1875 / 13 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

J. Generglversammlung des Gesammtvorstandes der Kaiser Wilheim⸗Stiftung für deutsche Invaliden.

Unter dem Vorsitze Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen hielt der Gesammtporstand der Kaiser Wilhelm Stif⸗ tung für Deutsche Invaliden am Freitag Abend im Reichstagsgebãude seine erste Generalversammlung. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit wurde von dem Vorsitzenden des Ausschusses ehrfurchtsvoll empfangen und gab, nachdem Höchstderselbe die Sitzung für eröffnet erklärt, dem Geheimen Ober Regierungs Rath a. D. Wulfshein das Wort. Der—⸗ selbe theilte mit, daß Se. Majestät der Kaiser und König in dem Allerhöchsten Erlasse vom 1. Juni 1871, mit welchem Allerhöchst⸗ derselbe die Statuten der Stiftung zu bestätigen geruhten, bestimmt haben, daß nach Ablauf von drei Jahren eine allgemeine Revision der Statuten erfolgen solle. Der Verwaltungsausschuß hat eine Kommission aus seiner Mitte zur Vorbereitung dieser Angelegenheit gewählt. Im Einverständniß mit der Kommission hält der Ausschuß eine Aende⸗ rung der Statuten nicht für angezeigt, hat jedoch beschlossen, das Stimmverhältniß der einzelnen Länder im Gesammtvorstande so zu ordnen, daß es mit der Anzahl der Vertreter im Bundesrathe über⸗ einstimmt. . .

Da sich von keiner Seite gegen diesen Beschluß ein Widerspruch erhob, erklärte Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz denselben für angenommen.

Dierauf erhielt zur Erstattung des Jahresberichtes der General der Jufanterie z: D. von Etzel das Wort. Derselbe bat um die Er⸗ laubniß, auf die Verlesung des umfangreichen Berichtes verzichten zu dürfen, da derselbe gedruckt und sämmtlichen Mitgliedern zugesandt worden ist. Wir entnehmen dem Berichte nachstehende Daten:

Die Organe der Kaiser Wilhelm⸗Stiftung für Deutsche Inva— liden sind auch im verflossenen Jahre bemüht gewesen, der ihnen durch das Statut gestellten Aufgabe nach Kräften zu entsprechen. Nach bewährten Grundsätzen hat sich der Verwaltungsausschuß be⸗ müht, jedem zu seiner Kenntniß gelangten Nothstande der seiner Fürsorge anheimgegebenen Opfer des Krieges zu begegnen, und auch den Zweigvereinen bei ihrer segensreichen Wirksamkeit die statuten⸗ mäßige Hülfe zu gewähren. Der Verwaltungsausschuß ist bemüht gewesen, bei der Bestimmung der Höhe seiner Gaben vorzugsweise das vorliegende Bedürfniß ins Auge zu fassen, ohne sich durch die voraussichtliche Nothwendigkeit einer noch viele Jahre hindurch an⸗ dauernden gleichen Hülfeleistung zu einer knapperen Bemessung der Be—⸗ träge bestimmen zu lassen. Es soll jedem Nothstande wirkliche und voll⸗ ständige Abhülfe zu Theil werden, und sollten dadurch auch dereinst die Mittel vor der Zeit erschöpft werden, so wird der Ausschuß nichts destoweniger den Wünschen der Geber entsprochen haben, wenn er keinen Invaliden darben ließ, so lange er die Mittel zur Abhülfe besaß. Der dann lebenden Generation wird die Aufgabe bleiben, das Werk derer zu vollenden, durch deren Opferwilligkeit unser jetziges Stammkapital aufgebracht worden ist. Daß der Zeitpunkt nur all— zufrüh eintreten wird, wo die bisherigen Mittel des Centralfonds der Stiftung erschöpft sein werden, ist nach den bisherigen Erfahrungen freilich nur allzugewiß. Während die Einnahmen mehr und mehr abnehmen, wachsen die Ausgaben, und es mußte deshalb eine erheb⸗ liche Summe des Kapitalfonds zur Befrin digung der laufenden Be⸗ dürfnisse eingeworfen werden.

Wenn im vorigen Jahresberichte noch Zuwendungen im Betrage von 101.458 Thlr 11 Sgr. 4 Pf. zu bezeichnen, so sind dieselben im Jahre 1873 auf 16,987 Thlr. 8 Sgr. 10 Pf. herabgegangen. So⸗ dann wurden im Jahre 1873 statt der im Jahre 1872 verausgabten 197,765 Thlr. 15 Sgr. 2 Pf. nicht weniger as 118,705 Thlr. 11 Sgr. 7 Pf. an Unterstützungen gezahlt, und während im Vorjahre den Zweigvereinen nur Zuschüsse von 3810 Thlr. bewilligt wurden, haben diese Zuschüsse im Jahre 1873 sich auf die Summe von 27,872 Thlr. 21 Sgr. 5. Pf. belaufen. Besonders zugenommen haben die Gesuche von Brustkranken und Schwindsüchtigen, deren Leiden sich erst seit der Beendigung des Krieges mehr und mehr entwickelt hat, und welche daher den Beweis der Dienstbeschädigung, wie er von der Militärbehörde verlangt wird, nicht zu führen vermögen. In Folge ihrer naturgemäß zunehmenden Hülfsbedürftigkeit erfordert die Unter⸗ haltung dieser in vielen Fällen der Staatshülfe entbehrenden Opfer des Krieges Seitens des Vereins immer größere Aufwen⸗ dungen. Auch die Zahl der vom Staate nur als Halb— invaliden anerkannten und deshalb, ihrer beschränkten Erwerbsfähig— keit ungeachtet, ohne Penston verbliebenen Militärs hat sich vermehrt. Auch die ungewöhnliche Steigerung des Preises aller Lebensbedürfnisse hat ebenfalls die Ausgaben wesentlich erhöht. Sodann sind auch in dem Jahre 1873 einer großen Anzahl von Invaliden, sowohl Offi⸗ zieren als Mannschaften, theils baare Unterstützungen zu Badekuren gezahlt, theils innen am Badeorte freie Unterkunft, Verpflegung und Bäder für Rechnung des Vereins in gleicher Weise gewährt. Hierbei sei in dankender Weise der Männer gedacht, die auch im Jahre 1873 sich bereitwillig der Mühe unterzogen haben, an den verschiedenen Kur⸗ orten die unmittelbare Fürsorge für die zur Kur anwesenden Invaliden zu übernehmen. Es sind dies für Ems: Dr. Döring, für Kreuznach

farrer Wenzel, für Lippspringe Amtmann Trettner, für Oeynhausen Najor z. D. v. Bülow, für Reinerz Rathsmann und Stadtältester Neumann, für Salzbrunn Brunneninspektor Manser, für Teplitz Banquier Bernh. Mayer, für Warmbrunn Landrath v. Grävenitz zu Hine. für Wiesbaden Konsistorial Rath und Divisionspfarrer ohmann. Auch Baron v. Crousaz zu Vannes bei Lausanne hat sich mit großer Fürsorge der Militärs angenommen, die sich zum Ge— brauche klimatischer Kuren nach dem Genfer See begeben hatten.

Auf dem Gebiete der für die gedeihliche Wirksamkeit der Stif— tung so bedeutungsvollen Bildung und Hülfeleistung von Zweigvereinen ist kein wesentlicher Fertschritt zu verzeichnen. Haben sich auch im Königreich Preußen im Jahre 1873 34 Vereine neu gebildet, so hat dagegen in älteren Zweigvereinen die Theilnahme in bedauerlicher Weise abgenommen und die Zahl der Mitglieder und die Einnahme sich vermindert. Es bestanden am Ende des Jahres 1873 in Preußen 327 Zweigvereine. Auch das bayerische Central⸗ Comits hat in seinem Berichte bestätigt, daß noch auf viele Jahre hinaus Ansprüche von gleichmäßig andauernder Höhe an den Verein gestellt werden. Auch haben sich in Bayern die Leiden der Invaliden erst jetzt allmählich zu einem Zustande gesteigert, in welchem sie, meist zu jeder Arbeit unfähig, in vermehrtem Maße die Hülfe der Stiftung zu beanspruchen genöthigt sind. Als einen besonders ersprieß— lichen Zweig seiner Thätigkeit betrachtet das bayerische Central⸗ Comité den Betrieb von Heilstationen für Invaliden. Solche haben

bestanden zu Rosenheim, Reichenhall, Aibling, Kissingen und Lud⸗ wigsbad, zu Krumbad, Mindelheim und Wemding, in welchen An⸗ stalten 254 Verwundete und Kranke eine meist von gutem Erfolg be⸗ leitete Aufnahme fanden. Die Verpflegungs⸗ und Kurkosten übernahmen tets die Vereinsorgane, während das Kriegs-Ministerium die Reise⸗ kosten, für welche auf den Bahnen halbe Fahrtaxe bewilligt ist, be—= reitwilligst erstattete. Das bayerische Centralcomits findet sich über⸗ haupt n seiner Dankbarkeit gegenüber den Königlich baye⸗ rischen Militärbehörden für das besonders freundliche und coulante Entgegenkommen Ausdruck zu geben, welches sämmtliche Vereins⸗ organe bei ihren geschäftlichen Kommunikationen mit denselben stets gefunden haben. Das Vermögen des bayerischen Vereins und der Ausschüsse hat sich am Ende 1873 einschließlich eines vom Centralfonds gelieferten Zuschusses von 35,000 Fl. auf 195,445 Fl. belaufen. An Unterstützungen haben die Vereinzorgane im Jahre 1873 nicht weniger als 50,548 Fl. verausgabt, und zwar an 1019 Invaliden vom Feldwebel abwärts und 66 Offiziere, sowie an 161 Hinterbliebene von Militärs der erstgedachten und an 4 Hinterbliebene solcher der letzten Kategorie. Der Verein und die Ausschüsse hatten am Schlusse des Jahres einen Be⸗ stand von 135,865 Fl. Der Württembergische. Landesverein der Kaiser Wilhelm ⸗Stiftung hat im Laufe des Geschäftsjahres 1873 allein an Vermächtnissen eine außerordentliche Einnahme von 4000951. gehabt. Es ist diese erfreuliche Erscheinung ein unverkennbarer Be⸗ weis für die bewährte nationale Gesinnung, welche in dem württem- bergischen Volksstamme lebt. Auch dort haben sich die Anforderungen an die Stiftung namhaft gesteigert, und noch jetzt ist ein steter Zu⸗ wachs zu konstatiren; betrug die Zahl der im Jahre 1872 Unterstütz⸗ ten 457, so hat sie sich im Jahre 1873 auf 836 vermehrt. Der Landesverein hat gegen 4000 Thaler in unperzinslichen Anla⸗ gen an Invaliden zur Erwerbung von Liegenschaften und ge⸗ werblichen Einrichtungen gewährt. Die Gesammteinnahme des Landesvereins hat bis zum Ende des Jahres 1873 betragen 230,399 Thlr. 7 Sgr. 1 Pf. Davon gehen ab die Ausgaben im Be⸗ trage von 17849 Thlr. 15 Sgr. 7 Sgr., worunter an Unterstützungen 16,959 Thlr. 20 Sgr , sodaß ein Bestand verblieb von 212,549 Thlr. 21 Sgr. 6 Pf. Der sächsische Landes-⸗Militär-⸗Hülfsverein hat die Nachweisung seines Vermsgensbestandes, seiner Einnahmen und Aus⸗ gaben nicht mit besonderen Bemerkungen begleitet. Die Einnahme belief sich für 13753 auf 153, 304 Thlr. 20 Sgr. 2 Pf., die Gesammt⸗ ausgabe belief sich auf 13,654 Thlr. 26 Sgr. 3 Pf., darunter 13376 Thlr. zu Unterstützungen, und zwar 538 Invaliden vom Feld⸗ webel abwärts und 341 Hinterbliebene, darunter in 2 Fällen für solche von Offizieren. Der hadische Landesverein der Kaiser⸗Wilhelm⸗Stiftung zahlte aus seinem Centralfond 19,342 Fl. Unterstützungen und schloß mit einem Vermögensstande von 275,775 Fl.; die Ausgaben der Bezirksvereine betrugen 44,426 Fl., darunter 45,625 Fl. an Uaterstuͤtzungen, der Vermögensständ 254,248 Fl. Die Unterstützungen vertheilten sich auf 867 Personen, nämlich 563 Javaliden und 364 Hinterbliebene. Davon gehörten 9 dem Offizierstande an. Alle übrigen Unterstützungen betrafen Per⸗ sonen aus dem Stande der Unteroffiziere und Gemeinen. Der Lan⸗ desperein des Großherzogthums Hessen hat seine frühere Praxis bei⸗ behalten, ex officis und ohne Anmeldung beim Vereine, welche jedoch zulässig bleibt, auf Grund von Auszügen aus den staatlichen Pen— stonslisten die Bedürftigkeit der Invaliden und Hinterbliebenen zu ermitteln und denselben die demnach erforderliche Hülfe entgegen⸗ zubringen. Unterstützt wurden 200 Invaliden und 89 hinterbllebene Familien, zusammen 289 Fälle gegen 390 des Vorjahres. Nach den Ermittelungen des Vereins hatten sich die Nahrungsverhältnisse von 146 Invaliden und 47 Hinterbliebenen dergestalt verbessert, daß bei ihnen keine weitere oder eine geringere Beihülfe als früher erforderlich war. Dagegen wurden 58 Invaliden und 25 Hinterbliebene mit reicheren Gaben bedacht. Die Gesammtsumme der Beihülfe betrug im Jahre 1873 11,189 Fl, gegen 15 194 Fl. in 1872, und stellt sich der Betrag der seit dem Kriege gewährten Unterstützungen auf 42 086 Fl. Die zu Unterstützenden waren wiederum nach ihrer Bedürftig⸗ keit in 3 Klassen abgetheilt und es erhielten an Jahresrente: die In—⸗ validen 1. Klasse 40 Thlr.; 2. Klasse 30 Thlr.; 3. Klasse 16 Thlr. und Hinterbliebene 1. Klasse 30 Thlr.; 2 Klasse 16 Thlr.; 3. Klasse 12 Thlr. An 3 iwalide Offizlere sind im Jahre 1873 Beihülfen im Gesammtbetrage von 1047 Fl. und an Hinterbliebene von Offixieren solche im Gesammtbetrage von 352 Fl. gewährt worden. Der Bericht des Landesvereins des Großherzogthums Oldenburg giebt zu besonderen Bemerkungen keine Veranlassung Im Groß— herzogthum Mecklen burg⸗Schwerin hat das Vermögen des Landes⸗ ausschusses und der Zweigvereine sich im Jahre 1373 von 16,371 Thlr. auf 18,3690 Thlr. erhöht, obgleich 4027 Thlr. und zwar an 132 Invaliden vom Feldwebel abwärts, an 49 Hinterbliebene von solchen und an einen Offizier an Unterstützungen gezahlt wurden. Die günstige Finanzlage hat es dem Landesausschuß gestattet, am Schlusse des Jahres an die Centralkasse der Stiftung die erhebliche Summe von 500 Thlrn. abzuführen. Die Berichte der Landesvereine im Groß⸗ herzogthum Mecklenburg Strelitz, im Großherzogthum Sachsen⸗ Weimar, im Herzogthum Braunschweig, im Herzogthum Anhalt, im Herzogthum Sachsen⸗Eoburg⸗Gotha enthalten Nichts, was hier her⸗ vorzuheben wäre. Neu aufgenommen ist der, Landesverein im Herzogthum Sach sen⸗Meining en. Derselbe verfügt über verhältniß⸗ mäßig sehr erhebliche Mittel. Seine Einnahmen beliefen sich bis Ende 1373 auf 28,607 Thlr. 10 Sgr. 6 Pf. und haben an 71 Invaliden und 29 Hinterbliebene 2184 Thlr. 15 Sgr. 2 Pf. gezahlt werden können. Aus den Jahresberichten derLandes vereine für das Herzogthum Sachsen⸗ Altenburg, für das Fürstenthum Waldeck, für das Fürstenthum Lippe und für das Fürstenthum Reuß j. L. ist nichts Besonderes hier hervorzuheben ge—⸗ wesen. Der Ham burger Verein klagt ebenfalls über die Minderung seiner Einnahmen und die Steigerung der Ansprüche. Auch er macht die Bemerkung, die sich in den Berichten der meisten Landesvereine wieder⸗ holt, daß bei einer Anzahl von Individuen erst jetzt Gebrechen und Leiden, namentlich auch rheumatischer Art, welche als eine Folge der Kriegs⸗ strapazen betrachtet werden müssen, sich in einem solchen Grade gel⸗ tend machen, daß sie die Leidenden mehr oder minder arbeitsunfähig und unterstützungsbedürftig machen. Er hebt weiter hervor, daß der vom Reichspensionsgesetze und der mit seiner Handhabung betrauten Behörden geforderte firikte Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem Leiden und einer im Felde erlittenen Dienst⸗ beschdigung, je längere Zeit seit dem Kriege verflossen ist, desto schwieriger wird und in Folge dessen zahl⸗ reiche Opfer des Krieges lediglich auf die Hülfe der Vereine ange⸗

wiesen sind, welche, ohne durch die Strenge des Gesetzes und die zu seiner Ausführung gegebene Instruktion gebunden zu sein, be- üglich des Ursprungs der konstatirten Leiden nur nach ihrer moralischen Ueberzeugung urtheilen. Es seien diese Bemerkungen allen deutschen Patrioten zur Beherzigung auf das Wärmste empfohlen, damit sie nicht nachlassen in ihrer Opferwilligkeit, deren die Stiftung auf die Dauer bedarf, wenn diejenigen, die für das Vaterland ihre Gefund⸗ heit geopfert haben, nicht in Noth gelassen werden sollen. Der Bremische und der Lübecklsche Zweigverein bieten zu weiteren Bemer⸗ kungen keine Veranlassung.

Der Redner dankte alsdann nochmals den Herren, die sich in, den verschiedenen Bädern der Sorge für die In— validen in hingebendster Weise unterzogen, und dankte allen Behörden im Deutschen Reiche für die allseitig gewährte Unterstützung. Der Stiftung ist im letzten Jahre ein Legat des verstorbenen Rentiers v. Normann im Betrage von 4750 Thlr., überwiesen worden. Erst nach dem Drucke des Berichts hat der Leipziger Vereln seinen Rechnungsabschluß einge sandt; feine Einnahmen betrugen 48.0900, die Au'gaben 8060 Thlr. Die Zweig⸗ vereine haben sich auch im Jahre 1874 vermehrt, im Königreich Preußen um 12. Es erhielten an Unterstützung die Invaliden in Schlesien 22, 000 Thlr., in Preußen 14000, in Brandenburg 18,006 Thlri, in den anderen Provinzen eine ungefähr gleiche Höhe. Die außerpreußischen Vereine sind meistens sehr gut fundirt, so daß die vom Fentralfonds bewilligten Unterstützungen verschwindend klein sind. Die Rechnungsabschlüsse sind geprüft und die Bücher von kundigen Beamten in bester Ordnung gefunden worden. Redner sprach dez⸗ halb die Bitte aus, dem Verwaltungsausschuß Decharge zu ertheilen.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz geruhten hierauf zu bestimmen, daß für jedes Mitglied des Gesammtvorstandes die Geschäftsbücher acht Tage zur Einsichk offen liegen sollten; erfolge während dieser Zeit kein Widerspruch, so sei die Decharge als ertheilt anzunehmen.

Nach den Statuten schieden folgende Herren, für die Neuwahlen vorzunehmen waren, aus dem Vorstande aus: der Kommerzien-Rath Vollgold, Kammerherr und Major v. Normann, Banquier Ferd. Jaques der praktische Arzt Dr. Brinkmann, Unter-Staatesekretär Dr. Friedberg, Ober ⸗Tribunals-Rath, von Holleben, der ba— dische Gesandte Freiherr von Türckheim, sämmtlich in Berlin, und der Großherzoglich oldenburgische Ober⸗Kammer⸗Rath Rüder in Oldenburg. Auf Vorschlag des General⸗Staatsanwalts Dr. Schwarze aus . wurden sämmtliche Herren durch Akklamation wieder⸗ gewählt.

Da hiermit die Tagesordnung erschöpft war, erklärte Se. Kai⸗ . Königliche Hoheit der Kronprinz die Versammlung für geschlossen.

Höchstderselbe unterhielt Sich alsdann noch mit einer größeren Anzahl der anwesenden Herren und nahm die neuerbauten Räume des Reichstagsgebäudes, sowie die Bibliothek in Augenschein.

Die „Straßb. Ztg.“ schreibt: Die Universitäts⸗ und Lan— desbibliothek verdankt ihr rasches Aufblühen nicht zum geringsten Theile den zahlreichen und werthvollen Geschenken, welche ihr aus Deutschland und dem Auslande, namentlich auch aus England und dessen Kolonien, zugeströmt sind. Neuerdings hat die Bibliothek wie⸗ der ein reiches Geschenk erhalten: Se. Durchlaucht der regierende Fürst Ludwig von Bentheim⸗-Steinfurt hat ihr die Büchersammlung des ehemaligen Klosters Frenswegen (bei Nordhorn, Graf— schaft Bentheim, Landdrostei Osnabruͤch hart an der niederländischen Grenze) geschenkt. Unter den ungefähr 1000 Bänden sind etwa 50 lateinische und niederdeutsche Handschriften auf Pergament und Papier. Von wissenschaftlichem Interesse werden voraussichtlich be⸗ sonders die schönen niederdeutschen Manuskripte sein, geschrieben in dem westfälischen Diglekt der Gegend, welcher schon stark ins Nieder— ländische übergeht. Vermuthlich haben auch einige der lateinischen Handschriften einen selbständigen wissenschaftlichen Werth. Auf alle . sind diese Handschriften eine höchst werthvolle Bereicherung des

ehrmaterials der Universität; es ist für den angehenden klassischen und germanistischen Philologen wie für den Historiker sehr wichtig, schon auf der Universität Handschriften lesen und benutzen zu lernen. In der Frensweger Sammlung befinden sich ferner über 150 Inkunabeln. Die Zerstörung der an Inkunabeln besonders reichen alten Biblio theken in der Belagerung legte es der Verwaltung auf, auf die Er— werbung solcher alten Drucke besonders Bedacht zu nehmen; schon jetzt kann der Liebhaber hier manches Stück sehen, das er vielleicht auf altberühmten Bibliotheken vergeblich fuchen würde. Die bis herige, ca. 1000 Inkunabeln starke Sammlung enthielt meist süddeutsche Drucke; da die Frensweger Inkenabeln zum

größten Theil aus Cöln und anderen Orten Westdeutschlands, sowie

aus den Niederlanden stammen, so bilden sie eine höchst erwünschte Ergänzung jener. Es sei nur erinnert an Cölner Drucke von Ulrich Zell, Guldenschaaf, J. Homborch, Koelhoff, Quentell, an Drucke von Paffroed von Devanter und Johannes de Westphalia in Leyden.

kurz, es ist ein überaus werthvolles Geschenk, durch welches der ö

Sproß eines uralten deutschen Fürstenhauses auf die hochherzigste Weise einer jungen deutschen Schöpfung und dem wiedergewonnenen Reichslande sein Wohlwollen ausgedrückt hat.

Prozeß Ofenheim.

Wien, 15. Januar. . Vernommen wurden der Kaufmann Pfeifer und der r nr. Jeben,

welche als Revisionsräthe der Gesellschaft fungirten. Dieselben gaben an, daß sie die Bilanz durch Stichproben revidirt hätten, und wiesen den Vorwurf zurück, durch unlautere Mittel beeinflußt worden zu sein. Die Versicherungsbegmten Windisch und Wagner, welche alsdann ver⸗ nommen wurden, erklärten, sie hätten als Strohmänner in den Ge⸗ Der Zeuge Nowack sagte aus, daß er

neralversammlungen fungirt.

Mitglied des Aufsichtsraths gewesen sei, ohne Aktionär zu sein. Die

Aussagen der übrigen Zeugen waren von keiner erheblichen Bedeutung.

Zu erwähnen ist nur die Angabe des Hofraths Weber vom Handels

Ministerium, der die Bahn inspizirte, daß von den vielen vorgefun—

denen Mängeln der Bahn manche entschuldigt werden könnten.

Von dem Königlich bayerischen Landrichter Herrn Debon geht uns die nachstehende Erklärung zur Verbffentlichung zu:

Wiederholte Erklärung.

Auf die Erklärung des Herrn Polizei⸗Rathes Weber im Deutschen Reichs⸗Anzeiger vom 8. J. Mis. habe ich nur noch Folgendes zu erwidern:

.Wogegen ich mich zu verwahren hatte, habe ich bereits in meiner Erklärung bündig dargelegt, und bedarf es keiner Wieder⸗ holung des Gesagten.

Insoweit Herr Polizei⸗Rath Weber dabei beharrt, kurze Zeit nach den einleitenden Worten des Vernehmungs⸗Pro⸗ tokolles, noch bevor Herr Fürst Bismarck zur Unter⸗ redung mit Kullmann eingetroffen, hätte ich ihm den Wunsch ausgesprochen, das angefangene Protokoll weiler zu diftiren; insofern derselbe weiter sagt, nach der Feststellung der bei der Unterredung mit Kullmann zugegen Gewesenen und nach der Konstatirung der Personalien Kullmanns hätte ich eben jenen Wunsch geäußert, und zwar vor dem Erscheinenꝰ bes Herrn Reichskanzlers so liegt hierin ein nur auf Irrthum beruhen lönnender Widerspruch um so mehr vor, als ich vor dem Er⸗ scheinen des Herrn Fürsten noch gar nichts mit Kullmann ge⸗

sprochen, hier also weder etwas zu vernehmen, noch weiter zu diktiren war; daß vielmehr, wie inhaltlich der Akten die Re⸗ gistratur über die Unterredung des Herrn Fürsten mit Kullmann, womit auch die Präsenzkonstatirung verbunden war, erst nach der Entfernung des Herrn Fürsten aufgenommen wurde, ebenso auch, was die Akten gleichfalls ergeben werden, erst nach der Registraturaufnahme, also nach der Entfernung des Herrn Fürsten die protokollarische Konstatirung der Personalien Kull⸗ manns erfolgte. Hierauf folgte das Verhör mit Kullmann. Bezüglich der Registraturaufnahme hatte ich, wie bereits er⸗ wähnt, die Mitwirkung des Hrn. Weber in Anspruch genommen. Was dagegen das von mir in eigener ausschließender Thätigkeit mit Kullmann gepflogene Verhör betrifft, so habe ich nur noch das beizufügen, daß ich das betreffende Protokoll spä⸗ ter in der Wohnung des Herrn Fürsten, nachdem derselbe auf meine desfalls an ihn gerichtete Frage den Wunsch, dasselbe zu hören, bejaht hatte, durch den Herrn Protokollführer vorlesen ließ wobei der Inhalt des Verlesenen unmittelbar bestätigt haben dürfte, daß mich meine Gemüths⸗ 3 an der umfassenden Aufnahme desselben nicht behindert habe. Daß mich der Herr Protokollführer ansch ei⸗ nend auf das Unstatthafte der angeblichen Wunsches⸗Aeuße⸗

rung hätte aufmerksam machen wollen, würde derselbe nach seiner Erklärung jederzeit eidlich entkräften, ebenso wie das Be⸗ Ich schließe, auf weitere Bemer⸗

stehen eines Anlasses hiezu. Ben kungen, insbesondere hinsichtlich der unbegreiflichen Insinuation einer Injurie verzichtend mit der Wiederholung, daß auf Seite des Herrn Polizei⸗Rathes Weber nur ein bedauerlicher Irrthum, ein unglückseliges Mißverhältniß obwalten kann. Kissingen, 12. Januar 1875. Er. Debon, K. Landrichter.“

Auf Wunsch des Herrn Polizei⸗Rath Weber, dem wir von ( Die Nationalversammlung, die am 30. Rovember nach

dieser Erklärung Kenntniß gegeben, bemerken wir, daß derselbe auf eine Entgegnung verzichtet. Die Redaktion des Reichs- und Sta ats⸗Anzeigers.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Eypedition (Kessel). Druck! W. Elsner.

Drei Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage.)

Berlin:

jzührung der 15. Juf. Brig. beauftragt.

Das Zeugenverhör wurde heute fortgesetzt.

Art. Regt. König, als

Ant vom Landw. kern befördert.

war,

zum Deutschen Reichs⸗Anz

3 13.

Personal⸗Veränderungen.

Königlich Preusfsche Armee. Offiziere, Portepee--Fähnriche c. Ernennungen, Beförderungen und Versetz ungen. —⸗ Im stehenden Heere.

Ferlin, 2. Januar. Bron sart v. Schellendorff L, Oberst und Chef des Gen. Stabes des Garde⸗Corps, v. Verdy du Ver— no is, Oberst und Chef des Gen. Stabes des J. Armee, Corps, der Nang und die Kompetenzen als Brig. Commdr. verliehen.

Berlin, 5. Januar. v. Loebell, Oberst und Eommdr. des jüs. Regts. Nr. 75, unter Stellung à 14 suite dieses Regts., mit der v. Seeckt, Oberst⸗Lt.,

iggr, dem Inf. Regt. Nr. 55, mit der Führung dieses Regts., unter Stellung a la, suite desselben, beguftragt. Werckmeister, Major und . Stabsoff. im Drag. Regt. Nr. 8, unter Ueberwei⸗

nag zum Großen Generalstabe, in den Generalstab verfetzt. Vogt, . vom Generalstabe des II. Armee⸗Corps, als etats mäßiger SZtabsoff in das Drag. Regt. Nr. 8 versetzt. Holthoff, Sec Lt. om Drag. Regt. Nr. 5, in das Drag. Regt. Nr. 16 versetz. Graf u Dohna Sec. Lt. von der Res. des Kür. Regts. Nr. 3, früher zeec, Lt. in diesem Regt, im stehenden Heere, und zwar im Drag. legt. Nr. 5, als Sec. Lt. wiederangestellt. Oesterheld, Major la suite des Füs. Regts Nr. 38 und Militärlehrer bei dem Ka— ttenhause zu Berlin, unter Entbindung von diesem Verhältniß,

Königlich Bayerische Armee. . Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ze. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im stehenden Heere. . Durch Kriegs⸗Ministerial⸗Reskript. München, 3. Januar. Steinbauer, Pr. Lt. vom 4. Feld⸗ Abtheilungs⸗ALdjutant bestätigt.

Beamte der Militär-Berwaltung. Durch Allerhöchste Verfügung. Hohenschwangagu 4 Januar. Weyh, Verwaltungs⸗-Aspi⸗ ant 1. Kl., im Inf. Leib Regt, Dir igl, Landw. Verwaltungs⸗Aspi⸗ Bezirk München, im 4. Inf. Regt. zu Zahlmei⸗

Aichtamtsliches.

Frankreich. (Monatsübersicht für Dezember 1874)

diermonatlichen Ferien zum ersten Mule wieder zusammengetreten beschäftigte sich am 1. Dezember mit der Wahl der Bureaux. Dr. Buffet wurde mit 348 Stimmen zum Präsidenten erwählt. u Vizepräsidenten wurden die Herren Martel, Benoist d'Azy,

Rerdrel und am 2. Dezember der Herzog Audiffret⸗Pasquier

ernannt. Von besonderem Interesse waren folgende Sitzungen: „Dezember. Der Minister⸗Präsident General de Cisseyn ver⸗ las eine Botschaftsrede des Marschall Mae Mahon, in welcher betont ward, daß das Land den Wunsch hege, die Regierung durch konstitutionelle Gesetze gekräftigt und desinirt zu fehen.

Erste Beilage

Berlin, Sonnabend, den 16 Januar

Die erste Berathung des Gesetzes über die Freiheit des höheren Unterrichts wurde durch längere Reden der Deputirten Bert und Laboulaye eröffnet. 4. Dezember. Der Bischof von Orleans, Dupanloup, sprach für die Freiheit des höheren Unterrichtes. Hr. Ehallemel⸗Lacour, ein Mitglied der äußersten Linken, be⸗ kämpfte diese Freiheit, da dieselbe nach seiner Meinung dem Klerus allein Vortheil und Macht bringen würde. Einige Passagen in der Rede des Hrn. Challemel⸗Lacour, in denen er sagte, daß das Umsichgreifen der Kirchen⸗ gewalt im Auslande und namentlich in Deutschland Anstoß erregen würde, wurden durch lebhafte Protestationen der Rechten unterbrochen. 5. Dezember. Der Bischof Dupanloup beantwortete die gestrige Rede des Herrn Challemel⸗ Lacour und griff beio dieser Gelegenheit die revolutionäre Partei in heftigen Worten an. Die Kammer nahm schließlich die zweite Berathung über das Gesetz, die Freiheit des höheren Unterrichtes betreffend, mit 531 gegen 124 Stimmen an. Sämmtliche Fraktionen der Rechten und das linke Centrum stimmten für die zweite Berathung. Die Minorität war durch die Mitglieder der republikanischen und der äußersten Linken ge⸗ bildet. 6. Dezember. In Versailles und Paris finden öffent⸗ liche Kirchengebete für die Arbeiten der National versammlung mit großer Feierlichkeit statt. 23. Dezember. Die Vorlage des Berichts über die Wahl des bonapartistischen Deputirten Herrn Bourgoing gab zu einer sehr lebhaften Debatte Ver— anlassung, bei der sich namentlich die Zerren Ricard und Rouher betheiligten. Ersterer, ein Mitglied der republikanischen Linken, verlangte, daß das Votum der Nationalversammlung in Bor⸗ deauz, durch welches die napoleonische Dynastie aller Rechte auf den Thron von Frankreich für verlustig erklärt war, wieder zur Geltung gebracht werde. Er sagte, der Ruf: es lebe der Kaiser, sei ein Hochverrath. Herr Rouher suchte darauf in einer längeren Rede den Beweis zu führen, daß der Be— schluß der Nationalversammlung die Souveranetät des Volkes nicht binde, und daß es diesem auch heute noch freistehe, über die zukünftige Form der Regierung Frankreichs, ob Republik, Königthum oder Kaiserthum zu statuiren. Die Nationalversammlung beschloß, daß eine parlamentarische Unter⸗ suchung über die Existenz des bonaparüstischen Comité de Cappel au peuple eingeleitet werde. 24. Dezem ber. Die Kammer debattirte über eine von der Stadt Paris projektirte Anleihe von 220 Millionen. Diese Anleihe wurde genehmigt. Die Kammer vertagte sich darauf bis zum 5. Januar.

Ihre Majestät die Kaiserin von Rußland, welche am 26. November in Paris angekommen war, setzte ihre Reise nach San Remo in den ersten Tagen des Monats Dezember fort. Sie empfing während ihrer Anwesenheit in Paris den Präsi—⸗ denten der Republik, Marschall Mac Mahon und dessen Ge⸗ mahlin, sowie mehrere andere hochgestellte Persönlichkeiten. Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Thronfolger, welcher in Gesellschaft Ihrer Majestät der Kaiserin reiste, empfing und er⸗ widerte die Besuche des Präsidenten der Republik, des Herzogs von Decazes, des Herrn Thiers, des General Fleury und ver⸗ schiedener anderer Staatsmänner.

Der spanische Botschafter Marquis Veja de Armijo erhielt am 6 Dezember vom Herzog von Decazes eine Ant— wort auf die im Monat Oktober überreichte spanische Note. Der Herzog Decazes, Ministerz des Auswärtigen, fuchte in seiner Antwort den Beweis zu führen, daß sich die französischen Beamten keiner Pflichtverletzung oder Fahrlässigkeit schuldig ge— macht haben.

Der deutsche Botschafter, Fürst von Hohenlohe⸗ Schillingsfürst, empfing am 18. Dezember zum ersten Male seit seiner Ankunft in Paris die hohen französischen Be⸗ amten und das ganze diplomatische Corps. Sämmtliche fran⸗ zösische Minister, sowie die Chefs der auswärtigen Missionen und viele andere hochgestellte Persönlichkeiten, darunter auch der frühere Präsident der Republik, Herr Thiers, wohnten dem Empfange bei.

Der von Herrn Perrot veröffentlichte Bericht über die Operationen der französischen Ostarmee greift den General Garibaldi sehr heftig an. Dieser Bericht hat deshalb in der französischen, sowie in der italienischen Presse Veranlassung zu zahlreichen und leidenschaftlichen Kommentaren gegeben.

Der Marschall Mac Mahon vereinigte während der letzten Tage des Monats Dezember die hervorragendsten Mit⸗ glieder der verschiedenen konservativen und gemäßigt liberalen Kammerfraktionen, um mit diesen über die gegenwärtige poli⸗ tische Lage zu berathen und zu einem Einverständniß über die im kommenden Monat Januar vorzulegenden lonstitutionellen Gesetze zu gelangen. Die Versuche, eine Vereinigung des rechten und linken, Centrums herbeizuführen, scheiterten jedoch an der Festigkeit, mit der die verschiedenen Kammermitglieder auf dem von ihnen eingenommenen Parteistandpunkte beharrten.

Die bonapartistische Zeitung „Le Pays“ wurde am 23. Dezember wegen eines in der Nummer vom 22. Dezember er⸗ schienenen Lokalartikels auf 14 Tage suspendirt. Es war in diesem Artikel gesagt, daß der Marschall Mae Mahon die Ver⸗ waltung des Septennats nur übernommen habe, weil Napo⸗ leon 1IV. erst in sechs Jahren stark genug sein werde, um die Zügel der Regierung ergreifen zu können.

Am 31. Dezember empfing der Marschall Mae Mahon das diplomatische Corps und die höchsten französischen Beamten und Würdenträger. An demselben Tage wurde in Paris be⸗ kannt, daß der Prinz von Asturien unter dem Namen Alfons XI. zum König von Spanien proklamirt sei. Der spanische Bot⸗ schafter Marquis Veja de Armijo legte deshalb noch im Laufe des Tages den von ihm bekleideten Posten nieder.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 16. Januar. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstages, in der Diskussion über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Beurkundung des Personenstandes und die eng eh n, nahm der Bundesbevollmächtigte Justiz= Minister Pr. Leonhardt zu 5§. 27 das Wort:

Meine Herren! Die Herren Abgg. v. Seydewitz und Genossen und die Herren Abgg. Dr. v. Schulte, Dr. Marquardsen und Genossen haben übereinstimmend beantragt, daß die Ehemündigkeit des männ⸗

lichen Geschlecht eist mit dem 20. Lebensjahrezzund die des weib⸗—

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1875.

lichen Geschlechts mit dem 16. Lebensjahre eintreten solle. Meine Herren! Dieser übereinstimmende Antrag würde, wie ich glaube, nicht etwa Widerspruch bei den verbündeten Regierungen finden, sondern Beifall. Nun haben aber die Herren Abgg Pr. v. Schulte, Dr. Mar⸗ uardsen und Genossen noch hinzugesetzt: Dispensatisn ist zulässig. Ich glaube, daß auch dieser Zusatz das Gesetz nicht gefährden wird.

Ferner nach dem Abg. Rickert, welcher behauptet hatte, der Ju stiz Minister vertrete jetzt einen anderen Standpunkt, als vor zwei Jahren im preußischen Abgeordnetenhause: .Ich habe als preußischer Justiz⸗Minister im Abgeordnetenhause einem pPreußischen Gesetz gegenüber eine ganz andere Stellung zu nehmen, wie das der Fall ist, wenn ich hier einem Reichsgesetz für Deutschland gegenüberftehe. Demgemäß würde meine Haltung im Abgeordnetenhause in keiner Weise präsudiziren können meiner Hal⸗ tung in diesem Hause. Allein der Herr Abgeordnete täuscht sich auch in dem, was er bemerkt., Zuvörderst wird mir der Hr. Abg. Br. Löwe bezeugen, daß ich mich keineswegs dem von ihm im Abgeord= netenhause gestellten Antrage gegenüber abwehrend, vielmehr zuvor kommend bewiesen habe, und was das andere Bedenken anlangt, meine Herren, so werden Sie vielleicht beachtet haben, ah ich mich in ver⸗ schiedener Weise ausgesprochen habe gegenüber dem Antrage v. Seyde⸗ wetz und gegenüber dem Antrage v. Schulte. Ich habe gesagt, daß die Anträge, soweit sie übereinstimmten, den Beifall der verbündeten Regierungen haben würden, während ich in Betreff des Zusatzes her⸗ vorgehoben habe: ich glaube, daß diefer Zusatz das Gesetz nicht ge⸗ fährden würde.

Zu SF. 28 in Betreff der von den Abgg. Dr. v. Schulte und v. Seydewitz gestellten Unteramendements:

. Meine Herren! Die beiden Unteramendements sind nicht allein wie mir scheint, unhedenklich, sondern sie sind auch zu billigen. In der Hauptsache will man nur das konsenspflichtige Alter, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf, erhöhen. Die Anträge stimmen überein nur differirt der Antrag von Seydewitz gegen den von Schulte in der Art, daß das konsenspflichtige Alter fuͤr Kinder männlichen Geschlechts auf das dreißigste, in dem anderen Antrage aber auf das fünfundzwanzigste Jahr gesetzt ist. Ich glaube nun, daß der Antrag von Seydewitz, wie er liegt, bei den verbündeten Regierungen Schwierigkeiten nicht finden wird: auch in Betreff des Antrages von Schulte wird dieses gelten.

Neben Lieser Erklärung entschuldigen Sie nun wohl die Bitte, welche ich sowohl an Herrn von Seydewitz, wie Herrn von Schulte richte, in ihren Anträgen doch die griechischen Buchstaben auszulassen.

Ferner nach dem Abg. Dr. Windthorst:

Der Herr Abgeordnete von Meppen hat einen tadelnden Blick geworfen auf die neue Gesetzgebung in Betreff des Volljährigkeits= alters. Sehr mit Unrecht, wie ich glaube. Der Herr Abgeordnete hat bemerkt, wenn man es bei den 25 Jahren pelassen hätte, so wären alle Schwierigkeiten beseitigt. Wo war denn das fünfund- zwanzigste Lebensjahr als Alter der Vollsährigkeit Rechtens? In den bei weitem kleinsten Theile Deutschlands. Im Landrechte genügte das vierundzwanzigste, in ganz großen Gebieten, den Rheinlanden, in Sachsen, Bayern und Baden das einundzwanzigste Jahr. Früher bestand in Preußen eins wahre Musterkarte von Vollfährig⸗ keitsterminen; wenn diese Musterkarte zur Zeit fortbestände, so wür⸗ den Sie für dieses Gesetz davon gar keinen Gebrauch machen können, Sie würden jetzt erst recht ein bestimmtes besonderes Alter festsetzen müssen. Ich darf bemerklich machen, daß in der Provinz Hannover, die dem Herrn Abgeordneten für Mephen ja am nächsten liegt, Altersunterschiede von 18, 21, 24 und 25 Jahren bestanden.

Nach dem Abg. Reichensperger, mit Bezug auf eine Aeuße⸗ rung des Abg. Dr. Bähr:

Mit der Bemerkung des Hrn. Abgeordneten Dr. Bähr und dem Taran geknüpften Antrag würde ich mich einverstanden erklären können. Im Uehrigen darf ich mir hier hervorzuheben erlauben, daß ich immer der Ansicht gewesen bin und auch jetzt noch bin, daß die beantragte Aenderung, das dreißigste Lebensjahr mit dem fünfundzwanzigsten zu vertauschen, sich nicht empfiehlt, obwohl ich nicht glaube, daß, wenn Sie die Aenderung annehmen, das Gesetz dadurch gefährdet sei. Ich muß aber annehmen, daß um so weniger ein Grund vorhanden sst, die Aenderung eintreten zu lassen, weil die Differenz zwischen dem fünfundzwanzigsten und vierundzwanzigsten Jahre so gering ist, daß sie eine rechtliche oder physiologische Bedeutung nicht haben kann.

Zu 5§. 31, nach dem Abg. Grafen Bethusy⸗Hue:

Meine Herren! Der 8. 31 regelt einen Gegenstand, welcher in der That sehr schwierig ist. Ich erlaube mir, mich über den Para⸗ graphen etwas näher zu äußern mit Rücksicht auf Anschauungen, Lie bereits in diesem Hause zur Geltung gekommen sind oder wenigstens berührt wurden. Ich will lieber hier in meiner Eigenschaft als Be⸗ vollmächtigter der Königlich preußischen Regierung auftreten und nicht Namens der verbündeten Regierungen, obwohl ich nicht behaupten will, daß die verbündeten Regierungen andere Ansichten hätten, als die hier entwickelten. Ich will das dahingestellt sein lassen.

Ich erblicke in den Anträgen, die sowohl von Hrn. von Seyde⸗ witz, wie von Hrn. von Schulte eingebracht sind, wesentliche Ver⸗ besserungen. Ich würde aber auch noch weiter gehen; ich würde glau⸗ ben, daß die Königlich preußische Regierung keine Schwierigkeit er- heben wird, wenn, z mal nachdem das Alter bei Männern von 30 zu 25 Jahren herabgemindert ist, der ganze Paragraph gestrichen würde, nämlich mit dem Erfolge, daß nunmehr eine, Ergän— zungeklage nicht mehr zulässig ist. Zweitens würde ich glauben, daß die Königlich Preußische Regierung keine Schwierigkeiten bereiten würde, wenn Sie das zweite Alineg streichen würden: „das Gericht entscheidet nach freiem Ermessen'. In diesem Falle würde nämlich in Betreff dieses Gegenstandes das Landesrecht entscheiden. Eine solche Regelung würde formell keine Schwierigkeiten haben, weil dieses Gesetz kein umfassendes Eheschließungsrecht enthält, sondern nur ein Stückwerk aus dem Eherecht, ; .

Dann würde allerdings, so weit ich die Sache übersehe, im All- gemeinen die Entscheidung nach freier Würdigung der Verhältnisse erfolgen; aber nach einzelnen bestimmten Gesetzen, insonderheit nach dem Landrecht, wurde das nicht der Fall fein. Hier ist ein allge⸗ meiner Grundsatz angegeben und dieser dann spezialisirt; diese Var= schriften würden demgemäß bestehen bleiben. . ( ö

Ich würde mich auch einverstanden erklären können mit der Auf- stellung eines Prinzips, wie es enthalten ist in dem letztgestellten Antrage. Ich glaube jedoch, 23 daffelbe noch verschärft werden könnte, um demselben eine größere ö zu geben. Ich glaube, man müßte dann sagen, die Ergänzung darf nur aus besondern oder aus überwiegenden Gründen ertheilt werden, oder in ähnlicher Weise sich ausdrücken. ;

Dieses sind die verschiedenen Gesichtspunkte, welche ich hier an- deuten möchte; ich glaube, wenn Sie den einen oder den andern Ge- danken aufnehmen wollten, wie dieses theilweise hier zur Sprache ge bracht, theilweise bereits in den Anträgen geschehen e die Königlich preußische Regierung Widerspruch nicht erheben würde.

Nach dem Abg. Dr. Lasker:

Meine Herren! Die Abficht bei Entwerfung des Gesetzentwurfs ist entschieden dahin gegangen, durch die Worte: Das Gericht ent-

scheidet nach freiem Ermessen,“ diesenigen landesgesetzlich bestehenden Schranken für daß richterliche Ermessen wegzurgumen, e. noch