1875 / 22 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Jan 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Den ersten Planeten im neuen Jahre entdeckte am 13. d. M Paul Henry in Paris. Er wird als Nr. 141 der kleinen Planeten figuriren.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Mittheilungen über den Stand der Rinderpest (Centr. Bl. f. d. D. R). I) Deutschland. Laut Mittheilung der Königlich preußischen Bezirks Regierung zu Gumbinnen ist der Aus— bruch der Rinderpest auf dem Gute Sawadden, Kreis Lyck, amtlich konstatirt. Das infizirte Gutegehöft liegt 1 Kilometer von der russi— schen Grenze und 2 Kilometer von der nächsten inländischen Ortschaft entfernt. Ueber die Art der Einschleppung der Seuche hat etwas Be⸗ stimmtes noch nicht festgestellt werden können.

Die in dem Gesetze vom 7. April 1869 (Bundes⸗Gesetzblatt Seite 105) und der Instruktion vom 9. Juni 1873 (Reichs⸗-Gesetz⸗ blatt Seite 147) angeordneten Sicherheitsmaßregeln sind sofort nach Konstatirung der Seuche zur Ausführung gelangt. Im Besonderen ist das erkrankte und das der Erkrankung verdächtige Vieh getödtet und verscharrt und die Ortssperre verhängt worden.

Daneben hat zur Verhütung weiterer Einschleppungen eine Aus— dehnung der für die russische Grenze bereits bestehenden Einfuhrver⸗ bote auf die Ein⸗ und Durchfuhr von Dünger, Rauchfutter, Stroh und anderen Streumaterialien stattgefunden. .

2 Oesterrreich⸗Ungarn. Mitte Januar d. J. herrschte die Rinderpest in Galizien (Bezirk Borszezow), Dalmatien (Bezirke Se⸗ benico und Benkovac)h, den Küstenlanden und Krain (Bezirk Adels- berg).

. den Ländern der ungarischen Krone; in Ungarn in zwei Ge— meinden des Szalaer Komitates, in Kroatien, Slavonien und der Militärgrenze.

Aus einem Cirkular des Kaiserlich russischen Domänen⸗Mini⸗ sters an die Hauptverwaltung des russischen Reichsgestüts- wesens ist ersichtlich, daß letztere für das Jahr 1875 40,550 Rbl. für Rennpreise ausgesetzt hat. Für Preise bei Träberrennen sind 2l, 900 Rbl., bei Garde und Armee⸗Kavallerie⸗Rennen 10000 Rbl., für Prämien bei Ausstellungen von Reitpferden 7500, für Bauer pferde 8350, für Preise bei Lastwettziehen 4550 Rbl. bestimmt. Die Prüfungen und Rennen werden an 59 verschiedenen Punkten statt— finden.

Gewerbe und Handel.

Der am 26. Januar abgehaltenen Generalversammlung der Berliner Immo bilien⸗Aktiengesellschaft ist vom Aufsichts⸗ rath ein Geschäftsbericht dahin erstattet worden, daß die Gesellschaft im verflossenen Jahr, unter Ausschluß neuer Geschäfte ihre Aufmerk— samkeit lediglich der Verwaltung ihrer Grundstücke zugewendet habe. Da Direktor Salamonsky von dem ihm zugestandenen Rechte, die auf seine Kosten von ihmlzu einem Cirkus umgebaute Markthalle bis zum 14. Oktober a. p. für die Summe von 459,000 Thaler käuflich zu er— werben, keinen Gebrauch gemacht hat, ist die Gesellschaft von diesem Tage ah nicht mehr an die genannte Preisforderung gebunden und über- dies befugt, vom 14. Oktober a. «. ab die Markthalle unter Vergü⸗ tigung eines verhältnißmäßigen Betrages der auf ihren Umbau ver⸗ wandten Kosten anderweitig zu verwerthen. Der Miethskontrakt für

den Cirkus läuft bis zum 14. Oktober 1878 und es gehen nach Ab⸗ lauf dieses Termins die an demselben angebrachten Umbauten und Einrichtungen 2ꝛc. ohne Entschädigung in ihren Besitz über. Im Beginne des Jahres 1874 war jedes der zugehörigen 12 Wohnhäuser mit einer verhältnißmäßig kleinen Hypothek (mit 6 monatlicher Kündigung) belastet, deren Gesammtsumme 249,000 Thaler betrug. Da ein solches Verhältniß bei einem etwa ins Auge zu fassenden Verkauf hinderlich, war die Direktion bestrebt, nur eine kleinere Anzahl von Grundstücken, diese aber je mit höheren Beträgen und auf längere Frist zu belasten. Gegenwärtig sind nur 6 Grundstücke mit einer vpothekenschuld von 227,900 Thlr. belastet. Die Differenz ist zum heil durch Ver'auf des Bestandes an Effekten (Preuß. 45 * konsol. Anleihe), zum Theil aus disponiklen Geldern gedeckt. Die Markt⸗ halle ist nach wie vor gänzlich schuldenfrei. Das Miethserträgniß der Wohnhäuser ist noch ferner im Steigen geblieben und belief sich am 1. Januar c. auf 23355 Mark. Behufs Reduktion des Aktien⸗ kapitals von 2 auf 1 Million Thaler wird der Umtausch von je 2 mit 50 z eingezahlten Interimsscheinen in eine Vollaktie vor— geschlagen, da die Einforderung von ferneren Einzahlungen bei unserer Gesellschaft nicht mehr nöthig werden kann. Die Generalversamm⸗ lung stimmte diesem Antrage bei und genehmigte die vorgeschlagene Vertheilung einer 5ęr Dividende. Die Bilanz befindet sich im Inseratentheil. Nach einem von der Direktion der Bank für Sprit- Produkten⸗ Handel, vorm. Wrede an den Ver⸗ abgestatteten Geschäftsbericht sind in der Ber⸗ verflossenen Geschäftsjahr ca. 11 Mil⸗ lionen Liter und in der Filiale in Oschersleben ca. 4 Mil⸗ lionen Liter Sprit produzirt worden. Der Nettogewinn beträgt nach Abzug der Abschreibungen auf Gebäude, Maschinen und Utenstlien und nach Dotirung des Fonds für zweifelhafte Debitoren mit 5000 Thlr, ferner nach Absetzung von Gratifikationen an die Beamten der Gesellschaft 186,354 Thlr. Nachdem nun hiervon der Reservefonds mit 75 * anstasft wie früher mit 5 dotirt ist und die statuten— mäßigen Tantismen in Abzug gebracht sind, kommen 150,060 Thlr wie bereits mitgetheilt ist, als 77 Dividende zur Vertheilung und verbleibt außerdem ein Uebertrag von 3828 Thlr. auf neue Rechnung. Nach einem jetzt bekannt gewordenen Zirkular des Direkto— riums der Rheinischen Eisenbahn an seine Geschäftsfreunde wird denselben Mittheilung über die Art und Weise gemacht, in der die vielbesprochene neue Aktien⸗Emisston vorbehaltlich der Be⸗ stätigung der Aufsichtsbehörde vorgenommen werden soll. Da—⸗ nach ist das neue Kapital auf 12 Millionen Thaler bemessen; den alten Aktionären wird auf 4 alte Aktien eine neue al pari zur Ver⸗ fügung gestellt. Die neuen Aktien werden bis zum Jahre 1877 mit 5 pCt. aus dem Baufond verzinst und partizipiren erst von da ab an der Dividende. Die erste Einzahlung von 20 pCt. hat sofort zu erfolgen, weitere 20 pCt. sind im September einzuzahlen und der Rest im Jahre 1876. Verkehrs⸗Anstalten. Der dem Hause der Abgeordneten vorgelegte Staatshaus— haltsEtat für das Jahr 1875 bringt unter den einmaligen und

und waltungsrath liner Fabrik in dem

außerordentlichen Ausgaben im Ressort der Verwaltung für Handel, Gewerbe und Bauwesen eine selche von 400,000 Mark als erste Rate zur Kanalisirung der Unterbrahe mit Anlegung eines Sicher⸗ heitshafens an der Brahemündung in Vorschlag. Die Erläuterungen besagen: „Die Interessen der Schiffahrt zwischen der Weichsel und Oder werden durch mangelhaften Zustand der Wasserstraße der unteren Brahe und den Mangel eines vor den Gefahren des Hoch⸗ wassers schützenden Sicherheitshafens am Auefluß der Brahe so wesentlich geschädigt, daß man schon seit längerer Zeit auf gründ— liche Abhülfe bedacht gewesen ist. Dieselbe kann nur durch Kana— listrung der gedachten Wasserstraße und Anlage eines Sicherheits hafens beschafft werden, wie die technischen Vorlagen dies nach weisen. Nach denselben erfordert die Kanalistrung der Brahe von Bromberg bis zur Weichsel einschließlich der Kosten für die Schleu— sen und Wehranlage bei Kapuscisko einen Kostenaufwand von S828, 000 Mark, während für die Hafenanlage einschließlich der für dieselbe unentbehrlichen Schleusen⸗ und Wehranlagen 1572900 Mark erforderlich sein werden. Es ist die Absicht, die Kanalisirungsarbeiten auf Staatskosten auszuführen, die Aus— führung der Hafenanlage aber einer in der Bildung begrif⸗ fenen, wesentlich durch die Interessen des Holzhandels hervorge— rufenen Aktiengesellschaft zu überlassen. Mit der Ausführung der Ka⸗ nalisirung, welche eine zweijährige Arbeitsperiode erfordern wird, soll begonnen werden, sobald durch einen mit dieser Gesellschaft zu schlie⸗ ßenden Vertrag die gleichzeitige Ausführung beider Anlagen, sowie das Aufsichtsrecht des Staates über den Hafen in einem den Inter- essen des Verkehrs entsprechenden Umfange sicher gestellt sein wird. Die Hälfte der hiernach der Staatskasse zur Last fallenden Kosten wird als 1 Rate pro 1875 bereit zu stellen sein.“

Ueber den Stand des Baues der Oels-Gnesener Eisen⸗ hahn theilen schlesische Blätter Folgendes mit: Die Erdarbeiten sind durchweg fast ganz vollendet. Es fehlen daran nur noch kleine Ver⸗ vollständigungsarbeiten. Das Gleiche gilt von den Brücken und Durchlässen einschließlich der Bartsch⸗ und Warthebrücke. Das Gleis ist bis auf eine kleine, binnen wenigen Tagen zum Schluß gelangen den Brücke zwischen Koschmin und Krotoschin, von Gnesen bis über Freyhan hinaus und in einer Ausdehnung von circa 130 Kilometer 175 Meilen vorgestreckt. Die Hochbauten werden bis Ende Mai ganz vollendet sein. Die Wagen kommen bis Ende April vollständig zur Ablieferung. Von dem konzessionirten Anlagekapital von 74 Mil— lionen waren bis zum 1. Januar c. 6,159,390 Thlr. zur Einzahlung und 4,752,852 Thlr. zur Verausgabung gelangt. Die Betriebseröff— nung dürfte also gegen Mitte dieses Jahres stattfinden.

Aus dem Wolff'schen Telegraphen-Bureau.

Wien, Dienstag, 26. Januar, Vormittags. Der „Tages⸗ presse“ zufolge ist die Notifikation der Thronbesteigung des Kö⸗ nigs Alfons gestern hier eingetroffen und von dem spanischen Gesandten Delmazo dem Auswärtigen Amte übergeben worden.

Theater.

Die Königliche Oper hat der Karnevalszeit durch die gestern zum ersten Male erfolgte Aufführung von A-ing⸗fo⸗hi, Musik von Richard Wüerst, Rechnung getragen. Der Stoff der Oper ist einer Novelle von Barrili entnommen. Die Tochter eines verbannten Mazzlnisten (Erminia Tonelli) ist Anfangs der fünfziger Jahre heimlich nach Genug gekommen, um für die Partei ihres Vaters zu wirken. Ihre Freundin, Laura Mo⸗— neglio, will sie nächtlicher Weile besuchen, wird aber von der aufmerksamen Polizei entdeckt und flüchtet, um die Spur von ihrer Freundin abzulenken, in das noch offen stehende Palais des Advokaten Fenoglio, der eben eine heitere Gesellschaft ent— lassen hat und (in chinesischem Kostüm) auf dem Divan einge— schlafen ist. Da die Polizei⸗Sergeanten der Flüchtigen in die Wohnung nachdringen, so giebt sie sich für die Frau des Fenoglio aus, was dieser, der über dem Lärmen er⸗ wacht ist, um die unbekannte Dame zu retten, bestätigt. Die Polizeisergeanten ziehen sich zurück und zwischen Fenoglio und der Unbekannten entspinnt sich nun ein Liebesvvmrhältniß, indessen verläßt Laura die Wohnung, ohne ihren Namen zu nennen und den Advokaten zu erhören. Im zweiten Akt, am folgenden Morgen, erscheint Erminia selbst bei dem Advokaten, um ihre Parteiangelegenheiten zu besprechen. Sie wird aber von dem Polizei⸗Direktor, einem Freunde des Advokaten, überrascht, der durch seinen Beamten von der vermeintlich heimlich geschlossenen Ehe gehörthat, und um die Verbannte nicht zu verrathen, giebt sie Fenoglio für seine Frau aus. Der dritte Akt bringt dann die befriedigende Lösung auf einem Gartenfest bei Laura Moneglio und vereinigt Fenoglio mit ihr. A⸗ing⸗fo⸗hi sind bedeutungslose Laute, die der Advokat in seinem chinesischen Kostüm, und später auch vor Laura im Schlafe gesprochen hat; der Scherz liegt darin, daß in diesem Worte eine Bedeutung gesucht wird, die es eben gar nicht hat. Hr. Betz als Advokat Fenoglio ist der Träger des heiteren Stücks, und seine Aufgabe ist um so schwieriger, als er abgesehen von der Verkleidung im ersten Akt nur im modernen bürger⸗ lichen Kostüm erscheint. Der Komponist ist ihm jedoch dadurch entgegengekommen, daß er den Fenoglio in den komischen Si⸗ tuationen meist sprechen läßt und die Gesangspartien auf das Lyrische beschränkt. Die Partien der Laura (Frl. Lehmann) und Erminia (Fr. Kupfer⸗Berger) hat der Komponist gleich reich ausgestattet. Der komische Gesang ist den Herren Salo⸗ mon (Polizeidirektor, Krolop (Diener) und Fricke (Polizei⸗ sergeant) zugefallen. Mit einer größeren Partie ist auch Hr. Sachse, der Freund Fenoglio's, bedacht. Die gefällige und melodiöse Musik ist sehr sorgfältig instrumentirt. Bei dem voll⸗ besetzten Hause fand die Oper lebhaften Beifall. Die Künstler wurden nach jedem Aktschluß gerufen und auch dem Kompo⸗ nisten wurde diese Anerkennung zu Theil.

Die Friedrich⸗-⸗Wilhelmstädtische Bühne studirt ge— genwärtig folzende musikalische Novitäten ein: „La belle Bour- bonnaise“ von Coedes, Madame Archiduc“ von Offenbach, „Caglio—⸗ stro“ von Strauß. Gleichzeitig wird die Wiederaufführung des Lortzing'schen „Wildschützenꝰ und seine „Beiden Schützen“ in Aus— sicht genommen.

Wie man dem „Corr. v. u. f. D.“ aus Bayreuth schreibt, wird bei der Aufführung des nationalen Festspieles, Der Ring der Nibelungen“ im Wagnertheater das Orchester aus ca. 156 Mann bestehen Ges werden besetzt:; ca. I6 erste und zweite Violinen, 10 Violen, 12 Celli, 12 Kontrabässe, 7 Harfen, je 5 Flöten, Oboen und Klarinetten, je 2 englische Hörner und Baßklarinetten, 16 Wald— hörner, 8 Trompeten; ebenso Posaunen und Tubas in entsprechender Anzahl, 6 Paar Pauken. Diese imposante Schaar wird eine Elite deutscher Musiker darstellen, gebildet durch auserlesene Mitglieder der Hoftheater Orchester zu Berlin, Braunschweig, Dessau, Koburg, Meiningen, Weimar, Hannover 2c. Ebenso werden in der nicht minder stattlichen Schgar der Sänger und Sängerinnen fast alle deutschen Größen und Berühmtheiten zu finden fein.

Der Geheime Ober⸗Medizinal-Rath Dr. Johann Christian Jüngken hat, wie bereits gemeldet, am 17. d. M. das seltene Fest der funf—

zigsten Widerkehr des Tages gefeiert, an welchem derselbe zum außer— ordentlichen Professor an der hiesigen Königlichen Friedrich⸗Wilhelms⸗

Universität ernannt wurde ein Fest, wie es an der hiesigen Hoch— schule bis jetzt noch nicht begangen ist.

J. Chr. Jüngken wurde am 12. Juni 1793 zu Burg bei Magde— burg geboren, studirte in Göttingen und kam im Jahre 1815 nach kürzerem Aufenthalte in den Lazarethen zu Brüssel, nach Berlin, vollendete hier seine Studien und promovirte unter Hufeland am 3. Mai 1817. Von einer längeren Reise über München und Wien nach Italien, wo ein besonders reges Interesse für die Heilkunde herrjchte, nach Berlin zurückgekehrt, begann Jüngken 1818 seine Lehr⸗ thätigkeit als Privatdozent und erwarb sich schnell die all— gemeine Beachtung und einen großen Ruf als Oph⸗ thalmolog und Operateur. Am 19. Mai 1828 eröffnete er die ophthalmiatrische Klinik, die erste ihrer Art in Berlin, welche auf Rusts Antrag hegründet war, und alsbald auch hohen Ruf erlangte. Nach dem Tode Rusts übertrug man Jüngken auch die Leitung der chirurgischen Klinik. Ueberaus umfassend war seine Thätigkeit als Direktor beider Anstalten, als Lehrer, gesuchter Ope— rateur und Arzt. Vielfach wurde er zu Konsultatlonen nach außer⸗ halb berufen, so 1834 nach Brüssel, 1851 nach St. Petersburg, 1852 nach Wien u. s. w. Nachdem er 40 Jahre hindurch die ophtha—⸗ miatrische, und 28 Jahre die chirurgische Klinik geleitet, legte er das Direktorat leider am 1. Oktober 1868 nieder, nicht ohne daß ihm zuvor, bei Gelegenheit seines 50jährigen Doktor⸗Jubiläums, der Ausdruck ehrender Anerkennung und Achtung, sowohl Allerhöchsten Orts, als aus den Kreisen seiner Berufsgenossen und des Publikums, in reichem Maße zu Theil geworden.

Es war Jüngken leider nicht vergönnt, seinen jüngsten Ehrentag

festlich zu begehen, eine Lähmung hielt ihn an das Bett gefesselt; auf seinen Wunsch unterblieb daher jede größere Ovation. Am frühen Morgen erschien im Namen der Univerität der Dekan der medizinischen Fakultät, Geheimer Medizinal-⸗Rath Prof. Dr. Hirsch, um den Jubilar zu beglückwünschen, und mit der Anerkennung für die der Wissenschaft geleisteten Dienste die Hoffnung auszusprechen, ihn recht hald im Kreise seiner Berufsgenossen wieder begrüßen zu können. Der Unter⸗Staatssekretär Sydow überbrachte später ein Schreiben des Staats⸗Ministers Dr. Falk, das in ehrenden Ausdrücken Jüngkens Verdienste anerkannte und die Mittheilung enthielt, daß Se. Majestät der Kaiser und Kön ig Sich Allergnädigst bewogen gefun⸗ den hätten, dem Jubilar den Stern zum Kronen-Orden zweiter Klasse zu verleihen. Der Direktor der militärärztlichen Bildungs anstalten, General⸗ Arzt Dr. Grimm, und der General⸗-Arzt der Kaiserlich deutschen Kriegs⸗ marine, Dr v. Steinberg⸗Skirbs, ein früherer Schüler des Jubilars, über—⸗ brachten demselben die Wünsche der ihnen unterstellten Aerzte. Von den näheren Freunden hatten sich zur Gratulation eingefunden die General Aerzte Dr. v. Lauer und Dr. Wolff, so wie der Geheime Ober⸗Medizinal⸗Rath Dr. v. Langenbeck. Zahlreiche Briefe und De— peschen bewiesen, daß der Jubeltag in weiten Kreisen verdiente Theil nahme erregt hat.

Für alle Zeiten bleibt es das große Verdienst Jüngkens, daß er eine wissenschaftliche Ausbildung der Augenheilkunde erstrebte und begründete. Er führte sie auf die Basis der allgemeinen Heilkunde zurück, machte sie zum Gemeingut aller Aerzte und während sein glän— zendes operatives Talent, sowie die sichere Ruhe seiner Hand ihm die allgemeinste Anerkennung erwarb, wußte er durch die Art des Vor— trages se ne Schüler zu fesseln und in ihnen nachhaltige Liebe zum Berufe zu erwecken. Auch in literarischer Beziehung hat sich Jüngken vielfach ausgezeichnet.

Von Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin ist der Professor Dr. Jüngken aus Anlaß seines fünfzigfährigen Jubiläums nachträglich noch mit folgendem huldvollen Schreiben beehrt worden:

„Ich erfahre leider erst jetzt, welches seltene Fest Sie am 17. dieses Monats gefeiert haben. Empfangen Sie Meinen aufrichtigen Glückwünsch und die Versicherung Meiner vollen Anerkennung Ihrer fünfzigjährigen ausgezeichneten Leistungen zum Wohle der leidenden r heit, bei Heranbildung der Jugend, im Dienste der Wissen—

aft. Berlin, den 20. Januar 1875. Au gu st a.“

Der Berliner Hausfrauen-Verein

hielt am Montag Abend im Oberlichtsaale des Rathhauses seine erste Generalversammlung ab. Die Vorfitzende, Frau Lina Morgenstern, gab zunächst einen längeren Rückblick auf die Entstehungs und Ent⸗ wickelungsgeschichte des Vereins. Die immer mehr steigenden Preise für alle Nahrungsmittel haben in den Familien einen Nothstand herbeigeführt, dem nur durch ein gemeinsames Vorgehen der Haus⸗— frauen gesteuert werden kann. Als daher Frau L. Morgenstern am 20. November 1873 die Bildung eines solchen Vereines vorschlug, wurde der Gedanke, trotz gegentheiliger, meist von Arbeiter⸗ frauen ausgehender Agitatlonen, mit Beifall begrüßt, und daß die

zur Zeit 2400 Mitglieder zählt.

haben

beweist der Umstand, daß der Verein Am 9. Dezember 1873 konstituirte sich der Verein und wählte einen provisorischen Vorftand, der am 8. Januar 1874 definitiv bestätigt wurde. Bezirks⸗ und Ehrendamen aus allen Theilen der Stadt stellten sich dem Verein zur Verfügung, der hereits zu jener Zeit ein, seitdem wiederholt ergänztes Verzeichnißz von Lieferanten hergusgegeben hat, die den Vereinsmitgliedern gute Waare zu billigem Preise liefern wollen. Auch an die Dienstboten— frage ist der Verein herangetreten; zunächst hat er ein Stellenvermit⸗ telungsbureau begründet und später eine Kommission gewählt, welche sich über etwaige Vorschläge schlüssig machen sollte, in welchen Punkten die Gesinde⸗ Ordnung abzuändern sei; die Kommission legte ihre Berathungen in Form einer Petition an das Abgeordnetenhaus nieder, dieselbe ist jedoch nicht ab⸗ gesandt worden und soll jetzt dem Ministerium des Innern überreicht werden. Am 4. April v. J. erschien die erste Nummer des neu gegründeten Vereinsorganes, welches speziell die Jeteressen der Hausfrauen vertritt. Die Frage nach der Errichtung einer eigenen Waschanstalt ist bei dem Uebelstande, daß keine der bereits bestehenden Anstalten Garantien giebt, daß nicht schädliche Stoffe zum Reinigen verwandt werden, auch erörtert worden, doch scheiterte die Lösung zur Zeit am Mangel des nöthigen Kapitals, das sich auf 4000 Thlr. be— laufen würde. Im Juli wurde in der Beuthstraße 6 das Zentral⸗ bureau errichtet, in welchem die sämmtlichen von den Fabri— kanten angebotenen Waaren zu den billigsten Preisen zu sind. Dasselbe erfreut sich unter der Leitung der Bezirksdamen einer so starken Benutzung, daß in der Person des Herrn Th. Morgenstern jetzt einem Chef die dirigirende Oberleitung anvertraut worden ist. Hierauf wurde der Kassenbericht verlesen, aus welchem zu ersehen ist, daß die Einnahmen und Ausgaben im ersten Semester mit 4342 Thalern, im zweiten mit 15,396 Thalern balanciren. Das Gesammtvermögen des Vereines betrug am 31. De—⸗ zember v. J. 3950 Thaler, Passiva sind nicht vorhanden. Die Ein⸗ nahmen des Vereins betrugen im Juli 211, im August 847, im Sep⸗ tember 1349, im Oktober 2560, im November 4108, im Dezember 6219 Thaler. Hieran schloß sich eine theilweise, wenn auch nicht eingreifende Aenderung der Statuten. Lieferanten können Mitglieder werden, haben aber kein Stimmrecht. Ein Mitglied, welches seine Karte verleiht, um dadurch Fremden die Vortheile, die der Verein bietet, zuzuwenden, trifft die Strafe des Ausschlusses. Das Verlieren einer Mitgliedskarte wird mit einer Mark beftraft. Der neu ernannte Chef des Centralbureaus bezieht eine zwischen einem Minimal und Maximalsatze sich bewegende Tantième, deren Höhe der Vorstand unter Genehmigung der Generalversammlung festsetzt.

Der Vorstand wurde mit 213 von 242 Stimmen wiedergewählt; denselben bilden zur Zeit: Frau Lina Morgenstern, Vorsitzende, Frau Maria Gubitz, stellvertretende Vorsitzende, Frau Dr. Mennicke, Schrift. führerin, Frau Stadtgerichtsräthin Kowalzig, stellpertretende Schrift⸗ führerin, Frau Deutsch, Kasstrerin, Fran Ober -Amtmann Bavicke, Schatzmeisterin, Hr. J. Bloch, erster Beisitzer, Hr. Th. Morgenstern, zweiter Beisitzer.

Idee eine richtige war,

Am Sonntag Vormittag überreichten die Mitglieder der Re— daktion der Nationalzeitung“ dem aus ihrer Mitte scheidenden Kollegen, Staatsanwalt z. D. Schröder, zur Erinnerung an die mit ihm gemeinsam geübte Thätigkeit das Symbol derselben, ein bronze— nes Schreibzeug mit Zubehör. Hr. Schröder dankte mit bewegten Worten, indem er hervorhob, wie gern er mit den Kollegen zusammen gearbeitet habe und versicherte, daß ihm die Erinnerung an feine jour— nalistische Thätigkeit stets in freundlichem Andenken bleiben werde.

Prozeß Ofenheim.

Wien, 25. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung wurden Giskra und der Landmarschall von Galizien, Fürst Sapieha, vernommen. Ihre Aussagen waren dem Angeklagten günstig. Nach Beendigung der Vernehmung erbat Giskra das Wort, um einige den Verwaltungsrath der Lemberg⸗Czernowitzer Bahn betreffende Punkte zu berichtigen. Er wies namentlich den Vorwurf, daß der Verwal⸗ tungsrath sich habe strafbaren Leichisinn zu Schulden kommen lassen, zurück. Der Staatsanwalt erwiderte darauf, er habe unter dem Ausdruck „Verwaltung“ die Bahnverwaltung im allerweitesten Sinne verstanden.

Redacteur: F. Preh m. Verlag der Expedition (KesselJ. Druck! W. Elsner. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage

Berlin:

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. 22.

Berlin, Dienstag, den 26. Januar.

187

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Aichtamkliches.

Amerika. (Monatsübersicht für Dezember) Der 43. Kongreß der Vereinigten Staaten trat am J7. De— zember, dem ersten Montage des Monats, wie es die Verfassung vorschreibt, zu seiner letzten, bis zum 4. März 1875 währenden Session zusammen und nahm die übliche Jahresbotschaft des Präsidenten über die allgemeine Lage des Landes und den Stand der Nationalverwaltung entgegen. In Würdigung der überwiegenden Bedeutung der maleriellen Interessen für die augenblickliche Lage des Landes hatte Präsident Grant den die⸗ selben betreffenden Theil seiner Botschaft an die Spitze gestellt; er erwähnte zunächst der durch die finanzielle Krisis des vergan⸗ genen Jahres hervorgerufenen und noch fortdauernden Lähmung des Handels und der Industrie, und wies dabei auf die großen Elemente der Prosperität der Vereinigten Staaten, das Vor⸗ handensein genügender Arbeitskräfte und hinreichenden Kapitals, sowie die ungemeine Produktionskraft des Landes, hin, welche, bei einer geeigneten Finanzverwaltung und namentlich der Her⸗ stellung eines gesunden Zirkulationsmittels, den Wohlstand des Volkes und die Erwerbsthätigkeit leicht wiederherzustellen ver⸗ möchten. Der Präsident empfahl deshalb dringend die mög⸗ lichst baldige Wiederaufnahme der Baargeldzahlungen, überließ zwar dem Kongresse die Mittel vorzuschlagen, um dies er— wünschte Ziel zu erreichen, wies aber darauf hin, daß die Klausel zu dem Gesetze, welches der Regierung die Ausgabe von Papiergeld gestattet, in welcher die Staatskassenanweisungen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln gemacht werden, aufgehoben werden müsse, und zwar von einem in der Widerrüfsakte zu be⸗ stimmenden Tage an für alle Kontrakte, welche nach demselben eingegangen waren, ebenso müßten zu gleicher Zeit Vor— kehrungen getroffen werden, denen zufolge der Finanz⸗Minister, je nach Bedarf, von Zeit zu Zeit von dem Tage an, an welchem die Baargeldzahlung wieder aufgenommen sei, Geld er⸗ langen könne. Dazu wären aber die Bildung genügender Revenuen erforderlich, welche einen hinreichenden Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben gestatteten. Mit der Wiederauf⸗ nahme der Baarzahlung werde dann auch mit Sicherheit zur Einführung des Freibankensystems geschritten werden können. Nach Behandlung der Finanzfrage wandte sich der Präsident den Beziehungen der Vereinigten Staaten zum Auslande zu. Die⸗ selben werden im Allgemeinen als zufriedenstellend und keine ernstliche Störung befürchten lassend bezeichnet. Das am 1. Juli eintretende Ablaufen des im Jahre 1858 mit Belgien abgeschlos⸗ senen Vertrages wurde hervorgehoben und zugleich die Hoffnung ausgesprochen, daß der frühere Vertrag durch einen neuen, beiden Ländern zu Gute kommenden, werde erfetzt werden. Der Präsident empfahl weiter den Erlaß besonderer Gesetze zur Beseitigung des Uebelstandes, daß die Einwanderung von Ehina in unver— hältnißmäßig großer Zahl keine freiwillige ist, befürwortete von Neuem die Einsetzung eines besonderen Gerichtshofes, welchem die Prüfung der erhobenen Ansprüche an die von England ge⸗ zahlte Alabamaentschädigung und die endgültige Vertheilung dieser Summe zustehen muͤsse, erwähnte ferner des mit der Türkei abgeschlossenen Uebereinkommens betreff3s des Rechtes der Er⸗ werbung von Grundbesitz und gewisser Jurisdiktionsbefugnisse, und berichtete über den Stand der Arbeiten der gemischten Kom⸗ mission, welche die gegenseitig von den Vereinigten Staaten und Mexiko erhobenen Entschädigungsansprüche zu untersuchen hat, wobei zugleich die Hinausschiebung des Termins für die Been— digung dieser Arbeiten als wünschenswerth hingestellt ward. In Betreff Venezuelas heißt es, daß die in neuerer Zeit in diesem Lande vorgekommenen Ruhestörungen Grund zu der Be⸗ fürchtung gäben, daß die der dortigen Regierung recht⸗ mäßig obliegende Lösung ihrer Verbindlichkeiten gegen amerikanische Bürger abermals hinausgeschoben werden möchte. In Bezug auf die Revolution in Cuba hob der Präsident hervor, daß sich die Machtlosigkeit Spaniens, dieselbe unterdrücken zu können, vollständig herausgestellt habe, wies auf die Nothwendigkeit des vermittelnden Einschreitens fremder Mächte hin, und sprach zugleich die tiefe Sympathie aus, welche ihm die inneren Streitigkeiten Spaniens einflößen. Nachdem der⸗ selbe dann an die Nothwendigkeit ergänzender Gesetze zum Schutze amerikanischer Bürger im Auslande erinnert und Siche⸗ rungsmaßregeln gegen den betrügerischen Erwerb des ameri⸗ kanischen Bürgerrechts empfohlen, geschah schließlich der Aus⸗ wechselung von Handels- und Auslieferungsverträgen mit Bel⸗ gien, Ecuador, Peru, Salvador und Rußland Erwähnung. Sich dann wieder den inneren Angelegenheiten zuwendend, machte der Präsident den Kongreß auf die Zweckmäßlgkeit einer Umge⸗ staltung des Tarifs aufmertsam, damit die Einnahmen erhoht und zugleich die Zahl der zollpflichtigen Waaren vermindert werde, namentlich wäre der Zoll auf die nicht im Lande produzirten Artikel, deren indessen die Industrie bedürfe, aufzuheben, ebenso solle auch von den Pro— dukten des Gewerbefleißes, von denen ein Theil, aber nicht das Ganze im Lande hergestellt würde, der nicht in den Vereinigten Staaten hergestellte Theil zollfrei gelassen werden. Auf die Zu— stände in den Südstaaten übergehend, gab der Präsident die Gründe an, welche ihn dazu bewogen hätten, sich der Einmischung in die letzten Verwickelungen in Arkansas zu enthalten, und ver⸗ wies auf seine Spezialbotschaft vom Februar 18753 betreffs Louisianas, in welcher er keine besondere Empfehlung gegeben, wohl aber ernstlich um Legislation über diese Frage nachgesucht habe, zugleich sprach er den Wunsch aus, daß jede Nothwendig⸗ leit für die Einmischung in Stagatsangelegenheiten von Seiten der Bundesexekutive überflüfsig werden möge, hob aber mit Nachdruck hervor, daß, so lange die Exekutivgewalt in seinen Händen läge, alle Gesetze des Kongresses und die Bestimmungen der Verfassung, ein⸗ schließlich der in letzter Zeit hinzugetretenen Amendements, mit Strenge ausgeführt werden würden. Präsident Grant wiederholte dann seine Zuversicht, daß die bisher den Indianern gegenüber be⸗ folgte Friedenspolitik zufriedenstellende Resultate ergeben habe. In Betreff der Reform des Civildienstes ward versichert, daß die für dieselben aufgestellten Regeln so genau beobachtet worden seien, als bei der Spposition, welche sie fänden, ausführbar gewesen sei, Zugleich kündigte der Präsident seinen Enischluß an, ohne weitere Gesetzgebung des Kongresses über diesen Gegenstand, zwar die Prüfungen beibehalten, im Uebrigen aber von dem bisher befolgten System abgehen und namentlich die Konkur⸗ renz⸗Prüfungen aufheben zu wollen. Nachdem der Präsident

den Besuch des Königs Kalakaua erwähnt, schloß die Botschaft mit der Erwähnung der noch unvollendeten Vermessungsarbeiten an den Mündungen des Mississippi. ö

Von den dem Kongresse mit der Botschaft des Präsidenten zugegangenen Jahresberichten der verschiedenen Departementschefs ist besonders der des Finanz⸗Ministers hervorzuheben, aus welchem es sich ergiebt, daß sich für das am 30. Juni zu Ende gegangene Finanziahr, an Stelle des erwarteten Defizit von 135 Millionen, ein Ueberschuß von 2344, 882 Dollars ergeben hat, obgleich in demselben die Erträge der Einfuhrzölle gegen das Vorjahr um etwa 25 Millionen, die der Bundessteuern um etwa 11 Millionen und die Einnahmen aus verschiedenen ande⸗ ren Quellen um etwa 8 Millionen abgenommen haben. Für das laufende Finanzjahr sind die Gesammtausgaben auf 2775 Millionen Dollars, zwölf Millionen weniger als im Vorjahre, die Gesammteinnahmen dagegen auf 284 Millionen veranschlagt worden, so daß sich, sollten sich diese Annahmen als richtig er⸗ weisen, ein Ueberschuß von 9 Millionen ergeben würde, welche für den Tilgungsfond verwendet werden könnten. Da aber dem Gesetze nach im laufenden Jahre 31 Millionen zur Tilgung der Schuld erforderlich wären, so würde sich für das Jahr 1874/75, sollten sich die Einnahmen nicht in ent⸗ sprechendem Maße vermehren, im Amortisationsfond ein Defizit von über 22 Millionen herausstellen; rechnete man dazu, daß im Jahre 1873.ñ74 bereits über 25 Millionen zu wenig an den Tilgungsfonds abgeführt worden seien, so werde eine genaue Aufstellung des Budgets bis zum 30. Juni 1875 ein Defizit von etwa 47 Millionen ergeben. Da der Kongreß in der ver⸗ flossenen Session diese Sache unbeachtet gelassen, so fei es jetzt um so mehr die Pflicht desselben, entweder die nöthigen Steuern zur Deckung des Defizits zu dekretiren, oder ein Gesetz zu er⸗ lassen, durch welches der Ueberschuß der Schuldtilgung der Jahre 1869 73 über das vom Gesetze vorgeschriebene 1 Prozent dem Tilgungsfond der folgenden Jahre gutgeschrieben werde. Der Minister bemerkte ferner, daß die Zeit zu Wiederaufnahme der Baarzahlungen gekommen sei, und empfahl einen frühen Termin für das Aufhören des Zwangscourses des Staatspapier⸗ geldes; für bereits abgeschlossene Kontrakte aber müsse dem Volke und den Banken Zeit zur Vorbereitung gelassen werden, damit neue finanzielle Krisen vermieden wür⸗ den. Eine dem Betrage der Noteneirkulation zur Zeit der Auf⸗ nahme der Baarzahlungen gleichkommende Anleihe müsse ge⸗ stattet werden. In dem Berichte ward ferner die Aufhebung der Steuern auf Bank-⸗Cheks, Streichhölzer, Parfümerien u. f. w., und dafür eine Erhöhung der Steuern auf Spirituosen empfoh⸗ len, und die Einsetzung einer Kommission zur Unterfuchung der gesammten Tariffragen befürwortet.

Bereits in der ersten Sitzung des Senats brachte der Se⸗ nator Sherman einen Gesetzentwurf behufs Revision der Tarif⸗ gesetze ein. Nach demselben soll eine aus sieben Mitgliedern, und zwar einem Senator, zwei Mitgliedern des nächsten Reprä—⸗ sentantenhauses, zwei höheren Zollbeamten und zwei mit den Zollgesetzen vertrauten Bürgern, bestehende Kommission dem Kongresse, bei seinem Zusammentreten im Dezember 1875, durch den Finanz-Minister eine Reviston sämmtlicher Zollgesetze nebst den einschläglichen Amendements vorlegen. In der Sitzung vom 14. wurde ein aus drei Mitgliedern bestehendes Comits zur Berathung dieser Frage erwählt. Ein an dem nämlichen Tage vom Senator Boutwell eingebrachter Antrag auf Errichtung eines besonderen Handels⸗Ministeriums, zu dessen Ressort sämmtliche Handels, Gewerbe⸗, Industrie⸗ und Schiffahrts⸗Angelegenheiten, einschließlich des Zoll⸗ und Steuer⸗ wesens, gehören sollen, wurde an den Handelsausschuß verwiesen. Am 21. brachte der Senator Sherman einen Gesetzentwurf be⸗ hufs Wiederaufnahme der Baarzahlungen ein. In demselben wird bestimmt: 1) daß der Finanz⸗Minister so schnell als möglich die Ausprägung von 1 und Dollarstücken in Silber anzu⸗ ordnen habe, um das jetzt in diesen Denominationen umlaufende Papiergeld (fractional currency) einzulösen; 2) die jetzt bestehende Gebühr von 1 Prozent fuͤr Ausprägung von Goldmünzen für Rechnung von Privaten in den Münzen der Vereinigten Staaten soll in Zukunft fortfallen, 3) das Gesetz, welches das in den Nationalbanken angelegte Kapital und die Notencirkulation beschränkt, wird aufgehoben und das Bankwesen und die Noteneirkulation, gegen Hinterlegung von Bundesobliga⸗ tionen, freigegeben. Für jede 190 Dollars solcher ausgegebenen Banknoten sollen 80 Dollars in Staatspapiergeld eingezogen und dies Verfahren so lange fortgesetzt werden, bis die Ge⸗ sammtsumme des in Umlauf befindlichen Staatspapiergeldes auf 330 Millionen reduzirt worden ist. 4) Vom 1. Januar 18179 ab soll der Finanz⸗-Minister verpflichtet sein, Staatspapiergeld, in Summen von nicht weniger als 50 Dollars, bei dem Unter⸗ schatzamte in New⸗Jork gegen Gold einzulösen. Um den Finanz⸗ Minister in den Stand zu setzen, für die durch dies Gesetz ver⸗ fügte Einlösung Vorkehrungen zu treffen, soll derselbe ermäch⸗ tigt werden, Vereinigte Staaten⸗Obligationen jeder Art, zu 4, 44 und 5 pCt., für keinen geringeren Preis als Pari in Gold zu verkaufen. Am 22. wurde dieser Entwurf, nachdem zahl⸗ reiche dazu eingegangene Amendements verworfen worden waren, vom Senate in dritter Lesung mit 32 gegen 14 Stimmen an⸗ genommen.

Im Repräsentantenhause wurden am 7. fünf Geldbewilli⸗ gungs⸗Anträge für das nächste Finanzjahr eingebracht, und zwar: Kongreß u. f. w. 19,653,434 Dollars, Marine 16,976. 006 Doll., Armee 27, 701,500 Doll., Indianer 4,861,507 Doll. und For⸗ tifikationen 850, 00 Doll. Die Anträge, betreffend den Kongreß und die Marine, wurden am 18. in amendirter Fassung ange⸗ nommen. Die Untersuchung der in der Botschaft des Präsiden⸗ ten erwähnten Wirren in Louisiana und der Angelegenheit der Liga der Weißen im Allgemeinen wurde am 9. einem aus sieben Mitgliedern bestehenden Comité überwiesen. Die Berathung der am 22. dem Repräsentantenhause vom Senate zugegangenen Shermanschen Bill über die Wiederaufnahme der Baarzahlungen wurde auf den 7. Januar angesetzt. Am 23. Dezember ver⸗ tagten sich beide Häuser des Kongresses bis zum 5. Januar.

Der König der Sandwich⸗Inseln, Kalakaua, welcher am 28. November auf dem Kriegsdampfer der Vereinigten Staaten „Benicia“ in San Francisco angekommen war, begab sich von dort nach Washington, wo derselbe am 12. eintraf und mit un⸗ gewöhnlichen Ehrenbezeugungen empfangen wurde. Derselbe stattete dem Präsidenten bald darauf seinen Besuch ab, welchen

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Präsident Grant am 16. erwiederte. Auf die Einladung des Kongresses besuchte der König am 18. das Kapitol. Am 22. begab sich derselbe zu einem kurzen Aufenthalte nach New⸗Jork.

Der Ausweis der Bundesschuld per November erweist eine Abnahme während des Monats von 123,427 Dollars 68 C. Abzüglich des Baarbestandes und der zu Gunsten der verschie⸗ denen Pacifiebahnen ausgegebenen Obligationen belief sich die Schuld auf die Gesammtfumme von 2,138,938, 334 Dollars 14 C., gegen 2, 139, 961,761 Dollars 82 C. am 1. November. Für den Monat Dezember wurde der Verkauf von 2,500, 000 Dollars in Gold angeordnet.

Wenig günstig hat sich bis jetzt die Lage in den Süd⸗ staaten gestaltet. In Louisiana hat der radikale Gouverneur Kellog, unter dessen Kontrole die Stimmzählungsbehörde sre— turning board) steht, obgleich die Wahlen bereits am 2. No⸗ vember stattfanden und deren, den Konservativen im ganzen Staate günstiges Ergebniß sofort bekannt war, erst Ende De⸗ zember das offizielle Resultat veröffentlicht, wonach, allen bishe⸗ rigen Erwartungen entgegen, die Republikaner im zweiten ia. der Staatslegislative eine Majorität von zwei Stimmen haben sollten. Die Aufregung, welche in Folge dieser Nachricht im ganzen Staate entstand, war eine ungemein große, und wurde der Gouverneur von seinen Gegnern geradezu der Fälschung der Wahllisten beschuldigt. Für den Zusammentritt der Legislative sah man heftigen Auftritten entgegen, und besorgte, daß scharfe Maß⸗ regeln der Staatsregierung wiederum zu Störungen der öffent⸗ lichen Ordnung führen dürften. Auch im Staate Misssssippi ist es zu Anfang des Monats in Vicksburg zu Unruhen ernsterer Art ge⸗ kommen. In Folge politischer Aufhetzereien fand dort ein förmlicher Angriff bewaffneter Schaaren von Farbigen auf die Stadt statt. Obgleich die Ruhe bald wiederhergestellt worden, hat doch die Legislative um die Absendung regulärer Truppen zur Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung gebeten, und wurde im Kongresse der Antrag des Abgeordneten für Mississippi, M'Kee, angenom⸗ men, wonach eine aus 5 Mitgliedern des Kongresses bestehende Kommission an Ort und Stelle eine Untersuchung der Angele⸗ genheit vornehmen soll. Auch in Arkansas, wo sich die Bundes⸗ regierung jeglichen Einschreitens enthalten hat, ist die Ordnung noch nicht vollständig wiederhergestellt. .

Die Kommission zur Annahme der Alabama⸗Entschädi⸗ gungsansprüche ist während des Dezember sehr beschäftigt ge⸗ wesen, da am 22. Januar der Termin abläuft, bis zu welchem derartige Ansprüche überhaupt angemeldet werden können. Ge⸗ stattet waren überhaupt nur die durch Wegnahme oder Zerstörung von Schiffen und Cargos, oder die Gefangennahme von Offi⸗ zieren, Matrosen und Passagieren durch die Schiffe der Konfö⸗ derirten, die „Alabama“, Shenandoah“ und „Florida“ und den Tender der letztern „Tacony“ veranlaßten Verluste. Die Ansprüche der Versicherungs gesellschaften sind der Kommission bis jetzt vom Kongresse noch nicht zugewiesen worden.

Da von den bisher ausgesandten Expeditionen zur Erforschung einer interoceanischen Kanallinie nur zwei Rou⸗ ten berücksichtigt worden sind, die Atrato⸗Napipi⸗Linie auf dem Isthmus von Darien und die Nicaragua ⸗Linie, so soll jetzt eine neue Expedition zur Erforschung der Panama⸗Aspinwall⸗Linie ausgerüstet werden, da man an maßgeben der Stelle der Ansicht ist, daß dieselbe einmal kürzer als die übrigen Linien wäre und eine um mehrere hundert Fuß geringere Elevation zu überwinden haben würde, daß aber vor allem der Bau derselben in Folge der Nähe der Eisenbahn mit größerer Leichtigkeit bewerkstelligt werden könnte.

Nach den amtlichen Angaben des Chefs des statistischen Bureaus in Washington hat die Gesammteinwanderung der Vereinigten Staaten sich in dem Fiskaljahr 1873/74 auf 31343393 Personen, gegen 459,803 Personen in dem Jahr 1872173 belaufen. Davon kamen auf Deutschland, einschließlich Oesterreichs und der Niederlande, im zuerstgenannten Jahre M,623 Einwanderer, gegen 159,247 im Vorjahre, was eine Ab⸗ nahme der deutschredenden Einwanderung von 61,624 Personen oder nahezu 40 Prozent ergiebt. Während des No⸗ vember 1874 landeten im Hafen von New⸗Jork SI05 Einwanderer, unter denen sich 3089 Deutsche befan⸗ den, gegen 16,911 Personen, worunter 8338 Deutsche, in der entsprechenden Periode des Vorjahres. Vom 1. Januar bis 30. November 1874 landeten in New⸗Jork 146,340 Einwanderer, darunter 43,286 Deutsche. In demselben Zeitraume von 1873 landeten 264999 Einwanderer, von denen 99,370 Deutsche waren. Die Einwanderung hat mithin in den ersten 11 Mo⸗ naten des eben abgelaufenen Jahres um 117,759, die deutsche Einwanderung speziell um 56,084 gegen die gleiche Periode in 1873 abgenommen.

Mexiko. Die Amendements zur Konstitution, durch welche die Errichtung eines Senats verfügt und einzelne Aenderungen im Kongresse eingeführt werden, wurden feierlich als Landes⸗ ef proklamirt. Dieselben treten am 16. September 1875 in Kraft. Der Kongreß hat die Berathung eines Gesetzes vorge⸗ nommen, durch welches die Rechte der röwmisch⸗ katho⸗ lischen Kirche beschränkt werden. In demselben wird die vollständige Trennung der Kirche vom Staate aus⸗ gesprochen und die Unterdrückung aller geistlichen Orden angeordnet. Dem Kongresse ist von der Regierung ein Kon⸗ trakt bezüglich des Baues einer Eisenbahn von Leon nach Rio Grande, wo sich dieselbe an die Eisenbahn von Texas anschlie⸗ ßen soll, zur Genehmigung vorgelegt worden. Der Vertrag be⸗ treffs Verlängerung des Sitzungstermins der gemischten Kom⸗ mission in Washington wurde vom Kongresse bestätigt.

Columbia. In der Republik herrschte vollständige Ruhe. Die gesetzgebende Versammlung des Staates Panama hat die Verfügung der Regierung in Bogota in Betreff der Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung auf dem Isthmus als rechtsgültig an⸗ erkannt. Am 28. November begann in der Stadt Panama die Feier des 53. Jahrestages der ,, des Isthmus und währte dieselbe mit mehr als dem gewöhnlichen Enthusiasmus fünf Tage.

In Venezuela dauerte der Aufstand gegen den Präsiden⸗ ten Guzman Blanco fort. Barquisimeto ist in die. Hände der Aufständischen gefallen und räumte der General 1 Commandeur der Regierungstruppen, den Staat vor den fein lichen Anführern Colina und Adames. Zu Gunsten Colina's hatte sich auch der Staat Zaracui, dessen Gouverneur derselbe ist, erklärt. In der Hauptstadt des Staates Zulia befand sich