des rechlmäßigen Landesherrn kam. Die Stadt hatte festlich ge⸗ flaggt; von allen Häusern, deren Fronten allenthalben mit Guir⸗ landen und Eichenkränzen geschmückt waren, wehten deutsche und reußische Fahnen; die Schulen waren geschlossen, auf den ö wogte festlich frohes Gedränge, da sowohl aus Berlin, als aus den umliegenden Ortschaften zahlreiche Gäste ekommen waren. ö Die Feier wurde früh um 6 Uhr durch Abblasen eines Chorals vom Kirchthurm eingeleitet Um 10 Uhr fand auf dem Parade⸗ platz eine öffentliche Feier statt, an der sich die Kaiserlichen, König⸗ lichen und städtischen Beamten, das Offizier Corps, der Krieger⸗ verein, der Kombattantenverein, der Turnverein, die Schützengilde, die Gesangvereine, der historische Verein der Mark Brandenburg, der Verein für Geschichte Berlins, die Mannschaften des Zieten⸗ . die Fortbildungsschule, die 4 oberen Klassen er höheren Bürgerschule und die beiden oberen Klassen der Knaben⸗ und Mädchenschule betheiligten. Das Denkmal des Großen Kurfürsten auf dem Platze war reich geschmückt und von Jubelbäumen umgeben, die reich mit Kränzen, Laub⸗ gewinden und Fahnen geziert waren. Nach dem Gesange des Chorals „Nun danket Alle Gott“ bestieg der Bürger— meister Große die Rednertribüne und gab eine ausführliche Schilderung des Ueberfalls und seiner Folgen. Das dreifache Hoch, das der Redner zum Schlusse auf Se. Majestät den Kaiser und König und das Hohenzollernsche Königs⸗ haus ausbrachte, fand eine begeisterte Aufnahme in der zahlreichen Versammlung, welche nach demselben die Volkshymne anstimmte. Hieran schloß sich die Uebergabe zweier alter Fahnen der Schützengilde an den Magistrat und die Weihe einer neuen Fahne. Der Schützen⸗ Direktor Hobrecht übergab in kurzer Anrede die zwei alten Fah⸗ nen, deren eine, als von den Schweden erobert, der Kurfürst Friedrich Wilhelm der Stadt für ihre patriotische Gesinnung geschenkt hat, während die andere eine alte städtische ist. Dem⸗ nächst folgte Seitens der Spitzen der Militär⸗ und Civilbe⸗ hörden die Nagelung der neuen Fahne, welche aus weißseide⸗ nem Stoff besteht und das von einer Jungfrau getragene, von Reben⸗ und Eichenlaub umschlungene Wappen der Stadt zeigt. Mit präsentirtem Gewehr und rauschender Musik nahm die Schützengilde ihr neues Sammelzeichen entgegen, das alsdann die übliche Weihe empfing. Der Gesang „Die Wacht am Rhein“ schloß diesen Theil der erhebenden Feier.
Unter Vorantritt eines Musik⸗Corps bewegte sich die Ver⸗ sammlung sodann in langem Zuge nach der Kirche, woselbst der Superintendent Glokke den Gottesdienst abhielt.
Um 2 Uhr war ein großes Festessen auf dem Schützenhause arrangirt, an dem sich die Behörden, die Gäste und ein zahl⸗ reiches Herren⸗Publikum betheiligten; unter den geladenen Gästen befanden sich Nachkommen des patriotischen Landrathes v. Brie⸗ sen und des General⸗Feldmarschalls Derfflinger, sowie eine De⸗ putation des Leib⸗Kürassier⸗Regiments (Schlesisches Nr. 1 in Breslau, dessen Stamm als Grumbkowsches Regiment den Haupt⸗ antheil an der Einnahme Rathenows hatte. Trinksprüche wurden ausgebracht auf das Wohl Sr. Majestät des Kaisers und Königs, auf das Andenken des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, auf die Stadt Rathenow, die Ehrengäste, den Reichskanzler Fürsten von Bismarck, die Mark Branden⸗ burg und auf das Zie hen⸗Husaren⸗Regiment. Nach Aufhebung der Tafel bewegte sich die Gesellschaft theils im Garten, theils im Saale, wo ein Tanzvergnügen stattfand.
Die Schuljugend versammelte sich um 4 Uhr auf den Schulplätzen und wurde von dort durch ihre Lehrer nach der Schützenhauswiese geführt, wo sie auf Kosten der Stadt be⸗ wirthet wurde.
In der Aula der höheren Bürgerschule hatte in der Mittags⸗ stunde zu Ehren des Tages der Verein für Geschichte Berlins eine Sitzung abgehalten, in der nach Mittheilung eines Hand⸗ schreibens Sr. Majestät des Kaisers und Königs an den Vor⸗ sitzenden des Vereins, in welchem den Bestrebungen und Leistungen des letzteren die Allerhöchste Anerkennung ausgedrückt wird, eine Arbeit des Majors Ising über den Ueberfall von Rathenow zur Verlesung kam. Der Hofschauspieler Hiltl trug zum Schluß noch einige Szenen aus de la Motte⸗Fouqué's Drama: „Die Heimkehr des Großen Kurfürsten“ vor.
Posen, 15. Juni. (W. T. B.) Die von hier gemeldete Nachricht, daß der vormalige Erzbischof Ledochowski in Ostrowo erkrankt sei, ist unbegründet. Nach hier vorliegenden zuverlässigen Mittheilungen befindet sich derselbe vollkommen wohl. — Der Domherr Kurowski hier ist heute Nachmittag, in Folge einer Vormittags bei ihm vorgenommenen Haussuchung in Angelegenheit der Diözesanverwaltung des geheimen Delega—⸗ ten, von der Polizei verhaftet worden.
Bayern. München, 14. Juni. Dem alsbald nach den Wahlen einzuberufenden Landtage wird außer einem Gesetzentwurf über den Waldschutz auch ein solcher über zwangs—⸗ weise Ablösung der sämmtlichen Forstrechte in Bayern vorgelegt werden. Es sind die Vorarbeiten hierüber bereits zu Ende ge⸗ führt. Nicht allein das landwirthschaftliche Centralcomité, son⸗ dern auch die einzelnen Kreiscomités sollen sich, der Allg. Ztg. zufolge, für Ablösung der Forstrechte ausgesprochen haben.
Sachsen. Dresden, 15. Juni. Ihre Majestäten der König und die Königin, sowie Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Georg haben heute Mittag der feierlichen Eröffnung der Ausstellung gewerblicher und industrieller Erzeugnisse aus dem Königreiche Sachen beigewohnt. Mit dem ersten Glockenschlage erschienen Ihre Majestäten vor dem Ausstellungsraume, mit lebhaften Hochrufen von der zahlreich versammelten Menge bewillkommnet. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Vorstand der Aus⸗ stellungskommission begaben die Allerhöchsten Herrschaften, nebst einem zahlreichen Gefolge unter wiederholten Hochrufen der Festversammlung sich zunächst nach dem Königs⸗ pavillon, in welchem bereits Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Georg, welche kurz dor Ihren Majestäten eingetroffen, anwesend waren. Vor dem Pavillon waren die hiesigen Gesangvereine mit ihren Fahnen und Mufik aufgestellt, und letztere begrüßte Ihre Majestäten bei der Ankunft mit Webers Jubel Ouverture. Nachdem Ihre Königlichen Majestäten die geschmackvolle Einrichtung des Königspavillons in Augenschein genommen, verfügten sich dieselben in das Eröffnungszelt, wo⸗ selbst, umgeben von einer prächtigen Blumen- und Pflanzen⸗ Dekoration, die Büsten Sr. Majestät des Königs und Sr. Kö⸗ niglichen Hoheit des Prinzen Georg neben einem für den Fest⸗ redner errichteten Podium aufgestellt waren. Als die Allerhöch⸗ sten und Höchsten Herrschaften vor dem Podium ihre Plätze ein⸗ genammen, gruppirte sich in einem Halbkreise um diefelben die Fest⸗ versammlung. Neben den Mitgliedern der Ausstellungs kommiffion und den Preigrichtern waren zahlreich geladene Gäste anwesend, darunter die Staats⸗Minister v. RNostiz Wallwitz, Dr. v. Gerber
und Abeken, der Minlster des Königlichen Hauses Staats-Mi⸗ nister a. D. hr. v. Falkenstein, die am hiesigen Königlichen Hofe beglaubigten Gesandten von Preußen, Bayern und Desterreich⸗ Ungarn (Graf v. Solms, Freiherr v. Gasser und Freiherr v. Franckenstein) und die hiesigen Konsuln, der Stadt-Komman⸗ dant General⸗Lieutenant Freiherr von Hausen, zahlreiche höhere Räthe der Ministerien, die Präsidenten der Handels- und Ge— werbekammern, Kreishauptmann v. Einsiedel, Polizei⸗Direktor Schwauß, Ober⸗Bürgermeister Pfotenhauer und die Mitglie⸗ der des Raths, Stadtverordnetenvorsteher Hofrath Acker⸗ mann und die Mitglieder des Stadtverordneten⸗Kollegiums, Vertreter der Presse u. s. w. Der Vorsitzende des Aus⸗ stellungs⸗Direltoriums, Kaufmann August Walter, hielt die Er⸗ öffnungsrede, in welcher er eine kurze Geschichte der Entstehung der heutigen Ausstellung und des Zweckes derselben gab, dabei namentlich dankbar der Unterstützung gedenkend, welche dem Unter⸗ nehmen von Seiten des Hohen n ,. und der Staatsregie⸗ rung zu Theil geworden ist, und mit einem Hoch auf Se. Majestät den König schließend. Nachdem die Versammlung in dieses Doch drei Mal begeistert eingestimmt hatte, traten die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften unter Führung der Mitglieder des Ausstellungs⸗ Direktoriums und des Empfangscomité's und unter dem Geläute der Glocken und Kanonendonner einen Rundgang durch die Ausstellung an, überall 6k dem zahlreichen Publikum auf das Freudigste be⸗ grüßt, und verließen nach einem vom Comitsmitgliede Bäumcher ausgebrachten Hoch auf die Majestäten und auf den Prinzen und die Prinzessin Georg, in welches das innen und außen rn, Publikum begeistert einstimmte, Nachmittags nach 11 Uhr ie Ausstellung, zu deren Ehren sowohl öffentliche, wie zahl⸗ reiche Privatgebäude der Stadt in sächsischen und deutschen Far⸗ ben geflaggt hatten.
— Der Staats⸗Minister v. Nostitz⸗Wallwitz ist von seiner Urlaubsreise zurückgekehrt. — Der Minister des König⸗ lichen Hauses, Staats⸗Minister a. D. Frhr. v. Falkenstein, hat sich heute zu einem längeren Aufenthalte nach Frohburg begeben.
Baden. Baden, 16. Juni. (W. T. B.) Der russische Reichskanzler, Fürst Gortschakoff, ist gestern Abend von hier nach Wildbad abgereist. Derselbe wird dort einen Aufent⸗ 1 5 Wochen nehmen und sich sodann nach der Schweiz begeben.
HGessen. Jugenheim, 15. Juni. (W. T. B.) Se. Kaiser⸗ liche Hoheit der Erzherzog Albrecht von Oesterreich ist heute hier eingetroffen und bei seiner Ankunft von Sr. Majestät dem Kaiser Alexander von Rußland, Sr. Großherzoglichen Hoheit dem Prinzen Alexander von Hessen sowie sammt⸗ lichen hier anwesenden hohen russischen Hofchargen empfangen worden. Am Sonntag, den 20. d. M., werden der Kaiser Alexander und der Erzherzog Albrecht mit ihrem Gefolge dem ihnen zu Ehren von Offizieren veranstalteten großen Wettrennen bei Darmstadt beiwohnen.
Mecklenburg ⸗ Schwerin. Schwerin, 15. Juni. Der am Freitag Abend hier eingetroffene General der Infan⸗ terie v. Tresckow inspizirte am Sonnabend Morgen auf dem großen Exerzierplatze das Mecklenburgische Grenadier⸗Regiment Nr. 89, das Jäger⸗Bataillon und die Artillerie. Nachmittags reiste derselbe zur Inspektion nach Neu⸗Strelitz.
Oldenburg. Oldenburg, 13. Juni. „Das Gesetzblatt“ veröffentlicht eine Bekanntmachung des Staats⸗-Ministeriums vom 9. Juni 1875, betreffend die Gewährung von Erleichterun⸗ gen für den Verkehr zwischen den beiden Weserufern.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 14. Juni. Der Kaiser hat vorgestern Nachmittag den französischen Botschafter Marquis d'Harcourt empfangen und dessen Abberufungsschreiben entge⸗ gengenommen.
Heute empfing der Kaiser die Deputation des Bu kowi⸗ naer Landtages, welche ihn zum Besuche der Bukowina an⸗ läßlich der hundertjährigen Säkularfeier und der Errichtung der Czernowitzer Universität einlud. Der Kaiser erwiderte, es seien die Mittel für die Reise gegenwärtig nicht vorhanden, er hoffe aber gewiß, im kommenden Jahre die Bukowina zu besuchen.
Schweiz. Die Hauptbestimmungen des vom Großen Rath von Bern in erster Berathung angenommenen Gesetzes, be⸗ treffend die Sicherstellung des konfessionellen Frie⸗ dens sind, folgende:
„§. 1. Außerhalb der dazu bestimmten Lokale dürfen keine oͤffent⸗ lichen kirchlichen Prozessionen oder sonstigen kirchlichen Ceremonien stattfinden. Vorbehalten bleiben: 1) der Feldgottesdlenst gemäß den näheren Vorschriften der Militärgesetze und den Anordnungen der militärischen Oberen; Y) die kirchliche Begräbnißfeier nach den hier⸗ über aufzustellenden besonderen Bestimmungen. Widerhandlungen werden mit Geldbuße bis zu 200 Frs. oder mit Gefängniß bis zu 60 Tagen bestraft. ö 2. Wer in einer den öffentlichen Frie⸗ den gefährdenden Weise Angehörige einer Konfession oder Reli⸗ gions - Genossenschaft zu Feindseligkeiten gegen Angehörige einer anderen anreizt, wird mit Geldbuße bis zu 1090 Frs. oder mit Gefängniß bis u einem Jahre bestraft. 8. 3. Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder bei Anlaß der Ausübung gottesdienstlicher oder seelsorgerischer Handlungen Staatseinrichtungen oder Erlasse der Staatsbehörden in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Geldbuße bis zu 1009 Fres. oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. 8. 4. Geistlichen oder anderen Religionsdienern, welche nicht an einer staatlich anerkannten Kirchengemeinde angestellt sind, ist die Ausübung geistlicher Verrichtungen untersagt: 1) wenn der Betreffende einem staatlich verbotenen religibsen Orden angehört; 2) wenn er erwiesenermaßen unter elner fremden, vom Staate nicht anerkannten, bischöflichen Jurisdiktien steht und in diesem Falle die schriftliche Erkläͤrung verweigert, daß er sich bedingungslos den Siaatseinrichtungen und Erlassen der Staatsbehörden unterwerfe. Wer entgegen diefen Vorschriften geist⸗ liche Verrichtungen ausübt, wird mit einer Geldbuße bis zu 1005 Fr. oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. 8. 5. Zur Vor nahme von Pontifikalhandlungen (bischöflichen Jurisdiktionsakten) im Kantongebiet von Seite eines auswärtigen, staatlich nicht aner- kannten kirchlichen Oberen ist die Bewilligung des Regierungsralhes erforderlich. J. 6. Versammlungen oder Zusammenkünfte von Reli gionsgenossenschaften, bei denen die öffentliche Ordnung gestört oder der Sittlichkeit zuwider gehandelt wird, sollen von Polizei wegen be,, g und die Fehlbaren dem Richter zur Strafe uͤberwiefen werden.“
Belgien. Brüssel, 15. Juni. (W. T. B.) An der heutigen Sitzung der Deputir tenkamm er wurde durch den Deputirten Thonissen der Bericht vorgelegt, der von der mit Berathung des sogenannten „Duchesne-Gesetzes“ betrauten
Kommission erstattet worden ist. Die Kommission beantragt eine Modifikation der Regierungsvorlage in der Weise, daß auf Grund derselben nur, wenn es sich um Anerbieten zur Begehung schwerer mit Todes- oder Zwangsarbeitsstrafe bedrohten Ver⸗ brechen handelt, eine strafrechtliche Verfolgung eintreten, eine solche aber dann nicht statthaben soll, wenn lediglich mit Ein⸗— schließung vom Gesetz bedrohte Vergehen in Betracht kommen.
Großbritannien und Irland. London, 14. Juni. Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh werden sich im Juli zu einem Besuche des Kaisers und der Kaiserin von Rußland nach St. Petersburg begeben.
— Der Sultan von Zanzibar empfing am Sonnabend den Lordmayor der City und den Premier⸗Minister Digsraeli. Gestern, am Sonntag, verließ er seine Gemächer nicht. Der Sultan hat seine Gewohnheiten nicht im Mindesten geändert. Im Hofe des Alexandra⸗Hotes ist für ihn ein Privatschlachthaus nebst Küche errichtet worden, in welchem die zu seinem Gefolge gehörenden vier Köche alle seine Mahlzeiten zubereiten. Heute wird er dem Prinzen von Wales in Marlborough-House seine Aufwartung machen. Am Sonnabend wird Se. Hoheit den Krystallpallast besuchen, wo ihm zu Ehren ein Monstre⸗Konzert und ein großartiges Feuerwerk stattfinden werden. .
— Kardinal Cullen kehrte am Sonnabend von Rom nach Dublin zurück. ö ;
— 15. Juni. (W. T. B.) Die Meldung auswärtiger Blätter, die Taiserin Eugenie und Prinz Louis Napo⸗ leon hätten sich nach dem Festlande begeben, ist unbegründet, Beide haben Chislehurst nicht verlassen.
Frankreich. Paris, 13. Juni. Der „Moniteur“ enthält über die Revue Folgendes: „Die treffliche Haltung der Truppen machte auf die Offiziere, welche der Revue anwohnten, einen guten Eindruck. Für die, welche sich wirklich für die Fortschritte der Armee interessiren, ist eine Revue nicht allein ein militärisches Fest, sondern auch eine Gelegenheit, den Stand der Instruktion der Truppen aller Waffengattungen zu studiren. Gestern fand die 4. Jahresrevue über die Garnisonen von Paris und Versailles statt, aber erst die zweite, bei welcher die Armee als wirklich reorganisirt er⸗ scheinen konnte. Früher bemerkte man ungeachtet der martiali⸗ schen Haltung der Truppen in ihren Bewegungen die Ab⸗ wesenheit der Regelmäßigkeit, welche bei ihnen eine voll⸗ ständige Instruktion darthut. Gestern war die Haltung eine vollkommene; die Unbeweglichkeit der Linien der Infanterie, der Kavallerie und der Artillerie war eine absolute. Man fühlte, daß jeder Corpsführer seine Truppen in der Hand hatte. Un⸗ geachtet der Nothwendigkeit des Kampfes in ö Ordnung haben unsere Offiziere eingesehen, daß sie mehr denn je von ihren Leuten die Richtigkeit der Bewegung, welche das Zeichen des Gehorsams und der guten Instruktion ist, fordern müssen. Sie erlangten es nicht ohne Mühe, denn sie haben heute nicht mehr die Unteroffizier⸗Cadres, wie früher. Beglückwünschen wir sie daher, indem wir zugleich von ihnen verlangen, daß sie die neue Taktik nicht vergessen, welche von dem Offizier, wie von dem Soldaten eine fortwährende Arbeit verlangt. Wenn die Bewaffnung sich vervollkommnet, so muß die Instruktion der Truppen immer auf der Höhe der Aenderungen erhalten werden, welche die Taktik nach sich zieht.“
— Das neue Preßgesetz, welches der Justiz⸗Minister Dufaure dieser Tage der Kammer vorlegen wird, lautet in seinen Hauptpunkten wie folgt:
Artikel 1. Jeder durch eines der im Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Mai 1819 angeführten Mittel bewirkte Angriff gegen das Prin⸗ zip oder die Form der republikanischen Regierung und die Autorität des Präsidenten der Republik oder eine der beiden Kammern, wie sie in den Gesetzen vom 20. Nopember 1873 und vom 25. Februar 1875 erklärt sind, wird mit einer Gefängnißstrafe von zwei Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldbuße von 500 bis 5000 Fr. belegt. Mit den nämlichen Strafen wird die Beleidigung der Person des . der Republik oder die gegen eine der Kammein belegt.
rtikel 2. Während der Dauer der dem Marschall-Präsidenten der Republik durch das Gesetz vom 20. November 1873 übertragenen Ge— walten, und so lange dieser nicht von dem ihm durch Art. 8 des Gesetzes vom 25. Februar 1875 geliehenen Vorrecht Gebrauch gemacht hat, ist jede Petition, jeder Antrag und jede Forderung, welche die Modifikation der Staatszwecke zum Gegenstande haben, bei einer Geldstrafe von 500 bis 10,909 Fr. verboten. Diese Bestimmung findet keine An⸗ wendung auf Schriften, welche nicht regelmäßig erscheinen und mehr als zehn Bogen stark sind. Artikel 3 bestraft die Veröffentlichung und Wiederholung von falschen Nachrichten, fabrizirten, gefälschten oder fälschlich dritten Personen zugeschriebenen Aktenstücken. Artikel 5. Das Verbot des Verkaufs eines Blattes auf der Straße kann nur durch Verordnung des Ministerg des Innern verfügt werden. Diese Verordnung kann nur in dem Jahre erlassen werden, welches einer Verurtheilung folgt, die ein Blatt wegen Vergehen oder Verbrechen betroffen hat. Das Verbot des Straßen⸗ verkaufs kann nur für einen Monat verhängt werden. Nach Artikel 6 werden durch die Zuchtpolizeigerichte abgeurtheilt: 1) die in Artikel 8 des Gesetzes vom 25. März 1822 mit Strafe belegten aufrührerischen Rufe; 2) die Beleidigung der guten Sitten durch die Publikation, Vertheilung, den Verkauf oder die Ausstellung von ob— seönen Schriften, Zeichnungen, Photographien oder Bildern; 3) die Veröffentlichung falscher Nachrichten fabrizirter, gefälschter oder fälsch⸗ lich dritten Personen zugeschriebener Aktenstücke; 4 Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Artikels 2; 5) die Beleidigung fremder Souveräne oder fremder Staatsoberhäupter. Ein Schlußartikel be⸗ stimmt, daß der Belagerungszustand aufgehoben ist, aber daß die Re— gierung das Recht hat, unter ihrer Veraniwortlichkeit die Zeitungen zu verbieten, welche in den Departements der Seine (Paris), Seine⸗ et Dise (Versailles, Rhone (Lyon) und Rhonemündungen (Marseille) erscheinen und zum Bürgerkriege auffordern, auch die äußeren Bezie⸗ bungen des Staates in Gefahr bringen. Dieses Recht hört drei Monate nach der Konstituirung des Senats und der Repräsentanten⸗ kammer zu bestehen auf.
Versailles, 15. Juni. (W. T. B.) Die National⸗ versammlung hat heute die Berathung über den höheren Unterricht fortgesetzt und das von der Linken beantragte Amendement, wodurch dem Staate allein das Recht zugestanden werden soll, akademische Grade zu ertheilen, mit 369 gegen 323 Stimmen abgelehnt. Morgen wird die Berathung fortgesetzt werden.
Italien. Rom, 15. Juni. (W. T. B.) Sitzung der Depu⸗ tirten kammer. Bei der heute fortgesetzten Berathung über das Sicherheitsgesetz wies der Minister⸗Präsident Minghetti in längerer Rede die Nothwendigkeit dieses Gesetzes nach und führte aus, daß dasselbe durchaus keinen politischen Zweck habe und auch keineswegs allein für Sieilien bestimmt sei. Der Minister sprach seine Zustimmung zu einer Enquete, betreffend die Sicher⸗ heitsverhältnisse in Sicilien, aus, erklärte sich aber gleichzeitig gegen die Annahme von Anträgen, welche die Berathung des Gesetzentwurfes fuspendiren wollen. Es würde dies um so be⸗ dauerlicher sein, da hierdurch auch eine höchst bedenkliche mora⸗ ralische Wirkung hervorgerufen werden dürfte. Die Kammer nahm hierauf die auch von dem Minister⸗Präsidenten befür⸗
wortete einfache Tagesordnung bei namentlicher Abstimmung mit 220 gegen 203 Stimmen an, und wird sonach morgen in die Berathung des in Rede stehenden Gesetzentwurfs eintreten.
(W. T. B) Die verschiedenen zu dem Sicher⸗ heitsgesetze gestellten Tagesordnungsanträge, welche durch die heute von der Deputirtenkammer angenommene einfache Tagesordnung beseitigt wurden, gingen sämmtlich ent⸗ weder auf eine Vertagung der Berathung oder auf eine Ab⸗ lehnung der Gesetz vorlage hinaus. Garibaldi, der wegen Krank— heit an der Sitzung nicht theilnahm, hatte sich schriftlich für Ab⸗ lehnung des Gesetzes ausgesprochen. Die Debatte über den von der Regierung aeceptirten Antrag Pisanelli's beginnt morgen.
Griechenland. Athen, 16. Zuni. (R. Tb Sers; ist zum Marine Minister ernannt worden. — Das hier weilende französische Geschwader geht morgen nach Smyrna ab. Der Commandeur desselben, Admiral de la Ronciéère le Noury, gab gestern zu Ehren des Königs ein Galadiner.
Rumänien. Bukarest, 16. Juni. (W. T. B.) Für st Karl erhielt gelegentlich einer von ihm vorgenommenen In“ spizirung der rumänischen Flotte bei Giurgewo von dem benach— barten türkischen Pascha eine Einladung, die Garnison von Rustschuk zu besichtigen. Der Fürst nahm die Einladung an, begab sich nach Rustschuk und fand dort eine ausgezeichnete Aufnahme. Auf der Rückfahrt nach Bukarest erfolgte zwischen Filaret und Costroceni ein Zusammenstoß des fürstlichen Zuges mit einem anderen. Der Fürst, sowie mehrere Herren seines Gefolges erlitten hierbei einige leichte, unerhebliche Kontufionen.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 15. Juni. (W. T. B.). Die in verschiedenen auswärtigen Zeitungen enthaltene Nachricht, daß in London zwischen Rußland und England Verabredungen über eine in Central— asien zwischen beiden Mächten als Abgrenzung festzustellende neutrale Zone getroffen seien und daß eine bezüͤgliche Konven— tion beschlossen, entbehrt sicherem Vernehmen nach der Be⸗ gründung.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 12. Zuni. Ein schwedisches Uebungsgeschwader, bestehend aus der Dampfkorvette „Thor“ sowie den Dampfkanonenböten Svensk⸗ sund“, Motala“, „Carlssund“, „Alfhild «, „Aslog“, „Astrid“ und „Sigrid“, ist am Donnerstag auf der Rhede bei Malmö vor Anker gegangen. Dieses Geschwader, welches unter Befehl des Admirals Virgin steht, wird sich einige Tage im Sunde auf⸗ halten. — Der Chef, für Schwedens geotogische Unter— suchungen hat bezüglich der für diesen Sommer angeordneten näheren Untersuchungen der Erzlager in Norrbotten dieser Tage seine Vorschläge der Regierung unterbreitet. Der Haupt⸗ zweck ist, sich über die Ausdehnung und Beschaffenheit der Erz⸗ lager in Gellivare und Jukkarjarfrl genauere Kenntniß zu ver⸗ schaffen. Die Untersuchungen werden in Gellivare ihren Anfang , , und in der Richtung von Osten nach Westen fortgesetzt werden.
Dänemark. Kopenhagen, 12. Juni. Am 29. d. M. soll bei Anwesenheit des Königs, auf seiner Reise nach dem Uebungslager bei Hald in Jütland, die feierliche Einweihung der Eisenbahn nach Kallundborg stattfinden. In Holbäk und Kal— lundborg werden Festlichkeiten vorbereitet, und an beiden Stellen sollen Festmahlzeiten stattfinden.
Amerika. Aus Mittel⸗ und Südamerika liegen der 5A. A. C.“ vom 14. d. M. folgende Nachrichten vor:
Aus Jamaika wird vom 25. Mai gemeldet: Mehrere Flücht— linge aus Hayti sind hier angekommen. Sie waren in der jüngsten dortigen Peoskription mit eingeschlossen. General Brice, der in der Meuterei getödtet wurde, war der Besieger Salnave s. — Nach Be— richten aus Callao (Peruj vom 13. Mai nehmen die Vorbereitun— gen für die im Oktober stattfindende Präsidentenwahl ihren Fortgang, General Prado und Contre Admira Montero wurden von ihren resp. Anhängern festlich bewirthet. Die Piojekte betreffs des Guanos und salpetersauren Natrons sind noch nicht vollendet. Der Gesetz entwurf für die Exproprigtion des Guano liegt doch immer dem Senat vor. Der „Prinz Alfred“, ein mit Guano für London be— frachtetes Schiff, ist in der Nähe von Coquunbo gescheitert. Die Mannschaft verließ es in zwei wohlverproviantirtn Booten. Die— jenigen, die in dem Boote waren, das den Kapitän enthielt, wurden
erettet und nach Canizal gebracht. Man hofft, daß das andere Boot Loquimbo erreicht hat.
Asien. Einer Depesche der Times‘ aus Rangoon zu⸗ folge, kam Sir Douglas Forsyth am 10. d. in Mandalay, der Hauptstadt von Birma an, und wurde gut empfangen.
— In Tonquin soll, wie der „London und Ehina Tele—⸗ graph“ erfährt, eine französische Marinestation errichtet werden. Sie wird aus stanonenbooten, die aus Saigon gesendet werden, bestehen und von den Marine⸗Divisionen von Cochin⸗ Ching bemannt werden. Diese Flottille soll von einem Fregatten⸗ Kapitän unter der Autorität des Gouverneurs von Eochin— China befehligt werden.
— Nr. 4 des „Amts-Blatts der Deutschen Reichs— Postverwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom 12. Juni 1875: Aufhören der Julassung zur abgekürzten Postsekretär= Prüfung; vom 12. Juni 1875: Aufhören der Zulassung von Post— expediteuren zur Postamts . Assistenten Prüfung; vom 13. Juni 1875: Einziehung von 2 Thaler bz. 35 Gusdenstücke; vom 9. Juni 19575: Kursbuch der deutschen Reichspostverwaltung; vom 12. Juni 1875: Eröffnung der Eisenbahnstrecke Lünen. Dülmen. ] i e, n, ,
Statistische Nachrichten.
Im gegenwärtigen Semester ist die Universität Erlangen ven 401 Studirenden besucht, unter denen sich 268 Bayern befinden, 133 aus andern deutschen und außerdeutschen Ländern gekommen sind. Der theologischen Fakultät gehören 142 Studirende an, 21 von diesen zugleich Philologen (32 Bahenn, 69 Nichtbayern), der suristischen 44 (G5 B., 9. Nichib.), der medizinischen 96 (64 B., 32 Nichtb.), der philospphischen 119 G67 B., 32 Nichtb.). Unter diesen studiren 41 (338 B., 3 Nichtb.) Philologie, 5 (2 B, 3 Nichtb.) Philosophie, 37 (23 B. 14 Nichtb.) Mathematik, Phyfik und Chemie, 36 (24 B, 12 Nicht.) Pharmazie.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Nach dem Monatsbericht der Königlich Preußischen gkademie der Wissenschaften für März 1575, lasen in diesem Monat folgende Herren: . Ueber die neue Ausgabe der Chronik des Bischofs Isidor von Reza (Pacensis). — Deffner, Ueber den Dialekt der Zakonen. — Peters, Ueber die von Hin. Prof. Dr. R. Buchholz in Westafrika gesammelten Amphibien. — Borchardt, Ueber den Briefwechsel . Legendre und Jacobi. — Reicherl, Zur Anatomie des Schwanzes der Ascidienlarven (Botrylius vioiaceus). — Virchow, Ueber das Os interparietale.
— Die für das Zeichnen der Terrains vom Königlichen j
zroßen Generalstabe gegebenen und amtlich eingeführten Be— stimmungen sind soeben, in kolorirten Musterblättern dargestellt, nebst Erläuterungen, welche alles für Offiziere und Kartographen Wiffeng. werthe enthalten, in der Königlichen Hof⸗Buchhandlung von E. S. . u. Sohn hierselbst (Kochstraße 69) zum Preise von 4 Ih. erschienen. ;
— An der Universität München soll ein neuer Lehrstuhl errichtet werden, und zwar für lebende Sprachen, namentlich die fran— zösischẽ undt din enn ische J
Der Afrikareisende Dr. Nachtigal ist vom „Freien deutschen ö zu Frankfurt a. M. zum Ehrenmitgliede und Yteister . worden.
— Die Erben deg am 8. Juli 1874 verstorbenen Minera— logen und Krystallographen Friedrich essen berg, Dr. phij. hono- rarius der Berliner Fakultät, haben dessen ausgewählte Bibliothek in diesen Fächern der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt 4. M. zum Geschenk gemacht.
— Der außerordentliche Professor der Chemie und Technologie Dr. Adolf Claus in der philosophischen Fakultät der ien n. Freiburg ist zum ordentlichen Professor der genannten Lehrfächer ernannt und dem Privatdozenten Dr. Gideon Spicker in Freiburg der Charakter als außerordentlicher Peofessor in der philosophischen Fakultät der dortigen Universität verliehen worden.
— In Rouen begann am 12. Juni die Säkularfeie Boieldieu'z. Sie dauert vier Tage; eine große Zahl n , kalischen Vereinen hat sich in der Geburtsstadt des populärsten fran⸗ zösischen Komponisten eingefunden.
— Wie aus London I1. Juni gemeldet wird, ist Hr. Watts der im letzten Sommer eine Erforschungsreise h Island machte, und den Vatna Iöket bis zu einer Stelle erstieg, die kein Reisender vor ihm erreicht hat, zu weiterer Forschung neuerdings nach Reykjavik abgegangen. Ein großer Theil der Insel ist noch unbekannt, und der kopographische und mineralogische Charakter des Innern nicht genau festgestellt.
= Die englische Nation al⸗-Gemäldegallerie ist durch Ankauf um ein ausgezeichnetes Gemälde bereichert worden. Der Academy zufolge ist es ein Kopf⸗ und Schulter Portrait eines venetianischen Patriziers, in Oel von einer Mailänder Hand gemalt und vorzüglich gut erhalten. Das Gemälde ist kleine Lebensgröße und die Haltung beinahe en profil. Der Sitzende trägt einen rothen Mantel mit einer schwarzen Kappe und schwarzer Amtsstola; am linken Handgelenke kommt, ein blauer Unterärmel zum Vorschein; am linken Daumen steckt ein Türkisring, und in seiner rechten Hand hält er eine Nelke. Den Hintergrund bildet eine Landschaft niedriger Hügel. Farke und Qualität des Bildes sind bewunderungswürdig, und der Kopf ist ein Meisterstück von ernster und genauer Portrait⸗ zeichnung. Der Name des Sitzenden ist nicht bekannt, aber das Ge— mälde selber kann mit Gewißheit der Hand von Andrea di So— [ar io, der nach 1490 in Venedig ansässig war, zugeschrieben werden. Die englische Nationalgalerie besitzt bereits ein auffallendes Portrait von diesem Meister, aber in einem weniger reinen Zustande als das soeben erworbene Gemälde.
— Das 4. Heft (IV. Jahrg.) der Zeit schrift für deu tsche Kulturgeschichte, herausgegeben von Dr. J. H. Müller, Stu⸗ Dienrath, (Danngver, in Kommission bei Carl Meyer) hat folgenden Inhalt: Herzog Julius von Braunschweig. Kulturbild deutschen Fürsten⸗ lebens und deutscher Fürstenerziehung im 16. Jahrhundert. Von Eduard Bodemann. — Korrespondenzen über Aufhebung elnes Nonnenklosters im 16. Jahrhundert. Von Gustay Schmidt. — Bücherschau: Kritische Geschichte der französischen Kultureinflüsse in den letzten Jahrhunderten. Von J. J. Honegger. Geschichte der Gesellschaft. Von Dr. Jos. Roßbach. — Buntes: Spezial⸗rdre Sr. Königlichen Majestät in Preußen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Berlin. Am Tage vor dem Wollmarkte, am 18. Juni, wird Vormittags 19 Uhr der Verein der Milchinteressenten, Nachmittags 6 Uhr der Verein der Wollinteressenten im Lokale des Club der Landwirthe, Französischestraße 48, hierselbst tagen.
Die Tagesordnung beider Versammlungen, zu denen Gäste Zu⸗ tritt haben, dürfte für die sich hier aufhaltenden Landwirthe nicht ohne Interesse sein.
— Die Nr. 18 der „Illustrirten Fagdzeitung“, Organ für Jagd Fischerei und Naturkunde, herausgegeben von W. H. Nitzsche, Königl. Oberförster (Leipzig, Verlag von Heinrich Schmidt K Carl Günther), (Preis 3 halbjährlich, enthält: Der vulgo passtonirte Jäger von v. Schuckmann. — Jagdstreitigkeiten von Freiherr v. Droste⸗ Hülshoff. — Uebel angekommen mit Illustrationen. — Ein Zu— sammentreffen mit Wilddieben. — Waidmannspech ven O. vp. Krieger u s. w.
Gewerbe und Sandel.
Stettin, 16. Juni. (W. T. B. Wollmarkt. Zufuhren und Zahl der Käufer sind schwächer als sonst. Die Wäschen sind gut. Der größte Theil ist bei ruhigem Geschäft mit einem Preisabschlag von 1—3 Thlr. bereits verkauft. Für heste vorpommersche Wolle wurden 62 — 64, für hinterpommersche bis 65 Thlr. bezahlt.
— Die Direktion der Altona⸗-Kieler Eisenbahn veröffentlicht folgende Motipirung des Antrages auf Kontrahirung einer Prioritäts. anleihe I. Emission: Wie bedeutend der Verkehr auf den schles— wig holsteinischen Bahnen in den letzten Jahren zugenommen hat, ist aus folgenden Angaben zu entnehmen: Auf den holsteinischen Bahnen wurden durchschnittlich pro Meile ge fahren: A. Im Personenverkehr: Im Jahre 1869 198.813 Personenmeilen, 1870 158,246, 1871 180,699, 1872 202,488, 1873 219,526, 1874 238,448 Personenmeilen. B. Im Güter⸗ verkehr: Im‚ Jahre 1369 1,875,414 Centnermeilen, 1870: 2, 276,276, 13571 2,004,777, 1872 2,294,442, 1873 2333, 1458, 1874 2, 664,957 Centnermeilen. In dem Zeitraum 1869 bis 1874, d. h. im Verlauf von 5 Jahren, hat also auf den holsteinischen Bahnen der Personenverkeht um 202, der Güterverkehr um 422 zugenommen. Der Personenverkehr auf den schleswigschen Bahnen hat in demselben Zeitraum um 267, der Güter— verkehr um 63 zugenommen. Der Verkehrszuwachs auf den holsteinischen Bahnen besteht größtenheils aus durchgehendem Verkehr, welcher die Hauptstationen Altona, Ottensen und Neumünster berührt und dort eine entsprechende Vermehrung und Erweiterung der Geleise, Reparaturwerkstätten, Lokomotipschuppen und sonstigen Bahnhoftan⸗ lagen, sowie auch eine bedeutende Vermehrung der Betriebsmittel er— forderlich macht. Außer dem durchgehenden Verkehr ist vorzugsweife der Lokalverkehr der Station Ottensen in starker Zunahme begriffen. Derselbe betrug im Jahre 1869 ankommend 351,174 Ftr., abgehend 483.455 Ctr, zusammen 837.629 Ctr.; im Jahre 1874 ankommend S19, 928 Ctr.,, abgehend 869,690 Etr., zusammen 1,6893618 Ctr. Also in 5 Jahren eine Zunahme um mehr als 100. Eine bedeutende Erweiterung der für den Güterverkehr bestimmten Geleise und sonstigen Anlagen des Bahnhofs Kiel ist namentlich deshalb erforderlich, weil dieser Bahnhof sich schon seit vielen Jahren als sehr ungenügend ge— ieigt hat und eine Bewältigung des dortigen Verkehrs nur dadurch möglich war, daß die auf den städtischen Quais liegenden Geleise vielfach zum Aufstellen und Rangiren der Güterwagen benutzt wurden. Innerhalb der nächsten 2 Jahre sind für die Erweiterung der Hauptbahnhöfe, die Vermehrung der Betriebsmittel, fuͤr eine Betheiligung beim Bau. der Neumünster Heide . Tön. ninger Bahn und zur ö der Neumünster ⸗ Oldes. soer Bahn, ca. 3, 00 090 M nöthig. ann wird voraussichtlich im Laufe der nächsten 6— 3 Jahre für Anlage eines zweiten Bahngeleises zwischen Neumünster und Kiel, sowie für sonstige Erweiteruugsbauten und eine entsprechende Vermehrung der Betriebsmittel, ein weiterer Bedarf von ca. 3, 00 000 66 hinzukommen. Es wird nun beabsich- tigt, zunächst uur Obligationen im Betrage von 3 Millionen Mir
zu emittiren, aber hei Feststellung des Inhaltes des Textes dieser Abligationen der Gesellschaft das Recht vorzubehalten, daß, falls eine Vergrößerung dieser , regierungsseitig genehmigt werden sollte, den Inhabern solcher neu zu emittirenden Obliga⸗ tionen, bis zum Betrage von drei Millionen Mark, gleiche Priorität und Rechte mit den Inhabern der zuerst emittirten Prioritätg= Obligationen IV. Emission verliehen werden. Die Ausgabe der neuen Obligationen tritt erst dann ein, sobald der Bedarf es erfordert. Ein Verkauf der . Obligationen wird unter allen Um—⸗ ständen erst dann geschehen, nachdem die Pläne und Kostenanschläge der dafür auszuführenden Erweiterungsbauten und Anschaffusgen von Betriebsmitteln vom Ausschuß und von den vorgesetzten staatlichen Aufsichts behörden speziell geprüft und genehmigt sind. Bei der bean- tragten Vermehrung des Aulagekapitals durch diese Anleihe ist zu be⸗ rücksichtigen, daß von den Prioritätsanleihen J. und II. Emisston der Altona-Kieler Bahn bereits 948,900 6 und von den schleswigschen Eisenbahn ⸗ Prioritäts⸗ Obligationen schon 327, 9009 S6, zusammen a , „A, außer der Anleihe von 1855 mit 660 000 S amorti⸗ irt find.
— Nach dem Geschäftsbericht der Rechte Oder-Ufer⸗-Eisen⸗ bahn für 1874 wurden in diesem Jahre dem Verkehr übergeben: Das Zweiggeleise vom Bahnhofe Beuthen O. S. nach den Ladeftellen für Hohenzollerngrube und Redensblickschacht am 15. August (Güter= verkehr) und die Zweigstrecken von Bahnhof Laurahüste nach dem Fannyschacht der Chassgrube am 4. Oktober (Güterverkehr). Gegen⸗ wärtig umfaßt die Bahn 311,16 Kilometer. Das Projekt der Eifen= bahn von Beuthen O. S über Schwientochlowitz nach Antonienhütte nebst Zweiggeleisen wird demnächft dem Ministerium zur Genehmi⸗ gung vorgelegt werden. Das Projekt Schwientechlowitz über Nikolai nach Tichau ist fertiggestellt, kann aber erst vorgelegt werden, wenn die Strecke Beuthen ⸗Schwientochlowitz⸗Antonienhütte Oels Brieg ist bereits vorgelegt, aber eine Entscheidung noch nicht erfolgt. Das Projekt einer Zweigbahn vom Bahnhof Oppeln nach der Oder unterhalb Oppeln ist gegen Ende des vergangenen Jahres zur Aus führung genehmigt worden, und soll der Bau beginnen, sobald die Verhandlungen mit den am meisten interessirten Grundbesitzern zum Abschluß gekomnien. Die generellen Vorarbeiten für die Bahn Malapane-Breslau waren schon im vergangenen Jahre vollendet; doch wurde auf Wunsch meh⸗ rerer Interessenten eine etwas veränderte Trace aufgesucht, deren Projektirung noch nicht ganz vollendet ist. Auch die Bahnverbin—⸗ dung Dzieditz Kaschau ⸗Oderberger Bahn ist vertagt worden. Bezüͤg⸗ lich der Zweigbahn von Schoppinitz über Myslowitz nach Slupng ist auf dem an die österreichische Staatzregierung gerichteten Antrag auf Konzessionirung des auf österreichischem Gebiete zu erbauenden Theils dieser Bahn der Bescheid eingegangen, daß gegen die bean— tragte Führung der Linie auf österreichischem Gebiete im Allgemei⸗ nen kein Anstand obwalte. Die bezüglichen Verhandlungen mit der Kaiser Ferdinands Nordbahn schweben zur Zeit noch, über die Zweig—⸗ bahn von Geortzrube nach Ferdinandsgrube ist eine Entschließung der Regierung noch nicht erfolgt. Das Gesammt ⸗Anlagekapital der Rechten Oderufer⸗Bahn besteht aus dem Anlagekapital für die Stammbahn mit 7,500 000 S, aus dem Anlagekapital für die Bahnerweiterungen ven 376500900 „Sc, aus der unverzinslichen, aber aus den Betriebs ⸗ Einnahmen allmählich zurückzu⸗ zahlenden Staatsbauprämie 1,695,480 S6 und aus der An⸗ leihe von 1871 12.000000 SH, in Summa 58,095,480 MS. Die Bau - Austführungen kosteten bis zum Schlusse des Jahres 1874 57,535,692 M, so daß am Rechnungsschluß der Bestand des Anlagekapitals sich auf 559,788 M belief, wovon jedoch noch die auf Vorschuß gebuchten 96,150 1 in Abzug kommen, so daß ein wirklicher Bestand von 463, 5388 0 verblieb. Da die Erweiterung der bestehenden Anlagen der Bahn, namentlich der Bahnhöfe, der Werkstatt zu Breslau, die Ausführung von Hochbauten und die Be⸗ schaffung. von Fahrbetriebsmitteln zum größten Theil diesenigen Geldbeträge in Anspruch genommen haben, welche für die noch ncht zur Ausführung gelangten Zweigbahnen und Anschlußgeleise im Vor— anschlage vorgesehen waren, erscheint der am 1. Januar d. J. ver⸗ bleibende Bestand des Baufonds zur Vollendung der bereits ange— fangenen Bau Ausführungen und Beschaffungen, sowie zu denjenigen Vervollständignngen und Erweiterungen der Bahnanlagen, deren Aus—⸗ führungen im Laufe dieses Jahres dringend nothwendig ist, nicht au- reichend, vielmehr werden ca. 200, 00 Thlr. noch in diesem Jahre mehr erforderlich sein. Dieser Betrag soll einstweilen aus den berestesten Mitteln der Gesellschaft vorschußweise entnommen werden. An Fahrbetriebsmitteln besaß die Bahn ult. 1874 112 Lokomotiven, 1094 Tender, 80 Personenwagen, 32 Gepäckwagen, 506 bedeckte Güterwagen und 1601 offene Güterwagen. Neubeschafft wurden davon im Jahre 1874 37 Lokomotipen, 33 Tender, 14 PVersonenwagen, 106. Gepäckwagen und 71 offene Güterwagen. Das finanzielle Ergebniß des Betriebs ist gegenüber den allgemeinen Verhältnissen zufciedenstellend. Die Dividende beträgt 65x. An den Staat sind zur Tilgung der unverzinslichen Beihülfe 27, 147 Thlr. zurücgezahlt. Die Gesammt Einnahmen betrugen pro Kilometer 1874: 24.447, , 1873: 25, 0172 . Der Personen— verkehr umfaßte 1B 053,577 Personen mit 1,236,521 M Einnahme (1873: 1,6221945 6). Der Güterverkehr belief sich auf 29. 267 634 Ctr. mit 6,427,507 M Einnahme (1873: 5,962,477 6. Die Ge—⸗ sammt -⸗Einnahmen betrugen 1874; 8, 301,263 M0, 1873: 7, 833, 851 s Die Betriebsausgaben betrugen 1874: 3821 0987 M pro Bahnkilometer 2,266 ιι, 1873: 3,567,238 6 (pro Bahnkilometer 11, 92953 0. Die Mehrausgabe von 8,500 Thlr. erklärt sich theils aus der Steige rung der Einnahmen (welche 156,009 Thlr. ausmacht), theils durch die Eihöbung der Gehälter und Taglöhne und Vermehrung der Lasten des Betriebeg. Die Kehlenpreise gingen von 7 Sgr. im Jahre 1873 auf ar Sar, zurück. Die laufende Betriebsausgabe berechnet sich zur Drutzo Einnahme pro 1874 auf 463, 1873 auf 45,59 ,9. Die , . zum Reserve, und Erneuerungsfonds be— trugen 1874: 90l,500 6. Der Reservefonds schließt mit 31,479 , der Erneuerungsfonds mit 1L040 747 M½ ab. Tödtungen und Ver⸗ letzungen von Reisenden sind im Jahre 1874 nicht vorgekommen. An Verletzungen von Bahnbeamten und Bahnarbeitern sind 49 zu be— klagen, von denen 3 den Tod zur Folge hatten. Der Kosten aufwand für Entschädigungen betrug 2276 Th
— Am 6. Juni ist in Dresden im Kurländer Palais, Zeughaus⸗ Platz Nr. 3 die von ung bereits angekündigte Ausstellung alter kunstgewerblicher Arbeiten eröffnet worden. Dieselbe umfaßt die besten Vorbilder aller Gebiete des Kunstgewerbes vom Mittel⸗ alter bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, ste ist bereichert worden durch umfängliche Zusendungen aus den Königlichen Schlössern, von den Stadt ⸗ und Kirchengemeinden, sowie von einer großen Zahl von Privatsammlern, und giebt ein schönes Zeugniß des reichen B sitzes alter und gediegener kunstgewerblicher Arbeiten im Königreich Sachsen. Die Dauer der Ausstellung ist auf zwei Monate festgeftellt.
— Die erste ordentliche Generalversammlung der Leipzig⸗ Gasch witz Meuselwitzer Eisenbahngeselischaft fand gestern in Leipzig statt. Anwesend waren 19 Aktionäre mit 3939 Aktien mit ebensoviel Stimmen. Did eiste Betriebsperiode umfaßt die Zeit vom 7: Sep ember bis 31. Dezember 1874 und hat, wenngleich die har⸗ niederliegende Indrstrie den Meuselwitzer ae n,, den⸗ noch die gleichen Ergebnisse erbracht, welche die ltenburg · Zeitzer Eisenbahn in den ersten Monaten ihres Bestehens erreichte, so daß die Hoffnung vorhanden ist, es werde die Zukunft des Unter nehmens eine gedeihliche werden. Von der in der General— versammlung, vom 22. Oktober vorigen Jahres genehmig= ten Prigritätsanleihe um die von Oberaufsichtswegen geforderten Mehrleistungen rügdsichtlich der Ausstattung und Erweiterung der Bahn bestreiten zu können, wurde in fang? dieses Fahre ein Theil durch die Allgemeine Deutsche Kreditanstalt begeben, wo⸗ durch die in der Bilanz vom 31. Dezember 1874 aufgeführten schwe⸗ benden Schulden getilgt wurden. Saͤmmtliche Punkte der Tagesord⸗ nung wurden einstimmig genehmigt, darunter beschlossen, daß der Dividendenschein Nr. 2 der Prieritäte Stammaktien mit 27.56
und derjenige der Stammaktien mit 1125 M vom I. Juli ab ein- gelöst werden soll. 8
festgestellt ist.