1875 / 35 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Feb 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Kreisordnung sich realistren ließe. Es wär mir ol her klar, daß die Ausdehnunz über die ganze Monarchie viel schwieriger sein würde, als es im ersten Augenblicke erschien, wo man glaubte, in der Kreie⸗ Ordnung seien alle Grundsätze festgelegt und etz komme nur darauf an, die Paragraphen für die verschiedenen Provinzen zurechtzustellen. Die Regierung ist verpflichtet, diesen Schwicrigkeiten nahe zu treten und nicht rücksichtsles das System einzuführen, sondern die besonderen Verhältnisse der einzelnen Landestheile scharf ins Auge zu fassen, und das System, um es wirksam zu machen, diesen Verhaͤltnissen anzu— passen. In dieser Beziehung ist die Arbeit schwer und groß. Ganz unausführbar war es, schon jetzt in dem Augenblick, wo Ihnen einige Gesetzentwürfe vorgelegt worden sind, das ganze Netz der Gesetzgebung Ihnen zu unterbreiten. Wenn Sie wüßten, was für Zeit und Kräfte verwendet sind, um so weit zu kommen, wie die Regierung Ihnen gegenüber jetzt gekommen ist, dann würden Sie ein andres Urtheil fällen, als dasjenige, was von einer Seite dahin gefällt ist, daß man sich bei der Regierung hauptsächlich nach Ruhe sehne. Die Kreis- und Provinzialordnungen, ja wohl gar umgearbeitete Gemeindeordnungen vorzulegen für Schleswig⸗Holstein, Hannover, Kurhessen, für die Rheinprovinz, Westfalen, Naffau, war ganz absolut unmöglich; die Regierung war immer in der Lage, mit einem sogenannten Bruch. stücke vor Sie treten zu müssen. Diese Torsos liegen Ihnen denn nun vor, ich meine aber, sie enthalten Wirbel, an welche das andere sich leicht aulehnen wird. . ö . Sie sagen: Sie könnten sich nicht darauf einlassen, irgend eins dieser Gesetze zu berathen, wenn Sie nicht wüßten, wie die Sache sich in der ganzen Monarchie gestaltet. Meine Herren, wenn ich Ihnen hatte alles vorlegen können die organisatorischen Ge— setze für sammtliche Provinzen auch jenfeits der Elbe, es wäre absolut unmöglich gewesen, daß wir sie berathen hätten, wir wären unter keinen Umständen damit fertig geworden. Ich sehe nicht ein, warum sich die Herren nach einer so reichen, zum Ekel reich besetzten Tafel sehnen, von der Sie im Voraus wissen, daß Sie sie nicht aufessen werden. Diesem Drängen nach Gesetzgebung im vollsten Umfange steht auf der anderen Seite gegenüber ein nicht wegzuleugnendes Gefühl in der Bevölkerung, daß wir zu viel und zu schnell Gesetze machen. Meine Herren! Ich bin ja davon überzeugt, daß man in einer ge⸗ wissen Richtung hin mit dem Gesetzmachen uicht eher aufhören kann, als bis diese Richtung erschöpft ist. Dieses Streben erheischt große Anstrengung, erheischt Unruhe, bringt ein gewisses Unbehagen hervor, die Bevölkerung muß sich zwar darin finden, und wir müssen nicht erschrecken, wenn wir ein solches vorübergehendes Unhehagen gewahren. Aber man darf doch ein gewisses Maß nicht überschreiten und muß alles, was nicht absolut nothwendig ist, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, fern halten. Ich habe nun die volle Ueberzeugung, daß man, ohne einen Augenblick dieses Ziel aus den Augen zu verlieren, vor der Hand sich damit begnügen kann, in den— jenigen Provinzen, in welchen die Kreisordnung Gesetz geworden ist, durch Hinzufügung der noch fehlenden Institute, die Verwaltung zu einem ganzen Gebäude zu gestalten, so daß nicht nur in diesen Previnzen die Funktion aller einzelnen Theile der Orga— nisation vollstän ig ins Werk gesetzt wird, sondern daß dieses Gebäude auch zugleich dem Rest der Monarchie als Bild dient; was aus dem Ganzen werden, wie das Ganze sich gestalten soll. Mit, der Fertig— stellung der vorliegenden Gesetze werden wir einen gewaltigen Schritt vorwärts thun. Wir beruhigen einen Theil der Bevölkerung voll— ständig und legen einem anderen Theile die Hoffnung auf die Er⸗ reichung desselben Zieles ganz nahe, und wir werden ein, ruhigeres Arbeiten der Kräfte herbeiführen, was so lange nicht möglich ist, als wir ein Gesetz von dem Zustandekommen des anderen abhängig machen. Wir erfüllen unsere Aufgabe und werden diese Session zu einer sehr fruchtreichen machen, wenn wir die Provinzialordnung für fünf Provinzen ins Weik setzen, wenn wir das Gesetz über die Verwaltungsgerichte durchberathen, und wenn wir die Provinzial— onds vertheilen. Und da kann ich nur den dringenden Wunsch aus— 6 nicht von vornherein Drohungen auszustoßen, daß, wenn nicht alle Wünsche in Bezug auf die Gesetzgebung erfüllt würden, von einer Bewilligung der Provinzialfonds an die Provinzen, welche noch nicht mit einer neuen Provinzialordnung ausgestattet sind, nicht die Rede sein könne. Ich glaube, meine Herren, daß, nachdem Schleswig-⸗Holstein, Hannover, Hessen-Nassau, Posen zum Theil schen ausgenommen worden sind von dieser Drohung, keine Veranlassung ist, sie auf Rheinland und Westfalen zu erstrecken. Die Institutionen, wie sie dort funktioniren, sind der Verbesserung fähig und bedürftig, aber sie sind nicht der Art, daß man Fonds, über welche das Gesetz genau be—⸗ stimmt, zu welchen Zwecken sie verwendet werden sollen, nicht in die Hand der Vertreter jener Provinzen geben könnte. Ich glaube, daß es keinen größeren Trieb gehen würde, das Interesse an den Ideen der Selbstverwaltung zu heben, die Provinzen, welche die Provinzialordnung noch nicht haben, für das Erxringen derselben anzuspornen, als wenn man ihnen die Mittel giebt, die Selbstverwaltung schon jetzt und so zeitig als irgend möglich ins Werk, zu setzen. Ich habe den dringenden Wunsch, daß wenn es auch vielleicht theoretisch richtiger sein möchte, die Fonts erst dann auszuschütten, wenn die Gesetzgebung über den ganzen Staat gleich aussieht, man nicht Ursache und Wirkung verwechseln und eine Beanstandung der Herausgabe der Fonds eintreten lassen möge. Ich würde das für einen außerordentlichen Fehler halten. Wir machen

einzelne Provinzen, wie Schleswig-Holstein, sofort ruhig, wenn wir diese Fonds geben. Wir haben die Provinziallandtage in Rheinland und Westfalen, welche ja bereits jetzt ihre Ausschüsse und Verwal⸗ tungen haben, immer nur auf dem Wege gefunden, daß sie ihre Fonds sachgemäß und verständig verwenden; die Thätigkeit, welche sie auf kommunalem Gebiet entwickelt haben, ist eine Bürgschaft dafür, daß sie auch die neuen Fonds richtig verwalten werden. Die Regierung hat das größte Interesse dabei,

daß die Theile der Gesetzgebung, welche Ihnen jetzt vorliegen, zunächst um eine wirkliche Frucht aus dieser Session zu

zu Stande kommen, ziehen. . .

Nun aber noch eine Bemerkung. Die Frage: wird die Regie— rung in der Lage sein, Ihnen für Rheinland und Westfalen schon jetzt eine Gemeindeordnung, Kreisordnung und Provinzialordnung vorzulegen oder nicht? ist im Augenblick im Staats⸗-Ministerium noch nicht definitiv entschieden, allein die Gründe, ob oder ob nicht, be⸗ ruhen einestheils auf der Möglichkeit, die ganze Gesetzgebung so schnell noch herzustellen oder nicht, andererseits auf Erwägungen, die doch ein wenig ernster sind als diejenigen, die der Hr. Abg. Dr. Virchow so hinwarf, indem er sagte, es versteht sich ja von selbst, warum sollen die anderen Provinzen das nicht auch haben? Meiner Ansicht nach ist das System der Selbstverwaltung doch zum großen Theil eine Machtfrage. Ich will mich darüber erklären. Sie werden allerdings für die Betheiligung an öffentlichen Angelegen⸗ heiten und Geschäften vorübergehend oder auf längere Zeit durch einen Appell an die Bevölkerung eine gewisse Theilnahme finden, aber nur eine Zeit lang, das wirklich dauernd Fesselnde der Selbst— verwaltung ist sicherlich auf die Länge nur das Interesse, was, wenn ich nicht sagen will, das Individuum, aber doch der Stand, die Schicht der Bevölkernng daran hat, ein Wort nicht blos in der Gesetzgebung, sondern auch in der täglichen Verwaltung mit— zusprechen. Ich glaube, daß sich die ganze Selbstverwaltung Englands nicht anders entwickelt hat als dadurch, daß der herrschende Stand von lebhaftem Interesse beherrscht würde, auch bei der Verwaltung die Hand im Spiele zu haben und daß die Selbstverwaltung nicht dem Wunsche entsprungen ist, dem Staate Lasten abzunehmen. So ist es sicherlich bei uns auch. Es ist ja ein erwünschtes Ziel, wenn man das Maß, innerhalb dessen sich die Selbstverwaltung bewegt, in der Gesetzgebung richtig anlegt und den bewegenden Kräften des Staates den richtigen Raum anweist, inner— halb dessen sie sich gegenseitig messen können. Dann kommt man zu der Thätigkeit, die wirklich Selbstverwaltung ist, aber wenn wir blos appelliren und sagen: nehmt dem Staate etwas ab, macht doch etwas, was ein bezahlter Beamter auch machen kann, dann wird die Lust, diesem Appell zu folgen, nicht sehr lange dauern. Daraus aber folgere ich, daß, ob man einem Landestheile und unter welcher Form man ihm die Selbstverwaltung giebt, nicht eine Frage ist, die rein geschäftlich behandelt werden kann; sie ist eine Frage, die sehr tiefe Seiten hat, und wenn berathschlagt wird, wann und wie kann hier oder dort die Selbstverwaltung ins Werk gesetzt werden, so ist das eine Frage von großer und eingehender Bedeutung. Ich meine aber, meine Herren, Sie haben die Ueberzeugung, daß die Regierung von dem Gedanken, es muß in dem Sinne der Kreisordnung über⸗ haupt organisirt werden, durchdrungen ist; haben Sie das Ver⸗ trauen zur Regierung, ihr für die Frage: „wann und wie,“ die Initia—⸗ tive zu überlassen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat an Stelle des verstorbenen Geheimen Kommerzien⸗Rathes Paul Men— delssohn⸗Bartholdy den Banquier Franz Mendelssohn als das in Geldgeschäften vertraute Mitglied in das Kuratorium der Hum boldt-⸗Stiftung für die Jahre 1875 und 1875 gewählt.

Die Nr. 7 der Zeitschrift Die Natur“, Zeitung zur Ver— breitung naturwissenschaftlicher Kenntniß und Naturanschauung für Leser aller Stände (Organ des Deutschen Humboldtvereins), heraus- gegeben von Dr. Otto Ule und Dr. Karl Müller von Halle, Halle, G. Schwetschke'scher Verlag (Abonnementspreis 3 Mark pro Quartal) hat folgenden Inhalt: Arzneiwesen im Alterthume. Von Dr. M. Weishaupt (Schluß) Das grüne Kleid der Erde. Von H. Meier. (Mit 2 Abbildungen) Wissenschaftliche Anstalten. Die Universität von Cordoba (Schluß.). Literaturbericht. v. Hellwald, v. Barth. Reisende: Chinamission, v. Homeyer, Cameron, Schweinfurth.

Zu München in der oberen Gartenstraße neben dem Wohn— hause des verstorbenen W. v. Kaulbach erbaut die Wittwe desselben ein Museum, in welchem sämmtliche vorhandene Originalien zum Andenken des Meisters zur Aufftellung gelangen, und die verkauften Werke in Photographien angesammelt werden. Die Wittwe gedenkt dasselbe bis zum 1. September d. J. vollenden zu lassen, worauf es dem öffentlichen Besuch zugänglich gemacht werden wird.

Das erste Febrnar⸗Heft von „Unsere Zeit, eutsche Revue der Gegenwart“ (Leipzig, F. A. Brockhaus) enthält: Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Hessen⸗Cassel. Von Sigmund Hahn. Der Zettelbankstreit. Von Dr. Eras. Württemberg in den Jah— ren 1369 bis 1874. II. Luxusgerichte. Von Wilhelm Hamm. IV. Indische Vogelnester. Der sogenannte Rassenkrieg in einigen

Y

Südstaaten der Union. Chronik der Gegenwart: Revue. Politische Reyue.

Der Großherzog von Sachsen⸗Weimar hat dem derzeitigen Se- kretär der Schillerstiftung, Schriftsteller Dr. Julius Grosse zu Weimar, das Ritterkreuz erster Abtheilung des Hausordens der Wach. samkeit oder vom weißen Falken verliehen.

Die aus Veranlassung des Jubiläums der Universität Leyden von den einzelnen Fakultäten vorgenommenen Ehren- Pre— motionen sind am 9. d. M. feierlich preklamirt worden. Von deutschen Gelehrten sind honoris causa ernannt worden: Zu Doktoren der Theologie Prof. Volkmar in Zürich und Prof. Weiffenbach in Gießen, zu Doktoren der Mathematik und Physik Prof. Brücke in Wien, Prof. Gegenbauer in Heidelberg, Prof. v. Siebold in München und Prof. Traube in Berlin, zum Doktor der Medizin Prof. Bunsen in Heidelberg.

Technologische

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Der Verein der Wollinteressenten Deutschlands hält bei Gelegenheit des Kongresses deutscher Landwirthe zu Berlin am Montag, 22. Februar Abends 6 Uhr, im Lokale des Kongressez (Hotel Imperial, vorm. Arnims Hotel, Unter den Linden 44 eine Sitzung. In derselben wird folgende Tagesordnung zur Berathung gelangen: 1) Ein Blick auf die Absatzquellen der deutschen Schaf⸗ wollindustrie mit Bezugnahme auf die heutige Konjunktur, Referent Fabrikant Pariser-Luckenwalde; 2) welche Methode des Wollverkaufg: Verkauf im Schmutz geschorener Wollen, Verkauf rückengewaschener Wollen, Verkauf fabrikmäßig gewaschener Wollen ist zur Zeit für den Landwirth am einträglichsten, Referent P. Possart⸗Tharandt; 3) Diskussion über „die zweckmäßigsten Nöerinokategorien auf künf— tigen Ausstellungꝛn! und Diskussien über „die Kennzeichen der leichten Ernährung des Schafes“, Referent R. Behmer; 4) etwa noch ein⸗ gehende Anträge. Der Verstand empfiehlt zur Beachtung, daß bei Gelegenheit obiger Versammlung eine Geschäftsanbahnung für den Verkauf im Schmutz geschorener Wollen, durch Beibringen von Mustern (1—2 Kilogramm im Gewicht) vielleicht von Nutzen sein möchte; die Zeit von 5 —-6 Uhr Nachmittags unmittelbar vor obiger Versammlung ist zu diesem Zwecke bestimmt.

Gewerbe und Handel.

Berlin, 10. Febrnar. Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Prenßen hat den Kaufmann Otto Walcker hierselbst, Leipzigerstraße Nr. 132, zu Höchstseinem Hoflieferanten ernannt.

Der Senat des Reichs-Oberhandelsgerichts zu Leipzig hat die Erkenntnisse des Königlichen Berliner Stadtgerichts und des Kammergerichts zu Berlin ia Sachen der Vereinsbank Quistorp K Co. verworfen, die Beschwerde des Hrn. Heinrich Qusstorp für begründet erachtet und das Königliche Stadtgericht veranlaßt, feinem Antrage entsprechend das Akkordverfahren einzuleiten. Da der Fall der Westendgesellschaft ein ganz analoger ist, so wird voraus— sichtlich auch in demselben eine gleiche Entscheidung erfolgen und so— mit der Weg für die Beseitigung des gerichtlichen Verfahrens hoffent— lich bald geebnet sein.

In der Sitzung des Aufsichtsraths der Deutschen Kon— tinental⸗Gasgesellschaft zu Dessau vom 8. Februar wurde beschlossen, bei der Generalversammlung die Erhöhung des Akticn— kapitals um 3,000,000 SV zu beantragen. Von den neuen Aktien soll die Hälfte, also ein Betrag von 1B 500,000 S, sofort begeb n, und zwar den Besitzern der alten Aktien zum CGourse von 120 * in der Weise überlassen werden, daß 40 * nebst 20 36 Agio, zusammen also 60 v nebst 4 * laufenden Zinsen am 1. April 1875 und 606 nebst 1 * laufenden Zinsen am 1. April 1876 zur Ein zahlung kommen. Die neuen Aktien partizipiren vom 1. Januar 1875 ab am Reingewinn des Unternehmens; nach der ersten Einzahlung sollen 40 liberirte Interimsscheine ausgegeben werden. Schon früher hat die Verwaltung der Gesellschaft auf Grund der vorläufigen Aufstellungen die Vertheilung einer Dividende von 13 * pro 1874 in Aussicht genommen.

In der Generalversammlung thekenbank vom H. Februar wurde auf 24 M pr. Aktie (74 „v) festgesetzt. Außerdem wurde die Mit theilung gemacht, daß die wachsende Ausdehnung des Geschäfts die Verwendbarkeit weiterer Geldmittel wünschenswerth mache, und des— halb eine Einzahlung von 10 x des Aktien-Kapitals auf den 1. Mai d. J. beschlossen.

Verkehrs⸗Anstalten.

In Folge des großen Schneefalls sind in den letzten Tagen sowohl auf der Rechten⸗Oder⸗Ufer⸗, als auf der Oberschlefi⸗ schen Eisenbahn Zugverspätungen vorgekommen. Wenn auch auf beiden Bahnen die mit zwei Lokomotiven versehenen Personenzüge ziemlich fahrplanmäßig hier eingetroffen sind, so traten doch bei den Güterzügen wesentliche Verspätungen, bri einzelnen Zügen sogar um vier Stunden, ein. In Ohberschleften haben die Bahnverwaltungen zahlreiche Arbeitertrupps aufbieten müssen, um die Schneeverwehungen zu beseitigen.

der Bremischen Hypo⸗ die Dividende für 1874

Jahresbericht über die historische Literatur des

Deutschen Reiches und seiner Fürstenhäuser.

Berlin, 8. Februar 1875.

In Nr. 2 der besonderen Beilage vom 9. Januar d. J. ist mitgetheilt worden, daß der Kurator des Reichs- und Staats⸗An⸗ zeigers, Geheimer Ober⸗Regierungs-Rath Zitelmann, mit dem General⸗Lieutenant von Witzleben, dem Geheimen Staats⸗ Archivar und Archip⸗Rath Dr. Hassel, dem Professor Holtze und dem Geheimen Regierungs Rath Dr. Metzel zu einem Redaktions⸗Ausschuß zusammengetreten ist, um über die historische Literatur des Deutschen Reichs und seiner Fürstenhäuser alljährlich einen Gesammtbericht zu erstatten, welcher sämmtliche im Laufe des entsprechen— den Jahres auf dem Gebiete der vaterländischen Geschichte erscheinenden Werke und Abhandlungen in sachgemäßer Ueber— sicht zusammenstellt. Es ist zugleich der von dem Redaktions—⸗ Ausschuß entworfene Prospekt über das Unternehmen veröffent— licht und über die von dem Redaktions⸗Ausschuß bei den deutschen Geschichts⸗ und Alterthum s⸗Vereinen gethanenen Schritte zur Realisirung des Unternehmens Bericht erstattet worden.

Inzwischen ist das Unternehmen von dem Königlich preußischen Minister der geistlichen, Unterrichts und Medizinal⸗Angelegenheiten dadurch gefördert worden, daß derselbe die Provinzial-Schulkolle⸗ gien veranlaßt hat, die Einsendung sämmtlicher Schulprogramme, welche Themata der vaterländischen Geschichte behandeln, an das Kuratorium des Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers zu veranlassen. Es haben in Folge dessen bereits mehrere Gymnasien dem RNe⸗ daktions⸗Ausschuß Programme mit Abhandlungen über vater⸗ ländische Themata übermittelt.

Seitens der Geschichts⸗ und Alterthums⸗Vereine, welche um Förderung der Sache ersucht worden, sind zahlreiche zustimmende Antworten eingegangen. ᷣ—

Von preußischen Vereinen haben die Königliche Deutsche Gesellschaft zu Königsberg, der historische Verein für Ermland und der Ermländische Kunstverein, die rügisch⸗-pommersche Ab⸗ theilung der Gesellschaft für Pommersche Geschichte zu Greifs⸗ wald, der Münzforscher⸗-Verein zu Hannover, der Verein für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung zu Wies⸗ baden, der Verein für Hennebergische Geschichte und Landeskunde zu Schmalkalden sowie der Geschichtsverein zu Ottweiler dem

Redaktions⸗Ausschuß ihre Unterstützung in Aussicht gestellt resp. die erbetenen Mittheilungen und Verzeichnisse eingesandt. Ferner ist dem Unternehmen von 11 deutschen außerpreußi⸗ schen Vereinen Mitwirkung und Unterstützung zugesichert wor⸗ den. Es sind dies der historische Verein von und für Ober⸗ bayern zu München, der historische Verein von Unterfranken und Aschaffenburg zu Würzburg, der historische Verein für Oberfranken zu Bayreuth, der historische Verein in und für Ingolstadt, der Königliche sächsische Alterthumsverein in Dresden, der Freiberger Alterthumsverein, der Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung zu Friedrichshafen, der archäo⸗ logische Verein in Rottweil, die Gesellschaft für Beförderung der Geschichtskunde zu Freiburg im Breisgau, der Verein für mecklen⸗ burgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin, sowie der Verein für deutsche Geschichte und Alterthums kunde in Sonders⸗ hausen.

Endlich hat die C. Heymannsche Verlagsbuchhandlung (Dr. Löwenstein) in Anregung gebracht, dem bei derselben er⸗ scheinenden „Literaturblatt“ einen Monatsbericht über die amt—⸗ liche, periodisch erscheinende Literatur des Deutschen Reichs beizufügen.

Weitere Schritte zur Förderung des Unternehmens sind im Gange. Wir werden nicht unterlassen, über den ferneren Fort⸗ gang desselben an dieser Stelle Bericht zu erstatten.

Berlin. Der Oranienburger Thor⸗Bezirks verein hielt am Freitag, den 5. Februar im Borsigschen Saale seine regelmäßige Monatsversammlung ab. Unter anderem stattete die Kommission, welche dazu eingesetzt war, um Mittel und Wege ausfindig zu machen, durch welche den übermäßig hohen Fleischpreisen im Bezirke Schran⸗ ken gesetzt werden könnten, einen sehr ausführlichen Bericht ab und verband mit demselben einen von der Versammlung zum Beschlusse erhobenen Vorschlag, dessen praktische und zweckmäßige Ausführung allerseits anerkannt wurde. Es sollen nämlich an mehreren Stellen, so auch in dem Etablissement des Geheimen Raths Herrn Borsig in der Chausseestraße Verkaufshallen eingerichtet werden, in welchen Engrosschlächter an die Bezirksgenossen des Vereins Fleischsorten jeglicher Art in bester Qualität nach einem vom Vereinsvorstande approbirten Tarif verkaufen. Der Beschluß kommt in kürzester Zeit zur Ausführung und werden durch denselben die Vereinsmitglieder das Pfund gesunden und guten Fleisches um mindestens 15 bis 20 Pfen— nige billiger als bisher beziehen können. Gleichzeitig beschloß die

Versammlung sich der Petition des benachbarten Bezirksvereins an— zuschließen, welche die städtischen Behörden dringend um die Ueber— nahme der Leihämter Seitens der Kommune ersucht.

Theater.

Im Residenztheater hat die Novität „Ut de Fran⸗

zofentid“ einen guten Erfolg gehabt, der zum größeren Theil den .

Darstellern, namentlich Frau Mende, zu danken ist. Die Vorberei—

tungen zu O. Feuillets, Sphinx“, welche eine Menge scenischer Schwie⸗

rigkeiten bietet, sind bereits in vollstem Gange. Im Berliner Stadttheater findet am Sonnabend, den

13. d. M., das erste Gastspiel des Hrn. Siegwart Friedmann .

vom Wiener Stadttheater statt.

Im Nationaltheater findet heute zum Benefiz des Hrn. Conried die Aufführung von Schillers Räubern statt. Hr. Di⸗ rektor Buchholz hat die Rolle des Karl Moor übernommen, der Benefiziat, der als tüchtiger Charakterspieler bekannt ist, spielt den Franz Moor.

„Paula“ betitelt sich die Novität, welche morgen zum ersten

Male im Belle Alliance⸗-Theater in Scene geht, ein Schau— spiel in 4 Akten, das an tragischen Konflikten, spannenden Situationen so reich sein soll, daß es das Interesse des Publikums bis zum Schlusse zu fesseln im Stande sein dürfte. Bie nächste Novpität

soll ein Zeitbild, „Der große Krach“ betitelt, sein, welches nach dem ö

gleichnamigen Max Ringschen Roman dramat sirt ist.

Das Theatre Royal in Edinburgh, das bedeutendste Theater der schottischen Hauptstadt, brannte am Sonnabend Nach— mittag total nieder nach eine Gasexplosion. voll versichert. nunmehr zum dritten Male ein Raub der Flammen geworden.

Hr. Direktor Renz veranstaltet heute Nachmittag 23 Uht eine Ertravorstellung in seinem Circus, deren Ertrag dem unter Protektion Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kron prinzessin stehenden Pestalozzi⸗Verein für Wittwen und Waisen bestimmt ist, welchem Hr. Direktor Renz auch schon im vorigen Jahre eine Dotation von 500 Thlrn. zugewendet hat.

Das Gebäude war mit seinem Inventar

J Redacteur: F. Preh m. 3. Veilag der Expedition (KesselJ⸗. Druck! W. Elsn er— Drei Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),

Die Ursache des Feuers war dem Vernehmen

Innerhalb der letzten 40 Jahre ist dieses Theater .

ö 8 85.

,

Erste Beilage

Berlin. Mittwoch, den 10. Februar

Deu tsches Re ich.

Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung. Vom 6. Februar 1875. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deuischer Kaiser, König von 5. 2c. ö

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter im⸗

mung des Bundesrathes und des Reichztageg / . ö Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen.

§. 1. Die Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbe⸗ fälle erfolgt ausschließlich durch die vom Staate beftellten Standes— beamten mittels Eintragung in die dazu bestimmten Register.

5§. 2. Die Bildung der Standesamtsbezirke erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehöͤrde.

Die Standesamtsbezirke können aus einer oder mehreren Ge— meinden gebildet, größere Gemeinden in mehrere Standes amtsbezirke getheilt werden. ö. .

§8. 3. Für jeden Standesamtsbezirk ist ein Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter zu bestellen. Für den Fall vorüber— gehender Behinderung oder gleichzeitiger Erledigung des Amtes des Standesbeamten und der Stellvertreter ist die nächste Aufsichtsbe— hörde ermächtigt, die einstweilige Beurkundung des Personenstandes einem benachbarten Standesbeamten oder Stellvertreter zu über tragen.

( Die Bestellung erfolgt, soweit nicht im §. 4 ein Anderes be— stimmt ist, durch die höhere Verwaltungsbehörde.

Geistlichen und anderen Religionsdienern darf das Amt eines Standesbeamten oder die Stellvertretung eines solchen nicht übertragen werden.

§. 4. In den Standesamtsbezirken, welche den Bezirk einer Ge⸗ meinde nicht überschreiten, hat der Vorsteher der Gemeinde Bürger⸗ meister, Schultheiß, Ortsvorsteher oder deren gesetzlicher Stell ver⸗ treter die Geschäfte des Standesbeamten wahrzunehmen, sofern durch die höhere Verwaltungsbehörde nicht ein besonderer Beamter für die⸗ selben bestellt ist. Der Vorsteher ist jedoch befugt, diese Geschäfte mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde anderen Gemeinde— beamten widerruflich zu übertragen.

Die Gemeindebehörde kann die Anstellung besonderer Standes— beamten beschließen. Die Ernennung der Standesbeamten erfolgt in diesem Falle durch den Gemeindevorstand unter Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.

In der gleichen Weise erfolgt die Bestellung der Stellvertreter.

Die durch den Gemeindevorstand ernannten besonderen Standes— beamten und deren Stellvertreter sind Gemeindebeamte.

§. 5. Die durch die höhere Perwaltungsbehsrde erfolgte Be— stellung und Genehmigung zur Bestellung ist jederzeit widerruflich.

§. 6. Ist ein Standesamtsbezirk aus mehreren Gemeinden ge⸗ bildet, so. werden der Standesbeamte und dessen Stellvertreter stets von der höheren Verwaltungsbehörde bestellt.

Ein jeder Vorsteher oder andere Beamte einer dieser Gemeinden ist verpflichtet, das Amt des Standesbeamten oder des Stellvertreters zu übernehmen.

Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen den Vorstehern der aus mehreren Gemeinden gebildeten Verbände die gleiche Ver— pflichtung obliegt, werden hierdurch nicht berührt.

5. I.., Die etwa erforderliche Entschädigung der nach §. 4 von den Gemeinden hestellten Standesbeamten fällt der Gemeinde zur Laft.

Die in 8. 6 Absatz 2 und 3 bezeichneten Beamten sind berech⸗ tigt, für Wahrnehmung der Geschäfte der Standesbeamten von den zum Bezirk ihres Hauptamtes nicht gehörigen Gemeinden eine in allen Fällen als Pauschquantum festzusetzende Entschaͤdigung zu beanspruchen.

Die Festsetzung erfolgt durch die untere Verwaltungsbehörde; ber Beschwerden entscheidet endgültig die höhere Verwaltungsbehöorde.

Bestellt die höhere Verwaltungsbehörde andere Perfonen zu Stan— desbeamten oder zu Stellvertretern, so fällt die etwa zu gewährende Entschädigung der Staats kasse zur Laft. .

§. 8. Die sächlichen Kosten werden in allen Fällen von den Gemeinden getragen; die Register und Formulare zu allen Register— auszügen werden jedoch den Gemeinden von der Centralbehörde des Bundesstaats kostenfrei geliefert.

§8. 97. In Standesamtsbezirken, welche aus mehreren Gemein— den gebildet sind, wird die den Standesbeamten oder den Stellver— tretern zu gewährende Entschäßpigung und der Betrag der sächlichen Kosten auf die einzelnen betheiligten Gemeinden nach dem Maßstabe der Seelenzabl vertheilt.

„S. 19. Den Gemeinden im Sinne dieses Gesetzes werden die außerhalb der Gemeinden stehenden Gutsbezirke, den Gemeindevor— stehern die Vorsteher dieser Bezirke gleich geachtet.

.. 11. Die Aufsicht über die Amtsführung der Standesbeamten wird von der unteren Verwaltungsbehörde, in höherer Instanz von der höheren Verwaltungsbehörde geübt, insoweit die Landesgesetze nicht andere Aufsichtsbehörden bestimmen.

Die Aufsichtsbehörde ist befugt, gegen den Standesbeamten Warnungen, Verweise und Geldstrafen zu verhängen. Letztere dürfen 1 seden einzelnen Fall den Betrag von einhundert Mark nicht über⸗

eigen.

Lehnt der Standesbeamte die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann er dazu auf Antrag der Betheiligten durch das Gericht angewiesen werden. Zuständig ist das Gericht erster Instanz, in dessen Bezirk der Standesbeamte seinen Amtssitz hat. Das Verfah⸗ ren und die Beschwerdeführung regelt sich, insoweit die Landesgesetze nicht ein Anderes bestimmen, nach den Vorschriften, welche in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit gelten.

§. 12. Von jedem Standesbeamten sind drei Standesregister unter der Bezeichnung: Geburtsregister, Heirathsregister, Sterbereg i⸗ ster zu führen.

8. 13. Die Eintragungen in die Standesregister erfolgen unter

ar n rn Nummern und ohne Abkürzungen. Unvermeidliche Zwi⸗ chenräume sind durch Striche auszufüllen, die wesentlichen Zahlen—⸗ angahen mit Buchstaben zu schreiben. ö Die. auf mündliche Anzeige oder Erklärung den Eintragungen sollen enthalten: I) den Ort und Tag der Eintragung; 2) die Bezeichnung der Erschienenen; I) den Vermerk des Standesbeamten, daß und auf welche Weise er sich die Ueberzeugung von der Persönlichkeit der Erschienenen ver— schafft hat; 4) den Vermerk, daß die Eintragung den Erschienenen porgelesen und von denselben genehmigt ist; 5) die Unterschrift der Erschienenen und, fallg sie schreibensunkundig oder zu schreiben ver⸗ hindert sind, ihr Handzeichen oder die Angabe des Grundes, aus welchem sie dieses nicht beifügen konnten; 6) die Unterschrift des Standesbeamten.

Die auf schriftliche Anzeige erfolgenden Eintragungen sind unter ingak⸗ von Ort und Tag der Eintragung zu bewirken und durch die nterschrift des Standesbeamten zu vollziehen.

Zusätze, Löschungen oder Abänderungen sind am Rande zu ver— merken und gleich der Eintragung selbst besonders zu vollziehen.

S§. 14. Ven jeder Eintragung in das Register ist von dem Cl id ebe amten an demselben Tage eine von ihm zu beglaubigende bschrift in ein Nebenregister einzutragen.

Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Standesbeamte jedes Haupt und jedes Nebenregister unter Vermerkung der Zahl der darin enthaltenen Eintragungen abzuschließen und das Nebenregister der Aufsichtsbehsrde einzureichen; die letztere hat dasselbe nach er—⸗

erfolgen⸗

i Prüfung dem Gerichte erster Instanz zur Aufbewahrung zu⸗ zustellen.

Eintragungen, welche nach Einreichung des Nebenregisters in dem Hauptregister gemacht werden, sind gleichzeitig der Aufsichts behörde in beglaubigter Abschrift mitzutheilen. Die Letztere hat zu veranlassen, daß diese Eintragungen dem Nebenregister beigeschrieben werden.

§8. 15. Die ordnungsmäßig geführten Standesregister (55. 12 bis 14) beweisen diejenigen Thatsachen, zu deren Beurkundung fie be⸗ stimmt und welche in ihnen eingetragen sind, bis der Nachweis der Fälschung, der unrichtigen Eintragung oder der Unrichtigkeit der Än—= zeigen und Feststellungen, auf Grund deren die Eintragung stattge— funden hat, erbracht ist.

Dieselbe Beweiskraft haben die Auszüge, welche als gleichlautend

mit dem Haupt- oder Nebenregister bestätigt und mit der Unterschrift und dem Dienstsiegel des Standesbeamten oder des zuständigen Ge— richtsbeamten versehen sind. Inwiefern durch Perstöße gegen die Vorschriften dieses Gesetzes über Art und Form der Eintragungen die Beweiskraft gufgehoben . ö wird, ist nach freiem richterlichen Ermessen zu be⸗ urtheilen.

„8. 16. Die Führung der Standesregister und die darauf be— züglichen Verhandlungen erfolgen kosten und stempelfrei.

„Gegen Zahlung der nach dem angehängten Tarife zulässigen Ge⸗ bühren müssen die Standesregister Jedermann zur Einsicht vorgelegt, sowie beglaubigte Auszüge (8. 15) aus denselben ertheilt werden. In amtlichem Interesse und bei Unvermögen der Betheiligten ist die Einsicht der Register und die Ertheilung der Auszüge gebuͤhrenfrei zu gewähren.

Jeder Auszug einer Eintragung muß auch die zu derselben ge⸗ hörigen Ergänzungen und Berichtigungen enthalten.

Zweiter Abschnitt. Beurkundung der Geburten.

§. 17. Jede Geburt eines Kindes ist innerhalb einer Woche dem Standesbeamten des Bezirks, in welchem die Niederkunft stattgefun⸗ den hat, anzuzeigen.

. 6. 18. Zur Anzeige sind verpflichtet: 1) der eheliche Vater; 2) die bei der Niederkunft zugegen gewefene Hebamme; 3) der dabei zugegen gewesene Arzt; 4) jede andere dabei zugegen gewesene Person; 5) die Mutter, sobald sie dazu im Stande ist. Jedoch tritt die Verpflichtung der in der vorstehenden Reihen⸗ folge später genannten Personen nur dann ein, wenn ein früher ge— nannter Verpflichteter uicht vorhanden oder derselbe an der Erstat⸗ tung der Anzeige verhindert ist.

§. 19. Die Anzeige ist mündlich von dem Verpflichteten selbst oder durch eine andere aus eigener Wissenschaft unterrichtete Person zu machen. ö

§. 20. Bei Geburten, welche sich in öffentlichen Entbindungs⸗, Hebammen, Kranken., Gefangen. und ähnlichen Anstalten, sowie in Kasernen ereignen, trifft die Verpflichtung zur Anzeige ausschließlich den Vorsteher der Anstalt oder den von der zuständigen Behörde er—⸗ mächtigten Beamten. Es genügt eine schriflliche Anzeige in amt⸗

licher Form. . Der Standesbeamte ist verpflichtet, sich von der Richtig=

3 1 keit der Anzeige (55. 17 bis 20), wenn er dieselbe zu bezweifeln An⸗ 1) Vor⸗

laß hat, in geeigneter Weise Ueberzeugung zu verschaffen.

8. 22. Die Eintragung des Geburtsfalles soll enthalten: und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzei⸗ genden; 2) Ort, Taz und Stunde der Geburt; 3) Geschlecht des Kindes; 4 Vornamen des Kindes; 5) Vor und Familiennamen, Religion, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern.

Bei Zwillings⸗ oder Mehrgeburten ist die Eintragung für jedes Kind besonders und so genau zu bewirken, daß die Zeitfolge der ver— schiedenen Geburten ersichtlich ist.

Standen die Vornamen des Kindes zur Zeit der Anzeige noch nicht fest, so sind dieselben nachträglich und längstens binnen zwei Monaten nach der Geburt anzuzeigen. Ihre Eintragung erfolgt am Rande der ersten Eintragung. ;

§. 23. Wenn ein Kind todtgeboren oder in der Geburt verstor⸗ ben ist, so muß die Anzeige spätestens am nächstfolgenden Tage ge⸗ schehen. Die Eintragung ist alsdann mit dem im §. 22 unter Nr. 1 bis 3 und 5 angegebenen Inhalte nur im Sterheregister zu machen.

5. 24. Wer ein neugeborenes Kind findet, ist verpflichtet, hier⸗ von spätestens am nächstfolgenden Tage Anzeige bei der Ortspollzei— behörde zu machen. Die letztere hat die erforderlichen Ermittelungen vorzunehmen und dem Standesbeamten des Bezirks von deren Er— gebniß behufs Eintragung in das Geburtsregister Anzeige zu machen.

Die Eintragung soll enthalten die Zeit, den Ort und die Üm—

stände des Auffindens, die Beschaffenheit und die Kennzeichen der bei dem Kinde vorgefundenen Kleider und sonstigen Gegenstäͤnde, die kör— perlichen Merkugle des Kindes, sein vermnthliches Alter, sein Ge— schlecht, die Behörde, Anstalt oder Person, bei welcher daz Kind un— tergehracht worden, und die Namen, welche ihm beigelegt werden. §. 25. Die Anerkennung eines unehelichen Kindes darf in das Geburtsregister nur dann eingetragen werden, wenn dieselbe vor dem Standesbeamten oder in einer gerichtlich oder notariell aufgenomme— nen Urkunde erklärt ist.

§. 26. Wenn die Feststellung der Abstammung eines Kindes erst nach Eintragung des Geburtsfalles erfolgt oder die Standes— rechte durch Legitimation, Annahme an Kindesstatt oder in anderer Weise eine Veränderung erleiden, so ist dieser Vorgang, fofern er durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wird, auf Antrag eines Be—⸗ theiligten am Rande der über den Geburtsfall vorgenommenen Ein⸗ tragung zu vermerken.

§. 27. Wenn die Anzeige eines Geburtsfalles über drei Monate verzögert wird, so darf die Eintragung nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach Ermittelung des Sachverhalts erfolgen.

Die Kosten dieser Ermittelung sind von demjenigen einzuziehen, welcher die rechtzeitige Anzeige versäumt hat.

Dritter Abschnitt. Erfordernisse der Eheschließung.

§. 28. Zur Eheschließung ist die Einwilligung und die Ehe—⸗ mündigkeit der Eheschließenden erforderlich.

Die Ehemündigkeit des männlichen Geschlechts tritt mit dem vollendeten zwanzigsten Lebensjahre, die des weiblichen Geschlechts mit dem vollendeten sechszehnten Lebensjahre ein. Dispensation ist

zulssig.

8. 29. Eheliche Kinder bedürfen zur Eheschließung, so lange der Sohn das fünfundzwanzigste, die Tochter das k Lebengjahr nicht vollendet hat, der Einwilligung des Vaters, nach dem Tode des Vaters der Einwilligung der Mutter und, wenn sie minderjährig sind, auch des Vormundes. ;

Sind beide Eltern verstorben, so bedürfen Minderjährige der Einwilligung des Vormundes.

Dem Tode des Vaters oder der Mutter steht es gleich, wenn dieselben zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande sind, oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist.

Eine Einwilligung des Vormundes ist für diejenigen Minder jährigen nicht erforderlich, welche nach Landesrecht einer Vormund- n nicht unterliegen.

Inwiefern die Wirksamkeit einer Vormundschaftsbehörde oder eines Familienrathes stattfindet, bestimmt sich nach Landesrecht.

§. 30. Auf uneheliche Kinder finden die im vorhergehenden , . für vaterlose eheliche Kinder gegebenen Bestimmungen Anwendung. .

§. 31. Bei angenommenen Kindern tritt an Stelle des Vaters

(6. 29) derjenige, welcher an Kindesstatt angenommen hat. Diese

K——

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

18:

Bestimmung findet in denjenigen Theilen des Bundesgebietes keine Anwendung, in welchen 6 eine Annahme an Kindesstatt die Rechte der väterlichen Gewalt nicht begründet werden fönneu.

5. 32. Im Falle der Versagung der Einwilligung zur Ehe⸗ schließung steyt großjährigen Kindern die Klage auf richterliche Er⸗ gänzung zu.

§. 353. Die Ehe ist verboten: I) zwischen Verwandten in auf⸗ und absteigender Linie, 2) zwischen voll. und halbbürtigen Ge— schwistern, 3) zwischen Stiefeltern und Stiefkindern, Schwiegereltern und Schwiegerkindern jeden Grades, ohne Unterschied, ob das Ver— wandischafts- oder Schwägerschaftsverhältniß auf ehelicher oder außer⸗ ehelicher Geburt beruht, und ob die Ehe, durch welche die Stief oder Schwiegerverbindung begründet wird, noch besteht oder nicht, H zwischen Personen, deren eine die andere an Kindesstatt angenom⸗ men hat, so lange dieses Rechtsverhältniß besteht, 5) zwischen einem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen. Im Falle der Nr. 5 ist Dispensation zulässig.

§. 34. Niemand darf eine neue Ehe schließen, bevor seine frühere Ehe aufgelöst, für ungültig oder für nichtig erklärt ist.

S: 35. Frauen durfen erst nach Ablauf des zehnten Monats seit Beendigung der früheren Ehe eine weitere Ehe schließen.

Dispensation ist zulässig.

8. 36. Hinsichtlich der rechtlichen Folgen einer gegen die Be— stimmungen der 55§. 28 bis 35 geschlossenen Ehe sind die Vorschriften des Landesrechts maßgebend.

Daffelbe gilt von dem Einflusse des Zwangs, Irrthums und Be⸗ trugs auf die Gültigkeit der Ehe.

§S. 37. Die Eheschließung eines Pflegebefohlenen mit seinem Vormund oder dessen Kindemn ist während der Dauer der Vormund⸗ sckaft unzulässig.

Ist die Ehe gleichwohl geschlossen, so kann dieselbe als ungültig nicht angefochten werden.

§. 38. Die Vorschriften, welche die Ehe der Militärpersonen, der Landesbeamten und der Ausländer von einer Erlaubniß abhängig machen, werden nicht berührt. Auf die Rechtsgültigkeit der ge⸗ schlossenen Ehe ist der Mangel dieser Erlaubniß ohne Einfluß. „Ein Gleiches gilt von den Vorschriften, welche vor der Ehe⸗ schließung eine Nachweisung, Auseinandersetzung oder Sicherstellung des Vermögens erfordern.

.S. 39. Alle Vorschriften, welche das Recht zur Eheschließung ö beschränken, als es durch dieses Gesetz geschieht, werden auf⸗ gehoben.

S. 40. Die Befugniß zur Digpensation von Ehehindernissen steht nur dem Staate zu. Ueber die Ausübung dieser Befugniß haben die Landesregierungen zu bestimmen.

Vierter Abschnitt. Form und Beurkundung der Ehe⸗ schließ ung.

§. 41. „Innerhalb des Gebietes des Deutschen Reichs kann eine Ehe xechtsgüllig nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden.

8. 423. Zuständig ist der Standesbeamte, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz hat oder sich gewöhnlich aufhält. ,, ö zuständigen Standesbeamten haben die Verlobten

te Wahl.

„Eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes geschlossene Ehe kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, weil der Standesbeamte nicht der zuständige gewesen ist.

§. 43. Auf schriftliche Ermächtigung des zuständigen Standes beamten darf die Eheschließung auch vor dem Standesbeamten eines anderen Orts stattfinden.

8. 44. Der Eheschließung soll ein Aufgebot vorhergehen.

Für die Anordnung desselben ist jeder Standesbeamte zu ständig, vor welchem nach 5. 43 Abs. 1 die Ehe geschlossen werden kann.

§. 45. Vor Anordnung des Aufgebots sind dem Standesbeamten

(6. 44). die zur Eheschließung gesetzlich nothwendigen Erfordernisse als vorhanden nachzuweisen.

Insbesondere haben die Verlobten in beglaubigter Form beizu⸗ bringen: I) ihre Geburtsurkunden, Y) die zustimmende Er lärung der⸗ jenigen, deren Einwilligung nach dem Gesetze erforderlich ist.

Der Beamte kann die Beibringung dieser Urkunden erlassen, wenn ihm die Thatsachen, welche durch dieselben festgestellt werden sollen, persönlich bekannt oder sonst glaubhaft nachgewiefen sind. Auch kann er von unbedeutenden Abweichungen in den Urkunden, beispiels—= weise von einer verschiedenen Schreibart der Namen oder einer Ver⸗ schiedenheit der Vornamen absehen, wenn in anderer Weise die Per⸗ sönlichkeit der Betheiligten feftgestellt wird.

Der Beamte ist berechtigt, den Verlobten die eidesstattliche Ver⸗ sicherung über die Richtigkeit der Thatsachen abzunehmen, welche durch die vorliegenden Urkunden oder die sonst beigebrachten Beweismittel ihm nicht als hinreichend festgestellt erscheinen.

5§. 46. Das Aufgebot ist bekannt zu machen: I) in der Ge— meinde oder in den Gemeinden, woselbst die Verlobten ihren Wohnsitz haben; 2) wenn einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines gegenwärtigen Wohnsitzes hat, auch in der Gemeinde seines jetzigen Aufenthalts; 3) wenn einer der Verlobten seinen Wohnsitz innerhalb der letzten sechs Monate gewechselt hat, auch in der Gemeinde seines früheren Vohnstge.

Die Bekanntmachung hat die Vor und Familiennamen, den Stand oder das Gewerbe und den Wohnort der Verlobten und ihrer Eltern zu enthalten.

Sie ist während zweier Wochen an dem Raths⸗ oder Gemeinde⸗ hause, oder an der sonstigen, zu Bekanntmachungen der Gemeinde⸗ behörde bestimmten Stelle auszuhängen.

§. 47. Ist einer der Orte, an welchem nach 5. 46 das Anf⸗— gebot bekannt zu machen ist, im Auslande belegen, so ist an Stelle des an diesem Orte zu bewirkenden Aushanges die Bekanntmachung auf Kosten des Antragstellers einmal in ein Blatt einzurücken, welches an dem ausländischen Orte erscheint oder verbreitet ist. Die Ehe schließung ist nicht vor Ablauf zweier Wochen nach dem Tage der Ausgabe der betreffenden Nummer des Blattes zulaͤssig.

Es bedarf dieser Einrückung nicht, wenn eine Bescheinigung der betreffenden ausländischen Ortsbehörde dahin beigebracht wird, daß ihr von dem Bestehen eines Ehehindernisses nichts bekannt sei.

§. 48. Kommen ee e ile zur Kenntniß des Standesz⸗ beamten, so hat er die Eheschließung abzulehnen.

5§. 49. Soll die Ehe vor einem anderen Standesbeamten als demjenigen geschlossen werden, welcher das Aufgebot angeordnet hat, so hat der letztere eine Bescheinigung dahin auszust ellen, daß und wann das Aufgehot vorschriftsmäßig erfolgt ist und daß Ehehindernisse nicht zu seiner Kenntniß gekommen sind. .

§. 50. Die Befugniß zur Dispensation von dem Aufgebot steht nur dem Staate zu. Ueber die Ausübung dieser Befugniß haben die Landesregierungen zu bestimmen.

Wird eine lebensgefährliche Krankheit, welche einen Aufschub der Eheschließung nicht gestattet, ärztlich bescheinigt, so kann der Stan— e nr (6. 42 Abs. I) auch ohne Aufgebot die Cheschließung vor⸗ nehmen.

§. 51. Das Aufgebot verliert seine Kraft, wenn seit dessen e he sechs Monate verstrichen sind, ohne daß die Ehe geschloffen worden ist.

S. 52. Die Fheschließung erfolgt in Gegenwart von zwei Zeugen durch die an die Verlobten einzeln und nach einander gerichtete Frage

des Standesbeamten:

ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen wollen,

durch die bejahende Antwort der Verlobten und den

ierauf erfolgen⸗