1875 / 64 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Mar 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Kabeldepesche aus Washington vom 11. d. M. meldet: Mr. Godlive S. Orth und Mr. Horace Maynard, Beide frühere Mitglieder des Kongresses, sind vom Senat zu Gesandten der Vereinigten Staaten bestätigt worden, Ersterer bei Oesterreich und Letzterer bei der Türkei.

Afrika. Aus Cape Coast Castle wird vom 16. Fe⸗ bruar gemeldet: Die Häuptlinge von Wassau hatten am 12. S8. eine Zusammenkunft mit dem Gouverneur in Elmina. Sie erschienen, um sich wegen einer Anklage, Eigenthum und Sklaven, die ihnen nicht gehörten, geraubt zu haben, zu verantworten. Der Gouverneur instruirte sie, das geraubte Gut wieder heraus⸗ zugeben und sich gegen eine weitere Uebertretung des Gesetzes in Acht zu nehmen. Die Zusammenkunft verlief ruhig. Kapitän Baker ging mit einer Abtheilung Houssas am 9. ds. nach Prahsu ab. Es sind Gerüchte von einem Zwiespalt zwischen den Akrins und Aschantis im Umlauf, aber sie bedürfen der Bestätigung. Der Handel liegt noch immer sehr darnieder.

Nr. 22 des „Amtsblatts der Deutschen Reichs⸗ Postverwaltung“ hat folgenden Inhalt: General ⸗Verfügungen: Vom 12. März 1875: Verhütung von Unfällen der Post auf Eisen⸗ bahnhöfen; vom 11. März 1875: Ausführung der Vorschriften des Regulativs über die zollamtliche Behandlung der mit den Posten eingehenden, ausgehenden oder durchgehenden Gegenstände; vom 12. März 1875: Bedruckung der Postkarten mit dem Aufgabestempel; vom 11. März 1875: Neue Ausgabe des Abschnitts III. der Pofst⸗ dienst⸗Instruktion.

Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. FZuni 1865, nebst den auf Grund desselben erlassenen Anordnungen für die neuen Provinzen vom Jahre 1867 und dem Abänderungsgesetz des §. 235 vom 9. April 1873, 3. Auf: lage, ist im Verlage der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) soeben erschienen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Nach dem Mongtsbericht der Königlich preußischen Akademie der Wissenschaften lasen im November 1874 folgende Herren: Mommsen, Ueber Abfassungszeit der Capitolinischen Magistrats⸗Triumphalfeste. Kuhn, Ueber die Pitaras als Lichtwesen. Frentzel und vom Rath, Ueber merkwürdige Verwachsungen von Quarz. krystallen auf Kalkspath von Schneeberg in Sachsen. Dove. Be— sprechung des Inhalts zweier der Akademie übergebenen Arbeiten. Zeller, Ueber den Zusammenhang der platonischen und aristotelischen Schriften mit der persönlichen Lehrthätigkeit ihrer Verfasser. Peters, Ueber eine neue Gattung und zwei neue Arten von Säugethieren aus Ma⸗ dagascar. Derselbe, Ueber eine neue Art der Säugthiergattung Bassaris aus Central-Amerika und eine neue Eichhornart aus Westafrika. Sell und Zierold, Ueber Isochanphenylchlorid. Kummer, Ueber den Widerstand welchen Rotationskörper bei ihrer Bewegung in der Luft erleiden. Olshausen, Ueber den Ursprung und die verschiedenen Be— deutungen des persischen Wortes ‚Pahlaw“ und über den Sinn des Wortes Mäh in den Benennungen vitler persischer Oertlichkeiten. Hirschfeld, Vorläufiger Bericht über eine Reise im südwestlichen Klein— asien. Wernicke, Ueber die Absorption und Brechung des Lichtes in metallisch undurchsichtigen Körpern. Vom Rath, Ueber eine Fund⸗ stätte von Monticellitkrystallen in Begleitung von Anorthit auf der PVesmeda⸗Alpe am Monzoniberge in Tirol. Bonitz, Zur Erklärung des Platonischen Dialogs Protagoras. Duncker, Zur Apologie des Grafen Haugwitz.

In die für die Fortführung der Monumenta Germaniae historica“ laut §. 2 des von dem Bundesrathe genehmigten Sta⸗

tuts zu bildende Central-Direktion, welche aus wenigstens neun Mit—⸗ gliedern zu bestehen hat, von denen die Akademien der Wissenschaften zu Berlin, zu München und zu Wien je zwei zu ernennen haben, wurden Seitens der Wiener Akademie gewahlt; das wirkliche Mitglied Prof. Dr. Theodor Sicel in Wien und das korrespondirende Mitglied Pref. Dr, Karl Stumpf⸗Brentano in Innsbruck. In der Sitzun der philosephisch - historischen Klasse vom 10. März wurde vorerst das neue Statut der Kommisston zur Herausgabe der Monumenta Ger- maniae historica, welches nunmehr die Genehmigung des Bundesraths erlangt hat, mitgetheilt und die demnächstige Konstituirung dieser Kommission in Aussicht gestellt.

Von Carl Heym ann 's Literaturblatt für Rechts—⸗ und Staatswissenschaft“ liegt uns die Nr. 11 vom Januar 1875 vor. Die Zeitschrist, welche damit in ihren 2. Jahrgang antritt, bat eine Reihe neuer Mitarbeiter gewonnen. Außerdem wird das Blatt eine bedeutsame Vermehrung erfahren durch eine von der nächsten Nummer ab regelmäßig angefügte be sondere Beilage. Diese Bei⸗ lage, unter dem Kuratorium des Redaktione⸗Ausschussetãz der Jahres—= berichte über die historische Literatur des Deutschen Reichs und seiner Fürstenhäuser stehend (Geh. Staats⸗Archivar und Archivrath Dr. Hassel, Prof. Holtze, Geh. Regiernngs-Rath Dr. Metzel, General⸗Lieutenant z. D von Witzleben, Geh. Ober⸗Regierungs⸗ Rath Zitelmann) wird den wejen lichen Inhalt der systematifch geordneten amtlichen periodischen Unternehmungen des Reichs, und der wichtigeren nichtamtlichen Zeitschriften deütch⸗staatsrechtlichen Inhalts bringen und am Schluß ein ausführliches Sachregister sich anschließen.

Das Programm des städtischen Progymnasiums zu Friede—⸗ berg N. /M, durch welches zur öffentlichen Prüfung am 18. d. M. eingeladen wird, enthält einen Aufsatz des Rektor Dr. Brock: „Der Tag von Fehrbellin“.

Aus Trier, 12. März, meldet die ‚Tr. 3.“ Vor einigen Tagen fand man in dem Gerbereiterrain des Hrn. Ehses, als man mit dem Auswerfen neuer Gruben beschäftigt war, einen wohlerhal⸗ tenen römischen Mosaikboden mit figuralen Dar st ellun⸗ gen. Hr. Ehses stellte den Fund zur Verfügung der Königlichen Regierung, welche bereits angeordnet hat, daß der Mosaikboden ge⸗ hoben und in die sogenannten römischen Bäder gebracht werden soll.

Nach dem „Landboten ist in den Schieferkohlen von Wetzi⸗ kon das älteste direkte Zeuaniß von der Existenz des Menschen⸗ geschlechts gefunden worden. Es besteht in einer Art Flechtwerk von zugespitzten 19thtannenen Stäben, welche mit Laubholzrinde um⸗ wickelt sind. Nach dem Urtheil von Professor Rüttimeyer in Basel ist kein Zweifel, daß das Fundstück ächt ist, Die Wetzikoner Schiefer⸗ (oder Blätter) Kohlen gehören der Periode zwischen den beiden Gletscherzeiten an; es ist also durch diesen Fund der Beweis geleistet, daß der Mensch schon existirte, als zum zweiten Mal die Gletscher ihre außerordentliche Ausdehnung genommen haben.

Der ordentliche Professor der Staatswissenschaften, Dr. Karl Victor Fricker in Tübingen, ist zum ordentlichen Professor der Staatswissenschaften in der philosophischen Fakultät der Univer⸗ sität Leipzig ernannt worden.

Wie man aus Wien meldet, hat Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich dem Comits zur Errichtung eines Schiller⸗ Denkmals in Wien die Abhaltung einer Effekten-Lotterie mit lö5, 000 Loosen à 2 Fl. im Laufe des Jahres 1875 gegen vorläufige Entrichtung der halben 10vrozentigen Lottotaxe bewilligt. Gewinne in Gold und Geldeffekten sind bei dieser Lotterie aus geschlossen.

Vom 20. April bis 31. August wird in der Royal Albert⸗ Hall in London eine internationale Kunstausstellung stattfinden. Dieselbe soll Gemälde, Bildwerke, Kupferstiche und Photographien von Künstlern aller Länder umfassen.

Gewerbe und Handel. Dem Bericht des Herrn Emil Meyer über den Getreide, Oel⸗ und Spiritus handel in Berlin und seinen inter

nationalen Beziehungen im Jahre 1874 sind eine Reihe interessanter statistischer Tabellen angehängt, denen wir die nachfol= genden Daten über den Getreideverkehr entnehmen. Es betrug der Bestand an Weizen am 1. Januar 1874 Ctr. 57720 (1873: 45520, an Roggen 134780 (1873: 15,200), an Gerste 8720 4873: 4080), an Hafer 135800 (1873: 28 840), an Eibsen 860 (1873: 1840, an Weizenmehl 1I,170 (1873: 24,860), an Roggenmehl 17, 348 (1873: 22,5509). Zur Versteuerung gelangten von der Gesammt-Einfuhr an Weizenmehl 583480 Cfr. (1873: 635,227 Ctr.); an Roggen⸗ mehl 868,477 Ctr. (1873: 901,847). Der Bestand am 31. Dezem⸗ ber 1874 betrug an Weizen 7,620 Etr.,, an Roggen 60,380, an Gerste 4820, an Hafer 6189, an Erbseu 2360, an Weizenmehl 23,691, an Roggenmehl 28,276 Ctr. Darars erhellt der Versand und Platz⸗ konsum in 1874 mit 669,944 Ctr. Weizen, 2.78235 87 Ctr. Roggen, O8, 626 Ctr. Geiste, 2. 030, 890 Ctr. Hafer, 193,143 Ctr. Erbsen. Die Durchfuhr per Eisenbahn (exkl. Berlin Lehrter Bahn) ergab an Weizen 415,411 Ctr. (1873: 25,537 Ctr), an Roggen 1,118,294 Ctr. (1873: 697.866 Ctr.), an Gerste 277.213 Ctr. (1873: 273,343 Ctr), an Hafer 312, 968 Ctr. (1873: 156,456 Ctr.), an Erbsen 64. 242 (1873: 41,660 Ctr.). Der Eisenbahnverkehr (exkl. Berlin Lehrte), charafterisirt sich außerdem durch Einfuhr von 455,997 Ctr. Oelsaat (1873: 508.315 Ctr.), 55,911 Ctr. Rüböl (1873: 62.927), 1,A,s07, 594 Ctr. Mehl (1873: 1,095,228), 30,329 385 Liter Spiritus (1873: 27,499, 164 Liter), 52, 550 Etr. Petroleum (1873: S9, 246); derselben steht gegen⸗ über eine Ausfuhr von 69, 299 Ctr. Oelsaat (i873: 52,874), 19,576 Ctr. Rüböl (1873: 101,230), 345,283 Ctr. Mehl (1873: 239, 508), 8,126,515 Liter Spiritus (1373: 13,189, 152 Liter), 172926 Ctr. Petroleum (1873: 269,432 Cir); endlich betrug die Durchfuhr: 1733692 CEtr. Oelsaat (1873: 329.575 Ctr), 66,983 Ctr. Rüböl (1873: S9, 520 Ctr., 541, 580 Ctr. Mehl (1873: 31108), 8,444,960 Liter Spiritus (1873: 7,068,417 Liter, 179,252 Gtr. Petroleum (1873: 185,552 Ctr.). .

Den Finow⸗ und Friedrich⸗Wilhelms Kanal passirten mit dem Bestimmungsert Berlin in 1874: 266,795 Ctr. Weizen (1873: 131,183), 1,639,660 Ctr. Roggen (1873: 1,633,763), 41 382 Ctr. Gerste (1873: 16867), 835,700 Ctr. Hafer (1875: 57,286), 9057 Ctr. Erbsen (1873: 17,510), 10,788 Ctr. Oelsaat (1873: 15,422), 296,908 Ctr. Mehl (1873: 283945); im Ganzen betrug die Kanalzufuhr incl. der nach Hamburg, Magdeburg und anderen Orten bestimmten Ladungen) 323,375 Ctr. Weizen (1873. 140,303), l,7I36. 680 Ctr. Roggen (1873: 1,743,393), 73 030 Ctr. Goenste, 1104669 Ctr. Hafer, 9057 Ctr. Erbfen, 15,004 Ctr. Oelsaat, 308,435 Et. Mehl. Der höchste Preis des Weizens wurde in 1874 pro 1000 Kilo loco am Wasser und ab Bahn mit 93 notirt in den Me⸗ naten Januar, Februar und Juni, die niedrigste Notiz mit 56 allt in die Monate Oktober und November. Die Roggenpꝛreise per 1600 Kilo loco am Wasser und ab Bahn standen während des vorigen Jahres am höchsten notirt mit 722 im Juli, am niedrigsten mit 47 in den Mona⸗ ten September und Oktober. Der Ultimo -⸗Durchschnittspreis erreichte seinen höchsten Standpunkt Ultimo Februar mit 624 Thlr., der tiefste Standpunkt 48 Thlr. fällt auf Ultimo September. Hafer hatte seinen höchsten Preis loc am Wasser und ab Bahn per 1090 Kilo mit der Notiz 73 ia den Monaten Juli und August, den nie— drigsten mit der Notiz 49 im Januar. Der Ultimo⸗Durchschnittspreis von Roggenmehl stand am tiefsten mit 7 Thlr. 18 Sgr. per 1090 Kilo hrutto unversteuert incl. Sack Ultimo August, am höchsten mit 9 Thlr. 14 Sgr. Ultimo Juli. Der Preis von Rüböl per 100 Kilo loco mit Faß notirte am höchsten mit 214 Ultimo Juni, am niedrig⸗ sten mit 179 Ultimo August. Spiritus loco ohne Faß frei ins Haus zu liefern per 10000 Liter à 1903 hatte seinen höchsten Preis mit 28 Thlr. 27 Sgr. im August, seinen niedrigsten mit 17 Thlr. 20 Sgr. im Oktober und Dezember. Berlins Zollamt expedirte ins Aus- land 14 886,552 Liter à 100 R Spiritus in 1874 (1873: 14,972,332 Liter, 1572: 9 747,597 Liter und 1871: 15,233,166 Liter.

Wissenschaftlicher Kunstverein. Sitzung am 17. Februg r. Vorsitzender Prof. Lüderitz. Prof. Möl'er macht einige auf die Biographie Rauchs bezüß—

liche Bemerkungen, im Anschluß an Eggers bekanntes Werk und

an die Referate, welche neuerdings über dasselbe im Verein von Hrn. Fendler, sowie von anderer Seite in den öffentlichen Blättern ge⸗ liefert worden sind. Da der Vortragende während 12 Jahre, von 1827 1839, ununterbrochen in Rauchs Atelier gearbeitet hat und mit den Verhältnissen seines Meisters sehr genau bekannt gewesen ist, glaubt er dazu herechtigt zu sein, einem Irrthume entgegenzutreten, zu welchem das Eggersche Buch Veranlassung gegeben hat. Er könne bestimmt behaupten, daß das hochselige Königspaar, König Friedrich Wilhelm III. und die Königin Luise, dem jungen, in ihren persön— lichen Diensten stehenden Rauch, in keiner Weise hinderlich gewesen sind, sich dem Kunstberufe zu widmen. Er weist nach, daß die Kö⸗ nigin Luise den König auf Rauch aufmerksam gemacht und dieser dafür Sorge getcagen habe, daß sein junger Diener unverzüglich zu Schadow in die Schule geschickt wurde. Bei diesem sei Rauch in der ersten Zeit noch in Liprée erschienen. Nachdem er daselbst einige Jahre modellirt, habe er eine Pension zy einer italienischen Reise er— hallen. Der Vortragende betont mit aller Bestimmiheit, daß Rauch dem edlen Königspaare sein ganzes Glück zu danken habe. Betreffs der von Rauch hinterlassenen Arbeiten berichtigt er namentlich die eine Annahme, daß das zweite Monument der Königin Luise hier in Berlin entstanden sei. Es sei vielmehr in Carara angefertigt wor—⸗ den; er entsinne sich dessen genau, da er es selbst an Ort und Stelle gesehen habe. Zum Schluß zählt der Vortragende noch einige mündliche Acußerungen Rauchs auf, aus denen hervorging, wie er die Begebenheiten und Persönlichkeiten seiner Zeit aufzufassen pflegte. Darauf legte der Kunsthändler Eduard Quaas die Originalphotographie einer Leda von Lionardo da Vinei vor. Letztere befand sich auf der vorjährigen Pariser Ausstellung zum Besten der algerischen Elsässer und Lothringer, und befand sich, dem Kataloge zufolge, im Privat ; besitze eines Herrn de 1a Rozi??re. Der Katalog besagt ferner, daß dieses Bild 200 Jahre im Besitz einer Familie gewesen, welche mit einer Familie Galtieri, zur Zeit der Apignoner Päpste in Venaissin ansässig, in enger Verbindung gestanden habe— In⸗ soweit sich aus der Photographie neben der ungetrübten Erkenntniß der Komposition auch auf die Farbengebung ein Rückschluß machen läßt, legitimirt sich gerade dieses Gemälde mehr für den berühmten Namen, als eine ganz ähnliche Darstellung aus der Sammlung des Hrn. Horstmann in Gelle, welche am 12. Februar hier unter den Hammer kam. Wie schön und graziös bei der Rozisre'schen Leda der Aufbau des Körpers, wie tadellos die Durchführung in allen Theilen, um wie viel verhältnißmäßiger, als in der Horstmann— schen, ist der Kopf mit reinem, zwar nicht ideal schönen, aber lionar⸗ desken Antlitz! Auch in der Landschaft finden wir den jener Zeit so eigenen, pgetischen Rahmen wieder. Aus dunkelgrünem, die ganze linke Hälfte des Bildes ausfüllenden Hintergrunde tritt die Frauengestalt plastisch hervor; zur Rechten eröffnet sich unserem Auge die bergige, in geheimniß⸗ vollem Dämmerlicht erglänzende Ferne; im Vordergrunde Blumen zar⸗ tester Durchführung. Was dem gegenüber die Horstmannsche Leda einst war, läßt sich schwer beurtheilen; gegenwärtig ist die Haltung ihres Körpers geziert und unschön, das rechte Bein bis zu den Hüften leidlich vollendet, das linke voll naturwidriger Härten und entstellender Retouchen, eben solche am Leibe und an der Brust. Der Kopf zu groß, die Haare als Protuberanzen behandelt, dag Antlitz in der Imitation Lionardo's nicht gelungen. Die landschaftliche Umgebung kann ihren modernen, etwas handwerksmäßigen Charakter nicht ver— leugnen. Nach allem Angeführten ist kaum anzunehmen, daß auch nur die Hauptgestalt einem Schüler Vinci's angehöre; wohl aber liegt der Gedanke nahe, daß hier wieder die Hand eines Nieder lãnders im Spiele, wie ja auch die Paläste Roms solcher Hand manche ihrer Italie ner verdanken. Zum Schluß brachte Herr Qua as noch die Interieurs und Fresken des Palazzo Farnering in Rom nach Rafagel, Sodoma und Giulio Romano zur Vorlage und knüpfte an dieselben erläuternde Vemerkungen.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 10. März 1876. .

Hr. von Salpiug las einzelne Abschnitte aus einer größeren Arbeit über Paul von Fuchg. Nach einer kurzen Einleitung, in wel cher hervorgehoben wurde, wie wenig wir bis jetzt über die Persön= lichkeit der Staatsmänner des großen Kurfürften und über den Antheil unterrichtet sind, welcher jedem einzelnen derselben an dem Werke Friedrich Wilhelms der Gründung des brandenburgisch⸗preußischen Staates beizumessen ist. gah der Voragende zuerst einen Abriß der außeren Lebens⸗ schicksale des Ministers. Paul Fuchs, als Sohn eiues Superintendenten 1640 zu Stettin geboren, studirte die Rechte auf deutschen und niederländi⸗ schen Universitäten, trat jung als juristischer Schriftsteller, dann, nachdem er die Cavalie tour durch die Niederlande, England und Frankreich gemacht, als Professor zu Duisburg auf, wurde im Jahre 1670 von hier als Geheimer Sekretär des Kurfürsten nach Berlin gezogen und stieg dann allmählich, auch unter Kurfüist Friedrich III. in mannig- fachen, namentlich auch diplomatischen Geschäften thätig, zu den höchsten Staatsämtern, zum Adelstande und zu ansehnlichem Vermögen auf. Er starb auf seinem Gute Malchow bei Berlin im Jahre 1764. Zur Vorlesung gelangten alsdann die Abschnitte: Allgemeine Charakteristik der den großen Kurfürsten umgebenden Staatsmänner. Die Berufung F. 53. nach Berlin und die von ihm im Jahre 1672 verfaßte Flugschrift gegen Frankreich, zugleich als kennzeichnend für seine Sinnesart, sowie als Probe seiner Art zu arbeiten und seiner Darstellungsweise. Fs amtliche Betheiligung an den Erbhul. digungen für Friedrich IL, an dir Stiftung der Universität Halle und der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, an der Leitung des Postwesens und an der Einwirkung des Staats auf die Gestaltung des Johanniter⸗Ordens der Ballei Brandenburg.

Höhen⸗-⸗Angaben für Berlin nach den Nivellements des geodätischen Instituts. . Sämmtliche nachfolgende Angaben beziehen sich auf das Mittel wasser der Ostsee bei Swinemünde und sind die Ergebnisse geome⸗

trischer Nivellements. Die ganze Länge der einzelnen Strecken be⸗ trägt 390.3 Meilen und der wahrscheinliche Fehler O on“ M. Im Vergleich mit den früheren Angaben sind die vorliegenden 4 Meter größer. Wegen des kleinen wahrscheinlichen Fehlers verdienen sie den Vorzug vor den alten, sowie auch deswegen, weil die geometrischen k zuverlässiger sind, als die nach anderen Methoden aus⸗ geführten. - Anhaltischer Bahnhof, Höhenmarke an der südwestlichen M. Giebelwand des Stationsgebäudes J Das Pflaster unter derselben d / Potsdamer Bahnhof, Höhenmarke am Maschinengebäude . . 35

in der Nähe des Kanals.. J

Schienen⸗Oberkante am Südende der Drehbrücke 34,434 Stettiner Bahnhof, Höhenmarke an der Ost⸗Front des

Stat nn, Neue Sternwarte, Scheitelfläche des nordwestlichen Beob⸗

achtungspfeilers auf der Plateform. Alte Sternwarte, Pflaster unter dem Thorwege 34,122 Fischerbrücke, Nullpunkt des Pegelss . 30 03 Brandenburger Thor, Pflafter daselbst, rund... 343 onen,, Kreuzberg, Gipfel des Monumentes d

Oberste Stufe des gemauerten Unterbauees .. 68059

Scheitelfläche des Beobachtungspfeilers der Landes⸗

wennn, 66a

Bei dem im August d. J. in Stuttgart abzuhaltenden J. Deutschen Bundesschießen wird beabsichtigt, den Festzug, der Sonntag, den 1. August, Mittags 11 —1 Uhr, statifinden soll, u. a. mit einer kostumirten Gruppe zu schmücken, welche die Hauptcharaktere des im Jahre 1569 von Herzog Christoph in Stuttgart veran⸗ stalteten Armbrustschießens darstellen soll.

Für die Einweihung des Hermanns-⸗Denkm als ist nach der „Köln. Ztg.“ vorläufig der 16. August in Aussicht genommen worden.

Teal.

Die jetzige Primadonna des Stadttheaters in Frankfurt a / M. Frl. Anna Hofmeister, wird im April an der Königlichen Bühne auf Engagement Gastspiele geben. Frl. Adele Grantzow ist bereits eingetroffen und studirt mit an dem neuen Tagligni'schen Ballet, das im Herbst auf der Königlichen Bühne zur Aufführung gelangen soll. Am 1. April tritt die Künstlerin ihr Engagement hier an.

In auße gewöhnlicher Weise feiert das Breslauer Publikum Fr. Lui se Erhartt. In 15 Tagen ist die Künstlerin 15 mal bei stets gefüllten Häusern aufgetreten. Die Rollen der „Valentine“ und Maria Verrina“ mußte sie dreimal wiederholen.

Eine seltene Ausdauer hat Hr. Brinkmann, Mitglied des Viktoriatheatens, durch seine ununterbrochene Mitwirkung in 162 Vorstellungen der Sieben Raben“ an den Tag gelegt. Als An⸗ erkennung für diesen Fleiß ist der Künstler von der Direktion mit einem werthvollen Geschenk in Begleitung eines Gedenkblattes jener Aufführungen bedacht worden. Auch Frl. v. Ernest ist in ähnlicher Weise ausgezeichnet worden. Die zu den Vorstellungen von ‚Die Reise um die Welt“ gehörigen Ballets werden von dem Ballet⸗ meister des Pariser Theaters, Hrn. Gredelue, einstudirt, und wird auch die Primg Ballering von dort, Frl. Rose Dennerie, hier mit— wirken. Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl besuchte am Sonn⸗ tag die letzte Vorstellung von „Die sieben Raben“ Theater und verweilte bis zum Schluß.

Nächsten Donnerstag soll mit Antonie Janisch in der Titelrolle Kleists „Käthchen von Heilbronn“ im Residenz— theater in Scene gehen. Es soll diese Rolle zu den besten Lei⸗ stungen der Künstlerin zählen, und hat zur Zeit in Wien das erste Debut als Käthchen sofort nach Beendigung des Stückes den defini⸗ tiven Engagementsabschluß der Künstlerin herbeigeführt. „Der Kurprinz von Brandenburg“, Drama von Hans Herrig, soll demnächst zur Feier des Geburtstages Sr. Majestaͤt des Kaifers an dieser Bühne zur Aufführung gelangen.

Seitdem Frl. Sophie König am Woltersdorff-Theater gastirt, steigert sich täglich mehr der Besuch und Beifall. Heute folgt noch als Beigabe zu der Posse ‚Durchgegangene Weiber“: „Das Ver⸗ sprechen hinterm Heerd“, worin Frl. König das ‚Nandl“ spielt.

Da es Hrn. Friedmann gelungen ist, von der Direktion des Wiener Stadttheaters noch einige Tage Nachurlaub zu erhalten, so wird das Gastspiel dieses Künstlers am hiesigen Stadttheater noch bis Mittwoch dauern.

Heute findet im National-Theater zum Benefiz der Fr. , die Aufführung der ‚„Christine“ von G. Con⸗ rad statt. t

Ein Konzert von den Quintanern der Louisen städtischen Realschule in der Sebastianstraße findet in der Aula derselben am 2. Osterfeiertage in der Mittags stunde zum Besten noth⸗ leidender Schüler statt. Das Verdienst der Veranstaltung desselben fällt wohl zunächst auf den Domsänger und Gesanglehrer Julius Urban, der in der , , Klasse Gesangunterricht ertheilt. Auch haben Kräfte der Königlichen Oper, wie Fr. v. Voggenhuber, Frl. Grossi, Hr. Krolop u. A. ihre Mitwirknng freundlichst zugesagt. Die Leiftungen dieser Quintaner im Chorgesang sollen nennenswerih sein.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kesseh. Vier Beilagen

Berlin: Diuck W. Elsner.

(einschließlich Börsen⸗Beilage).

im Victoria

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Köni

M GM.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 16. März. In der gestrigen Sitzung des Herren⸗ hauses . der Justiz⸗Minister Hr. Leonhard? in der Generaldis kussion über das Vormundschaftsgesetz nach dem Grafen Brühl noch einmal das Wort:

Die Generaldebatte hat manche Seiten dargeboten, welche das Interesse in Anspruch nehmen. Ich erlaube mir Einzelnes zu berüh⸗ ren. Dieser Gesetzentwurf hat in wesentlich gleicher Gestalt in der verletzten Diät dem Abgeordnetenhause vorgelegen. Ec hat dort die erfte Lesung passirt; er fand vollen ungetheillen Beifall. Rur ein angesehener rheinischer Ju ist, der Präsident des Landesgerichts zu Elberfeld, machte gegen den Entwurf als Ganzes Opposition. In diesem Hause liegt die Sacke ganz anders. Die Opposition geht nicht von theinischen, auch nicht von gemeinrechtlichen Juriften aus, viel-= mehr haben zwei rheinische Juriften die Vertheidigung des Entwurfs übernommen. Der Ober ⸗Buͤrgermeister der Schwesterstadt Elberfelds hat, wie ich meine, meisterhaft die Angriffe zurückgewiesen, die ge⸗ gen den Entwurf Lerichtet worden sind? Er hat sie 3 von höheren Gesichtspunkten aus, er hegt Wünsche für das rhei nische Recht, für die rheinischen Abweichungen, er oꝛdnet sie aber unter den allgemeinen Interessen des Landes. Auf wesentlich gleichem Standpunkt stebt ein anderer Jurist des Hauses, der mir seit langer Zeit als ein eifriger Kämpfer für rheinische Rechtsinstitutionen bekannt ist, nämlich der General Staatsanwalt Wever. Die Opposition wird in diesem Hause geführt von Seiten des Landrechts, während doch

ich wiederhole das vielleicht zum Ueberdrusse seit Jahrzehnten die Gerichte des Landes immer von Neuem erklärt haben, daß das landrechtliche Vormundschaftswesen nicht erträglich sei, die größten Uebelstände mit sich führe und also für reftrmbedürftig zu erachten sei, während ferner die Reformbeduürftigkeit des landrechtlichen Vor- mundschafts wesens auch anerkannt wird von zwei sehr angesehenen Mitgliedern dieses Hauses, welche als Chef⸗Präsidenten des Appella⸗ tionsgerichts zu Glogau und des ostpreußischen Tribunals in Königs⸗ berg vollkommen berufen sind, ein Urtheil abzugeben.

eine Herren! Wie erklärt es sich denn, daß im anderen Hause ein n heinischer Jurist sehr lebhaft gegen den Entwurf vom rheinischen Standpunkte aus eingetreten ist und in diesem Hause zwei andere rheinische Juristen (einen andern Standpunkt einnehmen, sich nicht gegen das Ganze richten. Das, meine Herren, ist für mich gerade das Bedenkliche, daß man wegen Bedenken gegen Einzelheiten sich gegen das Ganze richtet. Und ferner, der Herr Berichterstatter hat uns mitgetheilt, daß bei dem Beginn der Arbeiten der Kommission die Mitglieder derselben dem Entwurf sehr abgeneigt gewesen wären, daß aber im Laufe der Zeit, wie der Bericht dies auch ergiebt, die Stimmung sich geändert habe, die Mitglieder dem Entwurf geneigt gewor⸗ den wären. Wie erklärt sich das? Alles erklärt sich einfach, wenn man Fol- gendes erwägt. Der Ihnen zur Berathung vorliegende Entwurf hat den Zweck, an die Stelle dreier ganz verschiedener Rechte bildungen in ganz verschiedenen Rechtssystemen eine neue Rechtsbildung zu setzen, die Gegensätze zu vermitteln und zu versöhnen. Wenn nun Jemand, der in den Anschguungen der Rechtsübung eines gewissen Rechtssystems groß geworden ist, sich durch diese bewußt oder unbewußt leiten läßt, O wird er natürlich zu dein Gesetzentwurfe eine nicht freundliche Stellung einnshmen, denn er fühlt sich durch Manches abgestoßen. Dies ändert sich, wenn man den Gesetzentwurf durchdringt, zu feinem vollen Verständniß gelangt; dieses wird geftrdert durch die gemein same Berathung. Aus diesem Grunde ist es sehr erklärlich, daß die Mitglieder der Kommisston am Ende ihrer Berathung auf einem 9 anderen Standpunkt gestanden haben, als den sie anfänglich ein⸗ nahmen.

Herr v. Wedell hat gegen den Entwurf als Ganzes, gegen seine Güte argumentirt, indem er sagte; jedes einzelne Mitglied der Kom— mission habe der Eine gegen die einen, der Andere gegen die anderen Bestimmungen Bedenken gehabt. Meine Herren J Es follte mich sehr Wunder nehmen, wenn in diesem Hohen Hause und im Abgeordneten hause nur ein einziges Mitglied wäre, welcheg mit allen Einzelheiten des Entwurfs einverstanden wäre. Zu diesen Mitgliedern gehöre ich auch nicht; ich ordne aber selbst als Minister mein persönliches Ur⸗ theil anderen Urtheilen unter, wenn mein perföͤnliches Urtheil in Widerstreit steht mit Urtheilen, auf die ich großes Gewicht mit Recht zu legen habe, mit den Urtheilen der Gerichte, mit den Ur—⸗ theilen meiner vortragenden Räthe. Aber, meine Herren, waz folgt denn aus einem solchen Vordersatze? Gegen den Entwurf im Ganzen gar nichts, gegen die Güte gar nichts. Was der Vormundschaft gegenüber anzunehmen ist, . gegenüber jedem großen schwierigen Gesetze. Wenn also der Vorderfatz zu jenem Schluß führte, so würde man dahin gelangen, entweder auf jede Gesetzgebung zu verzichten, oder von vornherein anzunehmen, daß jede Gesetzgeh ung, die man vornimmt, eine schlechte sei. Meine erren, der Entwurf hat seine Probe bestanden, eine wahre Feuerprobe, in Ihrer Kom mission. Es spricht sehr für den Entwurf, daß er aug dieser Feuerprobe so gut wie unversehrt herausgekemmen ist. An kritischem Willen und kritischem Eifer hat es den Kommissions mitgliedern nicht gefehlt. Das geht schon aus dem rein änßeren Umstand hervor, daß auf jeden einzelnen der Einhundert Paragraphen durchschnittlich mehr als dreiundeinhalb Amendements gekommen ist. Auch muß man doch anerkennen, daß die Kommisston ihre Arbeit nicht übereilt hat, sondern daß sie sehr gründlich und eingehend gearbeitet hat. Welches Resultat ist denn nun aus den Berathungen hervorgegangen? Ich abe mich darüber schon geäußert, aber die Zahl der wirklich erheb⸗ ichen Abänderungsanträge ist doch nicht groß. Darauf möchte ich aber aufmerksam machen, es ist kein Amendement vorhanden, welches gegenübergestellt wäre einem Vorschlage der Regierung, welcher als fehlerhaft bezeichnet werden könnte, sei es in der Fassung, sei es in der Sache selbst.

. Meine Herren! Meiner Meinung nach ist selten in Deutschland ein so vollendeter Gesetzentwurf, wie der vorliegende, einer Landes- vertretung vorgelegt worden. Ich scheue mich durchaus nicht, dieses uU erklären, und würde es für eine übelangebrachte Bescheiden⸗ eit erachten, wenn ich das nicht ausspräche. Ich für mein Theil nehme an dem Ruhm, wenn hiervon überhaupt die Rede sein kann, nur einen kleinen Theil in Anspruch; ich vindizire diefen zum größten Theil Denjenigen, die mir berathend zur Seite gestanden haben, den Gerichten und meinen vortragenden ger her

Meine Herren! Der vorliegende Entwurf ist mit einer ganz außerordentlichen Sorgfalt bearbeitet; es ist nichts darin üÜbereil worden. Der Entwurf ist bearbeitet in den Jahren 18658 und 1869, ist darauf publizirt worden, um der Wissenschaft Gelegenheit zu geben, sich hören zu lassen; er ist den Gerichten mitgetheilt und die Gerichte haben ihn begutachtet. Alles ist berücksichtigt. Im Jahre 1873 haben in Plengrversammlungen dez Justiz Ministeriums zwei Lesungen des Entwurfs stattgefunden; dirse Lesungen haben eine ge⸗ raume Zeit in Anjspruch genommen. Es ist aber die Intelligenz im Justiz⸗ Ministerium und insonderheit die kritische Jatell igen; einzelner Mitglieder eine so große, daß ich von vornherein angenommen habe, daß ein eigentlicher Fehler in dem Entwurfe nicht zu finden sein werde, wie er denn auch bislang noch nicht gefunden worden ist. Sie werden in der Kommisston gefunden haben, daß die Regierung kommissare immer auf der Höhe der Situation gewesen, daß dieselben durch irgend welche Amendements nie in Verlegenheit gefetzt worden sind. Es wird ihnen kein erheblicher Antrag unerwartet gekommen sein. Das liegt eben darin, daß Allez erwogen worden ist. Meinem Urtheil widerstreitet es nicht, wenn der Entwurf abfällige Kritiken erlitten hat; denn unter Umständen hebt die Kritik

Erste Beilage

Berlin, Dienstag den 16. Maͤrz

eines Werkes den Werth und die Bedeutung desselben in demselben Maße, als sie ungünstig ist. Es widerstreitet auch meinem Urtheil nicht, wenn ich sehr gern und mit Freuden anerkannt habe die eingehende und tüchtige Prüfung des Entwurfes, und daß Ver⸗ besserungen in der Fassung und in der Sache eingetreten sind. Nber indem ich anerkenne, daß Verbesserungen eingetreten sind, nehme ich durchaus nicht an, daß die Vorschrift, gegen welches sich die Ver—⸗ besserungen richten, eine fehlerhafte ist. Ich erblicke 3 B. eine Ver—⸗ besserung darin, wenn die Kemmission das Wort Pflegebefohlene“ vertauscht hat mit Mündel“, aber es kommt mir nicht in den Sinn, daß es fehlerhaft gewesen sei, wenn man den Ausdruck Pflege⸗ in. gebrauchte. Ich will die Sache übrigens nicht westitr ver olgen.

Dann, meine Herren, ist dem Entwurf der Vorwurf gemacht worden, daß er nicht verständlich sei. Der Vorwurf scheint entnommen zu sein aus der kurzen und präzisen Fassung. Eine kurze und prãzise Fassung dient aber nur dem Entwurfe zur Zierde. Für die Frage, ob der Entwurf verständlich ist, kommt es darauf an, ob die Ge danken klar zum Ausdruck gekommen sind. Dieses nehme ich aller dings an, wie ferner, daß jedes überflüssige Wort im Gesetz vom Uebel ist; denn es ist immer zu fürchten, daß einzelne Juristen, wie sie nun einmal sind, jedes Wort pressen, zuweilen nicht ohne den Geist des Gesetzes zu verletzen. Es kommt vor, daß Gesetze bestimmter Art von den Einfältigen besser verstanden werden, wie von den Klugen. Das klingt paradox, ist dieses aber nicht für Jeden, der in der Gesetzgebung sich länger umgesehen hat. Unter den Einfältigen verstehe ich Personen, die juristisch einfältig, sonst aber verständig sind, und unter den Klugen kluge und gelehrte Juristen. Das tritt bei Gesetzen ein, deren wahres Verständniß erst gewonnen wird, wenn man eines bestimmten positiven Wissens sich entäußert hat, sei es dadurch, daß man es ganz vergißt, oder, daß man es ganz abstrahirt. Das tritt besonders hervor, wenn es sich um eine Prozeßordnung handelt, die auf dem durchgeführten Prinzip der Mündlichkeit beruht, gegenüber einer Prozeßordnung, der ein schriftliches Verfahren zu Grunde liegt. Ein wahre Ver— ständniß der ersteren kann nur erworben werden, wenn Der— jenige, welcher sie studirt und verwendet, sich losmacht von seinen früheren Anschauungen. In ähnlicher, wenn auch nicht in so starker Weise, tritt das auch hervor diesem Gesetzentwurf gegenüber. Bis— lang galt für die landrechtlichen Provinzen der Satz:; der Richter ver— waltet, jetzt soll der Vormund verwalten und der Richter die Aufsicht führen. Ich glaube, daß die Vormünder in diesem Gesetzentwurf, wenn er Gesetz wird, viel mehr haben werden, als was ihnen bis— lang geboten worden ist. In den gemeinen Rechtsgebieten findet sich kein kodifizirtes Vormundschaftsrecht; man wird nicht annehmen, daß die Vormünder sich in dem corpus juris oder in Pandekten Kompen⸗ dien Auskunft suchen. So eit die Vormunder intereffirt sind, das Gesetz zu verstehen, werden sie keine Schwierigkeiten finden und in⸗ soweit der Richter das Gesetz anzuwenden hat, gilt ein Gleiches.

Ich traue insonderheit den Richtern in den Provinzen des Land⸗ rechts ohne Bedenken eine juristische Durchbildung zu, welche sie be⸗ fähigt, dieses Gesetz zu verstchen. Mesne Herren, lassen Sie uns noch einen Blick werfen auf Zeiten, die etwa drei Jahre hinter uns liegen. Damals handelte es sich um die Regelung des Grund buch⸗ wesens, wenn ich mich so allgemein ausdrücken soll. Welche Schwierig keiten wurden da nicht vorhergesagkt in formeller wie sachlicher Beziehung nicht allein in diesem, sondern auch im Abgeordnetenhaufe. Man sagte, es werde durch das Gesetz dem Betrug Thor und Thür geöffnet, und ferner, es wären die Vorschriften so schwer verständlich, daß sie gar nicht von dem gewöhnlichen Richter zur Anwendung gebracht werden können. Das war eine Thorheit, reine Theorie, wobei die realen Verhältniffe des Lebens nicht berücksichtigt worden sind. Was sagt denn die Erfahrung? Es sind drei Jahre hingegangen und die Präsidenten der Appellationsgerichte haben Berichte erstattet und in diesen erklärt, Bedenken, die eintreten sollten, sind nicht eingetreten, von Betrug, welcher in hervorragender Weise vorkommen sollte, ist uns nichts zur Kunde gekommen. Ganz insbesondere wurden diese Be⸗ denken hervorgehoben gegenüber der Previnz Preußen; ich habe in diesen Tagen den Bericht des Präsidenten des Ostpreußischen Tribu— nals gelesen, in welchem derselbe im Rückblick auf jene früheren Be— hauptungen erklärt, daß von alledem gar nichts hervorgetreten sei. Und dann die Anwendung des Gesetzes selbst. Natuͤrlich wie jedes neue Gesetz, so haben auch die Gefetze uber das Grundbuchwesen Schwierigkeiten hervorgerufen; aber unsere Richter haben so viel juristische Bildung gehabt, daß sie darüber hinweggekommen sind. Diese erwähnten Gesetze würden in ihrer ganzen Kraft und Bedeutung bereits wirksam geworden sein, wenn die Gerichte nicht zu kämpfen hätten mit dem Uebergangsstadium, in welchem Grundbücher mit den Steuerbüchern in Einklang gebracht werden sollen.

Meine Herren! Ich habe zur Generaldebatte von Neuem das Wort genommen und länger geredet, als es sonst meine Gewohnheit ist, einzig aus dem Grunde, weil ich nicht allein nach dem Kom misstonsberichte, sondern auch nach den hier gefallenen Aeußerungen anzunehmen habe, daß wegen Mängel in den Einzelheiten der ganze , in Frage geftellt werden soll. Einem solchen ablehnen—⸗ den Votum kann die Königliche Staatsregierung erst dann mit Ruhe entgegensehen, wenn ste hier klar und bestimmt dem Lande gegenüber ausgesprochen hat, daß dieses Votum nicht im Einklang stehen würde mit dem Urtheil der berufenften Organe des Landes, nämlich den Landesgerichten.

Auf die Bemerkung des Grafen zur Lippe, daß das Institut der Familienräthe in der Kommission eine vollständige Umarbei⸗ tung erfahren habe, entgegnete der Just iz⸗Minister:

Ich bleibe bei meiner Behauptung, y. die Kommission keine fehlerhaften Bestimmungen in dem Entwurf gefunden hat, obwohl mir gesagt ist, a die Bestimmungen über den Familienrath ge⸗ ändert worden. Das sind verschiedene Auffassungen. Behaupten denn die Kommisstonsmitglieder, daß dasjenige, was die Regierung wollte, fehlerhaft gewesen sei? Das mag vielleicht Einer oder der Andere thun, aber die Kommission in ihrer Mehrheit gewiß nicht. Sie wird sagen, unserer Anschauung entspricht eine andere Konstruk⸗ tion besser, und deshalb schlagen wir sie vor. Daraus folgt aber noch nicht, daß das Andere fehlerhaft sei. Ich habe vielleicht später Gelegenheit, zu zeigen, was man unter fehlerhaften Vorschlägen zu verstehen hat.

In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeord⸗ neten erklärte der Handels-Minister Br. Achenbach über den Antrag der Budgeikommission in Betreff der Gewerbe⸗ Akademie:

Ich vermag mich meinestheils mit dem Antrage der Budget- kommisston, wie er heute gestellt ist, nur einverstanden zu erklaren. Es kommt dabei allerdings in Betracht, daß es sich nach den Erklärungen des Herrn Referenten um ein vorläufiges Projekt handelt und es noch nicht als vollständig gesichert angesehen werden kann, ob dasselbe zur Aug⸗ führung geeignet ist. Das steht aber jedenfalls fest, daß, wie die Resolution . gefaßt ist, ein Weg angedeutet erscheint, ber ebenfo⸗ wohl den Wünschen des Hohen Hauses wie der Königlichen Staats. regierung entspricht. Ich werde also auf der Grundlage dieser Re= solution meinerseitz eifrig bemüht sein, dasjenige zur Ausführung zu bringen, was das Hohe Haus in pieser Resolution niedergelegt hat.

b dies überall gelingt, das muß allerdings nun noch die nähere Prüfung ergeben. Andererseits liegt die Sa aber so, daß auch ich die Annahme dieser Resolution dem Hohen Hause enipfehlen kann.

glich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1875.

Was die Benachrichtigung des Präfidiums des Herrenhauses betriff

so habe ich bereits in der Zwischenzeit . n, an i. selbe gelangen lassen, worin näher dargethan ist, daß die— jenigen Bedenken, welche dort noch gehegt werden, thatsächlich nicht kegründet erscheinen. Auch ich, meine Herren, kann schließlich nur empfehlen, den Antrag, welcher vom Abg. von Diederichs ein« gebracht ist, nicht anzunehmen. Die Unter suchungen, welche die Reiche= kommission angestellt hat, haben bis zur Evidenz ergeben, daß es nicht thunlich ist, auf diesem Grundstücke ein Reichstagesgebäude zu errichten, und wenn es nun auch richtig sein mag, daß formell jener frühere Beschluß nicht aufgehoben worden ist, so ist doch thatjächlich hinreichend dargethan, daß dieser Beschluß überhaupt nicht zur Aus— führung gelangen kann. .

Dem Abg. v. Diederichs, welcher darauf hinwies, daß ein Reichstagsbeschluß über den qu. Platz disponirt habe, entgegnete der Handels⸗Minister:

Meine Herren! Gestatten Si- mir nur wenige Worte.

Der Herr Vorredner scheint in seinem ganzen Vortrage über⸗

sehen zu haben, daß es sich um Grundstücke handelt, die sich im Eigenthum des preußischen Staats befinden, über die' also zunãchst dieser zu verfügen hat. Der Resolution, welche der Herr Vorredner selbst dahin mittheilte; Daß nämlich ker Herr Reichs kanzler ersucht werde, mit der Preußischen Regierung in Verbindung zu treten, um die fraglichen Grundstücke behufs Errichtung eines Reichstags⸗ gebäudes verfügbar zu machen, ist Seitens des Herrn Reichskanzlers inloweit Folge gegeben worden, als er den Beschluß des Reichstags der preußischen Regierung mittheilte. Gleichzeitig wurde jene vielgenannte Kom mission niedergesetzt, um die Sachlage zu unter⸗ suchen. Die Kommission ist nun, wie ich wiederhole, zu dem Refultat gekommen und zwar nach jehr, sorgfältigen und eingehenden Erwaä— gungen, daß dieser Platz für ein Reichstagsgebäude unbrauchbar wäre. Der Herr Reichskanzler hat darauf keine weiteren Schritte bei der preußischen Regierung gethan, die fraglichen Grundstäcke disponibel zu halten, im Gegentheil, es sind die Ver handlungen der Kommission der preußischen Regierung une zwar in der Weise mitgetheilt worden, daß nunmehr reichsseitig ein Einspruch gegen die etwaige Benutzung der Grundstücke zu preußischen Zwecken nscht ferner erhoben werde. In Folge dessen sind die Verhandlungen der preußischen Regierung wieder aufgenommen worden. . Nun fragt der Herr Vorredner, was der Handels Minister etwa einer Kommission gegenüber thun würde, die seine Befehte nicht aus- führe, die im Gegentheile, statt ihr Mandat zu erfüllen, gegen das⸗ senige, was ihr aufgetragen sei, remonstrire. Meine Herren! Wenn eine derartige Kommission unbedingt unter meiner Verfügung stände und sie würde angewiesen, einen Auftrag auszuführen, und sie thäte das Gegentheil von demselben davon, so würde ich selbstverständlich diese Kommission sofort rektifiziren; das wäre gewiß die richtige Ant⸗ wort auf ein derartiges Verfahren.

Wie ist nun die Prozedur des Reichstages gewesen? Der Reichs⸗ tag hat Kenntniß genommen von den Beschlüssen seiner Kommission, die aus Mitgliedern des Bundesraths und des Reichstags zu⸗ sammengesetzt war, er hat es aber nicht der Mühe werth gehalten, irgend ein Wort in dieser Angelegenheit weiter zu reden, er ist über die Sache als über eine abgethane hinweg⸗ gegangen. Das ist das Bild der Auffassung, welche der Reichstag über die Sachlage gehabt hat. Hätte er einen Widerspruch mit seinen Beschlüssen anerkannt, hätte er angenommen, daß fortgesetzt auf das alte Projekt zu rekurriren sei, so würde er wohl diejenigen Maßnahmen getroffen haben, welche der Sachlage gegenüber an—Q gemessen waren. Das ist nicht geschehen und das Stillschweigen harakterisirt die Stimmung, welche im Reichstage geherrscht hat. Ich kann Sie also nur bitten, den Antrag abzulehnen.

Thatsächlich liegt die Sache so, wie ich sie geschildert habe Wird der Antrag angenommen, so ist der Erfolg allein der, daß wiederum ein Jahr nutzlos verstreicht, ohne daß irgend etwas in dieser wichtigen Angelegenheit geschehen kann. = Bei Kap. 66, Tit. 15 des Ordinariums: Stromregu—⸗ lirung und Hafenbauten u. s. w. wünschte der Abg. Wisselinck eine schnellere Förderung der Regulirung des Weichselstromes im Interesse der Deichverbände der Weichselniederung. Der Handels⸗Minist er erwiderte:

Ich will dem Herrn Vorredner nur versichern, daß diese Ange⸗ legenheit der Königlichen Staatsregierung und speziell den beiden ge— nannten Ministern ebensosehr am Herzen liegt, wie ihm selbst. Wir haben namentlich in der letzten Zeit darauf Bedacht genommen, daß die Aufsteh ung der Projekte nach Möglichkeit beschleunigt werde. Was an mir liegt, soll nach jeder Richtung hin geschehen.

Der Abg. Berger beschwerte sich über die Behinderung der Schiffahrt auf der Weser durch ungenügende Regulirung des Fahrwassers, Verschlammung der Schleusen und zu geringe Anwendung der Baggermaschinen. Der Handels⸗-Minister antwortete:

Sie gestatten mir nur, den Herrn Vorredner darauf aufmerksam zu machen, daß der diesjährige Etat sehr ausgiebige Mittel auswirft, um den Uebelständen, welche auf der Weser bestehen, Abhülfe zu ver⸗ schaffen. Es sind diesmal so beträchtliche Mittel vorgefehen, als kaum je vorher. .

Auch finden von Zeit zu Zeit Strombefahrungen Seitens sach— verständiger Personen statt, um vorhandene Mängel zu fonstatiren.

Der Abg. Duncker wünschte, daß zwischen dem Finanz⸗ Minister und Handels⸗-Minister, bevor ein fiskalisches Grundstück verkauft wird, ein Einverständniß darüber erzielt wird, ob das Grundstück nicht für Staatszwecke zu benutzen ist. Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camphausen erwiderte:

Meine Herren! Die bestehende Einrichtung geht schon sehr viel weiter als diejenige, die der geehrte Herr Vorredner glaubt anem⸗ pfehlen zu müssen. Es gelangt in Berlin nicht ein einziges fiskali⸗ sches Grundstück zum Verkauf, wenn nicht vorher nicht allein der Herr Handels ⸗Minister, sondern die Chefs sämmtlicher Ressorts gefragt worden sind, ob ste von diesem Grundstück für öffentliche Zwecke glau— ben Gebrauch machen zu können. Diese Praxis, die schon seit Fah⸗ ren befolgt wird, an der auch festgehalten wird, die gerade den Zweck hat, zu verhindern, daß Grundstücke, von denen der Staat Gebrauch machen kann, zur Veräußerung gelangen, wird auch in Zukunft streng befolgt werden.

Auf eine Replik entgegnete der Finanz⸗Minister:

Ich wollte mich nur dagegen verwahren, 4. der geehrte Hr. Vorredner annehmen möchte, als wenn ich seinen Intentionen irgend⸗ wie entgegentreten wollte. Ich möchte aber andererseits die Staatg—⸗ regierung dagegen verwahren, als wenn sie diese Intentionen nicht auch schon bisher bei ihren Beschlüssen ins Auge gefaßt hätte. Man kann ja über eine einzelne Entscheidung möglicherweise anderer Meinung sein, und ich höre ja von dem Hrn. Vorredner, daß er an= derer Meinung ist über diejenige Entscheldung, die wegen der Ver⸗ äußerung der Mihn eam! ebäude getroffen worden ist, die damals, weit entfernt vom ng, inister getroffen worden zu sein, vielmehr auf einem förmlichen Beschlusse des Staats-⸗Ministeriums beruht hat, bei dem alle Ressorts zugezogen waren. Auch irrt der geehrte Hr. Vorredner darin, wenn er gleichfalls unterstellt, 2 Hr. Handels · Minister die Aufgabe habe, für alle Bauten in Berlin zu sorgen