere Effeküivbestand der Unteroffizierschule darf nicht 450 Zöglinge überschreiten. Art. 5. Der Unterricht soll ausschließlich militärisch sein. ; Art. 6. Auf Verlangen des Marine⸗Ministers können auch die Unteroffiziere der Marine⸗Infanterie die Schule besuchen, in diesem Falle werden je nach Beduͤrfniß reservirte Plätze errichtet. Art. 13. Die an der Schule angestellten Offiziere behalten ihren Posten in ihren resp. Cadres bei und zählen dort mit. Eine Ausnahme kann jedoch mit dem obersten Kommandanten der Schule getroffen werden. rt. 15. Das Lehrerpersonal besteht (außer den vorgesetzten Bataillong⸗, Abtheilungs⸗ und Compagniechefs, die die praktische und theoretische Militär⸗Instruktion ertheilen) aus vier unterrichtenden Hauptleuten oder Lieutenants, die folgende Fächer lehren: 1) Festungs lehre und Topographie, 2) einfache und artilleristische Mathematik, 3) Geographie und moderne Geschichte, Militärverwaltung und Gesetzgebung. 15. Dezember. (W. T. B.) Das Erwiderungs⸗ schreiben des Herzogs v. Deeazes auf die Beschwerde⸗ note der spanischen Kegierung vom 4. Oktober d. J. ist heute dem spanischen Gesandten, Marquis de la Vega n Armino,

Der Ackerbau⸗Minister wendete sich eingehend gegen die vorge⸗

übermittelt worden. Die einzelnen von der spanischen Regie⸗

wärtigen Gefetzvorschlags in Wirkung treten. Die im Lager von

rung hervorgehobenen Beschwerdepunkte werden darin einer ein⸗ gehenden Prüfung unterzogen und mit Mäßigung, aber mit

Festigkeit erörtert. Der Minister weist zunächst die aus dem

Verhalten der französischen Behörden bei dem Uebertritt des Don Carlos nach Spanien hergeleiteten Anklagen zurück und nimmt zu diesem Zwecke Bezug auf die damals von der s panis chen Regierung in den Cortes abgegebenen Erklärungen und auf die mit dem derzeitigen spanischen Gesandten in Paris, Olozaga, bei dieser Veranlas⸗ fung gepflogene Korrespondenz. Der Herzog Decazes bean⸗ sprucht ferner für die französische Regierung das unbeschrãnkte Recht, ihre Beamten und Angestellten nach ihrem alleinigen Ermessen zu ernennen und zu versetzen, da sie die Verantwort⸗ sichkeit für die Amtshandlungen derselben trage und auf sich nehmen werde. Das Schreiben berührt sodann die in der spa⸗ nischen Note erwähnte Behauptung, daß die von der fran⸗ zösischen Regierung Spanien gegenüber beobachtete Politik mit den Gesinnungen der französischen Nation nicht im Einklang stehe und erwidert darauf, daß, ebenso wie die französische Nation die freundschaftlichsten Gefühle für Spanien hege und mit demselben in Frieden leben wolle, auch die französische Regierung das Wohl Spaniens in jeder hinsicht zu fördern wünsche. Dieselbe bedauere, daß die in ihrer Haltung eingetretene Veränderung und die Lohalität ihres Vorgehens dort noch nicht hinlänglich gewürdigt werde, sie sei aber der festen Zuversicht, daß ihr Verhalten künftig mehr An⸗ erkennung finden werde. Dem Schreiben des Herzogs von Decazes ist eine Reihe von Anlagen beigefügt, in denen die in den Anlagen zu der spanischen Rote angeführten Vorkommnisse im Einzelnen widerlegt werden.

Der russische Botschafter, Fürst Orloff, hat heute dem Marschall Mare Mahon den ihm vom Kaiser von Rußland verliehenen St. Andreas⸗Orden überreicht. .

Die mehrfach verbreitete Mittheilung, daß der Kriegs⸗ Minister, General de Eissey, in der letzten Sitzung der Armee Kommission bei der Berathung des Gesetzentwurfs über die Organisirung der Cadres der Armee auf die Eventualität eines nahen Krieges hingewiesen habe, wird von der „Agence Havas“ als unrichtig bezeichnet. Der Minister habe sich ein⸗ zig darauf beschränkt, die Frage, wie viel Compagnien ein Bataillon zählen solle, aus rein technischen Gesichtspunkten zu erörtern und besonders hervorgehoben, daß die Durchführung der von der Kommission vorgeschlagenen Transformirung mehrere Jahre in Anspruch nehmen und dadurch den Organismus der Armee, der bereits durch die im Jahre 1871 eingeführten Modifika⸗ tionen gelitten habe, noch mehr erschüttern wurde. .

Versailles, 15. Dezember. (W. T. B) Die Natio⸗ nalversammlung erklärte heute die Wahl der Deputirten Maille, Chiris, Medeci, Leprovost und Madier für giltig und nahm darauf in zweiter Berathung den Antrag der Armee⸗Kom⸗ misston, betreffend die Organisirung der Ober⸗Kommandos von Paris und Lyon an. Vom Kriegs⸗-Minister de Cissey wurde die Beibehaltung des Postens eines General⸗Gouverneurs von Paris befürwortet.

Spanien. Madrid, 14. Dezember. (W. T. B.) Der General Jovellar, Oberbefehlshaber der Centrumsarmee, hat am 10. d. die Stadt Villaroz (Provinz Castellon de la Plaua), welche von den Karlisten befetzt war, eingenommen und bei dieser Gelegenheit große Vorräthe von Lebensmitteln und Kriegs⸗ material erbeutet.

Italien. Rom, 10. Dezember. Gt. N.) Bei dem Bankett, welches die Wähler von Spezig ihrem Albgeordneten, dem Marine⸗Minister San Bon gaben, hielt dieser eine Rede, worin er ihnen zuerst für die Ehre dankte, den bedeutend⸗ sten italienischen Kriegshafen im Parlamente vertreten zu dürfen.

Er erkenne darin einen Beweis, fuhr er fort, daß seine Wähler seine Meinung über die italienische Kriegsmarine theillen, obgleich sie von anderer Seite lebhaft angegriffen werde. Er habe die schwierige und dornenvolle Aufgabe, das Marine⸗Ministerium zu seiten, nur übernomraen, weil er von der Hoffnung beseelt sei, es in Ffortschrittlichen Sinne verwalten zu können. Er wisse, daß das italienische Budget überhaupt knapp sei, das der Marine aber das allerärmste, beinahe nur halb so groß als das der andern Seemächte im Verhältniß zum Generalhudget. Diesen Mangel an hinlänglichen Mitteln zur Unterhaltung der Kriegs⸗ marine sei Schuld daran, daß man nicht dasjenige Vertrauen auf sie setzt, welches ste verdient. Er gedachte Ler Ausdehnung unserer Küste, der Vertheidigungslosigkeit unserer, Inseln, der Leichtigkeit, womit feindliche Landungen zu bewerkstelligen wären, und des unge— heuern Kapitals, welches Italien auf dem Meere schwimmen hat. Wenn sich die öffentliche Meinung für die Flotte gänstig ausspräche, fuhr er fort, dann würde Herr Minghetti ihr Gehör schenken, und dem Marine⸗Ministerium größere Summen zur Verfügung stellen. Vor der Hand gäbe es übrigens keine andern unumgänglichen Ausgaben. Ein einziges neues Schiff sei mehr werth, als viele alten zusammen genommen und in Italien verstehe man es eben so gut wie ander⸗ warts, gute Schiffe zu bauen und gut damit zu manövriren. Er habe das Marine ⸗Ministerium trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten übernommen, weil er volles Vertrauen in die Offiziere und Mann schaften setze! Er sei aber fest entschlossen, kein italienisches Kriegs⸗ schiff vom Stapel laufen zu lassen, welches den . der andern Mächte nicht wenigstens in Einer Beziehung überlegen sei Und sobald das vom Auslande anerkannt werde, so werde man dem Marine⸗ Ministerium auch im Inlande den ihm gebührenden Antheil am General⸗ budget nicht länger vorenthalten. Aus Rücksicht gegen die Kammer, die in den nächsten Tagen das entscheidende Wort zu sprechen haben werde, verzichte er, vor seinen Wählern ausführlich über den von ihm eingebrachten, den Verkauf von Kriegsschiffen betreffenden Gesetzentwurf zu sprechen. In der Annahme desselben werde er die Anerkennung seines Programms erblicken, und er gebe sich der Hoffnung hin, daß die Kammer sich bei ihrer Enischeidung von technischen und nicht von politischen Beweggründen wird leiten lassen. Trotz der ungünstigen Umstände werde seine Verwaltung des Marine ⸗Ministeriums gute Spuren zurücklassen, und die englische Regierung habe wei Mitglieder der Admiralität entsandt, um unsern Marine beiten ih e Aufmerksamkeit zu widmen. Er entwickelte darauf die eingeführten Neuerungen, die beim Bau der Korvette Cristof oro Colombo“ und den beiden Panzerfregatten auf den Werften von Spezia und Castellamare angebrachten Verbesserungen, und bemerkte, daß letztere mit Kanonen von Einhundert, Tonnen Gewicht ausge⸗ rästet werden. Er sprach hernach von Mitrailleusen, von den mit Schießbaumwolle geladenen Granaten, die in Spezia früher als in England probirt wurden, vom elektrischen 7 vom Petroleum als automatischer Bewegungskraft auf Dampfschiffen. Ferner gedachte er der Schraubensteuerruder und der gutomgtischen Steuerruder, der Luppis und Withead⸗Torpedos und ihrer Bedeutung im Seekrieg,

Schließlich lenkte der Redner die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer unserer HandelJflotte zu und beteuerte, daß er über den Neform⸗ versuchen, die er auf die Kriegsflotte richte, die Handelsmarine nicht 6 und führte zum Bewels dafür seine Vorschläge i Verbesse⸗ rung unserer Handelsmarinegesetzgebung an. Aber die Privatthätig⸗ keit habe vollkommen genügt, um mit unserer Handelsflotte den Wett⸗ streit mit allen seefahrenden Nationen aushalten zu können. Daher brauche sich die Regierung nur um die Verbesserung und Vermehrung der Kriegeflotte zu bekümmern. J . .

Der Redner schloß seinen Vortrag mit einem Glückwunsch für Spezia und erntete den reichsten Beifall für seine Worte.

Der Senat genehmigte gestern die Ernennung des

Komponisten Verdi zum Senator, beschloß, die Büste des ver⸗ storbenen Prästdenten Des Ambrois im Senate aufzustellen und ernannte einige Kommissionen für innere Angelegenheiten. Heute Vormittag fand das Leichen begängniß des Senats Präsidenten Des Ambrois statt. Obgleich das Wetter sehr schlecht war, war die Betheiligung der Ritter des Annunziaten⸗Ordens, der Senatoren, Deputirten, der Offiziere der Linie und Bürger⸗ wehr und des Publikums sehr stark. Auch der Prinz Humbert wohnte demselben bei.

Numänien. Bu kare st, 16. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Kammer stellte der Finanz-Minister den Antrag, Staatsgüter im Betrage von 10 Millionen Franes zu verkaufen. Der Antrag wurde der Budget⸗ Kommission überwiesen.

Dänemark. Kopenhagen, 12. Dezember. (5. N.) In der heutigen Folkethings sitzung wurde die erste Bera⸗ thung des Gesetzvorschlages über die Heeresordnung fortgesetzt. Der Kriegs⸗Minister vertheidigte den Standpunkt, von welchem er bei der Vorlage ausgegangen war. Ein fester Plan für die Vertheidigung und Befestigung sei unmöglich, da man nicht alle Eventualitäten voraussehen könne. Er hoffte, binnen kurzer Zeit Voꝛschläge über die dringendsten Befestigungsarbeiten vorlegen zu können. N. P. Jensen empfahl in einem ausführlichen und guten Vortrage, unter stetem Hinweis auf Erfahrungen aus den letzten europäischen Kriegen, die Nothwendigkeit einer fest organi⸗ sirten Armee im Gegensatz zu einem Miliz⸗ oder Volksheer. Der Abg. Kjär hielt die Idee Bozsens, eine Miliz herzustellen und gleichzeitig die Ausgaben für das Heer zu verringern, für unausführbar.

Amerika. Washington, 12. Dezember (per Kabeh. König Kalakuga von Hawaii kam heute in Begleitung der Kabinets⸗-Minister Fiss, Belknap und Robeson hier an. Der König begab sich in Prozession, die von einem Bataillon Marine⸗ soldaten und einer Militärkapelle eskortirt wurde, nach dem Ar⸗ lington Hotel. Er leidet an einer heftigen Erkältung. Die Stadt war zu Ehren des Königlichen Besuchs glänzend dekorirt.

Boston, 15. Dezember. (W. T B.) In dem das Cen⸗ trum des Handelsverkehrs bildenden Stadtheile hat eine bedeu⸗ tende Feuersbrunst stattgefunden. Der dadurch verursachte Schaden wird auf 1 Million Dollars geschätzt. .

16. Dezember. (W. T. B.) Nach über London ein⸗ gegangenen Meldungen aus Cuba haben die cubanischen In⸗ ',, in einer Stärke von 1000 Mann einen Angriff auf

oseorro gemacht, der aber zurückgewiesen wurde,. Nach Berichten aus Mexiko hat der mexikanische Kongreß die Auf⸗ hebung der religissen Orden beschlossen.

Afrika. Alexandrien, 13. Dezember. (Wien. Ztg.) Einer offiziellen Bekanntmachung der Regierung zufolge werden alle im nächsten März fälligen Zahlungen einschließlich der achtprozentigen Jahresinteressen schon jetzt eskomptirt.

Neichstags⸗ Angelegenheiten.

Berlin, 16. Dezember. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags gab der Bundesbevollmächtigte, Prä— sident des Reichskanzler⸗Amtes Staats-Minister Hr. Delbrück über den Antrag der Budgetkommission, die Matrikular⸗ beiträge um 25,575,253 Mark zu vermindern und den feh⸗ lenden Betrag aus den Ueberschüssen 1873 und 1874 zu decken, nach dem Abg. Dr. Lasker folgende Erklärung ab:

Meine Herren! In Beziehung auf den zur Diskussion stehen⸗ den Antrag Ihrer Budgetkommission haben sich die verbündeten Re— gierungen noch nicht schlüssig gemacht; das, was ich zu jagen habe, giebt lediglich die Auffassung des Reichskanzler⸗Amts. Dabei will ich zunächst und unter dein Vorbehalte auf Einzelnheiten zu— rückzukemmen, die Ansicht des Reichskanzler ⸗Amts dahin aus- sprechen, daß es mit der Tendenz des vorliegenden Antrages, dahin gefaßt, daß die Matrikularbeifräge auf der Höhe derjenigen des laufenden Jahres dauernd erhalten werden sollen, einverstanden ist. Ich sage, ich kann dies nur als die Tendenz des Antrages be⸗ trachten; denn wenn ich dem Antrage eine andere Tendenz beilegte, so würde ich ihn in der That nicht für einen glücklichen halten. Der Herr Vorredner hat darauf hingewiesen, daß es eine schlechte Fingnz= politik sei, eine Menge Geld im Kasten zu haben, von dem man nicht wisse, was man damit anfangen soll, und welches dahin dränge, verkehrte Dis⸗ kontomaßregeln zu treffen und ähnliches. Dabei besindet er sich nun, soweit es die Reichsbestände betrifft, in einem thatsächlichen Irrthum. Wir werden im nächsten Jahre sehr genau wissen, was wir mit den Beständen anzufangen haben, und wenn wir in letzten Jahren diese Bestände gehabt haben, so ist das auch dem Reiche, d. h. den Steuerzahlern wieder zugute gekommen. Wir haben, wie den Herren bekannt ist, in den letzten Etategesetzen jedesmal die Ermächtigung gehabt, zur. Durchführung der Münzreform in der Form von Schatzanweisungen eine Anleihe aufzunehmen, Die Verzinsung dieser eventuellen Anleihe figurirt in den einzelnen Reichs⸗ Haushaltsetats. Die vorhandenen Bestände haben uns in die Lage gesetzt, von der Ermächtigung, eine solche Anleihe aufzunehmen, bis⸗ her noch niemals Gebrauch zu machen, mit andern Worten, uns in den Stand gesetzt, die Zinsen, die in den Ausgaben im Reiche Haus haltsctat für diese Anleihe standen, zu ersparen, und diese Ersparniß ist zunachst den Steuerzahlern zugute gekommen. .

Ich bitte Sie also, bei Ihrem Beschlusse die Vorftellung gãnzlich zu verbannen, daß eg sich um Geld handle, das müßig im Kasten liegt und Niemandem zugute komme. Wenn ich nun hiervon aus gehe, so kann ich meinerseits nur volle Sympathie mit der Tendenz haben, die Matrikularbeiträge auf einer mäßigen und, festen Höhe zu halten. Es ist für die Finanzwirthschaft aller einzelnen Staaten von dem höchsten Interesse, mit einiger Sicherheit darauf zählen zu können, daß die Matrikularbeiträge, Schwankungen mäßigen Grades vorbehalten, konstant bleiben. Sie können darnach von vornherein in ihren Bud⸗ gets, namentlich in solchen Stagten, die nicht einjährige Finanzperioden haben, berechnen, was ste brauchen; denn für alle diese Stagten sind bie Matrikularbeiträge ein relativ nicht ganz unerheblicher Ausgahe— often. . . Ich halte es ferner für im Interesse des Reiches liegend, daß die Mattikularbeiträge auch an sich nicht hoch sind. Es ist für die Ge⸗ staltung der Beziehungen der Finanzverwaltungen der Einzelstagten zur Finanzverwaltung des Reiches in hohem Grade erwünscht, daß die direkten Zahlungen, welche die einzelnen Staaten an das Reich zu leisten haben, in mäßigen Beträgen bleiben, i mit anderen Worten der Reichshaushalt nicht in einein sehr erheblichen Maße den Landeshaushalt belastet. . .

Von diesem Gesichtspunkte aus kann ich meinerseits gegen den Antrag der Kommisston einen Widerspruch nicht erheben. Daraus folgt aber etwas anderegz. Wenn es nicht die Absicht sein sollte, auch in Zukunft an dem Prinzipe festzuhalten, welches bei dem heutigen Beschluß zur rage kommt, nämlich nicht daran festzuhalten, daß man bie Matrikularbeiträge, im Ganzen ge= sprochen, auf der Höhe der Matrikularbeiträge des Jahres 1874 hal⸗ len will, dann würde ich allerdings den Beschluß, der Ihnen vorge— schlagen ist, für einen unrichtigen halten. Ich würde ihn für einen unrichtigen halten deshalb, well ich allerdings der Meinung bin, daß nach aller Wahrscheinlichkeit wir für das Jahr 1876, wenn dem Reiche nicht neue Einnahmequellen zugeführt werden, einer

sehr viel stärkeren Erhöhung der Matrikularbeiträg? gegenüber- stehen würden, als wir sie heute in Aussicht genommen haben. Ich will mich gar nicht darauf einlassen, Zukunftsberechnungen zu machen, die sich auf Mehr- oder Minderbeträge der einzelnen Steuern beziehen, ich will selbst ganz außer Betracht lassen die ganz natürlich zu nehmende Vermehrung der Ausgaben, ich will einfach nur konsta⸗ tiren, daß, wenn man den von der Budgetkommission vorgeschlagenen Beschluß faßt, in dem Etat für 1575 eine Summe von 55 Millio- nen Mark erscheint, nämlich 37 Millionen Ueberschüsse des Jahres 1873 und 18 Millionen Ueberschüsse des Jahres 1874, welcher in dem Etat des Jahres 1876 nach der Berechnung des Herrn Referenten, die ich meinerseits aber damit noch nicht acceptire, nur die Summe von 25 Millionen Mark gegenüber stehen würde, als der von ihm berechnete Rest der Ueberschüsse von 1874. Dabei ist ferner die fest⸗ stehende Zahl der Verminderung der Einnahmen aus belegten Reichs= geldern in Rechnung zu ziehen, welche, mag man sie etwas höher oder niedriger rechnen, immer einige Millionen betragen. ̃ Ich wiederhole, ich will eine weitere Zuktunftsberechnung nicht machen, und der etwaige Mehrbetrag des Ansatzes für Zölle und Steuern in dem Etat für 1876 gegen die unvermeidlichen Mehrausgaben, welche dieser Etat enthalten, wird balanciren; die Zahlen, welche ich genannt habe, sind die einzigen sicheren Ziffern. In der Zu— stimmung der verbündeten Regierungen a dem von der Budgetkommission gestellten Antrage würde ich nur erken⸗ nen die bestimmt ausgesprochene Absicht, bei dem Niveau der Matrikularbeiträge fär 1874 auch in Zukunft zu verbleiben, und ich würde für den Bundesraih die Befugniß in Anspruch nehmen, auf dieser Grundlage den nächstkünftigen Erat aufzustellen und, wenn sich alsdann das erwartete Defizit ergiebt, eine Vermehrung der eige⸗ nen Einnahmen des Reichs in Anspruch zu nehmen, damit die Ma—

trikularbeiträge nicht erhöht zu werden brauchen

Ich will endlich noch auf einen mehr kalkalatorischen Punkt ein- gehen, der vom Herrn Vorredner schon erwähnt ist. Ihre Kommission schlägt Ihnen vor, das Kapitel 13 festzustellen mit 67,156,201 Mark. Diese Zahl würde etwas Anderes sein, als die Festhaltung der Ma⸗ trikularbeiträge ven 1874, obgleich es genau dem Betrage der Ma- trikularbeiträge von 1874 entspricht; denn die Matrikularbeiträge ver⸗ theilen sich bekanntlich nicht gleichmäßig auf sämmtliche Bundesstaaten. Sie enthalten für die süddeutschen Staaten, zum Theil füc Elsaß⸗ Lothringen ein Aequivalent der inneren Steuern, welche im Reichsetat erscheinen. Dle richtige Zahl, deren kalkulatorische Begründung hier, glaube ich, überflüssig und kaum verständlich sein würde ich stelle anheim, ob deshalb die Budgetkommisston noch zusammentreten will die richtige Zahl ist 68,965,549 Mark, d. h. wenn Sie die e Zahl einstellen, werden von der Gesammtheit derjenigen Staaten, welche zum vormaligen Norddentschen Bunde gehört haben, genau so viel an Matritularveiträgen zu zahlen sein, wie im laufenden Jahre. Von den füddeutschen Staaten und zum Tyeil von Elsaß Lothringen, was wieder eine besondere Stellung hat, würde etwas mehr zu zahlen sein, als 1874, aber nicht deshalb, weil die Matrikularbeiträge, die Leistun⸗ gen dieser Staaten an sich höhere sind, sondern weil in den Matri⸗ fularbeiträgen dieser Staaten das Aequivalent stecken muß für die höheren Ansätze der inneren Steuern bei den Staaten des vormaligen Norddeutschen Bundes.

Nach dem Abg. Grumbrecht nahm der Bundes kommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Michaelis das Wort:

Der Hr. Abgeordnete für Rudolstadt hat seine Ausführungen zu nächst gegen die von dieser Stelle aus angegebene Ziffer gerichtet, welche in dem Etat als Summe der Matrikularbeiträge einzustellen ist, um dieselben denen pro 1874 gleich zu stellen, und, hat gemeint, ebenso gut wie man den suͤddeutschen Staaten an Matrikularbeiträgen ein Mehr einstelle für die Mehreinnahmen Norddeutschlands aus der Bier⸗ und Branntweinsteuer, ebenso gut müsse man ihnen ein Minder einstellen für die Mindereinnahmen aus der Telegraphenverwaltung. Ich glaube, der ausgezeichnete Kenner der Reichsfinanzen, der eben gesprochen hat, hat in dieser Beziehung doch nicht ganz den Gegenstand erschöpft, über den er sprach. Es handelt sich nicht um eine willkürliche Mehr- oder Minderberechnung für die süddeuischen Staaten, sondern es handelt sich um die An⸗ wendung der verfassungsmäßigen Bestimmung, wonach die Staaten Bayern, Württemberg und Baden an der Branntweinsteuer, Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß Lothringen an der Biersteuer und Bayern und Württemberg an der Post- und Telegraphenverwaltung nicht betheiligt sind, also weder einen Antheil an diesen Einnahmen haben, ebensowenig aber an dem Defizit zu betheiligen sind, welches sich nach dem vorliegenden Etat bei, der Tele graphen ve gwaltung herausstellt. Bei der Berechnung der Ziffer von 58,969,549 Mark siad nicht nur die Mehransaͤtze für die nicht der Gesammtheit gemein. schaftlichen Steuern, sondern es ist auch berücksichtigt das Defizit der Telegraphenverwaltung. Es ist einfach diese Ziffer dadurch ge⸗ funden, daß man berechnet hat, wie viel die Matrikularheiträge, welche von Seiten des vormaligen Norddeutschen Bundes für das Jahr 1874 etatsmäßig zu zablen sind, pro Kopf der Bevölkerung des Norddeutschen Bundes betragen, und es ist dann demnach dieser Kopf⸗ betrag der Matrikularbeiträge für die Bevölkerung des ganzen Reichs berech⸗ net. Das Gleiche ist mit den Matrikularbeiträgen des Etats entwurfs für 1875 geschehen, und die Differenz zwischen diesen beiden Zahlen als das reelle Mehr der Malrikularbeiträge für 1875 angenommen. Ver Betrag, um welchen dieses Mehr zurücksteht gegen das Mehr der im Ftat für 1375 nach der Matrikularberechnung aufgestellten Matrikular= peiträge, ist hiernach als derjenige Betrag nachgewiesen, welcher in Folge der nicht vollständigen Gemeinschaftlichkeit der. Steuer und der Posteinrichtungen an Matrikularbeiträgen für Süddeutschland mehr hat eingesetzt werden müssen. Man muß nämlich bei der Be— urtheilung der Belastung der Bevölkerung des Reiches durch die Matrikularbeiträge davon ausgehen, daß die auf den vormaligen Rorddeutschen Bund entfallenden Matrikularbeiträge, das regel= mäßige Maß der Belastung bilden, weil die Verhältn isse, vermöge deren gewisse süddeutsche Stagten an gewissen Ausgaben und Ein⸗ uahmen nicht Theil nehmen, Ausnahmen wilden. Wollen Sie also die Matrikularbeiträge zweier Jahre gleich stellen, so müssen Sie da⸗ für sorgen, daß die Matrmkularheiträge der Staaten des Norddeutschen Bundes einander gleich stehen, dann stehen auch die Matritul ar · beiträge der füddeutschen Staaten einander gleich, weil sie dafür, daß sie mehr Matrikularbeiträge zahlen, auch mehr Erträge aus den ihnen allein zustehenden Steuerquellen schöpfen. Ich kann Ihnen daher nur guheimgeben, wenn Sie Ihren Zweck errei⸗ chen wollen, die Matrikalarbeiträge in gleicher Höhe n für 1575, wie sie für 1874 materiell festgestellt sind, die Ziffer anzuneh⸗ men, welche der Herr Abgeordnete für Harburg beantragt.

Ferner hat der Herr Abgeordnete für Rudolstabt sich auf das von ihm selbst als mißlich bezeichnete Gebiet der Prophezeiungen be⸗ geben und ich werde mich hüten, ihm Rara zu folgen. Ich beschränke mich darauf, den verehrten Herrn Abgeordneten darauf aufmerksam zu machen, daß man bei finanziellen Zukunftaberech⸗ nungen stets von den Thatsachen der Gegenwart und den Erfahrungen der Vergangenheit ausgehen muß. Er hat uns verwiesen auf die natürlichen Mehrertraͤge der Steuern. Es ist ja möglich, daß die Steuereinnahmen wieder wachsen. Ich gebe das zu; aber es ist auch möglich, daß wir die entgegengesetzte Erfahrung machen. Wir haben im Jahre 1373 eine sehr tiefgreifende Handelskrisis gehabt, nachdem eine übermäßige Ausdehnung der Konsumtion vorausgegangen war. Daß dieser übermäßigen Ausdehnung eine Erschlaffung Folgen muß, ist den Naturgesetzen entsprechend, und, die Erfah= rungen, die ung über die Vergangenheit vorliegen, sprechen dafür. Das Jahr 1857 war ebenfalls. das Jahr einer tiefgreifenden Handelskrisis. In jenem Jahr betrugen die Einnahmen an Eingangszöllen 26 Millionen Thaler, in dem Jahre nach der Handelskrisis 1858, wo die aufgespeicherten Vorräthe in den Verkehr abgelassen werden mußten, erhöhten sie sich auf 28 Millionen Thaler, dann aber kamen in den folgenden Jahren ganz außerordentlich nie⸗ dere Erträge: im Jahre 1859 23,106 000 Thir, 1860 23, 485,000

Thlr, 1861 2474616 Thir. u. s. f, und eine gleiche Höhe, Wie sie 1857 und 1855 stattfand, ist erst sehr spät wieder erreicht. Ob wir