1875 / 291 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Dec 1875 18:00:01 GMT) scan diff

hebung der indirekten Steuern im Reichslande referirte der Abg. Buhl. Der Abg. Duncker erkannte die Berechtigung der Be⸗ schwerden der reichsländischen Bevölkerung über die allzu hohen Kosten der Erhebung der indirekten Steuern an, und machte für ihre Ermäßigung den unmaßgeblichen Vorschlag, im Reiche eine innigere Verbindung zwischen Steuer⸗ und Postbehörden für die Zukunft herbeizuführen. Bei Kap. 4 Tit. 8, Erhebung der Weinsteuer, trat der Abg. Simonis den Ausführungen des Re⸗ ferenten entgegen, als sei die Verminderung der Wein⸗ steuer für den Detailverkauf in den Wirthshäusern eine Erleichterung für die unteren Klassen; die französische Regierung habe eine Prämie durch niedrigere Steuern auf den Weinankauf für das Haus gesetzt und somit das Familienleben der untern Klassen gefördert, während die deutsche Regierung die Verzehrung im Wirthshause prämiire. Er empfahl die gänzliche Abschaffung der Weinsteuer. Der Bundes -Kommissar Geh. Rath Huber führte dagegen Belege aus französischen Parlamentsverhandlungen vom Jahre 1848 an, welche die französische Gesetzgebung in dieser Be⸗ ziehung scharf tadelten. Von der deutschen Regierung würde 40 bis 50 Prozent weniger Weinsteuer erhoben, als von der früheren französischen, deren Steuererhebungssystem auch nur wenig modifizirt worden sei. Bei der Einnahmeposition der Kaiserlichen Tabaksmanufaktur in Straßburg suchte der Abg. Simonis darzuthun, daß in Wirklichkeit ein Ueberschuß, wie der im Etat angegebene, nicht erzielt sei, sondern ein viel ge⸗ ringerer. Der Grund davon sei von den agitirenden Konkurrenten richtig dahin angegeben worden, daß die Tabaksmanufaktur nicht kaufmännisch verfahre. Der Bundeskommissar, Direktor im Reichskanzler⸗Amt Wirklicher Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Herzog verwies den Vorredner darauf, daß die Frage bereits in der Kommission und im Landesausschusse eingehend erörtert sei. Der Referent Buhl rechtfertigte darauf in kurzer Darlegung die Kommissionsbeschlüsse, welche Abg. Simonis nochmals bekämpfte. Bei dem Etat des Ober⸗Präsidiums wünschte der Abg. Winterer die Aufhebung des §. 10 des Organisationsgesetzes, welcher den Ober⸗Präsidenten zu allen Maßnahmen befugt, welche derselbe im Interesse der öffentlichen Sicherheit für erforderlich hält, und welcher namentlich zur Vergewaltigung der katholischen Presse angewendet würde. Der Abg. Windthorst pflichtete dem Vorredner bei und wünschte von dem Ober⸗Präsidenten die betreffenden Erklärungen, besonders aber die Einführung des deutschen Preßgesetzes im Reichslande. Der Bundesbevollmächtigte, Wirklicher Geheimer Rath von Möller, weigerte sich, die gewünschten Erklärungen sowohl als Mitglied des Bundesraths als auch als Ober⸗Prä⸗ sident von Elsaß⸗Lothringen, den er übrigens hier gar nicht repräsentire, zu geben. Beim Schlusse des Blatts hatte der Referent Abg. Nieper das Wort.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung der außerordentlichen Generalsynode trat dieselbe in die Berathung des 5§. 23 der Vorlage. Derselbe lautet:

Als Königlicher Kommissar zur Wahrnehmung der Zuständig⸗ keiten des obersten Kirchenregiments bei der Synode fungirt der Prä⸗ sident des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths. In Vakanzfällen oder 3 Verhinderung ernennt der König einen anderen Kom⸗ missar.

Der Königliche Kommissar ist befugt, jederzeit das Wort zu er⸗ greifen und Amräge zu stellen. Er kann Mitglieder des Evan⸗ gelischen Ober⸗Kirchenraths mit seiner Beihülfe und vorübergehenden Vertretung beauftragen.

Der Minister der geistlichen Angelegenheiten und die von ihm ernannten Kommissarien sind berechtigt, den Sitzungen beizuwohnen und jederzeit das Wort zu ergreifen, sofern sie es im Interesse des Staats für erforderlich erachten.

Hierzu lagen zwei Amendements vor:

1) vom Synodalen Sommerbrodt, die Worte in Alinea 3 so⸗ fern“ bis „erachten“,

2) vom Synodalen Dr. Techow (Berliu) in Alinea 2 die Worte „und Anträge zu stellen“ zu streichen.

Der Synodale, Dr. Techow, begründete seinen Antrag damit, daß das Recht, Anträge zu stellen, über die Kompetenzen eines Königlichen Kommissars hinausgehe. An der Debatte betheiligten sich die Synodalen Dr. Techow (Berlin), Dr. Som⸗ merbrodt (Breslauy, Wunderlich (Breslau) und Hermes (Berlin).

Nachdem der Präsident des Evangelischen Kirchenrathes Dr. Herrmann sich gegen das Amendement Techow erklärt hatte, da der Passus aus praktischen Gründen aufgenommen sei, wurde der 5. 23 nach dem Wortlaute der Vorlage angenommen.

Der §. 24 lautet:

„Die Synode regelt ihren Geschäftsgang. Bis dies geschieht, ist eine provisorische Geschäftsordnung maßgebend, welche der Evan⸗ gelische Ober⸗Kirchenrath ertheilt.“

Derselbe wurde ohne Diskussion angenommen.

Ueber die Behandlung der 5§§. 25 und 26 entstand eine längere Debatte, da der Synodale Freiherr v. d. Goltz deren Absetzung von der Tagesordnung und Verweisung an die Kom⸗ mission beantragte. Die Synode beschloß jedoch in die Be⸗ rathung einzutreten.

Der 5§. 25 lautet:

„Der Präses eröffnet die Synede, leitet ihre Verhandlungen und an lt die äußere Ordnung. Seine Stimme entscheidet bei Stimmen⸗ gleichheit.“

Der Synodale Dr. Gierke (Breslau) beantragte für das letzte Alinea die Fassung:

„Wenn sich Stimmengleichheit ergiebt, so wird in der nächsten Sitzung noch einmal abgestimmt. Tritt nochmals Stimmengleichheit ein, so gilt der Antrag als abgelehnt.“

Der Präsident des Evangelischen Ober⸗Kirchenrathes, Dr. Herrmann, trat für den Passus ein, da in den meisten Fällen das Votum des Präsidenten von Werth für das Kirchen⸗ regiment sei.

Die Debatte hatte ausschließlich die dem Präsidenten zuge⸗ standene Vergünstigung zum Gegenstande; es nahmen daran Theil die Synodalen v. Goßler (Königsberg), Gierke (Breslau), von Kleist⸗Retzow, Dr. Bierling (Greifswald) und Dr. Boretius (Halle). Bei der Abstimmung wurde Alinea 1 angenommen, Alinea 2 aber abgelehnt.

Der 5. 26 lautet:

Nachdem die Synode eröffnet ist, berichtet der bisherige Synodal-⸗ vorstand über seine Wirksamkeit während der verflossenen Synodal⸗ periode, sowie über die Legitimation der Synodalmitglieder und leitet die Wahl des neuen Vorstandes.

ö . Versammlung beschließt über die Legitimation ihrer Mit⸗ glieder.

Hierzu sind an Amendements eingegangen 1) vom Syno⸗ dalen Urtel ( Giebichenstein):

Die Hochwürdige Generalsynode wolle §. 26 Alinea 1 dahin vervollständigen, daß nach den Worten: „während der verflossenen Synodalperiode⸗ eingeschaltet wird:

„und über die Verhandlungen der während derselben Zeit abgehal⸗ tenen Provinzialsynoden, so weit sie für die gesammte Landeskirche von Bedeutung sind. Zu letzterem Zwecke sind ihm die betreffenden

rn nn,, munen von dem Evangelischen Ober⸗Air⸗ enrath mitzutheilen.“ Nach dieser Einschaltung ist fortzufahren:

Er berichtet ferner über die Legitimationen u. s. w.“ . . 2) Von den Synodalen Schultze (Elbing) und Kögel (Berlin):

Statt des zweiten Satzes folgende Worte zu setzen:

„Die Versammlung prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und beschließt darüber.“

„Die Prüfung der Legitimation erstreckt sich darauf, ob die Abordnung von dem dazu Berechtigten in der gesetzlichen Form er⸗ folgt ist, und ob bei den Abgeordneten diejenigen Eigenschaften zu treffen, an welche die General⸗Synodalordnung deren Fähigkeit zum Eintiitt in die Generalsynode geknüpft hat.“

Nachdem sich die Synodalen Dr. Schultze (Breslau), Rogge (Potsdam), Urtel (Giebichenstein), Cremer (Greifswald), Hegel (Berlin) und Präsident Dr. Herrmann an der Diskussion be⸗ theiligt, gelangte der Paragraph in folgender Fassung zur An⸗ nahme:

„Nachdem die Synode eröffnet ist, berichtet der bisherige Synodalvorstand über seine Wirksamkeit und die Verhandlungen des Synodalrathes während der verflossenen Synodalperiode und über die Verhandlungen der während derselben Zeit abgehaltenen Provinzial⸗ synoden, soweit sie für die gesammte Landeskirche von Bedeutung sind. Zu letzterem Zwecke sind ihm die betreffenden Previnzialsynodal⸗ Verhandlungen von dem Eyxangelischen Ober-Kirchenrath mitzutheilen. Er berichtet ferner über die Legitimation der Synodalmitglieder und leitet die Wahl dez neuen Vorstandes.“

Der 5§. 27 der Vorlage lautet:

„Die Mitglieder werden bei ihrem Eintritt in die Synode von dem Präses mit dem in der Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung 3 10. September 1873, §. 63, vorgeschriebenen Gelöbniß ver- pflichtet.“

Nach kurzer Debatte wurde der Paragraph unter Verwer⸗ fung der eingebrachten Amendements angenommen.

Der 5§. 28 der Vorlage lautet:

„§. 28. Am Tage nach der Eröffnung der Synode findet ein feierlicher Syndalgottesdienst statt. 9

Jede einzelne Sitzung wird mit Gebet eröffnet, die Synode auch mit Gebet geschlossen.“ 3

Hierzu haben die Synodalen Dr. Wiesmann (Münster) und Erdmann (Breslau) den Antrag eingebracht, daß im 2. Alinea vor dem Worte „Gebet“ eingeschaltet werde: „einer kurzen Schrift⸗

verlesung und“. Der Paragraph wurde mit dem Amendement angenommen.

Schluß der Sitzung 44 Uhr.

Die heutige (14.) Sitzung der außerordentlichen Ge⸗ neralsynode wurde um 11 Uhr vom Vorsitzenden, Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode, mit geschäftlichen Mittheilungen eröffnet.

Auf der Tagesordnung stand die Fortsetzung der Spezial⸗ diskussion über die Regierungsvorlage von §. 29 an:

Der §. 29 lautet:

Die Verhandlungen sind öffentlich. Eine vertrauliche Berathung kann durch Beschluß der Synode verfügt werden.

Zur Beschlußfäͤhigkeit ist die Anwesenheit der Mehrheit der ge⸗— setzlichen Zahl der Mitglieder erforderlich.

Wahlhandlungen sind, wenn zunächst relative Mehrheiten sich er⸗ geben, durch engere Wahl bis zur Erreichung einer absoluten Mehr- heit fortzusetzen. Für die Wahl zu Kommisstonen Een die relative Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.

Einer zweimaligen Berathung und Beschlußkassung bedarf es, wenn es sich um Kirchengesetze (5 5) oder um Bewilligung neuer Ausgaben für landeskirchliche Zwecke (68. 13, 14) handelt.

Hierzu hatten die Synodalen Dr. Gierke (Breslau) und v. Loeper (Potsdam) Folgendes beantragt:

a. zu Al. 7 hinzuzufügen: „Die Beschlußfassung erfolgt mit ab⸗ soluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit ßilt der Antrag als abgelehnt“

b. in Al. 4 die Worte „für landeskirchliche Zwecke“ zu streichen;

C. als Al. 5 folgende Worte hinzuzufügen: „Aenderungen der Kirchenverfassung in Bezug auf die Zusammensetzung oder Befugnisse der Gemeinde⸗Organe oder der Synoden können nur mit einer Mehr⸗ heit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden;“

d. als Al. 6 weiter hinzuzufügen: „Eine Verfassungsänderung, welche die in dieser Ordnung (§. 6 Nr. 3 und §. 8) der landes⸗ kirchlichen Gesetzgebung gezogenen Grenzen zum Nachtheil der Provinzialsynoden oder der Gemeindeorgane erweitern soll, bedarf überdies der Zustimmung der Mehrheit der Provinzialsynoden. Eine Einschränkung oder Beseitigung der den Provinzialsynoden Westfalens und der Rheinprovinz in 8. 9 dieser Ordnung ein⸗ geräumten Befugnisse kann nur mit ausdrücklicher Zustimmung dieser Synoden erfolgen.

Beim Schluß des Blattes begründete Dr. Gierke sein Amendement.

Nach einem Cirkularerlaß des Ministers des Innern

und des Handels⸗Ministers vom 16. v. M. bezieht sich die Vor⸗ schrift in 5. 90 Nr. 2 des Gesetzes vom 3. Juli er., betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungs⸗ Streitverfahren, durch welche die §§. 141 bis 163 und 165 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, soweit sie das Ver⸗ fahren in streitigen Verwaltungssachen zum Gegenstande haben, aufgehoben worden sind, selbstredend nach dem ganzen In⸗ halte des Gesetzes vom 3. Juli er. nur auf diejenigen Bestim⸗ mungen, welche das Verfahren in streitigen Verwal⸗ tungssachen „vor dem Verwaltungsgerichte“ zum Gegenstande haben. Es ist überdies im §. 4 Nr. 2 I. c. aus⸗ drücklich bestimmt, daß die Bezirks⸗Verwaltungsgerichte auf die Berufungen gegen die in streitigen Verwaltungssachen ergangenen Endurtheile der Kreisverwaltungsgerichte nur in so weit zu ent⸗ scheiden haben, als nicht nach besonderen Gesetzen „die Entscheidung auf die Berufung gegen dieselben andern Behörden übertragen ist.“ Auch nach den Materialien zum Gesetze vom 3. Juli cr. (efr. Stenographische Berichte des Hauses der Abgeordneten Anlage B. J. S. 279 Bd. III. S. 669) kann es einem Zweifel nicht unterliegen, daß eine Aufhebung der Bestimmung in §. 156 des Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, nach welcher in den in 5§. 135 unter V., 1 und VIII. aufgeführten Angelegenheiten die Bezirksregierungen über die Berufung gegen Enischeidungen des Kreisausschusses zu entscheiden haben, nicht beabsichtigt ist, ö. Bestimmung vielmehr in fortdauernder Gültigkeit verbleiben ollte.

Mit Bezug auf §. 14, 8 der Landwehr⸗Ordnung vom 28. September d. J., hat der Kriegs⸗Minister in Betreff der im Beurlaubtenverhältniß befindlichen, beziehungsweise der später in dasselbe übertretenden Pharmazeuten Folgendes bestimmt: I) Sämmtliche zur Zeit vorhandene approbirte Pharmazeuten des Beurlaubtenstandes sind von den Corps⸗General⸗Aerzten zu Unter⸗Apothekern zu befördern. 2) Die Beförderung der zur Zeit noch nicht approbirten Pharmazeuten des Beurlaubtenstandes erfolgt nach Vorlegnng der Approbation als Apotheker. 3) Wer künftig wegen Nichtbestehens der im §. 20. 3 der Rekruti⸗ rungsordnung vorgeschriebenen Prüfung als „Pharmazeut“ zur Reserve entlassen wird, kann nach Ablauf eines Jahres behufs Erlangung des Qualifikationgattestes zum Ober⸗Apotheker be⸗

zichungsweise Beförderung zum Unter⸗Apotheker zu einer Nach⸗ prüfung zugelassen werden. Dieselbe ist in dem Garnisonlazareth am Stationsort des Corps⸗General⸗Arztes desjenigen Armee⸗ Corps, in dessen Bezirk Petent seinen Aufenthaltsort hat, vor⸗ zunehmen. Bezügliche Gesuche sind durch Vermittelung des Landwehr⸗Bezirks⸗Kommandos an den Corps⸗General⸗Arzt zu richten. 4) Unter⸗Apotheker, welche dem Beurlaubtenstande min⸗ destens 2 Jahre bei tadelloser Führung angehören, können auf ihren an das Bezirks⸗Kommando zu richtenden Antrag durch den Corps⸗General⸗Arzt dem Kriegs⸗Ministerium zur Beförde⸗ rung zum Ober⸗Apotheker in Vorschlag gebracht werden. 5) Die Beleihung eines Unter⸗Apothekers mit einer etatsmäßigen Feld⸗ Apotheker⸗Stelle hat die Beförderung desselben zum Ober⸗Apo⸗ theker zur Folge.

Mit Rücksicht auf die inzwischen eingetretene anderweite Normirung der Tagegelder und Reisekosten der Staatsbeamten haben der Finanz⸗Minister und der Minister des Innern durch ein Cirkularrestript vom 12. v. M. die unterm 30. Juni 1873 hinsichtlich der Remunerirung der landräthlichen Bu⸗ reaugehülfen ergangene Verfügung dahin abgeändert, daß den gedachten Privatbeamten für Reisen zum Zwecke ihrer Theilnahme am Ersatzgeschäfte, soweit solches außerhalb der Kreisorte stattfindet, an Reisekosten auf dem Landwege der Satz von 2 S per Meile. auf Eisenbahnen und Dampfschiffen von 765 J per Meile, neben 2 S für jeden Zu⸗ und Abgang, so⸗ wie an Tagegeldern der Satz von 5 (S6 per Tag, fernerhin zu gewähren ist.

Die polizeiliche Genehmigung zur Betreibung eines Gewerbes in Vertretung eines Anderen (z. B. einer Wittwe) schließt nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tri⸗ bunals vom 16. Navember d. J. nicht die Genehmigung ein, dieses Gewerbe auch für eigene Rechnung betreiben zu können. „Entscheidend ist, führt das Erkenntniß in Beziehung auf die zu Grunde liegende Untersuchungssache aus, „daß der Angeklagte das Schankgewerbe in dem von deren früheren Inhaberin ge⸗ mietheten Lokale für eigene Rechnung, also felbständig betrieben hat; denn dazu mußte er für sich selbst eine Erlaubniß nach⸗ fuchen (§5. 33 der Reichs⸗Gewerbeordnung), und dafür, daß er solches nun unterlassen hat, trifft ihn die im 5§. 147 Nr. 1 angedrohte Strafe ohne Rücksicht darauf, ob er den im 5. 33 d. R. G. O. aufgestellten Bedingungen, bei deren Vorhandensein ihm die nachgesuchte Erlaubniß zu ertheilen gewesen wäre, hätte genügen können oder nicht.“

Der Kommunallandtag der Kurmark hielt seine 3. und 4. Plenarsttözung am 25. v. M. und am 7. d. M. Die längere Pause zwischen beiden Sitzungen wurde durch die Ar⸗ beiten der Ausschüsse und die dazwischen liegende Volkszählung, bei der eine Anzahl seiner Mitglieder amtlich mitzuwirken hatte, nothwendig gemacht. In beiden Sitzungen gelangten die in⸗ zwischen eingekommenen Sachen zur Vertheilung an die Aus⸗ schüsse; in der ersteren wurde mit Berathung der inzwischen eingelangten Ausschußgutachten begonnen und in der zweiten damit fortgefahren. Erledigt wurden die Ver⸗ waltungsberichte und die Rechnungen der größeren ständischen Verwaltungen, insbesondere des Landarmenwesens, der kurmärk⸗ schen Hülfskasse, der Land Feuer⸗Societät der Kurmark und der Niederlausitz und der Städte⸗Feuer⸗Societät der Provinz Bran⸗ denburg, sämmtlich für das Jahr 1874, letztere in General⸗ Vollmacht des Provinziallandtags. Alle diese Verwaltungen liefern ein günstiges Bild, und der Landtag hatte nur Anlaß, den Leitern derselben seine Anerkennung auszusprechen. Bisher erfolglos ist die schon im Jahre 1874 beschlossene Pe⸗ tition des Landtags an beide Häuser des Landtags der Monarchie wegen Uebernahme der noch restirenden Kriegs⸗ schuld auf Staatsfonds geblieben. Das Haus der Abgeordneten ist über diese Petition zur Tagesordnung gegangen, und im Herrenhause ist dieselbe wegen Schlusses der Session nicht zur Berathung gelangt. Der Landtag hat beschlossen, diese Petition abermals bei dem Herrenhause einzubringen. Im Laufe der gegenwärtigen Session wird es dem Landtage möglich sein, die laufenden Verwaltungsgeschäfte dergestalt zu erledigen, daß dieserhalb die im Jahre 1876 fällige Session erspart werden kann, falls nicht anderweite Umstände den Zusammentritt des Landtags erfordern; dahin hat sich der Landtag auf eine Anfrage des Ober⸗Präsidenten ausgesprochen. Die durch die Kreisordnung herbeigeführte anderweite Zusammensetzung der Kreistage macht eine Aenderung des Land⸗Feuer⸗Societäts⸗Regle⸗ ments und der Instruktior. fue die Kreis⸗Feuer⸗Societäts⸗Direk⸗ toren insofern erforderlich, als an die Stelle der bisher aus der ständischen Gliederung erwachsenen Wählerschaft diejenige der Abgeordneten der Wahlverbände des großen und des kleinen Grundbesitzes treten muß.

Der Landtag hat beschlossen, die danach erforderliche Emen⸗ dirung der reglementarischen Bestimmungen vorzunehmen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrathe, Großherzoglich hessischer Präsident des Gesammt-Ministeriums und Minister des Großherzoglichen Hauses und des Aeußern, Hofmann und Herzoglich sachsen⸗coburg⸗gothaischer Staats⸗Minister, Freiherr von Seebach, sind in Berlin angekommen.

Demmin, 8. Dezember. Am 6. d. M. ist der als volks⸗ wirthschaftlicher Schriftsteller in weiten Kreisen bekannte Dr. Rod⸗ bertus, im Jahre 1848 vorübergehend Mitglied des preußi⸗ . Staats⸗Ministeriums, auf seinem Gute Jagetzow ge⸗ storben.

Bayern. München, 8. Dezember. Der hohe Ritter⸗ Orden von St. Georg, der heute sein Festum Patrocinü in der Königlichen Residenzhofkapelle feierte, hat diesen Morgen eines seiner Mitglieder durch den Tod verloren: den Kapitular⸗ Komthur Franz Prinz von der Leyen, Major à la suite, der im besten Moannesalter gestorben ist. Die „Allg. Ztg.“ schreibt aus Augsburg, 6. Dezember: Dem Königlich baye⸗ rischen 3. Infanterie⸗Regiment „Prinz Carl von Bayern“, welches sich bei Lebzeiten des Höchstseligen Regiments⸗Inhabers schon dessen Fürstlicher Freigebigkeit in reichem Maß erfreute, haben die Frauen, Töchter und Erbinnen weiland Sr. König⸗ lichen Hoheit des Prinzen Carl von Bayern als bleibendes un⸗ veräußerliches Andenken einen Theil dessen silbernen Feldservizes für ca. 40 Personen zum Gebrauche der Offiziere in der Speise⸗ Anstalt des Regiments zugedacht, nachdem schon früher dessen zur Uniform eines Oberst⸗Inhabers des 3. Infanterie⸗Regiments gehörigen Uniformirungs⸗ und Armaturstücke mit den von dem⸗ selben gewöhnlich getragenen Militär⸗Orden diesem Regiment überlassen wurden.

Württemberg. Stuttgart, 8. Dezember. Der heuti⸗

gen Nummer des Staats⸗Anzeigers ist das Kirchliche Geseß vom 23. November 1875, betreffend Verkündigung und

Trauung der Ehen von Mitgliedern der evangelischen Kirche,

beigelegt. Die Gemeinde Hohenasperg (am Fuße des wohlbekannten Berges gleichen Namens) ist zur Stadt erhoben worden, welcher Titel ihr bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zugekommen war.

Baden. Karlsruhe, 8. Dezember. Seit der Abreise des Erbgroßherzogs nach Italien ist, wie die ‚Karlsr. Ztg.“ mit⸗ theilt, die Genesung der Großherzogin in stetigem Fortschreiten begriffen. Ihre Königliche Hoheit ist den größ⸗ ten Theil des Tages außer Bett und fühlt eine zunehmende Kräftigung ihres Befindens. Die in mehreren Blättern enthal⸗ tene Angabe, es sei Generalarzt v. Langenbeck in den letzten acht Tagen zur Pflege der Großherzogin hier anwesend gewesen, ist unrichtig. Generalarzt v. Langenbeck wurde vor sechs Wochen auf Wunsch der die Großherzogin behandelnden Aerzte zur Be— sprechung über die für nöthig erachtete Operation hierher beru⸗ fen, vollzog dieselbe und kehrte nach wenigen Tagen wieder nach Berlin zurück. Der ganze Verlauf der Heilung war Dank der

sorgfältigen und erfolgreichen ärzilichen Behandlung ein so

ununterbrochen günstiger, daß die völlige Wiederherstellung der Gesundheit Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin wohl in nächster Zeit erwartet werden darf. Die Erste Kammer hat in ihrer gestrigen Vormittagssitzung den Staatsvertrag mit der Schweiz über Verbin⸗ dung der beiderseitigen Eisenbahnen bei Schaffhausen und Stühlingen genehmigt. Das Haus begann dann die Be⸗ rathung des Einführungsgesetzes zum Reichsgesetz über Be⸗ urkundung des Personenstandes und Eheschließung, welche noch eine spätere Abendsitzung erforderte. Es wurden einige von der Kommission vorgeschlagene bedeutendere Aenderungen (bezüglich der Anfechtbarkeit der nicht vor einem Standesbeamten geschlossenen Ehen, und des 5. 12, Beweis unehelicher Abstammung) angenommen, wodurch das Gesetz an die Zweite Kammer zurückgehen mußte. Diese letztere hielt heute Mittag Sitzung und genehmigte die von der betreffenden Kommission beantragte Annahme der vom anderen Hause beschlossenen Aenderungen, jedoch bezüglich der Anfecht⸗ barkeit der Ehe mit einem Zufatz, welcher in Bezug darauf das Recht dritter Personen und des Staatsanwalts wieder herstellt. Die Erste Kammer, welche um 5 Uhr Sitzung hielt, nahm hier⸗ auf das Gesetz im Ganzen einstimmig an, und konnte die Ver⸗ tagung des Landtages, eventuell bis zum 17. Januar, eintreten. Bei der namentlichen Abstimmung über das fragliche Gesetz in der Zweiten Kammer wiederholte sich die neuliche Erscheinung einer Spaltung der klerikalen Fraktion bei diesem Gegenstande: fünf Mitglieder derselben, die Abgg. v. Buß, Edelmann, Lender, 166 Marbe stimmten gegen das Gesetz, die Abgg. Jung⸗ aus und Reichert dafür, zwei geistliche Führer der Partei, . und Hansjakob, hatten sich vor der Abstimmung entfernt.

Mecklenburg. Schwerin, 9. Dezember. Die „Rostocker Ztg.“ schreibt: Von zuverlässiger Hand geht uns über den Besuch, mit welchem Se. Königliche Hoheit der Großherzog am 3. d. M. die hiesige Universität beehrte, folgender Bericht zu: Se. Königliche Hoheit hat von 8 1 Uhr den Vorlesungen der Professoren HDr. Forster (Mythologie), Jacobsen (Chemie), Fritz sche (Horaz Satiren) und Schirrmacher (Geschichte des Mittel⸗ alters) beigewohnt und einzelne Institute besichtigt. Insbesondere ließ Se. Königliche Hoheit der Großherzog sich im phyfikalischen Institute des Professor Dr. Matthiessen die Schichtungsverhält⸗ nisse elektrischer Ströme an den vorhandenen Apparaten demon⸗ striren. Die besuchten Vorlesungen hörte Se. Königliche Hoheit von Anfang bis zu Ende, wobei ÄAllerhöchstderselbe dem von der Universität für ihren Allerhöchsten Kanzler bereit gehaltenen Stuhle einen Platz auf den für die Studirenden beflimmten Subsellien vorzog. In den Zwischenstunden unterhielt Se. Fönigliche Hoheit sich huldreich auch mit einzelnen Studenten und mit den Unterbeamten und nahm Einsicht von den Plänen der für die Universität bestimmten Neubauten.“

Schwarzburg⸗Tondershausen. Sondershausen, 6. Dezember. In der Sitzung des Landtags begann, nach Berichterstattung über die Prüfung der Landes kassenrechnung von 1873 74, die Berathung des Budgets. Die betreffenden Ansätze der Ausgabetitel „Finanzabtheilung!' und „Abtheilung des Innern“ wurden bewilligt; zu der zur Erhaltung der Chausseen und Brücken Seitens der Staatsregierung geforderten Summe von 69,000 S6 wurden die von der Finanzdeputation, im Einverständniß mit der Staatsregierung, für den Arnstädter Bezirk allein beantragten 9000 S6 sährlich bewilligt, zu dem Zwecke allseitiger und ordnungsgemäßer Besserung der theilweise in unbefriedigendem Zustande befindlichen Staatschausseen.

8. Dezember. Der Landtag nahm heut zunächst den Gesetzentwurf über Befreiung der Grundstücke der Kirchen, Pfarren und Schulen von der Krundsteuer an und beseitigte dadurch einen Differenzpunkt zwischen Regierung und Landtag, der seit 1868 in jeder Landtagsdiät aufgetaucht war. Ebenfo wurde der Gesetzentwurf, betreffend einige Abänderungen des Ge⸗ setzes über die Pensionsanstalt der öffemlichen Stellen, mit einem unerheblichen Zusatze angenommen, dagegen ein Antrag auf Gewährung eines Gnadengehaltes an die Wittwen einiger in der letzten Zeit verstorbenen Beamten, welche in eine höhere Klasse der Wittwenkasse aufgerückt sein würden, wenn sie die Publikation des Abänderungsgesetzes erlebt hätten, mit Stim⸗ menmehrheit abgelehnt. Schließlich wurden noch eine Anzahl Titel der Budgetausgabe nach dem Ansatze der Regierung be⸗ willigt, wobei jedoch die Beschlußfassung über die Mehrforderung an Gehältern in allen Titeln ausgesetzt blieb.

Lippe. Detmold, 9, Dezember. In einem Extrablatt des F. L. R. u. A. Bl.“ wird das Hinscheiden des Fürsen Leopold wie folgt verkündet: ; Die Hoffnung, daß die Krankheit des Durchlauchtigsten Fürsten eine günstigere Wendung nehmen würde, ist nicht in Ecfüllung gegangen.

Nach Gottes unerforschlichem Rathschlusse hat gestern, den 8. Dezember, Abends nach 10 Uhr, der Surchlauchtigste Fürst und herr, Paul Friedrich Emil Leopold, regierender Fürst zar Lippe, dler Herr und Graf zu Schwalenberg und Sternberg ze, nach ängern, schweren Leiden im 55. Lebensjahre und nach fast 25jähriger

egierung seine irdische Laufbahn vollendet.

Den gerechten Schmerz der Glieder des Fürstlichen Hauses wer⸗ den alle Angehörigen des Landes von Herzen theilen, welche den dahingeschiedenen Landesherren kennend, seiner redlichen Gesinnung und seinem beften Willen, füt das Wohl des Landes zu sorgen, Ge— rechtigkeit widerfahren ließen, vor allem aber sein wohlwollendes, menschenfreundliches Herz zu schätzen wußten. Dieses hat manche

oth gelindert, manche Thräne getrocknet und viele schöne und umane Werke ins Leben gerufen und gefördert. .

Möge das Andenken des nun in Gott ruhenden Landesfürsten segensreich in uns und in den kommenden Geschlechtern fortleben. .

Die heutige Nummer des amtlichen Blattes veröffentlicht

sodann nachfolgende Proklamation des Fürsten Woldemar:

Von Gottes Gnaden, Wir Günther Friedrich Woldemar, Regierender Fürst zur Lippe, Edler Herr und Graf zu Schwalenberg . 2c. erlassen hiermit folgende Landesherrliche Bekannt- machung:

Es hat dem Allerhöchften gefallen, zu Unserm großen Schmerz am gestrigen Abend Unsern vielgeliebten Herrn Bruder, den Durch- lauchtigsten Fürsten und Herrn Paul Fiedrich Emil Leopold, Regie⸗ renden Fürsteu zur Lippe aus diesem Leben abzurufen.

Die sonach auf Uns übergegangene Regierung des Landes haben Wir angetreten und tragen Wir von den Landesuntertbanen die zu⸗ versichtliche Erwartung, daß sie Uns als Landesherrn Gehorsanm und Treue beweisen werden, so wie Wir Unsererseits sie Unseres landes= herrlichen Schutzes. der Handhabung unparteiischer Gerechtigkeit und Unuserer gewissenhaften Färsorge für des Landes Wohl versichern.

Wir sind Uns der Schwierigkeit der mit Uebernabme der Regie⸗ rung unerwartet Uns zu Theil gewordenen Aufgabe bewußt. Es soll aber Unser ernstes Streben darauf gerichtet sein, geordnete und fried⸗ liche Zustände im Lande herzustellen, und Wir hoffen, daß der brave lippische Volksstamm in alter Treue Uns hierbei mit Vertrauen ent⸗ gegen kommen wird.

Detmold, den 9. Dezember 1875.

Woldemar, Fürst zur Lippe. B. Meyer.

Lübeck, J. Dezember. Der Senat publizirt im heutigen Amtsblatte Anordnungen, welche er im Interesse der Er⸗ haltung, Erleichterung und Förderung kirchlicher Trauungen in Veranlassung der mit dem 1. Januar k. J. erfolgenden Ein⸗ führung der obligatorischen Eivilehe zu treffen sich veranlaßt gesehen hat. Es soll darnach der kirchlichen Trauung ein einmaliges mit Fürbitte verbundenes Aufgebot vorangehen, von welchem jedoch in dringenden Fällen dispensirt werden kann; das kirchliche Aufgebot darf jedoch erst nach dem bürgerlichen Aufgebot durch den Standesbeamten erfolgen; Erforderniß für die Zulässigkeit kirchlicher Trauung ist der Nachweis, daß beide Theile getauft und konfirmirt sind; die kirchliche Trauung darf erst vorgenommen werden, nachdem die bürgerliche Sheschließung stattgefunden hat; die Wahl des Geistlichen steht zwar den Braut⸗ leuten frei, doch bleibt die Bestimmung aufrecht erhalten, nach welcher jeder Geistliche nur innerhalb seines Kirchsprengels eine Trauung vornehmen darf; die Gebühren für Aufgebot und Trauung kommen in Wegfall, doch bleibt es dem Geistlichen un⸗ benommen, ein ihm gebotenes Geschenk anzunehmen.

Samburg, 9. Dezember. Das Finanzdepartement hat eine Bekanntmachung, betreffend die Außercourssetzung und Einziehung der Münzen der Lübeck⸗Hamburgischen Courant⸗ währung, erlassen und unter Bezugnahme auf die Bekannt⸗ machung vom 30. September d. J. daran erinnert, daß die Münzen der Lüveck⸗Hamburgischen Courantwährung nach dem 31. Dezember d. J. weder in Zahlung noch zur Umwechselung angenommen werden.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 9. Dezember. (W. T. B.) Der in St. Petersburg anwesende Erzherzog Albrecht ist, der „Wiener Abendpost“ zufolge, vom Kaiser von Oesterreich beauftragt, dem Kaiser von Rußland anläßlich der Feier des Georgsordensfestes das Ritterkreuz des Maria⸗Theresia⸗ Ordens zu überreichen.

Pest, 10. Dezember. (W. T. B.) Der Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung der Einkommensteuer, ist in der General⸗ und Spezialdebatte mit 239 gegen 67 Stimmen vom Abgeordnetenhause angenommen worden. Bei der Abstim⸗ mung waren 139 Deputirte nicht anwesend.

Schweiz. Bern, 6. Dezember. Heute Vormittag 10 Uhr fand die Eröffnung der Bundesversammlung statt. Der Ständerath nahm ohne Präsidialrede sofort die Neuwahl seines Bureaus vor. Daß sein Vizepräsident Numa Droz von Lachauxdefonds, wie üblich, zum Präsidenten und Sulzer von Winterthur an seiner Stelle zum Vizepräsidenten gewählt wurde, ist telegraphisch gemeldet. Im neugewählten Nationalrathe, der von Suter von Horben im Kanton Aargau als Alterspräsident mit einer langen Ansprache an die Versammlung eröffnet wurde, wird, da hier erst die Wahlakten zu prüfen sind, zu welchem Zwecke eine Kommission eingesetzt wurde, die Neuwahl des Bureaus erst morgen vorgenommen werden. Gst inzwischen ebenfalls bereits telegraphisch mitgetheilt, Im Uebrigen boten die heutigen Verhandlungen beider Räthe nichts Mittheilungswerthes. Betreffend den Tod Werner Munzingers schreibt man der „N. Zürch. Ztg.“, daß derselbe durch Verrath seiner eigenen Führer an der Spitze einer Kolonne in Abessinien in einen Hin erhalt gelockt und dort mit cireca 150 Mann von den Abessiniern niedergesäbelt worden fei. Zwischen dem Bnndes⸗ Präsidenten und dem französischen Botschafter ist unter dem 1. d. M. eine Erklärung über gegenseitige kostenfreie Zu⸗ stellung von Civilstandsakten, betreffend die Angehörigen der beiden Staaten, ausgewechselt worden. Dieselbe wird den gesetzgebenden Räthen zur Ratifikation übermittelt. In Lugano und Bellinzona fanden laut einer Depesche des Bund“ am letzten Sonntag große Volksdemonstrationen gegen das vom Großen Rathe dem Regierungsrathe gegenüber, betreffend die Unruhen in Lugano, ertheilte Mißtrauens⸗ votum statt. Am 5. d. M hat in Sitten die Weihe des neuen Bischofs stattgefunden. Die Konsekration des Msgr. Adrian Jardinier wurde, vom Bischof von Freiburg, Msgr. Marillen, assistirt, vom Bischof von Basel, Msgr. Lachat, und vom Bischof von Bethlehem, Msgr. Bagnoud, Abt von St. Moritz, vollzogen.

Großbritannien und Irland. London, 8. De⸗ zember. Am nächsten Freitag findet auf Windsor unter dem Vorsitz der Königin ein Geheimer Rath statt. Die Prin zessin von Wales begab sich gestern mit ihren Kindern nach Windsor zu einem mehrtägigen Besuche der Königin. Die Natur des Unfalles, welcher dem Prinzen von Wales durch das Umstürzen seines Wagens auf der Rückkehr von der Ele⸗ phantenjagd zustieß, ist, wie der Spezialcorrespondent des „Daily Telegraph“ aus Colom bo telegraphirt, sehr übertrieben worden. „Keinerlei üble Wirkungen resultirten aus dem Zusammenbruch, und die anfänglichen Gerüchte, daß der Prinz Verletzungen da⸗ vongetragen habe, erwiesen sich bald als völlig unbegründet. Se. Königliche Hoheit erlitt nur eine sehr leichte Erschütterung und ist nun völlig wohl. Daß es sich so verhält, ist schon aus dem Umstande ersichtlich, daß die neuesten Depeschen des Spezialberichterstatters der „Times“, welcher sich bekanntlich im Gefolge des Prinzen befindet, den Unfall nur mit einigen Worten als kaum erwähnenswerth abthut. Der Empfang im Gouvernementsgebäude zu Colombo nach der Rückkehr von der Elephantenjagd war von Häuptlingen, offiziel⸗ len Priestern, Budhas, Bürgern, Pflanzern und Beamten gut besucht. Nachmittags besuchte der Prinz eine landwirthschaft⸗ liche Ausstellung, welche interessant war. Abends fand ein Gala⸗Bankett siait, bei welchem über 60 Personen, darunter

Richter, Admiräle, Generäle, Konsuls und Mitglieder des Rathes, alle in voller Uniform, zugegen waren. Um 10 Uhr fuhr der Prinz durch große Menschenmassen und illuminirte Straßen nach einem ungemein geschmackvollen und eleganten Ballsaal, der eigens für diese Gelegenheit hergerichtet worden war. Am Don⸗ nerstag begiebt er sich nach Madura und von da nach Madras. Se. Königliche Hoheit ist bei ausgezeichneter Gesundheit und Stimmung. Wie der „Globe“ erfährt, werden die sechs Fregatten, welche das detachirte Geschwader unter dem Befehle des Contre— Admirals Lambert bilden, in sehr Kurzem die ostindischen Ge⸗ wässer verlassen, um nach dem Mittelmeer zu segeln. Bei dieser Gelegenheit wird zum ersten Male ein ganzes Kriegsgeschwader zusammen durch den Suezkanal fahren. Die vereinigten Schiffsbesatzungen des Geschwaders repräsentiren eine Gesammtstärke von über 3000 Mann. Wie die „World“ wissen will, hat Lord Northbrook, der Generalgouverneur von Indien, seine Demission gegeben. Der neue Vizekönig soll aber erst nach der Rückkehr des Prinzen von Wales aus Indien sich auf seinen Posten begeben.

10. Dezember. (B. T. B.) Bei dem gestrigen Ban⸗ ket in Fishmongers-Hall sprach sich der Feldmarschall Herzog von Cambridge mit Entschiedenheit für die Noth⸗ wendigkeit militärischer Reformen aus, indem er dabei auf die noch herrschende Gespanntheit der Beziehungen zwischen England und China, sowie auf das von den großen Kon⸗ tinentalmächten gegebene Beispiel hinwies; auch könne die Liebe zum Frieden allein nicht hinreichen um kriegerische Eventualitäten für die Zukunft auszuschließen; die Einfüh⸗ rung des Konskriptionswesens in England bezeichnete der Red⸗ ner als unthunlich.

Frankreich. Versailles, 9. Dezember. (W. T. B.) Na⸗ tional versammlung. Der Antrag des bonapartistischen De⸗ putirten Duval, die auf heute festgesetzte Vornahme der Sena⸗ torenwahl zu vertagen, wurde abgelehnt. Es wurde darauf mit dem Skrutinium begonnen. Der Name des Herzogs von Audiffret⸗Pasquier allein befindet sich gleichzeitig auf den Listen der Rechten und der Linken. Im weiteren Fortgang der heutigen Sitzung wurde die Vorlage, betreffend die Genehmigung der Beschlüsse der St. Petersburger internationalen Telegraphenkonferenz, in erster Lesung genehmigt; ebenso wurde der Gesetzentwurf über den Freiwilligendienst an⸗ genommen. Die Berechtigung zu demselben tritt erst mit dem 1. Januar 1880 ein und steht blos Denjenigen zu, welche lesen und schreiben können. Vom Kriegs⸗Minister de Cissey wurde sodann beantragt, daß das Gesetz über die Heeresverwaltung von der Tagesordnung abgesetzt werde. Der Minister bemerkte dabei, die Regierung beabsichtige nicht etwa, diese Vorlage zurück⸗ zuziehen, aber zur Vornahme der erforderlichen drei Lesungen reiche die Zeit gar nicht mehr aus, und die Regierung wünsche, daß die hierarchische Ordnung in der Armee aufrecht erhalten werde. Endlich wurde noch die Vorlage, betreffend die Brüsseler Konvention über die Klassifizirung des Zuckers, in erster Lesung angenommen. Das Ergebniß der Senatorenwahl ist noch nicht bekannt und wird mit Ungeduld erwartet.

Ein weiteres Telegramm meldet: In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung kamen nur zwei Senatoren⸗ wahlen zu Stande. Es wurden gewählt: Der Herzog von Audiffret Pasquier mit 551 Stimmen und Martel von der Linken mit 344 Stimmen. Zur Wahl ist eine Majorität von 344 Stimmen erforderlich. Die demnächste größte Stimmenzahl er⸗ hielten von den Kandidaten der Linken: de Lasteyrie 342, Duelere und Admiral Pothuau je 341, General Frebault und Krantz je 340, Crone 337, Barthélemn St. Hilaire 332, von den Kan⸗ didaten der Rechten: General Changarnier und Foubert je 338, Raudot 337, der Minister des Innern Buffet 336, der Herzog von Broglie 318, der Minister des Auswärtigen, Herzog von Decazes, 316. Die von der Linken aufgestellten Kandidaten haben im Durchschnitt 324 bis 325 Stimmen, die von der Rechten aufgestellten Kandidaten dagegen im Durchschnitt nur 317 bis 318 Stimmen erhalten. Die Sitzung wurde um 10 Uhr aufgehoben.

Rumänien. Bukarest, 10. Dezember. (W. T. B.) Der Senat hat an den Fürsten eine Adresse gerichtet, in wel⸗ cher der gegenwärtigen Regierung ein Vertrauensvot um ertheilt wird. In der Adresse wird hervorgehoben, das Land möge seine Neutralität bewahren, jedoch gleichzeitig seine Ver⸗ theidigungsmittel vervollständigen.

Türkei. Konstantinopel, 9. Dezember. (W. T. B.) Eine offizielle Bekanntmachung erklärt die an der Börse umlaufenden Gerüchte von einer Vertagung der Bezahlung des Januarcoupons für unbegründet und fügt hinzu, daß die pünktliche Bezahlung von jetzt an in Folge der regelmäßigen Einzahlungen des Staatsschatzes in die ottomanische Bank gesichert sei. In einer zweiten offiziellen Notifikation werden die Inhaber der 1872er Schatzbonds aufgefordert, dieselben behufs Aus⸗ tausches gegen Titel der allgemeinen Schuld zu deponiren. Eine weitere offizielle Mittheilung kündigt die Ausführung des Kaiserlichen Irade an, welches die Reform und die Reorganisation der Gerichte anordnet. Der bisherige Archiv⸗Minister Saadoulah Bey ist zum Präsi⸗ denten des Fassationshofes ernannt, dessen Wirksamkeit von den bisherigen Geschäften des Justiz⸗Ministeriums ge⸗ trennt worden ist. Zum Präsidenten des Appellations⸗ hofes ist Soubhi Pascha ernannt worden; der Appellations⸗ hof selbst wird künftig in drei Sektionen für Handels⸗, Civil⸗ und Strafsachen getheilt werden. Die Räthe des Kassationshofs, des Appelhofs und die bei den Civilgerichten erster Instanz fungi⸗ renden Richter sollen unverzüglich ernannt werden und aus Personen von unbescholtenem Charakter bestehen, die die zur Erlangung des allgemeinen Vertrauens erforderlichen Eigen⸗ schaften besitzen. Dieselben sollen ohne gesetzlichen Grund nicht absetzbar sein.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 7. Dezember. Se. Faiserliche Hoheit der Erzherzog Albrecht von Oester⸗ reich ist in Begleitung seines Ober⸗Hofmeisters FMS. Freiherrn von Piret, des Oberst⸗Lieutenants von Groller und des Flügel⸗ Adjutanten Major Graf Dubsky heute um 2 Uhr hier ein⸗ getroffen und am Bahnhofe von Sr. Majestät dem Kaiser und den hier anwesenden Großfürsten empfangen worden. Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen be⸗ suchte gestern Abend die italienische Oper. Heute Vormittag machte der Prinz mehrere Besuche, die Prinzessin Carl begab sich in die Peter⸗Pauls⸗Kathedrale in der Festung. Nach dem Dejeuner fuhren Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin nach Pawlowsk zum Besuch Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Großfürstin Alexandra Josephowna. Heute ist Familien⸗ diner bei Ihren Kaiserlichen Majestäten. Die St. Peters⸗