In demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf 50 Eisenbahnen durch im eigenen Betriebe liegende Ursachen zu⸗ sammen S08 Züge, gleich 6, Prozent der beförderten Züge.
— Die Reichs tags⸗Kommission zur Vorberathung der Entwürfe eines Gerichtsverfassungs⸗Gesetzes, einer Strafprozeß⸗Ordnung und einer Civilprozeß⸗ Ordnung nebst Einführungsgesetzen fuhr in ihrer Sitzung vom 6. September mit Berathung des Abschnitts über die Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten fort. Bei § 248 entspann sich eine längere Debatte darüber, ob der Entwurf der den Geschworenen vorzulegenden Fragen von dem Vorsitzenden, wie der Entwurf es vorschlägt, oder von dem Ge⸗ richte, oder von der Staatsanwaltschaft aufgestellt werden solle; die Kommission entschied sich für den ursprünglichen Entwurf. §. 249 fand in einer vom Abg. Dr. v. Schwarze beantragten Fassung, durch welche klar dargestellt wurde, daß auch die Geschworenen Abände⸗ rung der vorgelegten Fragen und Hinzufügung von Fragen be⸗ antragen können, Annahme, dagegen wurde bei §. 259 ein An⸗ trag, die in den §8§. 251 —– 253 enthaltenen Spezialbestimmungen über die Fragestellung zu streichen und in dieser Hinsicht das richterliche Ermessen walten zu lassen, abgelehnt und derselbe selbst unverändert angenommen. Auch bei §. 251 wurden mehrere Anträge, welche den Zweck verfolgten, die absolute Vorschrift des Entwurfs, daß die Hauptfrage die dem Angeklagten zur Last ge⸗ legte That nach ihren gesetzlichen Merkmalen bezeichnen müsse, zu be⸗ schränken und unter Umständen zuzulassen, daß diese Merkmale in die unterliegenden konkreten Thatsachen aufgelöst, bezw. daß desfallsige Zusatzfragen gestellt werden, abgelehnt, während ein Zusatzantrag des Abg. Reichensperger Annahme fand, wonach auch die Frage wegen der mildernden Umstände zur Zuständig⸗ keit der Geschworenen gehören soll.
— Auf Grund des 5§. 75 des Gesetzes, betreffend die Ver⸗ fassung der Verwaltungggerichte und das Verwaltungsstreitver⸗ fahren vom 3. Juli d. J., haben die Minister des Innern und der Finanzen einen Tarif für die Berechnung des Pauschquantums, sowie der Gebühren für Zeugen und Sachverständige in den von den Kreisaus⸗ schüssen und Bezirks-Verwaltungsgerichten zu ent⸗ scheidenden streitigen Verwaltungssachen aufgestellt, welcher in materieller Beziehung mit dem unter dem 4. Dezember 1873 für die Kreisausschüsse und mit dem unter dem 8. Februar 1874 für die Verwaltungsgerichte erlassenen Tarife übereinstimmt. Derselbe wird durch die Amtsblätter zur öffentlichen Kenntniß gebracht werden und vom 1. Oktober d. J. ab an die Stelle der zuletzt gedachten beiden Tarife treten.
— Nachdem die hohe Bedeutung des Mädchenturnens zu allgemeinerer Anerkennung gelangt und die Einführung dieses Unterrichtszweiges bei den öffentlichen, wie bei den Privatschulen im raschen Fortschritt begriffen ist, hat auch das Verlangen nach gehörig ausgebildeten Turnlehrerinnen sich immer häufiger geltend gemacht und nach der „Prov. Corr.“ die Erwägung der Frage nahe gelegt, in welcher Weise für Befriedigung des un⸗ verkennbaren Bedürfnisses gesorgt werden könne. Vis jetzt war es nicht thunlich, von staatlicher Seite Veranstaltungen zur Aus⸗ bildung von Turnlehrerinnen zu treffen. Um so noth⸗ wendiger erschien es, daß Gelegenheit gegeben werde, den Nachweis gehöriger Befähigung zur Ertheilung von Mädchen⸗Turnunterricht zu führen. Von Seiten des Ministeriums der geistlichen 2. Angelegenheiten ist daher eine Prüfung für Turnlehrerinnen eingerichtet und den zuständigen Provinzialbehörden die Weisung ertheilt worden, so⸗ wohl die Einführung des Turnunterrichts bei den Mädchen⸗ schulen nach Möglichkeit zu fördern, als auch darauf Bedacht zu nehmen, daß derselbe von Lehrerinnen ertheilt werde, welche ihre Befähigung dazu vorschriftsmäßig nachgewiesen haben.
Nach dem von dem genannten Ministerium aufgestellten Reglement sollen zur Prüfung zugelassen werden: 1) Bewerbe⸗ rinnen, welche bereits die Befähigung zur Ertheilung von Schulunterricht vorschriftsmäßig nachgewiesen haben; 2) sonstige Bewerberinnen, wenn sie eine gute Schulbildung nachweisen und das 18. Lebensjahr überschritten haben. Die Prüfung findet jährlich im Frühjahr und im Herbst statt. Diejenigen Bewerbe⸗ rinnen, welche die Prüfung bestanden haben, erhalten ein Be⸗ fähigungszeugniß.
— Nach einem Reskript des Ministers der geistlichen 2c. Ange⸗ legenheiten vom 22. Juli d. J. sind die Regierungen bei ihrem unveränderten Rechte, über die Aufbesserung nicht aus⸗ kömmlicher Gehälter der Lehrer an den Volksschulen durch Festsetzung der erforderlichen Zuschüsse zu befinden, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für befugt zu erachten, die dazu ergangenen Anordnungen im Zwangswege durchzufüh⸗ ren, so lange nicht rechtskräftig etwas Anderes entschieden worden.
— Rüclsichtlich der Auslegung der §§. 1 und 2 des Ge— setzes vom 23. Februar 1870, betreffend die Genehmigung zu Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen, hat der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten in einem Spezial⸗ erlaß die Annahme für richtig erachlet, daß bei Schenkungen unter 10900 Thalern Werth, oder bei Schenkungen, durch welche weder eine neue juristische Person ins Leben gerufen wird, noch eine Widmung zu andern als den bisher genehmigten Zwecken einer bereits bestehenden Korporation ꝛc. stattfindet, es einer be⸗ sonderen Genehmigung nicht bedarf. Unter der Herrschaft des Gesetzes vom 13. Mai 1833 bestand gemäß §. 1 desselben hin⸗ sichtlich der hier in Betracht kommenden Schenkungen eine Anzeigepflicht. Rechtsfolgen an die Unterlassung waren jedoch schon damals nicht geknüpft. Bei Emanation des Gesetzes vom 253. Februar 1870 hat man die Anzeigepflicht fallen lassen. Wenn demnach auch für die Rechtsgültigkeit solcher Schenkungen nicht die Anzeige nöthig ist, so legt der Minister doch Werth darauf, von wichtigen und besonders interessanten derartigen Zu⸗ wendungen, wie z. B. die vorliegende, Kenntniß zu erhalten.
— Thut der Vorstand eines politischen Vereins einleitende Schritte behufs Verbindung mit einem anderen politischen Vereinen so ist nach einem Beschluß des Ob er⸗-Tribunals vom 12. Juli d. J. ein Strafverfahren gegen die Betheiligten erst dann einzuleiten, wenn diese Schritte eine entsprechende Er⸗ widerung Seltens des anderen Vereins gefunden.
— Der Kaiserliche Konsul Kommerzien⸗Rath A. A. Levon zu Wasa (Nicolaistad ist am 29. v. M. gestorben.
— Das Mitglied der General⸗Direktion der Königlichen schwedischen Staatsbahnen, Ober⸗Direktor Almgren, ist hier eingetroffen.
— Der Thierarat erster Klasse Bahr zu Freistadt ist zum e, , Kreis⸗Thierarzt des Kreises Freistadt ernannt worden.
— S. M. S. „Deutschland“ ist am 6. d. Mts. in Wilhelmshaven außer Dienst gestellt.
Landeshut, 6. September. General⸗Feldmarschall Graf von Moltke traf am 2. 8 M., dem Sedanstage, hier ein und nahm bei Hrn. Paul Methner Quartier. Begleitet von den an der Generalstabsreise betheiligten Offizieren, erschien Graf von Moltke Nachmittags auf dem Festplatz, wo ihn der Turn⸗ und der Kriegerverein begeistert begrüßten. Der Krieger⸗ verein führte demnächst einige Exerzitien aus, die belobigende Anerkennung fanden. Am nächsten Tage brachten der Handwerker⸗ und der Kriegerverein dem Grafen von Moltke einen Fackelzug dar. Im Garten des Methnerschen Hauses nahmen die Vereine Aufstellung; der Handwerkerverein und die Liedertafel trugen patriotische Ge⸗ sänge vor, dann brachte Bürgermeister Pfuhl ein Hoch aus, in welches die Vereinsgenossen mit Begeisterung einstimmten. Nach⸗ dem Graf von Moltke seinen Dank ausgesprochen, bewegte sich der Zug nach dem Ringe, wo die Fackeln verlöscht wurden. Das Haus, in welchem Graf von Moltke auf besondere Einladung des Hrn. Paul Methner wohnte, beherbergte vor 123 Jahren auch Friedrich II. welcher am 1. Mai des Jahres 1752 dort übernachtete.
Kiel, 3. September. (Kieler Ztg.) Die russische Panzer⸗ fregatte , Knäs Pojarski“ verließ heute Morgen um 66 Uhr den Kieler Hafen und geht nach Kronstadt.
Borkum, 4. September. Auch hier, auf einer der äußer⸗ sten ostfriesischen Inseln, ist der 2. September feierlichst be⸗ gangen worden. Durch ein vom Amtsvoigt der Insel berufenes Comité aus Badegästen wurde die Feier bestimmt. Am frühen Mor⸗ gen ertönte ein feierlicher Choral, in den der Klang der Glocken und das dumpfe Rauschen der Meereswogen erhebend einstimmten. In⸗ zwischen hatte sich die Schuljugend, wie ein großer Theil der Badegäste und Insulaner zu einem Festzug durch den Ort zusammengestellt, um der Schuljugend zum Andenken an diesem Tag eine schwarz⸗weiß⸗rothe Fahne zu übergeben. Hr. Wermelskirch, Major a. D., in Torgau übergab die Fahne in seiner Rede auf die Bedeutung hinweisend, wie Liebe zum Vaterland, Treue und Gehorsam bis zum letzten Blutstropfen einen Jeden erfüllen müßte. Den Abend wurde ein Fackelzug nach der Franzosenschanze geführt, daselbst ein prachtvolles Feuerwerk abgebrannt und bei der Rückkehr waren alle Häuser illuminirt. Ein Festessen von 130 Personen vereinigte hierauf den größten Theil der Badegäste in Bakkers Hotel. Der Major Wermelskirch brachte den ersten Toast auf Se. Majestät den Kaiser aus, Pfarrer v. Oertzen aus Hannover auf die Armee. Der dritte offizielle Toast wurde von dem Postsekretär Walther aus Eisenach auf die Reichs⸗ regierung und den Reichskanzler Fürsten von Bismarck ausgebracht. . . den Tag, der Allen in schöner Erinnerung
eiben wird.
Bayern. München, 6. September. Die Nachricht der „Corr. Hoffmann“, daß der Kriegs⸗Minister General⸗ Lieutenant v. Maillinger am 3. d. zur Audienz bei Sr. Majestät dem König nach Schloß Berg befohlen worden und erst spät in der Nacht hierher zurückgekehrt sei, entbehrt, der Allg. Ztg.“ zufolge, in jeder Richtung der Begründung. — Das den Kammern alsbald nach ihrem Zusammentritt vorzu⸗ legende Budget für die nächste Periode 1876 und 1877 ist in der neuen Reichs währung aufgestellt, doch wird zur leichteren Uebersicht bei jedem Postulat die betreffende Ziffer in der bisherigen süddeutschen Währung in einer besonderen Rubrik beigefügt. Nachdem bei der Umrechnung der Beamtengehalte in die neue Währung der Gulden mit 1 S6 S0 8 berechnet werden soll, was einer Erhöhung um 5 Prozent ent⸗ spräche, wird anzunehmen sein, daß auch bei den Staats⸗ einnahmen die gleiche Umrechnung zur Anwendung kommt. — Berichte über stattgehabte feierliche Begehung des Sedantages liegen aus einer großen Anzahl kleinerer Orte, sowohl im dies⸗ als im jenseitsrheinischen Bayern, vor. Die äußere Physiognomie der Feier war im Allgemeinen ziemlich übereinstimmend dieselbe, nur nach den örtlichen Mitteln und Gelegenheiten modifizirt. Den Mittel⸗ und häufig den Ausgangs⸗ punkt bildeten in der Regel die Veteranen⸗ und Kriegervereine. — Der neue Erzbischof Schreiber von Bamberg hat am 5.,, dem Tage seiner Konsekration durch den Erzbischof von München⸗Freising, an den Klerus und die Gläubigen seiner Erzdiözese einen Hirtenbrief erlassen, in welchem er u. A. in Bezug auf sich selbst sagt: „Ihr werdet nicht verkennen, daß ein Priester, welcher während der Zeit seines priesterlichen Be⸗ rufes größtentheils als Seelsorger auf dem Lande thätig gewe⸗ sen, an die Leitung einer Diözese, zumal in den gegenwärtigen ernsten Tagen, nur mit demselben Bangen herantreten könne, mit welchem ein Mann, der seither nur einen Kahn und diesen in ruhiger Bucht gelenkt, das Steuer eines großen Schiffes auf offener und aufgeregter See ergreifen soll .. ꝛc.“ Doch werde sein „Vertrauen nicht wenig genährt durch den Aufblick zu Dem, der die Herzen und Nieren durchforscht und also auch weiß, daß in unserer Seele der feste Entschluß lebt, den Interessen unserer heiligen Kirche mit aufopfernder Liebe bis zum letzten Athemzuge dienen zu wollen. Dann mahnt er zum Ge⸗ horsam gegen die weltliche Obrigkeit mit den Worten: „Wir selbst, unterthan jeder menschlichen Obrigkeit um Gotteswillen (1. Petri 2, 13 — 14), suchen gegenuber der Verwirrung der Begriffe, dem neuen Evangelium, das sein Reich auf den Trümmern der zerstörten Weltordnung aufbauen will, Angesichts des tiefgeschädigten Ansehens der Obrigkeit das Gesetz, welches der Herr in das Menschenherz und auf die zehn Tafeln geschrieben, und besonders dasjenige zur Geltung zu bringen, welches der Völkerapostel mit den Wor⸗ ten verkündiget: Es giebt keine Gewalt als von Gott, und die, welche besteht, ist von Gott angeordnet, und der sich ihr widersetzt, widersetzt sich Gott“ u. s. w. — Endlich sagt er: „Der Geist der göttlichen Lehre ist kein Geist der Unduldsamkeit und Herrschsucht, sondern der Geist der Liebe. Am Schlusse des Hirtenbriefs betheuert der Erzbischof seine Liebe zu König und Vaterland und ruft den Schutz des Allmächtigen und Allgütigen für König Ludwig II. an, „damit er in allen Fürstentugenden glänze, sein und seiner Regierung Ruhm, wie durch die bewährte Anhänglichkeit seines Volkes, so dadurch vermehrt werde, daß er Zeuge sein könne, wie dieses, vor Unglück und Bedrängniß bewahrt, sich an den Früch⸗ ten wahrer Bildung und christlicher Gesittung, an der Erhöhung seines Wohlstandes und Bürgerglücks erfreue und so durch das Zeitliche gehe, daß es das Ewige darüber nicht verliere.“
essen. Darm stadt, J. September. Noch immer laufen zahlreiche Berichte über die Feier des Sedantages aus . einzelnen Städten und Ortschaften des Großherzogthums ein, welche die Allgemeinheit und den guten Ausfall der Feier be⸗ weisen. So wurde der Sedantag gefeiert in Gießen, Friedberg,
Butzbach, Erbach, Michelstadt, Lampertheim, Worms, Heides⸗ heim, Bingen, Hochheim bei Worms, Dalsheim, Westhofen, Hohen⸗Sülzen, Dittelsheim, Heubach, Lengfeld, Castel, Pfung⸗ stadt, Weisenau, Neckar⸗Steinach und Lauterbach. Aus dem Kreise Erbach schreibt man, daß die Schulen aus den Orten Airlenbach, Bullau, Ebersberg, Etzeau, Günterfürst, Güttersbach, Haisterbach, Hüttenthal, Hiltersklingen, Olfen und Schämen, die Lehrer und mehr als 400 Schulkinder bei dem an der von Erbach nach Beerfelden führenden Chaussee gelegenen „Jäger⸗ hause“, in der Marbach, zu einer Sedanfeier zusammengekommen sind. Nach Absingung der „Wacht am Rhein“ hielt dort Lehrer Ditter eine kurze passende Ansprache an die Kinder, worin er ihnen den Ursprung und die Bedeutung dieses Tages klar machte und mit einem Hoch auf „Kaiser und Reich“ schloß. — Die Vorarbeiten zur Klassifikation der evange⸗ lischen Pfarrstellen sind nunmehr beendet, und ist dem Ausschusse der Landessynode der Entwurf eines Gesetzes vor⸗ gelegt worden, welcher bezüglich der Pfarrgehalte 7 Besoldungs⸗ stufen annimmt. Der Minimalgehalt beträgt 1715 6 und steigt bis zu 3600 S4 Nach den ersten 5 Dienstjahren erfolgt eine Besoldungsaufbesserung. Das Gesetz über das Besteuerungs⸗ recht der Kirchengemeinschaften, welches demnächst in Wirksam⸗ keit treten wird, bietet die Mittel zur Durchführung der Auf- besserung des Einkommens der Pfarrstellen. In Mainz wird demnächst eine altkatholische Gemeinde organisirt werden; bis jetzt besteht eine solche nur in Offenbach.
Jugenheim a. d. B., 6G. September. Se. Durchlaucht der Prinz Ludwig von Battenberg, welcher einen drei⸗ monatlichen Urlaub bei seinen Eltern auf Schloß Heiligenberg hier zugebracht, ist heute auf erhaltene Einberufung wieder nach
England abgereist, um seinen Dienst als Königlich großbritta⸗ nischer Marine⸗Lieutenant wieder anzutreten und sich nächstens auf dem für die Reise Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen von Wales nach Indien bestimmten Schiffe „Serapis“ einzuschiffen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 7. September. Der 3. September d. J. ist nicht blos als der hundertste Jahres⸗ tag des Regierungsantritts des Großherzogs Carl August, son⸗ dern zugleich auch als ein Erin nerungstag an die 60jäh⸗ rige Vereinigung der im Jahre 1815 zu Weimar er⸗ worbenen neuen Landestheile mit den altweimari⸗ schen Landen anzusehen. Diese neuen Landestheile, ein Gebiet von 31 Quadratmeilen umfassend, bestehen im Weimarischen Kreis aus der ehemaligen Herrschaft Blankenhain, dem ehe⸗ maligen Amt Franichfeld und Krakendorf, einigen ehemaligen Kommenden des deutschen Ordens, den ehemaligen Eckardts⸗ bergaischen Enklaven, dem ehemaligen Amt Tautenburg, den ehemaligen Erfurtschen (Schloßvippacher) Gebietstheilen, ein⸗ zelnen Ortschaften der Aemter Naumburg, Pforta, Wendelstein und Weißensee, dem vormaligen Amt Atzmannsdorf, dem vor⸗ maligen Amt Gispersleben, dem vormaligen Amt Tonndorf; weiter im Eisenacher Kreis aus den früher zum Departement Fulda gehörigen Kantonen Dermbach und Geisa, den früher zu Kurhessen zählenden vormaligen Aemtern Frauensee und Vacha, und den Gerichten Völkershausen und Lengsfeld; verschiedenen Orten aus den kurhessischen Aemtern Friedewald und Mansbach und endlich aus dem Neustädter Kreis. Mit diesem Gebiets⸗ zuwachs ward das Herzogthum Sachsen⸗Weimar zum Groß⸗ herzogthum erhoben und Carl August erhielt, in An⸗ erkennung seiner hervorragenden Verdienste um die deutsche Sache während der Kämpfe um die Be⸗ freiung Deutschlandse die Würde und den Titel eines Großherzogs. Um nun den diamantenen Erinnerungs⸗ tag des Anschlusses der neuen an die alten Lande nicht still vorübergehen zu lassen, wurde, wie man der ‚Weim. Itg.“ schreibt, von Blankenhain aus an die Bewohner Neu⸗ weimars die Aufforderung gerichtet, in einer Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog zu widmenden Adresse das Andenken des Höchstseligen ersten Großherzogs Carl August zu feiern und dem jetzigen Landesherrn die Gefühle der Dankbarkeit und Liebe, der Treue und Anhänglichkeit an Fürstenhaus und Vaterland aus⸗ zusprechen. Mit Unterschriften aus allen Theilen Neuweimars reich bedeckt, ist diese kalligraphisch ausgeführte, in einem geschmack⸗ voll und schön ausgestatteten Album enthaltene Adresse am 3. September d. J. unmittelbar nach den Denkmals⸗ Enthüllungsfeierlichkeiten Sr. Königlichen Hoheit dem Groß⸗ herzog in Gegenwart Ihrer Königlichen Hoheit der Groß⸗ herzogin im Residenzschloß zu Weimar durch eine aus sechs Mitgliedern bestehende Deputation mit einer kurzen, angemessenen Ansprache des Deputationsführers überreicht und zur Verlesung gebracht worden. Die Deputirten haben auch die Auszeichnung genossen, Ihrer Majestät der Deutschen Kaiserin durch Se. Königliche Hoheit den Großherzog nach beendetem Gala⸗ diner einzeln vorgestellt zu werden.
Anhalt. Dessau, 6. September. Alle Zeitungen des Landes enthalten Schilderungen der in sämmtlichen Städten und Ortschaften unter allgemeiner Theilnahme stattgefundenen Feier des Sedan tages. Eine besondere Weihe erhielt diesmal das Fest in Bernburg durch die bei demselben erfolgte feierliche Ent⸗ hüllung eines stattlichen, von dem dortigen Kreise den im Kriege 1870171 gefallenen Söhnen und Vertheidigern errichteten Denkmales.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 6. September. Eine erhebende, echt patriotische Feier wurde gestern Nachmittag im Tivoli begangen. Von nah und fern waren Kriegervereine mit ihren Bannern herbeigeeilt, um Theil zu nehmen an der Weihe der neuen Fahne des hiesigen Kriegervereins. Der Zug nach dem Festlokal Tivoli formirte sich Nachmittags auf dem Kleberpiatze, wo sämmtliche Theilnehmer um 2 Uhr Paradeaufstellung nahmen. An der Spitze des Zuges, der 27 Fahnen und ungefähr 600 Theilnehmer aufwies, befanden sich zwei Musilchöre. Die Fahnen gehörten folgenden Vereinen an: Metz, Heidelberg, Wachenheim, Ichenheim, Karlsruhe, Wiesbaden, Elberfeld, Biberich, Bingen, Darm⸗ stadt, Griesheim, Emmendingen, Durlach, Offenburg, Frei⸗ burg i. B., Pforzheim, Lahr, Bodersweier, Mahlstatt, Ruch⸗ heim, Kehl, Wolfach, Friedrichsthal, Güdingen. Ganz be⸗ sonderes Interesse erregten die Pforzheimer mit ihrem aus unzähligen Fetzen bestehenden Banner, unter dem sich in der Schlacht bei Wimpfen am 6. Mai 1622 vierhundert Pforz⸗ heimer schaarten. In dem durch zahlreiche Fahnen, Guirlanden und Wappen geschmückten Tivolisaal begann die Hauptfeierlich⸗ keit um 4 Uhr. Dieselbe wurde eingeleitet durch einige Worte des Willkommens, welche der Präsident des Kriegervereins, Hr. Winkler, an die Gäste richtete. Die eigentliche Festrede, gehalten von 65 . gipfelte in den Worten: der Kriegerverein hat ch ege des Patriotismus und Uebung der brüderlichen Liebe zur Pflicht gemacht. Unter Geschützdonner mit Mufik⸗
U begleitung folgte dann die Absingung der Nationalhymne und
nach deren Beendigung die Weihe der Fahne durch ein drei⸗ faches Hoch auf den obersten Kriegsherrn, Se. Majestät den Kaiser, in das die ganze Versammlung begeistert ein stimmte. Mit einem dreifachen Hochrufe auf Deutschland wurde dann die Fahne durch den Präsidenten an den derzeitigen Fahnenträger übergeben. Der mit Instrumentalbegleitung ausgeführte Chor⸗ gesang: ‚„Deutschland, Deutschland über Alles“ endete biesen Akt der Feier. Ihre Fortsetzung fand dieselbe im Garten, in welchem unter ununterbrochenem Vor⸗ trage von Musikstücken Seitens der Kapellen des 25. Rheinischen und des 105. Sächsischen Infanterie⸗Regiments ein reges Leben und Treiben herrschte, an dem die geladenen Ehrengäste, General v. Schachtmeyer und General v. Schkopp nebst anderen hohen Offizieren Theil nahmen. Mit Eintritt der Dunkelheit wurde ein Feuerwerk abgebrannt, an das sich ein gemeinsames Banket im Theatersaal reihte. Den Abschluß des ganzen Festes wird heut Abend ein Ball in der Réunion des Arts bilden. Die Vereinsfahne ist in Leipzig in der Pardubitzschen Fabrik ange⸗ fertigt und hat einen materiellen Werth von 90 ½ Auf weißem Grunde befindet sich auf der einen Seite in bunter Stickerei das Symbol der „Wacht am Rhein,“ die Germania wie sie mit ge⸗ zücktem Schwert, auf einen Schild gestützt, in dem der deutsche Reichsadler angebracht ist, über den Rhein wacht. Die andere Seite mit rothem Grunde zeigt das Wappen der Stadt Straß⸗ burg und das Datum der Gründung des Vereins, den 25. Juli 1873.
Desterreich⸗ Ungarn. Wien, 6. September. Der Kaiser trifft mit dem Erzherzog Kronprinzen Ru dolf übermorgen Nach⸗ mittags aus dem Brucker Lager in Schönbrunn ein, wo der Allerhöchste Aufenthalt genommen wird.
Triest, 6. September. Die amerikanische Kriegskorvette „Congreß“ ist, aus Corfu kommend, Nachmittags in der Rhede von Triest vor Anker gegangen und salutirte die öster⸗ reichische Flagge mit 21 Kanonenschüssen, welche vom Castell so⸗ fort erwidert wurden.
Pest, 6. September. In der heutigen Sitzung des Ober⸗ hauses unterbreitete der Adreßausschuß den Adreßentwurf, welcher Donnerstag in Verhandlung genommen wird. Der Ent⸗ wurf betont die Opferwilligkeit der Nation und spricht die Hoff⸗ nung aus, daß es der Legislative gelingen werde, mit Rücksicht⸗ nahme auf die Erfahrungen der letzten Jahre, namentlich durch die Bestrebungen, die auf Hebung der Agrikultur gerichtet sind, nicht blos die Schwierigkeiten des Augenblickes zu beseitigen, son⸗ dern auch gleichzeitig die dauernden Grundlagen für eine glück— lichere Zukunft zu legen.
Im Entwurfe heißt es ferner: Wiederholt hat das Ober⸗ haus seine tiefgewurzelte Ueberzeugung betreffs der Nothwendig⸗ leit einer Reorganisation dieses Theiles der Legislative betont, und so kann es auch jetzt vor dem erhabenen Throne Eurer Majestät seine Bereitwilligkeit aussprechen, an Allem mitzu⸗ wirken, was unter gehöriger Würdigung der historischen Rechte, sowie unter sorgfältiger Berücksichtigung der bestehenden Ver⸗ hältnisse und Institutionen und zwar unter vorsichtiger Ver⸗ mittelung und Vereinbarung beider, dazu gereichen kann, daß das Oberhaus ein solches Element des politischen und nationalen Lebens und Vaterlandes, ein solcher Faktor der Legislative sein und bleiben könne, welcher in der heilsamen und konsequenten Ausübung seines Einflusses in der Gegenwart und auch in der Zukunft seine Existenzberechtigung und zugleich die Unterstützung jener Mission finden könne, welche Gesetz, Tradition und Ge⸗ schichte für dasselbe bezeichneteg.
Der Entwurf sagt ferner: Wir finden auch in jenen Hoff⸗ nungen Beruhigung, welche die allergnädigste Thronrede trotz der in jüngster Zeit eingetretenen Ereignisse aus den mit den auswärtigen Mächten bestehenden herzlichen Verhältnissen für die Erhaltung des Friedens schöpft. Die Hoffnungen Eurer Majestät basiren auf den Verhältnissen, deren günstige und be⸗ ruhigende Entwickelung dem in der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten der Monarchie auf die Erhaltung des Friedens mit Erfolg gerichteten Bestreben, insbesondere der mit seltener Selbstverleugnung wiederholt geübten persönlichen Mitwirkung Eurer Majestät zu danken ist, und begegnen diese Resultate den lebhaften Dankgefühlen der Völker Eurer Majestät.
— In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde auf Antrag Balthasar Horvaths anläßlich des Ablebens des Kaisers Ferdinand protokollarisch das Beileid des Hauses aus⸗ gesprochen. Hierauf wurden die Sektionen ausgeloost.
— J. September. (W. T. B.) Der „Pester Lloyd“ demen⸗ tirt auf das Entschiedenste die Nachricht, daß die ungarische Regierung wegen Aufnahme einer Anleihe von 90 Millionen Gulden in Unterhandlungen stehe.
Schweiz. Bern, 4. September. Der erste Sekretär der hiesigen französischen Gesandtschaft, Hr. Laboulanye, geht nach St. Petersburg, um während der Abwesenheit des Hrn. v. Faverney die Geschäfte der dortigen französischen Bot⸗ schaft zu führen. — Die Neuwahl des Nationalrathes ist vom Bundesrath auf den nächsten 31. Oktober angesetzt. Es ist die zehnte Amtsperiode, für welche gewählt werden wird. — Die altkatholische Synode ist auf den nächsten 30. Sep⸗ tember nach Pruntrut einberufen.
Niederlande. Haag, 4. September. Se. Majestät der Kön ig wird nach neuester Meldung am 13. d. aus der Schweiz nach dem Haag zurückkehren. Der Prinz von Oranien hatte nachM seiner Badekur in Karlsbad Ungarn, Wien und Ischl besucht und sich dann nach der nördlichen Schweiz begeben. Dort hrachte er vor etwa einer Woche einige Tage in der Gesellschaft der Kaiserin Eugenie, ihres Sohnes und der Prinzessin Mathilde auf Schloß Arenenberg zu. Der Prinz stattete auch den würt⸗ tembergischen Majestäten in Friedrichshafen und dem Großher⸗ zoge und der Großherzogin von Baden auf der Insel Mainau Vesuche ab. — Der 5. Jahrestag der Schlacht von Sedan wurde von den Deutschen in den Niederlanden eben⸗ falls gefeiert, u. a. in Amsterdam durch eine festliche Ver⸗ sammlung und in Scheveningen durch ein Festbanket in dem großen Badhaus.
Großbritannien und Irland. London, 6. Sep⸗ tember. Ihre Majestät die Königin hat der „London Gazette“ zufolge den Major W. O. Lanyon zum Administrator der Provinz Griqua Land West ernannt. — Die Königin wird am 20. d3. dem Herzog von Argyll auf Inverary Castle einen Besuch abstatten. Es werden deaselbst großartige Vorbereitungen getroffen, um Ihrer stät einen hochländischen Willkommen zu bereiten.
ö Paris, 6. September. Uebereinsiimmenden Berichten der öffentlichen Blätter zufolge, ist die Mobil⸗ machung der Reserveklasse von 1867 allenthalben nach
Dir im Siegerkranz“ erwidert wurde.
Maje⸗
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Wunsch von statten gegangen. Das „Journal des Debats“ beziffert das Gesammteffektiv der einberufenen Mannschaften, die binnen vierundzwanzig Stunden von ihren Wohnsitzen nach den Depots der verschiedenen Regimenter versetzt waren, auf etwas mehr als 100,00 Mann. Die Rundschreiben des Kriegs⸗ Ministers vom 7. und 10. August hatten allerdings ein Total von 143,052 Mann vorhergesehen, die Differenz erklärt sich aber daraus, daß die Reservisten von vier Armee⸗Corps (auf achtzehn), deren Bestand man in runder Ziffer auf 32,000 Mann anschlagen kann, erst auf den 25. September einberufen werden sollen, und einige tausend Mann aus gesetzlichen Grün⸗ den (Post⸗, Telegraphen⸗, Eisenbahn⸗, Marinebeamten, Schutz⸗ männer, Familienstützen, Trappisten, Karthäuser 2c.) dispensirt sind. Die Zahl der ohne solche Entschuldigung Ausgebliebenen scheint demnach nicht bedeutend zu sein; dieselben werden jetzt noch einmal eine Marschordre erhalten, und wenn sie auch dieser nicht nachkommen, kriegsgerichtlich verfolgt werden.
Italien. Rom, 4. September. Se. Majestät der König hat gestern das Dekret unterzeichnet, durch welches die Nationalgarde von Neapel für aufgelöst erklärt wird. — Se. Königliche Hoheit der Kronprinz Humbert ist vor⸗ gestern von Neapel nach Palermo abgefahren. In seiner Be⸗ gleitung befand fich auch der Minister⸗Präsident und der Mi⸗ nister für Handel, Gewerbe und Ackerbau. Auf hoher See kam dem Prinzen der Dampfer „Luna“ mit vielen Kongreßmitglie⸗ dern entgegen, die ihn jubelnd begrüßten. Als das Schiff, welches den Prinzen und sein Gefolge trug, gestern in den Hafen von Palermo eingelaufen war, kamen die Spitzen der Behörden an Bord, um ihn zu bewillkommnen. Am Forum Italicum erwartete den Prinzen eine unabsehbare Volksmenge; die Stadt war mit Fahnen und Kränzen geschmückt. — Wie seiner Zeit berichtet wurde, ist der Senator, Herzog Satriano in Neapel beschuldigt, Privatdokumente gefälscht zu haben, und hatte sich der Senat veranlaßt gesehen, eine Kom⸗ mission nach Neapel zu schicken, welche den Sachverhalt prüfen und nöthigenfalls die Untersuchung gegen das unwürdige Mit⸗ glied des hohen Rathes einleiten sollte. In Folge davon ist der Herzog gestern in aller gesetzlichen Form in seinem Palast in Neapel verhaftet und in verflossener Nacht nach Rom gebracht worden, wo er in die Engelsburg abgeliefert wurde. Der Senat soll Ende dieses Monats zusammenberufen werden, um als höchster Gerichtshof das Urtheil über den Angeklagten zu fällen. — Gestern Abend wurde im hiesigen deutschen Künstlerverein der Tag von Sedan durch ein gemeinsames Festmahl der in Rom anwesenden Deutschen gefeiert. Der Saal war prächtig mit Blumen und Fahnen ausgeschmückt. Den Mittelpunkt der Dekorationen bildete die von Blumen umgebene und mit Lorbeer bekränzte Kaiserbüste von Kopf. An der Feier betheiligten sich gegen 40 Personen, von denen manche den Krieg von 1870 und 71 mit⸗ gemacht hatten. Der Schriftführer des Vereins, Dr. Kanitz, brachte den ersten Toast auf Kaiser und Reich aus, der mit Begeisterung aufgenommen und mit dem Gesange des „Heil Andere Trinksprüche auf die Armee, auf das deutsche Volk u, s. w. folgten. Auch fehlte es nicht an kräftigen Gesängen, wie die ‚Wacht am Rhein“, „Deuischland, Deutschland über Alles“, und so blieben die Fest⸗ genossen bis spät in die Nacht in freudig gehobener Stimmung beisammen.
Griechenland. Athen, 29. August. Die Kammer ist am 23. August durch den König in Person, und zwar in dem neuen Hause, eröffnet worden. Der Anfang der Thron⸗ rede lautete: ̃
„Meine Herren Vertreter! Ich erscheine mit vielen Hoffnungen vor dieser nationalen Vertretung, welche dem Vaterland vieles Gute verspricht; Ich wende Mich mit Zuversicht an Sie, die Vertreter des Volkes, damit Sie zum Heile der öffentlichen Angelegenheiten mit Mir zusammenwirken durch Befestigung der konftitutionellen Gesetze der Nation und Entwicklung ihres Verfassungslebens. Meine Regie—⸗ rung hat sich rücksichtͤvoll jeder Beeinflussung des Willens der Wähler enthalten und sich den Schutz des freien Wahlrechtes angelegen sein lassen. Ich beglückwünsche die Nation, daß sie während der Wahlen ein Benehmen bethätigt hat, welches dieselbe ihrer Frei⸗ heiten würdig beweist. Meiner Regierung liegt die weitere Pflicht ob, die eventuellen Ueberschreitungen der Gesetze während der Wahlen zu verfolgen. Sie werden der unverfälschten Vertretung des Volkes die Krone aufsetzen, indem Sie die Resultate der Wahlen mit gesetz⸗ licher Strenge prüfen. Wie die Achtung Meiner Regierung vor den Wahlrechten der Nation eine vollständige war, so wird auch Meiner seits die Anerkennung der aus dem Wort und Geist des Gesetzes ent⸗ fließenden Rechte der Volksvertretung vollkommen sein. Diese Rechte der Kammer sind mit entsprechenden Pflichten für dieselbe verbunden. In⸗ dem ich von denjenigen, welche Ich zur Regierung des Landes berufe, als unumgängliche Eigenschaft fordere, daß sie das ausgesprochene Vertrauen der Mehrheit der Vertretung besitzen, erwarte Ich, daß die Kammer diese Eigenschaft möglich macht, ohne welche die harmonische Funktion der Verfassung unmöglich ist. Ich hoffe, daß die Kammer gleich nach deren Konstituirung zur Ausübung dieser Pflicht bereit sein wird, damit Ich ohne AÄAufschub in dem Willen einer unver⸗ fälschten Vertretung eine sichere Andeutung für die Bildung und Rich⸗ tung einer konstitutionellen Regierung erhalte. Dann werden Sie sich mit den anhängigen Fragen beschaͤftigen, welche aus einem anor—- malen politischen Zustand entsprungen sind, und deren gesetzliche Lösung nach den Forderungen und Wünschen des Landes Ich durch eine Appellation an das Volk nachgesucht habe. So oft hierzu die Mitwirkung Meiner Regierung nöthig sein wird, wird diese Ihnen dieselbe bereitwillig zur Verfügung stellen.“
Dann folgt die Erwähnung der Gesetze, welche die Regierung bereit hält: über Ministerverantwortlichkeit und Vorbedingungen zum Staatsdienst; über Modifikation des Wahlgesetzes; über Decentralisation der Verwaltung; über Verbesserung des Boden⸗ steuer⸗Gesetzes; über Kommunikation; über allgemeine Wehr⸗ pflicht; über Hebung der National⸗Marine; über Ausbildung der Geistlichen u. s. w.
Türkei. Konstantinopel, 7. September. (W. T. B.) Ein Telegramm Hussein Pascha's an den Kriegs⸗-Minister vom 3. d. M. meldet, daß die Insurgenten, welche sich nach der Uebergabe von Monastir und Chouma (2) in die Berge zurück⸗ gezogen hatten, sich fortgesetzt bei den türkischen Behörden zur Üünterwerfung stellen. Alles lasse darauf schließen, daß der Aufstand bald ganz erloschen sein werde. — Nach einem gestern der Regierung aus Serajewo zugegangenen Telegramm ist eine circa 1000 Mann starke Bande serbischer Zuzügler, welche die Drina bei Losnitza überschritten hatte, durch die türkischen Truppen zer sprengt worden. — Sechs Kangnen und 500 n, ,,,. welche von Serbien aus für die
nsurgenten abgeschickt und bei Gradiska gelandet worden waren, sind von den turkischen Behörden mit Beschlag belegt worden.
— (W. T. B.) Nach einem Telegramm des Valy von Bosnien vom gestrigen Tage sind die Insurgenten, die sich in ziemlich erheblicher Anzahl der Defilsen von Sotska und Mazaloum bemächtigen wollten, von 2
waffnet und bewachen die Stadt.
stellers, dem heutigen Hotel de France.
gegen sie abgeschickten Bataillonen türkischer Truppen nach wiederholten Gefechten vollständig in die Flucht geschlagen worden. Die türkischen Truppen haben die Defiléen besetzt. Die Insurgenten ließen anderthalb hundert Todte und eben so viel Verwundete auf dem Platze, der Verlust der Türken war uner⸗ heblich. — Amtlicher Mittheilung zufolge ist die Ab sendung von Truppen nach Nisch und Widdin in Aussicht ge⸗ nommen, um jedem etwa von dieser Seite erfolgenden Angriff zu begegnen und die Ruhe aufrecht zu erhalten; es wird aus⸗ drücklich hinzugefügt, daß diese Maßnahme keine feindselige Kund⸗ gebung gegen Serbien sei.
— Aus Cettinje, 7. September, Nachts, meldet, W. T. B.“: Nach hier von Seiten der Insurgenten eingegangenen Nachrich⸗ ten hat vorgestern ein hitziges Gefecht bei Dabra stattgefun⸗ den, wo die Insurgenten von 3000 Nizams mit einer Batterie angegriffen wurden. Der Kampf dauerte bis spät Abends und endete mit einer Niederlage der Türken. Letztere haben angeb⸗ lich 200 Mann an Todten verloren und eine große Anzahl von Verwundeten gehabt. Die Insurgenten geben ihren Verlust auf 5 Todte und 20 Verwundete an.
Schweden und Norwegen. Chri stiania, 6. September. Se. Majestät der König ist gestern von den Feldmanövern in Smaalenene hierher zurückgekehrt. Ihre Majestäten die Köni⸗ gin und die verwittwete Königin nebst Sr. Königlichen Hoheit dem Kronprinzen trafen heute Vormittags 11 Uhr auf hiesigem Bahnhofe ein, auf das Herzlichste begrüßt von einer unabsehbaren Menschenmenge. Die Stadt ist mit Flaggen festlich geschmückt.
Dänemark. Kopenhagen, 7. September. In Ver⸗ anlassung des Geburtstages Ihrer Majestät der Kö⸗ nigin machte die Königliche Familie mit Ihren Hohen Gästen heute einen Ausflug nach Nakkehoved, woselbst die Mittagstafel in der Wohnung des Leuchtfeuer⸗Inspektors abgehalten wurde. Am nächsten Donnerstag gedenkt Se. Majestät der König die Residenz von Fredensborg nach Bernstorff⸗Schloß zu verlegen.
Amerika. New⸗gork, 7. September. (W. T. B.) Nach hier eingetroffenen Nachrichten ist es anläßlich einer von den Mitglie⸗ dern der republikanischen Partei abgehaltenen Versammlung in Elinton am Missisippi zwischen den Weißen und den Negern zu einem gewaltsamen Zusammenstoß gekommen. Die Neger sind in die Flucht geschlagen worden und haben etwa 40 Todte und viele Verwundete verloren. Die Weißen sind be⸗ Der Gouverneur hat von den Führern der demokratischen Partei Hülfe verlangt, um die Ord⸗ nung wieder herzustellen.
Brasilien. Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß die brasilianischen Kammern Gesetzvorlagen zur Gründung von landwirthschaftlichen Banken und Centralfaktoreien zur Entwicke⸗ lung der nationalen Hülfsquellen votirt haben.
Asien. Berichten der ‚A. A. C.“ aus China zufolge, haben die Dungans die bestehende Anarchie benutzt, um ihre früheren Feindseligkeiten zu erneuern, und Paitun, Tarbuguty und Djingho sind in ihren Händen.
— Aus Birma wird derselben Corr. gemeldet, daß ein Sohn des Königs mit dem Vater in Streit gerathen und aus dem Palast geflohen sein soll, mit der Absicht eine Rebellion untet den Khans anzuregen. Er wurde indeß von Truppen verfolgt und nach Mandalay zurückgebracht, ehe er Zeit hatte, seinen Vorsatz in Ausführung zu bringen. Ferner heißt es, daß der König mit einem Italiener, Namens Ferelli, einen Kontrakt für den Bau einer Eisenbahn von Mandalay nach der Grenze, die sich der Irravaddythal⸗Eisenbahn, welche nun die indische Regierung bauen läßt, anschließen soll, unterzeichnet hat. Be⸗ züglich der weiteren Unterhandlungen zwischen dem König und der indischen Regierung betreffs des Durchzugsrechts britischer Truppen durch sein Gebiet ist nichts in die Oeffentlichkeit gelangt.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Aus der Königlichen Erzgießeremi in München wird dieser Tage das kolossale eherne Reiterbild des Königs Wilhelm von Württemberg nach seinem Bestimmungsorte Cannstatt abgehen. Dieses Denkmal wurde im Auftrage der Stadt von Professor Halbig modellirt und von Miller und seinen Söhnen im Erzguß ausgeführt.
— Der Privatdozent Dr. Karl Fromm ann zu Jena ist zum außerordentlichen Professor bei der medizinischen Fakultät der Gesammt⸗ Universität Jena ernannt worden.
— Der in Bri st ol versammelt gewesene Kongreß des bri⸗ tischen Vereins zur Förderung der Wissenschaft brachte am 1. 8. M. seine Arbeiten zum Abschluß. Zum Orte des nächst⸗ jährigen Kongresses wurde Glasgow gewählt.
— Der französijche Historien⸗ und 1 seit einigen Jahren Mitglied der Akademie der schönen Künste und Offizier der Ehrenlegion, ist im Alter von 62 Jahren gestorben. Einige seiner Gemälde, wie die „Ausschiffung der französischen Armee in der Krim“, ‚Rouget de Lisle, zum ersten Male die Marseillaise singend“, sind durch den Stich in weiteren Kreisen bekannt.
— In Saint Malo wurde am 5. d. Mts. angekündigte ⸗ maßen ein Denkmal Chateaubriands, das Werk des Bild⸗ hauers Millet, im Beisein einer großen aus der Provinz und Fremde herbeigeströmten Menschenmenge feierlich enthüllt. Das Denkmal steht auf dem Platze vor dem Geburtshause des berühmten Schrift- 8 Chateaubriand ist sitzend dargestellt, mit schwermüthigem Gesichtsausdruck in die unendliche See hinausblickend. Festreden wurden von dem Maire von Saint Malo, den Akademikern Camille Doucet und Herzog von Noailles und im Namen der Pariser Schriftstellergesellschaft von Paul Feval gehalten. Des Abends war die Stadt illuminirt und ein Bankett und Feuerwerk beschlossen die Feier.
— Am 29. August fand in Palermo die Eröffnung des zwölften italienischen Gelehrten⸗Kongresses statt. Mor- geng wurden zuerst Gedenksteine zur Erinnerung an Goethe, an G. Alesst, Bellini und Meli, einen bekannten sieilianischen Dichter, im Beisein der Gelehrten und Behörden enthüllt. Der Unterrichts- Minister Bonghi und der Senator Conte Terenzio Mamiani, Prä- sident der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, waren Gegen⸗ stand fortwährender Ehrenbezeugungen von Seite der Bürger⸗ schaft. Die Eröffnung des Gelehrten⸗Kongresses erfolgte Mit- tags im Universitätsgebäude. Die ganze Stadt war be⸗
aggt, die Straßen in der Nähe der Universttät und
ibliothek gedrängt voll von Zuschauern, die Aula bald überfüllt. Um 12 Utz kam der Unterrichts Minister Bonghi in Begleitung des Senators Mamiani, des Präfekturverwesers Sorggni, des Syndikus Notar Bartolo und mehrerer Professoren in der Aula an, in der sich bereits etwa 2009 Gelehrte als Theilnehmer des Kongresses einge funden hatten. Der Minister und seine Begleitung wurden mit all⸗ n,. Beifall empfangen. Conte Mamiani 6 in der Er⸗ ffnungs rede an, daß eine erlauchte Persönlichkeit (er Kronprinz) die sicilianische Haüptstadt dieser Tage wieder besuchen werde.
— Ole Bull hat seine Kunstreise, auf welcher er auch Berlin besuchen wird, nunmehr angetreten und wollte heute in Christiania sein erstes Konzert geben.