Abends 8 Uhr begaben Sich Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron— prinzessin zum Subskriptionsball nach dem Opernhause.
— In dem zu einem großen Saale vereinigten Zuschauer⸗ und Bühnenraum des Königlichen Opernhauses fand gestern Abend der erste diesjährige Subfkriptions⸗Ball statt.
Die äußere Einrichtung und Dekoration der Festräume, mit welchen der zu einem Speisesaal umgewandelte Konzertsaal ver— bunden worden, war im Wesentlichen dieselbe wie im vorigen Jahre.
Der Tanzsaal und die Logen, welche nach dem Bühnenraum zu durch einen Anbau erweitert waren, füllten sich bald nach der Eröffnung des Hauses um 75 Uhr mit einer zahlreichen glän⸗ zenden Gesellschaft. Die Logen zur Rechten nahmen die Herren vom diplomatischen Corps mit ihren Damen ein.
Um 9 Uhr erschienen die Allerhöchsten und Höächsten Herrschaften in den Prosceniumslogen zur Linken, von denen aus Allerhöchst⸗ und Höchstdieselben nach Beendigung des Konzerts den ersten Umgang durch den Saal antraten, mit welchem der Ball eröffnet zu werden pflegt.
Dem Zuge voran schritt der General⸗Intendant der König⸗ lichen Schauspiele, Kammerherr von Hülsen, die Palastdame Ihrer Majestät der Kaiserin⸗Königin, Gräfin von Hacke, führend. Se. Majestät der Kaiser und König führten Ihre Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit die Kronprinzeffin; Ihre Majestät die Kaiserin-Königin wurde geführt von Sr. Kaiser— lichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen, Ihre König— liche Hoheit die Prinzessin Carl von Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont; Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl führte Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Marie, Se. Königliche Hoheit der Prinz Alexander Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Albrecht, Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Mecklen— burg Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Elisabeth ꝛc. Nach der Eröffnung des Tanzes begaben Sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften wiederum in die Logen.
Bei dem zweiten Umgange führten Se. Majestät der Kaiser und König Ihre Königliche Hol it die Prinzessin Carl, während Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin von Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont geführt wurde; es folgte Ihre Kasserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, geführt von Sr. Kö— niglichen Hoheit dem Prinzen Carl; Se. Kaiserliche und Kö⸗ nigliche Hoheit der Kronprinz führte Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Elisabeth, Se— Königliche Hoheit der Prinz Alexander Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Albrecht und Se. Königliche Hoheit der Erb⸗ großherzog von Mecklenburg Ihre Königliche Hoheit die Prin⸗ zessin Marie.
Das diplomatische Corps war außerordentlich zahlreich ver⸗ treten; ebenso bemerkte man sehr viele Mitglieder des Reichstages.
Se. Majestät der Kaiser und König, sowie Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz und die übrigen Prinzen verweilten bis um 1 Uhr, während Ihre Masjestät die Kaiserin— Königin bereits vor 12 Uhr die Loge verlassen hatte. — Der Ball erreichte um 3 Uhr sein Ende.
— Der Bundesrath und der Ausschuß desselben für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.
— Das Staats⸗Ministerium trat heute Mittags 1 Uhr zu einer Sitzung zusammen.
— In Betreff der Reform der Eisenbahn⸗Frachttarife haben die Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Eisen⸗ bahnen, Post und Telegraphen, dem Bundesrath folgenden Antrag zur Beschlußfaffung vorgelegt:
Der Bundesrath wolle in Erwägung, daß das vom Reichs— Eisenbahnamt vorgelegte Ergebniß der mit Delegirten des Handels⸗ standes und der Eisenbahnverwaltungen im Juli und Auguft v. F.
epflogenen Verhandlungen über die Einführung eines einheitlichen racht⸗Tarifsystems für die Eisenbahnen Deutschlands als ein dem Beschlusse des Bundesrathes vom 11. Juni 1874 entsprechendes nicht zu erachten ist; daß demzufolge eine Entscheidung über die Tarif— reform zur Zeit nicht thunlich, unter den obwaltenden Verhältnissen vielmehr eine weitere Erörterung der Angelegenheit und eine Ver— längerung des unter Ziffer 2 jenes Beschluffes gewährten Interi— mistikums mit den nachfolgenden Modifikationen erforderlich erscheint, beschließen:
J. Vom Standpunkte des Reichs ist gegen die weitere Erhebung des durch Beschluß vom 11. Juni 1874 Ziffer 2 zugelassenen inter! mistischen Frachtzuschlages von höchstens 20 Prozent unter der Be— dingung nichts zu erinnern,
1) daß von diesem Zuschlage, wie bisher, ausgenommen bleiben: Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Mehl, Mühlenfabrikate und Salz;
2) daß beim Transport in Wagenladungen und auf größere Ent⸗ fernung — als welche eine Entfernung von mindestens 75 Kilometern zwischen der Versandt⸗ und der Empfangsstatlon angesehen werden soll — der gedachte Zuschlag mit dem 1. April 1875 in Wegfall komme für Brennholz und fuͤr folgende Düngungsmittel: Poudrette, Düngerkalk, Gaskalk, Gagwasser, Chilisalpeter, Ehlorkalium, Fleisch= mehl, Guano, Knochenmehl, phosphorsauren Kalk, Superphosphat, Superphosphorit;
3) daß unter der gleichen Voraussetzung der Zuschlag in Wegfall komme für Kohlen, Koks, Erze, Steine, Roheisen, Bau- und Grubenholz, Vieh und für folgende Futtermittel: Kleiarten, Rüben⸗ preßlinge, Hackfrüchte, Oelkuchen, Rapsmehl und Leinenmehl, insoweit nicht auf den bis zum 1. März 1875 einzubringenden Antrag der Bahnverwaltung die Fortdauer des Zuschlages mit Rücksicht auf die Betriebs und Finanzverhältnisse der betreffenden Eisenbahn von der Landesregierung mit Zustimmung des Reichs⸗Eifenbahnamtes für gerechtfertigt erkannt wird. Ist bis zu dem gedachten Zeitpunkte die Fortdauer des Zuschlages nicht beantragt, so fällt derselbe mit dem J. April 1875 hinweg. Die Entscheidung auf den Antrag der Bahn⸗ verwaltung ist mit thunlichster Beschleunigung herbeizuführen.
1I. Der Reichskanzler wird ersucht, nach borgängiger Vernehmung von Sachverständigen aus den Kreisen des Handelsstandes, der In⸗ dustrie, der Landwirthschaft und der Eisenbahnverwaltungen dem Bundesrath, sobald die Vorarbeiten es gestatten, geeignete Vorschlaͤge für die Einführung eines, der Absicht der Reichsverfaffung ent= jprechenden einheitlichen Fracht-Tariffyftemz für die Eifenbahnen Teutschlands zur Beschlußnahme vorzulegen.
Bei diesen Vorschlägen ist davon auszugehen,
1) daß der Beibehaltung und weiteren Ausdehnung des natür⸗ lichen Tarif systems neben einem anderen System nichts entgegensteht;
2). daß bei Aufstellung der Tarifklassen und Regulirung der Frachtsätze für den Transport von Kohlen, Koks, Brennholz, Bau— und Grubenholz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen und Duͤngungs⸗ mitteln in Wagenladungen und auf größere Entfernungen thunlichst der von der Reichsverfassung Artikel 45 Ziffer 2 ins Uuge gefaßte Einpfennig-Tarif zur Anwendung komme;
3 daß mindestens aher die vorgenannten Gegenstände, sowie Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Mehl, Mühlenfabritgté, Vich und Futtermittel in diejenige ermäßigte Tarifklasse eingestellt werden, deren Sätze den am 31. Juli v. J geltend gewesenen gleich oder
Roheisen, Bau. und Grubenholz und Futtermittel aus den unter J. Ziffer 3 gedachten Gründen von der Landesregierung im Einvernehmen mit, dem Reichs- Eisenbahnamt ein höherer Frachtsatz für gerecht fertigt erachtet wird, in welchem Falle jedoch dieser Frachtsatz keinen⸗ falls den am 31. Juli v. J. geltend gewesenen um mehr als 20 Pro⸗ zent übersteigen darf;
) daß die aus der Anwendung vorstehender Grundsätze sich er⸗ gebenden Frachtsätze — unbeschadet der durch Konzesstonen etwa be— gründeten Rechte — als Maximalsätze zu gelten haben, innerhalb deren den Eisenbahnen unter näher festzustellenden Bedingungen die freie Bewegung gestattet werden kann. ;
III. Die Bundesregierungen werden ersucht, Ueberschreitungen, welche bei der Anwendung des durch Beschluß des Bundesraths vom 1I. Juni v. J. interimistisch zugelassenen Frachtzuschlages von höch⸗ stens 20 Prozent vorgekommen sink, im Sinne der auf Seite 15 der vorgelegten Denkschrift des Reichs Eisenbahnamts vom 3. Dezember 1874 enthaltenen Bemerkungen zu beseitigen und der etwaigen Nei—⸗ gung der Eisenba nv rwaltungen zu Tarifermäßigungen thunlichst Vorschub zu leisten.
— Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstages erledigte derselbe mehrere auf die Rechnungen und Finanzen des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches bezügliche Vorlagen, und zwar in zweiter Berathung die Zusammenstellungen der von den betheiligten deutschen Staaten auf Grund des Gesetzes vom 8. Juli 1872 einge⸗ gangenen Liquidationen, auf Grund mündlichen Berichtes der 5. Kom⸗ misston und den Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes vom 8. Juli 1872, betreffend die französische Kriegs kostenentschädi⸗ gung, auf Grund mündlichen Berichtes der Budgetkommission. — Ferner den 6. Bericht der Reichsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Norddeutschen Bundes, beziehungsweise des Deutschen Reichs im Jahre 1873 und den J. Vericht der Reichsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Norddeutschen Bundes, beziehungsweise des Deutschen Reichs im Jahre 1874 und Ersten Bericht der— selben über den Reichskriegsschatz für das Jahr 1874.
Ohne Debatte wurden dann in zweiter Lesung folgende allgemeinen Rechnungen erledigt, resp. die nachgewiesenen Ctats⸗ überschreitungen genehmigt: die Allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das 2. Semester 1867, auf Grund des Berichtes der 5. Kommission, — die Allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1868, auf Grund des Berichtes der 5. Kommission, — die Allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeut⸗ schen Bundes für das Jahr 1869, auf Grund mündlichen Be⸗ richtes der 5. Kommission — und die Allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1870, auf Grund des mündlichen Berichtes der 5. Kommission.
Es folgten die dritten Berathungen des Gesetzentwurfs über den Land sturm, und des Gesetzentwurfs, betreffend die Ausübung der militärischen Kontrole über die Per⸗ sonen des Beurlaubtenstandes, die Uebungen derselben, sowie die gegen sie zulässigen Disziplinarstrafmittel, die beide nach den Beschlüssen der zweiten Lefung ohne erhebliche Debatte angenommen wurden, ersterer in namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 84 Stimmen.
Nach einer ziemlich lebhaften Debatte, an welcher sich die Abgg. Albrecht (Osterode), Frhr. v. Hoverbeck, Duncker. Dr. Lasker, Miquel, Graf Bethusy⸗Hue, Windthorst, Fürst Ferdinand Radziwill, von Kehler und auch der Präsident des Reichskanzler⸗Amtes Staats⸗Minister Dr. Delbrück (S. unter Reichstagsangelegenhgeiten) betheiligten, wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Erwerbung von zwei in Ber⸗ lin gelegenen Grundstüken für das Reich, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage — auch in dritter Berathung unverändert definitiv angenommen und eine zu demselben eingegangene Petition des Kaufmann Bloch aus Breslau für erledigt erklärt.
Endlich wurde noch die dritte Berathung des Ausliefe⸗ rungsvertrages zwischem dem Deutschen Reiche und Belgien, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage erledigt, und der Verlrag unverändert definitiv genehmigt. Schluß 5 Uhr.
— In der heutigen (513) Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tags, welcher die Bundesbevoll mächtigten Präsident des Reichs⸗ kanzler⸗Amts Staats⸗Minister Dr. Delbrück, Unter-Staats⸗ sekretär Dr. Friedberg, Königlich bayerischer Justiz-Minister Dr. von Fäustle, Ministe ial⸗Rath v. Riedel und mehrere Bundeskommis⸗ sare beiwohnten, erledigte das Haus folgende dritte Berathungen: D der Uebersicht der ordentlichen Ausgaben und Einnahmen des Deutschen Reichs für das Jahr 1873, resp. die innerhalb dieses Jahres vorgekommenen Etatsüberschreitungen; 3 der Uebersicht der außeretatsmäßigen außerordentlichen Ausgaben, welche durch den Krieg gegen Frankreich veranlaßt sind oder mit demselben in Zusammenhang stehen, für das Jahr 1873, und des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Verwendungen aus der französischen Kriegskostenentschädigung; 3) der Zusammenstellungen der von den betheiligten deutschen Staaten auf Grund des Gesetzes vom 8. Juli 1872 eingegangenen Liquidationen; des Gesetzentiwurfs wegen Ab⸗ änderung des Gesetzes vom 8. Juli 1872, betreffend die französische Kriegskostenentschädigung; 5) der Allgemeinen Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das 2. Semester 1867, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorschläge der 5. Kommiffion; 6) der Allgemeinen Rechnung uber den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1868, 7) der Allgemeinen Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1869, und 8) der Allgemeinen Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1870, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorschläge der 5. Kommisston.
Die definitive Abstimmung über den Gesetzentwurf sub 4 wird in der nächsten Sitzung ftattfinden, weil noch eine Zusam⸗ menstellung angefertigt werden muß, in welcher die Summen auch in Mark ausgeworfen sind.
Es folgte hierauf die erste Berathung des Gesetzentwur⸗ fes, betreffend die Erweiterung der Umwallung von Straßburg. Die zwei Paragraphen desselben lauten:
„5§. 1. Der Reichskanzler wird ermächtigt, 1 dem durch Artikel J. des Gesetzes vom 8. Juli 1872 für den fortifikatorischen Ausbau der Festung Straßburg zur Verfügung gestellten Betrage einen Betrag bis zur Höhe von 17 Millionen Mark zur Erwesterung der Umwallung von Straßburg u verwenden und zur Deckung der Baukosten, einschließlich der Kosten des Grunderwerbs, diejenigen Grundstücke, welche durch Hinausschiebung der Umwallung für die Militärverwaltung entbehrlich werden, soweit sie nicht für die Reichsverwaltung anderweit erforderlich sind, der Stadt Straßburg für den Preig von 17 Millionen Mark zu verkaufen.
§. 2. Von der im 8. 1 auf 17 Millionen Mark festgesetzten Bedarfssumme für die Erweiterung der Umwallung von Straßburg wird dem Reichskanzler für das Jahr 1875 der Betrag von 6 Mil⸗
am nächsten stehen, es sei denn, daß für Kohlen, Koks, Erze, Steine,
lionen Mark zur Verfügung gestellt.
Die später zu verwendenden Beträge sind in die Reichshaushalts-⸗ Etats der betreffenden Jahre aufzunehmen.“
Der Bundeskommissar Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath, Direktor im Reichskanzler⸗Amt Herzog erläuterte die Vor⸗ lage und bemerkte, daß sich eine weitere Hinausschiebung der Umwallung Straßburgs mit Rücksicht auf die zu erwartende Entwicklung der Stadt und die Nothwendigkeit der Herstellung von Verkehrsanlagen empfehle, damit die Stadt von dem sie umschließenden Steinpanzer befreit werde. Auch sei die Vorlage in politischer Beziehung wichtig, da sie beruhigend auf die Gemüther der Straßburger Bevölkerung wirken werde. Der Abg. v. Benda erklärte sich mit dem materiellen Inhalte des Gesetzentwurfs einverstanden, äußerte aber Bedenken gegen die formelle Seite desselben. Insbe sondere vermißte Redner eine nähere Angabe darüber, woher die 6 Millionen Mark, welche nach 5. 2 des Gesetzes dem Reichskanzler für das Jahr 1875 zur Verfügung gestellt würden, entnommen werden sollen. Das Reich habe doch keine disponiblen Fonds, aus denen die Summe genommen werden könnte; vielleicht würde es sich empfehlen, eine Anleihe zu machen. Alle diese Fragen müßten erörtert wer⸗ den, und er beantrage deshalb, den Gesetzentwurf an die Budget⸗ Kommission zur schleunigen Berichterstattung zu überweifen. Der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats- Minister Dr. Delbrück, bemerkte, daß die 6 Millionen Mark dem Fonds aus der französischen Kriegskostenentschädigung entnommen werden sollen, der in diesem Jahre nicht zu anderweitiger Ver⸗ wendung komme. Nachdem die Abgg. Frhr. v. Hoverbeck und Miquel sich dem Antrage des Abg. v. Benda angeschlossen hatten, wurde derselbe bei Schluß des Blattes angenommen.
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— Dem Reichstag ist jetzt auch der Entwurf der Kon⸗ kursordnung und eines Gesetzes, betreffend die Einführung der Konkursordnung, vorgelegt worden. Die Konkursordnung hat folgenden Inhalt: Erstes Buch. Konkursrecht. 1) Allge—⸗ meine Bestimmungen. 2) Erfüllung der Rechtsgeschäfte. 3) An⸗ fechtung. 4) Aussonderung. 5) Absonderung. 6) Aufrechnung. D Massegläubiger. 8) Konkursgläubiger. — Zweites Buch. Konkursverfahren. I) Allgemeine Bestimmungen. 2) Eröffnungs⸗ verfahren. 3) Theilungsmasse. 4) Schuldenmasse. 5) Verthei⸗ lung. 6) Zwangsvergleich. 7) Einstellung des Verfahrens. 8) Besondere Bestimmungen. — Drittes Buch. Strafbestim⸗ mungen. . .
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— In Folge der von verschiedenen Blättern gebrachten Notiz, daß das Reichskanzler⸗Amt den Professor v. Raumer in Erlangen beauftragt habe, Grundsätze einer deutschen Rechtschreibung“ aufzustellen, haben wir auf Grund ein⸗ gezogener Erkundigungen in Nr. 8 dieses Blattes vom 11. Ja⸗ nuar mitgetheilt, daß ein solcher Auftrag vom Reichskanzler— Amte nicht ertheilt worden sei. Weitere Ermittelungen in dieser Angelegenheit anzustellen, lag keine Veranlassung vor.
Inzwischen hat der Professor Dr. Rudolf v. Raumer dem Korrespondenten v. u. f. Deutschland“ unterm 13. d. M. eine Zuschrift zugehen lassen, nach welcher die in Rede stehende Auf— forderung nicht vom Reichskanzler⸗Amt, sondern von dem Kö⸗ niglich preußischen Minister der Unterrichts- und Medizinal⸗-A1n⸗ gelegenheiten ertheilt sei.
In Anknüpfung hieran bemerken wir nach der von uns eingezogenen Auskunft, daß die Frage der Herbeiführung einer gleichmäßigen Rechtschreibung zunächst im Gebiet der Schule in der Konferenz zur Sprache gebracht worden ist, welche im Ok⸗ tober 1872 zu Dresden über gemeinsame Interessen des deutschen höheren Schulwesens stattgefunden hat und von sämmtlichen deutschen Regierungen beschickt worden war. Bei diesen Be⸗ rathungen ist es für zweckmäßig erachtet worden, als Grundlage der demnächst zu thuenden Schritte die Vorschläge eines auf diesem Gebiete bewährten Sachverständigen einzuholen.
Demgemäß hat der Königlich preußische Minister der Unter⸗ richtsangelegenheiten unter Zustimmung der übrigen deutschen Staatsregierungen mittels Zuschrift vom 14. Oktober 1874 den Professer R. v. Raumer ersucht, eine Denkschrift auszuarbeiten, welche zur Anbahnung einer größeren Gleichmäßigkeit in der deutschen Rechtschreibung zunächst im Bereiche der höheren Schulen die erforderlichen Unterlagen gewähre.
Der Professor R. v. Raumer, wie bekannt, einer der Haupt— vertreter des phonetischen“ Prinzips, welches in den letzten Jahren gegenüber dem „historischen“ immer mehr Anhänger ge— funden, hat sich diesem Auftrage unterzogen.
— Ueber die Frage, wem die von den Landräthen im Geltungsbereiche der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 festgesetzten Geldstrafen gebühren, hat der Minister des Innern unterm 13. v. M. u. J. folgenden Bescheid an einen Kreisausschuß erlassen:
Was zunächst die auf Grund des Gesetzes vom 14. Mai 1852 endgültig festgesetzten Polizeistrafen betrifft, so fließen die⸗ selben den Amtskassen nur in soweit zu, als sie von den Amts⸗ vorstehern endgültig festgesetzt worden sind. (§. 73 der Kreis⸗ ordnung.) Dagegen müssen die Geldstrafen für Chaussee⸗Polizei⸗ Kontraventionen, welche von den Landräthen als Verwaltern der Chaussee⸗Polizei, vermöge der ihnen im Regulative vom 7. Juni 1844 eingeräumten und nach Inhalt meines Cirkular⸗-Erlasses vom 17. Juni d. J. durch die Kreisordnung nicht aufgeho bene kompetenz, endgültig festgesetzt worden sind, zur Staats kasse abgeführt werden. Die über die Abführung und Verrechnung dieser Strafen durch die Ministerial-Reskripte vom 12. August 1857, 13. Dezember 1859 und 25. August 1860 erlassenen Vorschriften sind noch jetzt in Gültigkeit.
Ebensowenig kann es zweifelhaft sein, daß die Geldstrafen, welche von den Landräthen im Wege des polizeilichen Zwangs— verfahrens auf Grund des 5. 79 der Kreisordnung festgesetzt worden sind, zur Staatskasse fließen. Die Befugniß zu dieser Straffestsetzung ist in dem gedachten Paragraphen ausdrücklich den Landräthen übertragen, mithin als eine ÄAttribution der Stellung dieser Beamten als Kreispolizeibehörde (8. 76, 75) und nicht ihrer Stellung als Vorsitzender des Kreisausschusses anzusehen.
Die von den Landräthen im Disziplinarwege verfügten Ord⸗ nungsstrafen endlich können ebenfalls nicht als Einnahmen des Kreises beansprucht werden. Zu den Kreiskommunalkassen fließen nur diejenigen disziplinarischen Geldbußen, welche nicht von den Landräthen, sondern von den Kieisausschüssen auf Grund der ihnen in den 5§. 35, 68 und 134 der Kreisordnung gegen die dort bezeichneten Beamten eingeräumten Disziplinarbefugnisse, wie solche den Bezirksregierungen nach dem Gesetze vom 21. Juli 1852 zustehen, festgesetzt worden sind.
— Der Richter ist nach einem Erkenntniß des Ober⸗ Tribungls vom 17. Dezember 1874 befugt, den strafrechtlich Verurtheilten von der Tragung solcher Kosten, welche nur in Folge Versehens oder Irrthums des betreffenden Beamten der Staatsanwaltschaft (frustratorische Kosten) gemacht sind, zu ent⸗
binden. Dagegen können derartige Kosten nicht dem betreffenden Beamten zur Last gelegt werden, vielmehr sind dieselben vom Staate zu tragen.
— Die Hehlerei ist nach einem Erkenntnisse des Ober— Tribunals vom 5. Januar er. nicht nur dann strafbar, wenn der Ankäufer durch den Erwerb einen besonderen und außer⸗ gewöhnlichen Vortheil zu erzielen hoffen darf, sondern auch dann, wenn er denjenigen Preis bezahlt, für welchen er auch redlich erworbene Sachen derselben Art ankaufen konnte.
— Der im Artikel XVI. des Einführungsgesetzes zum Preußischen Strafgesetzbuch vom 14. April 1857 enthaltene Satz: „Die einfache Beleidigung (58. 343 des Pr. Str.⸗G.-B.) kann nur im Wege des Civilprozesses verfolgt werden“ ist nach einem Erkenntniß des Ober -Tribunals vom 15. Dezember 1874 durch Einführung des Deutschen Strafgesetzbuches vom 31. Mai 1870, weil dieses eine dem 5. 343 des Preußischen entsprechende Bestimmung nicht enthält, für aufgehoben zu erachten, und es kann deshalb gegenwartig eine jede Beleidigung vom Staats— anwalt verfolgt werden.
— Die Bundesraths⸗Bevollmächtigten, Großherzoglich ba⸗ discher Ministerial⸗Präsident, Wirklicher Geheimer Kath von Frey dorf, und Fürstlich schwarzburg-rudolst. Staats-Minister von Bertrab sind von Berlin abgereist, und der Königlich württembergische Ober⸗Regierungs⸗Rath Baetzner ist hier ein⸗ getroffen.
— Se. Durchlaucht der Fürst zu Waldeck und Pyr⸗ mont, General⸗Lieutenant à la suite der Armee, ist aus Anlaß seiner Ernennung zum Ehef des 3. Hessischen Infanterie⸗Regi⸗ ments Nr. 83 hier eingetroffen, desgleichen der Major von Heynitz, à la suite des 3. Hessischen Infanterie-Regiments Nr. 83 und persönlicher Adjutant Sr. Durchlaucht.
— Der General⸗Lieutenant von Sandrart, Commandeur der 190. Division, der General⸗Lieutenant von Hausmann,
Inspecteur der 1. Feld⸗Artillerie⸗Inspektion, der General⸗Major
Girodz von Gaudi, Commandeur der 20. Infanterie-⸗Bri⸗ gade, und der General⸗Major Dürr, Inspecteur der 3. Festungs⸗ Inspektion, sind zur Abstattung persönlicher Meldungen von Posen hier eingetroffen.
— Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm van Württemberg, Oberst⸗-Lieutenant, beauftragt mit der Führung des Garde⸗Husaren⸗Regiments, ist zum Eommandeur dieses Regiments ernannt worden.
— Der Magistrat hat beschlossen, daß der Stadttheil „Spandauer Revier innerhalb“, der Bezirk des Standesamts 9 künftig Sophienstadt, wie derselbe früher hieß, genannt wer— den soll. Der Stadttheil „Spandauer Revier außerhalb“ wird künftig als Spandauer Revier bezeichnet werden.
Bayern. München, 21. Januar. (Allg. Itg.) Sicherm Vernehmen nach wird Se. Majestät der König am nächsten Sonntag von Hohenschwangau zu einem mehrmonatlichen Aufent⸗ halt hier eintreffen. — Für den Hofball. welcher am 3. Fe— bruar stattfindet, werden bereits alle Vorkehrungen getroffen.
Sachsen. Wie der „Wes. Ztg.“ aus Dres den geschrie⸗ ben wird, beging der dortige „Reichsverein“ am 18. d. M. in einer sehr zahlreichen Versammlung den Jahrestag der Kaiser— Proklamation. Die dabei von Professor Dr. Mayhoff gehaltene Festrede fand solchen Beifall, daß deren Druck beantragt und einstimmig beschlossen wurde.
Württemberg. Stuttgart, 20. Januar. Als Ehren— gabe der Stuttgarter Schützengilde bei dem im nächsten August hier stattfindenden V. Deutschen Bundesschießen wurde in einer gestern Abend stattgehabten Generalversammlung die Summe von Tausend Reichsmark bestimmt. Außerdem gehen fortwährend reiche Gaben als Ehrengeschenke ein. An Garantie⸗ scheinen zum Zustandekommen des Festes wurden bis heute 360,900 Mark gezeichnet, und die Zeichnungen sind noch nicht geschlossen. In Folge des bevorstehenden Festes hat sich auch die Mitgliederzahl der Gilde bedeutend vermehrt.
Baden. Karlsruhe, 19. Januar. Gestern Abend hatte sich im festlich dekorirten Saale des Gasthofes zum „Geist“ eine Anzahl Männer zur Feier des Jahrestags der Gründung des Deutschen Reichs versammelt. Der erste Toast galt dem Deutschen Kaiser, und die freudig erregte Stimmung der An— wesenden wurde noch durch Telegramme gehoben, die von Gleichgesinnten in andern Städten einliefen. ö
— Die „Karlsr. Ztg.“ meldet: „Die von der katholischen Gemeinde in Karlsruhe erwählten Mitglieder der Stiftungs— kommission, die Herren Präsident Hildebrandt, Alt-Bürger⸗ meister Malsch und Verwaltungshof-Direktor Schwarzmann, haben am 18. d. M. ihr Amt angetreten. Ein von drei ultra— montanen Mitgliedern dieses Kollegiums beim großherzoglichen Ober-⸗Stiftungs⸗Rath eingereichter Protest gegen diese Wahl, bez. gegen die Erwählten — weil Altkatholiken — wurde von demselben auf Grund des Altkatholiken⸗Gesetzes vom 15. Juni v. J. zurückgewiesen. Es ist hierdurch konstatirt, daß Alt- und Neukatholiken an der Verwaltung des kirchlichen Ortsvermögens gleichen Antheil haben.“
Hessen. Darm stadt, 21. Januar. Gestern fand in den Räumen des großherzoglichen Palais ein Kammerball statt, wozu nahe an 460 Personen Einladungen erhalten hatten. Der Ball verlief in glänzender Weise und dauerte bis 2 Uhr Morgens.
— Die erste diesjährige Nummer der in Darmstadt er⸗ scheinenden „Allgem. Militärzeitung“ enthält ein vom Hofrath Weyland herrührende Schilderung des Barackenlagers auf dem Griesheimer Schießplatz, zas zur Aufnahme von 1096 Mann incl. Offizieren und 600 Pferden berechnet ist und im laufenden Frühjahr seiner Bestimmung übergeben werden wird.
Sachsen⸗Meiningen⸗Pildburghausen. Meinin⸗ gen, 19. Januar. Der Herzog hat von den vom Gemeinde⸗ rathe vorgeschlagenen neuen Straßennamen u. A folgende angenom⸗ men: „Kaiser⸗Allee, Georgs⸗, Anton Ulrich⸗, Wettiner⸗,Sachsen⸗ Ernestiner⸗ Wörth, Sedan⸗Straße.“
Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 23. Januar. Die Gesetzsammlung enthält eine Bekanntmachung des Herzog⸗ lichen Ministeriums, Abtheilung für Kultusangelegenheiten, die Maturitäts prüfungen bett. Vom 11. Dezember 1874.
Anhalt. Dessau, 21. Januar. (L. 3. Die Wieder⸗ eröffnung der Landtagssitz ungen ist, da einerfeits der Schluß des Reichstages nicht vor Ende des laufenden Monats statt—= finden dürfte, andererseits zur Fertigstellung der Vorlagen noch einige Zeit erforderlich ist, nunmehr erst in der zweiten Hälfte des nächsten Monats zu erwarten.
Sesterreich⸗ Ungarn. Wien, 22. Januar. (W. T. B.) Die aus Agram gemeldete Nachricht, Fürst Nikita habe die Montenegriner zu den Waffen gerufen, erweist sich sicherem Vernehmen nach als absolut unbegründet. Wie von bestunter⸗ richteter Seite verlautet, sind die günstigsten Aussichten auf eine friedliche Beilegung des Konfliktes vorhanden.
Schweiz. Bern, 18. Januar. Dem Bundes rath lag in seiner heutigen Sitzung ein Gutachten der Herren Oberst LaniFeca und Fraisse, der eidgenössischen Experten für die Jura⸗ gewässer⸗Korrektion, vor, auf das hin er den Beschluß faßte, die Regierung des Kantons Bern zu näheren Unter⸗ suchungen der Beschaffenheit der Ufer des Bieler Sees und zur Aufnahme der nöthigen Profile aufzufordern. Bekanntlich hat sich das Ufer dieses Sees in Folge der Tieferlegung seines Spiegels an verschiedenen Stellen in höchst bedenklicher Weise gesenkt. — Oberst J. J. Stehlin von Basel hat seine Entlassung als Nationalrath eingereicht. Derselbe war das älteste Müglied dieser Behörde (geb. 1803). — Der Große Rath des Kantons Neuenburg hat den Ankauf der Eifenbahn-FJura-In— dustriel durch den Staat beschlossen. Der betreffende Beschluß wurde nur mit einer Mehrheit von sieben Stimmen gefaßt, vor⸗ behaltlich seiner Genehmigung durch das Volk. Der Ankaufs⸗ preis ist auf 3450, 000 Fres. angesetzt. Die Volksabstimmung wird am 29, 30. und 31. Januar stattfinden. — Der Landrath des Kantons Glarus hat bei Berathung der Verfassungs⸗ revision den Grundsatz der Trennung der Kirche vom Staat abgelehnt. Ferner verwarf er auch den Antrag auf Aufhebung des Kapuzinerklosters Näfels durch die Verfasfung, und lehnte endlich auch den Antrag ab, die Schule vollständig zur Sache des Staates zu machen. Der Staat soll nur den Gemeinden im Schulwesen kräftige Beihülfe leisten.
Niederlande. Haag, 15. Januar. Die er ste Kammer der Generalstaaten hat seit dem 11. d. Mts. ihre Arbeiten wieder aufgenommen, und zwar steht die Ver⸗ sammlung zur Stunde inmitten der Berathungen über die Etatsvorlage für 1875. Bis jetzt hat sich die Regie⸗ rung weit weniger über das Auftreten der Opposttion, als diese über die von dem Kabinetschef beobachtete Hal⸗ tung zu beklagen. Die den Departements des Auswäriigen und der Justiz gewidmeten Abschnitte des Budgets wurden einmüthig genehmigt. Bei der allgemeinen Berathung erklärte der Kabinets— chef Heemskerk, daß eine Gesetzesvorlage zur Abänderung der Miliz⸗ gesetzgebung zur Zeit dem Staatsrath zur Untersuchung vorliege. Aus der Spezialdebatte über die Etatsvorlage des auswärtigen Amtes ist namentlich hervorzuhehen, daß der Senator Borsius dem Ministerium die Löfung der langjährigen Frage der Theilung der Nationalschuld zwischen dem Königreich der Riederlande und dem Großherzogthum Luxemburg empfahl, worauf Seitens des Ministers des Auswärtigen erwidert wurde: auch er habe, wie der Vorredner, in dem Auftreten eines neuen Kabinets im Groß⸗ herzogthum einen geeigneten Anlaß zur Lösung der betr. Frage erblickt und dieselbe bereits in Erwägung gezogen. Dadurch habe er aber bereits jetzt die Ueberzeugung gewonnen, daß die in Rede stehende Angelegenheit mittels eines Schiedsgerichts der Lösung nicht zugeführt werden könne. Die Spezial⸗ debatte rücksichtlich des Justizbudgets veranlaßte den Mi⸗ nister van Lynden andererseits, eine wesentliche Er⸗ klärung bezüglich des Ausbaues der Gesetzgebung hinsichtlich der Kinderarbeit in Fabriken abzugeben, Redner erörterte nämlich, der heilsame Einfluß des ersten diesbezüglichen Gesetzes dürfe, obwohl dasselbe erst vor einigen Monaten publizirt wurde, nicht unterschätzt werden; denn die Erweiterung des Schulbesuches Seiten der schulfähigen Kinder sei die einzige Folge des Gesetzes nicht. Hr. van Lynden setzte dann auch schließlich nicht blos eine Beschränkung der Nachtarbeit, sondern auch die Erwägung der Frage in Aussicht, ob die Zulassung von älteren Kindern und jungen Leuten in die Fabriken nicht künftig von der Beibringung eines Beweises abhängig zu machen sei, daß dieselben eine Pri⸗ marschule besuchten.
— Mittelst Drahtberichts wurde gestern Abends von der „Staatsztg.“ Kunde der Bemeisterung von 9 Verschanzungen und 4 Kanonen in Longbattah (Atchin), sowie der Ein⸗ nahme des südlichen Theils der betreffenden Gegend und der Anerbietung Pedirs, Friedensverhandlungen eröffnen zu wollen, mitgetheilt. — Gerade am Tage vorher hatten 350 allen Partei⸗ färbungen angehörende Bürger in Amsterdam dem früheren Be⸗ fehlshaber der niederländischen Truppen in Atchin, Lieutenant⸗ General van Swieten, ein glänzendes Festmahl und einen prachtvollen goldenen Tischaufsatz angeboten.
— Der neuernannte General⸗ Gouverneur von Nieder⸗ ländisch⸗Indiens, van Landsberge, hat letzten Sonntag das Dampfschiff „Vorwaarts“, mit dem er sich nach Java begeben wird, in Augenschein genommen. Seine Abreise nach Batavia wird, wie nun bestimmt ist, demnächst erfolgen. Das Gerücht welches in Umlauf gekommen, es werde Herrn van Landsberge ein Vice⸗General⸗Gouverneur beigegeben und auf diesen Posten ein mit den indischen Angelegenheiten genauest bekannter Beamter berufen werden, entbehrt der Begründung.
Großbritannien und Irland. London, 21. Januar. Die heutige „A. A. C.“ meldet: „Die schwere Krankheit des Prinzen Leopold hat den Hof in tiefe Betrübniß versetzt. Nach dem neuesten Bulletin hat der Prinz indeß eine sehr ruhige Nacht verbracht, und da der Blutfluß nicht wiedergekehrt ist, hat die Schwäche des Patienten nicht zugenommen. Der Prinz von Wales, der gegenwärtig bei seinem Schwager, dem Prinzen Christian von Schleswig⸗Holstein in Cumberland⸗Lodge, weilt, erhielt gestern ein Telegramm aus Osborne, demzufolge das Befinden seines Bruders sich einigermaßen gebessert hat. Alle projektirten Festlichkeiten im Schooße der Königlichen Familie sind vor der Hand verschoben worden.
Aus Osborne wird von heute gemeldet, daß Prinz Leopold gestern sehr an Uehelkeit litt, während der Blutfluß sich wieder einstellte. Nach Mitternacht genoß er einige Stun⸗ den Schlaf, aber trotzdem ist er etwas schwächer als gestern.“
— Für die Universität Dublin ist Gibson (konservativ) zum Vertreter im Parlament gewählt worden.
— 22. Januar. (W. T. B.) Der Groß fürst Sergius von Rußland ist gestern zum Besuch des Herzogs von Edin⸗ burgh hier eingetroffen. ; .
— Dem „Globe“ zufolge habe die englische Regierung von der peruanischen Regierung wegen der auf einem eng⸗ lischen Handelsfahrzeug in Callao erfolgten Verhaftung eines Passagiers Aufklärung und Entschuldigung gefordert.
Fraukreich. Versailles, 22. Januar. (W. T. B.) Nationalversammlung. Die Berathung der konstitutio⸗ nellen Vorlagen wurde heute fortgesetzt. Im Laufe der Debatte gab der Minister des Innern, General Chabaud⸗Latour, die Er⸗ klärung ab, daß er in Folge des Beschlusses der Nationalver⸗
sammlung in der Sitzung vom 6. d. M. den Marschall⸗Präsi⸗ denten um seine Entlassung gebeten, daß der Marschall indeß ewünscht habe, daß das Ministerium seine Funktionen bis da⸗ * fortführen solle, wo es ihm gelungen sein werde, ein neues Kabinet zu Stande zu bringen. Das jetzige Ministerium sei daher für seine Handlungen durchaus und vollständig verant⸗ wortlich so lange, bis dasselbe feine Befugnisse an das ihm nachfolgende Ministerium abgegeben habe. Ber Minister wies sodann auf die von der Ralionalversammlung übernommene Verpflichtung hin, die konstitutionellen Vorlagen zu vo⸗ tiren, und verlangte, daß die Nationalversammlung mit Rücksicht auf den Wortlaut ihrer früheren Beschlüsse zur zweiten Lesung der konstitutlonellen Vorlagen übergehe. Lucien Brun (Legitimist) suchte nachzuweisen, daß die National⸗ versammlung, als sie das Gesetz vom 20. November 1873 be⸗ schlossen, nur eine Verlängerung der Gewalten des Marschall Mae Mahon beabsichtigt, irgend eine weitere Verpflichtung mit jenem Gesetze aber nicht übernommen habe. Derselbe knüpfte daran eine Verherrlichung des Grafen von Cham⸗ bord und der Mitglieder des Hauses Orleans; er erinnerte daran, daß der Graf von Chambord ein durch seine Würde und durch die Erhabenheit seines Charakters ausgezeichneter König sei, und daß derselbe einen Prinzen zum Nachfolger besitze, dessen seitheriger Lebensgang schon ausreiche, um ein ganzes Leben beruͤhmt zu machen, und schloß mit den Worten: „Lassen wir daher die konstitutionellen Gesetze bei Seite und berathen wir das Preßgesetz und andere Eesetze aͤhnlicher Art, die dem Mar⸗ schall⸗Präsidenten die Mittel gewähren, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Der Herzog von Broglie hob hervor, daß die Exe⸗ kutivgewalt auf die Dauer von 7 Jahren dem Marschall Mae Mahon unwiderruflich übertragen sei, und forderte die Versamm⸗ lung auf das Dringendste auf, in die zweite Lesung der Vor⸗ lage einzutreten. Nach weiteren Reden Berengers und Jules Favre's und nach einer nochmaligen Erklärung des Ministers des Innern, der die zweite Lesung der Ventavonschen Vorlage beantragte, beschloß die Nationalversammlung mit 557 gegen 146 Stimmen, die zweite Berathung der Vorlage vorzunehmen.
Spanien. Madrid, 22. Januar. (W. T. B.) Nach hier cingegangenen Nachrichten drohen die Carlisten für den Fall einer Beschießung von Zarauz mit Gewaltthaten gegen die dort befindlichen Deutschen, den Kapitän Zeplien und inige von der Mannschaft der Brigg „Gustav“. Die spanische Regierung nimmt Anstand vorzugehen, mit Rücksicht auf die Gefährdung des Lebens der Deutschen in Zarauz.
Barcelona, 21. Januar. (W. T. B.) Gestern haben 3000 Carlisten unter Tristany und Moret das 6 Meilen von hier entfernte Granollers mit stürmender Hans genommen. In der Stadt wurden viel Gewaltthätigkeiten von ihnen be⸗ gangen und sämmtliche Mitglieder des Gemeinderaths von ihnen weggeführt. Es heißt, die Carlisten bereiteten sich auf einen Handstreich gegen Barcelona vor, dessen sie sich unter Mit⸗ wirkung von Anhängern der republikanischen Partei zu bemäch⸗ tigen hofften.
Tudelda (Provinz Navarra), 21. Januar. (W. T. B.) Der König ist hier eingetroffen und von der Bevölkerung auf das Wärmste empfangen worden. Seine Abreise ist auf mor⸗ gen festgesetzt, aber noch nicht bestimmt, wohin er sich zunächst begeben wird.
Türkei. Konstantin opel, 22. Januar. (W. T. B.) Amtlicher Mittheilung zufolge hat die Pforte in der Pod⸗ gorizza⸗Angelegenheit auf die früher gestellte Bedingung verzichtet, daß die Aburtheilung der betheiligten Montenegriner durch die türkischen Gerichte zu erfolgen habe. Demnach steht der friedlichen Lösung der ganzen Angelegenheit kein Hinderniß mehr entgegen.
Rußland und Holen. St. Peters burg, 21. Januar. Am 18. Januar wurde in der großen Kathedrale des Winter⸗ palais von dem Metropoliten von Nowgorod und St. Peters⸗ burg Isidor unter Assistenz zweier Archimandriten und der Hof⸗ geistlichkeit die Messe celebrirt im Beisein Sr. Majestät des Kaisers, des Großfürsten⸗Thronfolgers, der Großfürsten Wla⸗ dimir und Alexei Alexandrowitsch, Konstantin Nikolajewitsch, Nikolai Nikolajewitsch d. A., Nikolai und Peter Nikolajewitsch, der Fürsten Eugen und Georgi Maximilianowitsch Romanowski, Herzoge von Leuchtenberg und des Prinzen Peter Georgiewitsch von Oldenburg, der Prinzen Alexander und Konstantin von Oldenburg, des Herzogs von Mecklenburg⸗Strelitz, der Mitglieder des Reichsrathes, der Minister, Senatoren, Ehrenvormünder, Staats-Sekretäre, der Chargen und Kavaliere des Hofes.
Die nicht in der Fronte stehenden Generale, Stabs- und Ober⸗QOffiziere der Garde, Armee und Flotte befanden sich im Nikolaisaal, während im Wappen⸗ und Feldmarschallsaal, im Avantsaal und im unteren Korridor auf Anordnung der Militär⸗ obrigkeit Truppen aufgestellt waren. Die ganze Parade kom⸗ mandirte Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Nikolai Ni⸗ kolajewitsch, die Truppen im Wappensaal der Großfürst⸗ Thronfolger, im Feldmarschallsaal der Großfürst Wladimir Alexandrowitsch. .
Nach Beendigung der Messe begann in üblicher Ordnung die Prozession zur Wasserweihe an der Newa. Se. Majestät der Kaifer geleitete dieselbe nur bis zur Pompejanischen Galerie und schaute dann mit den Großfürstinnen vom Malachitsaal aus der Ceremonie zu. Die Personen des diplomatischen Corps hatten sich im Nikolaisaal versammelt.
— In einer der höchsten Regierungsinstitutionen wird in nächster Zeit eine Vorlage des Ministers des Innern über einige Veränderungen in den Rechtsbestimmungen über die Ehescheidung römischkatholischer Gatten zur Ver⸗ handlung kommen. Die römisch katholischen Konsistorien sollen nach der Vorlage in Zukunst bei Beginn des Ehescheidungs⸗ prozesses eine Anordnung darüber treffen, wer von den pro⸗ zessirenden Gatten während des Prozesses die Kinder bei sich behalten solle; bei dem Schlußurtheil sollen die Konsistorien ferner bestimmen, welcher Gatte einen Theil oder alle Kinder aus der geschiedenen Che erziehen solle, bis zu welchem Alter die Erziehung dauern solle, und wer von den geschiedenen Gatten die Erziehungs- und Unterhaltungskosten zu tragen habe. Der Betrag dieser Unkosten soll, falls keine gütliche Üeberein⸗ kunft erzielt wird, ebenso wie alle vermögensrechtlichen Ange⸗ legenheiten zwischen Gatten, deren Ehe geschieden oder für un⸗ gültig erklärt worden ist, von den ordentlichen Gerichten ent⸗ schieden werden.
Dänemark. Kopenhagen, 20. Januar. (H. N.) In der gestrigen Sitzung des Folkethings wurden die Gesetz⸗ vorlagen, betreffend Befestigungsanlagen, in Berathung genommen. Die Regierungsvorlagen fanden mehrseitig Wider⸗ stand. Thomsen, feüherer Kriegs⸗Minister, sprach für größere Konzentrirung der defensiven Kraft, also Hauptfestung auf See⸗