1875 / 258 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 Nov 1875 18:00:01 GMT) scan diff

dauernde Hälfe nicht von oben herab kommen, sondern nur durch Sel stthärigkeit geschaffen werden könne. Dem entgegen ist nun frei⸗ lich behauptet worden, daß die Leihämter von der ärmeren und ärmsten Klasse der Bevölkerung benutzt würden, diese Klasse sich selbst nicht zu helfen vermöge, und viele Ginwobner, wenn nicht öffentliche Leihämter hbeständen, in einen wirklichen Rothstand versetzt werden würden. Wir halten diese Behauptung aber für nicht richtig und die etwaige Gefahr, welche dern Publikum daraus er— wachsen kann, daß es mit seinem in Rede stehenden Be— dürfnisse an die Konkurrenz von Privatunteinehmern gewiesen wird, durch eine vollständige gesetzliche Regelung des Pfand leihegewerbes und namentlich auch des Rückkaufswesens abwendbar. Bei den Verhandlungen mit der Drektion der Königl chen Leihämter haben wir zu ermitteln versucht, welche Klassen der Bevölkerung bei den öffentlichen Leihämtein vorzugsweise Darlehne zu entnehmen pflegen. Es konnte darüber Sicheres aber nicht in Erfahrung ge— bracht werden, weil statistische Erhebungen in dieser Hinsicht bis her nicht stattgefunden haben und sich auch in kurzer Zeit nicht herstellen laffen. Selbst eine genaue Durchsicht der Bücher kann nicht zum Ziel führen, da z. B. bei den Handwerkern sich nicht immer ergiebt, ob dieselben selbstftandig arbeiten, oder Gesellen, Gekülfen u. s. w. sind. Richtig ist allerdings, daß die große Mehrzah! der Darle— hen nur in kleineren Summen besteht; dabei fällt indeß ins Gewicht, daß unter den Pfändein sich viele Ggenstände befinden, welche von der ärmsten Bevölkerung nur selten hergegeben werden können, wie Uhren, Gold und Silbersachen, Pelzwaren und der leichen. Wichtiger erscheint uns die Thatsache, daß von den drei Leih⸗ aͤmtern gerade dasjenige, welches in einer weniger wohlbabenden Ge⸗ gend liegt und auf das die Stadttheile Spandauer Revier, Rosen⸗ thaler und Oranienburger Vorstadt und Wedding mit dem Gesund— brunnen hingewiesen sind, am wenigsten denutzt wird. Das dritte Leihamt in der Linienstraße Nr. 98 und Essasserstraße Nr. 74 hat von seinem Betriebskapital nur 9273 Thir. Zinsen zu zablen gehabt, während das Betriebs kapital der beiden anderen Leihämter in der ö straße und in der Klosterstraße so hoch gegriffen werden mußte, daß an Zinsen 14,235 Thlr und 11,740 Thlr. zu zahlen waren. In demsle ch Ver⸗ hältniß stehen die von den einzelnen Leihämtern verzienten Zinsen zu einander, so daß das Leihamt in der Jägerstraße, das in einem der wohlhabendst en Stadttheile Berlins sein Geschäftslekal besitzt, im Jahre 1874 einen Ueberschuß von 3714 Thlrn. abliefern konnte, wäh⸗ rend das Leihamt in der Linienstraße in Folge der ge ingeren Be— nutzung ein Defizit von 3354 Tolrn erzielte. Es bedarf keines beson— deren Nachweises, daß eine stanistische Aufstellung darüber, wie viele Darlehen von den hiesigen Pfandleihern und Ruckkäufern ausgegeben werden, nicht möglic ist Bei der großen Anzahl von Pfändteihen und Rüdkaufsgeschäften der jedenfalls in dieser Hinsicht icht voll⸗ ständige Wohnungsanzeiger zählt deren 146 auf kann ind ß mit großt.zer Sicherheit angenommen werden, daß die Zahl dieser Drehen und der Betrag deiselben sehr groß ist und lützterer wabrsch rnlich erheblich über den Betrag hinausgeht, welchen die Leihämter an Yailchen ge— währen. Im Jahre 1873 betrugen die von den drei Le ham tern aus— geliehenen Summen durchschnittüch etwa 759,00 Thir, im Jahre

1874 gegen 900 000 Thlr., also nur einen Thaler pro Topf der Be— völkerung, was wir als sehr mäßlg erachten müssen. Wir dem sei, sodiel st ht fest, ein großer Thel derjenigen Personen, für welche die Leihämter vorhanden sind, zieht es vor, sich ncht an dieselben, sondern an Pfandleiher und Rüäckkaufageschäfte und wir haben Grund zu der Vermuthung, Peisonen vor zugsweise der 4rmeren und ämrmsten Bevölkerungs⸗ klasse angehören. Wir dürfen aus dieser Thatsache schließen, daß für ste die öff ntlichen Leihämter keineswegs ein so greßes Be— dürfniß sind, als oft behauptet wind. Wir unterlassen es, alle die jenigen weiteren Gründe gegen die Uebernahme der Leihänfer durch die Stadt zu wiederholen, welche win schon in unserer Vorlage vom 6. Juli vorigen zahres der Stad verordeten⸗Versammlung meg theilt haben, sie sind auch heute noch für uns maßgebend. Nur einen Punkt wollen wir noch berühren, weil die Deputation der Stadt- verordneten Versammlung auf denselbes Werth gelegt hat Es ist dies der Finanspunkt, die Frage, ob die Leihämter der Kommune Opfer auferlegen würden.“ 1

Nach einer (in ihren Hauptziffern mitgetheilten) Berechnung er— klärt Magistrat es nicht fur wahrscheinlich, daß die Leibämrer ohne

daß diese

J

.

zu wenden,

auch Die gegen Dr. Strousberg wegen einer Wechselschuld durchgeführte

Zuschuß aus der Stadtkasse würden bestehen können, wenn sie in die setzlichen Schutz verlangt, die andere aber den bisherigen Zustand bei⸗

städtische Verwaltung übergingen; er stellt den Stadtverordneten an⸗ heim, von seinem Beschluß und den denselben motivirenden Gründen Kenntniß zu nehmen, nach welchen er nicht in der Lage ist, die von der Deputation event. verlangte sachliche Vorlage wegen Uebernahme der öffentlichen Leihämter in die städtische Verwaltung zu machen. Vom Berliner Pfandbrief ⸗Institut sind bis Ende Oktober er. 22. 653 300 S 44 prozentige und 6,653, 700 Æ Hpro⸗ zentige, zusammen 29, 307,0 0 S en kkrin ausgegeben. Es sind zugestchert, aber noch nicht abgehoben 4 490,700 4A, in der Feststellung begriffen 9 Darlebnsgesuche auf Grundstücke, zum Feuerversicherungs⸗ werthe von 53 275 M, im Laufe des Monats Oktober er,. angemel⸗ det 8 Grundfltücke mit einem Feuerversicherungswerthe von 853, 850 A

In den hiesigenß Bureaus des Dr. Strousberg haben vor⸗ gestern und gestern Versammlungen der Gläubiger desselben stattgefunden, die ohne wesentliches Resultat verlaufen sind. In der gestrigen Versammlung zeichneten sich in einer ausgelegten Liste ca. 50 Gläubiger ein mit einem Guthaben der Angabe der „N. 3. nach von ea. 4 Millionen Mark.

Zum Strousbergschen Kon kurse theilt das, Prag. Abend blatt! vom? d. M. Folgen? es mit: Am 9. d. M findet hier eine Gläubiger vorbesprechung statt, um sich bezüglich der Wahl der Funktionäre in der Strou bergschen Konkursangelegenheit zu einigen. Wegen der außerordentlichen Ausdehnung der Geschäftéverbindungen des Kridatars wird der Antrag gestellt, zwei Konkursmassaverwalter und einen Sub⸗ stituten zu bestellen. Von einem der hiesigen Gläubiger wurde heute durch Dr. Moritz Lichtenstern der Rekurs gegen die Konkurseröffnung überreicht. Der Rekurs sucht sich darauf zu stützen, daß lediglich dem Pro- knristen Kittl des Dr. Strousberg in Berlin das Mandat zur Konkurseröff⸗ nung übertragen worden sei, J von derselben Umgang gengmmen hätte, da die Gläubiger in Berlin sich zu einem Ausgleiche herbei⸗ ließen. Unter den Wechfelgläubigern Strousbergs erscheinen der Leopoldstädter Sparverein mit einer Forderung von 24,000 Fl. durch Pfändung von 40 Waggons, das Haus Schenker u. Comp. in Wien wegen einer Forderung von 1809 Fl. durch Pfändung und Tranzferi⸗ runz von 25 Waggons, die Maschinenfabrik Machau in Lättich mit einer Forderung von 111000 Fl. durch Pfändung des Mar- stalles, das Fabrikhaus Fillen in Karolinenthal mit, einer Forderunßz von 70 009 Fl. durch Pfändung des Schloß⸗ mobilars in Zbirop vollständig gedeckt. Ob dem Werke Mireschau war auf die Gattin des Kridatars eine Post von 45.909 Fl. sicher⸗ gestellt Durch Suprrintabulation wurden hierven der Mireschauer Kohlengewerkschaft 20, 900 Fl. in Hypothek gestellt. Das Haus Jul. Richter deckte stch mit einer Wechselferderung von 800 Fl, durch Exequirung von E senbahnposten Auch andere Wechselgläubiger suchten sich in ähnlicher Weise thunlichst vor Verlusten sicherzustellen. Wie wir feiner erfahren, hat die Wiener Bodenkreditanstalt wegen einer Hypothekarforderung von 3 Millionen Gulden durch ihren Vertreter Dr. Maschke in Wien um die Sequestration der Zbirover Herischaften angesucht. Da jedoch einem Tabular— gläubiger wegen einer Forderung von 460 Fl. gleichfalls die Se⸗ questration bereits früher bewilligt worden, hat nun daz K. K. Han delsgericht behufs Wahl des Segquesters eine Tagfahrt anberaumt.

hersonalexekution ist noch nicht behoben, derselbe befindet sich, neueren lachrichten zufolge, in Moskau noch in Schuldhaft. Gestern wurde in Zbirov der Massenverwalter Dr. Tragy durch den Prokuristen Hrn. Hentschl eingeführt.

Die Generalversammlung der Hagen⸗Grünthaler Eisenwerke dechargirte die Versammlung und beschloß nach dem Vorschlage des Aufsichtsrathes, je zwei Aktien zu einer zusammenzu— leges. Dem Geschäftsberickte zufolge belief sich der Umsatz in dem Betriebsjahr 1874,75 auf 1007, 991 „; gegen das Vorjahr ergiebt sich eine Abnahme des Umschlages von 958,828 . Nach Abschrei⸗ bung auf Maschinen, Gebäulichkeiten 2. . von 37A 899 M ergiebt die Bilanz einen Verlust von 94,989 4

Die am letzten Donnerstag in Pforzheim in der Angelegen⸗ beit der Bestimmung des Feingehaltes der Goldwagren abgehaltene Versamm lung dortiger Fabrikanten war sehr zahlreich befucht, konnte sich aber nicht auf einen Beschluß einigen. Es stehen sich zwei Parteien gegenüber, von denen die eine für das kaufende

Publikum, sowie fur das reelle Fabrikat in irgend einer Weise ge⸗

. wünscht, während dem Einzelnen es unbenommen bleibe oll, seine Waaren zu stempeln oder stempeln zu lassen. In etw 14 Tagen wird der Gegenstand abermals zur Besprechung kommen.

Verkehrs ⸗Anstalten.

den im Monat Oktober d. J. an gebührenpflichtigen Depesche

befördert: a. aus London, dem übrigen England und Amerika na

,. und Indien 1509 Stück, b. aus Persien und Indien na

ondon, dem übrigen England und Amerika 1164 Stück, C. vom eun

päischen Kontinent exkl. Rußland nach Persien und Indit

1094 Stück, d. aus Persien und Indien nach dem europäischen Ka tinent exkl. Rußland 160 Stück, im Ganzen 2737 Stäck.

eröffn worden.

Die schnellste Reise von England nach Indien ha indischen Blättern zufolge, neulich die „City of Baltimore“, Dampfer, der früher zur Flottille der Junnan ⸗Linie gehörte, ahn jetzt Eigenthum der Sun Shipping Company ist, gemacht. Da Schiff verließ Gravesend am 15. September und kam au 10. O tober um 6 Uhr Nachmittags in Bombay an, legte also die Distan in der kurzen Zeit von 24 Tagen und 8 Stunden zurück.

Telegranhische Witsgerinmzskhert6ehhte.

Allgemelãe Himmels ansickt

Bar. Aby Temp. Ab P. L. V. H. R. V. N.

2. November. J7.1IIs NO., schw. 3. November. N mũss. OSO., schw. O., achw. Windstille. Windstille. Windstille. SO ., stark. O, mäss. S380, mäss. SO., muss. NNO. ch. —,0 80., schw. 80. zoh ny 4,5 0., schꝶ. 6,4

436 80, sehw. —=—— 80. sch v. —7,2 O, seh. 80, mäss. S80., mãss. 6,1 O., 85. sech. 80., mãss. S0O., ac uRꝶ. 6 - 4,2 0., mass. 6,3 S880., müss. —46 O., sohꝝ. 3 6,0 O., mäss. 5, 7 O. schw. B90. 8chꝶx. 6,6 SSO ., lebh. NO., lebh. heiter. 2 —3,9 N., iss. trübe, Reif. 5, 0 NO., s. sch . heiter.) 8. mäss. ganz bedeckt OSO. mäss. Danst. NO., schw. sehr klar. S0. schw. ganz bedeckt SV., mäss. ganz bedeckt.

3) 0e

Ort. Rina.

ganz bedeckt

S Constantin. . 336, 9 Haparanda 343.6 ganz heiter. Christiansd 333,3 Hernösand 342,3 Helsingfors 32749 Fetersburg 341,4 Stockholm . 341, 5 Skudesns

Schnee. bedeckt. ganz heiter. gane bedeckt ganz bedeckt de gölkt *)

heiter. bedeckt. heiter bedeckt. bedeckt. heiter. heiter.

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völlig heiter. heiter. heiter, Reif. bewölkt völlig. heiter

Fredericksh Helsingör .. Moskau. Memel .... Elensburg. Königsberg z Danzig ... Putbus ...

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Reserlth. . 339, 0 Wilhelmsh. 539,3 Stettin .... 339,9 42,9 Gröningen. 339, ) Bremen... 336, 9 Helder .... 2 Berlin....

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ganz heiter. trübe. heiter ganz heiter. trübe. wenig bew. keiter.

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Berlin, 3. November 1875.

Der zu Ehren des Hrn. Direktors Dr. Bonnell keschlossene Commers ehemaliger Schüler des hiesigen Friedrichs⸗ Werderschen Gymnasiums findet am Sonnabend, den 6. No⸗ vember er,, Abends 8 Uhr, in Sommers Salon, Potsdamer straße 9, statt. Einlaßkarten 8 2 Mark sind bei L ladebeck u. Co., Unter den Linden 27, in der Mittlerschen Buchhandlung, Schloß freiheit 7, und in der Plahnschen Buchhandlung, Französischestraße 336. zu erhalten.

Auf dem Burgberge bei Harzburg fand am 31. Okto⸗ ber di Grundsteinlegung zu dem Kane a⸗Denkm al statt, und zwar mußte der auf der Nordostseie befindlich Pavillon, von dem man eine entzückende Aussicht in die frucht are Ebene bis Braunschweig hat, dem 60 Fuß hoehen Denkmale Platz machen. Um 3 Uhr gab ein Böllerschuß das Zeichen zum Beginn der Feier. Die Harzburger Bergkapelle im Paradeanzuge bles den Choral: „Allein Gott in der Höh' sei Ebr'“, worauf Dr. Lucius die Bedeutung des Tages feierte. Direktor Castendik brachte hierauf Hochs auf den Kaiser, den Herzog von Braunschweig und den Fürsten Bismarck aus, in welche die Anwesenden freudig einstimmten, und die durch BGöller⸗ schüsse verstärkt warden. Major v. Amedorf verlas die Urkunde, welche nebst den heutigen Münzen in einen Blechbehälter gethan wurde, der dann den dafür rejerzirten Platz unter dem Grundstein fand Dann wurde der Stein niedergelassen und unter den üblichen Hammeischlägen festgemacht, worauf die Bergkapelle mit dem Blasen des Chorals: „Nun danket Alle Gott“ die Feier eendete.

Ueber den Brand und die Explolion der „Magenta“ im Hafen von Toulon wird berichtet: Das Evolut one geschwader hatte seine Uebungsfahrt gerade beendigt. Am 26. und 27. hatte es, von den Hyérischen Inseln kommend, auf hoher See manövrirt und Sonnabend Nachmittag auf der Rhede von Toulon Anker ge⸗ worfen. Um 3 Uhr lag die „Magenta“ auf ihrem Ankerplatze und löichte die Feuer. Beim Zapfenstreich am Abend meldete die Runde nichts Besonderes; der Nachtdienst ging in gewohnter Wise von Statten. Um 1 Uhr Morgens bemerkten die Ponen des

wischendecks Brand au dem Rauche, der durch die Luken drang. as Fuer war in den zahlreichen Segel und Tauwer ks kojen entstanden, die rechts und links an den Wellenschacht stohen und sich hinten an die Pulverkammer anlehnen. Die U sache des Feuers ist durchaus noch unaufgeklärt. Beim ersten Allarmstgnal warde in der Batterie Generalmarsch geschlagen; die Mannschaften sprangen aus ihren Hängematten und traten auf ibre Gerechteposten; die Pumpen der „Magenta“ wurden sofort in Be⸗ wegung vesetzt. Zugleich meldete der Admiral den Panzerschiffen des Geschwaders und dm Hasenmeister den Brand. Wenige Minuten später kam von allen Seiten Hülfe herbei; der Hafenmeister sandte die größten Böte und die stärksten Dampfpumpen. Unglücklicherweise hatte indeß das Feuer, genährt durch die Brennstoffe, solche Fortschritte gemacht, daß es unmöglich war, es zu löschen. Der Admiral gab nun Befehl, die Pulverkammer unter Wasser zu setzen, aber die Hitze hatte bereits in die Schossen der Pulverkammer viele Spalten gerissen, und das durch die Krabne hineingelassene Wasser lief wleder in den Raum. Eine Explosion stand also bevor. Die Kammer ließ sich nicht mehr unter Wasser setzen, und ebenso war es unmöglich, die Kisten los zuschrauen und den enormen Pulvervorrath zu durch⸗ nässen. Man mußte demnach daran denken, das Schiff zu ver lassen, und der Admital befahl die Räumung. Alle Böte

des Geschwaders und des Hafens bildeten vor dem Buge der „Magenta“ einen großen Bogen, während die Hafenschlepper das ganze Geschwader, welches von der Explosion gefährlich bedroht war, auf die äußere Rhede brachten. Ueber den Bugspriet und die Schwingbäume ließ sich die Mannschaft in größter Ordnung bei dunkler Nacht, bei dem Scheine der Flammen und unter der drohen den Gefahr der Explosien in die Böte. Um 3 Uhr 25 Minuten erfolgte eine furchtbare Explosion, dann ein dumpfes Aufwallen des Wassers und die Magenta“ versank. Ihre Riegelung ragt oben aus dem Wasser hervor Die Panzerplatten, die 16 24 Cm.Geschütze und einen Theil der Ausrüstung wird man vielleicht retten. .

Auf Grund eines Sonnabend früh abgehaltenen Appells wird offiziell erklärt, daß von der Mannschaft Niemand getödtet worden ist oder vermißt wird. Der Herstellungswerth der „Magenta“ soll sich auf eirea 10 Millionen belaufen, doch sollte das Schiff nach fünfzehnjährigem Dienste eben ausrangirt werden. Es ist dies Der zweile Fall eines Schiffsbrandes in der französischen Marine. Vor dreißig Jahren verbrannte der Trocadero“ im Hafen ven Toulon, und fünf Fahre später fand auf dem Valmy auf der Höhe von Quessent eine Explosion statt. ;

Toulon selbst hat unter dem Schlage der Explosion schwer ge— litten. Um 3 Uhr 35 Minuten Nachts schreiht die „Sentinelle du Midi“ hörte man einen furchtbaren Knall. Die Flammen hatten die Pulverkammer erreicht, und ein Regen von Feuer von Ge— schossen, von Trümmern aller Art fiel auf den Theil des Mourillon-⸗ Viertels nieder, welcher zwischen der Rhede und der Grosse Tour gelegen ist. Der große Platz des Polygons war mit verkohlten Holzftücken, verbrannten Papieren und Kleiderfetzen übersäet; wir sahen dort sogar einen ungeh ueren Panzer nagel, der von der Hitze gekrämmt war und noch glühte. Eine Vanzerplatte war bis auf den Boulevard de la Rivisre, zwischen dem Arsenalthor und der Seeartillerie⸗Keaserne geschleudert, und wenigstens 0 Centimeter tief in das Pflaster eingekeilt worden; auch sollen Stück⸗ kugeln in der Gegend der Polygons niedergefgllen sein. In Folge der Explosion war die Stadt mit einem Schlage in die tiefste Dunkelheit gehüllt; nicht eine Gasflamme blieb brennen. Im Hafen sind in den Gewölben, den Cafés und Privatwohnungen alle Spiegel und Fenster zertrümmert worden, die Auslagen der Läden stehen jetzt unter dem Schutze von Schildwachen. Der Handelshafen und das Mourillon . besonders gelitten, Fenster und Thüren wurden dort zertrümmert, Fensterläden auf die Straße geschleudert. Vor 4 Uhr war die ganze Stadt und die Vorstädte auf den Beinen, und von den Quais genoß die Menge, tief ergriffen, das schwecklich schöne Schauspiel des Bran⸗ des. In diesem ÄÜugenblicke (G Uhr Morgensé) ist von dem ganzen großen Schiffe nur noch ein Stumpf des Fockmastes sichtbar.

Die Magenta“, welche im Jahre 1861 aus den Werften von Brest hervorging, war aus Holz erbaut, ihre größte Länge betrug 92, die größte Breite 1736, der mittlere Tiefgang 7. Meter, das Deplacement 6985 Tonnen. Die Panzerung hatte eine Dicke von 12 Gentimeter auf 66 Centimeter Holzunterlage, war also nicht stärker, als bei der „Gloire“. Die Maschinen hatten nominell 909 Pferdekeaft, die bei der Probefahrt erreichte größte Geschwindigkeit bei 55 Umdrehungen in der Minute und Mog indizirten Pferdekräften war 125 Knoten. Die Geschütze, deren Zahl bei der ersten Ausrüstung 52 betrug, führte die „Magenta“ in zwei gedeckten Batterien und auf der Schanze, ste war also ein wirkliches Linien schisf. Der Bug war zum Zweck des Rammens vorspringend konstruirt. Eine entschledene Schwächung der Defenstvstärke dieses Schiffes im Vergleich mit ihren vollgepanzer ten Vorgängern bestand darin, daß die Panzerung in Anbetracht des

großen Gewichts, welches der Rumpf wegen der doppelten Batterie⸗

höhe zu tragen hatte, auf den mittleren Theil des Schiffes beschraͤ wurde, Die Enden blieben ganz ungepanzert, und so vortheilhf diese Erleichterung auch in vielen Beziehungen sein mochte, so sch sie doch die große Gefahr in sich, daß das gänzlich ungedeckte hölze Vordertheil und Hintertheil

Das französische Mittelmeergeschwader, dessen gegenwärtig Ober ⸗Befehlshaber der Admiral Roze ist, hat in diesem Jahre Juli) bereits den „Forfait“ verloren. Uebrigens war die Magen zum letzten Male mit dem Geschwader in See gegangen und sol nächstens durch den nach einem neuen und fortgeschritteneren Syst— gebauten „Richelieu“ ersetzt werden.

Wie aus Toulouse vom 2. November, Vormittags, e graphirt wird, steigt das Wasser der Garonne nicht mehr, und s die Befürchtungen abermaliger Ueberschwemmungen geschwunden.

In dem in Nr. 256 d. Bl. vom 1. November abgedruckten richt über die letzte Sitzung des Vereins für die Geschichte Berlins] den Vortrag des Architekten Prüfer ist zu berichtigen, daß zur nicht nur 28 Todtentänze, sondern deren 52 bekannt sind.

Theater.

Morgen (Dennerstag) feiert der Königliche Balletmeister P Taglioni sein fünfzigjähriges Künstlerjubiläum. 2 Jubilar wurde im Jahre 1808 zu Wien geboren und ist der Sa des berühmten italienischen Balletmeist ers Philipp Taglioni, als Balletdirigent am Hoftheater zu Stockholm, Cassel (unter Jerome), Warschau 2c, und namentlich auch durch eine Reihe sch komponirter Ballete zu großem Ansehen gelangte. Der Sohn b sowohl das Talent wie den europälschen Ruf des Vaters geerbt. 3 Königlichen Opernhause findet zur Feier des Tages ein Pe pourri aus seinen bedeutendsten choreographischen Schöpfungen sig an dessen Ausführung sich die hervorragendsten Kräfte des Königlid Ballets betheiligen werden.

Ein neues Lustspiel ven Otto Girndt, „Drei Bu staben“, soll in der zweiten Hälfte dieses Monats im Wallne Theater zur Aufführung gelangen. Der Stoff dieses Lustspiels der Geschichte des ersten preußischen Königs entlehnt. Am nächs Sonnabend fiadet in demselben Theater eine Benefiz⸗Vorstelln für den Regisseur Hrn. Keller statt, welche demselben für se— 20jährige Wirksamkeit an dieser Bühne bewilligt ist. Hr. Friedr: 861 e wird in derselben in drei kleinen Stücken: Im Vorzimm

r. Excellenz; „Eine Partie Piquet? „Die Hochzeiksrei mitwirken, In letzterem Lustspiel werden auch die Gattin Haase und Hr. Helmerding (als Stiefelputzer Hahnensporn) auftreten.

Zur , , armer Kinder des Erziehungshauses Zo

findet Freitag den Abends präßse 6 Uhr, in der Marienkir« ein Orgel⸗Concert von Hrn. Otto Dienel statt, in welch— Frau Prof. Schulzen⸗ v. Asten, Frl. Hohenschild, Hr. Jul. Stur Hr. Geor . der Königliche Kammermusikus Hr. W. Mer und der Cellist Hr. Gallrein den Concertgeber bei der Ausfüh eines sehr interessanten Programms unterstützen werden.

Redacteur: F. Preh m. Verlag der Expedition (Kessel). Druck W. Elsn Drei Beilagen

Berlin:

leinschließlich Börsen⸗Beilage).

Auf der Indo⸗Europäischen Telegraphenlinie wm

Die Eisenbahn zwischen Finnentropp und Rothemühle ist a der Strecke Attend orn⸗Olpe am 1. November d J.

ganz bedeck

in Brand geschossen werden konn

zum Deutschen Reichs⸗Anz

Mm Zs.

Neichstags⸗ Angelegenheiten.

Berlin, 3. November. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstages gab die erste und . , des Gesetzentwurfes, betreffend die Abänderung des 8 1 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen

eiches vom 28. Oktober 1371, mehreren Abgeordneten Veranlassung, eine Erleichterung der Eisenbahnen in ihrem Ver⸗ hältniß zur Post zu befürworten. Der Bundes bevollmächtigte, General⸗Postdirektor Dr. Stephan, entgegnete hierauf nach dem Abg. Grumbrecht:

Meine Herren! Ich kann nicht umhin mit dem Bekenntniß zu beginnen, daß die Wendung, welche die heutige Berathung erhalten, der Chars kten, den sie angenommen hat, mich überrascht. Es handelt sich um ein Gesetz, lediglich formeller Natur, ein Gesetz, dessen Ab⸗ sicht ein zie und allein dahin geht, beftehendes Recht zu kodifisiren, wie der Herr Kemmissarius dies vorhin ausgeführt hat, ein Gesetz, dessin Nothwendigkeit und das möchte ich mir erlduben in Bes ziehung auf die Ausführungen bes Abg Hrn. v. Benda hier gleich in den Verdergrund zu stellen einfach deshaib zu Tage liegt, weil das bestehende Recht mit Ende dieses Jahres, mit Äblauf der acht⸗ jährigen Periode, erlischt und wir uns dann gegenüber dem Nichts beftnden, und gleichwohl ist materiell in die Berathung eingetreten, sind die wesentlichen . dieses bestehenden Rechts, seine Sub⸗ stanz selber, hier zum Gegenstande der Diskussion gemacht worden. Dieses Recht bildet einen wichtigen Bestandtheil des Besitzstandes des Deutschen Reiches, es ist mit dem Hoheitsrecht der Post selbst nach dem Satze: Aecessorium sequitur suum Principale, auf das Reich übergegangen, und es hat so zu sagen den Charakter J. vi , , , n, . der Post verwaltung, ohne dessen Besitz sie ihre für die Gesammtwohlfahrt äußerst wich⸗ ö . . . JJ

deshalb nun xichten sich die Angriffe gegen diesen Besitzstand?

Hat die Postverwaltung eiwa dieses Recht ö . hat es nicht gesagt. Oder hat die Postverwaltung vielleicht in dem er— laubten Gebrauch dieses Rechts mit Racksichtslosigkeit verfahren? Auch das ist nicht angeführt worden. Hat ste endlich die Leistungen nicht eifüllt, die man berechtigt war von ihr zu erwarten, indem man sie wohlüberlegter Weise mit einem solchen Recht aus⸗ stattete? Man hät es nicht behauptet, und ich glaube, man wird es auch nicht behaupten, wenigstens möchte die Beweisfüh⸗ rung sehr schwer werden. Wo liert also der Grund? Ich glaube, mein Herren, wir hab n Ursache, den geehrten Herrn Arg. Richter und Stumm danfhar dafür zu sein, daß sie uns darüber die Augen sleöffnet haben. Es ist in der That nichts weiter als die gegenwãr⸗ tige finanzielle Bedrängniß der Pritvat ⸗Eisenbahnen, von welcher aus sich die Angriffe gegen dieses alte und wohlerworbene Recht richten. Durch welche Um sande die Eisen bahnen in diese Lage gerathen sind, das auszuführen, ist hier nicht der Ort und ist auch nicht meines Amtes: mag sie eine Folge sein des allgemeinen Systems, auf dem sich überhaupt die Entwickelung unseres Eisenbahnwesens aufgebaut hat. ein System, das ja viele Verehrer zählt ; oder mag sie in Verbindung stehen mit der gegenwärtigen bedrängten Lage von Handel und Verkehr; oder endlich heivorgerufen sein durch Maßre⸗ In, die die Eisenbahnen selber ergriffen haben und die in den Er

olgen vielleicht nicht so ausgeschlagen sind, wie sie es voraus gesetzt haben mögen wie gesagt, es gehört die nahere Ausführung nicht hierher, doch Thatsache ist, daß die Privatbahnen sich in finanzie ller Bedrängniß be⸗ finden und daß nun vielleicht bei dieser G legenheit wieder —= um ein an dieler St lle berühmt geworzenes Bild zu gebrauchen das große Reicht faß angezapft werden soll. Ja, meine Herren, ich glaube, daß, so lanse die mächtige Hand an dem Krahn des Reichsfaffes ist, die ihn gegennärtig hält, aus diesem Anlaß und für diesen Zweck an dem selben nicht gedreht werden, und nichts heraus laufen wird! Ist es nicht an sich ein höchst merkwüriges Schauspiel, daß die Eisen— bahnen und die Post, zwei Anstalten, die berufen sind, ganz ähnliche wichtige Zwecke gemeinsam zu erfüllen, und für die Wohlfahrt und Gesittung des Volkes duich Kräftigung des Verkehrslebens Hand in Hand und Schulter an Schulter beizutragen, daß zwei solche Anftal⸗ ten hier vor Ihrem Forum gewissermaßen einen petitorischen Prozeß führen! Es ist dies auch so eine der eigenthümlichen Folgen des be⸗

kannten gemischten Systems. Die Klagen, die vorhin hier widerhallt haben, sind mir übrigens nicht nen. Als die erste Kunde von der Vorlage des Gesetzes ins Land ging, erschienen Zeitungsartikel über Zeitunge— artikel, die die Post zum, Gegenstande von Angriffen machten, vor ugsweise in Blättern, die sich mit Gewerbe⸗, Aktien. Und Privat- Jenbahnwesen beschäftigen, die von vorneherein gegen die Postver⸗ waltung Partei nahmen, ohne nähere Untersuchung, meist auf die einseitigen Angaben der Privatbahnen hin, und nicht selten unter An— führung unrichtiger Thatsachen und Aufstellung schiefer Behauptun. gen. Die Prostverwalinng hat es verschmäht, auf irgend einen diefer Artikel, die zum Theil leider auch Eingang in das Organ des Deut⸗ schen Eisenbahnvereins gefunden haben, auch nur ein Wort zu erwi⸗ dern; sie hat es für richtiger gehalten, den Zeitpunft abzuwarten, wo ihr Anlaß gegeben werden wüchße, vor dem höchsten und unverfälsch— testen Organ der öffentlichen Meinung, vor dieser hohen Versammlüng, effen und. fiei ihre Sache zu fuhren, und ich glaube, daß dieser Zeitpunkt, wenn auch heute in einer mir unerwartet gewesenen Weise, dennoch jetzt gekommen ist. Die Reichs⸗ n, , . hat diese Zurückhaltung beobachten können in dem h ewußtsein ihres en Rechtes, in dem festen Vertrauen, daß der⸗ artige Sonderinteressen, wie sie vorhin bloßlegen zu müssen mir durch die Ungunst der Position geschaffen war, in die Beschlüsse dieser hohen Versammlung nimmermehr eindringen werden, sondern daß dieselbe die Wohlfahrt des Ganzen jeder Zeit fest im Auge behalfen wird. J srrach von dem guten Recht der Posftverwaltung, und will mich bemühen, dies nachzuweisen. Wenn es sich blos um' ein Recht handeltz, welches in den augenblicklich geschriebenen Gesetzen steht, so wütde ich das in diesem Fall' nicht so hochanschlagen; geschriebene Gesetze konnen geändert werden und sind oft genug geän⸗ dert worden in Folge der Raschlebigkeit unserer Zeit. Das Recht aber, welches ich meine, ist der Natur der Sache anhängend und innewohnend, Der Hr. Abg. Richter hat sehr richtig an die Ent— flehungegeschicht. des Postrechts gegenüber den Eisenbahnen angeknüpft; es scheint mir aber, er hat ungeachtet seiner sonstigen scharfen Lögit dabei doch nicht die richtigen Folgerungen gezogen. Das Verhältnig war folgendes: lobald die Staaten erkannt hatten, daß sie unbedingt nicht nur zur Förderung der Geschäfte der Regierung, sondern auch im Interesse der Regierten selber damals machte man noch diesen Unterschied einer allgemeinen Verkehraanstalt bedürftig seien, es bestand früher auch ein gemischtes System im Postwesen, indeß war es im ersten Jahrhunderte beseitigt und ein Staatszinstltut an die Stelle der Privatanstalten getreten legten sie dieser Anstalt die Verpflichtung auf, für den esammten da maligen Verkehr zu sorgen, d. 1. die , die Brefbeförderung, das Zeitungs wesen, die Güterbeförderung und den Geldverkehr. Diese Verpflichtung erstreckle sich gleichzeitig darauf, in dem gesammten Gebiete der Staaten und nicht . auf den einträglichen Routen Anstalten zu diesem Verkehr einzu⸗ richten. Damit die solchergestalt vereinigte Staatsanstalt diesen sehr umfassenden Pflichten gerecht werden konnte, wurde es alz unbedingt nothwendig anerkannt, und war es auch durch die Natur der Ver. hältnisse augenscheinlich geboten, sie mit einem gewissen Besitzt hum

sein, daß

Erste Beilage

von Rechten auszustatten, deren Ausübung ihr eben die Erfüllun ihrer Pflichten ermöglichte. Das ist so absolut wahr und so 3 nothwendig, daß in sämmtlichen Staaten, nicht einen einzigen ausge⸗ nommen, die Post mit dergleichen Rechten umgeben worden ist, Ta. mit sie eben ihre Zwecke erfüllen kann, die für da Ganze wiederum von der allerdringendsten Wichtigkeit sind.

Es wurden also die Postregalsrechte eingeführt, sie gehen mit— unter weiter, mitunter sind sie enger begrenzt; in den Staaten, die eine Fahrpost und eine Sachenbeförderung nicht kennen, ist das letztere der Fall; in den anderen gehen sie weiter und sie halten ungefähr die Mitte bei uns in Deutschsand. Dꝛese Rechte haben die Postverwal-· tungen, so lange sie im Alleinbesitz des Verkehrs waren, fo lange ihnen allein die Verpflichtung oblag, in allen Landestheilen für einen gleichmäßigen Betrieb zu sorgen, ausgeübt. Nun kam das Jahr 1838 für Deutschland. Der Hr. Abg. Richter hat der Stellung er⸗ wähnt, die der verstorbene General Postmeister von Nagler seiner Zeit eingenommen hat. Es ist heute ja leicht, zu bedauern, daß der Chef der Postverwaltung sich damals gegen die Eisenbahnen erklärt hat; dem einzelnen Measchen wird man es gewiß nicht verargen können, wenn er einer neuen Erfindung gegenüber, zumal sich an solche Gifindungen ja in der That oft Abenteurer heften, seine eigenen An⸗ sichten hat. enn etwas zu bedauern ist, so würde es vielleicht das damals der General- Postmeister so viel Einfluß und Macht gehabt hat, um zu verhindern, daß wir nicht von vorn— herein mit aller Energie zu einem Staatsbahnsystem übergegangen sind Im Uebrigen stehen die Verdienste des General Postmeisters v. Nagler auf postalischem Gebiete so hoch, daß ich es mit jederzeit zur Ehre rechnen werde, sein Nachfolger zu sein, und auf diesem Ge⸗ biete mit ihm in eine Linie gestellt zu werden!

Also nun kam das Jahr 1838. Die Post hatte das Recht, Per⸗ sonen und Sachen mit ihren Transportmitteln zu bestimmten An— kunftg⸗ und Abgangszeiten zu befördern; die Eisenbahnen begehrten in ihren Konzesstonen sehr erhebliche Rechte und erhielten außerdem ein faktisches Monopol. Die Ausübung des Dienstes der Eisenbahnen war nur möglich, wenn die Postverwaltung auf die ihr zustehenden Rechte verzichtete. Der Standpunkt der Post war ein sehr einfacher: sie konnte dies ohne Weiteres thun, wen! die Eisenbahnen für den gesammten Verkehr auch in den mang elhaft kultivirten Pro⸗ vinzen hätten sorgen wollen. Dafür haben sie sich aber bestens be⸗ dankt; die Postverwaltung sollte die Verpflichtung behalten, den Dienst auf den schwierigen Routen zu versehen, ihr wurden die besten und einträglichsten Course zwischen Berlin, Leipzig, Magdeburg, Stet⸗ tin, Hamburg und am Rhein abgenommen, und sie sollte nach wie vor für die Verkehrsbedürfnisse in Ostpreußen, Pommern, Posen, Schlesien auf allen jenen Linien sorgen, für die der Zuschuß eben aus dem Ueberschuß der guten Linien bestritten worden war. Zugleich kam das allgemeine und sehr berechtigte Drän⸗ gen nach billigen Portosätzen; daß die Ecfüllung aller dieser An— forderungen, ihr nicht möglich war, liegt. auf der Hand. Sie vermochte dies nur zu leisten, wenn ihr für das, was sie aufgab, eine Entschadigung zu Theil wurde. Nichts war natürlicher als' die Entschãdigung durch Diejenigen tragen zu lassen, denen die großen Vortheile der Konzesstonen zu Theil geworden waren, um welche sie ste sich beworben hatten. Es erhellt hieraus also ganz klar, daß es sich kein es wegs um ein Privileg ium der Post handelt, sondern einfach um ein Recht, welches ste erworben hat titulo oneroso, eine Entschädigung für die Abtretung des Post⸗ regals an die Eisenbahnen; diese Kompensation bilden eben die in Rede stehenden Leistungen, und das ist die Entstehung der ganzen Sache. Es ist dieser Hauptpunkt, die ganze Grundlage des wahren Rechtsvorhältnissez in allen Zeitungen und Denkschriften, die für die Eisenbahnverwaltungen geschrJeben find, stetẽ und voll ständig, ich will nicht annehmen geflissentlich, verschwiegen worden, wenigstens so weit sie mir zu Gesicht gekommen sind. Es handelt sich also einfach um eine Entschädigung für ein abgetretenes Recht. Man hat gesagt, und ich glaube, es war der verehrte Hr. Abg. Dr. Elben, der anführte, daß die Post verwaltung ja nachher den Post⸗ zwang für Packete und Gelder selber noch weiter erleichtert und' ihn dann ganz abgeschafft hat. Ja, meine Herren, wenn hieraus jene Folgerungen gezogen werden, die der Herr Abgeordnete darlegte, fo ist das einfach eine Umkehrung. Die Postverwaltung hätte den M zwang gar nicht auf 10 Pfund ermäßigen und ihn dann noch viel weniger zanz abschaffen können, wenn zur Zeit, als sie dies that, nicht bereits diese unentgeltlichen Leistungen der Bihnen bestanden hätten und die Post

nicht im Besitz der darans für sie hervorgehenden Rechte und Erleich— terungen gewesen wären. Sie fahen also gerade an diesem Beispiel, daß die Post ihre Stellung zu den Eisenbahnen im Interesse des Verkehrs und zur Erleichterung desselben verwendet hat.

In den Urtheilen über das ganze Verhältniß der Postverwaltung zu den Eisenbahnen begegnet man häufig der Annahme, daß die Post eigentlich Alles gratis auf den Eisenbahnen habe Diesen großen Irrthum darf ich hier nicht unwiderlegt lafsen. Ich habe mir vorhin die Zahlen, so weit es mir möglich war, zusammengestellt, welche die der Post aus dem Bahnbetriebe erwachsende Last darstellen, die Be— züge, die zum Theil den Eisenbahnen zufließen, und die Aufwendun— . die andererseits von der Post zu machen sind, um den chwierigen

ienst auf den Eisenbahnen, zu dem die Post genöthigt ist, über⸗ haupt auszuführen.

„Sie werden aus dem Etat für das Jahr 1876 entnehmen, daß für Bau und Unterhaltung der fahrenden Posten auf den Eisenbahnen ausgesetzt sind zweieinhalb Millionen Mark; ferner an Ver ütungen für die Packete geßen eindreiviertel Million Mark und dabei waltet das eigenthümliche Verhältniß ob, das für Packete von einem gewissen Gewicht, z B. über 29 oder 40 Pfund, am linken Rhein— ufer sogar über 2 Pfund, die Postverwallung auch dann bezahlen muß, wenn sie in dem eigenen Postwagen befördert werden; ja, damit noch nicht genug meine Herren, die Post muß sogar dann, wenn sie einen Beiwagen braucht, wie dies auf verkehrsreichen Strecken fast täglich der Fill ist, außer der Bezahlung pro ÄAchse für bie Wagen, auch noch für die großeren Packete, die innerhalb desselben befördert werden, jene besondere Vergütung entrichten, so daß sie doppelt zahlt! Ich will mir erlauben, in Anführung der Zahlen fortzufahren. Außer fenen zwei ein halb und ein drei Viertel Million figuriren noch zwei Mill onen Mark an Fahrgeldern für die Beamten, die den Dienst unterwegs verrichten Die Gehälter dieser Beamten und Ünter— beamten belaufen sich auf sechs Millionen sährlich. Früher, so lange die Landposlen bestanden, ist ein Dienst durch Beamte unterwegs nicht nöthig gewesen. Zu jenen Kosten treten dann noch die Ausgaben für Heizung, Beleuchtung, Miethung der Lokale und an Extraordinarien von etwe drei Millionen, macht . jähr⸗ lich funtzehn Millienen Mark. Ferner tritt hierzu 3 Kapital von 9 Milllonen Mark, welches auf die berests bestehenden mbulanten Bureaus verwendet wird und ein sehr erheblicher Betrag für Er— richtung von Posthäusern an den Bahnen. Und hier bin ich an einem Punkte angelangt, dem ich doch eine nähere Bemerkung wid— men möchte. Wie kommt die Postverwaltung dazu, nach ganz öden Gegenden, welche die Eisenbahnen wegen des kürzesten Weges oft auf⸗ suchen, um ihre Konzessionen zu verwerihen, mit ihrem ganzen Be⸗ triebsapparaf unentgeltlich nachrücken zu mijsssen, mit schweren Kosten auf unchausstiten Nebenruthen Posten anzulegen, welche den Bahnen die Reisenden zuführen und an Stellen, wo es ihr fonst nicht einfallen würde, Posthäuser oft mitten auf freiem Felde zu bauen und Dienst. wohnungen für die Beamten herzustellen, wahrend die Zoll und Polizei⸗

lokale und in anderen Staaten nach dem bestehenden Gesetze vielfach auch die Postlokale von den konzesstonirten Bahnen unentgeltlich her⸗

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

woch, den 3. November

18753.

gegeben werden müssen? Es ist das eine ganz außerordentliche Last, die der Postverwaltung damit auferlegt wird.

Es handelt sich also im Ganzen um einen nachweisbaren Betrag von jährlich etwa 15 —16 Millionen Mark, die die Post verwaltung aus Anlaß des Eisenbahnpoftdiensteg aufzuwenden hat und von denen sie ine bestimmte Anzahl von Millionen Mark direkt an die Eisenbahnverwaltungen für Packet! und für Beiwagen Ver⸗ gütungen bezahlt. Wie man dem gegenüber noch fagen kann, daß die Postverwaltung die Eisenbahnen gratis benutze, ist mir pollständig. unerfindlich. Ja, wenn die Eiscnbahnen diese Summe etwa noch mit übernehmen wollten, dann, aber auch erff dann, würde die Post den Vorwurf hinzunehmen haben, daß sis die Eisen. bahnen gratis benutze.

Weshalb eigenlich die Eisenbahnen überhaupt keine Leistungen unentgeltlich übernehmen wollen, erscheint mir an sich nicht motivirt, da doch ein solches Verhältniß bei vielen konzessionirten Unterneh— mungen besteht, die in einer oder der andern Form derartige deistungen ausführen müfsen. Auch bei Staatgverwaltun zen hät man dieses Beispiel. Ich erinnere an die Gerichte, die vsele

tozesse sportelfrei führen müffen, nicht blos für den Fiskus, Indern auch in Armensachen. Ich erinnere ferner an die Postverwaltung selber, die durch dis Portofreiheit für Reichssachen eine ganz bedeutende Last zu tragen hat, welche ich nach den jetzigen Verhãͤltnissen und nach der ja sehr glücklichen Ausdehnung der . kompetenz und Reichs verwaltung auf etwa drei Millionen Mart ãhr⸗ lich veranschlage, und die augenblicklich, wo die große an n , im Gange ist, gewiß sehr viel mehr beträgt. Das id Lasten, die von der U. ebenfalls unentgeltlich getragen werden. Ich wünschte, . n, . . . ein ,. nähmen und sich nicht

egen Leistungen sträuben, die rechtlich begründet sind, und schon lange Zeit bestehen. ö . ö ö

Sodann möchte ich noch auf das Beispiel des Auslandes auf⸗ merksam machen. In sämmtlichen Staaten, mit Ausnahme von zweien, die ich nachher nennen werde, bestehen diese Vorrechte der Postverwaltung oder vielmehr diefe Entschädizung der Postverwaltung in Form von unentgeltlichen Leistungen der Bahnen seit langer Zeit. Sie sind in den meisten Stagten umfassender, in einigen sehr viel weiter um fassender als bei unserer Postverwaltung. Gerade in neuerer Zeit haben die Schweiz und Ungarn diese Verhaäͤltnisse neu geregelt und man. ist dabei weiter gegangen, als es hier je der Fall ist.

Zwei Staaten, erwähnte ich, bilden eine Ausnahme. Es ist das Großbritannien und Amerika. Auf das Beispiel Englands hat sich, wenn ich nicht irre, Hr. Dr. Elben berufen. In England liegt die Sache so: die Gese *die die Postverwaltung nöthigen, enorme Be⸗ zahlucgen an die Eisenbahnen zu leisten, sind unter Verhãältnissen im englischen Parlament zu Stande gekommen, von denen wohl kein . bei uns wünschen wird, daß sie jemals in diefer hohen Versammlung Platz greifen möchten. Die Vertretung der Sonder⸗ interessen der Eisendahnen ist eine zu starke, zu überwiegende gewesen, und jetzt fängt man erst an, die Folgen davon wahrzunehmen.

Es ist mir hier eben ein Aunzzug aus der Schrift des Professor Cohn, betreffend die englische Eisenbahnpolitik. übergeben worden. Mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten möchte ich eine kurze Stelle daraus mittheilen. Es heißt da:

die Post ist gesetzlich berechtigt, entweder auf den gewöhnlichen

Zügen ihre Briefsaͤcke mit oder ohne Begleituag ... 4 das ist die Stelle, die Hr. Dr. Elben schon vorgelesen hat dann heißt es weiter:

Die Folge davon ist einerseits, daß diese Sätze höher sind als diejenigen, welche von Privatpersonen entrichtet werden, indem die Bahnen davon ausgehen, daß die Post sie unter allen Um⸗ ständen braucht, und bei Anrufung schiedsrichterlicher Vermittelung die natürliche Neigung immer dahin geht, „für den schwächeren Theil“, d. h. füc die Eisenbahnen zu entscheiden. „Man siebt“, sagt Prof. Cohn, „den Staatssäckel als unerschöpflich an und billigt dem entsprechende Pieise zu‘; Preise von solcher Hohe, daß die , . sich in manchen Fällen gradezu außer Stande er⸗ laͤrt hat, die betreffenden Verbindungen im Interesse des Brief— verkehrs einzurichten. Andrerseits hat die rein privatrechtliche Auf⸗ fassung des Verhältnisses zwijchen Post und Eisenbahnen, o wie der Mangel, einer kräftigen Handhabung der taatlichen Aufsichterechte zuwege gebracht, daß jene Leistungen selbst, ganz abgesehen von der dafür zu zahlenden Ver— gütung auf die mannichfachste Weise verkürzt werden. An die Vost⸗ züge werden, obgleich dafür, wie für Extrazüge zu zahlen ist, Per— sonenwagen, aft in sehr großer Zahl, angehängt; die gesetzlich vor= geschriebene Schnelligkeit der Beförderung wird nicht eingehalten; bei den gewöhnlichen Zügen wird theils die Mitbeförderung der Brieffsãcke überhaupt verweigert, unter dem Vorgeben, daß dieselben nicht rechtzeitig d. h. vier Wochen vorher angemeldet seien, theils die Auswechselung auf den Zwischenstationen ausgeschlossen, weil sie zwar nach dem Sinne, jedoch nicht auch ausdrücklich nach dem Buchstaben des Gesetzes gestattet ist.

Meine Herren! Jedermann, der in England gewesen ist, und das Interesse oder die Verpflichtung gehabt hat, sich um diese Zu⸗ stände zu kümmern, weiß, daß der Postbetriebsdienfst in England zwischen den größeren Orten jwar sehr gut organisirt ist, daß er aber bezüglich mit lerer und kleinerer Orte oft sehr viel zu wünschen läßt, daß beispielzweise die Fälle nicht selten siad, daß die Briefe bis an das Ende der Linien durchgenommen werden, und an erstere rückwärts an die Zwischen⸗ stationen gelangen. Auch besteht keineswegs eine täglich fo oftmalige Verbindung als bei uns. In dieser Beziehung lassen sich die engli⸗ schen Zustande mit den unfrigen nicht vergleichen. Ich möchte ferner darauf aufmerksam machen, daß England die gesammte Fahrpost nicht befitzt, und gerade die Fahrpost der Postverwaltung sehr große Ausgaben verursacht. Wenn wir es blos mit der Bri fpost zu thun hätten, was nicht wünschenswerth sein kann es gab allerdings eine Zeit, wo man die Fahrpost abgeschafft wissen wollte —, die damaligen Doftrinen sind überwunden; wir hüben ein starkes Fahrpost-Institut, welches für die Verkehrswohlfahrt des deutschen Volkes von größtem Nutzen ist und unserm Postwesen, wie mir scheint, einen Vorrang vor dem der west= lichen Staaten verschafft hat. Genug, wenn wir es nur mit der Briefpost zu thun hätten, so würde der Dienst bequemer, billiger und einträglicher werden. Das ist der Fall von England. Die britische Staat kaffe erzielt aus der Post einen Ueberschuß von 10 Millionen Thalern 30 Millio⸗ nen Mark, weil sie die Fahrpost nicht mit zu bestreiten hat, und weil die Tarife in England für mehrere wichtige Objekte erheblich größer sind, als bei uns. Ich erwähne nur das Zeitungsporto, das dort fünfmal so viel beträgt, als in Deutschland, ferner die Rekommandations gebühren, welche das Doppelte betragen. Sodann existirt noch eine große An—⸗ Fi von Landorten, die noch keine unentgeltliche Bestellung besitzen.

ie Zustände hat man nicht beseitigen können, weil auf dem Postärar ein zu großes Opfer durch die Zahlungen für die Eisen⸗ bahnen lastet. Ganz ähnlich wie in letzterer Beziehung liegen die Verhẽltnisse in Nordamerika. Es ist mir heute noch kurz bor der Sitzung der letzte Jahresbericht des nordamerikanischen General=— ostmeisters zugegangen danach besteht ein Defizit von 6 Millionen Dollars, da Veftzit des vorigen Jahres belief fich, wenn ich nicht irte, auf 7 Millionen Dollars, das des vorvorigen Jahres auf 5 Millionen Dollars, so daß sich das Jahregdefizit immer zwischen 290 und 25 illionen bewegt. ie ses en geht

Im Wesentlichen in den Säckel der Privateisenbahnen bezw. der Wktionäre. Wodurch deckt Amerika dieses Defizit? Durch seine