1875 / 49 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 26 Feb 1875 18:00:01 GMT) scan diff

fit des Versetzten (Kommandirten) zu sein, der Letztere vielmehr an demjenigen Orte Wohnsitz nimmt, nach welchem er versetzt (kommandirt) ist, bez. wohin er in Folge des Kommandos seinen Aufenthalt verlegt.

Hieraus ergeben sich die Folgen: .

I) Die Klassensteuer, zu welcher ein auf länger als 6 Monate abkommandirter Offizier in seinem bisherigen Garni⸗ sonorte veranlagt war, ist in dem letzteren in Abgang zu stellen und kommt a. falls der neue dienstliche Wohnsitz im preußischen Staate belegen ist (55. 2 und 5 des Gesetzes vom 1. Mai 1851), in dem neuen Wohnorte in Zugang, dagegen b. ganz in Weg⸗ fall, wenn der neue dienstliche Wohnsitz außerhalb des preußi⸗ schen Staats liegt.

2) Die klassifizirte Einkomm ensteu er ist: a. in dem Falle zu 1a. auf den neuen Wohnort zu übertragen; b. wenn das längere Kommando (abgesehen von einer Mobilmachung) in das außerdeutsche Ausland führt (85. 16 des Gesetzes) in dem bisherigen Wohnort fortzuerheben; C. wenn der neue dienstliche Wohnsitz in einem anderen deutschen Bundesstaate belegen ist in Abgang zu bringen, insoweit sie nicht für ein aus Grundbesitz oder Gewerbebetrieb im preußischen Staate her⸗ rührendes Einkommen veranlagt ist (5. 3 des Reichsgesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteucrung vom 13. Mai 1870). Das Gehalt der Offiziere (5. 4 a. a. O.) kommt hierbei nicht in Betracht, weil dasselbe aus der Reichskasse nicht aus der Kasse eines einzelnen Bundesstaates gezahlt wird.

Nach einem Plenarbeschluß des Königlichen Ge⸗ richtshofes für kirchliche Angelegenheiten vom 7. Ja⸗ nuar 1875 sind die nach §. 16 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 und nach 5§. 3 des Gesetzes vom 20. Mai 1874 stattfindenden Berufungen innerhalb der daselbst bestimmten Fristen von 30 und beziehentlich 10 Tagen anzumelden und zu recht⸗ fertigen; eine besondere Frist zur Rechtfertigung des Rechts⸗ mittels ist nicht gestattet.

. Die zeugeneidliche Vernehmung eines katholi⸗ schen Geistlichen vor Gericht wird, nach einem Beschluß des Ober⸗Tribunals vom 12. Februar er., nicht durch den Umstand ausgeschlossen, daß die Zeugenaussage für den Geistlichen die große Exkommunikation zur Folge haben würde.

Die zur Central-Turnanstalt kommandirt gewese⸗ nen Offiziere haben sich nach beendigtem Kursus zum größten Theil in ihre resp. Garnisonen zurückbegeben.

Der französische Geschäftsträger in St. Petersburg, Graf Faverney, welcher sich einige Tage hier aufgehalten hatte, ist gestern Abend nach St. Petersburg abgereist.

Am 24. d. Mts. erlitt der Personenzug der König⸗ lichen Ost bahn, welcher fahrplanmäßig Abends 6 Uhr in Berlin eintreffen soll, dadurch eine Verspätung von 42 Minuten, daß zwischen den Stationen Filehne und Kreuz ein Radreifen der Zugmaschine sprang, in Folge dessen der Zug durch eine Hülfsmaschine nach Station Filehne zurückgeholt und auf dem zweiten Geleise nach Station Kreuz befördert werden mußte.

Weitere Betriebsstörungen sind nicht vorgekommen.

Bayern. München, 25. Februar. Zur Erleichterung des Militärbudgets sind im Beamtenpersonal des Kriegs⸗— Ministeriums mehrfache Reduktionen beschlossen, welche eine Min⸗ derausgabe von 30,900 Fl. ermöglichen. Bei den drei Militär- bezirksgerichten (München, Würzburg und Germersheim) sind 8 Stellen eingezogen. Für das in Fürstenfeld⸗Bruck zu errichtende Militär⸗Knaben⸗Erziehungs⸗Institut wird als Vorstand ein Stabsoffizier oder Hauptmann, zur Auf⸗ sicht werden zwei Lieutenants aus dem Pensionsstande komman⸗ dirt; ferner enthält dasselbe einen Rendanten und 7 Lehrer, welch letztere außer freier Wohnung, Heizung und Beleuchtung einen Durchschnittsgehalt von 805 Fl. beziehen. Außer dem Elementar⸗ und Realien⸗Unterricht wird auch noch Unterricht in der Musik, dem Zeichnen, Turnen ꝛc. ertheilt; als Unterpersonal werden halbinvalide Unteroffiziere und Soldaten zu Schreib⸗ gehülfen, für den Aufsichts und Hausdienst, als Exerzier⸗ und Schwimmmeister ein Unteroffizier, als Krankenwärter ein Sani⸗ tätssoldat kommandirt werden.

25. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Schwur⸗ gerichtssitzung wurde der Redacteur des „Vaterland“, Dr. Sigl, der verleumderischen Beleidigung des deutschen Reichskanzlers, Fürsten v. Bismarck, in drei Fällen schuldig befunden; die even⸗ tuell gestellte Frage, ob mildernde Umstände vorhanden seien, wurde von den Geschwornen verneint. Der Staatsanwalt bean⸗ tragte eine Gefängnißstrafe von 15 Monaten. Der Gerichtshof erkannte auf eine zehnmonatliche Gefängnißstrafe und ver— urtheilte Dr. Sigl auch in die Kosten des Prozesses und der Strafvollziehung.

Sachsen. Dresden, 25. Februar. Wie das heutige „Dr. J.“ mittheilt, ist Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Maria Anna, Gemahlin Sr. Königlichen Hoheit des Prin⸗ zen Georg, heute Vormittag 11 Uhr von einem Prinzen glücklich entbunden worden. Das Befinden der hohen Wöchne—⸗ rin sowohl, als des neugebornen Prinzen, ist, den Umständen nach, das erwünschteste. Den Neugebornen begrüßen mit den beglückten Eltern 5 Geschwister, drei Brüder: die Prinzen Fried⸗ rich August (geb. 1865), Johann Georg (1869) und Max (1870), sowie zwei Schwestern: die Prinzessinnen Mathilde (1863) und Maria (1867).

Mecklenburg. Schwerin, 23. Februar. Die „Meckl. Anz.“ schreiben: „Unter den in letzter Zeit am Großherzoglichen Hofe hierselbst erschienenen Fremden befand sich der Königlich preußische General⸗Major von Krenski, wahrend des letzten Feld⸗ zuges bekanntlich eine Zeit lang Chef des Generalstabes Sr. Kö⸗ niglichen Hoheit des Großherzogs, zur Zeit Commandeur der Königlich württembergischen Artillerie⸗Brigade. Was übrigens in einigen Blättern über angebliche Beziehungen dieser Anwesen⸗ heit des Generals zu einer bevorstehenden Veröffentlichung der Geschichte der vom Großherzoge geführten Armee⸗Abtheilung be⸗ hauptet ist, darf, zuverlässiger Mittheilung zufolge, als irrthüm⸗ lich bezeichnet werden.“

Die Verwandlung der Bauern in Erbpächter im schmerinschen Domanium hat auch im vorigen Jahre wiederum große Fortschritte gemacht. Die Zahl der Bauerstellen hat sich von 1289 auf 730 vermindert, dagegen ist die Zahl der Erbpacht⸗

ellen von 4277 auf 4838 gewachsen. In der gleichen Zeit ist die Zahl der Lehengüter von 611 auf 605 herabgegangen, während die Zahl der Allodien sich von 408 auf 414 gehoben hat.

Malchin, 22. Februar. Schon auf dem vorjährigen Land⸗ ta ge gab die schwerinsche Regierung einen Verordnungs⸗Entwurf zur Ausführung der von Reichswegen erlassenen Strandungsordnung zur beschleunigten ständischen Erklärung heraus. Da die Sache drängte, so mußte die Ordnung publizirt werden, ohne die Be⸗

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dingungen und Wünsche der Stände erledigen zu können, jedoch wurde von der Regierung verheißen, etwaige Beschwerden der Ortsobrigkeiten gegen die Strandvögte sorgfältig zu prüfen, event. zu berücksichtigen. Die Stände einigten sich heute dahin, von Anträgen abzustehen und erst die Folgen der Verordnung zu erwarten.

Von der katholischen Geistlichkeit in Schwerin ist eine Ent⸗ schädigung für Reisen nach dem Landarbeitshause in Güstrow Zwecks Verwaltung der Seelsorge daselbst von der Regierung erbeten. Diese ist aus Billigkeitsrücksichten geneigt, jährlich 75 aus der Landarbeitshauskasfe dafür zu bewilligen. Die Stände ertheilten ihre Zustimmung.

In einem Reskript vom 20. d. M. fordert die schwerinsche Regierung für die landwirthschaftliche Versuchsstation, wofür Stände schon auf 10 Jahre d Jahr 1000 Thlr. bewilligt haben, eine einmalige Beihülfe von 15,000 „6, die auch gewährt wird.

Ein anderes schwerinsches Reskript vom 18. d. M. bringt einen Verordnungsentwurf für das Reichs⸗Impfgesetz. Es wurde ein Comité von 6 Personen für den Entwurf gewählt.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen, 24. Februar. Die Samml. landesh. Verord. veröffentlicht ein Gesetz vom 3. Februar 1875, die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen betreffend.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 24. Februar. In der heute stattgefundenen Sitzung des Abgeornetenhauses legte der Handels⸗Minister Dr. Banhans auf Grund Allerhöchster Er⸗ mächtigung mittelst Zuschrift an das Präsidium zwei Regierungs⸗ vorlagen zur verfassungsmäßigen Behandlung vor und zwar: Abänderungen des Gesetzentwurfes, betreffend die Vereinigung der österreichischen Nordwestbahn mit den Unternehmungen der südnorddeutschen Verbindungsbahn, der mährischen Grenzbahn und der Lundenkurg⸗Grußbach Zellertidorfer Bahn nebst Be⸗ gründung; einen Gesetzentwurf, wodurch Art. II. des Gesetzes vom 6. Mail 874 , betreffend die Herstellung der projektirten Lokomotiv⸗ eisenbahn von Steinach an der aus Ober⸗Steiermark nach Salzburg und Tirol führenden Eisenbahn über Aussee, Steg, Ischl, Eben⸗ see, Attnang, Ried nach Andießenhofen, eventuell Schärding ab⸗ geändert werden soll, nebst zugehöriger Begründung. Der Ackerbau⸗Minister Ritter v. Chlumecky legte auf Grund Allerhöchster Ermächtigung einen Gesetzentwurf, betreffend eine Erhöhung des Gefammtbetrages der unverzinslichen Vor—⸗ schüsse aus Staatsmitteln an Gemeinden und Private in den vom Borkenkäfer befallenen Theilen des Böhmerwaldes zur ver⸗ fassungsmäßigen Behandlung vor. Ferner wurde der Postver⸗ trag, betreffend die Gründung eines allgemeinen Postvereines, als Regierungsvorlage eingebracht. Das Haus geneh⸗ migte den Gesetzentwurf, betreffend das Rekrutenkontin⸗ gent für 1875, die Anträge des Ausschusses, be⸗ treffend den Rechnungsabschluß von 1873 und die Gefetzentwürfe, betreffend die Bahn Wien⸗Pottendorf und die Gebührenfreiheit des galizischen Landesanlehens. Der Mi⸗ nister des Innern beantwortete die Interpellation wegen der Marchregulirung dahin, daß man wegen der Bodengestaltung des Flußbettes an die Schiffbarmachung vorläufig nicht denken könne und daß die Regulirung der March behufs Verhütung von Ueberschwemmungen eine Landesangelegenheit sei, wozu die Regierung mitwirken wolle. Hierauf folgte die General⸗ debatte über das Börsengesetz. Weiß v. Starkenfels und Genossen interpellirten den Finanz-Minister wegen der verfas⸗ sungsmäßigen Normirung der Stellung des obersten Rech— nungshofes.

Ueber das neue Börsengesetz schreibt das „Prag. Abendbl.“:

Gleich dem Aktiengesetz ist das neue Börsengesetz ein Kind der Zeit. Seine Entstehungsgeschichte fällt in die Periode nach der großen Maikatastrophe des Jahres 1873, wo die öffentliche Meinung mit großem Nachdruck gesetzliche Schutzmaßregeln gegen die Wiederkehr so verheerender Krisen verlangte. Nichts desto⸗ weniger lautet das Urtheil der Presse über die erwähnte Gesetz⸗ vorlage wesentlich günstiger als über das Aktiengesetz, dem man von mancher Seite allzu weitgehende Vorsicht, beziehungsweise allzu große Härte zum Vorwurf machte. Selbstverständlich fehlt es auch nicht an tadelnden Stimmen für das neue Börsengesetz, denn gewissen Organen steht eben gar nichts zu Gesichte, was nur halbwegs wie eine Einengung der Freiheit des Börsenver⸗ kehrs aussieht; im Ganzen genommen wird jedoch allseitig zuge⸗ standen, daß die Regierungsvorlage die richtige Mitte einhält zwischen allzu weit gehender Bevormundung der Börsen und allzu schrankenloser Freiheit derselben, welch letztere erst vor Kur⸗ zem zu so traurigen Konsequenzen geführt hat.

Vor Allem wird den Börsen durch das neue Gesetz ihr bisheriger Charakter als offizielle Anstalten genommen. Sie werden als freie Vereinigungen von Geschäftsleuten betrachtet, deren Zweck die Vermittelung des Verkehrs sein soll. Die Ver⸗ waltung derselben ist eine vollständig autonome, indem sich jede Börse innerhalb der allgemein geltenden gesetzlichen Bestimmun⸗ gen ihr Statut selber festsetzt und dasselbe durch frei gewählte Organe handhaben läßt. Diese Organe sollen aus der Mitte der Börsenmitglieder selber hervorgehen und mit allen jenen Befugnissen ausgestattet werden, welche zur Erhaltung eines ge⸗ regelten Verkehrs nothwendig erscheinen. Auch die Aufrechthal⸗ tung der Ordnung, in stürmischen Zeiten bekanntlich keine leichte Aufgabe, soll diesen freigewählten Organen, welche die Börsen⸗ leitung repräsentiren, obliegen.

In sachlicher Beziehung ist wohl jene Bestimmung des neuen Gesetzes die wichtigste, durch welche Börsengeschäfte als gewöhnliche Handelsgeschäfte bezeichnet und demgemäß alle aus denselben resultirenden Forderungen als klagbar und exekutions⸗ fähig hingestellt werden. Diese Bestimmung dürfte sich als ein kräftiger Damm gegen das Ueberhandnehmen der Spielwuth und das leichtsinnige Hazardiren erweisen, denn ist man nur einmal darüber im Klaren, daß man mit seinem gesammten Vermögen für die Verpflichtungen aufzukommen hat, die man bei Börsen⸗ geschäften auf sich genommen, dann wird sich es wohl Jeder genau überlegen, bevor er sich in Engagements einläßt, die seine Kräfte übersteigen. Wer es nicht selber gesehen und erlebt, wie in den Zeiten der wilden Hausse Leute in den untergeordnetsten Stellungen und ganz ohne Vermögen Verpflichtungen, die in die Zehntausende ja Hunderttausende gingen, auf sich luden, der würde es kaum glauben, bis zu welchem Grade die Verschiebung aller Begriffe über Kreditwürdigkeit und Kreditfähigkeit bereits gediehen war. Man spielte so zu sagen ohne Einsatz um die gewagtesten Summen, denn ging es schief, so blieb man einfach aus und hatte davon weiter keine Unannehmlichkeiten, als höch⸗ stens die Ausschließung vom ferneren Börsenbesuche zu besorgen. Das mußte natürlich in hohem Grade korrumpirend wirken und darum wird denn auch in diesem Umstande, wohl nicht ganz

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Auch die weiteren meritorischen Bestimmungen des neuen Börsengesetzes zeigen das unverkennbare Bestreben, alle Aus⸗ wüchse im Börsenverkehre, wie sie im Laufe der letzten Jahre so besonders grell zu Tage traten, möglichst zu beseitigen und den Verkehr selber auf feste und solide Grundlagen zu stellen, ohne im Uebrigen die Freiheit der Bewegung allzusehr einzuengen. Es beweisen dies u. A. die Bestimmungen über die Exekution nothleidender Börsen⸗Effekten, welche namhafte Erleichterungen enthalten. Ueberhaupt ist die ganze Tendenz des neuen Gesetzes dahin gerichtet, dem Börsengeschäfte den Charakter einer reellen kaufmännischen Transaktion aufzuprägen, um dadurch der Wiederkehr so argen Schwindels und so furchtbarer Kata⸗ strophen, wie sie das Jahr 1873 gebracht hat, nach Thunlichkeit vorzubeugen.

75. Februar. (W. T. B.) Wie die „Presse“ hört, hat der Handels⸗Minister Banhans vom Kaiser einen zweimonat⸗ lichen Urlaub bewilligt erhalten, um einen ihm von den Aerzten angerathenen Aufenthalt im Süden zu nehmen. Das Departe⸗ ment des Handels⸗Ministers wird während dieser Zeit vom Minister für den Ackerbau, v. Chlumecky, geleitet werden.

Schweiz. Bern, 23. Februar. Heute hat der Bundes⸗ rath in außerordentlicher Sitzung die Vorlagen für die nächste Bundesversammlung, welche bekanntlich auf den 8. März wie⸗ der einberufen ist, genehmigt. Es sind deren 36, von denen die wichtigsten sind: die ultramontanen Rekurse gegen die Bundesraths⸗ beschlüͤsse, betreffend die Absetzung des Bischofs Lachat, betreffend die von der Berner Regierung verfügte Ausweisung einer An⸗ zahl katholischer Geistlichen aus dem Jura und betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Freiburger Schulgesetzes. Dann sind noch zu erwähnen der Niederlassungs- und Handelsvertrag mit Dänemark, welcher kürzlich in Paris unterzeichnet worden ist, die neuen Bundesgefetze über Maß und Gewicht, über die Aushebung und Instruktion der Rekruten, über den Eisenbahnenfrachtverkehr, über die Haftbarkeit der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten im Falle von Tödtungen und Verletzungen, über die Ausgabe und Eirnlofungen von Banknoten, über die eidgenössische Geld⸗ skala, über das Postregal und über Bekleidung und Ausrüstung der Armee durch die Kantone und die diesen dafür zu gewäh— rende Entschädigung. Endlich sind noch von Interesse die Motion Dasor, betreffend die Durchführung des Art. 27 der Bundesverfassung, welcher vom Schulwesen handelt, die Motion Stämpfli, betreffend den Modus der Berathung eidgenössischer Gesetze, und die Motion Joos, betreffend die Frage der Ausgabe und Einlösung von Bundeskassenscheinen. Da die eidgenös⸗ sischen Räthe nur bis Ostern beisammen bleiben werden, wird sedenfalls ein sehr großer Theil dieser Traktanden auf die ordent⸗ liche Sommersession, welche am 7. Juni beginnt, verschoben wer— den müssen.

Niederlande. Haag, 21. Februar. Die Regierung hat an die Zweite Kammer der Generalstaaten eine Vorlage gelangen lassen, nach welcher die bisherigen Festsetzungen des Planes be⸗ züglich der Mitwirkung Seitens des Staates zur Herstellung des Nordseekanals einige Abänderungen erfahren. Es han⸗ delt sich dabei um Bewilligung von Mehrausgaben, welche durch die jüngst zu Stande gekommene neue Vereinbarung mit Amster⸗ dam erforderlich werden. Zur Rechtfertigung der betreffenden Abänderungsvorschläge wird bemerkt, der Staat werde durch diese Vereinbarung allerdings zu weit beträchtlicheren Ausgaben gebracht; man werde dann aber auch einen Kanal erhalten, welche für Schiffe von 72 Deeimeter Tiefgang brauchbar sein würde; die Mehrausgaben seien geboten im Hinblicke auf die Interessen der großen Schiff⸗ fahrt und würden den Werth des Kanals bedeutend erhöhen. Durch Königlichen Beschluß vom 18. d. ist der Infanterie⸗Oberst Pel, vom niederländisch-indischen Heere, der Militär- und Eivil⸗ befehlshaber in Atchin, zum Range eines General-⸗Majors befördert worden. Jüngsthin wurde der Oberst schon in An⸗ erkennung der von ihm in Atchin bereits geleisteten großen Dienste zum Commandeur des militärischen Wil helms⸗Ordens ernannt. Zur Fortsetzung der Entfestigung der Hauptstadt des Großherzogthums Luxemburg ist von dem Landtage vor einigen Tagen der An⸗ trag der Regierung ein weiterer Kredit, und zwar im Betrage von 110 006 Fr., mit 22 gegen eine Stimme zur Verfügung gestellt worden. Der Staats⸗Sekretär der südafrikanischen Re⸗ publik, Hr. Swart, ist vorgestern vom Kap in Amsterdam eingetroffen

Großbritannien und Irland. London, 24. Februar. Nach einer Mittheilung der amtlichen „London Gazette“ wird die Königin am 19. März einen Damen⸗Empfang im Bucking⸗ ham⸗Palast halten.

Dem Parlament sind soeben die amtlichen Schrift⸗ stücke über die letzte Kaffern-Rebellion in Natal un⸗ terbreitet worden. Dieselben umfassen zuvörderst eine Depesche von Lord Carnarvon, dem Minister für die Kolonien, welche seine Entscheidung über den Rechtsfall des Häuptlings Langalibale enthält, und ferner eine Proklamation an die Eingeborenen von Natal, worin denselben mitgetheilt wird, daß dem Häuptling die Freiheit wiedergegeben worden ist, indeß unter der Bedingung, nicht nach Natal zurückzukehren, aber daß sein Stamm, die Amahlubi, sich zu ihm begeben darf. Im Weiteren wird den Amangwe gestattet, nach ihrem Lande zurückzukehren und sämmt⸗ lichen Kaffernstämmen im Allgemeinen eine scharfe Warnung gegen Rebellionsversuche ertheilt. .

Das gegenwärtige Haus der Lords zählt 26 geist—⸗ liche und 465 weltliche Pairs. Unter Letzteren befinden sich 5 Prinzen von Geblüt, 28 Herzöge, 32 Marquis, 171 Earls, 37 Viscounts und 192 Barone.

Sir Garnet Wolseley, der neue Gouverneur von Natal, segelte in Begleitung seines aus vier höheren Offizieren bestehenden Stabes, sowie des neuen Kolonial⸗Sekretärs Mr. Napler Broome gestern von Dartmuth an Bord des Post— dampfers „Walmer Castle“ nach dem Kap der guten Hoff— nung ab.

25. Februar. (W. T. B.) Auf eine Interpellation von Lord Stratheden erklärte der Minister des Auswärtigen, Graf Derby, in der heutigen Sitzung des Oberhauses, er halte es für wahrscheinlich, daß Sesterreich, Rußland und Deutschland auf Grund des von ihnen aufgestellten Prinzips, daß der Abschluß von Handelsverträgen mit Serbien und Rumänien ohne Genehmigung der Pforte zulässig sei, weiter vorgehen würden. Eine Meldung, daß die Verträge be⸗ reits abgeschlossen worden seien, habe er noch nicht empfangen.

26. Februar. (W T. B.) Der Direktor des Museums von South⸗Kensington, Gunliffe Owen, ist, wie jetzt amt⸗ lich bestätigt wird, zum Exekutivkommissär für die Weltaus—⸗ stellung in Philadelphia ernannt worden, an welcher Eng⸗

land seine Betheiligung zugesagt hat. (W. T. B.) Das

mit Unrecht eine der Hauptursachen des großen „Krachs“ ge⸗

sucht.

Frankreich. Paris, 26. Februar. „Journal officiel“ bringt die amtliche Mittheilung, daß der Mar⸗

schall⸗Präsident in Folge der gestrigen Sitzung der Nationalver— sammlung (. u. Versailles) den Entschluß faßte, den Präsidenten Buffet mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu be⸗ trauen. Das genannte Blatt hebt hervor, daß der Marschall⸗ Präsident nach wie vor der Beschlußfassung über die Verfassungs⸗ gesetze, fest entschlossen sei, die konfervativen Prinzipien aufrecht zu erhalten, welche die Grundlage seiner Politik gewesen seien, seit er seine Gewalten aus den Händen der National versammlung empfangen habe. Das neue Ministerium müßte diese Prinzipien, denen der Präsident Buffet ebenso, wie der Marschall Mare Mahon anhinge, gleichfalls zu den seinigen machen. Das Ministerium würde in dieser Richtung durch die gemäßigten Elemente aller Parteien unterstützt werden. Die Konstituirung des Kabinets dürfte erst nach der Rückkehr Buffet's, welcher fich aus Veran— lassung des Todes seiner Mutter in den Vogesen aufhält, ge⸗ schehen. ) .

Der Admiral La Roneière le Noury hat im Namen des Budgetausschusses seinen Bericht über die finanziellen Fol⸗ gen des Gesetzes über die Cadres der Armee eingereicht. Daraus ergiebt sich: Das Kriegsbudget für 1875 beträgt 493,776,321; dazu kommen die durch das neue Gesetz über die Cadres nothwendig gewordenen Ausgaben: 23 236,795; bereits votirte, aber im Budget noch nicht eingetragene Ausgaben: II, 161,392; Vervollständigungs⸗Ausgaben, deren Nothwendigkeit der Kriegs-Minister bezeichnet, 3177 71,258; Gesammt-Ausgabe für das Kriegswesen: 559, 885.786 Fr. Dieselbe wird aber durch Reduktion der Cadres oder durch die Vertagung der Ausgaben für dieselben um 16,983,804 Fr. verringert, so daß das Kriegs⸗ budget für 1875 543,901,962 Fr. betragen wird. .

Das „Pariser Journal“ theilt mit, daß die Eröffnung der internationalen Meter-Kommission am 1. März stattfinden werde. Ursprünglich war dieselbe auf den 6. März festgesetzt.

Versailles, 25. Februar. (W. T. B.) Nationalver⸗ sammlung. Die Berathung über das Gesetz betressend die Organisation der öffentlichen Gewalten wurde fort— gesetzt. Der Zusatzantrag Wallons, der von den dem Präsi— denten zustehenden Machtbefugnissen handelt, wurde in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung angenommen, ebenso auch der Art. 7 des Gesetzentwurfs, welcher Versailles zum Sitze der Exekutivgewalt und zum Versammlungsort für beide Kammern bestimmt, da von keiner Seite Widerspruch gegen diesen Artikel erf᷑olgte. Vor der Schlußabstimmung gaben die royalistischen Deputirten eine Erklärung ab, in welcher hervorgehoben wird, daß alle und jede Institutionen ohne „den König“ zum Verderben des Landes ausschlagen wür⸗ den. Die Herrschaft werde in der Zukunft den Radikalen zufallen, die auch die gemäßigten Republikaner mit sich vereinigen würden. Die royalistischen Deputirten müßten sich deshalb von vorn herein jeder Verantwortlichkeit für den Ruin des Landes entschlagen. In einer Stelle der von den Royalisten abgegebenen Erklärung wurde mit dem Ausdruck des Bedauerns des Abfalls gewisser Royalisten, die ihren Grundsätzen untreu geworden seien, sowie der an Ohnmacht streifenden Schwäche gedacht, die an gewisser hoher Stelle herrsche; gegen letztere Be⸗ zichtigung wurde vom Konseil-Vize⸗Präsidenten de Cissey sehr lebhaft Verwahrung eingelegt. Darauf wurde das ganze Gesetz mit 436 gegen 262 Stimmen genehmigt. ö

Nach Annahme des Gesetzentwurfs über die Organisation der öffentlichen Gewalten wurde vom Deputirten Savary der Bericht der Untersuchungskommission über die Vor änge bei der Wahl im Departement de la Nisvre vorgetragen, wobei die Bonapartisten Savary vielfach und lärmend unterbrachen. Die Versammlung vertagte sich darauf bis Montag.

Ein weiteres Telegramm meldet: In dem heute vom Depu⸗ tirten Savary in der Nationalversammlung verlesenen Be—⸗ richte über die Vorgänge bei der Wahl de Bourgoings im Departement de la Niepre wird beantragt, die Nationalversamm⸗ lung solle den Justiz⸗-Minister zur Mittheilung der Akten über das Comité des appel au peuple aufforden. Es wird darauf beharrt, daß bonapartistische Umtriebe existirten und daß die Bonapartisten eine besondere Regierung im Staate gebildet hätten, die ihr eigenes Budget, ihre eigene Polizei und ihre eige⸗ nen Beamten habe. Ferner wird auf die Versuche bonapartisti⸗ scher Agenten hingewiesen, eine Vereinigung der Sozinlisten mit den Anhängern des Kaiserreichs herbeizuführen. Die Vertagung der Nationalversammlung bis Montag erfolgte, um dann über den Bericht Savary's zu berathen.

Italien. Rom, 18. Februar. (It. A.) Der Minister⸗ präsident Minghetti ist zum Mitglied der Akademie der Wissen⸗ schaften von Stockholm ernannt worden.

Garibaldi besuchte am Dienstag Vormittag den Fürsten Torlonia in seinem Palaste auf Piazza Venezia und unterhielt sich lange Zeit mit ihm über die großartigen Pläne, die er im Sinne führt. Der Fürst hat den General nicht allein auf das Herzlichste empfangen, sondern ihm auch angeboten, bei der Aus⸗ führung seiner Tiber⸗ und Campagnapläne frei über seinen weit⸗ ausgedehnten Landbesitz zu verfügen, namentlich wenn es ihm be— lieben sollte, auch eine Eisenbahn von Ponte Galera nach dem Tiberhafen Fiumineino anzulegen.

Die Nationalgarde von Florenz ist durch König— liches Dekret vom 28. Januar d. J. für aufgelöst erklärt worden, indem der König für die guten Dienste dankte, welche sie, nament⸗ lich als Florenz Hauptstadt war, Italien geleistet hat. = In Sicilien sind nach einer Meldung des „Giornale di Siciliea“ die Operationen gegen die Briganten neuer— dings von glücklichem Erfolg gekrönt worden. Auf die Anzeige, daß sich Briganten in der Gegend von Regalociaeca im Bezirke Castronovo herumtrieben, machten sich Carabinieri und Bersaglieri auf, umringten am 12. d. den Hof Landolino, wohin sich die Banditen Filippo Calderone und Francesco Barbarino mit ihren Helfershelsern geflüchtet hatten, und nach kurzem Gefechte wurde Calderone getödtet und Barbarino mit den Helfershelfern ver⸗ wundet gefangen genommen. Barbarino wird schon seit dem Jahre 1869 verfolgt. Damals schloß er sich der Bande Capraro und Pasquale an, und hat mit dieser eine ganze Reihe von Räubereien und Erpressungen verübt, weshalb ein hoher Preis auf seinen Kopf gesetzt wurde. Calderone betreibt das Räuber⸗ handwerk erst seit dem Jahre 1874, hat aber schon eine ganze h. von Verbrechen gegen Personen und Eigenthum mit verübt.

25: Februar. (W. T. B.) Der Se nat hat in seiner heutigen Sitzung den Artikel des Strafgesetzbuchs, betreffend die Aufrechterhaltung der Todesstrafe, mit 73 gegen 36 Stim⸗ men genehmigt.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 26. Februar. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten erklärte in 2 a, des Justizetats der Abg. Windthorst (Bielefeld) die Etatisirung der Richter erster Instanz nach der Anciennität in der ganzen Monarchie oder wenigstens provinzenweis für wünschenswerth. Nachdem der Regierungskommissar, Ministerial⸗Direktor, Wirk⸗ licher Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Wenzel erwidert hatte, die Schwierigkeit der Ausführung liege in den Gehaltsverhältnissen, bemerkte der Justiz⸗Minister Hr. Leonhardt:

Ich möchte dem Hrn. Abg. Windthorst zu seiner Beruhigung nur bemerken, daß der Gedanke, den er zu etzt entwickelt hat, von mir seit meinem Antritt als Justiz⸗Minister verfolgt worden ist. Ich hätte ihm sehr gern Rechnung getragen, aber die Gründe, die eden entwickelt worden sind, haben mich bislang nicht in die Lage gesetzt, diesen Gedanken durchzuführen, den ich für einen durchaus begründeten ansehe; denn es herrscht im preußischen Staate noch sehr der Gedanke des Partikularismus der Provinzen, und ich glaube, dieser muß, soweit irgend thunlich, beseitigt werden. In der einen Richtung habe ich ihn auch schon beseltigt, nämlich soviel die Verleihung von Titeln anlangt, Kreisgerichts Rath, Landgerichts⸗Rath u. s. w. In dieser Richtung wurde früher auch nach Provinzen verfahren, das ist aber neuerdings beseitigt, und es wird in dieser Richtung für den ganzen Staat gesorgt.

Der Abg. Frhr. v. Heereman hatte zur Sprache ge⸗ bracht, daß ein politischer Gefangener in das Zuchthaus zu Mn ster geschafft sei, ferner rügte derselbe die Behandlung katho⸗ lischer Geistlicher in der Strafanstalt zu Cleye. Der Justiz⸗ Minister äußerte hierüber nach dem Abg. Windthorst (Meppen): ; Meine Herren! Ich kann nur Folgendes erklären: Eine neue Regelung des Strafvollzuges ist, nothwendig und sie wird erfolgen, sobald es irgend möglich ist. Eine weitere Erklärung, die der Hr. Abg, Windthorst begehrt, kann ich nicht geben, und das Verlangen, welches er in einer solchen bestimmten Weise gestellt hat, kann mich in meinen Anschauungen durchaus nicht beirren. Ich will darauf des Näheren nicht eingehen und nur einen Punkt hervorheben. Der Abg. Windthorst hat zweimal, sogar dreimal bemerkt, daß das eine Mini— sterium die Vertheidigung und Rechtfertigung auf das andere Mini⸗ sterium schöbe. Davon ist gar keine Rede gewesen; die Sache hängt vielmehr. einfach so zusammen. Es werden ohne alle und jede Vorbereitung in dieses Haus zwei Spezialfälle gebracht. Wie kann man daun nun von einem Minister überhaupt verlangen, daß er auf solche Spezialfälle sich erklärt. Theilen Sie mir doch vorher der— artige Spezialfälle mit, dann will ich mich erklären; aber wenn Sie Fälle haben, und welche vielleicht so oder so zurecht gemacht sind (Oh! Oh! im Centrum) ich will nicht fagen, ob das bewußt oder unbewußt geschieht, das liegt mir fern.

Der erste Fall war dem Justiz-Minister bekannt, er griff von

Amtswegen ein, und auf diese Weise erfuhr er die ganze Sachlage. Nun ist Ihnen von meinem Kommissar mitgetheilt, daß der Fall nicht richtig vorgetragen ist. (Abg. Windthorst Meppen] Doch Es ist unzweifelhaft. . Dem Hrn. v. Heereman werfe ich durchaus nicht Mangel an kona fies vor. Bann ist ein zweiter Fall vorgebracht; diefer gehört dem Ressort des Ministeriums des Innern an. Es ist mög⸗ lich, daß, der Minister des Innern ein Näheres darüber kennt; der Justiz-Minister weiß von diesem Falle gar nichts, er kann sich dem⸗ gemäß auch über den Fall nicht erklären. Wenn er es nicht thut und die Sache nicht zu rechtfertigen sucht, so kann man doch nicht sagen, daß der Justiz-Minister die Sache auf den Min sster Innern schiebe. Die Herren mögen, Denn ihen einzelne Fälle so am Herzen liegen, daß sie eine grund lichste Erwägung wünschen, diese doch nicht bei Gelegenheit des Bud— gets herbeiführen; es stehen ihnen ja andere Wege offen. Der be— treffende Minister wird dann, wenn er von der Sachlage Kenntniß sich verschafft hat, antworten. Ebenso, meine Herren, ist es doch meiner Ueberzeugung nach ganz, unmöglich, bei Gelegenheit des Budgets die Frage über den Strafvollzug in einer vollständigen Weise zu erörtern. Wenn das Bedürfniß der Regelung des Strafvollzuges entwickelt wird, und die Haupt— richtungen meinetwegen bezeichnet werden, und wenn dann die be⸗ treffenden Minister erklären, daß sie den Strafvollzug regeln und alles in Berückstchtigung ziehen wollen, was hier erörtert worden ist, Und das habe ich bereits in der letzten Sitzung gesagt dann, glaube ich, können Sie sich auch dabei beruhigen. Die Regierung ist wenigstens nicht in der Lage, auf Details der Frage bei der Budget⸗ berathung einzugehen.

Auf die Bemerkung des Abg. Gilling, alle Klagen rührten von der Zwiespältigkeit des Gefängnißwesens her, erklärte der Ju stiz⸗Minister: .

Meine Herren! Ich bin sehr weit davon entfernt, darüber mich zu beklagen, daß hier der Strafvollzug und die Gefängnißverwaltung zur Sprache gebracht werden. Ich habe nur bemerkt, daß die Be⸗ rathung des Budgets doch wohl nicht der geeignete Ort sei, wo das Detail zu erörtern ist.

Was die letzte Bemerkung des Herrn Vorredners anlangt, so halte auch ich für meine Person es für erwünscht, daß eine einheit— liche Verwaltung eintritt und der zeitige Dualismus beseitigt wird. Es wird dies ein Punkt sein das kann ich dem geehrten Hern Abgeordneten bemerken welcher bei den weiteren Berathuͤngen in Erwägung gezogen wird.

Dem Abg. Frhr. v. Heereman, welcher sich dagegen ver⸗ wahrte, daß er den von ihm angeführten Fall zurechtgemacht habe, entgegnete der Justiz-Minister:

- Ich möchte dem Hrn. Abg. von Heereman bemerken, daß, wenn ich erklärte, daß ich seine bona fies nicht in Zweifel ziehe, das mei— ner Meinung nach üserflüssig war, denn, wenn ich von „zurecht— gemachten Fällen“ generell gesprochen habe, so heißt das nicht, daß die Fälle zurechtgemacht werden von denjenigen Herren, welche sie hier vortragen. Solche Fälle werden oft zurechtgemacht, ehe sie an denjenigen kommen, welcher sie hier im Abgeordnetenhause vorbringt. Auf eine Aeußerung des Abg. Thilo erklärte der Justiz— Minister:

De geehrte Herr Vorredner hat die Bemerkung gemacht, er zweifle gar nicht, daß die Justizverwaltung bereits einen Plan über die Errichtung der neuen Gerichte aufgestellt hat, sich fürchte, daß, wenn dieler Bemerkung nicht widersprochen wird, ein höchst unange— nehmer Sturm von Petitionen aus dem Lande an den Justiz⸗Minister gelangt, deshalb will ich hier wie im vorigen Jahre erklären, daß ein solcher Plan noch nicht entworfen ist und daß die Fraze, wo Gerichte zu errichten sind, nicht eher in nähere Erwägung gezogen werden kann, als die Gerichtsverfassung feststeht.

Bei Kap. 62 Tit. 11 (Z3uschuß zu den Verwaltungs⸗ ausgaben der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont) machte der Abg. Kapp darauf aufmerksam, daß der zwischen Preußen und dem Fürstenthum Waldeck abgeschlossene Staatsvertrag, nach welchem die preußische Regierung die Verwaltung des Fürsten⸗ thums führt, am 1. Januar 1818 ablaufe, jedoch noch weitere zehn Jahre in Kraft bleibe, wenn er nicht von einem der kon⸗ trahirenden Theile bis zum 1. Januar 1876 gekündigt wor⸗ den sei. Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministerlums, Staats⸗ und Finanz⸗Minister Camphausen entgegnete:

Meine Herren! Ich habe in Bezug auf diese Aeußerung nur zu bemerken, daß der geehrte Redner doch von einem Irrthum aus— geht. Der Vertrag ist geschlossen bis zum 1. Januar 1878 und kann von jedem der beiden kontrahirenden Theile ein Jahr vor seinem Ab⸗

des

lauf gekündigt werden. Welche Entschlüsse die preußische Regierung

Auf eine weitere Bemerkung des Abg. Windthorst Meppen) . der Staats⸗Minister Camphausfen noch einmal das

ort:

Meine Herren! Ich möchte mich der Ansicht des Hrn. Abg. Miquel, daß gegenwärtig der Zeitpunkt nicht gekommen sei, um über diese Frage eingehend zu verhandeln, meinerseits anschließen. Wenn die Angelegenheit praktisch wird, so würde ich ja meinerseits zu wünschen haben, daß der Hr. Minister der auswärtigen Anzgele⸗ genheiten, der feiner Zeit diefen Vertrag abgeschlossen hat, entweder persoͤnlich oder durch einen Kommissarius hier vertreten wäre.

Im Uekrigen will ich doch nicht unerwähnt laffen, daß derartige Verträge wie der mit dem Fürstenthum Waldeck abgeschlossene in Bezug auf eine vorbehaltene Kündigung, gar viele existiren und daß ss niemals in Frage gestellt ist, daß, wenn nicht gekündigt wird, der Vertrag fortdauert und, daß nicht erst vorher die Landesvertretung zu befragen ist, ob gekündigt werden soll oder nicht.

Im ebrigen, meine Herren, liegt ja ganz klar vor, daß bei einem Vertrage, der mehr oder weniger unbestimmte Lasten in sich schließt, die Staatsregierung ja nur den Wunsch hegen kann, im völligen Einverständniß mit der Landesvertretung die Angelegenheit zu reguliren, daß wir zwar das Recht in Anspruch nehmen, ohne vor— herige Verständigung mit der Landesvertretung den Vertrag fortdauern zu lassen, daß wir aber über die Gestaltung der Verhältnisse seiner Zeit, wenn das Haus anderer Meinung sein sollte, uns zu verstän—⸗ digen suchen werden.

In Kap. 8. Tit. 1 der einmaligen außerordentlichen Ausgaben sind 1‚200, 9009 Mk. für den Provinzialverband von Schleswig-Holstein als einmaliger Beitrag Behufs Verwendung im Interesse der durch die Kriegsereignisse von 1849,50 belaste⸗ ten Kommunen ausgeworfen.

Die Abgeordneten aus Schleswig- Holstein beantragten: U) diesen Beitrag von 1,ů200, 0090 Mk. nicht zu bewilligen und 2) die Staatsregierung aufzufordern, eine billige Ausgleichung der schleswig⸗ holsteinschen Zwangsanleihen von 1849,50, ins⸗ besondere der beiden von den Kommunen der vormaligen Her— zogihümer aufgebrachten Anleihen im Sinne des Beschlusses des Abgeordnetenhauses vom 13. Mai 1874 zu bewirken.

Der Staats⸗Minister Camphausen ergriff hierüber nach dem Abg. Miquel das Wort:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat es für nöthig erachtet das Abgeordnetenhaus vor dem Verdacht zu schützen, als würdé es in die Bergthung nicht mit vollem Wohlwollen für die Provinz Schleswig⸗ Holstein eintreten Von hier aus hat man nicht für nöthig erachtet, die Staatsregierung gegen diesen Verdacht zu schützen, weil ich davon ausgegangen bin, daß wirklich ein Zweifel in dieser Hinsicht nicht statthaft sein dürfte. Was bedeutet denn die ganze Maß⸗ regel, welche die Staatsregierung Ihnen vorgeschlagen hat? Ihnen Allen ist bekannt, daß bei Regulirung der Verhältnisse der Provinz Schleswig- Holstein bei der Feststellung des Schulden wesens der gedachten Provinz, bei der sowohl die Landesvertretung als wie der Staatsregierung mitgewirkt haben, daß man da von der Ansicht ausgegangen ist, daß die Provinz Schleswig- Holstein auf die Anerkennung der beregten Schuld dem preußischen Staate gegenüber keinen Anspruch habe. Meine Herren! Diejenigen von Ihnen, die im Jahre 1867 Mitglieder dieses Hohen Hauses waren, die werden wohl erinnern, daß damals die Staatsregierung die Ermächtigung gegeben worden ist, für die. Anleihen, welche die Provinz Schleswig- Holstein trafen, eine Summe von 21,700,990 Thlr. aufzunehmen. Es ist das die Anleihe des Jahres 1868, welche noch heute in un seren Schulden etät, soweit nicht einzelne Theile davon getilgt sind, figuriren. Da⸗ mals ist die Anforderung so setze ich wenigstens voraus; ich habe an den damaligen Verhandlungen bekanntlich keinen Antheil gehabt damals ist, die Anforderung wegen der jetzt in Frage stehen—⸗ den schleswig holsteinschen Schulden nicht gekommen. Demnächst hat im Jahre 1868 sich der Anspruch geltend gemacht, daß auch die jetzt in Frage stehenden Schulden als Staatsschulden möchten anerkannt werden. Im Jahre 188 haben eingehende Erörterungen zwischen dem Minifter der auswärtigen Angelegenheiten und dem damaligen, Finanz Minister und Seitenz des Staats-Ministeriums stattgefunden, und man hat sich für die Ansicht entschieden, daß die fraglichen For—⸗ derungen als Schuldverpflichlungen, die auf den preußischen Staat übergegangen wären, nicht anzuerkennen seien. Dieser Standpunkt, ist dann so, wie er damals gefaßt wurde, auch später, Seitens der Staatsregierung festgehalten und, so vpiel ich weiß, und mich erinnere, auch Seitens des Abgeordnetenhauses in den Anträgen seiner Kommission festgehalten worden. Im vorigen Jahre ist man von diesem Standpunkte abgewichen; im vorigen Jahre ist die Resolution gefaßt worden, der Staatsregierung zu empfehlen, auf eine billige Ausgleichung Bedacht zu nehmen. Meine Herren, diesem Ausspruche des Abgeordnetenhauses gegenüber hat die Regie rung nicht Bedenken getragen, den Standpunkt, den sie bis dahin un verändert festgehalten hatte, einer Modifikation zu unterwerfen. Sie hat sich bemüht, denjenigen Theil der Anforderungen auszuson— dern, für den ihrer Ansicht nach ein billiger Anspruch geltend gemacht werden könnte. Der Hr. Abgeordnete Miquel hat gemeint: indem die preußische Regierung den Rechtsanspruch der Provinz Schleswig-Holstein wegen dieser Schulden nicht anerkannt habe, hake sie sich lediglich und allein darauf gestützt, daß die dä— nische Regierung ihrerseits jenen Anspruch vernichtet habe. Das ist ein Irrthum. Die Ansicht der preußischen Regierung beruht auf einem wesentlich anderen Fundamente, sie beruht darauf, daß der Anspruch wege Anerkennung jener Schulden, wenn er überhaupt begründet wäre, gegen das gesaminte Deutschland geltend zu machen wäre. Daß es nicht eine Forderung sei, die ledie lich gegen Preußen zu richten wäre, sondern daß sie zu richten wäre gegen die gesammten deutschen Staaten, die zu jener Zeit den Krieg geführt haben. Solcher Anfor⸗ derungen bestanden in Deutschland außerordentlich viele. Bei dem Bundettage, bei der für die Abwickelung der deutschen Schuldenver⸗ hältnisse eingesetzten Kommission sind, wenn ich mich recht entsinne, lög Millionen Gulden angemeldet worden, und Preußen selbst hätte jener Kommission gegenüber sehr erhebliche Forderungen für die Kriegführung liquidiren können. Es ist dies ja in der Denkschrift, die von dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten von dem Minister des Innern und von mir, widerlegt worden ist, näher dargethan. Ich weise also darauf hin, daß es irrig sein würde, die Nichtanerkennung jener Schulden lediglich und allein aus der Handlung der dänischen Regie—⸗ rung ableiten zu wollen.

Was dann die Frage betrifft, ob es möglich gewesen wäre, diese Verhältnisse beim Abschlusse des Wiener Friedens und bei der spä— teren Regulirung der gesammten Schuldverhältnisse anders zu gestalten so läßt sich ja darüber immerwährend streiten und es wird nicht mit apodiktischer Gewißheit der Satz aufgestellt werden können, man hätte so und nicht anders verfahren sollen. Gerade, weil sich dies nicht mit apodiktischer Gewißheit behaupten läßt, hätte ich auch an den ersten Herren Redner das dringende Gesuch stellen mögen, die felsen⸗ feste Ueberzeugung von der rechtlichen Begründung der schleswig-⸗holstei⸗ nischen Anshrüche doch ein klein wenig erschüttern zu lassen und ein klein wenig der Möglichkeit Raum zu geben, daß man auch dort bei der Beurtheilung dieser Verhältnisse einer etwas einseitigen Auffassung sich möchte hingegeben haben.

Schließlich, meine Herren, kann ich Sie versichern, daß die Staatsregierung in dem Wunsche. dieses Objekt des Streites aus der Welt zu schaffen, mit allen Herren Rednern, die heute gesprochen haben, vollständig übereinstimmt, daß sie ihrerseits glaubt, in dieser Beziehung die angemessenen Vorschläge gemacht zu haben, und das, wenn das Hohe Haus der Meinung sein sollte, daß diese in manchen Punkten einer Modifikation zu unterwerfen wären, wir jedenfalls in dieser Hinsicht wünschen müßten, einen festen, unzweideutigen Anspruch zu bekennen, daß man uns nicht sage: bietet eine billige Ausgleichung an, und uns dann in Ungewißheit darüber

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in dieser Hinsicht fassen wird, ist eine Frage der Zukunft.

läßt, worin denn die Billigkeit bei der Ausgleichung bestehen soll.