das Kullmann — wie einen Talisman — Brieftasche mit sich führte. Der Reichs⸗ dieferhalb den Mörder, wer dasselbe geschrieben habe. Kullmann erwiederte, er selbst. Dies bezeichnete der Reichskanzler als wenig wahrscheinlich, da die Handschrift von einem des Schreibens Kundigeren herrühre, während der auf der Karte, die bei Kullmann gefunden, zwei Mal vermerkte Name Diruf', den Kullmann gleichfalls geschrieben . wollte, eine des Schreibens wenig fähige und arin ungeübte Hand verrathe. Der Fürst fragte, ob Kullmann bereit wäre, das Gedicht alsbald nochmals abzuschreiben. Hier⸗ auf und auf die wiederholte Frage des Reichskanzlers, wer ihn damit ausgerüstet habe, schwieg Kullmann.
Von diesem Gespräch hat der Landrichter Debon in seiner Aussage vor dem Würzburger Gericht auch keine Erwähnung gethan. Auch scheint es, daß jenes Gedicht an den Papst, auf das der Verbrecher solchen Werth zu legen schien, und die interessante Frage über den Abschreiber desselben, im weiteren Ver⸗ laufe der Unterfuchung ganz aus den Akten verschwunden sind. —
Nicht allein in der erwähnten Unterredung des Reichskanzlers mit dem Verbrecher, sondern zu wiederholten Malen hat Kull⸗ mann auf die Centrumsfraktion des Reichstags als auf seine Partei Bezug genommen.
Wenige Tage nach dem Attentate sagte Kullmann in einem Verhör, dem der Bezirksgerichts⸗Kath Strößenreuther ihn unter⸗ zog, Folgendes, das der Letzte wörtlich also mittheilt:
„Ich dachte mir, wenn ich den Bismarck umbringe, wäre dann doch der tollste Feind unserer Kirche aus dem Wege ge⸗ räumt. Dann hatte ich auch einen Haß auf den Fürsten, weil er un sere Partei im Reichs tage als reichsfeindlich bezeichnet hat. Ich habe nicht daran gedacht, daß ich mir durch die That einen besonderen Ruhm erwerbe. Daß meine That un⸗ serer Partei von Nutzen wäre, das dachte ich mir so un⸗ gefähr, und ich wollte für das Interesse der Partei mich selbst opfern.
Auch Herr Strößenreuther ist vor dem Würzburger Gericht als Zeuge vernommen worden, ohne daß er über obige Worte Kullmanns Zeugniß abzulegen gehabt hätte, woraus die ultramontane Presse ihre Schluͤsse ziehen mag. Hierüber i sich indessen der Bezirksgerichts⸗Rath Strößenreuther wie folgt:
Da ich als zuletzt vernommener Zeuge die Ergebnisse der Schwurgerichtsverhandlung nicht mit anhörte, und daher nicht wußte, was bereits gt war, und da ich nur über die Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten be⸗ fragt wurde, so war ich nicht veranlaßt, jene Angaben Kull⸗ manns in der öͤffentlichen Sitzung zu wiederholen.“ —
Aus dem stenographischen Bericht der Würzburger Gerichts⸗ verhandlung ergiebt sich aber, daß Kullmann auch öffentlich sich mit derselben Unumwundenheit als Angehörigen der Cen⸗ trumspartei bekannt hat, wie in jenem Gespräch mit dem Reichskanzler und in der eben erwähnten, von dem Bezirks⸗ gerichts Rath Strößenreuther bezeugten Llussage.
In dem Verhör vor den Geschworenen, Würzburg, den den 29. Oktober d. J., richtete der Präsident an den Ange⸗ klagten die Frage, ob er sagen könne, welche Zeitungen in dem katholischen Männerverein zu Salzwedel aufgelegen haben. Kullmann nennt „die Germania“ und die Gichs— felder Volksblätter.“ Befragt, ob er wisse, welche Rich⸗ tung diese Blätter haben, antwortet der Angeklagte: „Za, eine ultramontane.“ Auf die Frage des Praäͤsidenten, ob er aus, Germania und den, Volksblättern! Manches entnommen, das ihm auffällig gewesen, erwiedert er: „Ja, die Kirchengesetze. Und als weiterhin die Frage gestellt wird, ob er sich einer Partei zuge⸗ zählt habe, sagt Kullmann: „Za, ich rechnete mich wenig⸗ stens zu den Ultramontanen.“
Im Verlauf des Verhörs, nachdem der Angeklagte als Beweggrund seiner That angegeben: „weil ich den Bismarck als den Urheber des Streits ansehe, der jetzt in Deutschland ist“, äußerte der Präsident: „Es scheint, daß Sie lediglich der Partei wegen, die Sie ergriffen haben, sich zu dieser Handlung haben hin⸗ reißen lassen?!“ Kullmann bejahte dies. Der Präsident fuhr fort: ‚Also weil Sie in dem Fürsten Bismarck einen Parteigeg ner erblickten, deswegen wollten Sie ihn erschießen? Kullmann erwiederte: „Ja, weil ich in demselben einen der stärksten Partei⸗ gegner erblickte. Und als nun der Präsfident als einen der Politischen Gründe, weshalb der Angeklagte den Reichskanzler hasse angab: „und zwar deswegen, weil der Fürst Ihre Partei im Reichstage als reichsfeindlich bezeichnet hat,“ bestätigte dies Kullmann: „Ja, deswegen auch.“ —
Das Bekenntniß des Angeklagten zur „Partei“ fehlt ebensowenig in den zeugeneidlichen Aussagen. So bemerkt der 28. Zeuge, Kreis⸗Medizimal⸗Rath Dr. Friedrich Vogt, Kullmann habe ihm gesagt: Die liberalen Blätter haben mich dazu ge⸗ bracht; die haben so auf unsre Partei geschimpft; das hat mich so empört.“ Kullmann hat offenbar vor vielen andern Mitgliedern seiner Partei den Vorzug strenger Wahrheitsliebe. Auch der Zeuge und Richter Herr Strößenreuther bestätigt in den Schwurgerichtsverhandlungen, daß Kullmann nie mit Lügen verkehrt habe. —
Die ultramontane Presse, welche die in der Reichstags⸗ sitzung vom 4. d. Mis. gemachte Mittheilung, daß Kullmann in der vor Zeugen geführten Unterredung mit dem Reichskanzler, die Centrum spartei als „seine Partei“ bezeichnet hat, bei ihren Lesern verdächtigt, ist nunmehr in der Lage und wird nicht umhin können, die Thatsachen in ihren Spalten be⸗ richtigend wiederzugeben.
Sollten die Provokationen der ultramontanen Blätter und Parteiführer ihren Fortgang haben, so fehlt es nicht an Stoff zu weiteren Aufklärungen auch über den Zusammenhang der That Kullmanns mit den Instigationen seiner weniger wahr⸗ heitsliebenden, weniger thatbereiten oder höher gebildeten Partei⸗ genossen.
Bei den Prozeßakten befindet sich das mit eigener Hand ge⸗ schriebene Konzept zu einer Eröffnungsrede des Pfarrer Stör⸗ mann für das Stiftungsfest des katholischen Männervereins in Salzwedel, dem der Verbrecher seine Ausbildung zu verdanken hat; dies Konzept giebt Manches zu denken. Mehr noch der in dem Vortrag des Staats⸗ anwalts vor dem Würzburger Schwurgericht bezeugte Umstand, daß die Statuten und sonstigen Schriftstücke jenes Salzwedler katholischen Männervereins einige Zeit vor dem Kissinger Attentat verbrannt worden sind, ungefähr um die Zeit, — e,, seine Reise behufs Ermordung des Kanzlers an
stũck war, in seiner kanzler fragte
Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Deu t⸗
schen Reichstag es, welcher noch der Reichskanzler Fü von Bismarck beiwohnte, 3 69 , m .
mit den, zu dem Bericht der Geschãftsordnungs⸗Kommission, betref fend den Antrag des Abg. Dr. Lasker über die Verhaftung des Abg. Majunke gestellten Anträgen. An der sehr lebhaften Debatte betheiligten fich die Abgg. Becker (Oldenburg), Windthorst, Dr. Banks, Sonnemann, Br. Lasker, Dr. Schwarze und Pr. Gneist und der Bevollmächtigte zum Bundesrath JZustiz⸗Minister Dr. Leon-⸗ hardt. Bei der Abstimmung wurde eine Resolution des Abg. Frhrn. von Hoverbec: ;
Der Reichztag wolle beschließen, zu erklären: Behufs Auf⸗ rechterhaltung der Würde des Reichztages ist es nothwendig, im Wege der Deklaration resp. Abänderung der Verfassung die Möglichkeit auszuschließen, daß ein Abgeordneter während der Dauer der Sitzungsperiode ohne Genehmigung des Reichttages ver haftet werde;“ ö
an . alle übrigen Anträge, und zwar der des Abg. Becker:
In Erwägung, daß das Bedürfniß die Frage der Zulässigkeit der Strafvollstreckung gegen ein Mitglied des Reichstages während der Sauer der Reichstagssession gesetzlich zu regeln, zweckmäßig bei der Berathung der Strafproze ßordnung seine Erwägung finden wird,
geht der Reichstag über die in dem Antrage des Abg. Lasker ge⸗
stellten Fragen zur Tagesordnung über; in namentlicher Abstimmung mit 158 gegen 151 Stimmen ab⸗ gelehnt. Schluß 5 Uhr.
— In der heutigen (33) Sitzung des Deutschen Reichstags, welcher der Reichskanzler Fürst v. Bismarck, der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Dr. Del brück und mehrere Bundes⸗Kommissarien heiwohnten, mußte zunächst auf Grund des 47 der Geschäftsordnung äber den gestern eingebrachten und angenommenen Antrag des Abg. Frhrn. v. Hoverbeck nochmals abgestimmt werden. Der
Abg. Dr. Lucius (Erfurt) beantragte eine namentliche Abstimmung.
Der Präsident v. Forckenbeck war jedoch zweifelhaft, ob der letztere Antrag, heute eingebracht, nach 5§. 54 der Geschäfts⸗ ordnung noch zuülässig sei, weil 8. 54 derelben bestimmt, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung beim Schluß der Berathung vor der Aufforderung zur Abstimmung einzubringen ist. Der Prästdent stellte deshalb die Frage nach der Zulässigkeit zur Entscheidung des Hauses. Dieses verneinte die Frage und genehmigte hierauf den Antrag des Abg. Frhrn. v. Hoverbeck. Sodann wurde in die erste Bera⸗ thung eines von den Abgg. Winterer, Guerber und Genossen vorgelegten Gesetzentwurfes, betreffend die Aufhebung des Un⸗ terrichtsgesetzes für Elsaß⸗Lothringen vom 12. Februar 1873 und der darauf basirenden Verordnungen und Regulative ein⸗ getreten. Dem Abg. Winterer, welcher die Wirkungen des qu. Gesetzes als schädliche bezeichnete, antwortete bei Schluß des Berichts der Bundeskommissarius, Direktor im Reichskanzler⸗ Amt, Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Herzog.
— Unter den Begriff der Unterschlagung fällt nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 20. Novem⸗ ber er. im Sinne des Reichs⸗Strafgesetzbuchs (5. 246) auch die Aneignung einer fremden Sache, selbst wenn die⸗ selbe noch nicht in das Eigenthum, Besitz oder Ge⸗ wahrsam der dazu berechtigten Personen über⸗ gegangen. — Der Oekonom K. schuldete der unverehelichten St. hierselbst aus einem Vertrage 400 Thlr., welche er einem hie⸗ sigen Bekannten, Aug. B., zur Auszahlung an die St. ein⸗ sandte. B. lieferte jedoch diese Summe in vollem Betrage nicht aus, vielmehr leugnete er anfänglich den Empfang des Geldes und verweigerte sodann, als er von der St. der Unwahrheit überführt worden, die Auszahlung desselben. Durch Androhung von Hindernissen und Unannehmlichkeiten wußte er schließlich die St. dazu zu bestimmen, anstatt der 400 Thlr. nur 350 Thlr. von ihm anzunehmen und eine Erklärung zu unterschreiben, wonach sie aus dem Vertrage befriedigt sei, ohne jedoch geradezu auf die Differenz zu verzichten. Sowohl vom hiesigen Stadtgericht als auch vom Kammergericht wegen Unter⸗ schlagung der Restsumme verurtheilt, legte B. die Nichtigkeits⸗ beschwerde ein, in welcher er darauf hinwies, daß sich die St. weder im Besitz der fraglichen Summe befunden, noch überhaupt Eigenthümerin derselben gewesen und demnach von einer Unter⸗ schlagung nicht die Rede sein kann. Das Ober⸗-Tribunal wies jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde zurück, indem es ausführte: Der Akt der Zueignung setzt eine präcisirte Thätigkeit voraus, wo⸗ durch der im Besitz oder Gewahrsam der fremden Sache Befindliche solche entweder direkt in sein Eigenthum bringt oder zu erkennen giebt, daß er sie thatsächlich als Eigenthum betrachtet, indem er die dem Eigenthümer daran zustehenden Rechte ausübt. Wenn der Appellations⸗ richter die Handlung des Angeklagten als Hinnahme der vor⸗ enthaltenen 50 Thlr. bezeichnet, so hat durch diese Bezeichnung nur zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß Ange⸗ klagter, nachdem er in den Besitz einer schriftlichen Erklärung der St. gelangt war, nunmehr ohne Rückficht auf die civil recht. liche Bedeutung derselben die Absicht, den bloßen Gewahrsam an den zurückbehaltenen 50 Thlrn. auszuüben, aufgegeben und den Entschluß, solche von nun an als Eigenthümer zu besitzen, gefaßt und diesen Entschluß dadurch, daß er den Betrag auch fernerhin behalten, bethätigt habe. Der von dem Angeklagten er⸗ hobene Einwand, nach welchem das Erkenntniß der Widerrecht⸗ lichkeit in Bezug auf den Akt der Zueignung in sofern fehlt, als es sich dabei nur um die Rechte des Eigenthümers, Besitzers oder Inhabers handeln könne, übersieht dabei, daß §. 246 des Str. G. B. gegenüber dem 8. 225 des Pr. Str. G. B., welcher allerdings nur die Rechte der Eigenthümer, Besitzer oder Inhaber schützen wollte, eine Erweiterung des Unterschlagungsbegriffs u. A. auch darin erfahren hat, daß es nicht mehr auf die Person des Verletzten und die Natur seines Rechts, sondern nur darauf ankommt, ob der Besitzer oder Inhaber ein Recht auf die Zu⸗ neigung hat, dieses aber vom Appellationsrichter ohne Rechts⸗ irrthum deshalb verneint worden ist, weil die St. die zum Empfang Berechtigte geblieben sei.“
— Von der topographischen Karte vom Preußi⸗ schen Staate in 1: 100000, Kupferstich mit illuminirten Kreisgrenzen und Gewässern, ist soeben die Sektion 2870. Alten kirchen erschienen und durch die Landkarten⸗Handlung von J. H. Neumann in Berlin zu beziehen. Die Sektion Alten kirchen gründet sich auf eine neue Aufnahme, bezw. topogra—- phische Rekognoszirung, welche in den Jahren 1867 bis 1874 Durch die ea r . Abtheilung des Generalstabes in den ,, . en Wiesbaden, Coblenz und Cöln ausgeführt
orden i
— Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte, Herzoglich sachsen⸗ altenburgische Regierungs⸗Rath Schippe! 5 h 3. .
— Der General⸗Major und Commandeur der 2. Garde⸗ Infanterie⸗Brigade von Krosigk L ist zum Kommandanten von Frankfurt a. M., der General ⸗Major von Loos, bisher Kommandant von Frankfurt a. M., zum Commandeur der 28.
Infanterie⸗Brigade ernannt, der General Major von Pann witz, Commandeur der 28. Infanterie⸗Brigade, in Senehmi gu seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Digsposttion gefl. der General-⸗Major von Gaertner, bisher Chef des Silabe bei der General⸗Inspektion des Ingenieur⸗Corps und Festungen zum Inspecteur der 4. Ingenieur⸗Inspektion ernannt und der General⸗Major Stoltz, Inspecteur der 4. Ingenien, Inspektion in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit Penson zur Disposition gestellt worden.
Rends burg, 16. Dezember. Die heutige 7. Sitzung de Provinzial⸗Landtages wurde von dem Landtags Marschal um 1216 Uhr Nachmittags eröffnet.
Eingegangen waren gegen 100 Petitionen und Adresse, welche sich mit der von der Staatsregierung in Aussicht gestel. ten Ueberweisung von 14200000 Mark an die Provinz he. erf gen und die Ueberweisung dieser Summe abzulehnen
en.
Zur Schlußberathung stand der Antrag des Landes direltortz v. Ahlefeld wegen Einführung der Mobiliarversicherung bei der provinzialstãndischen Feuerversicherungs⸗Anstalt. Derselbe wurde mit den von der Kommisston dazu vorgeschlagenen Aenderungen nach kurzer Diskussion zwischem dem Berichterstatter Kruse und den Abgeordneten Mahlstedt und Petersen⸗Tondern mit großer Majorität angenommen.
Dem Heidekultur⸗Verein wurde in Anerkennung der Be⸗ deutsamkeit seiner Zwecke und seiner nützlichen Bestrebungen eine Beihülfe von 500 Thlrn. pro 1875 aus Provinzialmitteln bewilligt. Mehrere Redner sprachen sich für die Erhöhung der zu bewilligenden Summe auf 1000 Thlr. aus, wogegen anderer⸗ seits nur die Beschränktheit der provinziellen Mittel geltend ge= macht wurde.
Zu einer längeren Verhandlung führte die Berichterstattung des Petitionsausschusses über Petitionen der Repräsentanten der
Landschaft Osterland⸗Föhr und Anderer wegen Uebernahme der
im Jahre 1864 geleisteten Kriegsfuhren auf die Staatskasse oder Repartition der desfallsigen Vergütungssumme über beide Herzog thümer Schleswig und Holstein. Der Petitionsausschuß hath⸗ Uebergang zur Tagesordnung beantragt; einzelne Abgeordnete als Grimm⸗Sonderburg und Sammann Tönning glaubten, di Petitionen unterstützen zu müssen, und stellten entsprechende IAmendements. Bei der Abstimmung ward der von dem Petitlons⸗ Ausschuß beantragte Uebergang zur Tagesordnung angenommen. Es folgte die Fortsetzung der in einer früheren Sitzung abge brochenen Schlußberathung über den Antrag des proyinzal= stãndischen Ausschusses auf Uebernahme der durch die Körord⸗ nung entstehenden Kosten Seitens der Provinz. Es war der für die hiefige Provinz aufgestellte Entwurf einer Körordnung herbeigeschafft worden. Von zahlreichen Rednern, namentlih dem Grafen Holstein⸗Waterneverstorf, Jürgens⸗Ottensen, Harmsen⸗ Rantrum, Sammann⸗Tönning wurde die Frage erörtert, ob eine Körordnung überhaupt empfehlenswerth sei, ob die vorliegende angemessen erscheine und ob sonach Grund zur Uebernahme einer Garantie von Seiten der Provinz vorliege. Die Abstimmung ergab Annahme des Antrags des ständischen Ausschusses mi 395 gegen 16 Stimmen, also der erforderlichen */ z⸗Majorität. — Schließlich motivirte der Abg. Wiggers⸗Rendsburg seine schon erwähnte Proposition: zu beantragen, daß der dem Landtage der Monarchie bereits vorgelegte Gesetzentwurf, betr. die Erhaltung von Schutzwaldungen, sowie Bildung von Waldgenossenschaften, nicht auf die Provinz Schleswig⸗Holstein ausgedehnt, sondern für diese ein besonderes Gesetz erlassen werde.
Der Antragsteller motivirte seinen Antrag vornehmlich durhh die Wäldernoth der hiesigen Provinz, welche es dringend noth⸗ wendig mache, hier die bestehenden Beschränkungen in Ansehung des Niederschlagens von Waldungen und Holzungen, nicht auf⸗ zugeben. Der Antrag fand lebhaften Anklang, und äußerten fich mehrere Redner in demselben Sinn wie der Proponent, hoben auch hervor, daß es vornehmlich darauf ankomme, daß die hit⸗ sige Stimmung zur Kunde der Staatsregierung komme, dieses aber bei dem binnen Kurzem bevorstehenden Schluß der Diät nicht thunlich sein werde, wenn der Wiggerssche Antrag ers
einer Kommission zur Vorberathung überwiesen werde. Es ward daher von dem Landesdirektor v. Ahlefeld der Antrag auf Er⸗
ledigung der Proposition in einmaliger Berathung gestellt, dieser Antrag, und darauf die Propofition selbst, mit erheblicher Ma⸗ joritãät angenommen.
Die Sitzung ward von dem Landtags⸗Marschall um 41 Uhr
geschlossen.
Bayern. München, 13. Dezember. Prinz Otto wird, wie der „Corr. v. u. f. D.“ mittheilt, vor Weihnachten von seiner nach Italien unternommenen Reise wieder hierher zurückkehren. ;
— Die Staats ⸗Ministerien des Innern und der Finanzen
machen bekannt, daß dermalen an neugeprägten Reichssilber⸗
münzen weiter die Fünfmarkstücke in den Verkehr kommen. Unter Vorbehalt der Beschränkung in Artikel 9 des Reichmünz⸗ gesetzes können schon jetzt alle Zahlungen, welche gesetzlich in Münzen einer inländischen Währung oder in ausländischen,
den inländischen landesgefsetzlich gleichgestellten Münzen geleistet
werden, ganz oder theilweise in Fünfmarkstücken dergestalt gelei⸗ stet werden, daß die Umrechnung zu 2 Fl. 55 Kr. — 1 Thlr. 20 Sgr. erfolgt. Zu diesem Werthe werden die genannten Münzen von den Reichskassen und von den Königlich bayerischen Kassen in jedem Betrage in Zahlung genommen.
Oldenburg. Oldenburg, 15. Dezember. Am 13. De⸗ zember wurde der W. 3. zufolge hier das Zöjährige Jubilãum des Ministers von Berg in der Stille begangen. Am 13. Dezember 1849 trat der damalige Ministerial⸗Rath von Berg für das Departement des Innern in das nach dem Abgange des Mi⸗ nisters Schloifer neu gebildete Ministerium des damaligen L drosts, jezt Ober⸗Appellations-⸗Präfidenten von Buttel ein, wel ches Departement derselbe seitdem mit einer kurzen , r,, 25 Jahre lang unter zwei Fürsten verwaltet hat. Aus Anl
des Jubilãums verlieh der Großherzog ihm das Großkreuz mit der
goldenen Krone.
Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha. Gotha, 16. Dezember. Die Gesetzsammlung für das Herzogthum Gotha veröffentlicht eine Herzogliche Verordnung in Betreff der Einführung der Feichsmarkrechnung für den allgemeinen Verkehr in den Herzogthümern Coburg und Gotha (vom 1. Januar 1815 ab). Vom 26. November 1874.
Neuß. Gera, 15. Dezember. (. 3) Vorausst tlich wird die Thätigkeit des Landtags den nächsten Freitag Abschluß finden. Derselbe hat feit Anfang der a n Woche bis heute täglich Sitzungen gehalten. Gegenwärtig ist der Lan tag noch mik der Statberathung ,, die heute bei
Kap. 13 der Einnahme von den direkten Steuern eine Unter=
brechung fand. Es stellte sich heraus, daß die Feststellung der Steuertermine und die Bezifferung von deren Höhe früher nicht erfolgen kann, als bis man genau den Betrag des zu erwar⸗ tenden Defizits kennt. Die Finanzkommission wurde mit der Ermittelung desselben beauftragt und steht deren Bericht bis Morgen Nachmittag in Aussicht. — Ueber die eingetretene Mi⸗ nisterkrise ist zur Zeit etwas Bestimmtes noch nicht zu be⸗ richten.
Lippe. Detmold, 16. Dezember. Die Gesetzsammlung enthält: Verordnung, Erhöhung des Gehalts der Elementar⸗ lehrer betreffend, vom 9. Dezember 1874. Verordnung, den Zinngehalt der Flüssigkeitsmaße aus Zinn betreffend, vom J. De- zember 1874 Das Fürstlich Lippische Regierungs⸗ und Anzeige Blatt veröffentlicht ein Promemoria des Kabinets⸗Ministers von Flottwell, welches rücksichtlich des ersten Erlasses die Beschreitung des Weges der Verordnung vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags begründet.
Oesterreich ⸗ Ungarn. Wien, 16. Dezember. Der Kaiser war gestern von Gödölls nach Ofen gekommen und hatte dort bis zum Abend verweilt.
— Der Erzherzog Kronprinz Rudolf ist aus München zurückgekehrt und hat sich nach Gödölls begeben.
— In der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 14. d. M. gelangte der Rechnungsabschluß über den Staatshaus⸗ halt der im Reichsrathe vertreienen Königreiche und Länder für das Jahr 1873 zur Vertheilung. Veranschlagt waren für das Jahr 1873 an Ausgaben 399, 147,314 Gulden, verausgabt wur⸗ den nach dem Rechnungsabschluß 398,851,429 Fl., daher um 295, 884 Fl. weniger. Die Einnahmen waren präliminirt mit 393 6773657 Fl., eingegangen sind 398, 85 1429 Fl., daher um 5, 173, 732 Fl. mehr. Thatsachlich machen aber die Mehreingänge für das Zahr 18573 den Betrag von 15, 995, 324 Gulden aus, nachdem die Regierung von der ihr ertheilten Ermächtigung zur Verãußerung von Obligationen im Betrage von 39 Millionen und von 25,000 Aftien der Franz⸗Josefsbahn keinen Gebrauch gemacht hat und von den Kassaresten nur einen Theil in Anspruch nahm.
Agram, 15. Dezember. Der Kaiser sanktionirte den Ge= setzartikel über die Organisation der Staatsanwaltschaften. Die Ober⸗Staatsanwaltschaft übernimmt bereits am 25. d. M. die Vertretung des Landesärars in civilrechtlichen Angelegenheiten.
Schweiz. Bern, 14. Dezember. (W. 3.) Der Natio⸗ nalrath hat heute bei Fortberathung des Gesetzentwurfes, betreffend Festslellung und Beurkundung des Eivilstandes und der Ehe, dem Bunde prinzipiell die Kompetenz zugestan⸗ den, nicht blos die äußere Form, sondern auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung auf gesetzgeberischem Wege zu regeln Der von der Kommissionsmehrheit gestellte be⸗ zügliche Antrag wurde nach langer hartnäckiger Debatte unter Namensaufruf mit 79 gegen 37 Stimmen zum Beschluß erhoben. Die Kommissionsmehrheit wies nach, daß, wenn Art. 26 des neuen Gesetzes das Recht zur Ehe unter den Schutz des Bundes stellt, demselben auch die Macht in die Hände gegeben sein müsse, die Eheschließung gegen ein jedes Hinderniß, das ihr durch die kantonale Gesetzgebung in den Weg gelegt werden kann, zu schützen. Auch liege eine verschiedene Behandlung des Bürgers mit Bezug auf das Recht zur Ehe nicht in den Intentionen der neuen Bundesverfassung. Die Opposition dagegen wollte dem Bund nur ein Recht der Kontrole über die Ehegesetzgebung der Kantone zugestehen, aber kein bestimmt normirendes. Aus der in Art. 26 enthaltenen Bestimmung, daß die in einem Kantone nach dort geltendem Gefetz abgeschlofsene Ehe in der ganzen Eidgenossenschaft Gül⸗ tigkeit hat, ergebe sich auch das Recht der Kantone zu einer sol⸗ chen Gesetzgebung. Die von der ö gestellten Spezialanträge kommen morgen in Berathung. Nächsten Don⸗ nerstag ist Bundesversammlung, sowie Wahl des Bundes⸗ Präͤsidenten und Bundes⸗Vize⸗Präsidenten für 1875. — Seitens des Bundesrathes liegt den eidgenössischen Räthen der Antrag vor auf Erhöhung der Taggelder der Nationalrathsmitglieder und der Kommisstonen beider Räthe, sowie des schweizerischen Schulrathes von 14 Frs. auf 20 Frs.
— Dem „Journal de Geneve“ zufolge sind der Stadt Genf aus der Braunschweigischen Erbschaft 400,000 Fres. zugeflossen, deren Verwendung die folgende ist: Monument des Testators 1000 000 Fres., der Dienerschaft des Testators 280 000 Fres., Liquidirungskosten 426, 000 Fres. Erbschaftssteuer 2400 000 Fres,, Unabweisbare Lasten 4 196.000 Fres, Rück⸗ zahlung der städtischen Schulden 7000000 Fres., dauernd angelegt bei der Caisse Hypothécaire 1.000 000 Fres., dauernd angelegt bei der Banque de Genève 1000 0090 Fres, noch verfüg⸗ bar 5, 350 000 Fres., zusammen 18,455,000 Fres.; Theater 1200, 000 Fres, Stadthaus 240 000 Fres., Terrain für eine Schule in den Päquis S5, 090 Fres., Oeffentliche Promenaden ö Fres., Gemälde 25, 000 Fres., in Summa 20,400, 000
ranes.
Belgien. Br üssel, 13. Dezember. (. 3. Das belgische Kriegsbudget ist auf 39,713,100 Fres. festgestellt worden, für einen durchschnittlichen Stand von 46657 Mann und 10990 Pferden. Hierzu kommen noch 2,257, 05 Fres. für die Gen— darmerie. Alle Sektionen der Kammer haben diesem Voran⸗ schlag zugestimmt, und die Centralsektion empfiehlt denselben der Abgeordnetenkammer zur Annahme. Die dritte Sektion hatte beantragt, folgende Frage an den Kriegs⸗Minister zu richten: Welches find die Absichten der Regierung betreffs der jüngst in der Presse wegen des persönlichen und obligatorischen Dienstes aufgeworfenen Fragen?“ Die Tentralsektion hat nach Eröffnung der Protokolle der Sektionen dafür erachtet, daß eine solche An⸗ frage zu unterbleiben habe. Die Centralsektion sagt: „Nachdem die Regierung wiederholt die Absicht kundgegeben habe, die Ge⸗= setze vom 5. April 1868 und 16. August i573 loyal auszu⸗
ren, halte sie es nicht für nothwendig, sich wegen Aufrecht⸗ altung eines Systems Sorge zu machen, auf welcher sich die Gesetzgebung mit imponirender Mehrheit vereinigt hat.“
— In der letzten Zeit hat die belgische Presse Zahlenan⸗ gaben über die durch Vermittlung des Kriegs⸗Ministeriums erfolg⸗ ien Stellvertretungen gebracht. Die Centralsektion hat nun darüber vom Kriegs⸗Minister folgende amtliche Ziffern erhalten: Von 4055 jungen Leuten, für die man die vorläufige Einzah⸗ lung von 200 Fres. bewerkstelligt hatte, sind 13537 in dem Kon⸗ tingent von 1874 begriffen: das Kriegs⸗Departement . nur 1151 Stellvertreter, so daß 376 Pflichtige sich selbst nach chen umzusehen hatten. In Bezug auf die Summe, zu welcher as Kriegs. Departement die Stellvertreter engagirte, gab der Kriegs⸗Minister keine positive Auskunft. Nach Vollzug der gan⸗ n egen wer den erst die genaueren Nachweise sich zusammen⸗
— Gestern starb der Direktor im Ministerium der öffent⸗ lichen Arbeiten, Simon Rosendahl, im Alter von 71 Jahren.
Großbritannien und Irland. London, 15. Dezember. (A. A. C.) Der Prinz von Wales sowie der Herzog und die Herzogin von Edinburgh, letztere mit ihrem jungen Sohne, ind zu einem Besuche der Königin in Windsor ange⸗ kommen. Auch Prinz Leopold kehrte am Sonnabend von Orford nach Windsor zurück. Se. Königliche Hoheit ist noch immer sehr leidend. — Gestern wurde am Königlichen Hofe der 13. Jahrestag des Todes des Prinzen Albert mit den üblichen Trauer⸗Feierlichkeiten begangen. Im Mausoleum des verstorbenen Prinzen in Frogmore fand ein vom Dechanten in Windsor geleiteter Gottes dienst statt, dem die Königin und die ganze Königliche Familie beiwohnte.
— Der Gesundheitszustand des Premier ⸗Ministers Dis⸗ raeli macht in den letzten Tagen gute Fortschritte, und kann derselbe bereits wieder kleine Spaziergänge im Freien machen, soweit die Witterung ihm dies erlaubt.
Frankreich. Paris, 16. Dezember. (W. T. B) Das „Journal officiel veröffentlicht die Ernennung neuer Prä⸗ fekten für die Departements Landes, Corrsze und Gers.
Versailles, 16. Dezember. B. T. B.) National⸗ versammlung. In der heutigen Sitzung wurde der Gesetz⸗ Entwurf über die Militärdienstpflicht der in Frankreich geborenen Söhne von Ausländern, die im Auslande ihrer Dienstpflicht nicht genügt haben, in dritter Berathung angenommen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung überreichte der Deputirte Marquis de Ploeue (Monarchist) eine Petition von 62 in Aegypten wohnen⸗ den Franzosen, in welcher diese die Aufrechterhaltung der Kapi⸗ tulationen verlangen. Die Petitionskommifsion schlug vor, diese Petition dem Minister der Auswärtigen Angelegenheiten zu über⸗ weisen. Gambetta unterstützte diesen Vorschlag. Letzterer beklagte sich darüber, daß das Resultat der Verhandlungen mit Aegypten der National versammlung nicht mitgetheilt sei und fordert schleunige Vertheilung des Gelbbuches. Die Petition wurde darauf dem Minister der Auswärtigen Angelegenheiten überwiesen. Hierauf beantragte Henri Martin (Linke, die zweite Berathung der Gesetzes vorlage über die Freiheit des Unterrichts an den höheren Lehranstalten nicht auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung zu setzen, weil er einen Gesetzentwurf einbringen wolle. Die Rechte stimmte diesem Antrage nicht bei. Bei der Abstimmung über diesen Antrag stellte sich die Zahl der abgegebenen Stim⸗ men als unzureichend heraus, weil die Linke sich der A bstim⸗ mung enthalten hatte. — Die Dreißig er⸗Kęommission hat beschlossen, der Nationalversammlung vorzuschlagen, auf die Tagesordnung der ersten Sitzung nach den Ferien nicht den Gefetzentwurf, betreffend die Uebertragung der Gewalten zu stellen, wie es von der Linken beantragt ist, sondern den Gesetz⸗ entwurf über die Errichtung einer Zweiten Kammer.
— (Monatsübersicht für November.) Der Monat November ist arm an pöolitischen Ereignissen gewesen. Am 1. und 8. November fanden in den Departements Pas de Ca⸗ lais, Oise, Nord und Dröme Ersatzwahlen für die Na⸗ tionalversammlung statt. In zwei Fällen siegten die bona⸗ partistischen Kandidaten Hr. Delisse⸗Engrand und Herzog von Mouchy; die republikanische Partei brachte Hrn. Tarsy, die radi⸗ kale Hrn. Maudier⸗Montjean durch. Eine statistische Prufung dieser Wahlresultate liefert den Beweis, daß in den Departements der Droöͤme, der Oise und des Nord die konservative Partei sich in der letzten Zeit nicht unbedeutend verstärkt hat, wogegen die Republikaner an Stimmen verloren haben. Im Departement der Dröme gewannen die Konservativen 9000 und verloren die Republikaner 6000 Stimmen. Im Dise⸗ Departement büßten die Republikaner seit dem 20. Oktober 1872 bis 8. November 1874 32,000 Stimmen ein. Im Departement des Nord endlich gewannen die Konservativen seit dem 9. Juli 1873 bis 8. No⸗ vember 1874 16,900 Stimmen, wogegen die Republikaner in demselben Zeitraum um 7000 Stimmen schwächer wurden.
Die Nationalversammlung wurde am 30. November wieder eröffnet. Die erste Sitzung wurde wie gewöhnlich durch die Verloosung in die Abtheilungen ausgefüllt. Die konserva⸗ tive Partei gewann die Majoritaͤt in 9 Abtheilungen, die re⸗ publikanische in den restirenden 6.
Am 15. November übernahm Herr Emile de Girardin die Redaktion der Zeitung „La France“. Diese Zeitung be⸗ antragt das Fortbestehen der Nationalversammlung in Ver⸗ sailles bis zum Ablauf des Mac Mahonistischen Septenniums.
Am 30. November erschien die erste Nummer des von Herrn Guyot⸗Montpayroux redigirten Courier de France“. Diese Zeitung beabsichtigt zu Gunsten der Vereini⸗ gung der Centrumsparteien zu wirken.
Spanien. Madrid, 16. Dezember. (W. T. B.) Die Grundlagen zu einem Vertrage, um drei Coupons der aus⸗ ländischen spanischen Schuld einzulösen, sind unterzeichnet worden. Diese Grundlagen sollen einem in London abzuhal⸗ tenden Meeting der Inhaber der Schuldverschreibungen zur An⸗ nahme unterbreitet werden.
Rumänien. Bu kare st, 15. Dezember. Die Kammer hat das aus 135 Paragraphen bestehende Forstgesetz zum Schutze gegen die Devastirung der Wälder angenommen.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 2. De⸗ zember. Die „St. Pet. Ztg.“ meldet: „Se. Königliche Hoheit Prinz Albrecht von Preußen besichtigte am 29. November in der Manege des Ingenieurs⸗Palais Sr. Majestät Eigenes Konvoi. Prinz Albrecht trug die Uniform Seines 14. Pusaren⸗ Regiments (Mitau) und war von dem Sr. Hoheit zukomman⸗ dirken General⸗ Adjutanten Kasnakow begleitet. Nachdem Se. König⸗ liche Soheit aus den Händen des Commandeurs des Konvois, Flügel⸗ Adjutanten Oberst Tscherewin, den Rapport entgegengenommen hatte, begrüßte Se. Hoheit beide Schwadronen des Konvois in rufsischer Sprache und schritt dann die Fronten ab, Die erstaun⸗ lichen Uebungen, welche dies Konvoi darauf ausführte, die hier unter dem Namen Dfhigitowka bekannt sind und andernorts Fantafia genannt werden, trugen der schönen, ganz eigenartigen Truppe den Dank und die Anerkennung Sr. Königlichen Hoheit ein. — Prinz Albrecht von Preußen ist darauf am 30. Novem⸗ ber nach Moskau gereist.“
Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. Dezember. (S. N.) Der Kronprinz und der Herzog von Nerike std nun von der Masernkrankheit fast ganz wieder hergestellt. Der nächstalteste Sohn des Königs, Herzog von Gothland, ist jetzt auch von derselben Krankheit angegriffen worden. Ueber⸗ 2. . gegenwärtig eine starke. Masernepidemie in
tockholm.
— Unter dem 4 d. M. ist der frühere Telegraphen⸗Inten⸗ dant Daniel Rordlander zum General⸗Direktor und Chef der Telegraphen⸗Direktion ernannt worden.
Amerika. Den letzten Nachrichten über den Kampf zwi⸗ schen Staat und Kirche in Central⸗Amerika schließen sich folgende Meldungen der ‚A. A. C.“ über ähnliche Vorgänge aus Süd⸗ Amerika an: ;
In Chili haben sich Deputirtenkammer und Senat in letzter Zeit vorzugsweise mit Gesetzes vorschlägen kirchlich ⸗politischer Natur befaßt, und die letzten Nachrichten aus Valparaise., die bis zum 1. November reichen, besagen, daß in der Deputirtenkammer mit einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln ein Zusatzparagraph zum Straf- gesetzbuch angenommen worden ist, wonach ein Jeder — gleichviel ob Geistlicher oder Laie — durch Gefängniß bestraft wird, welcher irgend welche Ordres der römischen Kurie, soweit dieselben die Sicherheit oder Ungbhängigkeit Chälis gefährden, veröffentlicht oder sich direkt der Vollstreckung dieses Gesetzes widersetzn. Ein anderer Paragraph betreffs der Geistlichkeit, welcher vom Senat abgelehnt worden war, wurde in der Deputirtenkammer mit 553 gegen 29 Stim- men zum zweiten Male angenommen. Als das Resultat der Abstim⸗ mung bekannt wurde, erhob sich ein großer Tumult. Die kleri⸗ kale Minoritãt und ihre Freunde, welche die Zuschauerplätze gefüllt hatten, stürzten in die Mitte des Saales und umeingten den Vize—
räsidenten. Die Unordnung und das Lärmen waren ungeheuer, und inmitten der wildesten Auflösung wurde die Session geschlossen
— Aus Peru gehen der „A. A. C.“ folgende, bis 9mm 11. November reichende Nachrichten zu:
Man meldet den abermaligen Ausbruch einer Revolution. Die Anführer der Aufständischen wurden in dem Dampfer Talisman“, welcher die englische Flagge führte, an der peruanischen Küste gelan⸗ det. Genanntes Fahrzeug soll im August von Cardiff aus in See gegangen sein und 1050 Rolli Kriegsmaterialien, Kanonen, Gewehre, Uniformen und dergl. an Bord gehabt haben. Der oberste Leiter des Aufstandes ist Don Nicolas de Pierola. Der Präsident von Perun war jedoch von der Verschwörung unterrichtet. Der Talis man“ wurde in Folge dessen in der Bucht von Payahas weggenommen, aber erst, nachdem Pierola seine Leute und einen großen Theil des Cargos bereits gelandet hatte. Pierola bemächtigte sich eines Eisen⸗ bahnzuges und fuhr mit seinen Mannschaften nach Maglequa, einer Stadt 40 Meilen im Innern. Hier veröffentlichte er seine Prokla⸗ mation und soll auch Verstärkungen bekommen haben. Die Regie⸗ rung, welcher beide Kammern fünf Millionen bewilligt hatten, um die Nationalgarden zu mobilistren, hat starke Truppenabtheilungen gegen die Infurgenten ausgeschickt.
Asien. Indien. Aus Calcutta wird der „Times“ vom 13. d. M. gemeldet: Als die gegen die Dufflas ausgesandte Expedition Harmutti erreichte, wurden von dem Nana des Ober⸗ stammes und anderen Häuptlingen fünf Gefangene ausgeliefert. Packft weigert sich zu kapituliren. Die Expedition marschirt gegen ihn. Von Rangoon brach am 12. d. M. die Expedition zur Erforschung einer westlichen Route nach China unter Oberst Browne auf.
Statistische Nachrichten.
Von Dr. E. Engels „Statistischer Korrespondenz“ Verlag des Statistischen Bureaus in Berlin, ist soeben die Nr. 10 ausgezeben worden. Dieselhe verbreitet sich über L die Zeitschrift des Königlich preußischen statistischen Bureaus II. Religionsbekenntniß und Schulbildung der Bevölkerung des preußischen Staats nach der Volkszählung vom Jahre 1871; III. Produktion der Bergwerke in England im Jahre 1574; IV. das neueste und vollständigste Gemeinde⸗ lexikon bezw. Ortschaftsverzeichniß des preußischen Staats; V. Notizen über die Umwandlung der Bevölkerungsstatiftik im preußischen Staate.
— Die Nr. 134 (November) der Mittheilungen der Groß⸗ herzoglich Hessischen Centralstelle für die Landes⸗ 6 Beilage zur Darmstädter Zeitung) hat folgenden Inhalt:
eteorologische Beobachtungen des Großh. Katasteramts zu Darm⸗ stadt im Fahre 1873. — Zusammenstellung aus den Oklroirechnungen der Städte Darmstadt, Offenbach, Gießen, Alsfeld, Lauterbach und Mainz für das Jahr 1873 (Schluß. — Uebersicht des Postverkehrs im Großh. Hessen im Jahre 1873. — Meteorol. Beobachtungen im Oktober 1874. — Sterbefälle und Todesursachen im Oktober 1874
— Vom 1. Januar bis 30. November d. J. wanderten nach der D. AZ.“ über Brem en nach Nem Nork 1874: 20,928 Paff. S6 Schiffe, 1873: 46,168 Pass. 122 Schiffe; Beltimore 1874: 7542 Paff. 39 Schiffe, 1573: 12514 Pass. 39 Schiffe; New⸗Orleans 1871: 841 Paff. 7 Schiffe, 1873: 2772 Pass. 11 Schiffe; und im Ganzen 18742 29,772 af 142 Schiffe, 1873: 62,221 Pass. 193 Schiffe. — Die ganze Auswanderung über Ham burg seit An⸗ fang d. J. bis Ende November beträgt nur direkt 30 040, indirekt 12,590 Personen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Am 16. November starb zu München, 73 Jahre alt, der berühmte Sinologe Dr. Fohann Heinrich Plath, Verfasser der „Geschichte der Völker der Mandschureiꝰ, sowie zahlreicher, purch die Königlich bayerische Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er war, gedruckte Abhandlungen. Viele Auf= saͤtze, zum Theil Fragmente noch unedirter Werke des Ver⸗ fassers über China, Indien, Aegypten, hat das „Ausland“ ge⸗ bracht. Seine letzten Arbeiten, die noch kurz vor seinem Tode im Druck erschienen, waren: Der 4 Theil seines ‚Confucius und seiner Schüler Leben und Lehren! und eine Brochüre über den Ackerbau der Chinesen. Den 5. und letzten Theil des Confucius“, enthaltend: saͤmmtliche Aussprüche des Confucius 2c, hinterließ der Verfasser druckfertig. Eine Liste alles bis jetzt Gedruckten findet sich in dem Almanach der Königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1867 an und in den folgenden Bänden.
— An der allgemeinen Abtheilung der polytechnischen Schule in München ist zum ordentlichen Professor für analytische Geometrie, Differential ⸗ und Integralrechnung und analytische Mechanik der or= dentliche Professor der Mathematik an der Universität Erlangen Pr. F. Klein; der bisherige Privatgelehrte in Würzburg Dr. A Kißner ist zum ordentlichen Professer der neueren Sprachen in der philosophischen Fakultät der Universität Erlangen ernannt.
— Rückerts Biograph, Dr. Beyer aus Eisenach, ist der „Weim. IƷtg. zufolge von der Akademie der Wissenschaften zu Erfurt zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt worden.
— Sobald die Jahreszeit es gestatten wird, sollen, wie das Elf. Journal schreibt, die Gerüste aun der Westfagade des Münsters in Straßburg wieder aufgestellt werden, und wird man das daselbst unterbrochene Werk zugleich mit den Arbeiten am andern Ende des Gebäudes, der definitiven Ausführung der Kuppel, wieder aufnehmen. In diesen Arbeiten ist dem Haustein eine besondere und schwierige Bestimmung beschieden, nämlich mit der größtmöglichen Treue den ursprünglichen Gedanken Erwins von Steinbach beim Bau eines jeden Theiles seines großen Denkmals darzustellen. Die Meißel⸗ arbeiten werden von dem Bildhauer Graß weiter geführt werden.
— Der Moniteur belge“ veröffentlicht ein Schreiben Sr. Ma⸗ 6 des Königs der Belzier an den Minifter des Innern und ein
ekret über die Stiftung eines Preises für literarische und wiffenschaftliche Werke. Der König will für die Dauer seiner Regierung jährlich die Summe von 25.000 Fres. für den ge⸗ nannten Zweck auswerfen; er wird die Gegenstände für die Kon kurrenzarbest bestimmen und die urtheilende Jury ernennen. Jedes mal in drei sich folgenden Jahren werden nur Belgier zur Mitbewer. bung zugelassen, in jedem vierten Jahre auch Fremde, Der 35
reis soll im Jahre 1878 ertheilt werden, und zwar für das beste ert über die Velgische Rattonalgeßfchichte
Der in Neapel erscheinende / Pungolo“ schreibt unter dem 1I. d. M.; Neue Erd st o ße sind vorstern in Isola am Liri vorgekommen. Die