1875 / 12 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

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feld, Professor in Göttingen. In der Sektion der klassischen Philo logie: Herrmann Sauppe in Göttingen.

In der Ostschweiz liegen bis in die Thalschaften herab ge⸗ waltige Schneemassen. Im St. Galler Oberland, im Obertoggen⸗ burg und Gasten kommen die Gemsen, um sich ihre Nahrung zu suchen, bis zu den Dörfern.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Behufs Abwendung der Gefahren, welche dem deutschen Weinbau durch eine Verbreitung der sogenannten Reblaus drohen, hat der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten unterm 24. v. M. folgende Verfügung an die Königlichen Regierungen erlassen:

Schon durch frühere diesseitige Verfügungen sind die Königlichen Regierungen von den Verwüstungen in Kenntniß gesetzt worden, welche die Reblaus (Ehyllgrera Vastatrir) in den Weinbergen Süd— frankreichs, besonders int Rohnethal, angerichtet hat, und anzurichten fortfährt. Seitdem haben diese Verwästungen nicht nur in Frankreich eine immer größere Ausdehnung erlangt, sondern das schädliche Insekt, hat sich neuerdings auch in dem „ehr umfangreichen Versuchsweinberge der Obst. und Weinbau ⸗-LCehr⸗ anstalt zu Klosterneuburg bei Wien gezeigt und im Laufe des letzten Sommers derart um sich gegriffen, daß die österreichische Regierung sich zur gänzlichen Vernichtung aller in die sem Weinberge gepflanzten Reben und zur Desinfizirung des Bodens hat entschließen. Sb durch dies so energische Mittel dem Uebel Einhalt gethan werden wird, ist nach den in Frankreich bisher gemachten Erfahrungen zweifelhaft und deshalb um so dringender geboten, der Bildung von Verbreitungs— heerden des Insekts im Inlande entgegenzuarbeiten. Dasselbe soll seine Zerstörungen auch schon in der Schweiz, namentlich bei Genf, begonnen haben. .

Obwohl diese Verhältnisse schon vor längerer Zeit die Aufmerk- samkeit der Reichsregierung auf sich gezogen und ein unbedingtes Ein. fuhrverbot von Weinreben über die Grenze des Reichs zur Folge ge— habt haben, erscheint es doch als eine dringende Pflicht der Preußi⸗ schen Behörden, auch ihrerseits mit allen zweckdienlichen Mitteln dar— auf hinzuwirken, daß die in der Einschleppung und Verbreitung des Insekts liegende Gefahr von dem Deutschen Weinbau abgehalten und zu diesem Behuf .

L. die Betheiligten über die drohende Gefahr und die zu deren Abwendung erforderlichen Maßregeln äußerster Vorsicht aufgeklärt, sodann verpflichtet werden, von jeder Wahrnehmung, welche auf das Vorhandensein des Insckts deutet, ungesaͤumt Anzeige zu machen;

Y) dieselben veranlaßt werden, namentlich den sogenannten ameri— kanischen (aus Amerika) importirten Weinreben die größte Aufmerk⸗ samkeit zuzuwenden.

. Ich bemerke, daß an solchen Weinreben, welche bereits vor 8. Jahren in Annaberg bei Bonn gepflanzt wurden (nicht, wie die öffentlichen Blätter mittheilen, in einem Weinberge, sondern in der dortigen Baumschule), sich bei einer auf meine Veranlassung ange⸗ stellten Untersuchung an den Wurzeln in großer Zahl Infekten gezeigt haben, welche von mehreren Gelehrten als phyjsoxera vastatrix be— stinmt worden sind. Es hat mich dies veranlaßt, umfassende Unter— suchungen der amerikanischen Weinreben einzuleiten, und werden die Resultate seiner Zeit mitgetheilt werden.

Es genügt nicht, sorgfältig darüber zu wachen, daß eine Ein— schleppung kranker Reben nicht stattfinde, sondern es thut vor allen Dingen eine ununterbrochene Aufmerksamkeit darauf Noth, daß da, wo etwa das sich auch durch geflügelte Exemplare verbreitende Insekt bereits vorhanden sein und die Folgen seiner Zerstörungsarbeit sich nach außen hin kund geben sollten, ein solcher Umstand sofort ur Sprache gebracht und Gelegenheit gegeben werde, den Heerd des sich zeigenden Uebels mit der 66 Energie zu ersticken. Namentlich ist gegen jede Neigung zur Vertuschung ernstlich anzukämpfen.

Hiernach beauftrage ich die Königliche Regierung, das betheiligte . auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen und das—⸗ elbe aufzufordern, da, wo sich irgend welche Spuren der Krankheit

zeigen, der Behörde sofort davon Anzeige zu machen, damit die nöthigen Maßregeln ergriffen werden können. Eine populär gehaltene kurze Druclschrift, welche alle erforderlichen Aufklärungen und Be— lehrungen übersichtlich enthält, lasse ich anfertigen und bald nach Fertig⸗ stellung der Königlichen Regierung zugehen, um dieselbe in den weitesten Kreisen der Weinhauer und Gärtner zu verbreiten. Ich bemerke einst⸗ weilen, daß das Auftreten des Insekts gewöhnlich daran zu erkennen ist, wenn an einem Weinstock oder an mehreren zusammenstehenden Reben

digender gewesen; zwar waren einerseits die Grossisten aus Nord⸗ und

früher als sonst oder als an deren daneben gepflanzten Reben die Blätter sich gelb färben und abfallen. Da, wo solche Merkmale eintreten, ist eine sofortige Untersuchung der Wurzeln nicht nur der gelb gewor— denen, sondern auch der in der Nähe stehenden anscheinend gefunden Reben geboten, an denen das Insekt oft bis zu einer Tiefe von 8 Fuß, gewöhnlich in großen Massen, zu finden sein wird. Vorerst wird es aber genügen, daß, wie schon oben gedacht, von einem solchen Falle sofort Anzeige erstattet wird. Weitere Instruktionen über das ferner zu beobachtende Verfahren bleiben vorbehalten.

Berlin, den 24. Dezember 1874

Der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten.

Friedenthal.

Das Dezemberheft des Landwirthschaftlichen Cen⸗ tralblatts für Deutschland, begründet von Adolf Wilda, redi— girt von Alexander Müller (Berlin, Verlag von Wiegandt, Hempel u. Parey), enthält; einen Aufsatz des Prof. Braungart: Das Streich⸗ brett am Pfluge (Schluß); ferner: Meteorologie. Die Verdunstung im Winter, von H. Wild. Temperatur der Niederschläge, von Dr. Breitenlohner ꝛc. Physik. Chemie. Ueber Käsung und die Wir— kung des Labmagens, von O. Hammarsten. Botanik. Pflanzenbau. Die normalen Verhältnisse an einigen vollkommen ausgebildeten Fruchtständen des Kohlrapses, von Prof. Haberlandt. Die Som⸗ merdürre der Bäume, von Prof. Kraus. Beförderung des Keim— Prozesses, von R. Böttger. Die Fermentpilze, von H. Hoffmann. Das Chlorophyll und die Lichtstrahlen, von Wiesner. Würt= tembergisches Opium. Zoologie. Thierzucht. Futterve rwerthung durch Kanirchen, ven Weiske ꝛc. Betriebslehre. Unterrichtswesen. Die landwirthschaftlichen Lehranstalten Oesterreichs. Landwirthschaft— liche Lehranstalt Hildesheim. Vereinswesen. Ländliches Genofsen— schaftswesen, von J. Meyer. 15. allgemeiner Vereinztag der deut— schen Erwerbs: und. Wirthsschafts Genossenschaften in Bremen. Volkswirthschaft. Die rheinischen (Raiffeissenschen) Darlehnskaffen⸗ vereine. Die ländlichen Arbeiter. Ges. z. gegens. Hagelschäden⸗ vergütung in Leipzig. Südd. Allg. H- V. G. ꝛc. Landeskultur. Gesetzgtbung. D. d. Landwirthschaftsr. (Sitzungsbericht). Inter⸗ ngtionale Postunjon. Anhang. Erste Mastviehausstellung in Berlin 1875. Mikrofkopische Pflanzenpräparate, von Dr. J. Grönland.

Infolge der Ausbreitung; der Phylloxera vastatrix (Wurzel- Laus) in Klosterneuburg und der dadurch erhöhten Gefahr einer Ein⸗ schleppung dieses Insekts hat sich das Königlich ungarische Mini— sterium für Ackerbau, Industrie und Handel veranlaßt gefunden, die Einfuhr von Reben überhaupt, und zwar sowohl von bewurzel— ten als von Stecklingen, nicht nur aus dem Auslande, sondern auch aus den im Reichsrathe vertretenen Ländern, ferner aus Kroatien und Slavonien umsomehr zu verbieten, als bisher weder durch die Er— fahrung, noch durch Sachkundige die Unmöglichkeit der Einschleppung der Phyllorera mittelst Stecklingen erwiesen wurde. Außerdem ist an sämmtliche Trans portanstalten die Weisung ergangen, mit Rebenlaub verpackte Gegenstände zur Weiterbeförderung nicht anzunehmen.

Gewerbe und Handel.

Gasbeleuchtungs⸗Apparate ohne Röhrenleitung und überall ohne jede Vorrichtung anwendbar, werden bereits seit län— gerer Zei, von dem Mechaniker Louis Runge (Landebergerstraße Nr. 75) hier selbst angefertigt. Die Bedeutung dieser Erfindung wird jetzt auch mehr von den Kommunalbehörden kleinerer Orte anerkannt, deren Straßenbeleuchtung durch Oel oder Petroleum theurer und weniger hell leuchtend ist, als durch das von Hrn. Runge gleichfalls gelieferte transportable Gas, welches pro Flamme und Stunde etwa 3 Pfennige Kosten verursacht. Bereits hat die Gemeinde Rixdorf in Betreff der Lieferung des Gasstoffes für die öffentliche Beleuch— tung vor Kurzem mit Hrn. Runge einen Kontrakt abgeschlossen.

. Die in Harzungen bei Ilfeld belegenen, vor etwa 100 Jahren in Betrieb gewesenen Alabasterbrüche, den Grafen Stolberg Stolberg und Stolberg⸗-Roßla gemeinschaftlich gehörend, sind neuer dings in die Pachtung des Hrn. Hautzinger-⸗Pleschen übergegangen, der die sofortige Wiedereröffnung der Alabasterbrüche betreiben wird.

Leipzig, 12. Januar. (D. A. 3.) Der Verlauf der Tuch «“ messe ist im Allgemeinen für die Tuchfabrikauten ein wenig befrie⸗

Süddeutschland sowie aus den Niederlanden ziemlich zahlreich ver⸗ treten es fehlten aber andererseits die sonst um diese Zeit eintreffen⸗ den Detaillisten so gut wie ganz. Das schwache Weihnachtsgeschäft gah den kleineren Geschäftsleuten keine Veranlassung, die früher be— suchte Neujahrsmesse auch diesmal aufzusuchen. Das Meßgeschäft mußte demnach von vornberein den Zug größerer Lebhaftigkeit ent—

„Nach Elsaß⸗Lothringen gingen davon auch einige Posten.

6 an den Preisen machte sich häufig ein gelinder Druck be—⸗ merklich.

In Nouveaules hatten die Zufuhren wenig aufzuweisen, neuere Sachen in guter Qualität blieben daher begehrt und erlangten mit— unter zufrieden stellende Preise, im Uebrigen werden die Preise meist als gedrückt bezeichnet.

Von den einzelnen Fabrikstädten hat Luckenwalde gute Sachen, darunter wenig neue Muster, zu gedrückten Preisen verkauft, während Großenhain verhältnißmäßig mit feinen Sachen gut gemacht hat, in— deß Peitz mit schönen Mustersachen in den ersten Tagen ausverkauft hat, letzteres beklagt aber auch das Ausbleiben der kleinen Einkäufer sehr. Cottbus hat einen großen Theil seiner Zufuhr zu Preisen ab⸗ gesetzt, die der allgemeinen Stimmung Rechnung trugen, Crimmit— schau hingegen hatte noch viel Wintersachen ausgelegt und von Som— mersachen nur einen kleinen Theil der Zusendungen hergebracht, da größere Beftellungen darin direkt auszuführen waren. Von ersteren ist ein guter Theil verhältnißmäßig abgesetzt worden, während von . solche zu ganzen Anzügen passend, namentlich bessere, gesucht

aren.

Werdau brachte für eine Neujahrsmesse ziemlich viel zum Ver— kauf bierher, da das Geschäft zu Haus etwas lau gegangen war. Hier wurde beträchtlich, wenn auch hin und wieder zu gedrückten Preisen, verkauft. Hervorragende Neuheuren waren nicht da, hingegen mittelhelle Sachen in hübschen kleinen Mustern gut vertreten und auch begehrt. Winterwaare, außer in guten Qualitäten, blieb wenig beachtet. ;

Leisnig hatte wenig Sommerwaaren hergebracht, von denen ein Theil zu befriedigenden Preisen abgesetzt wurde, dagegen fanden dessen Winterwaaren wenig Absatz.

Forst erzielte für gute Sachen ziemlich bedeutenden Umsatz, namentlich wurden dunkle Karreaux und gute Kammgarnimitationen gewählt.

Spremberg hat in guten Qualitäten, von denen jedoch wenig am Platze war, ziemlich gut abgesetzt, ein ziemlich großer Theil der übri⸗ gen Zufuhr blieb indeß unberüͤcksichtigt. Kirchberg hat von seinen großen Borräthen ziemlich viel zu mittelmäßigen Preisen abgesetzt. r Görlitz erzielte mit seinen feinern Qualitäten ziemlich befriedigendes Geschäft, im Uebrigen wollten die Käufer nur bei Erlan— gung günstiger Konzessionen Geschäfte abschließen. Finsterwalde ist mit dem Verkauf. der Messe wenig zufrieden gestellt, im allgemeinen will das Geschäft mit glatten Sachen wegen des man— gelnden Exports noch nicht wieder in Fluß kommen. Lengenfeld war mittelmäßig befahren und hat einen für diese Messe wenig befrie—⸗ digenden Umsatz erzielt. Oschatz hatte von Nouveautés fast gar nichts vorräthig, und da glatte Sommerreckstoffe noch wenig gekauft werden, blieb das Geschäft ein beschränktes.

Nach dem Status der Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha vom 1. Januar 1875 waren bei dieser alten Versicherungsanstalt 44,705 Personen mit 2693 Millionen Mark ver⸗ sichert. Die Bankfonds betrugen über 66 Millionen: seit der Ge⸗ schäftseröffnung waren für. Sterbefälle ausgezahlt fast 89 Millionen und im Jahre 1874 allein über 5 Millionen. Die Jahreseinnahmen an Prämien und Zinsen pro 1574 summirten sich auf ca. 124 Mil- lionen, Die Dividende Ler Versicherten für 1875 ist auf 37 pCt. fellgestelt.

Bremen, 14. Januar. Die Dividende der Bremischen Hypothekenbank für 1874 ist vom Verwaltungsrath vorbehaltlich der Revision des Aufsichtsrathes auf 24 Mark pro Aktie frei von Einkommensteuer (etwa 74 *) festgesetzt worden.

Die rumänische Regierung hat sich bereit erklärt, nach dem österreichischen Vorbild ein allgemeines Gesetz behufs hypo⸗ thekgrischer Eintragung auf Eisenbahnen den Kammern vorzulegen, nachdem ein Schiedsgericht das Recht der rumänischen Eisenbahnen, Aktiengesellschaft auf Ausgabe von hypothekarisch sicher gestellten Obligationen anerkannt habe. Der Vertreter der Eisen⸗ bahngesellschaft hat hiergegen remenstrirt, da dieses Recht durch die Konvention außer allem Zweifel gestellt ist. . .

Verkehrs⸗Anstalten.

Hamburg, 15. Januar. (W. T. B.) Aus London wird tele— graphirt, daß der Dampfer „Monrovia“ von der afrikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft auf der Fahrt von London nach Lagos (Guineaküste) auf Grund gerathen und wahrscheinlich total verloren ist. Die Post und ein Theil der Ladung sind geborgen. Die Ham—⸗ burger Barke ‚Johannes Emilie“ ist bei Cap Palmas gescheitert.

Theater.

, Königliche Hoheit die Prinzessin Carl wohnte am Mitt wach im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater der Aufführung der Operette: „Giroflé⸗Girofla“ bis zum Schlusse bei.

( Hr. August Neumann, der bekannte treffliche Komiker des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters, dessen . daselbst am 1. April d. J. zu Ende geht, ist von Reuem für das Wallner— Then ter engagirt worden. Derselhe kehrt also zu derjenigen Bühne zurück, an welcher er in Gemeinschaft mit Helmerding, Reusche und Amalie Wollrabe lange Zeit gewirkt hat. Hr. Neu⸗ mann ist am Wallner-Theater nur für zwei Monate des Jahres, für Mai und Juni, engagirt, er tritt sein Engagement erst am I. Mai 1876 am Wallner⸗Theater an. Während der Zeit wird Hr. Neu⸗ mann kleinere Gastspieltouren unternehmen. ;

Die Vorstellung der „Sieben Raben“ im Viktoria— theater beehrte gestern Abend Se. Kaiserliche und Königliche Ho— heit der Kronprinz mit Höchstseiner Gegenwart.

Wolters dorff-Thegter. Da sich Jacobsons und Wilkens Posse „In Freud,; und Leid“ . volle Gunst des Publikums erwirbt, wozu namentlich die Erscheinung und Darstellung der Soubrette, Frau CottrellyMorwitz, sowie die komischen Gestalten der Herren Ascher, Köhler und Hintze, beitragen, haben sich die talentvollen Verfasser entschlossen, dem Stücke noch einige neue Couplets und Strophen hinzuzufügen, wodurch demselben noch eine erhöhte Anziehungskraft verliehen und sich dasselbe voraus— sichtlich so noch lange mit Glück auf dem Repertoire erhalten wird.

Im Saale der Sing-Akademie hatte Hr. Gustav Hollän⸗ der gestern ein Konz ert mit Orchester veranstalfet, welchem zahl⸗ reiche Kunstverständige und Kunstfreunde beiwohnten. Der junge Konzertgeber trug mit bekannter Virtuosität ein Konzert für Violine von Bruch, die F-dur-Romanze von Beethoven, ein kleines Spinner⸗ lied eigener Komposition und das D-moll Konzert Nr. 9 von Spohr vor. Namentlich fanden die beiden letzten Piecen Anklang, das Spinnerlied mußte auf Verlangen des Publikums sogar wiederholt werden. Die Violine wechselte mit dem Flügel und dem Gesange 6b. Auf dem ersteren trug Hr. Otto Neitzel die Bach-Lisztsche Orgel-Fantgste und Fuge G-moll mit großer Geläufigkeit vor. Frau Professor Schulzen-Asten sang mit bekannter Meisterschaft drei Schu⸗ mannsche Lieder. Die Berliner Symphonie Kapelle führte zur Einlei⸗ tung unter Hrn. Professor v. Brenners Leitung die Ouvertüre zu den Hebriden von H aus. Das Publikum spendete allen mitwirkenden Künstlern wohlverdienten Beifall.

Zum Venus⸗Durchgang.

Aus Rom meldet man der „A. Allg. Ztg.“, daß Professor Tac— chini, das Haupt der zur Beoblchiung des Venusdurchganges nach Indien ent andten wissenschaftlichen Kommission Italiens, von Ben galen aus dem italienischen Unterrichts-Minister den folgenden Bericht

Muddapur in Bengalen, 19. Dezember 1874. Excellenz! Gestern war für uns ein wahrer Schlachttag. Nach einer Reihe der heitersten Tage trübte sich am 7. plötzlich der Himmel, und auch am 8. hatten wir schlechtes Wetter, aber bei Sonnen⸗ untergang hatte man einige Anzeichen der Besserung. In der Nacht jedoch bedeckte sich der Himmel gänzlich, und dann von neuem am Morgen des 9. veränderlich, so daß die Sonne beständig wechsel⸗ weise versteckt und frei war. Dies war für uns eine schreckliche Drohung, und Ew. Excellenz werden sich unser aller Gemüthsstim— mung vorstellen können. Schon von 6 Uhr ab waren wir alle auf unserm Posten und schickten uns zur Arbeit an, in der Hoffnung, daß die Wolken vorübergehen würden, und daß das Phänomen sich zwischen den Wolken selbst sehen ließe. Im Augenblicke des ersten Kontakts war die Sonne mit den einfachen Ferngläsern sicht⸗ bar, und so auch im zweiten Kontakt, aber mit dem Spektroskop konnte man nichts unterscheiden. Die beiden ersten Kontakte alf wurden von Prof. Dorua, von Pater Lafont, von Morso beobachtet, und von mir und von Prof. Abetti verloren. Beim dritten und vierten Kontakt war die Atmosphäre hinreichend rein, so daß jeder Beobachter seinen Theil ausführen konnte, und das Gluck wollte es, daß sowohl die spektralen, als die gewöhnlichen Beobachtungen ziemlich gut ausfielen. Ich kann mich hier nicht mit. Details aufhalten, aber die wichtige Thatsache ist, daß zwischen den mit dem Spektroskox beobachteten Kontakten, und jenen, welche mit einfachen Ferngläsern betrachtet wurden, eine ansehnliche Differenz ist, welche für den dritten Kontakt, der am besten mit den Spektroskopen beobachtet ward, sich auf mehr als zwei Minuten beläuft: es ist dieses, meinem Dafürhalten nach, ein kostbares Resultat, welches als Basis der Diskussion für die im Jahre 1882 zu machenden Beobachtungen dienen wird, und welches auch beweist, daß der Durchmesser der Sonne, wenn er mit dem Spektrostop beobachtet und bestimmt ward, viel kleiner ist, als jener, der auf gewöhnliche Weise bestimmt wurde. Welches Faktum, wenn es noch nicht streng durch die Spektral⸗Beobachtungen der Finsternisse nachgewiesen war, mir jetzt durch unsere Beobachtungen von Muddapur epident erscheint, die auf einem Körper wie der Planet Venus ausgeführt wurden, der sich im Vergleiche zu dem Mond in den Sonnenfinsternissen so langsam bewegte. Von dein dritten Kontakt,

wir uns mit den übrigen Beobachtung f 1, um unsere Misston zu ver⸗—

voll ständigen, und dann werden wir uns zur Rückkehr nach Italien

anschicken. Ew. Excellenz ergebenster Diener: P. Tacchini.“ Prozeß Ofenheim.

Wien, 14. Januar. In der heutigen Sitzung begann das Zeugenverhör. Zuerst wurde der frühere Minister Grocholski vernom= men, der unter Bezugnahme auf die seiner Zeit im Reichstage ein— gebrachte Interpellation über den schlechten baulichen Zuftand der Bahn angab, daß die Meinungen über die Beschaffenheit der Bahn sehr getheilt gewesen seien. Darauf folgte die Vernehmung der Zeugen Zapalowiez (früherer Ober-⸗Ingenieur der Carl-Ludwigs— Bahn), Gutshesttzer Krzeczunowitz, Schellenberg (Vize- Praͤ⸗ sident der Lemberger Handelskammer), und Quizor. Die⸗ selben bezeichneten im Allgemeinen den Bau und den Betrieb der Bahn als mangelhaft, wodurch häufige Störungen im Verkehr hervergerufen seien. Die Angaben der vernommenen Zeugen über die Qualität der Schwellen standen mit einander nicht im Einklang. Krzeczunowitz und der Ingenieur Hoenigschmidt woll— ten wissen, daß Ofenheim die Lieferung der Schwellen mit 140 Kreuzer per Stück übernommen habe. Nachdem der Vertheidiger darauf noch die Vorladung des Staithalters von Galizien, Goluchowski, des Landmarschalls der Bukowina, Kochanowski, und des früheren Statt= . der Bukowina, Pino beantragt hatte, wurde die Sitzung vertagt.

In der Abendsitzung wurde die Zeugenvernehmung fortgesetzt Der Direktor der Albrechts bahn, Klosawski, berichtet ga ft . die Schwellen und den Zustand der Bahn und giebt als Urfache des Einsturzes der Brücke über den Pruth die große Spannweite der Bogen dieser Brücke, sowie als Grund der Verkehrsstör ungen im Jahre 1869 die Witterungsverhältnisse an. Der Ober-Ingenieur Ziembicki hebt besonders die ungenügende Ueberwachung der Sub— unternehmer und die Mängel des Oberbaues, sowie die Fehler der Schwellen hervor. Der Ingenieur Patek bezeichnet sowohl den Unterbau wie den Oberbau als gut ausgeführt. Die Fäul⸗ niß der Schwellen und die Rutschungen seien durch die Beschaffenheiten des Terrains veranlaßt. Inspektor Lampel von der General⸗Juspektion für Eisenbahnen deponirt über die im Jahre

in einem Intervall des reinsten Himmels, prüfte ich das Spektrum der Sonne in der Nähe der prächtigen dunkeln Hülle der Venus, und fand, daß es in allem normal verblieb, ausgenommen zwei Pofitionen, in welchen, nachdem die Hülle des Planeten passirt war, man noch eine leichte Verdunkelung an zwei Stellen des Rothen fah, welche den schwarzen Streifen unserer Atmosphäre entsprechen: das Phänomen wurde also durch die Anwesenheit der Atmosphäre der Venus, welche wahrscheinlich von der Art der unsrigen ist, hervorgebracht erscheinen. Als, der Durchgang vorüher war, und zufrieden mit dem, waz die italienische Kommission hatte machen können, sandte ich unserem wohlverdienten Konsul in Kalkutta das nachstehende Telegramm, damit es an Ew. Excellenz geschickt würde: „First observations disturbed by small clouds good results speetroscopie and ordinary Sbectrum of Venus observed, details prébably related to its at- moebhers. Die in Kalkutta veranstaltete Uebersetzung ins Franzö⸗ sijche stimmt nicht genau, wie Ew. Excellenz leicht werden verifiziren können. Nach den Beabachtungen haben wir verschiedene Telegramme erhalten, unter welchen eines vom Vice-König, welcher für die italie—

eingesandt hat:

1572 erfolgte Entgleisung zweier Züge. Die Ursache der ersten Ent— gleisung sei die Erweiterung des Geleises um 3 Zoll und der zwelten die Ueberanstrengung und die Ungufmerksamkeit des Zugfuͤhrers ge⸗ wesen. Das Protokoll über den Thatbestand bei diesen Entgleisun⸗ gen habe die Veranlassung derselben der schlechten Beschaffenheit des Oberbaues zugeschrieben. Die Hälfte der Schwellen seien angefault gewesen. Auf Befragen des Pertheidigers erklärt der Zeuge, daß er die, Einstellung der Eilzüge ohne Ermächtigung Seitens des Handels⸗ Ministers angeordnet habe, und daß er Nachlässigkeiten, wie sie bei der Lemberg⸗Czernowitzer Bahn vorgekommen seien, bei keiner anderen Eisenbahn beobachtet habe.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel) Druck? W. Elsner.

Drei Beilagen

Berlin:

nische Kommission das größte Intereffe bezeugte. Jetzt beschäftigen

(einschließlich Börsen⸗Beilage.)

zum Denutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 12.

Königreich Preußen.

Bekanntmachung.

Zufolge der, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam vom 21. August 1868 (Stück Nr. 34) zur sffentlichen Kenntniß gebrachten, Militär⸗Ersatz. Instruktion vom 26. März 1868 werden alle diejenigen jungen Männer, welche in einem der zum Deutschen Reiche gehörigen Staaten heimathsberechtigt, und

1) in dem Zeitraum vom 1. Januar bis einschließlich den 31.

Dezember 1855 geboren sind, 2) dieses Alter bereits überschritten, aber sich noch nicht vor einer Ersatz⸗Aushebungs⸗Behörde zur Musterung gestellt, 3) sich zwar gestellt, über ihr Militärverhältniß aber noch keine feste Bestimmung erhalten haben, und gegenwärtig innerhalb des Weichbildes hiesiger Residenz ihr ge⸗ setzliches Domizil (Heimath) haben, oder bei Einwohnern derselben als Dienstboten, Haus⸗ und Wirthschaftsbeamte, Handlungsdiener, Lehrlinge, Handwerksgesellen, Lehrburschen, Fabrikarbeiter und andere, mit diefen in einem ähnlichen Verhältnisse stehende Militärpflichtige, oder als Studenten, Gymnasiasten und Zöglinge anderer Lehranstal⸗ ten sich aufhalten, soweit dieselben nicht zum einjährigen freiwilligen Militärdienste berechtigt, resp. von der Persönlichen Gestellung vor der Kreis ⸗Ersatz-⸗Kommission in diesem Jahre entbunden sind, hier durch angewiesen: . . sich, behufs ihrer Aufnahme in die Stammrolle, in der Zeit vom 15. bis inel. 31. Januar d. J. bei dem Königlichen Polizei⸗Lieute⸗ nant ibres Repiers persönlich zu melden, und dabei die über ihr Alter sprechenden, sowie die etwaigen sonstigen Atteste, welche be⸗ reits ergangene Bestimmungen über ihr Militärverhältniß enthal⸗ ten, mit zur Stelle zu bringen.

Für Diejenigen, welche im hiesigen Orte geboren sind, oder hier ihr gesetzliches Domizil haben, oder hier nach §. 20 der Militär- Ersaͤtz⸗Instruktion gestellungspflichtig, zur Zeit aber abwesend sind, müssen die Eltern, Vormünder, Lehr⸗, Brot⸗ und Fabrikherren die An⸗ meldung in der vorbestimmten Art bewirken.

Wer die eigene, oder die Anmeldung abwesender Militärpflichti⸗ ger, zu welcher er verpflichtet ist, versäumt, wird nach der Strafver—⸗ ordnung des hiesigen Königlichen Polizei⸗Präsidiums vom 16. Novem⸗ ber 18368 mit einer Geldbuße bis zu 10 Thalern, oder verhältniß⸗ mäßiger Gefängnißstrafe belegt; auch hat diese Verfãumniß die Folge, daß die nicht angemeldeten Militärpflichtigen, im Falle ihrer körper⸗ lichen Diensttauglichkeit, vor den übrigen Militärpflichtigen zum Dienst bei der Fahne eingestellt, und etwaige besondere Verhältnisse, welche die einstweilige Zurückstellung vom Dienst geeigneten Falls zu⸗ gelassen haben würden, nicht berücksichtigt werden.

Berlin, den 10. Januar 1875. ;

Königliche Kreis⸗Ersatz⸗Kommission.

Bekanntmachung.

Die Rektoratsprüfung wird hier Anfangs Mai d. J. abge⸗ halten werden.

Zu dieser Prüfung werden zugelassen:

II Geistliche, Lehrer, Kandidaten der Theologie oder der Philologie, welche das Examen als Lehrer an Mittelschulen oder dasjenige für das höhere Lehramt bestanden haben und wenigstens drei Jahre im offentlichen Schuldienst thätig gewesen sind;

2) Geistliche, Lehrer, Kandidaten der Theologie oder der Philo⸗ logie, welche in eins der im 8. 1 der Prüfungsordnung vom 15. Ok⸗ tober 1872 bezeichneten Aemter berufen und auf Grund anderweitig nachgewiesener Tüchtigkeit von der vorgängigen Prüfung für ein Lehramt an Mittelschulen entbunden worden sind; .

3) Geiftliche, Lehrer, Kandidaten der Theologie oder der Philo⸗ logie, welche zur Leitung einer Schule berufen worden sind, die gerin—⸗ gere Ziele als die Mittelschule verfolgt, aber herkömmlich von einem Rektor geleitet wird, sowie Vorsteher von Privatschulen, welche den Charakter von Volksschulen haben. .

Die Anmeldungen sind bis zum 1. März d. J. an uns einzu⸗ reichen und denselben beizufügen:

I) ein selbstgefertigter Lebenslauf, auf dessen Titelblatt der voll⸗ ständige Name, der Geburtsort, das Alter, die Konfession und das augenblickliche Amtsverhältniß des Examinanden angegeben ist;

2) die Zeugnisse über die bisher empfangene Schul, oder Univer- sitätsbildung und über die bisher abgelegten theologischen, philolo⸗ gischen oder Seminar⸗Prüfungen; .

3) ein Zeugniß des zuständigen 6 über die bisherige Thätigkeit des Examinanden im öffentlichen Schuldienste.

Diejenigen, welche noch kein öffentliches Amt bekleiden, haben außerdem einzureichen:

4) ein amtliches Führungsattest;

5) ein von einem zur Führung eines Dienstsiegels berechtigten Arzte ausgestelltes Attest über normalen Gesundheitszustand.

Berlin, den 11. Januar 1875.

Königliches Provinzial⸗Schulkollegium. Reich en au.

Bekanntmachung. Die Prüfung, für ein Lehramt an Mittelschulen wird hier Anfangs Mai d. Is. abgehalten werden. Die Anmeldung Seitens der wissenschaftlich gebildeten noch nicht als Lehrer fungirenden Kandidaten sind unmittelbar, Seitens der im Amte stehenden Lehrer durch die bezüglichen Kreisschulinspektoren bis zum 1. März d. Is. an uns einzureichen und denselben beizufügen: 1) ein selbstgefertigter Lebenslauf, auf dessen Titelblatt der voll⸗ ständige Name, der Geburtsort, das Alter, die Konfession und das augenblickliche Amts verhältniß des Kandidaten angegeben ist; 2) die Zeugnisse über die bisher empfangene Schul⸗ oder Universitätsbildung und über die bisher abgelegten theologischen, philologischen oder Seminarprüfungen; w 3) ein Zeugniß des zuständigen Vorgesetzten über die bisherige Thätigkeit des Examinanden im öffentlichen Schuldienste— Diejenigen, welche kein öffentliches Amt bekleiden, haben außer⸗ dem einzureichen: 4) ein amtliches Führungsattest und 5 ein von einem zur Führung eines Dienststegels berechtigten Arzte ausgestelltes Attest über normalen Gesundheitszustand. Berlin, den 11. Januar 1875. Königliches Provinzi al⸗Schulkollegium. Reichenau.

Aichtamtlich es.

Italien. (Uebersicht für die Zeit vom 15. November bis Ende Dezember 1874.) Das Resultat der Neuwahlen . die Deputirtenkammer ließ sich, obwohl der Wahltag der 8. Ro⸗ vember war, doch erst nach dem 15. übersehen, weil bei der ge⸗ ringen Betheiligung der Wahlberechtigten in sehr vielen Kolle⸗ gien im ersten Wahlgange ein definitives Votum sich nicht er⸗ geben hatte. Aber auch nachdem die Ballotagen am 15. voll⸗ zogen waren, fand die am 23. zusammengetretene Kammer eine ungewöhnlich große Zahl von Protesten vor, ein Zeugniß für die Leidenschaftlichkeit, mit welcher dieses Mal die beiden Haupt⸗

lediglich durch die Erwägung diktirt, daß die Kurie in ihrem

Erste Beilage

1875.

Berlin, Freitag, den 15. Januar

6 Sam m mn . . nnnaadoaoadaauds|uuoeumeTƷ ——

häuften die Organe beider Parteien noch lange auf einander, und die Wahlprüfungsgiunta der Kammer sah die in ihr über⸗ stimmten Mitglieder der Opposition aus ihrer Mitte ausscheiden. Man hat vielfach erörtert, welche Haltung zu den politischen Wahlen die klerikale Partei eingenommen habe. So viel ist sicher, daß Einmüthigkeit unter dem Klerus Italiens nicht besteht, wie denn die klerikalen Organe Roms, der „Osservatore Romano“ und die „Voce della Verita“, mit ebenfalls klerikalen Blättern in Florenz (Armonia) und Neapel hier unter dem Einflusse des Kardinal⸗Erzbischofs Riario Sforza in offene Fehde darüber geriethen. Am 3. Dezember theilte der mailän⸗ dische „Osservatore Cattolico“ eine Instruktion der Kongregation der Penitenziaria an die Bischöfe mit, die einer prinzipiellen Entscheidung aus dem Wege ging und nur die augenblickliche Lage als inopportun für die Betheiligung an den Wahlen be— zeichnete attentis omnibus circumstantiis non expedit, hieß es dort ; zugleich wurde freilich die Annahme eines Mandates den Gläubigen als überhaupt nicht zu dulden hingestellt. Aber selbst diese letztere Bestimmung, das ergiebt sich aus der päpstlichen Ansprache an die Frauen des Circolo Melania, ist

Protestzustande gegen das Königreich Italien ihren Priestern die Ablegung des Eides auf die Verfassung dieses Staates nicht ge⸗ statten darf, ohne thatsächlich aus ährer ausfichtslosen Negative herauszufallen.

Außerdem aber verlautet von geheimen Anweisungen an die Bischöfe, nach eigenem Ermessen die Betheiligung der Ultramon⸗ tanen zuzulassen, wo ein der Kirche vortheilhaftes Ergebniß und ein solches wollte man in Förderung des Radikalismus er—⸗ blicken zu hoffen stand. So viel ist zweifellos und wird durch Worte des Papstes selbst in der Allokution vom 21. Dezember bestätigt, daß der Klerus trotz aller Ableugnungen der strengen Abstraktionisten sich in weiterem Umfange thätig bewiesen hat, als die Kurie er⸗ wartete. Gleichwohl hat man nicht vernommen, daß geistliche Strafe über diejenigen Priester verhängt worden, welche gewählt haben, wie es sicherlich eine Partei gewünscht man hatte von suspensio à divinis auf einen Monat und Auferlegung von Exercitien gesprochen ja es scheint im Gegentheil, als ob es dem oben genannten Kardinal Riario Sforza gelungen sei, sich persönlich bei dem Papste vollkommen zu rechtfertigen.

Die Ankündigung der Organe der Linken, sie besitze die Majorität in dem neu gewählten Körper, zerfiel schon am 25. No⸗ vember, als bei der Praͤsidentenwahl der Kandidat der Rechten, Biancheri, mit 64 Stimmen gegen den, übrigens sehr gemäßigten Kandidaten der Opposition, den ehemaligen Minister Depretis den Sieg davon trug. Bei so konstatirtem Parteienverhältniß hätte die Linke mit Ergebenheit ertragen mögen, daß sie auch in der Wahlprüfungskommission in der Minorität blieb. Das wenigstens ist auch von Anhängern derselben mißbilligt worden, daß am 6. Dezember die Minorität dieser Kommission, die Herren Depretis, Crispi, Nicotera, Lacava, dazu allerdings auch der der Rechten zugehörige Negrotto in schroffer Weise aus der⸗ selben austraten, weil eine gewisse Wahl für ungiltig erklärt wurde.

Am 5. Dezember brachte die Regierung die Vorlage, außer⸗ ordentliche Maßregeln zur Herstellung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit betreffend, ein, und wurde die Dringlich⸗ keit dieses in Programmreden der Minister und in der Eröff⸗ nungsrede des Königs so stark betonten Gesetzes auch ohne Weileres zugestanden. Sorgfältige Vorbesprechungen der Regie⸗ rungsmajorität im Hause des Ministers des Innern haben doch nicht verhindert, daß das Gesetz, zu dessen nothwendiger Ergän⸗ zung eine Beschleunigung des Justizverfahrens vielseitig ge⸗ fordert wurde, in der Mehrzahl der 9 Bureau der Kammer für unannehmbar befunden wurde. .

Die Vorlage, die zunächst einem bereits das Ausland in Mitleidenschaft setzenden Zustande Siciliens Abhülfe schaffen soll, beschränkt sich nicht auf diese am meisten gefährdete Provinz. Je nach der Parteistellung werden die vorgeschlagenen Maß⸗ regeln selbst als zu strenge oder unnöthig oder als nicht energisch genug aufgefaßt.

Der Linken, welche vor nicht langer Zeit selbst die Noth⸗ wendigkeit energischster Maßregeln befürwortet hatte, scheint es bei ihrem Widerstande gegen das Gesetz mehr um den Sturz des Ministers des Innern, Cantelli, zu thun zu sein. .

Gegen diesen und auch gegen den Justiz⸗Minister Vigliani werden daher einige Vorkommnisse benutzt, die, auch an und für sich betrachtet, nicht unerwähnt bleiben dürfen.

Im Monat August, als man schon wußte, daß Neuwahlen bevor⸗ ständen, wurde zu Rimini in der Villa Ruft plötzlich eine An⸗ zahl von Männern, Leiter zum Theil von demokratischen oder republikanischen Vereinen, verhaftet, und man sprach damals von einer Verschwörung zum Umsturze der bestehenden Drd⸗ nung der Dinge. Zwar behauptete die Oppositionspresse sofort, daß es sich bei jener Zusammenkunft lediglich um eine Vorbe⸗ sprechung über das Ob und Wie der Wahlbetheiligung dieser theoretisch extremen, aber persönlich zum Theil selbst von Gegnern hoch geachteten Männer handele, und man forderte schnelle ge⸗ richtliche Behandlung der angeblichen Verschwörer. Wegen eines Protestes gegen diese Verhaftungen, d. h. wegen der Form desselben, wurden am 10. Dezember zehn Unterzeichner in Ra⸗ venna in eine Geldbuße verurtheilt. .

Als nun kurz vor Eintritt in die Wahlbewegung ein Theil der Verhafteten, darunter der von 1848 her bekannte Aurelio Saffi, in Freiheit gesetzt wurde, so schien die Erwartung berech⸗ tigt, daß gegen die Zuruͤckbehaltenen gegründete Verdachtsmomente vorlägen. Statt dessen erfuhr man mehrere Tage nach Beginn der Kammervakanz, daß auch diese wegen Mangels an Beweis⸗ 5 nach fast fünfmonatlicher Haft in Freiheit gesetzt worden.

Auch die Genugthunng, welche man über die endliche Ab⸗ urtheilung jener Mesferheldenbande empfinden mochte, welche Jahre lang Ravenna und dessen Gebiet unsicher gemacht hatte, es war am 12. Dezember, als ihrer elf zu lebenslaͤnglicher Zwangsarbeit, die übrigen zu zehnjähriger verurtheilt wurden. wurde einigermaßen getrübt durch die Erwägung daß die Ver⸗ brecher bereits vier und ein halbes Jahr in Untersuchungs⸗ haft gesessen hatten. ö

Am 28. November veröffentlichte „Diritto“, Hauptorgan

talen Kirchenpolitik, ein Circular des Ministers Cantelli an die Präfekten, das eine erhebliche Besorgniß in Betreff revolutionä⸗ rer Unternehmungen zu erkennen gab. Der Minister bezeichnete den Tag, an welchem Garibaldi in Rom erschiene, als das Signal zu bevorstehenden Unruhen. Seither ist darüber Still⸗ schweigen beobachtet worden.

Am 13. Dezember gewann das Ministerium in der Kammer insofern einen neuen Sieg über die Linke, als es durch die An⸗ nahme der Tagesordnung Fossa's einem Tadel entging, den die Linke bei Berathung des vorläufigen Budgets für 1875 zu im⸗ prvyisiren versuchte. Es handelte sich um die bestrittene Gesetz⸗ mäßigkeit der Ausführungsbestimmungen für die Mahlsteuer. Die damalige Abstimmung erfolgte mit 188 zu 145 Stimmen. Nachdem das vorläufige Budget genehmigt worden, ver⸗ tagte sich das Haus am 19. Dezember,. Als Grund der längeren Ferien gab man an, daß dafür auch nicht die sonst übliche Karnevalsvakanz in Anspruch genommen werden solle.

Der Senat der durch 12 neu ernannte Mitglieder, dar⸗ unter der Komponist Verdi, verstärkt wurde, genehmigte die von der Kammer angenommenen Gesetze am 23. Dezember, Diese Körperschaft hatte am 3. Dezember den Verlust ihres ehrwürdigen Präsidenten Des Ambrois de Neväche zu betrauern. Er war am 30. Oktober 1807 zu Oulx (Susa) geboren, studirte in Turin die Rechte, wurde, nachdem er eine Zeit lang als Staatsanwalt fungirt, 1841 General⸗Intendant der Provinz Nizza und 1844 Minister des Königs Carl Albert; 1848 unterzeichnete er die Verfassung, an deren Entwurf er selbst den wesentlichsten Antheil gehabt hat und wurde Mitglied des Parlaments; 1849 wurde er Senator und bald in den Staatsrath berufen, dessen Vize⸗Präsident er bis 1859 war. Im Jahre 1859 war er außerordentlicher Ge⸗ sandter und bevollmächtigter Minister in Paris. Von 1855 bis 1860 behauptete er die Vize⸗Präsidentschaft des Senats und seit 1874 die Präsidentenwürde. Dem Verstorbenen, als Ritter des Annunziaten⸗Ordens, wurde ein Leichenbegängniß mit König⸗ lichen Ehren zu Theil. Dabei war bemerkenswerth, daß die Pfarrgeistlichkeit der römischen Kirche S. Lorenzo in Lueina einen Konflikt vermied, den klerikale Heißsporne wohl gewünscht hätten, da es einem treuen Diener seines Königs und seines Staates galt.

Zum Nachfolger des Verstorbenen ist der bisherige Ver⸗ treter Italiens in London, Cadorna, ernannt. Da auch Ende November bekannt wurde, daß Caraceiolo di Bella seinen St. Peters⸗ burger Posten verläßt, da ferner für Madrid eine Vertretung fehlt, so stehen demnächst einige Veränderungen in der italieni⸗ schen Diplomatie bevor.

Am 1. Dezember starb der Deputirte für Casale, Filippo Mellana, einer der wenigen Veteranen der ganzen Entwickelungs⸗ geschichte der staatlichen Einheit Italiens.

Durch den erwähnten Prozeß der Accoltellatori von Ra⸗ venna war den Einwohnern auch anderer Orte Muth gemacht, Uebelthäter, die lange geduldet waren, zur Anzeige zu bringen. Freilich ist das auch jetzt noch, und nicht nur in Sicilien, lebens⸗ gefährlich. Doch hat man in Ferrara 56 Individuen dingfest gemacht, die einem Geheimbunde, wie jene Ravennaten, ange⸗ hören. In Neapel ist man thätig, immer neue Mitglieder der Camorra fest zu nehmen. In Florenz befinden sich im Ganzen 66 Anhänger der Internationale in Haft. Am 18. November setzte die Rathskammer des Korrektions⸗Tribunals 6 in Freiheit, verhängte indessen über andere 6 die Untersuchung. Die Anklage, auf Verschwörung lautend, ist an den Appellhof in Florenz überwiesen worden.

Im Vatikan erschienen seit der Mitte des Novembers nach und nach eine größere Anzahl von Bischöfen, namentlich Engländer, und unter diesen als Erzbischof von Westminster Herr Manning. Der Eindruck der Gladstone schen Broschüre muß sich auch in diesen Kreisen als ein gewaltiger geltend ge⸗ macht haben. Unter diesem Eindruck wäre nämlich von Seiten des englischen Episkopats versucht worden, eine gewisse Selbst⸗ ständigkeit gegenüber den Weisungen der Penitenziaria zu erlangen.

Am 8. Dezember feierte man in der Peterskirche und durch Deputationen an den Papst den zwanzigsten Gedächtnißtag der Proklamirung des Dogmas der immaculata conceptio. In der Stadt Rom ging die Feier spurlos vorüber.

Kurz vorher war eine französisch geschriebene, anscheinend von der italienischen Regierung veranlaßte Broschüre (Les lois ecolssiastiques) zur Widerlegung des bekannten Briefes des Bi⸗ schofs Dupanloup an den Minister Minghetti erschienen. In derselben wurde eine Anzahl auffallender Irrthümer und Lücken im Wissen des französischen Bischofs, der im Ruf eines Ge⸗ lehrten gestanden hatte, aufgedeckt und dargethan, daß die ita⸗ lienische Regierung, weit entfernt, die Vorwürfe der Beraubung der Kirche und der feindseligen Rücksichtslosigkeit gegen dieselbe zu verdienen, vielmehr die Schonung bis zu einer Ueberspannt⸗ heit übe, die ihr selbst im eigenen Lande eine heftige Opposition erwecke. Diese Vertheidigung wurde von der Presse der Linken als ein Eingeständniß der Schwäche aufgefaßt.

Am 22. Dezember erhielt der Bischof Eugenio Cano von Bosa (Cagliarih, dessen Ernennung volle drei Jahre zurückliegt, das Königliche Exequatur. .

In einem Consistorio der Rame wurde geflissentlich ver⸗ mieden *), wie auch Papst und Würdenträger der Kirche die für den Advent vorgeschriebenen Trau er gewänder angethan hatten am 21. Dezember erfolgte die Ernennung einer Anzahl von Bischöfen, 3. B. die des Historiographen des vatikanischen Konzils Don Eugenio Ceceoni auf den erzbischöflichen Stuhl von Florenz, und die des Priesters von Lucca Don Raffaele Mezzetti zum Bischof von Livornoö. Im Ganzen wurden 39 Sprengel versorgt, Die von dem Papste bei dieser Gelegenheit vorgetragene Allocutio hatte es diesmal auf die angebliche Verfolgung der hassunisti⸗ schen Armenier durch die türlische Regierung abgesehen.

Aus Anlaß des Weihnachtsfestes und des pästlichen Namens⸗ tages, sowie zur Neujahrsgratulation fanden die gemohnten demonstrativen Empfänge im päpstlichen Palaste statt; mit den betreffenden Adressen und Antworten beschäftigt sich noch zur Zeit ein Theil der römischen Presse. So hielt am 26. ein römi⸗

scher Patrizier Cavalletti, senatore di Roma, eine Ansprache, worin derselbe sich sogar eine unartige Anspielung auf die Thron⸗

parteien, die moderirt⸗liberale Regierungspartei und die Dppo⸗ sition, mit einander gerungen. Vorwürfe gesetzwidriger Pres sionen

der Opposttion, namentlich der Bekämpfung der gouvernemen⸗

Es heißt im offiziellen Stil der Kurie provrista di chiese.