— 5. Februar. (B. T. B.) Zu Mitgliedern der Generalsyno de sind bis jetzt gewählt ein Deputirter von streng kirchlicher Richtung, 4 Deputirte von entschieden freisinniger Richtung und 11 Angehörige der Mittelpartei. Von den noch ausstehenden Wahlen dürften etwa 4 der Mittelpartei, 3 der freifinnigen und eine der streng kirchlichen Richtung angehören,
Magdeburg, 4. Februar. Die heutige 5. Sitzung der Synode der Provinz Sach sen wurde Vormittags 9ise Uhr mit Gebet, gehalten durch den Konsistorial⸗Rath Neuen⸗ haus, eröffnet.
Nach Eintritt in die Tagesordnung erhielt das Wort der Professor Wolters als Referent, betreffs des in Druckexemplaren vertheilten Antrags der III. Kommission an die Synode:
„in eine Revision der Geschäftsordnung während dieser ihrer ersten Diät nicht einzutreten.“
Auf eine hieran sich anschließende Anfrage v. Gerlachs, wie danach sein Amendement, betreffend die Aenderung der Gelöbniß⸗ formel und betreffs der itio in bartes zu beurtheilen sei, nahmen das Wort v. Rauchhaupt, Woltersdorf, Reußner und Wolters. Durch die Erklärung des Präses sah w. Gerlach seine Anfrage für erledigt an. Für die Annahme des obigen Antrags der Ill. Kommffsion ergab sich bei der Abstimmung überwiegende Majorität. Professor Wolters referirte über den Antrag,
„die Wahl des Prof. Beyschlag zum Mitgliede des Synodal⸗ Vorstandes, weil derselbe zugleich Geistlicher sei, für ungültig zu erklären“,
und motivirte die Verwerfung des Antrags, insbesondere hervor— hebend, daß ein Universitätsprediger kein Anstaltsgeistlicher im Sinne der Kirchenordnung fei, keinerlei eigentliche Cura habe und keiner kirchlichen Behörde unterstellt fei, daß selbst auch jenes Amt nicht einmal die Ordination erfordere.
Hiernächst erfolgte die Vorstellung des als Stellvertreter für den erkrankten Oberpfarrer Teller aus Burg einberufenen Pfar⸗ rer Haßfurt und die Abnahme des Gelöbnisses.
Nach diesem Zwischenfalle plaidirte Schwarz für den obi⸗ gen, die Legitimation des Prof. Beyschlag betreffenden Antrag, davon ausgehend, daß der Gewählte der Kategorie der „Hülfs⸗ geistlichen“ beizuzählen sei. Konsistorial⸗Präsident Dr. Nöldechen vindizirte dem Professor Beyschlag die Eigenschaft eines wähl⸗ baren Laien. Professor Köstlin bemerkte, daß der Professor Bey⸗ schlag zum Mitgliede des Gemeinde Kirchenraths der Neumarkter Kirche zu Halle gewählt, und von Niemandem in jener Gemeinde ein Bedenken gegen seine Wählbarkeit erhoben sei, und deduzirte hiernächst für die Legitimation des Genannten. Der Antrag auf Schluß der Debatte wurde angenommen. Die überwiegende Ma⸗ joritãt der Synode stimmte fuͤr die Legitimität der Wahl.
Der Königliche Kommißssar nahm zur Geschäfts ordnung das Wort, und verkündete, daß die Verlängerung der Sitzungs⸗ Periode um einen Tag (Sonnabend) kompetenten Orts abge⸗ lehnt sei.
Professor Wolters erhielt als Referent das Wort betreffs des Antrags auf Zuziehung von Mitgliedern der Synode zu den theologischen Prüfungen (8. 65, Abs. H, der Synodalordnung). Die Kommission empfahl zur Annahme:
I) von nun an zu den Prüfungen (zum J. und II. theologischen Eramen, in Halle resp. Magdeburg) drei Abgeordnete aus der
Synode zu deputiren,
2) daß diese Abgeordneten nach einem von ihnen selbst und mit den Prüfungskommissionen zu vereinbgrenden Turnus an jedem . abwechselnd durch einen von ihnen dreien beizuwohnen abe,
und fügte die Bemerkung hinzu, daß die Zeit lehren werde, in welcher Art sich der Beiwohnende am Examen zu betheiligen habe, ob nur durch Zuhören oder durch Mitexaminiren.
General⸗ Superintendent J. Möller ließ sich hierauf über den numerischen Umfang der Prüfungen und die zu erwün— schende Art der obligatorischen Betheiligung des Deputirten an dem Examen selbst aus. Diesem Vorredner schloß sich auch der General⸗ Superintendent P. Schulze an.
Fabarius regte die Wahl auch von Stellvertretern für die drei Deputirten an und überreichte einen desfallsigen schriftlichen Antrag.
Herbst erklärte, er halte für zweckmäßig, bei Auswahl der Deputirten auch auf Lalen zu rücksichtigen, jedenfalls aber die Theilnahme der Deputirten (resp. des einen von ihnen) obliga⸗ torisch zu machen.
Woltersdorf meinte, daß die Einladung zur Prüfung jedesmal an alle drei Deputirte zu erfolgen habe, es aber aus⸗ reichend sei, wenn nur wenigstens Einer wirklich der Prüfung beiwohne.
Fabarius sprach sich gegen die Zulassung von Laienmit— gliedern aus.
General⸗Superintendent PD. von Stellvertretern. nommen.
Der Referent Professor Wolters resümirte und beantragte, es bei den Kommissionsvorschlägen lediglich zu belassen.
Fabarius und Woltersdorf zogen ihre Amendements zurück.
Die Kommissionsanträge nommen.
Zur Berathung kam hierauf der gedruckt vertheilte Antrag der Kommission:
1 daß auch den älteren, unauskömmlich dotirten Geistlichen durch Alterszulagen zu Hülfe gekommen, und die Hohe Staatz⸗ regierung diesem Bedürfniß Rechnung trage werde,
2) daß der Provinzial⸗Synodalvorstand zu dem gleichen Zwecke die Gründung eines Provinzial⸗Hülfsfonds in Erwägung nehme und event. für die nächste Provinzial Synodaldiät eine bezügliche Vor⸗
Kommissionsanträge plaidirten
lage vorbereite. Für diese Raek, Schott (als Auctor des Antrags) und Rudolphi. Der Königliche Kommissar gab anheim, ob es mehr empfehlen würde, das Minimalgehalt der Pfarrer statt auf S090 Thlr. nur auf 7090 Thlr. zu fixiren und die Differenz der 100 Thlr. zu Alterszulagen zu verwenden. Sasselbach erachtete die Kommissionsan räge für zu unbe⸗ stimmt; Schott sucht Vorstehendes zu widerlegen. dah Ein inzwischen von w. Voß gestellter Zusatzantrag ging ahin,
Ytöller votirte gegen die Wahl Der Antrag auf Schluß wurde ange—
wurden fast einstimmig ange⸗
sich nicht
lenswerth erachten, daß oͤhalts⸗Etat
als Referent erintendenten
Se. Majestät zu richten, I) daß
21. Sertemmer v. J. zur begutachtenden Reviston vorgelegt, Y der durch die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 30. Januar 18486 und 10. Februar 1859 — betreffend die Wiedertrauung Geschiedener — den Geistlichen gewãhrleistete Gewissensschutz bis dahin aufrecht er⸗ halten werde, wo die definitive Ordnung auch dieser Frage auf dem verfassungsmäßigen Wege erfolgt sein wird.
Referent befürwortete die Kommissionsanträge dahin:
Se. Majestät ehrfurchtsvoll zu bitten,
ID daß der Erlaß vom 21. September v. J. insbesondere in Beziehung auf die Form der Trauung und auf die disziplin aren Bestimmungen einer Ergänzung unterzogen,
2) daß der oben beregte Gewissensschutz der Geistlichen bis dahin aufrecht erhalten werde, wo definitive legale Regulirung er— folgt sein wird.
General⸗Superintendent P. Schultze erklärte und motivirte seine Zustimmung zu den von der Kommission beschlossenen Aenderungen.
Der Königliche Kommissar verhielt sich nicht eigentlich ab⸗ wehrend zu Rr. 1 der Kommissionsvorschläge, führte dagegen 2d Nr. 2 aus, daß er eine Aenderung des §. 14 der Synodal⸗ Ordnung resp. die Gewährung des desiderirten Gewissensschutzes weder an sich, noch durch das Bedürfniß für geboten erachte. Schließlich gab er anheim, bei Allegirung der Verordnung vom 21. September v. 5. noch den Zusatz zu machen, daß sie mit Allerhöchster Genehmigung erlassen fei. Hervorzuheben ist aus der Ausführung des Kommissars noch, daß die vom Evangelischen Ober⸗Kirchenrathe zu §. 14 cit. gegebene authentische Interpretation, dahin gehend, daß die Aller höch sten Tabinets⸗-Ordres von 1845 und' 1859 durch den §. 14 Synodal-Ordnung aufgehoben, mit Allerhöchstem Ein— verständniß erfolgt sei. Kanngießer plaidirte für Ablehnung des Kommissionsantrags, der nicht in allen seinen Theilen acceptirt werden könne, jedoch als ein untheilbares Ganzes bezeichnet sei; eventuell empfahl er, ihn zur anderweiten Berathung und Fassung an die Kommission zurückzuverweisen. Schott und Köstlin nahmen den Vorausführungen gegenüber die Kommissions⸗ anträge in Schutz, und hoben hervor, daß die Fassung derselben nicht ausschließe, den Gewissensschutz auch in anderer Art, als durch Inkraftlassung der allegirten Allerhöchsten Kabi⸗ nets-Ordres, gewährt zu fehen, daß die Fassung aber auch außer— dem den Erlaß einer Dimissorialien⸗Ordnung nicht ausschließe. v. Voß, v. Patow und Köstlin stellten und motivirten den An⸗ trag auf Vertagung der Debatte.
Die Majorität beschloß Vertagung der Sitzung heute Abend 6 Uhr.
— 4. Februar. Die auf heute Abend 6 Uhr vertagte Sitzung wurde mit Ertheilung des Wortes an Professor Köstlin begonnen. Derselbe gab als Resultat der Nachtrags⸗ berathung der Kommisston kund, daß der Antrag dahin formirt werde,
an den Evangelischen Ober⸗-Kirchenrath den Antrag zu richten, Se. Majestät zu bitten;
1) daß der AllÜlerhöchst genehmigte Erlaß des Evan— gelischen Sber⸗Kirchenraths vom 21. September 1874 2c. (wie zuvor),
) daß denjenigen Geistlichen, welche sich durch Gottes Wort hehindert sehen, in einzelnen Fällen die kirchliche Wiedertrauung Geschiedener zu vollziehen, un Leschadet der Bestimmungen der Synodalorduung (6. 14) bis dahin Gewissensschutz zu gewähren, wo die definitive Ordnung auch dieser Frage auf verfassungs⸗ mäßigem Wege erfolgt sein wird.
Der Königliche Kommissar bemerkte hierauf, daß nach diesen Modifikationen sich die Sache wesentlich günstiger stelle, und gab eine wohlwollende Berücksichtigung der Wünsche, unbeschadet der Bestimmungen der Kirchenordnung, in Aussicht.
Der hierauf gestellte Antrag auf Schluß wurde angenommen.
Nach einem Amendement Woltersdorfs zur Fragestellung ward der Kommifsionsantrag zu 1 einstimmig angenommen,; ebenso mit überwiegender Majorität der Kommissionsantrag zu 2, und ebenso alsdann beide Anträge zusammen.
Nach einer Verständigung über die Art, in welcher die Wahlen zur Generalfynode zu vollziehen, theilt der Synodale Kanngießer mit, daß der Vorsitzende und die beiden Referenten der Kommission in der Stolgebuͤhrensache sich der Ausarbeitung einer Denkschrift in dieser Angelegenheit unterziehen würden. Der Präses theilte die morgende Tagesordnung mit: Die Wahlen zur Generalsynode, die Wahlen der Deputirten zu den heologischen Prüfungen, Vernehmung der noch rückständigen Berichte der Kommissionen, soweit solche genügend vorbereitet sein werden.
Die nächste Sitzung beginnt morgen Vormittags 10 Uhr.
Fortsetzung der
—
Türkei. (Uebersicht der Ereignisse in den Mo— naten September, Oktober, November und Dezem⸗ ber.) Die seit dem Krimkriege ruhende Frage der türkisch⸗ persischen Grenzregulirung wurde im September wieder aufge⸗ nommen. Mirza Muhib Ali Khan traf als Delegirter des Schahs von Persien in Konstantinopel ein, und es fanden eine Anzahl von Kommissionssitzungen statt, bis = nach einer Nach⸗ richt des „Levant Herald“ vom 5. Januar 1875 — in Folge einer Meinungsverschiedenheit der ottomanischen und persischen Delegirten über die noch fortdauernde Gültigkeit des auf die Grenzfrage bezüglichen Vertrages von 1744, die Kommission ihre Sitzungen auf unbestimmte Zeit vertagte.
Eine andere Kommission, bestehend aus zwei vom Schah von Persien ernannten Delegirten, sowie dem Handels⸗Minister Kabuli Pascha und dem Unterrichts⸗Minister Sarfet Pascha, ist behufs Ausarbeitung eines Handelsvertrages mit Persien zusam⸗ mengetreten.
Nachdem schon am 20. Muharem (9. März) ein zwischen dem Großwesirat und der persischen Gesandtschaft zu Konstanti⸗ nopel getroffenes provisorisches Abkommen, betreffend die Be⸗ ziehungen der in der Türkei wohnenden Perser zu den ottoma⸗ nischen Unterthanen, den General⸗Gouverneuren des Reichs mit⸗ getheilt war, ist denselben jetzt, unterm 29. Chewal (18. No⸗ vember), das im Staatsrath ausgearbeitete Gesetz über das Ver⸗— bot der Heirath zwischen Oltomanen und Persern zur strengsten Nachachtung übersandt worden. Die drei Artikel dieses Gefetzes lauten nach der Zeitung „La Turquie“: Art. 1. Die gemischten Ehen zwischen ottomanischen und persi⸗ schen Unterthanen bleiben, wie bisher, definitib verboten. Art. 2. Die mit den Ceremonien der Eheschließung betrauten Beamten werden im Fall einer Uebertretung dieses Gesetzes dafür verantwortlich ge⸗ macht. Art. 3. Wenn trotz dieses Verbotes eine Frau, die ottoma—⸗ nische Unterthanin ist, eine Ehe mit einem Perser eingeht, so sollen die von dieser Frau geborenen Kinder und die Frau selbst in allen Fällen als ottomanische Unterthanen betrachtet werden, und sind als solche der Konfkription, der Steuer für Befreiung vom Militaͤrdienst, sowie den Lasten unterworfen, die den Unterthanen Sr. Majestät des Sultans auferlegt sind.
Den im türkischen Reiche sich aufhaltenden Griechen zweifel⸗
rordentlichen Generalsynode der Erlaß vom
Frist gesetzt worden, binnen deren sie ihre hellenische Abkunft und Staatsangehörigkeit unter dem Präjudize nachweisen soll= ten, daß sie anderenfalls als ottomanische Unterthanen betrachtet werden würden. Der neuernannte türkische Gefandte am Kö— niglich griechischen Hofe, Photiades Bey, soll diese Frage bis zum 1 April 1875 zum Austrag bringen.
Die amerikanischen Staatsangehörigen haben jetzt gleich den übrigen Fremden das Recht, Grundeigenthum in der Türkei zu erwerben, erlangt; die näheren Bestimmungen über die Um— schreibung der Besitztitel ist in der an den amerikanischen Ge⸗ sandten gerichteten Verbalnote der Pforte vom 12. August ent. halten.
In Podgoritza, welches an dem die Grenze von Monte⸗ negro und Albanien begleitenden Flusse Moratscha auf der albanesischen Seite gelegen ist, war ein Türke von einem Montenegriner ermordet worden und es hatten die türki⸗ schen Einwohner infolge dessen Rache an den Montenegrinern genommen. Die an Ort und Stelle entsandte Regierungskom⸗ mission hat die Akten durch einen Spezialcourier am 2. Januar der Pforte eingereicht. Der Kaimakan von Podgoritza ist in Disziplinarstrafe genommen worden, weil er den Ünruͤhen nicht vorgebeugt, und gegen mehrere Schuldige ist die Todes strafe ausgesprochen worden.
In Serbien hat ein Ministerwechsel stattgefunden. Die Adreßkommission der Skupschtina hatte eine radikale, namentlich auch gegen die Suzeränetät der Pfortenregierung gerichtete Antwortsadresse auf die Thronrede des Fürsten Milan adoptirt und das Ministerium aus der Ablehnung dieser Adresse eine Kabinetsfrage gemacht. Die Adresse wurde darauf zwar amen— dirt, ging aber in der amendirten Form und mit drei Stimmen Majorität durch. Infolge dessen reichte das Kabinet seine Ent⸗ lassung ein und erhielt fie. Der neue Premier Tchumitch hat dem Ministerium Marinovitch als Minister des Innern an— gehört.
Serbien und Rumänien waren in den Fall gekommen, neue Handelskonventionen mit dem ihnen unmittelbar benach— barten Oesterreich⸗Ungarn abzuschließen, wie zwischen Rumänien und Oesterreich bereits früher Post⸗ und Zollkonventionen verein⸗ bart waren. Da die Peorte jedoch der Ansicht war, daß die ragliche Konvention ein internationaler Vertrag von politischer Bedeutung sei, so beanspruchte sie auf Grund des Pariser Traktates von 1856, daß die betreffenden Fürstlichen Regierungen erst die Ge⸗ nehmigung ihres suzeränen Hofes zur Abschließung jenes Vertrages nachsuchten. Rußland, Oesterreich und Deutschland ließen indeffen der Pforte durch ihre Botschaften erklären, daß sie mit Rücksicht auf die materiellen Interessen und die Lage der Fürstenthümer das Recht beanspruchten, mit denselben direkte und spezielle Uebereinkommen in Bezug auf Zoll, Fracht und Handel zu treffen, Uebereinkommen, welche keinen politischen Charakter haben würden. Der türkische Minister des Auswärtigen, Aarify Pascha, antwortete auf diesen Kollektipschritt der genannten Mächte durch eine an die drei beireffenden Auswärtigen Minister gerichtete identische Note vom 23. Oltober. In dieser Note heißt es, die Pforte hahe Gründe, von dem Rechtsstandpunkte abzusehen und wolle deshalb nicht etwa jede einzelne der übrigen Signatär— mächte des Pariser Vertrages um ihre Ansicht über diese Ange— legenheit fragen, aber sie halte eine vorherige Anfrage der Fürst⸗ lichen Regierungen bei dem suzeränen Hofe für erforderlich. Ent⸗ würfe abzuschließender Handelskonventisnen sind der österreichisch⸗
ungarischen Regierung seither unterbreitet worden. In Aegypten beginnt die Durchführung der Justizreform und
hafter Nationalität war vön Seiten der Pfortenregierung eine
dem von
zereits eine Anzahl der von den verschiedenen Staaten prä⸗ entirten Richter, nach erfolgter Ernennung durch den Vizekönig, an den Ort ihrer Bestimmung abgegangen.
Der Khedive hat am g. Dezember in seinem Palaste Abdin einer Deputation der europäischen Kolonie, welche ihm unter an— derm auch zu den militärischen Erfolgen in Darfur Glück wünschte, geantwortet, daß dieses Reich von fünf Millionen Ein— wohnern nunmehr für immer mit Aegypten vereinigt sei.
Im Innern des türkischen Reiches ist die Hungersnoth in den Distrikten Angora und Kastambul noch immer nicht als be— seitigt anzusehen, aber der neuernannte Gouverneur von Angora, Abdel Rahman, und das in Stambul von der Regierung ein⸗ gesetzte Central⸗Hülfscomitèé, sowie die organisirte Privatwohlthä⸗ tigkeit, wirken dem Uebel fortwährend kraͤftig entgegen. 21,500 Personen müssen, nach dem Bericht des General. Gouverneurs, aus öffentlichen Mitteln bis zur nächsten Herbsternte ernährt werden. Die Regierung hat es übernommen, 240, 000 Kilehs Mehl und 11,9000 Paar Ochsen in die bedrängte Provinz ein⸗ zuführen und hat mit der Einfuhr zum Theil bereits begonnen.
Auf Anlaß dieser wesentlich mit auf die mangelnden Kom⸗ munikationswege zurückzuführenden Kalamität ist die Frage der asiatischen Eisenbahnen wieder mehr in den Vordergrund getreten. Nachdem sich die Strecke von der von Stambul aus mit Dampfschiff in einer Viertelstunde zu erreichenden Anfangs⸗ station Haider Pascha bis Ismidt bereits seit längerer Zeit im Betriebe befindet, hat die Regierung nun die weitere Sektion Ismidt⸗Sacearia zum öffentlichen Konkurse ausgeschrieben. Der nördlich von Ismidt ins Schwarze Meer fallende Saccariafluß entspringt in der Nähe von Angora.
Während der Brussa⸗Eisenbahnbau ins Stocken gerathen ist, ist dagegen die Bahn Smyrna⸗Cassaba⸗Allach ir gänzlich voll⸗ endet, von dem Bauten⸗Minister Edhem Pascha im Oktober per⸗ sönlich inspizirt worden und wird dem Betriebe übergeben werden, was mit der Strecke Smyrna⸗Aidin schon seit längerer Zeit der Fall ist.
Die Bahnen der europãischen Türkei greiflicherweise erheblichere Fortschritte asiatischen. Während die Ärbeiten an* den Linien Rustschuk⸗ Jamholi und Sofia⸗Nisch wieder aufgenommen wurden, sind die von der Kaiserlichen Eisenbahnbaugesellschaft (S0cicte Impriale des chemins de fer de la Turquie d Europe) vertrags mäßig herzustellenden Bahnen gegenwärtig bereits vollendet und zum größten Theil im Betriehe. Es sind die Linien: I) Konstanti⸗ nopel · Adrianopel⸗Philipopel⸗Sarambey (Bellova) mit der Zweig⸗ bahn Tirnowa-Jamboli; 2) Adrignopel⸗Dedeagadsch (Hafen an der Maritzamündung), 3) Salonil Us küb⸗Marovitza. Die defi⸗ nitive Uebernahme dieser Bahnen Seitens der Pforte hat indeß bis jetzt nicht stattgefunden, da eine zur Inspeltion der Bahnen ernannte Regierungskommifsion ihr Gutachten dahin abgegeben hat, daß die Konstruktiongarbeiten nicht überall konventions mäßig ausgeführt seien. In Folge dessen hat eine Gruppe der hervor⸗ ragendsten Aktionäre der genannten Gesellschaft eine eigene Kom⸗ mission ernannt, welche aus dem österreichisch⸗ ungarischen Hof⸗ rath und Ministerial⸗Rath Baron Weber, dem preußischen Je⸗ heimen Regierungs⸗Rath Hartwich und dem bayerischen General⸗ Baudirektor der Staatsbahnen Roeckel bestand und im Ofstober zur Besichtigung der fraglichen Linien sowie des Betriebs mate⸗ rials an Ort und Stelle eintraf. Diese Kommission hat, nach ihr unter dem 2. November erstatteten Bericht,
haben inzwischen be⸗ gemacht, als die klein⸗
ihr Gutachten abgegeben, daß die von der Sociẽtè Im- périale erbauten und von der General Betriebs ⸗BGesell⸗ schaft in Betrieb genommenen Bahnlinien gemäß den von dem türkischen Gouvernement gebilligten Plänen aus⸗ geführt, allen Regeln der Technik entsprechen und einen sichern Betrieb gestatten, selbst wenn der Berkehr weit bedeutendere Pro⸗ portionen als gegenwärtig annehmen sollte. 4
Was die Finanz bewegung des Staates anlangt, so ist zunächst das Gesetz vom 8. Chaban 1291 zu verzeichnen, wel⸗ ches die Eintragung des neuen 40 Millionen⸗Anlehens in das grand Livre de la Dette générale De Empire Ottoman be— fiehlt. Im Art. 3 dieses Gesetzes heißt es, daß die Summe von 44 Millionen Medjidiesd'or — 40 500 000 Pfd. Sterl. zur Tilgung der schwebenden Schuld bis zur Höhe von 3 300000 Medjidiesd or bestimmt ist und der Rest von 7700, 900 Mejidies⸗ d'or in natura bei der Kaiserlich Ottomanischen Bank als Ga⸗ rantie für die im Kontokorrent dem Staatsschatz zu gewähren⸗ den Vorschüsse zu deponiren ist. Dies Gesetz ist den / 19. Sep⸗ tember 1874 promulgirt worden und hat gemäß Art. 5 von diesem Tage an Gesetzes kraft. — Auf die von dem Anlehen zur öffentlichen Subskription in London und Konstantinopel aufge⸗ legten 17,490 000 Medjidiesd'or — 15,900, 0900 Pfd. Sterl. wurden, nach der Zeitung „La Turquie“, über 50. 000,990 Pfd. Sterl. gezeichnet, so daß eine bedeutende Reduktion auf die Zeich⸗ nungen einzutreten hatte. Ueber den, nach Abzug der 15,990 000 Pfd. Sterl. und der gesetzlich in das Depot der Bank zu legenden 7,900,000 Pfd. Sterl. verbleibenden Rest von 17,190 000 Pfd. Sterl,, hat die Regierung am 31. Oktober einen weiteren Vertrag mit ihrer Bank abgeschlossen, Inhalts dessen die Bank von diesem Restbetrage 5,060, 000 Pfd. Sterl. fest übernahm, die letzten 12,100,000 Pfd. Sterl. aber mit einem Optionsrechte von 4 Monaten. Von dieser Option hat die Bank bereits für die Summe von 4,600,000 Pfd. Sterl. für sich Ge⸗ brauch gemacht, so daß nur noch 7,500,000 Pfd. Sterl. bis zum 1.13. März 1875 offen bleiben. .
Das die Umgestaltung der Bank genehmigende Kaiser⸗
liche Iradé, sowie die neuen Statuten der Ottomanischen Bank sind noch nicht publizirt worden. Indeß ist, nach der Turquie vom 1. Dezember, im Ministerrathe die Bildung einer Kom⸗ mission zur Prüfung jener neuen Statuten beschlossen worden. Diese Kommission, welche ihre Arbeiten ungesäumt beginnen sollte, ist aus dem Finanz⸗Minister, dem Unterrichts⸗Minister, dem General⸗Zolldirektor und dem Minister der Archive zu⸗ ammengesetzt. . . von dem 40 Millionen⸗Anlehen hat die Re⸗ gierung gegen Ende Dezember zur Bezahlung des Januar⸗ coupons einen Vorschuß von 1,000, 0900 Pfd. Sterl. von der Ottomanischen Bank erhalten. Da das Vorzugsrecht dieser letzteren bei allen Staatsanlehen konventionsmäßig erst vom 13. März 1875 anhebt, so war die Regierung berechtigt, von dem Grédit Général einen Vorschuß zur Deckung der fälligen Bons de Trésor zu kontrahiren, welcher, nach dem Journal „POrient Financier«“ vom 1. Januar (1875, 450,000 Pfd. Sterl. betrug, ebense wie, nach derselben Quelle, das Kriegs-Ministerium von der Socièté Générale ein Darlehn von 200, 0600 Pfd. Sterl. auf 7 Monate zu 141“ Proz. Zinsen, gegen Deponirung von Kon— solides aufgenommen hat. ö .
Der Papst hat in seiner diesjährigen Weihnachtaallokution auch die Türkei unter den Verfolgern der Kirche genannt, weil die Regierung, in der unter den unirten katholischen Armeniern entstandenen Spaltung, den Patriarchen Kupelian, der aus der altherkömmlichen von der armenischen Kirche selbst unter Be⸗ theiligung des Laienelements vorgenommenen Wahl hervorge⸗ gangen ist, anerkennt. Nachdem bereits im Juni die armenische Patriarchatskirche zum heiligen Erlöser in Konstantinopel dem Patriarchen Kupelian durch den Polizeiminister Husni Pascha übergeben worden, ist in den verflossenen Monaten auch die Uebergabe der Kirchen in den Provinzen erfolgt. Bei der Ueber— gabe der Kirchen und Bischofspaläste in Angora und Erserum mußte von dem Vali die bewaffnete Macht requirirt werden, um die Priester der hassunistischen Dissidenten zum Verlassen der von ihnen besetzten Baulichkeiten zu zwingen. 4
Auch auf dem Berge Athos, dem friedlichen Waldheilig⸗ thum weltmüder Anachoreten, ist der Unfriede eingekehrt. In dem von etwa 309 russischen und 200 griechischen Mönchen be⸗ wohnten Kloster St. Panteleimon waren durch die Verschieden⸗ artigkeit der Nationalität Streitigkeiten entstanden und hatten beide Theile zur Schlichtung derfelben sich an die Generalver⸗ sammlung der Athos-Kongregation gewandt. Die letztere votirte ein Reglement, wonach in dem Kloster der griechischen Nationalität der Vorzug gegeben werden und namentlich der Egumene stets ein Grieche sein sollte. Die russischen Mönche, welche übrigens ebenso wie die griechischen ottomanische Unterthanen sind, appellirten darauf an das vorgesetzte Patriarchat im Phanar zu Stambul und dieses verwarf das von der Repräsentativpersamm⸗ lung der Athosgemeinde votirte Reglement, indem es gleichzeitig mit der Berathung eines neuen Reglements vorging. Nach der „Turquie“ vom 29. September lautet der erste Artikel dieses letz⸗ tern: das Kloßer St. Panteleimon auf dem Berge Athos ist unveräußerliches Eigenthum des Patriarchenstuhls. Der zweite Artikel bestimmt, daß die offizielle Sprache des Klosters die griechische sein und nur in einer der vorhandenen Kapellen rTabexiοινñ der Gottesdienst in slavischer Sprache abgehalten werden solle. — Nachdem über die folgenden Artikel dieses Regle⸗ ments im Schoße des gemischten Nationalraths des Patriarchats Meinungsverschiedenheiten entstanden waren, legten 5 dissentirende Mitglieder ihre Stellen nieder. Es wurden darauf 5 neue Mit⸗ glieder gewählt und die hohe Pforte bestätigte, der ‚Turquie“ vom 17. November zufolge, durch das dem Patriarchat zugesandte Teskerè ad hoc die Wahl der neuen Mitglieder. Infolge dessen haben nunmehr die Berathungen ihren Fortgang genommen, ohne jedoch bis jetzt zum Abschluß gekommen zu sein.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 6. Februar. In der gestrigen Sitzung des Hau⸗ ses der Ahgeordneten erklärte in der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Anlegung und Bebauung von Straßen und Plätzen in Städten und ländli— chen Ortschaften, der Minister für Handel ꝛc. Dr. Achenbach wach dem Abg. Miquel: .
Meine Herren! Mit dem Vorschlage, die gegenwärtige Vorlage einer Kommission zur näheren Berathung zu überweisen, kann ich mich nur vollkommen einverstanden erklären. Es ist, ja keinem Zweifel unterworfen, daß die Materie, um die es sich hier handelt, zu den schwierigsten gehöit; es sind so verschiedene Interessen dabei in Betracht zu ziehen, daß es vielfach bei einzelnen Spezialfragen fast unmöglich schelnt eine genügende Lösung zu finden. Sicherlich mußte deshalb
die nähere Berathung
sogar, daß selbst die Kommission, wenn sie in he rathi um dieselbe Nachsicht
des Entwurfes eintreten wird, vielleicht später . des Hauses nachsuchen muß, wie von Seiten der Regierung dies jetzt geschieht. Denn wenn wir der Erfahrung der Vergangenheit trauen, so ist bereits hinlänglich dargethan, daß die hervorragendsten Kräfte, welche früher und jetzt diefem Hohen Hause angehört haben, nicht zu einem schließlichen Resultat über diese Fragen haben gelangen können. Ich kann mich daher nur höchst befriedigt erklären, wenn der Herr Vorredner bezüglich der materiellen Bestimmungen des Gesetzes aus⸗ gesprochen hat, daß dieselben im Allgemeinen seine Anerkennung gefun— den hätte. Ein solches Urtheil ist der Regierung in hohem Grade bereis willkommen, da sie kaum erwarten durfte, daß bereits bei der Generaldiskussion eine derartige Anerkennung ausgesprochen würde. Uebrigens sind die Bedenken, welche der erste Herr Vorredner hervor⸗ gehoben hat, keine solchen, die, wie ich glaube, mit Recht gegen die Vor⸗ . geltend gemacht werden können. T auf die ein⸗ zelnen Paragraphen eingeht, so wird der Herr Vorredner vermißt, im Ganz halten ist, mag auch zugegeben daß h . Präzisirung sich vielleicht als Bedürfniß herausstellt. Wenn derselbe beispielsweife in seiner Rede darauf hinwies, daß er bezüglich des Kompensationsprinzipes zwar den Standpunkt der Vorlage theile, aber eine Bestimmung vermisse, wonach, wenn Seitens eines städtischen oder sonstigen Gemeindewesens das Straßenterrain erworben worden sei, die späteren Anbauer dasjenige, was Seitens der Gemeinde vorgeschossen worden, letzterer zu erftatten hätten, so ist in dem Entwurfe auch die Bestimmung enthalten, daß die Kosten der Freilegung erstattet werden soll Unter diesem Ausdruck hat nichts Anderes berstanden werden ollen, als was der Herr Redner erstrebt. Wenn zer ferner darauf aufmerksam machte, daß es wünschenswerth sei, bei Feststellung von Baufluchtlinien in den engen Gassen der Städte größere Gebäude⸗Komplexe zu erwerben, um breitere Straßen herzustellen, so wird auch diesem Bedürfniß auf Grund des Expro⸗ priationsgesetzes Rechnung getragen. E rweist es sich nämlich als noth⸗ wendig, eine größere Verkehrsstraße in einem Stadtviertel herzustellen, so wird das Expropiationsrecht vollkommen ausreichen, um eine solche Straßenanlage zu schaffen. Endlich hat derselbe Herr Redner ver⸗ mißt, daß der Zeitpunkt nicht festgestellt sei, nach we chem sich die Entschädigung bemesse. Ich verweife auch hier auf das Exproprig⸗ tionsgesetz. Die Vorlage enthält die Bestimmung, daß nach Maßgabe des Gesetzes verfahren werden muß,
zie und da eine nähere
die allgemeinen Grundsaͤtze wer⸗ den daher für diese Fragen in Anwendung treten und liegt kein Bedürfniß vor, in den gegenwärtigen Entwurf eine bestätigende oder gar abändernde Bestimmung jenes erst eben ergangenen Gesetzes aufzunehmen. Wenn dem so ist, so hoffe ich, daß, abgefehen von Fassungs veränderungen, die Kommission im Allgemeinen denjenigen Standpunkt theilen wird, welchen der zweite Redner in materieller Beziehung betont hat. Dabei kann ich nicht zugeben, daß es sich, wie der erste Redner meinte, ledig⸗ lich um eine wenig verbesserte Auflage früherer Entwürfe handelte. Nach meiner Auffassung sind die früheren Vorlagen vollständig umge⸗ arbeitet, der vorliegende Entwurf hat durchaus nicht mehr den Cha⸗ rakter der früheren Beitimmungen. Letz
gedehnt, erweitert und namentlich ist
daß die Bestimmungen über die Behörde nicht richtig gegriffen seien. Wenn er zunächst zugiebt, daß für dieses Gesetz, wie für alle übrigen Gesetze der Gegenwart eine gewißte üble Situation dadurch herbeigeführt sei, daß wir, in diesem Augenblick mit der Reorganisation unferer Behörden beschäftigt sind, so wird er auf der anderen Seite auch anerkennen müssen, daß gegen— über allen früheren Entwürfen, wie gegenüber dem bestehenden Recht des Landes, diese Vorlage einen sehr wesentlichen und intenstven Fort⸗ schritt auf dem Gebiete der S elbstverwaltung zeigt. Wenn Sie namentlich die frühere Vorlage in s Auge fassen, so war beispielsweise bestimmt, daß bei Aufstellung von Bebauungsplänen sich die Mitwir⸗ kung der Gemeindebehsrden auf die Anregung beschränken, jetzt ist eine wirksame Initiative in die Hände derselben gelegt. Früher entschied in letzter Instanz überall die Bezirksregierung, während die gegenwär
tige Vorlage die letzte Ent
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cheidung in die Hände des Kreisaussck Usses, M ** 1 12 J 77 * 8
des Bezirksausschusses u.
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Ortspolizeibehörde
u . w. legt. Nun sagt freilich der Herr Vor—
r wesentliche Verschlechterung, daß gemeinschaftlich mit der Gemeindebehörde handeln, solle. Meine, Herren, da. die Ortspolizeibehörde der Gemeindevorstand ist, hat selbstverständlich diese Be⸗ stimmung nur die Bedeutung, daß die Gemeinde durch ihre ge⸗ sammten Organe entscheidet. Ueberall also, wo eine solche Identität stattfindet, entscheidet thatsächlich die Gemeinde, und das ist bezüglich der Städte in dem weitaus größten Theil unseres Landes der Fall. Es ist hiernach in der That nicht recht verständlich, wie Ausnahms⸗ fälle aufgebauscht werden können zu einem durchgreifenden Einwande gegen die Vorlage überhaupt. Es giebt ja allerdings Städte, in denen eine Königliche Polizeiverwaltung besteht, wo also eine Abweichung von der Regel vorhanden ist und wo in der That die Königliche Po⸗ lizeibehörde mit der Gemeindebehörde in Berathung treten müßte, vorausgesetzt, daß die Polizeibehörde ihrerseits überhaupt etwas mit Straßenangelegenheiten zu schaffen hat. Im Uebrigen aber würden die Gemeindebehörden die Organe sein, welche entscheiden. Demgemäß steht die Vorlage vollständig auf dem Boden der Selbstverwastung, die Regierung ist keineswegs von dem Prinzip ausgegangen, vorzugs⸗ weise polizeiliche Gesichtspunkte maßgebend sein zu lassen, sondern sie steht auf demselben Boden, welchen der Herr Vorredner annahm. Nun wird es endlich als ein großes Krimen bezeichnet, daß während des Uebergangsstadiums da, wo noch keine Kreis⸗ und, Bezirksgusschüsse existiren, die Landdrosteien an deren Stelle treten können. Ich frage aber den Herrn Vorredner, ob nicht bei den Bebauungsplänen auch der selbständigen hannöverschen Städte, der Landesbehörde die Be⸗ stätigung noch gegenwärtig zusteht? Es wird also provisorisch dasjenige aufrecht erhalten, was bereits Rechtens ist. Es wird aber als Uieber⸗ gangszustand ausdrücklich durch die Vorlage gekennzeichnet, ein Zu⸗ stand, der weichen soll, sobald die Organe der Selbstverwaltung in allen Provinzen eingeführt sein werden. Demgemäß kann ich den Vor⸗ wurf nicht acceptiren, daß wir die Absicht hätten, die freie Bewegung der Gemeinden zu beschränken; wir wollen die freie Bewegung und ich hoffe, wir haben es durch die Vorlage bewiesen.
— In der Generaldiskussion über den Gesetzentwurf, betreffend den stan desherrlichen Rech ts zustand des Herzegs von Arenberg, nahm der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt nach dem Abg. Windthorst Meppen] das Wort:
Meine Herren! Ich werde nur wenige Werle an Sie richten, weil in der That dieser Gegenstand schon wiederholt in diefem hohen Hause zesprochen worden ist. ; g . Herr , nn . von Meppen, hat sich, zuvörderst darüber beklagt, daß die Regelung der Arenbergschen Verhältnisse nicht aufge⸗ schoben worden sei bis zum Erlaß des Reichsgesetzes über die Gerxichts⸗ verfassung. Der Herr Abgeordnete beklagt sich in dieser Beziehung sehr mit Unrecht. Meine Herren, Sie werden sich erinnern, daß vor einer langen Reihe von Jahren zweimal nacheinander in diesem hohen Hause gelegentlich der Budgetbergthung das sehr dringende und ernst— liche Verlangen an die Königliche Staatsregierung gerichtet worden ist, die Rechtszustände im Herzogthum Arenberg zu corrigiren. Die Koͤnigliche Regierung ist darauf eingegangen und hat den Vertrag mit dem Herzog von Arenberg gekündigt, um freie Hand zu gewinnen; die Kündigungsfrist ist seit mehreren Jahren abgelaufen, und wie steht denn nun das Verhältniß? Der Vertrag ist weggefallen und die Verhältnisse werden in ihrer jetzigen Verfassung. lediglich und allein erhalten durch eine Königliche Verordnung. Diese Königliche Ver⸗ ordnung kann auch im Wege der Verordnung wieder beseitigt werden; wenn, das geschieht, so tritt ein Chaos, ein, oder es kann die Sache provisorisch geregelt werden von der Königlichen Regierung ohne Mit⸗ wirkung des Landtages. Unter solchen Umständen ift es durchaus er⸗
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Verhältnisse völlig unbestimmt ohne eigentlich rechtlichen Halt bestehen, daß sie sich immer weiter verschlimmern, kann Niemanß bezweifeln wer in denselben steht. Der Herr Abgeordnete von Meppen tej den Verhältnissen jetzt fern, ich stehe ihnen aber ganz nahe, und kann es übersehen. Die königliche Regierung hat sich also 2 entschließen müssen, diesen Gesetzentwurf von neuem vorzulegen, nachdem er schon verschiedentlich vorgelegt worden, aber nicht zur Erledigung gekommen ist. Der Herr Abg. von Meppen beklagt sich sehr darüber, daß den übrigen Standesherren Preußens größere Rechte gewährt worden seien als dem Herzog von Arenberg. Das ist richtig; der Abg, von Mep⸗ pen täuscht sich aber, wenn er die Verschiedenheit ableitet von einer freundlichen oder unfreundlichen Gesinnung gegen die verschiedenen Standesherren, indem er meint, daß die Königliche Regierung dem Herzog von Arenberg unfreundlich gesinnt sei. Davon ist gar keine Rede, es liegt gar kein Grund dafür vor; man kann so etwas be⸗ haupten in die Luft hinein, das ist aber auch alles; beweisen Sie das einmal. Wer nur mit den Verhältnissen, den allgemeinen und den partikularen, auch nur einigermaßen vertraut ist, liegen die Gründe auf der Hand. Es ist bekannt, meine Herren, daß die Verhält⸗ nisse der Standesherren zur Zeit nicht mehr geordnet werden können durch Königliche Verordnung, vielmehr geordnet werden müssen durch Gesetz. haben Sie selbst in den letzten Jahren beschlossen. Königliche Regierung ist deshalb nicht in der Lage, dem Glauben sich hinzugeben, daß das Abgeordneten⸗ haus den Herzog von Arenberg oder überhaupt aber Standesherren, deren Verhältnisse noch weiter zu regeln sein möchten, diejenigen Rechte einräumen wird, welche früher einzelnen Standesherren durch König⸗ liche Verordnung eingeräumt worden sind. Sie haben, meine Herren, sich wiederholt über diesen Gegenstand auf das Allerbestimmteste aus⸗ gesprochen, haben insonderheit erklärt, daß dem Standesherrn Präsen⸗ tationsrechte nicht gemacht werden sollen. Wozu soll es also führen, den Versuch zu machen in dem Landtage Präsentationsrechte für den Herzog von Arenberg durchzusetzen? Meine Herren, das ist der allge⸗ meine Gesichtspunkt, der zu wahren wäre. Es kommt nun aber der partikulare in Betracht, und in dieser Beziehung erlaube ich min die Bemerkung, daß der Herzog von Arenberg seine Rechte durch Miß⸗ brauch verwirkt hat. Dem Herzog von Arenherg für seine Person mache ich keinen Vorwurf, aber diese treffen seine Beamten und die⸗ jenigen, die den Beamten etwa Rath gegeben haben möchten. Meine Herren, die Zustände im Herzogthum Arenberg sind stets vom Jahre 1852 an unerträglich gewesen, dies ist Ihnen früher auseinander ge⸗ setzt worden von einem Mitgliede des hohen Hauses, welches jetzt nicht mehr die Ehre hat dies zu fein. Meine Herren, dies war die eine von den drei Personen, welchen es beschieden worden ist, den Kelch, welchen der Herzog von Arenberg der Königlich hannoverschen Regierung vorgesetzt hatte, bis zur Hefe zu leeren; die zweite dieser Personen war der Herxr Abg. von Meppen, und die dritte Person bin ich Sie glauben nich, meine Herren, welche Schwierigkeiten der Herzog von Arenberg der Justize erwaltung zu allen Zeiken gemacht, wie er die Wünsche der Regierung in keiner Weise berückichtigt, Schwierigkeiten, Hindernisse nach allen Seiten aufgespeichert hat und in der Besetzung der Stellen, der höheren und der niederen, in einer Weise verfahren hat, die mit einer guten Justiz⸗ verwaltung ganz unverträglich ist. Das kann ich behaupten, und ich wundere mich nur, daß der Herr Abgeordnete von Meppen, welcher auch reichlich unter diesem Allen gelitten hat, jetzt sprechen mag von Theorie und Schablone gegenüber dem praktischen Bedürfniß und dem
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Die
Leben. Die Regelung, wenn sie erfolgt wie sie gewünscht wird, ist
gerade eine solche, welche dem praktischen Bedürfniß nachkommt und dem Leben Rechnung trägt, von Theorie und Schablone kann Überall nicht die Rede sein. Meine Herren, der Derzog von Arenberg — und das ist das Schlimme bei der ganzen Sache — steht den Ver⸗ hältnissen von Meppen fern, er ist ein großer Herr, welcher in anderen Propinzen oder Ländern restdirt, der seit seinem Regierunge— antritt vielleicht einnal das Herzogthum gesehen hat
Soviel ich weiß, hat er dort keine Schlösser; daß er den Auf— enthalt, im Herzogthum Arenberg nicht besonders liebt, wird Jeder begreiflich finden, welcher nur einmal durch die Sandwüste gereist ist.
Schlimm ist es nun, daß seine Beamten so wenig den Verhält⸗ nissen Rechnung getragen haben, daß die so wenig im guten Sinne und, wie ich annehme, den Intentionen und Wünschen des Herzogs von Arenberg gemäß gehandelt haben. Darin liegt der große Uehel⸗ stand, und dieser Uebelstand muß beseitigt werden; es muß endlich auch im Herzogthum Arenberg⸗Meppen ein Zustand der Rechtspflege und Verwaltung herbeigeführt werden, wie er entsprechend ist den großen Verhältnissen der Monarchie. , Ich hebe noch hervor, daß der Hr. Abg. Windthorst, als er zum zweiten Male als hannoverscher Justiz⸗Minister ausgeschieden ist, während er mit einer Fluth von Beschwerden des Herzogs übergossen war, — der Herzog hatte beim Bundestage Beschwerden und Ansprüche erhoben, die alles Maß und Ziel überschritten — ich glaube nicht, daß der Herr Abgeordnete von Meppen dieses Alles vergessen haben. kann, und fasse nicht, wie er jetzt mir gegenüber in solcher Weise die Sache vertheidigen und sprechen kann, es handele sich hier Theorie und um Schablone. . . . Der Herr Abgeordnete von Meppen hat sodann gesagt, es sei ihm unbegreiflich, wie die Rechte der Standesherren aufgehört hätten durch die Auflösung des Dentschen Bundes. Das wird gar nicht be⸗ hauptet, das steht auch nicht in dem vorgelesenen Allerhöchsten Re⸗ skript. Die Rechte der Standesherren sind durch das Aufhören des Deutschen Bundes ebensowenig beseitigt, wie durch die Konstituirung des Reiches. Was von Reichs wegen behauptet wurde, ist einfach das: Die Rechte der Standesherren find nicht beseitigt durch die Auf · lösung des Bundes, auch nicht durch das Reich; allein sie unterliegen der Landesgesetzgebung Diese kann die standesherrlichen Rechte regeln. Die Landesgesetzgebung ist von einer Schranke befreit; ob sie und wie sie die standesherrlichen Rechte ordnen will, steht bei ihr. Meine Herren, auf diese ganze Grundbetrachtung gehe ich nicht näher ein, darüber läßt sich ja sehr viel sagen, aber die Sache liegt für den Herzog von Arenberg formell überaus ungünstig. Man kann fragen: war denn das Reich, war der Bundesrath kompetent, über die Frage zu entscheiden? Ich jage nicht Nein, ich sage auch nicht Ja, ich lasse das dahingestellt sein. Aber der Herzog von Arenberg hat den Bundes rath angegangen, hat ihn für kompetent anerkannt, wenn er jetzt sei⸗ nen Bescheid erhalten hat, so kann und muß er sich dabei beruhigen. Ich weiß nicht, wie der Herzog von Arenherg dazu gekommen ist, diesen bedenklichen Schritt zu thun. Es ist ihm kein sehr guter Rath ge⸗ geben worden; aber die Thatsache steht fest, er hat sich an den Bundesrath gewendet; der Bundesrath hat sich ausdrücklich unter Beifügung von Motiven für kompetent erklärt. Die „Kompetenz wird anerkannt, sagt der Bericht, und von dieser Kompetenz ausgehend, wird nun vom Bundesrath erklärt, daß der Landesgesetzgebung keine Schranke gezegen sei, die Rechte der Standesherren zu regeln. Ob das richtig entschieden ist oder nicht, auch das untersuche ich nicht; ich stütze mich einfach auf die sen Hun desheschluß. Wenn der Hr. Abg. von Meppen sagt, er wisse nicht, ob das ein Deschiuß des Bundesraths verlange, so ist die ser Punkt nicht weiter Wweife haft. Im Justizausschuß ist die Sache vorgeprüft und darüber Bericht erstattet; dieser Bericht ist im gewöhnlichen Geschäftsgauge an den Bundesrath gegangen und der Bundesrath sich diesen Bericht an⸗ eeignet. Prinzipaliter hat er allerdings den Antrag auf eine provi⸗ orische Verfügung zurückgewiesen, aber er hat seine Ansicht so scharf und eingehend motivirt, daß die Landesgesetzgebung richtig handelt, wenn sie einstweilen diesen Punkt als erledigt annimmt.
— In der Spezialdiskussion über §. 1 des Gesetzentwurfs entgegnete der Justiz-Minister Dr. Leonhardt dem Abg. Windthorst: —
ef Herren! Ich muß nech einmal wiederholen, daß die Kö⸗ nigliche Regierung weit entfernt davon ist, gegen den Hrn. Herzog von Arenberg unfreundliche Gesinnungen zu haben, Die Königliche Regierung hat nur die Verhältnisse im Auge, nicht die Personen. Ich habe auch nicht behauptet, daß der Herzog von Arenberg die Verhältnisse nicht kenne. Ich habe vielmehr behauptet, der Herzog
Um
die Regierung von dem Hohen Hause eine gewisse Nachsicht, bei der Beurtheilung einer solchen Vorlage in Anspruch nehmen, sie glaubt
forderlich, die Sache zu ordnen und zwar bald thunlichst, denn daß diese
von Arenberg stehe den Verhältnissen fern und das ist ganz natur,
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