stiefeln voranschritten; denselben folgte der Rath und die reprä⸗ fentirende Bürgerschaft, unmittelbar vor dem Kaiserlichen Wagen einhergehend, und ihn, sowie den folgenden Wagenzug der Fürst⸗ lichen Gäste, durch die mit Guirlanden, Kränzen und Teppichen bechängten Häuserreihen der alterthünlichen Stadt geleitend. Unmittelbar vor dem Zugang zu dem Großherzoglichen Palais, in welchem Se. Majestä6? Wohnung nahmen, war eine via triumphalis errichtet. Auf beiden Seiten der Straße erhoben sich I6 riesige Masten, umwunden mit Laub und auf ihren Spitzen reichen Flaggenschmuck tragend.
Auf dem ganzen Wege vom Bahnhof zum Palais passirte der Zug das Spalier, welches die Gewerke und Innungen von der Ehrenpforte am Steinthor an, mit ihren Fahnen und Emblemen bildeten. — Am Großherzoglichen Palais war das Offizier⸗Corps der in Rostock versammelten Truppen und eine Ehrencompagnie des Mecklenburgischen Grenadier⸗Regiments Rr. 89 mit der Fahne und Mufik aufgestellt. Während Se. Majestät die Front derselben abschritten, und die Offiziere huldvoll begrüßten, war der dem Zuge bei seiner Ein⸗ fahrt vorangeschrittene Magistrat und die Spitzen der Behörden in den Empfangssaal eingeführt worden. Nach been⸗ detem militärischen Empfange traten Se. Majestät zu den Ver⸗ sammelten, und sagten, indem Sich Allerhöchstdieselben an den ersten Bürgermeister wandten, ungefähr:
Ich danke den Herren für den ausgezeichneten Empfang, welcher Mir von Ihnen bereitet ist. Ich! weiß sehr wohl, daß derselbe nicht Meiner Person, sondern der Stellung gilt, welche die Vorsehung Mir angewiesen hat. Ich freue Mich, daß der Umschwung der Dinge, welcher mit Meiner Person zusammenhängt, auch hier so freudig be⸗ grüßt wird, und werde den Empfang, den Ich hier gefunden, nicht vergessen.
An den Zug der in die Stadt eingefahrenen Hohen Gäste schlossen sich dennächst die aufgestellten Gewerke und Innungen an, und bildeten durch Aufrollen eine in 4 Reihen neben einander fortschreitende Chaine, welche, nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in die bereitgehaltenen Gemächer eingetreten waren, sich unter klingendem Spiele nach dem Markte zurück⸗ bewegte und dort auflöste.
Abends 8: Uhr sammelten sich die zum Fackelzuge zusam⸗ mentretenden Personen in der Steinvorstadt, um sich gegen St Uhr unter Begleitung mehrerer Musikeorps nach dem Palais zu begeben.
Ber imposante Zug war im Innern nach Korporationen und Vereinen gegliedert; jede Abtheilung folgte ihrer Fahne und hatte ihre Banner und Embleme mit sich.
Als der Fackelzug, der aus ca. 2500 Fackeln bestand, vor dem Großherzoglichen Palais hielt, trat der Senator Dr. Witte vor und hielt folgende Ansprache:
Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm, dem ruhmgekrönten Feld herrn und Neubegründer des Deutschen Reiches, unseres gemeinsamen gn Vaterlandes, dem gerechten, unermüdlich für das Wohl Seiner
ößlker sorgenden Fürsten, bringt die gesammte Einwohnerschaft dieser Stadt, als ein Zeichen ehrfurchtsvoller Ergebenheit, nie erlöschender Dankbarkeit und treuester Anhänglichkeit an Kaiser und Reich, in einmüthiger, tief empfundener Begeisterung, ein dreifaches Hoch!
Se. Majestät befahlen hierauf den Redner in die oberen Gemächer und sprachen demselben Allerhöchstihren Dank für die dargebrachte Ovation aus, worauf die Fackelträger sich wieder in Bewegung setzten und den Rückzug antraten.
Vom Augenblick der Ankunft Sr. Majestät an umgab die Bevölkerung in dichtgedrängten Massen das Großherzogliche Palais, Se. Majestät, Allerhöchstwelche Sich wiederholt am Fenster zeigten, mit begeistertem jubelndem Zuruf und in enthu⸗ siastischer Weise begrüßend.
Das der Kaiserlichen Residenz unmittelbar gegenüberstehende Blücher⸗Denkmal prangte zu Ehren der nationalen Festtage, welche für Rostock angebrochen, mit frisch blühenden Topf⸗ gewächsen umgeben und mit Guirlanden und anderen Laub⸗ verzierungen reich umkränzt.
Gestern, Vormittags 11 Uhr, fand auf der Feldmark von Roggentin, 1. Meile füdöstlich von Rostock, die große Parade über das X. Armee⸗Corps statt.
Dieselbe war befehligt von dem kommandirenden General, General⸗Lieutenant von Tresckow, und hatten sich die zur Bei⸗ wohnung derselben in Rostock anwesenden preußischen und frem⸗ den Offlziere um 10 Uhr auf das Paradefeld begeben. Se. Majestät erschienen, gefolgt von den Füuͤrstlichkeiten und den Ad⸗ jutanten, sowie von mehreren Hofequipagen, in welchen sich u. A. Ihre Röniglichen Hoheiten die Großherzogin und die Großherzogin⸗Mutter befanden, um 11 Uhr am rechten Flügel der Aufstellung, welche in zwei Treffen geordnet war, und bei der nach dem Abreiten der Fron⸗ ten ein zweimaliger Vorbeimarsch erfolgte. Zu Nachmittag 5 Uhr waren an alle in der Parade gestandenen Generale und Stabsoffiziere Einladungen zum Diner ergangen. Bei demselben brachten Se. Majestät der Kaiser nach dem „W. T. B.“ folgenden Trinkspruch aus:
„Ich trinke auf das Wohl des TX. Armee⸗Corps, das sich heute Meine volle Zufriedenheit erworben hat, und da es mecklenburgischer Boden ist, auf dem Ich es wiedergesehen und dem es zum Theil ent— sprossen ist, so trinke Ich zugleich auf das Wohl des Herrn dieses Landes und seines Hauses! Ew. Königliche Hoheit haben im Kriege wie im Frieden entschieden zu den Erfolgen der neuen Zeit beigetra—⸗ gen, und der heutige Tag hat bewiesen, daß Ew. Königliche Hoheit in treuer Sorgfalt die mühevolle Arbeit fortgesetzt, welche am besten geeignet ist, daö von der Armee Errungene auch für die Zukunft zu bewahren!“
Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg⸗ Schwerin bat hierauf um die Genehmigung, Sr. Majestät ant⸗ worten zu dürfen, und sagte:
„Ew. Majestät wollen mir gestatten, meinen Dank auszu sprechen für die gnädige Weise, in welcher Ew. Majestät bei Gelegenheit Ihres Aufenthaltes in Mecklenburg meines Hauses und Landes ge— dacht, eines Landes, das treu zu Kaiser und Reich hält, und dessen Bewohner Ew. Majestät in treuer Liebe zugethan sind. Zugleich haben Ew. Majestät mir erlaubt, als Kriegsherr eines Theiles der Truppen, welche das 1E. Armee⸗Corps bilden, meinen Dank für das demselben gespendete Lob auszusprechen und diesen Dank im Namen des ganzen Corps zu wiederholen, das keinen anderen Ehrgeiz kennt, als die auf blutigem Felde erworbene Allerhöchste Zufriedenheit sich auch im Frieden durch treue Arbeit zu erhalten. Sr. Majestät dem Kaiser Hurrah!“
Se. Majestãt der Kaiser, die Prinzen des Königlichen Hauses und der Großherzog von Mecklenburg⸗Schwerin machten gestern Abend eine Rundfahrt durch die glänzend erleuchtete Stadt. Se. Majestät wurden von der Bevölkerung mit enthu⸗ siastischen Kundgebungen empfangen.
Abends 9 Uhr fand auf dem Platz vor dem Palais ein großer
Zapfenstreich statt, bei welchem folgende Pidcen ausgeführt wurden: I) die National⸗Hymne, von den vereinigten Kapellen; 2) der Torgauermarsch, von der Kavalleriemustk; 3) eine Fest⸗Ouver⸗ ture von Stredicke, von der Infanteriemustk; 4 ein Kavallerie⸗ marsch von Weißenborn, von der Kavalleriemufik; 5) die Reveil du Lion, von der Infanteriemufik; 6) die Fanfare militaire, von den Trompetern; 7) der Einzugsmarsch aus Tannhäuser, von der Infanterie.
Den Schluß bildete das Abendgebet und die harmonische Retraite. —⸗
Das für heute anberaumte Corpsmanöver wurde wegen heftig strömenden Regens abbestellt. Die Truppen marschirten vom Manöverfelde in die Kantonnements. Se. Majestät der Kaiser gedachten heute mehrere Kirchen zu besichtigen und Mittags eine Fahrt an den Hafen zu machen. Im Gebäude der Société findet heute ein Diner zu 240 Gedecken statt. Für morgen ist die Revue der Flotte anberaumt worden.
— Der Bundesrath, so wie der Ausschuß für Justiz⸗ wesen und die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen und für Rechnungswesen versammelten sich heute zu Sitzungen. ö
— Nach dem dem Bundesrath vorliegenden Voranschlag der Einnahmen des Deutschen Reiches an Zöllen, Ver⸗ brauchssteuern und Apersen für das Jahr 1876 würden an die Reichskasse abzuführen haben 1) sämmtliche Bundes⸗ staaten für Zölle, Rübenzucker, Salz- und Tabak- Steuer 188,405,870 ½ς; dazu an Aversen 3126570 6, mithin Ge⸗ sammteinnahme 191,532,440 6; 2) an Einnahmen, woran Bayern, Württemberg und Baden keinen Theil haben, nämlich an Brannt⸗ weinsteuer und Uebergangsabgabe von Branntwein 35.631, 850 6 und inklusive der Aversa von 735,640 S6 36,367,490 S6; 3) an Einnahmen, woran Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß⸗ Lothringen keinen Theil haben, nämlich an Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 14416, 660 4M, an Aversen 312580 6, zusammen 14729, 240 6 Die Hauptsumme ad 1 biz 3 betragt 238, 454A 380 S, die der Aversa 4 174,790 , die Total⸗ einnahme mithin 242, 629, 1790 66 — Die Einnahme aus den Zöllen beträgt, nach Abzug der Herauszahlungen von Luxem⸗ burg, sowie an Oesterreich und Luxemburg, 1084114460 Aus der Rübenzuckersteuer werden vereinnahmt 45,463,130 (6; aus der Salzsteuer 33,A342470 S; endlich aus der Tabaksteuer 1K 188,810 60 Von diesen Einnahmen hat Preußen, einschließlich der Länder und fremden Gebiets⸗ theile, in welchen die Bundessteuern von Preußen er⸗ hoben werden, jedoch ausschließlich des östlichen preußischen Jade⸗Gebiets und der außerhalb der Zollgrenze liegenden Gebiets⸗ theile, an die Reichskasse abzuführen 160 832,690 6, und zwar an Zöllen 66,063,220 S½½, an Rübenzuckersteuer 34 090 800 66, an Salzsteuer 193155750 S, an Tabaksteuer 379000 „, in Summa 119, 848, 820 S; dazu kommt an Branntweinsteuer und Uebergangsabgabe von Branntwein 30, 878,B3090 S6, an Brau⸗ steuer und Uebergangsabgabe von Bier 10,105,570 S6, zusam⸗ 40,983,870
— Der Etat für das Reichs-Eisenbahnamt auf
das Jahr 1876 schließt nach dem dem Bundesrath vorliegen
den Eniwurf mil 2178 . Einnahrten, 8a 0 weniger, als pro 1875, und 276,490 6 Ausgaben (4 96610 6. Die Mehrkosten sind hauptsächlich durch Vermehrung der Stellen (um Z vortragende Räthe, 1, ständigen Hülfsarbeiter, 3 Sekretäre, 4 Assistenten c) veranlaßt worden, die durch immer weitere mn der Thätigkeit des Reichs⸗Eisenbahnamts nothwendig wird.
— Ueber den am 17. September, Nachmittags 3 Uhr, in Wilhelmshaven erfolgten Stapellauf der Panzerfregatte „Der Große Kurfürst- theilen wir noch mit: Der Bahnhof in Wilhelmshaven war durch Tannenpyramiden und Flaggen⸗ bäume geschmackvolQl ausgeschmückt. Ueberall auf den Gebäu⸗ den und Masten der Schiffe entfaltete sich eine Flaggenpracht, welche bei dem schönen Wetter zur vollsten Geltung kam. Der Zugang zu der Werft, wie zu den sämmtlichen Hafenanlagen war völlig freigegeben. Letztere wurden denn auch den ganzen Vor⸗ mittag von einem zahlreichen Publikum besichtigt. Im Kriegs- hafen lagen die Panzerfregatten „Deutschland! und „Prinz Friedrich Carl“ und die Korvetten „Elisabeth“ und „Victoria“. Auf den Helgen an der Westseite des Kriegshafens lag das mächtige Schiff, welches nunmehr den Namen des Großen Kur⸗ fürfien erhalten sollte, mit Flaggen an pron sorischen Masten geschmückt, zum Stapellaufe bereit. Vor dem Buge des Schiffs war eine mit den Reichsfarben und mit der Kriegsflagge ge⸗ schmückte Bühne errichtet. An der Hafenkaje, längs dem Schiffe waren gegen 2 Uhr die Offiziere und Beamten der Marine sowie eine Reihe Stabgoffiziere aus Oldenburg versaminelt. Unter ihnen bemerkte man die Contre⸗Admirale Werner und Klatt, den Wirlichen Admiralitäts⸗Rath Koch, Ober⸗Werftdirektor Ulffers und Schiffsbaudirektor Guyot aus Wilhelmshaven, Schiffsbaudireltor Hildebrandt aus Danzig, General, von Hagen aus Oldenburg, sowie mehrere andere, höhere Infanterie und Artillerie⸗Offiziere aus Oldenburg. Eine zahl⸗ reiche Menge bedeckte den geräumigen Platz, welcher sich zwischen dem Hafen und den nahegelegenen Gebäuden der Schiffsbau⸗ schmiebe und Malerwerkstätte erstreckt. Gegen 2Uhr erschien der Chef der Admiralität, General der Infanterie, Staats⸗Minister v. Stosch, zur Vollziehungldes Taufaktes. Derselbe hielt folgende Ansprache: „Wiederum foll heute ein Zeichen der Macht und Stärke des Vaterlandes der deutschen Flotte einverleibt und seinem Elemente übergeben werden. Seinem Namen nach sollte bieses Schiff das erste der deutschen Flotte sein, denn es trägt den Namen des Fürsten, welcher, der Erste seines Stammes, nicht nur die ersten Grundlagen einer deutschen Flotte schuf, sondern auch den Grundstein legte für die Macht Preußens und für die daraus resultirende, jetzt so glorreich errungene Einigkeit Deutschlands. So ziehe denn hin, werde auch Du ein Grundstein deutscher Macht und trage die Ehre des Deut⸗ schen Namens weit hinaus in alle Meere. Auf Befehl Sr. Majestãt des Kaisers taufe ich Dich: „Großer Kurfürst. In diesem Augenblick ergriff der Minister eine am schwarz⸗ weiß⸗rothen Bande vom Bug des Schiffes herabhängende, an der Tribüne ,. Flasche Champagner und warf sie gegen die Wand des Schiff, wo fie zerschellte. Er begab sich fodann, begleitet von den Offizieren und Beamten, auf der Hafenkaje das Schiff entlang nach dem Heck zu, wäh⸗ rend unter Leitung der Herren Schiffsbau⸗Direktor Guyot und Ober⸗Werftdirektor Ulffers der eiserne Hebel, welcher den Schlitten festhielt, gehoben wurde. Es währte kaum ein oder zwei Minuten, bis der „Große Kurfürst“ sich langsam in Be⸗
wegung chte und schneller und schneller den Fluthen zuglitt,
während die Menge jubelte. Nach dem Stapellauf ließ sich der Chef der Admiralität von dem Stations⸗Kommandanten das
Offizier⸗Corps und die höheren Beamten des Etablissements,
vom General von Hagen das Offizier⸗Corps der Oldenburger Garnison vorstellen und besichtigte dann einzelne Werkstätten, so wie die im Hafen liegenden Kriegsschiffe. Nach der Besich⸗ tigung der Werft fand im Admiralitäͤtsgebäude ein großes Diner für die Offiziere und höheren Beamten statt, welchem General von Stosch präsidirte. Die Reihe der Trinksprüche eröffnete der Chef der Admiralität mit einem Hoch auf den Kaiser. Mit dein Abendzuge reiste derselbe von hier wieder ab.
— Nach einem Spezialerlaß des Ministers des Innern und des Ministers der geistlichen Angelegenheiten vom 28. Juni d. J. . die gesetzlichen und polizeilichen Anordnungen gegen
as vorzeitige Begraben der Leichen, deren Nichtbeach⸗ tung das Strafgesetzbuch im §. 367 Nr. 2 unter Strafe stellt, weder durch das preußische Civilstandsgesetz vom 9. März vori⸗ gen Jahres, noch durch das Reichsgesetz vom 6. Februar d. J., betreffend die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe⸗ schließung, aufgehoben.
Rach den Vorschriften der zuletzt gedachten Gesetze (68. 43 resp. 60) darf ohne Genehmigung der Orts polizeibehörde keine Beerdigung vor Eintragung des Sterbefalles in das Sterbe⸗ register staltfinden. Der Geistliche oder dersenige Beamte, welcher die Aufsicht Über den betreffenden Begräbnißplatz führt, und von welchem daher die Anordnung der Beerdigung auf dem Be⸗ gräbnißplatze ausgehen muß, darf hiernach — abgesehen von dem Ausnahmefalle, in welchem eine besondere Genehmigung der Ortspolizeibehörde zur Vornahme der Beerdigung beigebracht wird — die Beerdigung nur geschehen lassen, wenn ihm vorher die Bescheinigung des Standesbeamten über die Eintragung des Sterbefalles in das Sterberegister vorgelegt worden ist. Derselbe wird, da diese Eintragung nach §. 42 des Gesetzes vom 9. März vorigen Jahres den Tag und die Stunde des erfolgten Todes enthalten muß, aus der von dem Standesbeamten ertheilten Bescheinigung ersehen, wann der zu Beerdigende gestorben ist. Wenn daher in Polizeiverordnungen vorgeschrieben ist, daß Nie⸗ mand vor Ablauf einer gewissen Zeit nach eingetretenem Tode beerdigt werden darf, so wird der Geistliche resp. der sonst die Beerdigung überwachende Beamte dafür verantwortlich und, nach wie vor, darauf zu halten im Stande sein, daß die Beerdigung nicht vor dem Ablauf der vorgeschriebenen Zeit, von dem nach der Bescheinigung des Standesbeamten angemeldeten Zeitpunkte des eingetretenen Todes ab gerechnet, erfolgt, falls nicht eine besondere ortspolizeiliche Genehmigung eine Ausnahme zuläßt.
Allerdings glebt die Eintragung des Sterbefalls in das Sterberegister., da dieselbe auf Grund einer Privatanzeige ge⸗ mäß 46 des Gesetzes vom 9. März 1874 geschieht, keinen juristischen Beweis dafür, daß Tag und Stunde des erfolgten Todes richtig angegeben sind; allein im Allgemeinen ist den diesfälligen Angaben, welche von den Anzeigepflichtigen oder von anderen aus eigener Wissenschaft unterrichteten Personen zu machen sind (65. I5 und 41), Glauben zu schenken; die⸗ selben haben nach §. 11 die Vermuthung der Richtigkeit für fich, bis die Unrichtigkeit der Anzeige nachgewiesen wird. Haben bie Standesbeamten Anlaß, die Richtigkeit einer Anzeige zu be⸗ zweifeln, so sind sie nach §. 17 befugt, sich in geeigneter Weise von der Richtigkeit derselben Ueberzeugung zu verschaffen. In dieser Beziehung ist die Sachlage durch die im Gesetze vom J. Marz vorigen Jahres getroffene Einrichtung nicht wesentlich verändert worden. Denn auch vor Emanation dieses Gesetzes, also zu der Zeit, als dem Geistlichen, und — wo es einge⸗ führt war — auch der Polizeibehörde der Todesfall angemeldet werden mußte, empfingen der Geistliche und die Polizeibehörde die diesfällige Anzeige durch die Anzeigepflichtigen mit keiner größeren Gewähr für die Richtigkeit der Angabe, als mit welcher ,, diese Anzeigen an die Standesbeamten erstattet werden.
Wird es im polizeilichen Interesse für erforderlich erachtet, die Zulassung der Beerdigung von der Beibringung eines ärzt⸗ lichen Attestes über den Tod des zu Beerdigenden abhängig zu machen, so erscheint es für den Erlaß einer derartigen Vorschrift an fich indifferent, ob die Anmeldung des Sterbefalles in der jetzt gesetzlich verordneten oder in der früheren Art zu erfolgen hat. Mit Rücksicht auf die, in vielen der einschlagenden Fälle zu besorgende Kostspieligkeit und Weitläuftigkeit der Herbeiholung eines Arztes würde es aber für die Verhältnisse der ländlichen Ortschaften nicht passend sein, wenn den Anzeigepflichtigen auf dem Lande allgemein die Verbindlichkeit auferlegt würde, ein ärztliches Attest über den eingetretenen Tod des zu Beerdigen⸗ den beizubringen. Für das platte Land erscheint es ausreichend, daß die Geistlichen und die Beamten, welche die Beerdigung an⸗ zuordnen haben, die ihnen aufgegebene Vorschrift befolgen, nach welcher sie Beerdigungen erst nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist von dem Zeltpunkte der nach der Bescheinigung des Stan⸗ desbeamten angezeigten Todesstunde ab vornehmen lassen dürfen.
Eine gesetzliche Aenderung in diesen Verhältnissen eintreten zu lassen, wird zur Zeit nicht beabsichtigt.
— In Folge des Beschlusses des deutschen Journalistentages vom 26. Juli 1874, die Verleger der deutschen Zeitungen auf⸗ zufordern, ein ‚Inseraten⸗Bureau der deutschen Presse “ fur eigene Rechnung ins Leben zu rufen, sind eine Anzahl hiesiger Zeitungen, und zwar die Bank⸗ und Handelszeitung, der Beiliner Börsen⸗Courier, die Berliner Börsen⸗Zeitung, die Berliner Bürger⸗Zeitung, das Berliner Fremden⸗ und Anzeigeblatt, die National⸗-Zeitung, die Neue Börsen⸗-Zeitung, die Norddeutsche Allgemeine Zeitung, die Staatsbürger⸗Zeitung, die Tribüne, die Volkszeitung zusammen⸗ getreten, um mit dem 1. Oktober d. J. ein „Central⸗ Annoncen⸗Bureau der deutschen Zeitungen“ zu er⸗ öffnen. Nach einer von den genannten Zeitungen an das inserirende Publikum gerichteten Ansprache wird sich das Bureau ausschließlich damit befassen, „in selbstverständlich absolut un⸗ partensscher Weise das Inseratenwesen zwischen dem Publikum und den Zeitungen zu vermitteln und so eine für alle Theile gedeihliche Entwickelung desselben anzubahnen. Das Central⸗ Annoncenbureau wird seinen Sitz in Berlin und Zweignieder⸗ lassungen an allen deutschen Orten errichten, wo nur immer das Interesse des Publikums dies wünschenswerth erscheinen läßt.“
— Der General ⸗Major Freiherr von Meerscheidt⸗Hül⸗ lessem, Commandeur der 11. Infanterie⸗Brigade, hat sich mit mehrwöchentlichem Urlaub nach Süddeutschland und der Oberst von Hahnke, Chef des Generalstabes III. Armee⸗Corps, zum Antritt einer Generalstabs⸗Uebungsreise mit Offizieren des III. Armee ⸗Corps nach Prenzlau begeben.
— Der bisher bei der Kloster⸗Kammer in Hannover be- schäftigte Regierungs ⸗ Kath v. d. Osten ist als Mitglied in das Rolleglum der General⸗Kommission daselbst eingetreten.
der Entschädigungsbeträge zu beschließen haben,
— Die Wahl von drei Abgeordneten der Stadt Berlin zum Propinzial⸗-Landtgg und dreier Stell= vertreter derselben wird in der nächsten Sitzung der Stadt⸗ verordnetenversammlung, am 23. d. M. stattfinden.
Kiel, 20. September. (Kieler Itg.) Nachdem die Schul— schife „Rio be“, Un dine“ „Mu squito“ und . Raver; bereitz am Sonnabend Nachmittag den Hafen verlassen, ist auch heute Morgen zwischen J und 8 Uhr das Uebungsgeschwader, bestehend aus den Panzern „König Wilhelm“, „Kaiser“, „Kronprinz“, „Hansa“ und dem Aviso „Falke“ in See gegangen. Sämmtliche Schiffe begeben sich bekanntlich zum Kaisermanöver nach Warnemünde.
Hannover, 19. September. Der neunte H anno versche Landtag ist heute Mittag 23 Uhr durch den Königlichen Kom⸗ missarius, Ober⸗Präsidenten Grafen zu Eulenburg mit folgender Rede eröffnet worden:
Hochgeehrte Herren!
Zum dritten Male ist es mir vergönnt, bei dem Wiederbeginne Ihrer Arbeiten Sie und an Ihrer 23, dieselben bewährten Kräfte, welche Ihre Verhandlungen bisher mit so günstigem Erfolge geleitet haben, Ramens der Königlichen Staatsregierung willkommen zu heißen. n bezie Keime fortschreitender Selbstverwaltung, welche sich in dem vor zwei Jahren erlassenen Gesetze über die Verwaltung der Land⸗ straßen erkennen ließen, sind zur Entwickelung gelangt, indem die Verwaltung und Unterhaltung der Chausseen vom Beginn des nächsten Jahres ab dem Provinzialverbande übertragen ist. Darüber hinaus find demselben die Hebammenlehr-⸗Institute, die Unterstützung niederer landwirthschaftlicher Lehranstalten und nicht unbeträchtliche Staats⸗ nebenfonds überwiesen, sowie die Renten zur Gewährung von Zu⸗ schüssen für Armen. und Wohlthätigkeitzanstalten erhöht, auch ist die frühere Dotation im Hinblick auf das der, Provinz einverleibte Jade⸗ gebiet ergänzt worden. Nicht um die Entlastung von einer Bürde hat es sich dabei für die Königliche Staatsregierung gehandelt, gern ger pflegter Verwaltungszweige hat sie sich entäußert in der Zuversicht, daß dieselben von den provinzialständischen Organen sorgfältig und erfolgreich werden gefördert werden, und in der Hoffnung, daß durch die fortschreitende Richtigstellung der Grenzen zwischen Staats, und Selbstverwaltung das einmüthige Zusammenwirken beider gesichert und ihr gemeinsames Ziel, das Gemeinwohl, um so besser werde erreicht werden. Es wird die Aufgabe des Provinziallandtags sein, diejenigen Beschlüsse zu fassen und. Maßregeln zu treffen, welche der
j Verwaltungszweige in die provinzialständische Lei-
Uebergang jener tung voraussetzt.
Das im vorigen Jahre beschlossene Gesetz, betreffend die Er— weiterung der Statuten der Landeskreditanstalt, hat die landesherr⸗· liche Sanktion erhalten. ; .
Jur Ausführung des Fischereigesetzes und des Gesetzes zur Abwehr und Ünterdrückung der Viehseuchen bedarf es Ihrer Mitwirkung. Sie werden, was das erstere betrifft, ersucht werden, Ihr Gutachten über die Königliche Verordnung abzugeben, welche hinsichtlich der Abgren zung der Küsten⸗ und der Binnenfischerei und einer Anzahl fischerei⸗ polizeilicher Vorschriften erlassen werden soll. Die Seuchenordnung anlangend, werden Sie über das Maß und die Aufbringungaweise welche den Besitzern auf Grand polizeilicher Anordnung getöteter rotzkranker Pferde und lungenseuchekranken Viehs zu gewähren sind.“ , , , h g.
Ueber den Tarif, auf Grund dessen die Erstattung der Pflege⸗ kosten unter den Armenverbänden erfolgt, wird ein erneuertes Gut⸗ achten von Ihnen erbeten werden.
Die übliche Uebersicht über den Hannoverschen Klosterfonds wird Ihnen zuzehen. Die vor Kurzem erfolgte Wiederbesetzung der Stelle Des Direktors der Klosterkammer werden Sie mit Befriedigung wahrgenommen haben. . ;
Jluf die Wahlen, deren Vornahme Sie beschäftigen wird, ist Ihre Aufmerksamkeit bereits mittels besonderer Schreiben gelenkt
worden.
Die Vorlagen, welche die laufende ständische Verwaltung be—⸗ treffen, werden Ihnen von Ihren Organen unterbreitet werden.
Wird Ihre Thätigkeit hiernach in beträchtlichem Maße in An spruch genommen werden, so zweifle ich nicht, daß dieselbe, wie bis⸗
2
her, gen gewäbrt werden und von gutem Erfolge begleitet sein wird.
Im AÄAllerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Kö⸗ 16 . ich den neunten Hannoverschen Provinziallandtag für eröffnet. ö . Nach dem Schlusse dieser Ansprache brachte der Landtags⸗ Marschall, Graf zu Münster⸗Ledenburg, ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die zahlreich versammelten Mitglieder lebhaft einstimmten. .
Der Landtags⸗Marschall eröffnete dann die erste Sitzung, erinnerte an das Hinscheiden der Landtagsmitglieder v. Meding und Garben und forderte die Anwesenden auf, sich zu Ehren der Verstorbenen von ihren Sitzen zu erheben.
Zu Schriftführern wurden durch Akklamation wiedergewählt die Bürgermeister Ludewig und Tappen, neu gewählt v. Grote⸗ Schnega und Syndikus Hurtzig.
Ein größerer Theil der in der Eröffnungsrede angekündig⸗ ten Vorlagen wurde bereits heute eingereicht und gedruckt ver⸗ theilt, darunter der Finanzetat für 1876, Antrag über Ankauf des Klosterguts Einum und Aufnahme einer Anleihe von 230 000 S, über Einführung der Kreisordnung, Rechnungen der standischen Hauptkasse, Chausseeverwaltungs⸗Reglement, Re⸗ glements über Hebammen⸗Lehrinstitute, über Viehseuchen, Fische⸗ reiverordnung ꝛe.
— 20. September. Der Landtag überwies in seiner zwei⸗ ten Sitz ung heute die Rechnungen der ständischen Hauptkasse für 1874 und 1875 an die Rechnungskommission und an die⸗ selbe Kommission die Einnahmen und Ausgaben für 1874, ge⸗ nehmigte dann den Ankauf des Klosterguts Einum und die Aufnahme einer Anleihe von 230 0090 und begann die Be⸗ rathung eines Reglements über die Chausseeverwaltung.
. Bayern. München, 19. September. Se. Majestät der König hat sich von Schloß Berg vor einigen Tagen auf den Schachen begeben. Prinz Leopold von Vaygrn xeist in Vertretung des Kaisers von Oesterreich nach Sassetot. — 21. September. Prinz Adalbert Wilhelm Georg Ludwig ist heut früh verschied en. Dieser jüngste Oheim des Königs war geboren am 19. Juli 1828, und vermählte sich am 25. August 1856 zu Madrid mit Prinzessin Amalie Felipe Pilar, Infantin von Spanien. Er hinterläßt aus dieser Ehe vier Kinder, die Prinzen Ludwig Ferdinand (geb. 1859 und Alphons (geb. 1867 und die Prinzessinnen Isabella (geb. 1863) und Elvira (geb. 1368). Prinz Adalbert bekleidete den Rang eines General-Lieutenants und war Inhaber des Königlich bayerischen 2. Kürassier⸗Regiments Nr. 2. Sach sen. Dresden, 20. September. Der Staats⸗ Minister Dr. v. Gerber ist von seiner Urlaubsreise zurück⸗ gekehrt und hat die Leitung der Geschäfte seines Departements ieder übernommen. ö Leipzig, 20. September. Die Großfürstin Constantin von Rußland kam am 18. d. Mts., Mittags, mit Gefolge auf der Königlichen Staatsbahn von Altenburg hier an, stieg im Hotel zur Stadt Rom ab und ist gestern Nachmittag 2 Uhr 1 der Halle⸗Sorau⸗Gubener Bahn von hier über Eilenburg na Frankfurt a. O. weiter gereist.
Hessen. Darm stadt, 18. September. Se. König⸗ liche Hoheit der Großherzog wohnte heute dem Schluß⸗ manöver der Großherzoglichen Diviston bei. — Durch den zwi⸗ schen Hessen und Baden abgeschlossenen Staatsver⸗ trag wegen Herstellung weiterer Eisenbahnyer⸗ bindungen zwischen beiden Staaten wird das hessische Eisenbahnnetz nicht unerheblich erweitert werden. Die Regie⸗ rungen beider Staaten haben sich laut der von den Landständen genehmigten Verträge zunächst verpflichtet, eine Eisenbahn von Reckargemünd über Neckarsteinach, Hirschhorn, Eberbach nach Jaxtfeld (Neckarbahn) im Anschluß an die badische Odenwald⸗ ö herzuftellen. Den Bau dieser ersten Linie übernimmt auf hessischen und badischem Gebiete die Großherzoglich badische Regierung; die Baufrist ist auf 4 Jahre festgesetzt, und leistet Hessen mit Rücksiicht darauf, daß die Erbauung dieser Bahnlinie die Rentabilität der hessischen Odenwald⸗ bahn erhöhen und die Staatsgarantie mindern wird, zu den Kosten der Anlage der Neckarbahn einen Zuschuß von 25 Mil⸗ lionen in 6jährlichen Raten. Von der Betriebseröffnung der Bahn an hat Baden diesen Zuschuß in den ersten 19 Jahren mit 3 Proz, später mit 4 Proz. zu verzinsen, und bleibt es der badischen Regierung vorbehalten, diesen Zuschuß jederzeit nach dreimonatlicher Kündigung abzutragen. Nach Ablauf von 25 Jahren muß der Vorschuß, falls er nicht früher getilgt sein sollte, in 15 Jahresraten zurückbezahlt werden. Die hessische Regierung hat sich das Recht vorbehalten, das Eigenthum der zufolge dieses Vertrages auf ihrem Gebiete von Baden an⸗ geleglen Bahnstrecke nach Ablauf von 25 Jahren an sich zu ziehen, und ist im Vertrage genau bestimmt, wie die Ankaufs⸗ fumme zu berechnen ist. Die hessische Regierung übernimmt nach dem Staatsvertrage die Erbauung und den Betrieb der Bahn von Erbach nach Eberbach im Anschluß an die Bahnen bei Eberbach und Erbach (hessische Odenwaldbahn), und den Bau und Betrieb einer Bahn von Mannheim über Lampert⸗ heim direkt nach Worms binnen 4 resp 3 Jahren. Die hessische Regierung hat sich hierbei das Recht vorbehalten, ihre Verpflich⸗ tungen der hefssischen Ludwigs⸗-Eisenbahngesellschaft zu über⸗ tragen, und hat diese Gesellschaft in dem letzten Mo⸗ nate die landesherrliche Konzession zum Bau erhalten, und ist ihr weiter die Fortsetzung jener Bahnen von Biblis nach Frankfurt a. M. und von Babenhausen nach Hanau gestattet worden. Zum Bau und Betrieb der Route Erbach⸗ Eberbach verpflichtete sich der Staat während der ersten 5 Jahre des vollen Betriebes dieser Route eine Subvention von 100,000 Fl. jährlich unter der Bedingung zu leisten, daß von allen Reinerträgen der Linie Erbach⸗Hanau, welche im Durchschnitt den Betrag von 45.000 Fl. pro Meile überschreiten, die Hälfte zur Rückzahlung der Subvention verwendet wird. Dagegen mußte sich die Gesellschaft verpflichten, die ihr vom Staate garantirten Reinerträge ihrer verschiedenen Linien auf eine bestimmte Summe für jede einzelne Linie herabzusetzen. — Bezüglich des Bauwesens besiehen in Hessen zwar für größere Städte und Orte besondere Bauordnungen, allein es fehlen allgemein für das ganze Großherzogthum gültige Normen, wa die gleichmäßige Behandlung der Bausachen ungemein er⸗ schwert, da die Behörden meistens nach den oͤrtlichen Verhält⸗ nissen entscheiden. Einem Ersuchen der Landstände entsprechend, beabsichtigt die Regierung durch Erlaß einer Bauordnung für das ganze Land jenen Mißstand zu beseitigen und sind die nöthigen Vorarbeiten begonnen. — Das neue Schul⸗ geseß hat das Verfahren bei Dienstentsetzungen und Entlassungen von Lehrern genau geregelt. Dienstentsetzung tritt ein, wenn ein Volksschullehrer wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu Zuchthausstrafe oder zu Gefängniß unter gleich⸗ zeitiger Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, respektive der gänzlichen oder zeitweisen Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher JRlemter nach 5. 31 bis 37 des Reichs-Strafgesetzes verurtheilt worden ist. Bienstentlassung kann verfügt werden wenn der Lehrer wegen eines Verbrechens oder Vergehens durch straf⸗ rechtliches Erkenntniß zu Gefängnißstrafe über 1 Monat, oder wegen eines, den Verlust der öffentlichen Achtung nach sich zie⸗ henden Verbrechens oder Vergehens, verurtheilt wurde, oder wenn sich der Lehrer einer so groben Verletzung seiner Amts⸗ pflichten, respektive eines so unwürdigen Verhaltens schuldig macht, daß das höchste Maß der Disziplinarstrafe nicht augreichend erscheint. Liegt einer dieser Fälle vor, so hat der Vorsitzende der Kreisschuliommission die nöthigen Erhebungen eintrelen zu lassen und entscheidet nach geschlossener Untersuchung die Kreisschulkommission in einem förmlichen Erkenntnisse darüber, ob die Entlassung gerechtfertigt erscheint. Der Lehrer kann gegen das Erkenntniß binnen 10 Tagen den Rekurs an das oberste Verwaltungsgericht ergreifen und hat, falls der Re kurs verworfen wird, das Ministerium des Innern die förm⸗ liche Entlassung auszusprechen. Letztere hat die Folge, daß der Lehrer die Stelle und das Diensteinkommen, sowie den Anspruch auf Penston verliert, nicht aber unbedingt die Fähigkeit zur Wiederanstellung.
Bremen, 18. September. (Wes. 3) Der Bürgerschaft ist vom Senate der Finanzbericht über die ersten acht Monate d. J. mitgetheilt. Nach den Beschlüssen des Senats und der Bürgerschaft war am 24. Februar c. das diesjährige Budget in Ausgabe auf 133579011 6 47 , (in Einnahme auf 13, 179. 050 606 festgestellt. Es ergab sich danach ein Defizit von 499891 . 47 3, welches auf den Rest. des Reservefonds der Ueberschüsse (554 680 M6 26 39) angewiesen wurde. Bis zum 31. August haben einige Einnahmen den Voranschlag überstiegen um 16359 6 75 3, und dadurch wächst die Solleinnahme auf 13,196 009 ις 75 , davon sind bis Ende August eingegangen 5, [58 801 M 2. , und müssen Anschlags gemäß noch eingehen 7437, 298 M 72 3. Zu den bewilligten Ausgaben kamen bis Ende August an Nachbewilli⸗ gungen 87, S0 MS Dadurch vermehrt sich der Ausgabenetat auf I3 766,871 M 47 , mithin erhöht sich das Defizit auf 570,861 46 72 .
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 20. September. ¶ W. T. B.) In hiesigen gut unterrichteten Kreisen wird das Wiener Tele⸗ gramm der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ vom 18. d. M.
wonach die Pforte von den Mächten die Ansetzung eines Schlußtermins für die Verhandlungen mit den Insurgenten ver⸗ langt habe, für durchaus unbegründet erklãrt.
Niederlande. Haag, 20. September. ¶ W. . B) Der König hat heute die Generalstaaten mit einer Thron⸗ rede eröffnet, worin das fortdauernd sehr freundschaftliche Verhältniß der Niederlande zu allen auswärtigen Mächten her⸗ vorgehoben und die Lage des Landes als eine günstige ezeichnet wird. Als Berathungsgegenstände werden aufgeführt eine Vor⸗ lage über definitive Regelung des Münzwesens, eine Mo⸗
difikation der bestehenden Gesetzgebung in Betreff der Zu cker⸗ steuer und der Eingangszölle, eine Vorlage wegen ver⸗ bessernder Umgestaltungen im Kriegs dien ste, Fortsetzung der Berathung von Maßregeln zur Herstellung eines tüchtigen Defenstysystems und zur Verbesserung des Kriegsdienstes in Indien. Betreffs des Kriegs in Atchin heißt es, derselbe habe zwar noch zu keinem befriedigenden Ergebniß geführt, gleichwohl hege der König das Vertrauen, daß energische An⸗ strengungen wohl bald zum gewünschten Ziele führen würden. In Surinam würden die landwirthschaftlichen Verhältnisse Un⸗ terstützung Seitens des Staates erheischen, der Handel von Curacao fei von den durch die wiederholten Aufstände in Vene⸗ zuela herbeigeführten Schwierigkeiten nicht unberührt geblieben, indeß gebe sich der König der Erwartung hin, daß die eingelei⸗ teten Verhandlungen die Beseitigung dieser Schwierigkeiten zur Folge haben würden.
Großbritannien und Irland. London, 19. Sep⸗ tember. Londoner Berichten zufolge ist zu befürchten, daß das Auswandererschiff „Strathmore“, welches am 19. April von London nach Otago absegelte und eine Mannschaft von 40 Köpfen so wle eine große Zahl Auswanderer an Bord hatte, zu Grunde gegangen ist, da dasselbe nach fünf Monaten seinen Bestimmungsort nicht erreicht hat; andere Schiffe von gleicher Bauart pflegen die Fahrt in 70-80 Tagen zurückzulegen.
Frankreich. Paris, 20. September. Der Kriegs⸗ Minister hat an die Generale eine Verfügung ergehen lassen über die Anwendung der Pfeifen und Trompeten bei der In⸗ fanterie. Sämmtliche Compagnieführer sollen mit einer Pfeife nach dem Baduelschen Modell versehen sein und bei folgenden Gelegenheiten davon Gebrauch machen: a. Beim Tirailliren, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erregen, die alsdann mit der Stimme und der Handbewegung geleitet werden; b. wenn wegen der Nähe des Feindes es nicht thunlich ist, von der Trompete Gebrauch zu machen; in den Bivouaks, um den Befehl zum plötzlichen Ergreifen der Waffen zu geben; bei einem Hinterhalt, um das Signal zum Angriff zu geben; bei dem Sicherheits dienst als Mittel der Erkennung und als Allarmsignal. Auf dem Schlachtfeld oder wenn man dem Feinde sehr nahe ist, können die hohen Offiziere oder die Compagnie⸗ führer allein von der Trompete Gebrauch machen, aber sie dürfen zu dem Instrumente nur in folgenden Fällen ihre Zuflucht nehmen: a. Wenn es unmöglich ist, die Befehle mündlich zu ertheilen; b. wenn das Feuern eingestellt werden soll; (. um das Vorgehen der Reserven zu beschleunigen, einen allgemeinen Impuls, das Signal zum Sturm oder dem Angriff mit dem Bayonnet zu geben; in diesem Falle wird das Signal von allen Tambours und Trompetern der am Angriff Theil nehmenden Truppen wiederholt; d. um die Truppen nach einem Angriff zu sammeln. Die oben erwähnten Vorschriften sind nicht allein in Kriegszeiten, sondern auch bei den Manövern und bei den Feld⸗ dienstübungen zu befolgen. Die Infanlerie-Corps erhalten dem⸗ nächst 18 Pfeifen für jedes Infanterie⸗Regiment, für jedes Jäger⸗ Bataillon, 17 für jedes Zuaven⸗ und algerisches Tirailleur⸗ Regiment und 16 für die Fremdenlegion. — Der Divisions⸗ General Donutrelaine, der zur Zeit an den Arbeiten der Kommission für die Grenzbestimmung zwischen Deutschland und Frankreich Theil genommen, ist, wie die „K. 3.“ berichtet, an Stelle des verstorbenen Generals Frossard zum Vorsitzenden des Befestigungscomitéès ernannt worden. — Der Kriegs⸗Minister hat für die Soldaten aus den überschwemmten Departements, welche sich gegenwärtig auf Urlaub befinden, den Urlaub um einen Monat verlängert.
— 21. September. (W. T. B.) Der ehemalige Präsident des Corps legislatif, Schneider, ist bedenklich erkrankt.
Spanien. Wie aus Paris unter dem 20. September „W. T. B.“ berichtet, haben nach dort eingegangen Nachrichten 3000 Carlisten die französische Grenze überschritten. Die Verbindungen zwischen Irun und San Sebastian sind nunmehr wieder hergestellt; der Eisenbahnverkehr zwischen San Sebastian und der französischen Grenze ist wieder eröffnet worden.
Türkei. Kragujevatz, 20. September. (W. T. B.) Die Skupschtina hat in ihrer heutigen Sitzung den von der Ma⸗ jorität des Ausschusses vorgeschlagenen Adreßentwurf mit 71 gegen 44 Slimmen angenommen. Die angenommene Adresse ist nur eine Paraphrase der Thronrede. Morgen wird Fürst Milan die Adresse entgegennehmen, welche ihm durch eine Deputation überbracht werden wird.
Cettinje, 19. September. (W. T. B.) Von Seiten der Insurgenten wird hierher gemeldet, es sei gestern in der Nähe der türkischen Festung Berana zu einem a chtstündigen Gefechte gekommen, welches mit dem Rückzuge der Türken in die Festung geendigt hätte.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 19 September. Die Kaiserin ist in Begleitung der Großfürsten Ssergei und Paul Alexandrowitsch am 12. September Nachmittags von Zarskos⸗Sselo nach Livadig abgereist. An demselben Nachmit⸗ tage hat sich die Großfürstin Maria Alexandrowna, Her⸗ zogin von Edinburgh, in Begleitung ihres Gemahles und ihres Sohnes von Zarskoje⸗-Sselo nach Peterhof begeben, um von dort die Seereise nach England anzutreten. — Ueber die letzten Vorgänge in Kokand bringt der „Russ. Inv.“ nach⸗ traͤglich noch folgende Mittheilungen: Der ganze Vormarsch unseres Delachements von Machram bis Kokand glich einem Triumph⸗ zug, überall kamen die Einwohner unseren Truppen mit Salz und Brot und Unterwürfigkeitserklärungen entgegen. Etwa dreißig
Werst von Kokand wurde General⸗Adjutant von Kaufmann
von Vertretern des Handelsstandes der Hauptstadt des Chanats empfangen, durch welche Chan⸗Sade alle unsere Gefangenen, welche während der letzten Invasion der Kokander in unser Ge⸗ biet aufgebracht worden waren, auslieferte. Sodann kam der Chan selbst dem Oberbefehlshaber unserer Truppen entgegen. Vor Kokand angelangt, nahm ein Theil unseres Detachements ohne Schwertstreich das Ssyrmasarskische Thor der Stadt und die demselben nächstgelegene Barrisre in Besitz. General⸗Adju⸗ tant von Kaufmann erschien mit dem Ehan in unserem Lager, das drei Werst von der Stadt aufgeschlagen war. Nachrichten aus Taschkent zufolge herrscht im ganzen General⸗Gouvernement Turkestan vollkommene Ruhe. .
— Der Metropolit JZsidor von Nowgorod, St. Petersburg und Finland feierte am 12. d. M. sein fünfzigjähriges Priester⸗ jubilaum. Der Kaiser hat demselben zu dieser Feier einen mit Edelsteinen verzierten Erzbischofsstab sowie ein anerkennen⸗ des Schreiben übersandt.
Dänemark. stopenhagen, 20. September. Am Sonn⸗ abend Vormittag wurde auf dem Cxerzierplatze vor dem Nor⸗ derthore die sogenannte Königsrevue über sämmtliche hier garnisonirende Truppenabtheilungen abgehalten. Se. Majestãt