— lt) 77.
land in Kopenhagen. Er wolle sich jedoch für keinen Plan er⸗ klären, ehe die Regierung eingehende Erklärungen über die Stellung des Auslandes zu Dänemark gegeben habe. Der Bau eines neuen Seeforts vor Kopenhagen würde unvermeidlich eine fernere Befestigung Kopenhagens nach sich ziehen, dar⸗ auf wollte Redner sich jedoch aus vielen Gründen nicht einlassen. Man müsse das Material des Heeres und der Flotte an eine andere Stelle knüpfen. Man könne sowohl Kopenhagen als die übrigen Häfen durch ein zweckmäßiges Torpedosystem sichern. Agersösund als befestigte Flottenstation fand dagegen, als der beste Punkt, event. seinen Beifall. Die Ausgaben für die Be⸗ festigung ꝛc. wollte Redner mittelst extraordinärer Steuern auf Einkommen und Vermögen herbeischaffen Boyer wollte einen festen Punkt in Jütland bei Frederiks haun. Auf See⸗ land wollte er eine Festung bei Helsingör. Termanien sprach für die Befestigung von Kopenhagen als im Hinblick auf jede feindliche Macht in der Zukunft von höchster Bedeutung. So⸗ wohl dieser Redner als die vorigen erklärten ihre Opferwillig— keit zur Sicherung der Selbständigkeit des Landes.
In der heutigen Sitzung wurde die Befestigungssache fort⸗ gesetzt, fast sämmtliche militärische Mitglieder sprachen sich für di Befestigung Kopenhagens aus und erklärten sich mit der Absicht der Regierung, diesen Gedanken nicht festzuhalten, nicht einverstanden.
Amerika. Aus Washington wird unterm 19. d. M. per Kabel gemeldet: Eine Deputation von Kongreßmitglie⸗ dern der Südstaaten hat eine Unterredung mit dem Präsidenten Grant gehabt, in welcher sie den Beistand der Regierung zur Ausbesserung des durch die jüngsten Ueberschwemmungen in den Mississippi⸗Distrikten verursachten Schadens nachsuchte. Der Präsident erwiderte, daß er stets von dem Wunsche beseelt war, die Wohlfahrt des Südens zu fördern, daß aber die beständige Wiederkehr von Gewaltakten in den südlichen Staaten die Re⸗ gierung wie den Kongreß daran hindern dürften, Beistand zu leisten.
Asien. Aus Kalkutta wird dem Reuterschen Bureau unterm 15. d. telegraphirt: „Baroda ist ruhig. Die britischen Truppen haben die Stadt verlassen und die Truppen des Guico⸗ war halten die Ruhe aufrecht. Die Geschütze sind von dem Residenzgebäude weggeführt worden. Der Oberrichter wird wahrscheinlich in dem Prozesse des Guicowars den Vorsitz führen.“ Der „Times“ wird vom nämlichen Datum gemeldet, daß der Resident von Baroda die leitenden Persönlichkeiten von Baroda versammelte, ihnen die Situation erklärte und auch bemerklich machte, daß eine Annexion des Staates nicht beabsichtigt werde. Sie drückten sich für zufriedengestellt aus.
— Aus Hongkong wird vom 18. d. gemeldet, daß die mit der Hongkong⸗ und Shanghai⸗Banking Korporation kontra⸗ hirte chinesische Reichsan leihe großen Erfolg hatte. Die offerirten 20,131 Bonds à 100 Lstrl. wurden nahezu sieben Mal überzeichnet.
— China und Japan. Die mit der neuesten Ueber— landpost angekommene „China Mail“ meldet:
In Soochow drohte ein Aufstand, weil der Taotai eine reli⸗ giöse Prozession verboten hatte. Er wurde nur durch seine Nachgiebig- keit abgewendet. Eine andere Rebellion droht in Kweichoow. Die Fortifikationen von Anping (Formosa) werden mit Riesengeschutzen englischen Fabrikats armirt. Dem Vernehmen nach sind Seitens China's neue Unterhandlungen für den Ankauf eines oder mehrerer Panzerschiffe im Gange. Die Eisenbahn zwischen Shanghai und Wusung ist thatsächlich begonnen worden. Japanischen Zeitungen zufolge wird Herrn Wade's Intervention in dem Streit zwischen Ching und Japan sehr gelobt. Er wird als die einzige Ursache der Beilegung der Schwierigkeit bezeichnet, und in allen Kreisen wird großer Dankbarkeit gegen ihn Ausdruck ge⸗ geben. Der Mikado empfing Sir Harry Parkes in einer Privat⸗ audienz und dankte ihm für die freundliche Intervention des britischen Gesandten in Peking. Von den 500 000 Taels Entschädigung, welche die chinesische Regierung zahlen soll, sind 100,000 Taels für die Fa— 6 der Soo⸗Hooans, die von den Boutans ermordet wurden, be—⸗ immt.
Aus China erfährt der „Globe“, daß die Befestigungen am Peiho umgebaut und in hohem Grade verstärkt werden, da die chine⸗ sische Regierung mit der Ahsicht umgeht, die Peiho und Taku-Forts uneinnehmbar zu machen. Ansäßige Eurepäer sind geneigt, in nicht sehr ferner Zeit Unruhen zu anticipiren, da die Symptome ihrer Un⸗ popularität im Zunehmen sind.
Afrika. Marocco. (A. A. C.) Dem „Fibraltar Chronicle“ zufolge hat der Sultan von Marocco ein Dekret erlassen, das vom 26. Dezember ab für 6 Monate die Ausfuhr von Cerealien aus Marocco gestattet. Das Dekret für Eröff⸗ nung der Häfen ist in Tanger eingetroffen und bezieht sich auf Bohnen, Erbsen und Mais. Diese Verordnung wird viel bri⸗ tisches Kapital, das in Getreide gesteckt und an der Küste ver⸗ schlossen ist, flüssig machen.
— Den neuesten Nachrichten von der Westküste Afrika's zufolge sind Unruhen unter den Eingebornen am Benin⸗Flusse ausgebrochen. Die Lage der Dinge im britischen Protektorat wird als befriedigend und ruhig bezeichnet.
— Die militärische Kom mission, die in Natal eine Unter⸗ suchung über die Langalebelele-Affaire gehalten, ist am 26. Dezember nach der Capstadt zurückgekehrt, aber das Resul⸗ tat ist nicht bekannt. Es verlautet indeß, daß Langalebelele auf freien Fuß gesetzt und nach seinem alten Wohnort relegirt werden soll. Die Zeitungen meinen, daß ein solches Resultat äußerst unglücklich sein wurde.
Australien. Khakombau, der frühere König von Fidschi, ist, australischen Blättern zufolge, in Sidney zum Be⸗ suche des Gouverneurs Sir Herkules Robinson angekommen. Er beabsichtigt auch Melbourne zu besuchen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Berlin. Der Magistrat hat den Beschluß gefaßt, das neue Gymnasium in der Halleschenstraße Askanisches Gymnasium, das Gyunnasium in der Gartenstraße Hum boldt-Gymnasüum, und die neue Töchterschule in der Weinmeisterstraße Sophien⸗ Schule zu nennen.
— Das Modell zum Schiller denkmal für Marbach! die Vaterstadt des Dichters, ist seiner Vollendung nahe und wird ven dem Künstler, der damit betraut worden, dem Bildhauer Ernst Rau, in etwa 14 Tagen an die Erzgießerei von Pelargus, aus welcher auch der gelungene Guß des Uhlandsdenkmals in Tübingen hervor— gegangen, zum Gusse abgegeben werden. Das Denkmal ist ein Stand— bild von 10 Fuß Höhe und zeigt den Dichter in edler Haltung, den Blick nach oben gerichtet, den einen Fuß etwas vorgesetzt. Der linke Arm hängt am Leibe herunter und in der Hand trägt er eine Rolle (oder ein Heft), in der Hand des über die Brust gekreuzten rechten Armes hat er einen Stift. Das Haar wallt frei, der Hemdkragen ist offen, das Kostüm das bürgerliche seiner Zeit. Zum Gusse hat Se. Majestät der Deutsche Kaiser das Erz von Geschützen angewiesen. Während das Hauptdenkmal gegossen wird, vollendet der Künstler das Fußgestell, das mit Ausnahme einiger kleinerer Ornamente und der Gedenktafel aus rothem Sandstein bestehen wird. Die Ent— hüllung des Denkmals ist auf den 9. Mai 1876 anberaumt.
— Die Feier des 109 jährigen Geburtstags Schel— lings wird in der Aula der Universität München am 27., Vor⸗ mittags 11 Uhr, stattfinden, und Hr. Professor Dr. Beckers, einst ein Schüler Schellings, die Festrede halten. Die Mitglieder der Königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften, die Angehörigen der Universität 2c. werden zu der in der Universitätsaula statifinden⸗ den Feierlichkeit eingeladen.
— An die Senate der Universitäten ist eine Einladung ergan⸗ gen, der am 8. Februar stattfindenden Feier des 300jährigen Jubiläums der Universität Leyden beizuwohnen.
— Die Regierung von Queensland (Australien) hat die Nach— richt erhalten, daß Hume, der ausging, um Claffan, einen vermuth— lich Ueberlebenden der Leichardtschen Forschungsexpedition aufzusuchen, Mangels an Wasser 50 Meilen von Drynans Station am Wilson⸗ Flusse im Distrikt Warrego umkam. O'Hea, ein anderes Mitglied der Expedition, wird ebenfalls für todt gehalten. Der dritte Reisende, Thompson, hat Drynans Station erreicht.
— Irland wurde in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch von einem Sturme heimgesucht, wie er so heftig seit 40 Jahren
nicht dagewesen. In Belfast wurde Gebäuden und Schiffen viel Schaden zugefügt. An der Küste strandeten mehrere Schiffe, und in Ballymeng wurden zwei Frauen durch den Einsturz eines Schorn⸗
steins getödtet. ; Land⸗ und Forstwirthschaft.
— Wie man den Hamb. Nachr.“ schreibt, kann man nach den eingereichten Angaben der Landräthe aller Regierungsbezirke die Ernte in ganz Schweden als nahezu mittelmäßig annehmen. Die ein⸗ zelnen Regierungsbezirke ergeben: Ostgothland, reichlich mittelmäßig; Upsala, Kristianstad, Malmöhus, Westmanland, mittelmäßig; Stock⸗ holm, Södermanland, Halland, Skaraborg, Oerebro und Jemtland, nahezu mittelmäßig; Kalmar, Blekinge, Gotland und Wermland, etwas unter mittelmäßig; Jönköping, Gothenburg, Kronoberg, Koppa⸗ berg, Westernorrland und Norrbotten, unter mittelmäßig; Gefleborg unter mittelmäßig; Elfsborg F unter mittelmäßig, nahezu Miß— wachs (was das Centralbureau für esser als Angabe hält), und Westerbotten, knapp.
Gewerbe und Handel.
Die Besttzer der Eisenhütten in Wales haben, laut Tele⸗ gramm aus London, 22. d. M., Abends, beschlossen, ihre jämmt⸗ lichen Arbeiter zu entlassen, falls die strikenden Arbeiter nicht inner⸗ halh 8 Tagen ihre Beschäftigung wieder aufnehmen würden.
— Waͤhrend es vor sieben Jahren in Großbritannien noch zwölf verzollbare Einfuhrartikel gab, giebt es jetzt deren nur noch acht. In dem Finanzjahre 1866/67 warfen Tabake einen Ein⸗ fuhrzoll von 6,526,108 ab, eine Summe, die im Finanzjahre 18175174 durch vermehrten Konsum auf 7,399 074 K gestiegen ist. Der Zuckerzoll ist jetzt ganz abgeschafft, ergab aber 1866/67 5,821,419 * und nach Reduktion des Zolltarifs im Jahre 1873/74 noch 2. 003,375 K. Die Zölle auf Thee, Kaffee, Cichorie und Cacao brachten im Jahre 866667 3,194 023 und im letzten Finanzjahre durch Steigen des Therverbrauchs 3546 727 4 ein. Der Zoll für importirte Spirituosen stieg von 4,176,695 im Jahre 1866/67 auf 5,334,616 im Jahre 1873.74, und zwar ebenfalls in Folge des vermehrten Verbrauchs, nicht einer Tariferhöhung. Der Import von Wein belief sich im Jahre 1866/67 auf 13 Mill. Gallonen und im letzten Jahre auf 18 Mill.; dem Staate fielen davon 1,393,377 resp. 1,793,113 E zu. Die Kornzölle, welche im Jahre 1866,67 noch 811,289 * einbrachten, sind jetzt ganz abgeschafft, ebenso der Zoll auf Holz und Pfeffer. Die vier hauptsächlichsten verzollbaren Artikel sind Tabak, Spirituosen, Wein und Thee, und diese brachten dem Staate 18 Mill. E. ein.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bei der Wichtigkeit der Bezeichnung der Postbezirke (Norden, Westen ꝛc4. für die Beschleunigung der Otsbriefbestellung in Berlin machen wir darauf aufmerkam, daß in dem alphabetischen Straßenverzeichnisse des Berliner Adreßbuches hinter dem Namen jeder Straße in Klammern der Postbezirk mit dem betreffenden late nischen Buchstaben bezeichnet ist.
— Zu unserer kürzlich gegebenen Notiz über die Umgestaltung und das Erscheinen des Kursbuchs der Deutschen Reichs Post verwaltung pro 1875 ist noch Folgendes hinzuzufügen: Durch des in Anwendung kommende Format in 40 wird einerseits der Vortheil erreicht, daß die Eisenbahnfahrpläne größerer Routen möglichst übersichtlich auf e iner Seite dargestellt werden können, was bei dem bisherigen kleinen Format nicht thunlich war, so gewährt andererseits das bei Darstellung der Fahrpläne beobachtete System, wonach die Namen der Stationen nur einmal aufgeführt, links der⸗— selben die Abgangszeiten für die Tourreise und rechts solche für die Retourreise (von unten nach oben zu lesen) angegeben sind, außer der Raumersparniß eine wünschenswerthe Uebersicht der Ankunft und der Rückfahrt der Züge für jede Station. Für die so dargestellten Fahr⸗ pläne wird außerdem eine größere Klarheit dadurch erreicht, daß die Nachtstunden (von 6 Uhr 2 Min. Abends bis 5 X früh) überall durch einen starken Strich unter den Minutenzahlen bezeichnet wer⸗ den. Jeder Theil des Kursbuches wird auf dem farbigen Titel⸗ blatte eine Skizze der Eisenbahnlinien enthalten, deren Pläne den Inhalt bilden. Außerdem werden auch an geeigneten Stellen der vier Theile des Werkes Skizzen eingefügt werden, welche die Lage der Bahnhöfe bei bedeutenderen Städten, wie Berlin, Hamburg, Frank⸗ furt am Main, Wien ꝛe, anschaulich machen. Der Preis eines jeden Theiles dieses neuen Kursbuches wird 75 Pfennige Rm. betragen. Der Reisende benöthigt immer nur denjenigen Theil, dessen er bei der Richtung der Reise bedarf.
Triest, 23. Januar. Der Lloyddampfer „Hungaria“ ist heute früh z Uhr mit der ostindisch⸗chinesischen Ueberlandpost aus Alexandrien hier eingetroffen.
New⸗YPork, 22. Januar. Der Hamburger Postdampfer „Silesiga“ ist heute Morgen hier eingetroffen.
Theater.
Gelegentlich des 50jährigen Künstler⸗-FJubiläums Theo— dor Dörings wird nachstehende Lebensskizze von Interesse sein. Ursprünglich hatte sich der Jubilar dem Handelsstande gewidmet; er betrat in seinem 22. Lebensjahre am 25. Januar 1825 zum ersten Mal die Bretter bei einer reisenden Truppe in Bromberg, und zwar als Liebhaber in Kotzebue's „armen Poeten“. Dieser erste Versuch mißglückte. Nachdem die Ge— sellschaft Marienwerder und Culm besucht hatte, ergriff Döring den Wanderstab und wanderte zu Fuß über Posen nach Breslau und wurde vom Direktor Byrei angestellt. Unter dem Direktor Haacke⸗ Mainz fand der Jubilar zuerst Gelegenheit, sein Talent zu entfalten; als dieser die Direktion niederlegte, erhielt der Künstler einen Ruf nach Mannheim. Hier trat er zum ersten Mal als Banquier Müller in Bauernfelds „Liebesprotokoll“ auf, welche Rolle er in seinem Leben nicht weniger als 486 Mal gespielt hat. Im Jahre 1835 unternahm er eine Reise nach Hamburg, en dort so außerordentlich, daß er sein auf 3 Tage festgesetztes Gastspiel auf 19 Rollen verlängern mußte, und kehrte mit einem vortheilhaften Kontrakt nach Mannheim zurück. Indessen verweigerte man ihm seine Ent— lassung. Endlich seiner Verpflichtung entbunden, ging er nach Ham⸗ burg. Als Seydelmann Stuttgart verließ, wurde Döring an seine Stelle berufen und verblieb dort 4 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit erkrankte Seydelmann in Berlin, und der Generalintendant v. Küstner berief Döring hierher; indessen, um den kranken Rivalen nicht zu ver— letzen, lehnte der Künstler den Antrag ab und ging nach Hannover. Erst nach Seydelmanns Tode, 1843, trat Döring als Franz Moor an der Hofbühne auf. Seit seiner Entlassung von dort gehörte der Künstler ganz der Königlichen Bühne an.
Am Montag, Vermittag 1 Uhr, wird die Hofbühne das Jubi— läum festlich begehen. Eine große Anzahl Deputationen hiesiger und auswärtiger Bühnen sind dazu bereits angemeldet. Eine eigene Nach— feier wird Theodor Döring in Leipzig feiern, wo er in einer zu seinem Benefiz statifindenden Vorstellung den „Nathan“ spielen wird. Be⸗ sonders interessant wird diese Vorstellung durch die gleichzeitige Mit— wirkung von Friedrich Haase und Theodor Lebrun.
— Im Nationaltheater wird Hr. Herrmann Müller aus Hannover am Sonntag den „Falstaff“ als Gast spielen. Auch „Rosen—⸗ müller und Finke“ soll mit ihm an derselben Bühne in Scene gehen.
Im Belle-Allignee-Theater gelangt heute das effekt— volle Drama der Birch-Pfeiffer „Die Frau in Weiß“ zur Aufführung, in den Hauptrollen mit Fr. Meysel-Galster und Hrn. Benemgnn. Die nächste Woche bringt außer den Wiederholungen von „Steffen Langer“ und „Die neue Magdalena“, neu einstudirt: »Canossa“ von Schweitzer und „Die Karlsschüler“ von Laube.
Die Vorbereitungen . Aufführung des nationalen Fest⸗ spiels: „Der Ring des Ribe lungen“ von Richard Wagner sind, wie das „Bayreuther Tageblatt“ mittheilt, nun so weit gediehen, daß der Zeitpunkt der Proben, sowie der Aufführung selbst wie folgt festgestellt werden konnte; Die ersten Gefangsproben mit Klavier⸗ begleitung finden im Juli dieses Jahres statt, und wird je eine Woche dieses Monats auf einander folgend den vier Theilen des Werkes,
dem Rheingold“, der „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämme⸗
rung“ gewidmet werden. Bis Mitte August folgen sodann die⸗ selben Proben in gedrängter Aufeinanderfolge und mit Orchester⸗ begleitung. Die dritte Woche des August soll bereits zur Prüfung und Feststellung schwieriger seenischer Evolutionen, soweit die Dar⸗— steller an denselben betheiligt sind, verwendet werden. Die Monga'e Juni und Juli 1876 sind den vollständigen Hauptproben des ganzen Werkes gewidmet. In der ersten Woche des August 1876 soll dann die erste Aufführung in folgender Weise stattfinden: Sonntag, Abends 4 Uhr: Beginn der Aufführung des „Rheingold“. Montag kommt die „Walküre“, Dienstag „Siegfried“ und Mittwoch „Götterdämmerung“ zur Darstellung. An diesen drei Tagen ist der Beginn der Aufführung auf 4 Uhr Nachmittags und nach jedem Akte eine längere Zwischenpause zur neuen Sammlung des Publikums und
zur Erholung für die ausführenden Künstler (für diese in hierzu vor⸗
bereiteten verdeckten Gartenräumen) in Aussicht genommen. Ganz in derselben Weise soll dann in der zweiten Woche des August die erste, und in der dritten Woche die zweite Wiederholung der Gesammt⸗ aufführung vor sich gehen.
Bei dem Interesse, welches die Aufführung des Sardou'schen Sittenbildes Onkel Sam im hiesigen Stadttheater erweckt, verdient Albert Wolffs Brochüre Victorien Sardou et 'onele Sam (Paris 18745 Begchtung, da sie über Sardou's Entwickelungsgang und die Geschichte des Onkel Sam Aufklärung giebt und des Dichters Welt⸗ anschauung, die auch im Onkel Sam ausgesprochen ist, wenn auch durch manche Uebertreibungen, erklärt. Sardou's dramatische Werke zogen früher die Aufmerksamkeit des Publikums in ungewöhnlichem Maße auf sich. Allein die neueren dramatischen Arbeiten Sardou's sind schwächer, und „Onkel Sam“ wäre für sich allein kaum zu einem Ereigniß“ geworden, hätte nicht die Regierung des Hrn. Thiers die Aufführung des Stückes verboten, weil dasselbe die Amerikaner ver⸗ letzen könne. Der Ruhm des „Onkel Sam“ stieg immer höher, bis ö. Aufführung endlich unter der nachsolgenden Regierung gestattet wurde.
Sardou ist ein geborner Pariser. Auf der Schulbank wenig beachtet, begann er später das Studium der Medizin, widmete sich aber fast nur seinen dichterischen Arbeiten. Shakespeare war sein Ideal, Scribe sein Abscheu. Ein großes dramatisches Werk in Versen, das drei Abende füllen sollte, schwebte ihm vor, die Trilogie: „Luther, der Bauernkrieg, die Wiedertäufer“. Unterdessen kämpfte er mit dem Elend, nährte sich kümmerlich von Privatstunden und schien zum Untergang im Dunkel bestimmt zu sein. Sein excentrisches Wesen zu schildern, erzählt Wolff auf drastische Weise, wie Sardou damals eine neue Form der Tragödie erfunden habe.
Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es Sardou endlich, ein Stück: „La tavèrne des étudiants“ zur Aufführung im Odeon zu bringen. Allein er scheiterte, wie damals About mit seiner „Gae— tana“, die Gebrüder Goncourt mit „Henriette Marschal“ scheiterten. Man hielt sein Stück für ein den Studenten aus politischen Grün⸗ den feindliches Werk. Sardou »sah sich von seinem Ziele weiter als je. Bittere Jahre folgten für ihn. Einmal leuchtete ihm die Hoff⸗ nung, als Paul Feval ihn als Mitarbeiter für ein Drama annahm; allein um so härter war die Enttäuschung, als er nach einiger Zeit sich wieder verabschiedet sah.
Die schwere Schule, welche Sardon durchzumachen hatte, blieb nicht ohne Folgen. Er lernte die Menschen und ihr Treiben kennen und wandte sich immer mehr jener Gattung des Dramas zu, in welchem er später so große Erfolge errang. Zudem schwand sein Abscheu vor Scribe, dessen Bühnentechnik er nun schätzen lernte und eifrig studirte. Ein neues Stück freilich, das er demselben vorlegte, fand eine herbe Zurückweisung. Scribe mißbilligte die fast brutale Art, mit welcher Menschen und Verhältnisse darin gezeichnet waren. Die Charaktere der beiden Männer waren zu verschieden, wie man denn auch keine größeren Gegensätze im Lustspiel finden kann, als die Stücke Scribe's und Sardou's. Die Hauptseene des Schau⸗ spiels, welches der erstere verdammt hatte, fand später in dem oft gegebenen Stück „Nos intimes“ Platz und hatte bei der Aufführung den gewünschten Erfolg.
Endlich gelang es Sardou durch die Empfehlung der Dejazet, das Stuck eines früheren Schauspielers, Vanderburck, das ihm dieser zur Bearbeitung anvertraut hatte, mit Glück zur Darstellung zu bringen. Es war das Lustspiel „Figaros erste Waffen“. Einige Zeit später brachte das Gymnase-Theater ein weiteres Stück von Sardou allein: „Les pattes de mouche“, und die erste Aufführung dieses anziehenden Lustspieles entschied für des Dichters Zukunft. Sardou sah sich end—⸗ lich am Ziel, und statt vergeblich bei den Bühnen um Zulaß zu bitten, kamen nun die Direktoren zu ihm, um sich um seine nenen Stücke zu bewerben. ;
Nur aus der Geschichte seiner Jugend und der harten Kämpfe kann man seine spätere Entwicklung verstehen. Sardou hat das ve— ben von seiner herben Seite kennen gelernt, die Ungerechtigkeit hat ihn verbittert, und in seinem Wesen wie in seinen Dichtungen zeigt sich eine herbe Weltanschauung. Seine Lebengserfahrungen haben ihn zum Satiriker gemacht; denn Werke, wie „Die Familie Benoiton“ und „Rabagas“ sind viel eher als scharfe Satiren des zerfallenden französischen Bürgerstandes und des gewissenlosen Demagogenthums, denn als Lustspiele zu betrachten.
Prozeß Ofenheim.
Wien, 22. Januar. (W. T. B.). Es wird ein Schreiben des früheren Ministers v. Plener verlesen, in welchem derselbe angiebt, daß er seinerzeit guf Abstellung der bei der Bahn vorhandenen Uehel— stände gedrungen habe. Strafbare Momente hätten sich damals nicht ergeben. Das für die erst später eingeleitete Untersuchung zu sammen, gestellte Material habe er seinem Amtsnachfolger übergeben. Hierauf wird die Vernehmung des Zeugen Ziffer zu Ende geführt. Nachdem der Gerichtshof demnächst den Beschluß verkündet hatte, daß Zeugen, welche Verwaltungsräthe gewesen sind, erst nach ihrer Vernehmung vereidigt werden sollen, wurden noch die Verwaltungsräthe Tchornicki und Pietruski vernommen, wobei der Letztere bestätigte, daß der Ver⸗ waltungsrath die von den Fabrikanten zugestandene Provisi on dem Angeklagten unter gewissen Voraussetzungen überlassen habe.
Redacteur: F. Preh m. ᷣ—. Verlag der Cxpedinlon (Kessel). Druck! W. Elsner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
Berlin:
13 20.
Königreich Preußen.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.
In Folge einer Entscheidung des Königlichen Ober-Tribu— nals vom 15. Januar v. J, nach welcher anzunehmen, daß ein Verkäufer trichinenhaltigen Fleisches die Strafe des §. 367 Nr. 7 des Strafgesetz buchs nur dann verwirkt hat, wenn er wußte, daß das Fleisch trichinenhaltig sei, oder wenn er seine Unkennt= niß durch Fahrlässigkeit verschuldet, ist von der Königlichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen bei uns darauf angetragen worden, daß die obligatorische Fleischschau in Preußen allgemein eingeführt, insbesondere die mikroskopische Untersuchung aller geschlachteten Schweine, sowie der aus dem Ausland importirten Theile geschlachteter Schweine (amerika⸗ nische Speckseiten) angeordnet werde. Die genannte Depu⸗ tation führt aus, daß ohne diese Maßregel der §. 367 Nr. 7 des Strafgesetzbuchs unwirksam bleibt, während doch die große Zahl von Todes⸗ und die noch viel größere von Erkrankungs⸗ fällen, welche jährlich durch den Genuß trichinenhaltigen Fleisches
herbeigeführt werden, eine Einrichtung dringend fordere, welche
nach dem Erkenntniß des höchsten Gerichtshofes die erste Vor— bedingung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Ver— absäumung einer von der Behörde als nöthig erklärten Vorsichts— maßregel bilde.
Das Gewicht der von der Wissenschaftlichen Deputation geltend gemachten Gründe können wir nicht in Abrede stellen und deshalb auch keinen Anstand nehmen, gegenüber der jetzigen Lage der Sache, die in der Verfügung vom 20. April 1866 — M. d. g. A. 2156. M. M. d. J. II. 2339 — angedeuteten Mittel für unzureichend zu erklären.
Wenn wir deshalb auch dem Antrage der Wissenschaftlichen Deputation nicht in der Weise stattzugeben vermögen, daß im ganzen Staat gleichmäßig und ohne jede Beschränkung die obligatorische Fleischschau eingeführt wird, weil die Anordnung derselben doch nur dann die erforderliche Wirkung äußern kann, wenn die Möglichkeit ihrer Befolgung einigermaßen sicher ge⸗ stellt ist, und weil sich von hier aus nicht überfehen läßt, in wie weit diese Voraussetzung in den einzelnen Bezirken zutrifft, so wird doch ein Mehreres, als bisher, in der Sache geschehen müssen und um so mehr geschehen können, als schon mehrfach, und zwar auch in größeren Städten, die obligatorische Fleisch⸗ schau durchgeführt worden ist.
Wir übersenden der Königlichen Regierung zꝛc. daher anbei Abschrift des Ober⸗-Tribunals⸗Urtels vom 15. Januar pr. ( Anl. I.) und des Gutachtens der Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen vom 8. Juli pr. (Anl. II) und empfehlen hier— mit dringend die Einführung der obligatorischen Fleischschau durch genaue mikroskopische Untersuchung in Ihrem Bezirk durch Polizeiverordnung, soweit die dortigen Verhältnisse dies irgend gestatten.
Die Königliche Regierung 2c. wird dabei insbesondere zu erwägen haben, in welcher Weise auf die allmähliche Heranbil⸗ dung des für die Vornahme der mikroskopischen Untersuchungen befähigten Personals hingewirkt werden kann, und ob bei Ein⸗ führung der obligatorischen Fleischschau der Zwang auch auf diejenigen Personen ausgedehnt werden kann, welche Schweine zum eigenen Konsum schlachten.
Gegenüber den Bedenken, welche in der oben angeführten Verfügung vom 20. April 1866 über die Zulässigkeit der Ge⸗ bührenerhebung für die mikroskopische Untersuchung geltend gemacht worden sind, bemerken wir, daß die Befugniß zur Auf⸗ stellung derartiger Taren in dem 5. 78 in Verbindung mit §. 36 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 begründet erscheint.
Zur eventuellen Benutzung bei Erlaß der fraglichen Ver⸗ ordnung fügen wir Abschriften der von den Königlichen Re⸗ gierungen zu Magdeburg (Anl. III.) und Cassel (Anl. IV.) erlasfenen Polizeiverordnungen bei und erwarten Anzeige von dem zur Sache gefaßten Beschluß und Mittheilung der erlassenen Polizeiverordnung.
Berlin, den 4. Januar 1875.
. Der Minister der geistlichen, Unter⸗ Minister des Innern. richts und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Gr. zu Gulenburg. Dr. Falk.
An sämmtliche Königliche Regierungen exkl. die zu Magdeburg, Cassel und Liegnitz, alle Königliche Landdrosteien und das Königliche Polizei⸗Prä⸗ sidium hier.
Anlage l. Im Namen des Königs. In der Untersuchung
wider den Metzger H. in F. auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Ober⸗Staatsanwaltschaft hat das Königliche Ober-Tribunal, Senat für Strafsachen, zweite Ab— theilnng, in der Sitzung vom 15. Januar 1874, an welcher Theil ge⸗ nommen haben als Richter:
der Vize-Präsident, Wirkliche Geheime Ober-Justizrath G. die Ober ⸗Tribunaltraͤthe G., V., H., G., V., B.
als Beamter der Staatsanwaltschaft: der Ober ⸗Staatsanwalt G.,
. als Gerichtsschreiber: der Sekretär H. nch o rung g mündlicher Verhandlung für Recht erkannt,
daß die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Erkenntniß der Straf— kammer des Königlichen Stadtgerichts zu. F. .. . vom 21. August 1873 zurückgewiesen und die Kosten außer Ansatz zu laffen. Von Rechts⸗Wegen. Gründe.
Das angegriffene Urtheil stellt thatsächlich fest, daß der Ange— klagte trichinenhaltiges Fleisch verkauft hat, daß er aber nicht nur nicht gewußt, daß das verkaufte Fleisch trichinenhaltig war, sondern e ec diese seine Unkenntniß nicht durch Fahrläfsigket verschul⸗
ar.
Gegen die unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts erlassene freisprechende Entscheidung hat der Sber⸗-Staatsanwast die Richtig kette beschwerde eingelegt. Dieselbe behauptet Verletzung der §§. 565, 367 Nr. 7 und 236 des Strafgesetzbuches, sowie des Rechtsbegriffes der Fahrlaͤssigkeit und insbesondere' des Rechts grundsatzeg, daß ber den auf
Be
Erste Beilage
Gründen der öffentlichen Sicherheit beruhenden Strafbestimmungen polizeilicher Natur, welche den Zweck haben, zu dem höchsten Grade von Vorsicht zu verpflichten, die Unkenntniß von Umständen, welche die Strafbarkeit bedingen, abgesehen von Fällen physischer Unmöglich⸗ keit, stets als durch Fahrlässigkeit verurfacht anzufehen sei, wenn“ der Thäter gar keine Bemühungen aufgewendet habe, um sich die Kennt— niß des betreffenden Umstandes zu verschaffen.
Die Nichtigkeitsheschwerde erscheint unbegründet.
Der 5§. 357 Nr. 7 des Strafgesetzbuches, auf welchen die Anklage gestützt war, bedroht denjenigen mit Strafe, welcher verfälschte oder verdorbene Eßwaaren oder Getränke, insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft. Diese Bestimmung ist zwar polizei⸗ licher Natur, da sie zur Verhütung eines schädlichen Erfolges ohne Rücksicht darauf, ob ein solcher eingetreten sei oder nicht, das Feil⸗ halten oder den Verkauf gewisser Gegenstände unter Strafe stellt.
Allein es ist in dieser Vorschrift keine Andeutung dafñr zu finden, daß, um einem allerdings im dringenden Interesse der Gesundheitspflege erlassenen Verbote eine größere Wirksamkeit zu sichern, von einem der ersten Grundsätze des Strafrechts, welcher auch in dem die Ueber— tretungen nicht ausschließenden 8§. 59 des Strafgesetzbuchs seinen Aus— druck gefunden hat, habe abgewichen werden sollen, von dem Grund— satze nämlich, daß das Vorhandensein von Umständen, welche zum gesetzlichen Thatbestande einer strafbaren Handlung gehören, dem Thãter nicht zugerechnet werden könne, wenn er diefelben weder ge⸗ . noch auch seiner Unkenntniß durch Fahrlaͤssigkeit verschul—
et hat.
Daß es nach diesem Grundsatze rechtlich unmöglich sein würde wegen Perkaufs trichinenhaltigen Fleisches denjenigen zu strafen, wel— cher auf Grund eines nach sorgfältigster Untersuchung erstatteten Gut. achtens der intelligentesten und erfahrensten Sachverstaͤndigen angenom⸗ men, hätte daß das Fleisch nicht trichinenhaltig sei, unterliegt keinem Zweifel. Die Ansicht, daß die bloße Thatsache des Verkaufs trichinenhalti⸗ gen Fleisches den Verkäufer unter allen Umständen und ohne Rücksicht auf den vollständigen Mangel einer Fahrlässigkeit strafbar mache, ist dem nach offenbar unrichtig. Die eventuelle Behauptung der Nichtigkeits— beschwerde daß bei Uebertretungen der in Rede steherden Art die Fahrlässigkeit nach einem anderen, als dem gewöhnlichen Maßstabe, grundsätzlich zu bemessen sei, ist ebenfalls nicht begründet.
Denn eine Unterscheidung zwischen der Fahrlässigkeit, welche bei Uebertretungen gewisser Art zur Strafbarkeit hinreiche, und derjenigen Fahrlässigkeit, welche bei anderen Strafthaten erforderlich sei, wird weder durch das Gesetz ausdrücklich aufgestellt, noch geht ein grund— sätzlich verschiedener Maßstab aus dem Sinne und dem Zusammen— hange der Gesetze hervor. Dadurch wird zwar keineswegs ausge⸗ schlossen, daß wegen der größeren Gefährlichkeit einer Handlung schon ein geringerer Mangel an Vorsicht von dem Richter der That mit vollem Grunde als Fahrlässigkeit angesehen werden kann, immer aber bleibt es Sache thatsächlicher Erwägung, ob mit Rücksicht auf die Umstände des Falles in ihrem Zusammenhange eine Fahrlässigkeit sich als vorhanden darstellt.
Das angegriffene Urtel erwägt nun, daß eine mikroskopische Untersuchung des feilzuhaltenden oder zu verkaufenden Schweinefleisches nicht vorgeschrieben, daß ste eine praftische, nur sehr schwer ausführ—⸗ bare und noch dazu keine genügende Garantie bietende Maßregel sei, daß insbesondere für diejenigen Fleischhändler, welche einzelne von Schweinen durch Andere, namentlich durch auswärtige Schlächter oder Händler bezögen, mit der größten Unzuträglichkeit verbunden sei, die einzelnen Theile einer mikroskopischen Untersuchung unterziehen zu lassen, indem eine solche Untersuchung in der Regel namentlich auch bei Schinken, das gute Aussehen des betreffenden Fleisch stückes alte— ö. und damit in weiten Fällen die Unverkäuflichkeit zur Folge haben würde.
Wenn unter dem Eindrude dieser Verhältnisse die mikroskopische Untersuchung des Schweinefleisches in . F. und Umgegend entweder nie üblich gewesen oder, insoweit sie einige Zeit hindurch von Seiten Einzelner erfolgt, wieder außer Uebung gekommen sei, so könne darin, daß der Angeklagte dieser, auch von den betreffenden Behörden gedul— deten Uebung gemäß verfahren sei, und in Folge dessen die Trichinen haltigkeit des von ihm verkauften Schinkens nicht gekannt habe, m,, Angeklagten zur Last fallende Fahrlässigkeit nicht gefunden werden. .
Diese Gründe lassen eine rechtsirrthümliche Auffassung des Be— griffes von Fahrlässigkeit nicht erkennen; sie unterliegen daher einem Angriff im Nichtigkeitsperfahren nicht.
Die Behauptung der Nichtigskeitsbeschwerde, daß der Angeklagte gar keine Bemühung aufgewendet habe, um sich Kenntniß von der Trichinenhaltigkeit des Fleisches zu verschaffen, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil in den Instanzen nicht festgestellt ist, daß andere Mittel, als die mikroskopische Untersuchung, und welche . dem Angeklagten zu jenem Zwecke hätten angewendet werden önnen.
Demnach hat das angegriffene Urtel die §5§. 367 Nr. 7 und 59 des Strafgesetzbuches nicht verletzt.
Von einer Verletzung des §. 230 des Strafgesetzbuches kann nicht . rj sein, weil das Nichtvorhandensein einer Fahrlässigkeit fest⸗ gestellt ist.
Ausgefertigt unter Siegel und Unterschrift des Königlichen Ober⸗ Tribunals.
Berlin, den 15. Januar 1874. gez. Grimm.
Anlage II.
Betrifft 5. 367 Nr.] des Strafgesetzbuchs und das Urtheil des Königlichen Ober⸗Tribunals vom 15. Januar d. J.
Sr., Exzellenz dem Staats⸗Minister und Minister der geist— lichen, Unterrichts und Medizinal⸗ Angelegenheiten, Herrn Dr. Falk. Das Königliche Ober Tribunal hat durch Erkenntniß vom 15. Januar d. J. in der Untersuchung wider den Metzger H. zu F. der trichinenhaltiges Fleisch verkauft hat, die Nichtigkeitsbbeschwerde der Ober⸗Staatganwaltschaft zurückdgewiesen, indem der Angeklagte weder gewußt habe, daß das Fleisch trichinenhaltig sei, noch diese
seine Unkenntniß durch Fahrlässigkeit verschuldet habe. Dem Ein⸗
wande der Ober -Staatzanwaltschaft, daß der Angeklagte gar keine Be⸗ mühungen angewendet habe, um sich Kenntniß von der Trichinen haltigkeit des Fleisches zu verschaffen, wird ausdrücklich die Berechtigung bestritten, und zwar aus dem Grunde, weil in den Instanzen nicht festgestellt sei, daß andere Mittel, als die mikroßkopische Untersuchung, und welche von dem Angeklagten zu jenem Zwecke hätten angewendet werden können. Dagegen wird dem Erkenntniß der Strafkammer des Königlichen Stadtgerichts zu F. vom 71. August 1873 ausgrücklich darin zugestimmt, daß Fahrlässigkeit nicht vorliege, weil der Angeklagte einer auch von den , Beh ör⸗ den geduldeten Uebung gemäß verfahren sei, indem er eine mikro⸗ skopische Untersuchung des Fleisches nicht veranstaltet habe.
So fern es uns liegen muß, das Uctheil des höchsten Gerichte⸗ hofes einer Kritik zu unterziehen, so dürfen wir doch einen Satz des Erkenntnisses nicht unbeanstandet lassen, weil er eine Voraussetzung enthältz welche wir als wissenschaftlich zulässig nicht zu erkennen vermögen. Es heißt nämlich im drittletzten Abfatze, daß die mikroskopische Unter⸗ suchung „eine praktisch nur sehr schwer ausführbare und noch dazu keine genügende Garantie bietende Maßregel sei. Dagegen müsfen wir
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
rlin, Sonnabend, den 23. Januar.
bemerken, daß die mikroskopische Untersuchung keineswegs eine praktisch schwer ausführbare ist, daß ste im Gegentheil in kurzer Zeit erlernt werden kann und durchaus keine nennenswerthen Schwierigkeiten dar⸗ bietet. Wenn sie nicht in allen Fällen mit genügender Sorgfalt, son⸗ dern zuweilen flüchtig und oberflächlich angestellt wird, so ist das ein Fehler des Untersuchers, und es ist erst kürzlich von einem Gerichts⸗ hofe in Folge eines solchen Fehlers ein Strafurtheil erlassen worden. Freilich kann nicht jedes Stück Fleisch, welches feilgeboten wird, vor dem Verkaufe in allen seinen Theilen einer mikrofkopischen Untersuchung unterworfen werden, und die Möglichkeit liegt vor, daß trotz der sorgfältigsten Untersuchung gewisser Theile in den nicht unter⸗ suchten anderen Theilen sich doch Trichinen befinden. Allein, abge⸗ sehen von Wurst und anderen gemengten oder präparirten Fleisch⸗ speisen, bei denen Fleisch von verschiedenen Schweinen oder gar von verschiedenen Thierarten angewendet worden ist und daher jedes Theilchen eine anderr Zusammensetzung haben kann, ist die sorgfältige Untersuchung einer mäßigen Zahl von Fleischoroben und verschledenen Theilen eines Thieres allerdings ausreichend, um eine für den Käufer gefahrdrohende Verunreinigung dieses Thieres mit Trichinen nachzuweisen. Dem Gesetzgeber konnte es aber nur darum zu thun sein, eine solche praktisch wichtige Verun⸗ reinigung in Betracht zu ziehen; keineswegs sollte die blos theoretisch zutreffende, im Uebrigen aber unschädliche Anwesenheit einzelner Tri⸗ chinen in dem verkauften Fleische unter Strafe gestellt werden. Es verhält sich damit nicht anders, wie mit den schädlichen Farben. Ein Konditor wird niemals dafür bestraft werden können, daß in einer der von ihm verwendeten Farben minimale Mengen von Arsenik vor⸗ kommen, zu deren Nachweis ganz besondere chemische Vorbereitungen oder die Verwendung sehr großer Mengen des angewendeten Farb⸗ stoffes gehören; es wird vielmehr für strafbar erklärt und vorkom— menden Falles wirklich bestraft, wenn die von ihm verkauften Gebäcke und sonstigen Waaren so viel Arsenik enthalten, daß dessen Anwesenheit beim Genusse schädlich und auch bei einer gewöhnlichen chemischen Untersuchung mäßiger Mengen des angewendeten Farbestoffes nach— weisbhar ist.
Die mikroskopische Untersuchung bietet eben so große und eben so genügende Ggrantien für den Nachweit der Trichinen, wie die chemische Untersuchung für den Nachweis der metallischen Gifte. Würden die Erwägungen des Erkenntnisses vom 15. Januar 1874 in gleicher Weise auf den Handel mit vergifteten Eßwaaren und Ge— tränken angewendet, so würde die größte Unsicherheit dadurch herbei⸗ geführt werden. Es fehlt jeder Grund, andere Mittel für die Er⸗ kenntniß der Trichinen im Fleische aufzusuchen, als die mikroskopische Untersuchung; diese genügt vollkommen, und irgend eine andere Art dieser Untersuchung ist nicht denkbar. Wer daher diese Untersuchung nicht anwendet, der versäumt eine auch für den Privatmann gebotene Vorsichtsmaßregel, und wenn er einen Handel mit solchen Fleisch waaren unterhält, die nachweislich nicht untersucht sind, fo macht er sich der Unterlassung dieser Vorsichtsmaßregel schuldig.
Wenn beide Erkenntnisse, sowohl, das des Fter Stadtgerichts, als auch das des Königlichen Ober⸗Tribunals einen besonderen Werth darauf legen, daß für diejenigen Fleischhändler, welche einzelne Theile von Schweinen durch Andere, namentlich durch auswärtige Schlächter oder Händler bezögen, mit der größten Unzuträglichkeit verbunden sei, die einzelnen Theile einer mikrofkopischen Unterfuchung unterziehen zu lassen, indem eine solche Untersuchung in der Regel, namentlich bei Schinken, das gute Aussehen des betreffenden Fleisch— stückes alteriren und damit in vielen Fällen die Unverkäuflichkeit zur Folge haben würde, so scheint uns auch diese Ausführung auf irrigen Voraussetzungen zu beruhen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß gerade bei Schinken eine solche Untersuchung sehr bequm ausführbar ist, und daß die Verkäuflichkeit der wirklich untersuchten und mit Certifikat versehenen Schinken eine ungleich größere ist. Nur bei dem Verkauf von Fleisch, welches in mitunter einzelnen kleineren Stücken zu Markt kommt, oder welches, wie wir schon anführten, in gemengter Form feil geboten wird, ist eine mikroskopische Untersuchung nachträglich entweder so umständlich, oder so unsicher, daß man in der Regel darauf wird verzichten müssen. Um so dringlicher tritt dann freilich die Forderung hervor, daß der erste Verkäufer haftbar gemacht werde, da er es in der Hand hatte, ohne besondere Schwierigkeiten eine ausreichende Untersuchung des ganzen Thieres herbeizuführen.
Für den gewöhnlichen, einfachen Fleischhandel würde die Be⸗ stimmung des 8 367 Nr. 7 vollstaͤndig ausreichen, wenn es als eine Pflicht des Verkäufers vorausgesetzt wird, daß er sich bemüht, die von ihm feilgebotene Waare in Bezug auf ihre Unschädlichkeit zu prüfen. Auch wir hatten, als wir seiner Zeit die Aufnahme der be⸗ treffenden Bestimmung in das Strafgesetzbuch beantragten, die Mei- nung, welche jetzt von der Königlichen Ober Staatsanwaltschaft ver⸗ treten ist, daß in der Verabsäumung einer solchen Bemühung das Kriterium der Fahrlässtgkeit gegeben sei. Nach dem Erkenntniffe des Königlichen Ober-Tribungls vom 15. Januar cr. ist diefe Meinung hinfällig, und es wird fortan das Feilhalten oder Verkaufen von verfälschten oder verdorbenen Getränken oder Eßwaaren, wie das des trichinenhaltigen Fleisches nur dann strafbar sein, wenn der Ver— käufer in vollem Bewußtsein der Verfälfchung oder Ver⸗ derbniß gehandelt hat, wobei ihm aber irgend eine Verpflichtung, sich eine Ueberzeugung von der Unschädlichkeit oder Reinheit seiner Waare zu verschaffen, nicht beigelegt wird.
Daß dies der Sinn des Gesetzgebers nicht gewesen sein kann, erscheint uns nicht zweifelhaft. Jedenfalls entspricht dies nicht den Forderungen der oͤffentlichen Gesundheitspflege, und es würde sich daher empfehlen, im Wege der Gesetzgebung eine bestimmtere ö der bezüglichen Stelle des Strafgesetzbuches herbeizu—⸗
ühren.
Aber bevor dies geschieht, wäre es nöthig, dem Einwande der Ge⸗ richtshöfe vorzubeugen, daß der Privatmann freigesprochen werden müsse, wenn er einer von der betreffenden (Polizei) Behörde geduldeten Uebung gemäß verfahren sei. In der That ist es auffällig, in einem Lande, wo die Polizei in z hohem Maße die Bürger daran gewöhnt hat, alle nützlichen Maßregeln vorgeschrieben zu sehen, eine Art der Unter⸗ suchung nicht vorgeschrieben zu finden, welche in einzelnen Staaten und Städten Deutschlands seit langer Zeit obligatorisch eingeführt ist, und ohne welche der Fleischhandel eine Quelle der größten Ge— fahren für die Bevölkerung bleiben muß. Gewiß ist es eine unbe⸗ Jueme, Maßregel, aber jede Maßregel, welche zum Schutze der öffentlichen Gesundheit ergriffen wird, ist unbeguem, und diese Eigen⸗ schaft allein sollte nicht davor zurückschrecken lassen, sie auszuführen. Finanziell ist, wie die Erfahrung gelehrf hat, die mikroffopische Fleischschau ohne irgend welche fähibaren Rachtheile für die Be— völkerung. Praktisch hat sie sich bewährt, wenngleich auch sie, wie jede andere menschliche Einrichtung, nicht immer in gehöriger Weise geübt worden ist.
„Wir beantragen daher bei Eurer Exzellenz die allgemeine Ein— führung der obligatorischen Fleischschau in Preußen, insbesondere der mikroskopischen Untersuchung aller geschlachteten Schweine, sowie der aus dem Auslande importirten Theile geschlachteter Schweine (ameri⸗ lan g 9 . k
. ne eine solche wird der 8. 367 Nr. 7 des Strafgesetzbuches wie die Erfahrung lehrt, gänzlich in der Luft e ae, während doch die große Zahl von Todes- und die noch viel größere von Erkrankungsfaͤllen, welche jährlich durch Trichinen an Menschen herbeigeführt werden, eine Einrichtung dringend fordert, welche nach dem Erkenntnisse des höchsten Gerichtshofes die erste Vorbedingung sein würde, um auch die Privaten für eine Unterlafsung der von der