1875 / 294 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Dec 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Mit Vorbehalt der Ausfertigung der Bestal⸗ lung und Feststellung der Aneiennetät sind als Oherförster definitiv angestellt worden die Ob er⸗ förster⸗Kandidaten: von Estorff, Oberförster⸗Kandidat und Hülfsarbeiter bei der Regierung zu Stralsund, definitiver Ober⸗ förster zu Oberfier, Regierungsbezirk Coeslin; Urff, Ober⸗ förster⸗Kandidat, zum Oberförster in Obernkirchen, Regierungs⸗ bezirk Minden; Kahle, Oberförster-Kandidat, zum Oberförster in Georgsplatz, Provinz Hannover; von Stünzner, Regie⸗ rungs⸗ und Forst-Referendar, zum Oberförster in Colbitz, Re⸗ gierungsbezirk Magdeburg; Bender, Oberförster⸗Kandidat, zum DOberförster in Brandoberndorf, Regierungsbezirk Wiesbaden; Ehren tre ich, Oberförster⸗Kandidat, zum Oberförster in Vöhl, Regierungsbezirk Cassel.

Aichtamkliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 14. Dezember. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen Sitzung der außerordentlichen Gene⸗ ralsynode brachte der Synodale Dr. Hinschius (Berlin) nach⸗ stehendes Amendement ein;

Die Generalsynode wolle beschließen: a. in 5. 2 Absatz 1 statt der Worte: „von den Provpinzialsynoden der Provinzen“ zu setzen: nach Maßgabe der S§. 5 bis Jo. in den Provinzen; b. den §. 3 zu streichen und statt desselben hinter 5. 2 einzuschalten;

3. 3. Die zufolge 5. 2 Nr. i zu wählenden Mitglieder werden auf die acht Provinzen dergestalt verheilt, daß in der Provinz Preu— Fen 24, Brandenburg 27, Pommern 18. Posen 9, Schlesien 21, Sachsen 24, Westfalen 12 und in der Rheinprovinz 15 Mitglieder gewählt werden.

§. 24. Die Wahl erfolgt durch die Kreis synoden.

In jeder Provinz werden mehrere Kreissynoden zu Wahlverbän⸗ den vereinigt.

In den Wahlverbänden sind je drei oder sechs Abgeordnete durch Wahlmänner zu wählen.

Die Zahl der Wahlmänner beträgt die fünffache Anzahl der zu wählenden Abgeordneten.

Auf die Wahlhandlungen findet Lie Vorschrift des 5. 52 Ab- satz 4 der Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung vom 10. Septem⸗ ber 1873 Anwendung.

Die näheren Bestimmungen zur Ausführung der Vorschriften in Absatz? bis 4 bleiben bis zur anderweiten kirchengesetzlichen Rege⸗ lung Königlicher Verordnung vorbehalten.

§. 3b. Die in 5. 2 Nr. J gedachten Mitglieder sind:

I) zu einem Drittheil aus den innerhalb der Provinz in geist⸗ lichen Aemtern der Landeskirche angestellten Geistlichen,

2) zu einem Drittheil aus solchen Angehöcigen der Provinz zu wählen, welche in Kreis. oder Provinzialsynoden oder in den Ge— meindekörperschaften derselben als weltliche Mitglieder entweder zur Zeit der Kirche dienen oder früher gedient haben,

3) die Wahlen für das letzte Drittheil sind an diese Beschrän— kungen nicht gebunden, sondern können auch auf andere angesehene, kirchsich erfahrene und verdiente Männer gerichtet werden, welche der evangelischen Landeskirche angehören. gab Alle Gewählten müssen das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt

aben.

Von dem Synodalen Dr. Schrader (Königsberg) lag nach⸗

stehender Antrag vor: .

Die Generaifynode wolle beschließen: am Schluß des §. 3 der Vorlage folgenden Satz hinzuzufügen:

„Königlicher Verordnung bleibt es vorbehalten, die Aussonderung der Residenzstadt Berlin und ihrer Umgebung aus dem Synodal-⸗ verbande der Provinz Brandenburg, die Einrichtung einer besonderen

Provinzial⸗ (Stadt⸗ Synode Berlin und die Vertheilung der Mit⸗

gliederzahl anzuordnen, welche demnächst die Synoden der Provinz Brandenburg und der Stadt Berlin nach dem Maßstabe der in ihnen vorhandenen evangelischen Bevölkerung in die Generalsynode zu ent- senden haben.

Veränderungen, welche hierin, für den Fall der früheren kirch= lichen Aussonderung, durch die spätere landergesetzliche Feststellung eines besonderen propinziellen Verl andes für die Stadt Berlin und ihre Umgebung bedingt werden sollten, erfolgen gleichfalls durch Königliche Anordnung.“

Der Synodale Dr. Techow begründete zunächft einen von ihm eingebrachten längeren Antrag, dessen Alinea 1 so lautet: „Die Wahl der Mitglieder der Generaisynode erfolgt durch Wahlmänner in den Gemeinden.“ Redner sprach sich alsdann für den Antrag Schrader aus und versuchte den der Stadt Berlin gemachten Vorwurf unkirchlichen Lebens zu entkräften.

Ueber letzteren Punkt sprach auch der Synodale Dr. Kögel (Berlin), glaubte aber eine Abhülfe in einer Vermehrung der kirchlichen Gemeinden und der Geistlichen suchen zu müssen.

Der Snnodale Baur (Berlin) erklärte, in einer zur Zeit zusammenzuberufenden Provinzialsynode Berlin nicht den xichti⸗ gen Ausdruck der kirchlichen Gesinnung der Einwohnerschaft er⸗ blicken zu können und wolle deshalb zu einer Beschleunigung dieser Angelegenheit nichts beitragen.

Demnächst begründete der Synodale Dr. Gierke nachstehenden, von ihm eingebrachten Abänderungsantrag:

Die Generalsynode wolle für den Fall der Beibehaltung von 5. 3 der Vorlage folgenden Zusatz zu demselben beschließen:

„Die Wahl erfolgt in der Weise, daß jedes Dritthil in einem besonderen Wahlgange gewählt wird. In jedem Wahlgange ist jeder Wahlberechtigte zur Abgabe von so viel Stimmen, als Syno⸗ baldeputirte in diesem Drittheil zu wählen sind, berechtigt, Er kann diefe Stimmen sowohl auf verschiedene Personen veitheilen, als mehrere oder alle Stimmen auf dieselbe Person kumuliren. Zu diesem Behufe hat er einen Stimmzettel abzugeben, auf welchem eine entsprechende Anzahl von Namen oder Namenewiederholungen ver⸗ zeichnet steht. Als gewählt sind diejenigen Personen zu betrachten, auf deren Ramen die meisten Stimmen lauten. Nur gilt Niemand als gewählt, auf den nicht mindestens halb so viel Stimmen, als die Zahl der abgegebenen Stimmzettel beträgt, gefallen sind. Können mehrere Personen, auf welche die gleiche Stimmenzahl gefallen ist, nicht sämmtlich als gewählt gelten, so ist Niemand von ihnen ge⸗ wählt. Ist die Zahl der zu wählenden . in einem Wahlakte nicht erreicht, so wird dasselbe Wahlverfahren bis zur Er— reichung dieser Zahl wiederholt.“

Nachdem der Synodale von Benda (Berlin) für den An⸗ trag Schrader gesprochen, äußerte sich der Vertreter des Kirchen⸗ regimentes, Ministerial⸗Direktor Dr. Förster dahin, daß bereits in der Kommission der Wunsch geäußert sei, Berlin aus der Provinzialsynode auszuscheiden. Das Kirchenregiment habe im Prinzip zugestimmt, sich aber mit der Form des in der Kom⸗ mission gestellten Antrages nicht befreunden können. Die da⸗ gegen erhobenen Bedenken beseitige der Antrag Schrader und das Kirchenregiment habe deshalb gegen dessen Annahme nichts einzuwenden.

Der Vertreter des Ober⸗Kirchenrathes, General⸗Super⸗ intendent Dr. Brückner sprach sich über den Schraderschen Antrag dahin aus, daß die Frage, ob und wie Berlin in seinem synodalen Leben organisirt sei, keine Parteifrage sondern eine Zweckmãßigkeits⸗ frage sei. Die Hebung des kirchlichen Nothstandes in Berlin sei kein rein städtisches, sondern ein wahrhaftes Landesinteresse, Zum Be⸗ weise dessen führe er an, daß allein im Jahre 1873 137, 000 Menschen nach Berlin gezogen und 95.000 Menschen von Berlin weg⸗

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gezogen seien Zahlen, die einen bedeutenden Einfluß auf Religion und Sitte ausüben. Er leugne den kirchlichen Nothstand Berlins nicht; seit vier Jahren sei er General⸗ Superintendent Berlins und fühle die ganze Verantwortichkeit seines Amtes. Man habe seine Ansicht eine optimistische ge—= nannt, und weshalb? Weil er glaube, daß sich der Nothstand beseitigen lasse und die Zustände sich bessern würden, weil er an dem Fortschritte der Menschheit nicht zweifle. Man habe gesagt, Berlin müsse Geduld haben. Vor 18 Jahren habe man dasselbe gesagt und hätte man damals gehandelt, so würden wir den fetzigen Nothstand nicht haben. Hier könne nicht Staat und Stadt Hülfe bringen, es müsse die Gleich gültigkeit gegen die Kirche gehoben werden, etwa nach folgendem Programm. Zunächst Vermehrung der geistlichen Kräfte. Auf SI 7,000 evangelische Einwohner kaͤmen 118 Geistliche, von denen 18 Anstalts⸗Geistliche sind, mit einer Gemeinde von 7000 Seelen. Von den übrigen 100 Geistlichen seien 26 junge Hülfsgeistliche, von denen keiner in der vollen Arbeit des Amtes stehe. kommen 74 Geistliche auf eine Gemeinde von 860,009 Köpfen; eine Aufgabe, die zu befriedigen unmöglich sei. Sodann müßten die Gemeinden verkleinert, große in mehrere kleine zerlegt werden. In Berlin sei die Predigt nicht der fammelnde Mittelpunkt; die Kirche müsse zu den Leuten gehen in nimmer ermüdender Liebe. Setzen wir die Kirche in den Stand, die Menschen zu suchen und die Menschen werden die Kirche suchen. Aus dieser Idee sei die Stadtmission hervor⸗ gegangen, die bereits segensreich gewirkt habe, Auch muͤsse die Einführung der Stolgebühren und des Parochialzwan⸗ ges erfolgen. Berlin zeige überraschende Wahrnehmungen. Die Bevölkerung von 20 bis 40 Jahren bilde 41 Proz und mit der von 15 bis 20 Jahren mehr als die Hälfte, während die von 50 bis 70 Jahren nur 20 Proz. betragen. Dürfe man sich wundern, wenn das Moment der Bewegung überwiegt, wenn es gährt und brodelt in ameisenartiger Regsamkeit? Das alles aber wirke auf das kirchliche Gebiet zurück. Es erkläre sich dar⸗ aus das Selbst⸗ und Unabhängigkeitsgefühl, das sich der kirch= lichen Zucht nicht fügen wolle, die kritische Verständigkeit, der Rationalismus, daz Vertrauen auf eigene Kraft und ein geringes Verständniß für die dogmatische Seite des Christenthums. In Berlin sei Vieles zu erreichen, aber nur durch Ueberzeugung; jetzt begegne man nur Miß⸗ trauen gegen die Kirche, die nach öffentlicher Meinung“ streben müsse. Alle diese Hülfsmittel gegen den Nothstand kämen aber erst durch synodale Einrichtungen zur rechten Geltung. Berlin kann noch unserer Landeskirche seine Dienste leisten, wenn es sein kirchliches Leben hebt, dazu bedarf es aber einer synodalen Selbftändigkeit. 3

Nachdem noch die Synodalen Hegel (Berlin), Hinschius (Berlin), Dr. Beyschlag (Halle) und v. Diest⸗Daber gesprochen, ward die Diskussion geschlossen und zur Abstimmung geschritten.

Der 5§. 2 wurde hierauf mit einer redaktionellen Abänderung der Kommission, der 5. 3 mit dem Amendement Schrader mit großer Majorität angenommen.

Schluß der Sitzung: 41/9 Uhr.

Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 8. Dezember. (Leipz. Ztg.) Die Landtags arbeiten nähern sich ihrem Ende. Die Staatzrechnungen weisen einen Einnahmeüberschuß von ca. 230, 000 MS nach, auf welchen jedoch bereits nicht unerheb⸗ liche Zahlungen verwiesen worden sind. Die Prüfung der Staats- rechnung pr. 1872 hat zu keinen Anständen Anlaß gegeben. Nach einer dem Landtage ertheilten Auskunft ist schon die Hälfte des in 600, 000 Thlrn. bestehenden Staatspapiergeldes eingezogen. Die früher angeregte Idee der Konvertirung der 4 proz. Staats⸗ schuld in eine 4 proz. ist aufgegeben. Durch gegenseitiges Entgegenkommen im Landtage sind die meisten Differenzpunkte über die Gemeinde⸗ und Kreisordnung gehoben. Dem Orts statut bleibt es vorbehalten, zu bestimmen, ob die Leitung der Gemeinde⸗ raths⸗Sitzungen dem Bürgermeister oder einem besonderen Vor⸗ sitzenden zustehen soll. Der Landrath soll zwar nicht befugt sein, den Gemeinderath oder die Gemeindeversammlung zu berufen; auf Antrag des Landraths muß aber diese Berufung durch den Orts⸗ vorstand erfolgen. Der Vorfftz im Kreistag steht nicht dem Landrath, sondern einem Kreistagsmitglied zu, welches der Kreistag erwählt. Ein Zwang zur Annahme des Amts eines Orts vorstehers ist nicht anerkannt. Die Hötze des Gehalts für den Ortsvorsteher kann in den Landgemeinden nöthigenfalls vom Kreisausschusse bestimmt werden. In den Städten geht der Rekurs gegen Verfügungen des Ortsvorstandes nicht an den Landrath, sondern an die Ab⸗ theilung des Innern des Herzoglichen Staats ministeriums, so⸗ fern nicht der Kreisausschuß oder der Verwaltungsgerichtshof als oberste Instanz kompetent ist. Der Verwaltungsgerichtshof, der nach Bedürfniß in Meiningen zusammentritt, besteht aus 6 Mitgliedern, nämlich dem Vorstande des Staatsministeriums Abtheilung des In⸗ nern, zwei von der Regierung ernannten Mitgliedern, von welchen das eine dem Richteramt angehören muß, und drei auf Vorschlag der Kreistage, welche für jedes Mitglied drei Kandidaten zu be⸗ zeichnen haben, auf sechs Jahre bestimmten Mitgliedern. Der Verwaltungsgerichtshof, dessen Verfahren sachgemaäͤß geregelt ist, ist vorzugsweise für alle Gemeindesachen, Gemeindestreitigkeiten, Gemeinde⸗ Umlagen, kann aber auch Beamte der Kreis⸗ und Ge⸗ meindeverwaltung, sowie Mitglieder des Kreisausschusses, im Fall wiederholter gröblicher Vernachlässigung ihrer Amtspflichten, nach vorgängigem Gehör und nach öffentlicher Verhandlung der Sache entfernen.

16. Dezember. Zur Ausführung des 5. 36 des Reichs⸗ gesetzes über die Kriegsleistungen vom 15. Juni 1873 er⸗ läßt das Ministerium, Abtheilung des Innern, ein sehr um⸗ fassendes Ausschreiben vom 25. Oktober d. J, betr. die Pferde⸗ musterung und die Beschaffung der Mobilmachungspferde. Vor⸗ gestern ist das Gesetz vom 27. November 1875, betr. die Aus⸗ führung des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe⸗ schließung, veröffentlicht worden. Die Auffichts behörde sind die Einzelrichter für freiwillige Gerichtsbarkeit und die Ministerial⸗ Abtheilung der Justiz. Die Trennung der Ehe aus landesherr⸗ licher Machtvollkommenheit ist beibehalten. Die Verpflichtung der Standezbeamten erfolgt mittels Handgelöbnisses. Der Land⸗ tag ist seit mehreren Tagen unausgesetzt mit Berathung der Kirchengemeinde⸗ und Synodal-Ordnung beschãftigt.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sonderzs hausen, 9g. Dezember. Der Landtag hat nunmehr mit der Berathung des Staatshaushalts⸗Stats für die Jinanzperiode 1876,79 begonnen und für das Departement der Finanzen und des Innern überall die von der Regierung aufgestellten Aus⸗ gabepositionen genehmigt mit geringen Modifikationen, indem bas ECtatgesetz von 31,500 S6 für Ausbau des Wegenetzes in den Forsten auf 20, 000 M herabgesetzt wurde; für Unterhaltung der

Chausseen und Brücken wurden 69, 0004 verwilligt und noch 9000 außerordentlich zur Besserung der Chausseen im Arnstädter Bezirke. Außerdem wurde im Anschlusse an den Bericht des Landtagsausschusses über seine Prüfung der Staatskassen⸗ rechnungen pro 1873 und 74 über die Frage verhandelt, ob es nicht rathsam sei, die Chaussee⸗ und Brückengelder gänzlich aufzuheben; der Landtag hält diese Aufhebung zur Zeit für unausführbar. Endlich erklärte sich der Landtag bezüg⸗ lich eines Antrags des Landtagsausschusses resp. des Finanzaus⸗ schusses dahin, daß die Pensionsanstalt für die Staats⸗ diener ꝛc. als unzureichend anzuerkennen sei und richtete an die Staatsregierung das Ersuchen, das betreffende Gesetz einer Reyision zu unterwerfen. Der Staats⸗Minister v. Keyser hat eine solche Revision zugesagt. Es liegt diesen Anträgen die Ab⸗ sicht zu Grunde, die den Hinterbliebenen zu gewährende Unter⸗ stützung in eine den Zeitverhältnissen sowohl nach Höhe der Pension als nach der Klasseneintheilung entsprechende Orga—⸗ nisation zu bringen.

Niederlande. Haag, 7. Dezember. Die Budget⸗ berathung in der Zweiten Kammer der Generalstaaten nahm einen ruhigen Verlauf, bis gestern das Departement des Innern an die Reihẽ kam. Die Debatte über den Bedarf für dieses Ministerium, die heute fortgesetzt wurde und vielleicht noch mehrere Sitzungen in Anspruch nehmen wird, hat sich ziemlich lebhaft gestaltet. Von den Rednern der liberalen Mehrheit werden Ausfälle gegen den Minister des Innern, Hrn. Heemskerk, den Führer des Kabinets, nicht gespart. So ging heute Hr. Geertsema in eine ausführliche Kritik über die Politik Heemskerks ein, die er nicht als konservativ oder klerikal, son⸗ dern als anti⸗liberal charakterisirte. Er meinte, die liberale Mehrheit würde dem Minister ihre Mitwirkung noch nicht ver⸗ sagen, wofern derselbe ein Zusammenwirken, besonders in der Unterrichtsfrage, durch Verbesserungen, welche der liberalen Mehrheit entsprächen, ermögliche; thue der Minister dies nicht, dann würde die Uiberale Mehrheit die Initiative ergreifen müssen. Hr. Cremers wies darauf hin, daß der Minister bisher wenig Reigung gezeigt zu einem solchen Zusammenwirken mit der liberalen Mehrheit. Hr. van der Houven erkannte an, daß alle anti⸗ liberalen Fraktionen bereit seien, sich um Hrn. Heemskerk zu vereinigen, weil sie von diesem Minifster eine gerechte Behandlung erwarten könnten, und weil sie zu besorgen hätten, daß die Liberalen, wenn am Ruder, „dem Andrange von Außen“ Gehör geben würden. Das Widderthurmschiff, de Prins ö kY wird ausgerüstet. Von Batavia sind bis zum 28. Oktober reichende Post⸗ berichte eingetroffen. Aus Kotta Radja vom 13. Oktober hatte man dort die Nachricht, daß die Atchinesen das Vorhaben, einen allgemeinen Angriff auf die Stellungen der Niederländer zu unternehmen, wieder aufgegeben zu haben scheinen, aber ihre Plänkeleien, besonders ihre Ueberfälle der Patrouillen fortsetzen, wobei sie jedoch jedesmal den Kürzeren zögen. Die Arbeiten zur Anlegung einer Eisenbahn, welche Kotta Radja mit den nieder⸗ laͤndischen Stellungen an der Küste verbinden wird, werden eifrigst betrieben und man rechnet darauf, daß die ganze Linie um Mitte des nächsten Jahres würde in Betrieb genommen werden können.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 9. Dezember. Der russische Gesandte am hiesigen Hofe, Hr. N. v. Giers, hat Stockholm verlassen und sich nach St. Petersburg begeben; die Geschäfte werden durch den ersten Legations⸗Sekretär, Grafen P. v. Dunten, besorgt. Unterm 19. November hat der König bestimmt, daß das am 26 Januar 1872 unter dem Marine⸗ Departement eingerichtete militärisch⸗technische Bureau mit Schluß diefes Jahres wieder aufgehoben und dagegen drei Bureaus ge—⸗ bildet werden sollen, nämlich: ein Militärbureau, ein Werftbureau und ein Konstruktions bureauz zu Chefs dieser Bureaus sind ernannt: für ersteres der Chef des Militär⸗ personals der Flotte, für das zweite der Chef der Verwaltung der Marineangelegenheiten uud für das letzte der Ober⸗Direktor im Marine⸗Ingenieur⸗Corps.

In Kopenhagen am 13. Dezember, Abends, eingegange⸗ nen Privatnachrichten zufolge, ist der schwe disch⸗norwegische Gesandte in Washington, Stenesssen, auf der Rüͤckreise nach Washington in Paris plötzlich am Schlagfluß gestorben.

Dänemark. Kopenhagen, 11. Dezember. Auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung des Folkethings stand die erste Lesung des Feiertags gesetze s. Berg, Graf Hol⸗ stein-Ledreborg und Kruse griffen besonders 5. des Entwurfes an, welchem zufolge künftig an Sonntagen zwischen 9 Uhr Vormittags und 4 Uhr Nachmittags alle öffentlichen Versamm—⸗ lungen verboten sein follen, indem sie meinen, daß ein solches Verbot mit 5§. 88 der Verfassung in Widerspruch stehen würde. Hindenburg behauptet, daß die Anfsicht die Verfassung habe 5. 11 der Feiertags ⸗Verordnung aufgehoben, von den Sozialisten erfunden sei. Im Jahre 1853 habe der Justiz⸗Minister dem Paragraphen dieselbe Auslegung gegeben, welche jetzt von Berg als verfassungs— widrig bezeichnet worden, ohne daß ein Mitglied des Thinges dagen protestirt habe. Da noch mehrere Redner eingezeichnet find, werden die Verhandlungen abgebrochen und auf heute ver= tagt. Das Landsthing sandte gestern ohne weitere De⸗ batte die Gesetzentwürfe, betreffend die kommunalen Wasserwerke, das Verbot gegen die Einfuhr von Fartoffeln ꝛc. aus Nord⸗ amerika und betreffend die Erweiterung der Zinsenga⸗ rantie für die Laaland⸗Falstersche Eisenbahn zur zwei ten Lesung und übergab den Gesetzentwurf, betreffend die Berwaltung der Staatsbahnen, einem Ausschusse. Die Regierung sst gegenwärtig mit der Berathung der Maß⸗ nahmen beschäftigt, wodurch der Ankauf von un see tüchtigen englischen Schiffen für die dänische Handelsmarine ver⸗ hütet werden soll. Wie „Berl. Tid als ein Faktum anführt, sind seit 1872 59 alte englische Schiffe nach Dänemark verkauft worden, und von diesen sind nicht weniger als 21 unter⸗ gegangen, theils durch Strandung, theils im sinkenden Zustande verlassen und theils mit Mannschaft und Ladung verloren gegan⸗ gen: es ist also von den während 33. Jahren in dänischen Be⸗ sitz übergegangenen alten englischen Schiffen mehr als ein Drittel verloren gegangen.

Afrika. Aegypten. Kairo, 2. Dezember. Die Kunde von der Niederlage, welche die ägyptischen Truppen durch die Abefsinier erlitten haben, ist, auf dem Weg der Gerũchte, durch das ganze Land gedrungen. Die Regierung hat sich des⸗ 6 veranlaßt gesehen, in dem ‚Wakai Mas riss“ eine Dar⸗

ellung dieses Ereignisses zu veröffentlichen. Der amtliche Be⸗ richt lautet nach der „Allg. 3.“ ;

„Wiederholt in den Blättern erschienene Nachrichten haben die Aufmerkfamkeit auf die Haltung der abessinischen Regierung gelenkt welche während der letzten drei Jahre Einfälle in unser Gebiet ver anlaßt hat und unsere Gremzbevölkerungen hat plündern lassen. Die

ägyptische Regierung wandte ich mehrmals in gütlicher Weise an die abessinische, um ihr bemerklich zu machen, daß ihre , mit den Bedingungen guter Nachbarschaft unverträglich seien, daß es die Gerechtigkeit verlange, daß man unsern Grenzbevölkerungen heraus. gebe, was man denselben genommen hatte, und daß man Bedacht nehmen werde, die Wiederholung ähnlicher Gewaltthätigkeiten zu ver hindern. Ohne unsere gerechten Vorstellungen zu begchten und weit entfernt, es an den sbegangenen schändlichen Handlungen genügen zu lassen, versammelte der König von Abessinien jüngst in Hamacin, diner an das Gebiet von Massaua anstoßenden Provinz, eine beträcht⸗ fiche Armee. Damit bedrohte er unsere Grenien mit nahem Krieg, um so mehr, als er zwischen den beiden Ländern jede Handelsverbin—⸗ dung unterbrochen hatte, indem er den abessinischen Unterthanen ver- bot, nach Aegypten zu gehen, und den ägyptischen Handels. leuten, in Abessinien einzudringen. Da ein solcher Zustand der Dinge in unsern Grenzprovinzen Schrecken verbreiten mußte ind dieselben der Sicherheit beraubte, welche ihnen unsere Regierung gewährleisten muß sandte, diese zwei Bataillone Infanterie unter dem Befehl des Obersten Arendrup⸗Bey nach Massaua, Im diese Bevölkerungen zu beruhigen und unsere Grenzen zu bewachen. Nach der Ankunft dieser beiden Bataillone in Massang perließ das Gros der abessinischen Armee das Hamacin und zog sich in das Innere des Landes zurück. Aber die übrigen an unseren Grenzen aufgestellten Truppen fuhren fort, alle ägyptischen Unter⸗ thanen, welche ihnen in die Hände fielen, zu plündern und zu mißt handeln. Angesichts dieser feindseligen Handlungen drang der Oberst Acendrup in das Hamacin mit den obenerwähnten Bataillonen eir, welche aus je 8 Compagnien und 6 weiteren Compagnien formiꝛt waren, die noch im Sanhit standen, zusammen 22 Cempagnien In- fanterie und 2 Batterien Artillerie. Er sollte unsere Grenzen hüten, porlaͤufig das Hamaein besetzen und sich dann mit dem König von Abessinien äber eine Uebereinkunft zu verständigen suchen. Beim Einrücken der äghp= tischen Truppen in das Hamacyn zog sich Cugag. Dabru, der Befehlshaber der abessinischen Truppen, auf Adna, Hauptstadt der Provinz Tigre, zurück, während die ägyptischen Soldaten ven den Bewohnern des Hamacin mit Freudenbezeugungen aufgenommen wurden. Oberst Lrendrup vertheilte seine 2 Compagnien in der nachstehenden Weise: 6 Compagnien ,. in Fidur unter dem Kommando des Bataillons chef Dürholz; dann ließ er, als er durch Akthal zog, daselbft steben Compagnien mit dem Oherst Lieutenant Rustem⸗Nagbi⸗Bey. Mit den noch verbleibenden 7 Compagnien rückte Oberst Arendrup auf Gondet am Marb-Flusse. Hier angekommen, bildete er eine Vor— hut von 4 Compagnien unter dem Befehl des Bataillons, Adjutanten Murgan-⸗-Agha, dem er den Reisenden Grafen Zichy beigab, and befahl ihm, weiter in das Land hinein vorzurücken, während die 3 anderen Compagnien in Gondet bleiben sollten. Aus den süngst durch telegravyhische Depesche empfangen Nachrichten geht bervor, daß ein Theil der Einwohner von Gondet sich am 16. bes Monats Schawal zu Murgan ⸗Agha begeben hat, um ihm zu melden, daß die Abessinier auf die Stadt marschiren, und um seine Hülfe und um seinen Schutz gegen die Eindringlinge anzurufen. Auf den Rath und das Drängen des Grafen Zichy ließ der Bataillons⸗ Adjutant einen Theil der Vorhut vorrückn, der auch bald mit den abessinischen Truppen ins Gefecht kam und sie mit einem Verlust pon 15 Mann an Todten in die Flucht schlug. Als sich am nächsten Tage das Gerücht verbreitete, daß zwischen der Vorhut und den Abesstniern ein Zusammensteß stattgefunden habe, gab man dem Obersten Arendrup lein iat Nachricht davon, der sich denn auch sofort, gefolgt Hon dem Oberst - Lieutenant Rustem— Bey, dem Gouverneur von Massang, Arakel⸗ Bey, und 5 Gompagnien nach Gondet wandte. Als der erste in Gondet angekommen, ließ der Oberst Arendruß die beiden Compagnien, welche seine Begleitung gebildet hatten, daselbst und rückte mit den beiden anderen daselbst stehenden der Vorhut zu Hülfe. Nachdem er sich einige Zeit am Kampfe betheiligt, überließ er dem Bataillonsadju— tanten das Kommando und kehrte mit 4 Soldaten nach Gondet zurück. Da aber eine große Zahl abesstnischer Soldaten ihm ganz nahe folgte, bildete man ein Carré aus den in Gondet, hefindlichen Soldaten; der Oberst Atendrup verfügte sich in ihre Mitte, und es entspann sich um 1 Uhr Morgens ein Kampf, der bis zum Abend währte. Der Gouverneur von Massaug und der Obeist Arendruy wurden zu allerletzt getroffen und getödtet. Der Oberst Lieutenant Rustem-⸗Bey erhielt eine Kugel an den Kopf, verband seine Wunde mit dem Taschentuch und führte den Befehl über seine Soldaten noch einige Zeit lang weiter. Von einer zweiten Kugel getroffen, be⸗ fahl er fierbend noch, mit dem Bajonnet anzugreifen und sich big zum Tode zu halten. Der Artillerie ˖ Bataillons Chef Ismail ⸗Raghi. Effendi nnd der Infanterie · Bataillons. Chef Ahmed. Fanzi⸗Effendi hielten den Kampf mit großer Tapferkeit und Kraft aufrecht. Das gleiche kann man von den einfachen Soldaten sagen, welche, als die Munition er— schöpft war, die Abessinier mit dem Bajonnett angriffen und den Kampf hitzig fortsetzten, bis sie als Opfer ihrer Pflicht fielen. Von den 11 Jompagnien, die an dem Kampfe theilgenommen haben, sind ein Unter Lieutenant, ein Adjutant und. 20 Sol⸗ baten und Unteroffiziere als Gefangene in die Hände des Feindes gefallen. Der heldenmüthige Widerstand aller diefer Tapfern, ven den höhern Offizieren bis zu den einfachen Soldaten, ist ein Beweis, daß Jedermann seine militänischen Pflichten nit der größten Ehre gethan hat. Die Zahl der Todten beirägt 70 Mann Infanterie, eingerechnet das ganze Personal einer Batterie. Da der Kampf lange gedauert hat, haben die Abessinier empfindliche Verluste erleiden müssen. Jüngst eingetroffene Nachrichten melden, daß Ras Raga, Wesster des Königs von Abessinien, Ras⸗Urania, Dber⸗Befehlshaber der abessinischen Truppen, und der Gouverneur von Adna und vom Hamacin gefallen stnd; neuere Nachrichten geben

die Zahl der Todten auf Seite der Abessinier auf 15, 000 (* Mann

dem Kampf erschien eine aus Fuß⸗ i bestehende und vom König. von AÄbessinien in Person befehligte Armee vor Akthal nnd forderte in einem Schreiben die daselbst befindlichen ägyptischen Soldaten auf, ihre Waffen auszuliefern, wofür sie frei abziehen oder an dem Orte bleiben dürften. Da die Aegypter antworteten, daß ihr Befehlshaber abwesend sei, und der Brief an ihn gesandt werden müsse, und daß sie nicht auf eigene Faust die Vorschläge des Königs annehmen könnten, zogen sich die abessinischen Soldaten zurück, ohne irgend welchen Angriff zu machen. Auch die ägyptische Abtheilung zog sich hierauf, nachdem sie 4 Geschütze, die sie wegen Mangels an Pferden zurückllassen mußte, vernagelt hatte, zurück nach einem Punkte Namens Harklku bei Massaua, wo sie sich noch gegenwärtig befindet. Aus den vorerwähnten Einzelheiten geht hervor, daß das von den ägypiischen Truppen unter dem Kommando des Obersten Arendruüp erlittene Unglück zum Theil davon herrührt, daß sie nicht sehr zahlreich waren, und zum Theil von den Entfernungen, welche sie von einander trennten. Aber unsere braven Soldaten werden gerächt werden. Se. Hoheit der Khedive hat beschlossen, unter dem Kommando Sr. Excellenz Ratib Pascha s, Generalissimuzß der ägyptischen Armee, eine vollständige Eypedition abzusenden. 4 Dampfschiffe mit Truppen sind bereits am Donnerstag, Freitag und Sonnabend nach Massaua abgegangen, und der Rest wird in Kurzem folgen. Bie Expedition wird aus 4 Regimentern In fanterie, Z Schwadronen Relterei und 3 Batterien Artillerie besteh en. Se. Excellenz Ratib⸗Pascha wird den General Loring zum General stabs⸗Chef haben und von anderen höheren Offizieren begleitet wer⸗ . worunter Osman. Rifty⸗ Pascha, Brigade ˖ Generale und 4 Stabs⸗ offiziere. t

an. Kurze Zeit nach volk und Reiterei

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 14. Dezember. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags beantwortete der Bundesbevollmãch⸗ tigte, Wirkliche Geheime Rath von Philipsborn, die Inter⸗ pellation des Abg. Dr. Kapp, den Lloyddampfer „Deuts ch⸗ Land“ betreffend, wie folgt:

Meine Herren! Wir beklagen gewiß an dieser Stelle eben so lebhaft, wie es in dem hohen Hause geschehen ist, den Unfall, der stch kürzlich mit dem Dampfer „Deutschland“ zugetragen, und der zunächst den Anlaß zu der heutigen Interpellation gegeben hat. Wir beklagen es mit Ihnen um so mehr, als noch frisch in unserer Aller Gedächtniß der Unglücksfall ist, der sich vor Kurzem mit einem anderen deutschen Dampfer zugetragen hat. In dem einen, wie in dem anderen Falle gleichmäßig ist Alles von uns geschehen, was in dem Bereich der Möglichkest lag. Alle diejenigen Einzelnheiten, auf die der geehrte Hr. Vorredner eingegangen ist, sind uns zum Theil un. mittelbar nachhin, amtlich und außeramtlich, bekannt geworden, ein Theil der vorher mitgetheilten Thatfachen allerdings nicht. Telegramm folgte auf Telegramm, Bericht auf Bericht, und ich kann sagen, daß ich, der ich die Telegramme und Berichte nacheinander sämmtlich ge—⸗ lesen habe, nicht im Stande war, daraus auch nur ein einigermaßen vollständiges Bild über den Hergang, über die Verschuldung und die Ursache dieses Unglücksfalls zu gewinnen, daß anch Sachverständige, mit denen ich kurzer Hand darüber gesprochen habe, mir immer die Antwort gaben; es ist noch nicht nue fer! es bleibt eben, um ein Gesammtbild über die Sache zu gewinnen, in der That nur übrig, das Resultat der eingeleiteten Untersuchung abzuwarten.

Was nnn die einzelnen Punkte der Interpellation angeht, und zwar zunächst die Nummer 1, so darf ich bemerken, daß unmittelbar nach dem Eintreffen der ersten Kunde von dem Unglücksfglle alle be⸗ theiligten Behörden im Auslande mit den erforderlichen Ermãchtigun⸗ gen und Anweisungen versehen worden sind, nicht allein der Kaiser⸗ liche Botschafter in London, auch der General-Konsul in London und der Vize-⸗Konsul in Harwich; auch dem Reichs kommissar für das Auswanderungzwesen ist der Auftrag geworden, nach England hinüber zu geben, und dem Senat von Bremen ift von dem Unglücksfalle Mittheilung gemacht worden, mit dem Anheimstellen, auch seiner⸗ seits die weiteren geeignet scheinenden Maßregeln einzuleiten. Die Untersuchung ist den englischen Behörden überlassen und über tragen worden; auf ausdrückliche Anfrage der englischen Regierung haben wir uns diesseits gern damit einverstanden erklärt, daß diese Untersuchung dort sofort in die Hand genommen werde. Nur auf diese Weise ist es möglich, den Thatbestand zu fixiren, die Zeugen, die da sind, auf dem Fleck zu vernehmen, und solche, die abreisen wollen, im Moment noch zu halten und zu vernehmen, den Augenschein festzu⸗ stellen, Verdunkelungen vorzubeugen; ich darf das nicht weiter ausführen. Der objektiven Haltung der englischen Behörden, denen die zunächst obliegt, glauben wir nach dem, was bei dem Schillerunglücksfall zu unserer Kenntniß gekommen ist, vollkommen vertrauen zu dürfen. Ez ist, so viel zur Kenntniß der deutschen Regierung gelangt ist, und ich glaube zur allgemeinen Kenntniß, in wiederholten Punkten und an wiederholten Stellen bei der Untersuchung des Schillerunfalls zu Tage getreten, daß die englischen Behörden sich nicht gescheut haben anzuer⸗ kennen, wenn etwas nicht ganz so war, wie man es hätte wünschen können; die Unparteilichkeit der englischen Gerichte steht nach allge— meiner Erfahrung über jedem Zweifel. Wir haben also, wie ge— sagt, keinen Anstand genommen, in diesem Fall, wo es sich eben nur um eine Untersuchung handelt, nicht um eine Aburtheilung, ver— trauens voll den dortigen Behörden im Einverständniß mit der eng— lischen Regierung dies zu überlassen. 1

Das führt mich zunächst in Zusammenhang zu dem Punkt 3 den Punkt 2 werde ich nachher behandeln ich glaube, es ist richtig, wenn ich den Punkt 3 hier gleich anschließe.

In dem Punkt 3 wird gefragt:

Wie kommt es, daß derartige, in einer Entfernung von etwa siebenzehn Seemeilen von der englischen Küste sich ereignende Un glücksfälle ausschließlich von den englischen Behörden untersucht werden?

Dies, meine Herren, beruht auf einer Abrede, die mit der eng⸗ lischen Regierung getroffen worden ist im Jahre 1869. Ich hitte um die Erlaubniß, hierauf etwas näher einzugehen, weil von dem Herrn Vorredner einiges bemerkt worden ist, was, glaube ich, der Berichtigung bedarf.

Es besteht nämlich in England auf Grund der Nerchant shipping Aet die Einrichtung, daß, sobald ein Schiff in der Nähe der britischen Küste verunglückt, ein Beamter der Recei- ver of wrack oder dessen Stellpertreter die Umstäunde, unter denen das Schiff verunglückt ist, durch eidliche Vernehmung der Mannschaft oder der sonst damit bekannten Personen feststellt. Dies Verfahren findet sowohl auf britische Schiffe Anwendung, wie auf fremde; die letzteren sind aber nur dann verpflichtet, sich diesem Verfahren zu unterwerfen, wenn der Ort der Strandung nicht weiter als drei See—= meilen von der englischen Küste entfernt ist. Da es aber doch im Handels und Verkehrs interesse sehr wünschenswerth ist, die Verhält- nisse auch dann festzustellen, wenn ein fremdes Schiff weiter als drei Meilen von der englischen Küste verunglückt ist, so kommt es darauf an, die Untersuchung und die eidliche Vernehmung der betreffenden Personen auch bezüglich derjenigen deutschen Schiffe bewirken zu können, die außerhalb des Rayons ven 3 Meilen an der britischen Küste verunglückt find. Also mit Rückicht hierauf kam es darauf an, ein Einverständniß zu erzielen. Im Gesammtinteresse und allerdings auf Anregung der englischen Regierung wurde die Sache damals erwogen, auch im Bundesrath zur Sprache gebracht, und es ist hierr ach mit der englischen Regierung eine Abrede in Form von Noten dahin getroffen worden ich werde es wörtlich vorlesen —,

daß die auf Grund der Merchant shipping Act fungirenden Receivers of wrack oder Friedengrichter ermächtigt werden, die eidlichen Verneh⸗ mungen zur Feststellung der Ursachen von Strandungen und sonstigen Seennfällen auch bezüglich derjenigen deutschen Schiffe zu bewirken, welche außerhalb des dreimeiligen Küstenrayons in den die britischen Inseln umgebenden Meeren verunglücken.

Es werden daran einige Voraussetzungen geknüpft und beson—

ders die, daß die fraglichen Schiffe oder Personen ihrer Bemannung unmit⸗ telbar nach dem Unglücksfalle in einen britischen Hafen einlaufen oder an der britischen Küste anlegen.

Dies ist die damals getroffene Abrede, und ich kann sagen, meine Herren, diese Abrede hat sich bewährt. Regelmäßig nach jedem vor⸗ gekommenen Unfall kommt hierher von den englischen Behörden ein hirefier ausführlicher und gründlicher Bericht über die Ursachen und gewährt die Möglichkeit, daraus Erfahrungen für die Zukunft zu sammeln.

Wenn diese Mittheilungen in regelmäßiger Weise eingehen, so werden sie den Provinzialbehörden so wie den betreffenden Rhedern mitgetheilt, und es werden dann diesenigen Maßregeln getroffen, welche sich als nothwendig ergeben. Die Zahl, solcher Unfälle ist glücklicher Weise ö gering; die meisten kommen eben nicht zur allgemeinen Kenntni

Fern ist man aber bei der Abrede davon gewesen, an eine Frage der Justizhoheit zu denken, weit entfernt. Man hat von Justizhoheit dabei gar nicht sprechen wollen, man hat die Justizhoheit weder einräumen, noch übertragen, noch eingeräumt wissen wollen, es war einfach eine Frage der Nützlichkeit, eine Frage des gegenseitigen Interesses, eine Frage ich möchte fagen? der internationglen Humanität. England wollte uns für solche Fälle die Klarstellung erleichtern, und wir konnten das annehmen, wir konnten das um se mehr annehmen, als wir der e ien r. der Mittheilungen sicher waren, wie solche sich denn auch seitdem in jeder Weise bewährt hat, und wie wir umgekehrt sagen dürfen, daß, wenn England dergleichen von uns wünscht, wir jeden Augenblick dazu bereit find und bereit sein werden, im Interesse einer gewifsenhaften , e, der fraglichen Maßregeln; ich denke, wenn Deutschland und England aus Nützlichkeitsgründen solche Ab⸗ rede mit einander treffen, daß darin kein Uebel zu erblicken ist und man keinen Vorwurf daraus herleiten kann, und de wenn von that⸗ sächlichen Feststellungen die Rede ist, man daraus n cht folgern kann, es sei etwas versäumt worden.

So, denke ich, werde ich im Wesentlichen die Punkte 1 und 3 beantwortet haben; es bleibt mir nun noch übrig, der Punkt 2 zu

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erledigen, der da fragt, wann dem Deutschen Reichtkag ein Gesetzent⸗

wurf über die Untersuchung der Seeunfälle deutscher Schiffe vorge- legt . ö. 64 deine Herren! on vor einigen Jahren, on im Jahre

1873, sind Verhandlungen mit den jeefahrenden ö knüpft worden, um eine gesetzlich. Untersuchung der Regulirung sol⸗ cher Seeunfãlle herbeizuführen. Dabei sind, wie das natürlich ist, eine grche Anzahl von Vorschlägen gemacht worden und zur Erwä— gung gekommen. Ich will nur einen der wesentlichften Vorschläge erwähnen, der dahin geht, daß man eine Kommisston einsetze aus Männern, die mit dem Seewe sen vertraut sind, und daß man dieser Kommisston die Prüfung der vorgekommenen Unglücksfälle überlasse, die Prüfung insbesondere darüber, ob dem Kapitän oder den Schiffs- offizleren oder dem Bootsmann oder irgend einem der Anderen auf dem Schiff gewesenen Personen ein Versehen zur Last falle. Bei diesen Berathungen und Verhandlungen hat man sich sehr wesentlich vergegenwärtigt alle die zum größten Theil, wahrscheinlich durchgän= gig, sehr praktischen Bestimmungen der englischen Gesetzgebung; diese e, ,,, . ö ö. zur k gezogen worden. Die Erör⸗ erungen sind noch im Gange und sind jetzt so weit gediehen, daß d Absch luß in ziue icht fleht. ö .

Wenn ich nun das Hesagte kurz zusammenfaffe, so möchte ich es dahin resumiren, daß erstens in Bezug auf die Sache selbst und nach geschehenem Unfalle von hier aus Alles gethan ist, was im Bereich der Möglichkeit stand; daß ferner Anordnungen getroffen sind, wonach die jetzige Methode der vorläufigen Untersuchung und thatsächlichen Feststellung sich nach Analogie früherer Fälle hoffentlich bewähren wird, und daß der Wunsch, diese Frage für die deutsche Schiffahrt gesetzlich geregelt zu sehen, der Erfüllung entgegengeht.

Nach dem Abg. Mosle nahm der genannte Bundes bevoll⸗ mächtigte noch einmal das Wort:

Meine Herren! Einige der Bemerkungen des geehrten Herrn Vorredners lassen es mir doch als eine unbedingte Pflicht erscheinen, sofort ein paar Worte darauf zu erwidern.

Erstens muß ich ganz positiv dabei bleiben, wenn ich vorher gesagt habe, es handle sich hier um Vernehmung von Personen und um thatsãächliche Festste llung, nicht um Aburtheilung. Ich wiederhole, daß man fern davon gewesen ist, Justizhoheit abtreten oder einräumen zu wollen; daß man nichts weiter gewollt hat, als aus Nützlichkeits-⸗ gründen die schnellste möglichst sichere Au klärung der Thatsachen an Ort und Stelle zu fixiren.

Wenn dann gesagt ist, daß es, ich glaube, es sind die Worte gebraucht eine Beleidigung des Nationalstolzes sei, so glaube ich, fällt das im Augenblick fort, wenn man sich nur den Znusammenhang vergegenwärtigt. Hier soll weder England über Deutsch⸗ land, noch Deutschland über England zu Gericht sitzen, sondern im gemeinsamen, wohlverstandenen Interesse aus internatio- nalen und humanen Rücksichten will man sich gegenseitig unterstützen. So, glaube ich, ist der Gesichtspunkt klar und einfach, und damit fallen viele von den Bedenken und Andeutungen fort, die wir vorhin vernommen haben.

Wenn auf die Nothwendigkeit der Entsendung eines deutschen See Offiziers hingewiesen ist. so dächte ich, bereits vorhin bemerkt zu haben, daß der Reichskommissar für das Auswanderungswesen, Ka pitän zur See a4. D. Weickhmann, den Auftrag erhalten hat, sich so⸗ fort an Ort und Stelle zu begeben.

Dem Reichstag ist der Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die Ginrichtung und die Befugnisse des Rechnungshofes, vorgelegt worden. Derselbe lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zu— stimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§ 1. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs ist eine dem Kaiser unmittelbar untergeordnete, der Reichs verwaltung gegenüber selbständige Behörde, welche die Kentrole des gesammten Reichshaus⸗ haltss durch Prüfung und Feststellung der Rechnungen über Ein⸗ nahmen und Ausgab en von Reichegeldern, über Zugang und Ab⸗ gang von Reichseigenthum und über die Verwaltung der Reichsschul—= den zu führen hat.

§. 2. Der Rechnungshof besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen Zahl von Direktoren und Räthen, welche vom Kaiser, die Direktoren und Räthe auf Vorschlag des Bundesraths, ernannt werden.

3. Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, 2 und Schwäger dürfen nicht zugleich Mitglieder des Rechnungs⸗

ofes sein. , Ein Mitglied des Rechnungshofes, welches mit dem Vorfsteher einer obersten Reichsbehörde in einem der in Absatz 1 bezeichneten Grade verwandt oder verschwägert ist, darf an der Beschlußfassung über solche Angelegenbeiten nicht Theil nehmen, welche zum Geschäfts⸗ kreis dieser Behörde gehören.

§. 4 Nebenämter oder mit Remuneration verbundene Neben- beschäftigungen dürfen den Mitgliedern des Rechnungshofes weder übertragen, noch von ihnen übernommen werden.

Ebensowenig können die gedachten Beamten Mitglieder des Bundesraths oder des Reichstags sein.

5§. 5. Die Vorschriften, welche in den §5§. 23 26 des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handels- sachen, vom 12. Juni 1869 (Bundesgesetzbl. S. 201) über den Amts⸗ verlust, uber die Amtssuspension und über die zwangsweise Ver⸗ setzung in den Ruhestand für die Mitglieder des Reichs⸗Ober⸗Han⸗ delsgerichts getroffen sind, finden auf die Mitglieder des Rechnungs- hofes mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des Plenum des Oter-Handelsgerichts das Plenum deg Rechnungshofes tritt, daß im Falle ves s. I5 a. a. O. die Verrichtungen des Stagtsanwalts und des Untersuchungsrichters von je einem Mitgliede des Rechnungs⸗ hofes, welches der Präsident ernennt, wahrgenommen werden, und daß bezüglich der Höhe der Pension ie Vorschriften des Ggetzes, be. treffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 (Reichs · Gesetzblatt S. 6!) gelten.

§. 6. Alle Beamten des Rechnungshofes, mit Ausschluß der Mitglieder, ernennt der Präsident, und zwar aus den geeigneten

ealnten des Reichs und sämmtlicher Bundesstaaten. Er übt über dieselben die Disziplin mit den Befugnissen aus, welche den obersten Reichs behörden rücksichtlich der ihnen uatergeordneten Beamten zustehen.

5§. J. Der Geschäftsgang bei dem Rechnungshofe wird durch ein Regulativ geregelt, welches auf Vorschlag des Rechnungshofes im Einvernehmen mit dem Bundesrath durch Kaiserliche Verordnung er laffen und dem Reichstag zur Kenntnißnahmg mitgetheilt wird. In dem Regulativ sollen besonders auch die Bestimmungen en heilten sein, welche zur Geschäftsleitung des Prãsidenten erforderlich sind. Bis zum Erlaß desselben bleiben die hierauf bezüglichen, bisher gültigen Vorschriften und Instruktionen insoweit in Kraft, als sie nicht dem gegenwärtigen Gesetze widersprechen.

5§. 8. Der Rechnungshof faßt seine Beschlüsse nach Stimmen; mehrheit der Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden, welcher bei gleicher Theilung der Stimmen den Ausschlag giebt.

Die kollegialische Berathung und Beschlußfassung ist jedenfalls erforderlich, wenn

1) an den Kaiser Bericht erstattet. . 2 die für den Bundesrath und Reichetag bestimmten Bemerkun · gen (5. 19) festgestellt, ; =

3) allgemeine Grundsätze aufgestellt oder veftehende abgeãndert,

4) allgemeine Instruktionen erlassen oder abgeändert

5 über Anordnungen der obersten Vermwaltun gobehörben Gutachten

abgegeben werden sollen.