1875 / 296 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Dec 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Hölder und Dr. Lucius (Erfurt) an. Wiewohl ungern, stimmten den Kommissionsvorschlägen doch bei die Abgg. Grumbrecht und Richter (Hagen), während die Abgg. Frhr. v. Maltzahn⸗ Gültz und Baron v. Minnigerode für die Regierungs⸗ vorlage sprachen; letzterer aus Rücksicht für die be⸗ drängte Eisenindustrie, einer Ausführung, welcher der Ang. v. Bennigsen entgegentrat. Nachdem der Referent erklärt hatte, gerade mit Rücksicht auf die Eisenindustrie habe man von einem Antrag, die Forderungen für zwei Panzerkanonenboote über den Flottengründungsplan hinaus abzulehnen, abgesehen, wurde der Antrag der Kommission gegen die Stimmen der Konservativen angenommen.

Damit war der Marine⸗Etat nach den Beschlüssen der Budgetkommission in zweiter Berathung genehmigt.

Schluß 41 Uhr.

In der heutigen (29.) Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tages, welcher am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichs kanzler⸗Amts Staats⸗Minister Dr. Delbrück, der Staats⸗ Minister von Kameke, der General⸗Major von Voigts⸗Rhetz und der General⸗Major Fries mit mehreren Kommissarien beiwohnten, wurde in erster und zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Einführung des Gesetzes über die Portofreiheiten vom 5. Juni 1869 in Südhessen ohne Debatte genehmigt. Darauf trat das Haus in die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Telegraphenverwaltung, auf Grund eines mündlichen Berichtes der Kommission fur den Reichshaushaltsetat, welchen der Referent, Abg. Grumbrecht, er⸗ stattete, ein. Das Gesetz wurde ohne Debatte in zweiter Be⸗ rathung angenommen. Es folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des Reichshaushaltsetats, zunächst des Militäretats für das Jahr 18716 (s. Nr. 23 d. Bl)., welche der Referent der Budget⸗Kommission Abg. Dr. Wehrenpfennig mit einem Vortrage einleitete, welcher die Vorschläge der Kommission motivirte und erläuterte. Der Titel: „Verkaufserlös für Grundstücke 4000 S“ ist auf den Festungsbaufonds übertragen worden. Zu Kap. 14 Tit. 1 wurde folgende Resolution angenommen:

„Den Herrn Reichskanzler aufzufordern, künftig den Etat der- art aufzustellen, daß sämmtliche Erläuterungen auf der rechten Seite in den Vorlagen Platz finden, die linke Seite demnach voll— ständig dem Dispositiv des Etats offen bleibt, derart, daß alle auf die er Seite enthaltenen Zahlen Gegenstand der Beschluß— fassung sind.“

Der Abg. Frhr. v. Schorlemer⸗Alst beantragte bei Kap. 19 die Absetzung des Gehalts für (inen Favallerie⸗Divisions⸗ Commandeur in Metz, und der Abg. Richter (Hagen) schloß sich diesem Antrage an, da einem vorübergehendem Bedürfniß durch Abkommandirung eines höheren Offiziers abgeholfen werden könne, während der Abg. Frhr. v. Maltzahn⸗Gültz für die Po⸗ sition sprach. Der Bundeskommissar General⸗Major v. Voigts⸗ Rhetz erklärte diese Stelle für eine dauernde, doch solle mit der Kreirung derselben, obwohl sie legal sei, kein Präjudiz für andere Armee ⸗Corps geschaffen werden. Die be⸗ treffende Position wurde bewilligt. Zu dem Kapitel „Gouverneure, Kommandanten und Platzmajore“ wollte der Abg. Hasenelever namentlich die Gouverneurstellen in Ham⸗ burg⸗Altona und in Frankfurt a. M. gestrichen haben. Von den 94 Stellen für Offiziere in besonderen „Dienststellungen“ beantragte der Abg. Freiherr v. Schorlemer⸗Alst eine Stelle mit 16,600 MS zu streichen, da der Beweis für ein Bedürfniß in solcher Höhe nicht erbracht sei, wohingegen der Bundes⸗ kommissar General⸗Major v. Voigts⸗Rhetz unter Zustim⸗ mung des Abg. Freiherrn von Maltzahn⸗Gültz die Ziffer von 94 Stellen für die deutsche Armee für unumgänglich nöthig erklärte. Der Abg. Richter (Hagen) behielt sich vor, in späteren Jahren auf diese Position zurückzukommen. Auf eine Anfrage des Abg. Sombart antwortete der Bundesbevoll⸗ mächtigte Staats ⸗Minister v. Kameke, daß die übri⸗ gen Staaten Norddeutschlands gegen Preußen in Be⸗ zug auf geodätische Vermessungen nicht zurück seien, worauf sich der Abg. Graf Bethusy⸗Huc eine weitere Anregung zum gemeinsamen Vorgehen mit dem ganzen Deutschland für den preußischen Landtag vorbehielt. Der Antrag Schorlemer⸗Alst wurde abgelehnt, und die Position nach der Regierungsvorlage bewilligt. Die Budgetkomn mission hat die Streichung eines aktiven Landwehr⸗Brigade⸗ Commandeurs in Berlin, zweier Regiments⸗Commandeure bei den Landwehr⸗Bezirks⸗Kommandos Nr. 38 und 40 und von 48 Bataillons⸗Commandeuren bei den übrigen Landwehr⸗ Bezirks⸗Kommandos beantragt, was vom Referenten Abg. Dr. Wehrenpfennig damit motivirt wurde, daß im Kriegs⸗ falle diese aktiven Offiziere zur Führung von neuen Kriegsformationen verwandt und zum Schaden des grade in solchen Zeiten äußerst wichtigen Ersatzgeschäftes ihren bisherigen Stellen entzogen werden würden. Diese Gründe wurden von dem Abg. Dr. Lucius (Erfurt), welcher jedoch den Landwehr⸗ Brigade⸗Commandeur für Berlin bewilligen wollte, und vom Abg. Richter (Hagen) ausführlicher erörtert. Der Bundes kommissar General⸗Major v. Voigts⸗Rhetz und der Bundesbevollmächtigte Staats⸗Minister v. Kameke sprachen eingehend für die Positionen der Regierungsvorlage, welche sie von speziell mi itärischen und anderen Gesichtspunkten aus motivirten. Nach einer kurzen Er⸗ widerung des Referenten wurden die betreffenden Positionen bei Schluß des Blattes nach den Anträgen der Kommission ab⸗ gelehnt.

Die heutige (19) Sitzung der außerordentlichen Generalsynode wurde um 12 Uhr 30 Minuten vom Vor⸗ sitzenden, Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode, mit geschäftlichen Mittheilungen eröffnet.

Auf der Tagesordnung stand die zweite Berathung über den Entwurf einer General⸗Synodalordnung.

In der Generaldiskussion wandte sich der Synodale Dr. Büchsel (Berlin) zunächst gegen die Schlußbestimmungen, für die er, ohne gegen seine innerste Ueberzeugung zu rerstoßen, nicht habe stimmen können. Der Synodale Graf v. Rittberg (Glogau) glaubte, daß die große Minorität, die am Dienstag gegen die Annahme gestimmt, zu diesem Votum durch das un⸗ bestimmte Gefühl geleitet sei, daß die Bestimmungen vom 10. September 1873 zur Zeit noch nicht wieder abgeändert wer⸗ den dürften.

Der beantragte Schluß der Generaldiskussion wurde hierauf angenommen.

Die Synode trat nunmehr in die Spezialdiskussion des amendirten Entwurfes.

Der 5. 1 wurde mit der Abänderung, daß in Alinea 2 statt des Wortes wird“: „werden“ gesetzt wird, angenommen.

Desgleichen wurde 5. 2 ohne jede Diskussion angenommen.

Zu 5. 3 stellte der Synodale Kögel den Antrag, hinter dem Worte des Alinea 1: „vorbehalten“ einzuschalten: „nach

Anhörung der Brandenburgischen Provinzialsynode“. Der Synodale Neumann. (Strasburg U.⸗M.) wünschte im Alineg 2 statt „Vertheilung! „Festsetzung! zu setzen und die Worte „nach dem Maßstabe der in ihm vorhandenen evan⸗ gelischen Bevölkerung“ zu streichen. Der Grund zu beiden An⸗ trägen liege in der ungerechten Theilung der Stimmen, die bei einer Ausscheidung Berlins auf diese Stadt und die Provinz Brandenburg fallen würden. Der Synodale Rogge (Potsdam) wandte sich gegen den Antrag Kögel, da die Ausscheidung Ber⸗ lins eine landeskirchliche Angelegenheit sei und die Brandenbur⸗ gische Provinzialsynode sicher eine ablehnende Antwort geben werde. Dagegen erkläre er sich für den Antrag Neumann. (Schluß des Blattes.)

Unter Aufhebung der durch die Ordres vom 25. Februar 1868 resp. 17. Juni 1873 getroffenen Bestimmungen über das Verfahren, welches bei allen auf den Zustand eines in Dienst gestellten Schiffes ꝛc. der Kriegsmarine Einfluß übenden Vor⸗ kommnissen bisher zu beobachten war, haben Se. Majestät der Kaiser und König unterm 23. v. M. neue Bestimmungen über Zweck, Zusammensetzung und Funktion der Havarie⸗ K für die Deutsche Kriegsmarine ge⸗ nehmigt.

Es ist in Anregung gekommen, behufs der gegenüber dem fortdauernden Wachsen der Ansprüche und Ausgaben für das höhere Unterrichtswesen wünschenswerthen Erhöhung der eigenen Einnahmen der höheren Unterrichtsanstalten, die Ein⸗ führung eines einheitlichen Schul geldsatzes von jähr⸗ lich 90 MS resp. 100 S für alle Klassen in Aussicht zu neh⸗ men. Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten hat die Provinzial ⸗Schulkollegien veranlaßt, diese Angelegenheit nach allen Richtungen hin, namentlich auch unter Berücksichtigung der lokalen Verhaältnisse einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und darüber zu berichten.

Es sind Zweifel darüber laut geworden, ob die Geist⸗ lichen der evangelischen Landeskirche zu der in den §5§. 16 und 62 der Verordnung über das Verfahren in Ehesachen vom 28. Juni 1844 vorgeschriebenen Abhaltung von Sühne⸗ versuchen bei Ehescheidungen auch in Fällen verpflichtet sind, in welchen die zu trennende Ehe ohne Hinzutritt der kirchlichen Trauung nur bürgerlich geschlossen worden war. Die bezüglichen Vorschriften der Verordnung vom 28. Juni 1844 sind nach einem Cirkularerlaß des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths bisher nicht aufgehoben worden, und haben dieselben, so lange dies nicht geschehen, auch für die bezeichneten Fälle verbindliche Kraft. Die Geistlichen dürfen daher auch in diesen sich ihrer Befolgung nicht entziehen.

Die Erörterung sozialer Fragen, z. B. der Ver⸗ besserung der Lage der Arbeiter im Allgemeinen, der Lohnfrage, ist politischer Natur, und ein Verein, der die Erörterung der⸗ artiger Fragen bezweckt, als politischer zu erachten. (Erkenntniß des Ober-Tribunals voin 26. November d. J.) Die Vorsteher des Königsberger Vereins der deutschen Maurer und Steinhauer wurden auf Grund der §§. 8b. und 16 des Ver⸗ einsgesetzes angeklagt, ihren Verein, der als politischer zu be⸗ zeichnen sei, mit anderen politischen Vereinen zu gemeinsamen Zwecken in Verbindung gesetzt zu haben. Das Ostpreußische Tribunal zu Königsberg sprach jedoch die Angekagten frei, weil der Königsberger Verein der deutschen Maurer und Steinhauer nur solche Angelegenheiten in den Kreis seiner Vereinsthätigkeit gezo⸗ gen habe, welche als politische Angelegenheiten nicht angesehen wer⸗ den könnten und demnach nicht unter die angeführte Straf⸗ bestimmung falle. „Der Begriff der öffentlichen Angelegen⸗ heiten“, führt das Ostpreußische Tribunal aus, „fällt nicht mit dem der politischen Angelegenheiten zusammen, die politischen Gegenstände betreffen den Staatszweck und die zur Erreichung desselben dienlichen und vorhandenen Mittel und Einrichtungen, während öffentliche Angelegenheiten darüber hinaus auch andere Zwecke resp. die Mittel zur Erreichung derselben im Auge haben können.“ Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Ober⸗Staatsanwalt⸗ schaft zu Königsberg vernichtete jedoch das Ober⸗Tribunal das vorinstanzliche Erkenntniß und verwies die Sache zur ander⸗ weiten Verhandlung und Entscheidung an das Appellations⸗ gericht zu Insterburg. „Es kann“, führt das Ober⸗Tribunal der Anschauung des Appellationsrichters gegenüber aus, „von einer Prüfung abgesehen werden, ob die von dem Appellationsrichter gebilligte Definition den Begriff der „politischen Gegenstände“ erschöpft, oder ob sie wie in der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt ist nur die Staats⸗ klugheitslehre umfaßt und andere Zweige der Politik unberück⸗ sichtigt läßt. Selbst wenn man jene Definition für durchaus zutreffend erachten könnte, würde der Angriff begründet sein, da der Appellationsrichter die Konsequenz seiner Definition nicht richtig gezogen hat. Es kann einem begründeten Zweifel nicht unterliegen, daß zu den „für die Erreichung des Staatszwecks dienlichen Mitteln und Einrichtungen“ auch die Ordnung aller derjenigen Angelegenheiten zu rechnen ist, welche zu der sozialen Frage in Beziehung stehen, daß sozialpolitische Fragen zu den wichtigsten Gegenständen sowohl der inneren als der internationalen Politik gehören und ihre Ausscheidung aus dem Begriffe der politischen Angelegenheiten daher für rechtsirrthümlich erachtet werden muß. Sofern daher eine Erörterung sozialer Fragen mit der Richtung auf Beeinflussung der staatlichen Einrichtun⸗ gen und Anordnungen geschieht, wird diese Erörterung zu einer politischen. Wenn nun der Appellationsrichter annimmt, daß Gegenstände der Vereinsthätigkeit die Verbesserung der Lage der Arbeiter im Allgemeinen, die Lohnfrage u. s. w. im Besonderen gewesen seien, so ist es nicht bedenklich, daß diese Fragen im vor⸗ angedeuteten Sinne politischer Natur sein können und die Nega⸗ tivfeststellung, indem sie sich lediglich auf die Annahme stützt, daß Fragen solcher Art nicht politische Gegenstände seien, ruht auf einer rechtlich unhaltbaren Grundlage.

„Die Befugniß des Kreis ausschusses zur Er⸗ nennung von öffentlichen Beamten ist auf die in der Kreisordnung selbst ausdrücklich erwähnten Beamten nicht be⸗ schränkt. Nach §. 134, Nr. 3 der reisordnung vom 13. De⸗ zember 1872 hat der Kreisausschuß die Beamten des Kreises zu ernennen. Welche Kategorien von Beamten zur Kreisver⸗ waltung erforderlich sind, darüber ist in der Kreisordnung eine Bestimmung nicht getroffen, insbesondere nicht angeordnet, daß die Befugniß des Kreisausschusses zur Ernennung von Beam⸗ ten auf die in der Kreisordnung selbst ausdrücklich erwähnten Beamten beschränkt sei. Es ist daher unbedenklich, daß der Kreisausschuß selbst hierüber nach den lokalen Bedürfnissen zu befinden hat, und in der Cirkularverfügung der Minister des Innern und der Finanzen vom 10. Juni 1873 über die Ver⸗ theilung der zur Ausstattung der Provinzial⸗ und Kreisvvmerbände bewilligten Fonds ist daher auch mehrerer Klassen von Beamten

insbesondere auch eines Sekretärs gedacht, welche in der Kreisordnung nicht erwähnt sind. Wenn daher der Appellationg⸗ richter auf Grund der Thatsache, daß in der Kreisordnung dem Amts vorsteher keine mit Beamteneigenschaft ausgeftattete Hülfg⸗ kraft zur Verfügung gestellt sei, zu dem Schlusse gelangt, daß ein Gehülfe des Amtsvorstehers lediglich in einem Privat dienftverhältnisse stehe, so ist dieser Schluß rechtlich unhaltbar. Hat der Kreisausschuß die Anstellung eines Amts⸗Sekretärs an⸗ geordnet, so kann diesem die Eigenschaft als Beumter nicht ab⸗ gesprochen werden (Erkenntniß des Ober⸗Tribunals, Senat für Strafsachen, vom 12. November d. J.).

Das gewerbsmäßige Geldverleihen an sich ist, nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals, Straf⸗Senat, vom 19. November d. J, nicht steuerpflichtig. Der 5. 3 des Gewerbesteuergesetzes vom 36. Mai 1820, betr. die Gewerbe⸗ steuer vom Handel (aus dem die Steuerpflichtigkeit des gewerbs⸗ mäßigen Geldverleihens allenfalls gefolgert werden könnte), hat durch die neuere Handels- und Steuergesetzgebung seine Grund—⸗ lage verloren und kann nicht mehr als gültig angesehen werden. Vielmehr ist die Gewerbesteuer vom Handel durch das Gesetz vom 19. Juli 1861 neu geregelt worden und sind die Bestim⸗ mungen dieses Gesetzes zuerst für das Neujahr 1862, dasselbe Jahr, in welchem das Handelsgesetzbuch Geltung erhielt, in Kraft getreten. Dieses Gesetz bildet gegenwärtig die Grund⸗ lage der Besteuerung des Handels und ist daher bei Be⸗ urtheilung der hier streitigen Frage maßgebend. Dasselbe giebt nun allerdings keine Definition vom „Handel“, bezeichnet vielmehr nur speziell diejenigen Zweige des Handelsgewerbes, welche in der Steuerklasse A. J. einerseits, in der Klasse B. an⸗ dererseits zu besteuern sind, so daß alle übrigen Zweige des Handels in die Mittelklasse A. II. fallen und eine spezielle Auf⸗ zählung der Kategorien dieser Klasse unterlassen ist. Hierdurch wird aber keine Lücke erzeugt, da der Begriff des Handels aus dem Handelsgesetzbuch zu entnehmen und wie bereits in dem Erkenntnisse des Königlichen Ober⸗Tribunals vom 5. April 1867 näher ausgeführt ist, der Steuer vom Handel diejenigen unter⸗ worfen sind, welche im Sinne des Handelsgesetzbuchs als Kauf⸗ leute anzusehen sind. Die Geldverleiher nun gehören weder zu den in dem Gesetze vom 19. Juni 1861 sspeziell erwähnten Handelsgesetzbuch, noch zu den Kaufleuten des Handelsgesetzbuchs. In ersterer Beziehung kann nicht an⸗ genommen werden, daß unter den im §. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 19. Juli 1861 erwähnten „Geldgeschäften“ das einfache, nicht in einem kaufmännischen Geschäftsbetrieb vorkommende, wenn auch gewerbsmäßige, Gewähren zinsbarer Darlehne ver⸗ standen sei. Als Kaufleute im Sinne des Artikels 4 des Han⸗ delsgesetzbuchs aber können die Geldverleiher nicht angesehen werden, da die Geschäfte derselben unter den in den Artikeln 271 und 272 des Handelsgesetzbuchs verzeichneten Handels⸗ geschäften nicht begriffen sind.“

Der Kom munal⸗Landtag der Kurmark hielt seine 5. und 6. Plenarversammlung am 9. und 10. d. M. ab. In der ersteren gelangte der Rest der noch ausstehenden Ausschuß⸗ resp. Kom⸗ missionsgutachten, welche bei 47 Vorlagen die Zahl von 45 erreicht haben, zur Erledigung. Zu Beginn der Sitzung über⸗ gab der bisherige stellvertretende Vorsitzende die Leitung der Angelegenheiten dem neu gewählten und durch Se. Majestät den König mittelst Allerhöchster Ordre vom 26. v. Mts. bestätigten Vorsitzenden Major von Rochow⸗Plessow, welcher den Vorfitz unter Bezeugung des Dankes für die Leitung des 47. und 48. Kommunal⸗Landtags durch den Major und Domherrn von dem Knesebeck, welchen der Landtag durch Erheben von den Sitzen zu dem seinigen machte, übernahm.

Nach §. 128 der neuen Provinzialordnung soll die Ver⸗ waltung des Landarmenwesens der Kurmark auf die neue Provinzialvertretung übergehen. Nach dem Gutachten einer ad hoc gewählten Kommission erklärte sich der Landtag auf die Anfrage des Ober⸗Präsidenten zu dieser Abgabe der Ver⸗ waltung bereit und erwählte zur weiteren Verhandlung in dieser Richtung eine besondere Kommission. Zugleich gab er seiner, auch von der Staatsregierung getheilten Ansicht Ausdruck, daß der §. 128 die Verschmelzung der einzelnen Land⸗ armenverbände nicht fordert, und daß das kurmärkische Land⸗ armenwesen in seiner gegenwärtigen Verfassung und mit seinen Organen auf den Provinzialverband übergeht, welcher nur durch Aenderung des Landarmen⸗Reglements eine Aenderung in vor⸗ gedachter Richtung herbeizuführen vermag. Aus ersterem Grunde trat der Landtag der sehr komplizirten Auseinandersetzungsfrage für jetzt nicht näher, sondern behielt dieselbe eintreten en Falls vor.

Im Bereiche der Landarmenverwaltung fanden eine Reihe von Gehaltsaufbesserungs⸗Anträgen die Genehmigung des Land⸗ tags, und aus dem Dispositionsfonds der kurmärkischen Hülfs⸗ kasse wurde eine Reihe von Unterstützungen an Rettungshäuser des Bezirks bewilligt.

Endlich nahm der Landtag von dem Berichte seiner Kom⸗ mission und des brandenburgischen Ausschusses über die Lage des Marienberg⸗Denkmalbaues, insbesondere von der Aller⸗ höchsten Bewilligung von Geschützbronze mit dankbarer Befrie⸗ digung Kenntniß.

In letzterer Sitzung nah der Landtag die fälligen Wah⸗ len vor und wählte insbesondere den Vorsitzenden der Land⸗ armendirektion, Geheimen Regierungs⸗ und Landrath Scharnweber und den General Land Feuer ⸗Soeietäts⸗ Direktor, Ritterschafts⸗Direktor von Tettenborn, einstimmig wieder.

Seine Schlußsitzung hielt der Kommunallandtag am 13. d. Mts. Der Vorfitzende gab eine Uebersicht der Thätigkeit des Landtages und schloß denselben mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Versamm⸗ lung mit dreifachem, begeistertem Rufe einstimmte.

Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte, Königlich bayerischer Ministerial⸗Rath Los, ist nach München abgereist.

Braunschweig. Braunschweig, 15. Dezember. (W. T. B.) Der Landtag ist heute im Auftrag des Herzogs durch den Wirklichen Geheimen Rath Schulz eröffnet worden. Die Eröffnungsrede kündigt eine Anzahl dem Landtage vor⸗ zulegender Gesetzentwürfe an und betont am Schlusse die Seitens der braunschweiger Regierung dem Reiche gegenüber jederzeit bewiesene Loyalität und Treue.

Anhalt. Dessau, 14. Dezember. Der neueste an den Landtag gerichtete Antrag der Staatsregierung betrifft die Aufhebung der Stolgebühren für die evangelischen Kirchen. Im Dessau⸗Cöthenschen Landestheile, wo die Stolgebühren schon seit 20 Jahren nach Abfindung der berechtigten Stellen durch den Staat zur Landeshauptkasse fließen, fallen sie auf Grund eines Beschlusses des vorjährigen Landtages mit dem 1. Januar weg, während hinsichtlich des Bernburgischen Landestheiles den neu zu bildenden kirchlichen Organen die Regelung des Gegen⸗

standes überlassen werden sollte. Zugleich stellte der Landtag im vorigen Jahre seine Bereitwilligkeit in Aussicht, auch für jenen Landestheil, falls ein Syjnodalbeschluß die Aufhebung der Stolgebühren beschließen sollte, eine entsprechende Entschãdigung aus Staatsmitteln zu beschließen.

Waldeck. Arolsen, 14. Dezember. Nachdem die Landes⸗ synode in ihrer Sitzung vom 3. Oktober 1873 die Erhebung einer Kirchen st eu er im Betrage von 13 pCt. der gesammten, in den hiesigen Fürstenthümern für das Jahr 1875 auffommen⸗ den direkten Staatssteuern beschlossen hatte, hat die Kirchenbe⸗ hörde dementsprechend die Umlagerollen aufgestellt, nach welchen die Mitglieder der evangelischen Kirche eine Leistung von

1611 pCt. der ihnen pro 1875 auferlegten direkten Staats⸗ steuern als Kirchensteuer zu zahlen haben.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 14. Dezember. Das Ab⸗ eordnetenhaus nahm die restirenden Titel des Unterrichts⸗

budgets, ebenso die zwei erften Kapitel des Budgets des Finanz⸗ Ministeriums nach den Ausschußanträgen an. Der Finanz⸗ Minister legte den Zollvertrag mit dem Fürstenthum Liechten⸗ stein vor.

Pest, 14. Dezember. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses stand der Gesetzentwurf über die Armee⸗ und Honved⸗Pensionen. Der Referent des Centralausschusses August Pulszky empfahl den Gesetzentwurf zur Annahme. Madarasz sprach gegen denselben, worauf die Vorlage ohne Aenderung und Bemerkung im Allgemeinen und Besonderen angenommen wurde. Zum letzten Paragraphen beantragte Paczolay die Weglassung der darin vorkommenden Erwähnung der Krakauer und Lemberger Gensd'armerie und der Wiener Strafhauswache. Pulszky sprach dagegen; doch wurde bei der Abstimmung Paczolay's Antrag mit großer Majorität, demnächst auch die Vorlage im Ganzen angenommen. Hierauf wurde der Gesetzentwurf über das Salzgefälle in Berathung genommen.

Das Oberhaus hielt eine kurze Sitzung, in welcher der Gesetzentwurf über das Rentenanlehen entgegengenommen und einem Ausschusse zugewiesen wurde.

Großbritannien und Irland. London, 14. De⸗ zember. Der 14. Jahrestag des Todes des Prinzen Al⸗ bert wurde heute bei Hofe sehr feierlich begangen. Im Laufe des Vormittags versammelten sich die Prinzessin von Wales, der Herzog und die Herzogin von Edinburgh, Prinz Leopold, Prinzessin Louise, Prinzessin Beatrice und der Marquis von Lorne, im Palast und begaben sich von da mit Ihrer Majestät der Königin nach dem Mausoleum in Frogmore, wo ein Gottes⸗ dienst abgehalten wurde. Nachdem Ihre Majestät das Grab mit Immortellen geschmückt, kehrte sie nach dem Schlosse zurück, um den übrigen Tag in stiller Abgeschlossenheit zu verbringen. Der Prinz von Wales kam, begleiset von seinem Ge⸗ folge, am 13. d. M. Morgens von Trichonopoly auf Ceylon in Madras an. Sein Empfang war, wie den Londoner Blättern gemeldet wird, ein glänzender. Der Gouverneur, der Dber⸗Befehlshaber, der Ober⸗Richter, die Häuptlinge von Tra⸗ vancore, Cochin und Vizianagam, sowie der Fürst von Arcot erwarteten seine Ankunft auf dem Bahnhofe. Es hatten sich auch Massen von Europäern und Eingeborenen eingefunden. In Erwiderung auf eine Adresse der Munizipalbehörden drückte Se. Königliche Hoheit in einigen freundlichen Worten seine Be⸗ friedigung über den ihm bereiteten Empfang aus. Auf dem Wege nach dem Gouvernementsgebäude wurde der Prinz von einem Aufzuge von über 14000 eingeborenen und europäischen Kindern begrüßt, welche die Hhmne „God bless the Prince of Nales“ sangen. Bald nach seiner Ankunft im Gouvernementspalast ließ sich der Prinz die eingeborenen Häuptlinge vorstellen. Der Fürst von Arcot, der in Begleitung von vier Sirdars erschien, war hoch erfreut, die Bekanntschaft des Sohnes der Kaiserin von

Hindostan zu machen und bemerkte, daß die Träume seines Le⸗

Um 1 Uhr Nachmittags

dens endlich verwirklicht seien. Empfang und wechselte

hielt der Prinz einen großen freundliche Händedrücke mit den anwesenden Rajahs, auf welche er einen höchst günstigen Eindruck zu machen schien. Es waren über 509 Häuptlinge und an⸗ gesehene Europäer zugegen. Der Prinz nahm seinen Platz vor einem auf erhöhten Stufen stehenden prachtvollen silbernen Sessel. Der Herzog von Buckingham (Gouverneur von Madras) und Sir Bartle Frere befanden sich zu seiner Rechten, der Herzog von Sutherland zu seiner Linken. Die eingeborenen Beamten, welche vorgestellt wurden, erschienen in prächtigen Kostümen. Um 8 Uhr fand ein Galabankett von 50 Gedecken saatt, zu welchem das Richterkollegium, die Geistlichkeit sowie die Spitzen der Militär⸗ und Civilbehörden geladen waren. Der Gouverneur von Pondichery war mit seinem Stabe ebenfalls zugegen. Um 10) Uhr wurde die Stadt glänzend illuminirt und es fand ein großartiges Feuerwerk statt. Der Prinz begab sich alsdann mit seinem Gefolge nach Guindy Park, wo er den morgigen Tag (Dienstag) in sciller Abge⸗ schlossenheit zubringt, da es der Jahrestag des Todes seines Vaters, des Prinzen Albert, ist. Die, Serapis“ segelt am Sonn⸗ abend nach Calcutta. Vor seiner Abreise von Ceylon meldet der Spezialberichterstatter der Times“ wurde dem Prinzen tine Gruppe von ureingeborenen Viddahs, zwei Männer und drei Frauen, vorgestellt.

16. Dezember. (W. T. B) Bei Gelegenheit einer von der liberalen Partei in Shef field abgehaltenen Versammlung betonte der Führer der Liberalen, Lord Hartington, die günstige Aufnahme, die der Ankauf der Suezkanal⸗A Aktien des Khedive durch die englische Regierung bei der Bevölkerung gefunden habe und fügte hinzu, dieses Urtheil der öffentlichen Meinung sei nur durch die Ueberzeugung von dem un⸗ kennbaren Verbundensein der Interessen Englands mit der tage des kürzesten Weges nach Indien und in keiner eife durch einen Nebengedanken an künftige politische glãne beeinflußt worden. Wenn die Konsequenzen des Suezkanalaktien⸗ Handels weiter gehende und wichtigere derden sollten, als die Regierung vorausgesehen habe, was koch möglich sei so würde man es zu bedauern sben, daß däs Parlament nicht früher einberufen worden sei. Denn jedoch die Absichten der englischen Regierung weniger ehr⸗ zäzig seien, als die öffentliche Meinung ihr zuschreibe, so sei es

uerlich, daß die Regierung das Gerücht solcher ehrgeiziger Absichten Ungehin dert in ganz Guropa habe zirkluliren laffen!

Nach aus Penang, 14. Dezember, Abends, eingegan⸗ hinen offiziellen Meldungen haben am 7. d. M. 80 Mann l srer englischer Truppen, eben so viel irregulärer

tuppen und 40 Mann von der Polizeimannschaft die Malayen

angegriffen, welche in einer Stärke von 409-800 Mann sich in den Befitz von Sungie⸗-Ujong gesetzt und sich dort verschanzt hatten. Die Malayen wurden nach einem erbitterten Kampfe aus ihren Positionen zurückgeworfen. Malakka und Sun gie⸗Ujong erhielten wieder Verstärkungen.

Frankreich. Paris, 14. Dezember. Vor den Pariser Geschworenen erschienen am 10. d. MN. Hr. Perron, ehe⸗ maliger Abtheilungschef im Staats⸗Ministerium (unter dem Kaiserreiche)) als Verfasser, Amyot als Verleger und Noblet als Drucker einer bonapartistischen Broschüre, welche neulich unter dem Titel: ‚Le Reveil de la Frances herausge⸗ kommen und am letzten Eugenientage gratis an der Kirchenthür von Saint⸗-Augustin vertheilt worden ist. Mehrere Stellen der⸗ selben enthalten, wie die Anklage behauptet, Aufreizungen zum Haß und zur Verachtung gegen die Regierung. Die Geschworenen theilten, was den Verfasser der Schrift, Hrn. Perron, betrifft, die Auffassung des öffentlichen Anklägers und erklärten den Schriftsteller unter Zulassung mildernder Umstände des oben erwähnten Vergehens für schuldig, des⸗ gleichen den Drucker, der die Verbreitung der Broschüre in 100,009 Exemplaren selbst besorgt hatte. Hr. Perron wurde demnach zu 14 Tagen Gefängniß und 550 Fr. Strafe, Hr. Noblet zu einem Monat Gefängniß und 1000 Fr. Strafe ver⸗ urtheilt, Hr. Amyot dagegen, welcher die Schrift nicht eigentlich verlegt, sondern nur vorübergehend in Kommission genommen hatte, übrigens auch eben erst seinem Vater in der Leitung des Geschäfts gefolgt und mit den Details desselben noch wenig ver⸗ traut war, wurde freigesprochen.

Versailles, 15. Dezember. (W. T. B.) In der heuti⸗ gen Sitzung der Nationalversammlung vertheilten die Mitglieder der Linken am Fuße der Rednertribüne Stimmzettel in verschlossenen Couverts. Die Rechte protestirte hiergegen und stellte der Deputirte Paris von der Rechten den Antrag, daß das heutige Skrutinium für ungültig erklärt werde. Der Prä⸗— sident der Nationalversammlung ließ die erwähnten Stimm⸗ zettel zurückziehen und erklärte, die Diskussion über den Antrag auf Ungültigerklärung is nach der Beendigung des Skrutiniums aussetzen zu wollen. Im weiteren Ver— lauf der Sitzung wurden alsdann 18 Deputirte von der von der Linken aufgestellten Kandidatenliste zu Senatoren ge— wählt, nämlich: Carnot, General de Chabron, Corbon, Cremieur, Gouin, Lanfrey, Lepetit, General Valazé, Littré, Morin, Rampont, Schérer, Scheurer⸗Kestner, Testelin, de Toc⸗ queville, sämmtlich von der Linken resp. dem linken Centrum und drei Ultralegitimisten: Graf Douhet, Vicomte de Lorgeril und Hervé de Saisy. Von den Kandidaten der Rechten erhielt keiner die zur Wahl erforderliche Stimmenzahl. Nach lebhafter Debatte wurde dann endlich der Antrag des Deputirten Paris, das heutige Skrutinium für ungültig zu erklären, mit 334 gegen 321 Stimmen abgelehnt.

Spanien. Madrid, 15. Dezember. (W. T. B.) Die amtliche „Gaceta“ veröffentlicht einen Königlichen Erlaß, durch welchen die Generale Quesada und Martinez Campos zu Füh⸗ rern der Nordarmee resp. der in Navarra operirenden Armee ernannt werden. Die in Catalonien stehende Armee und die Centrumsarmee sollen aufgelöst und zur Verstärkung der Nordarmee verwendet werden.

Italien. Rom, 11. Dezember. In der gestrigen Sitzung des Senats berichtete der Präsident über die Ausführung des ihm zu Theil gewordenen Auftrages, dem Herzoge von Galliera den Dank und die Bewunderung des Senats für sein großartiges Geschenk an die Stadt Genua auszudrücken, welches nicht nur seiner Vaterstadt, sondern auch ganz Italien zu Gute kommen werde. Der Herzog, sagte der Präsident, hat mich gebeten, dem Senate seinen tiefsten Dank auszusprechen, weil unter allen ihm zu Theil gewordenen Versicherungen der Sympathie und Er⸗ kenntlichkeit für das seiner Vaterstadt gemachte Geschenk ihm keine so angenehm und schmeichelhaft gewesen sei, wie die ihm durch den Mund des Senats⸗Präsidenten mitgetheilte seiner senatorischen Collegen. Das Abgeordneten⸗ haus setzte die Berathung über die Gerichtsord⸗ nung fort und nahm den Entwurf derselben in der vom Justiz⸗Minister und der Kommission vereinbarten Form an. Die Mehrheit hatte einen Zusatzartikel Betreffs Auf⸗ hebung des Art. 202, wonach 75 Jahr alt gewordene unab⸗ setzbare Richter durch Königliches Dekret vom weiteren Dienst entbunden werden, verlangt; ließ sich aber bereit finden, diesen Punkt erst nach der Berathung über den Etat des Ministeriums des Innern zu erledigen. Hierauf begründete der Abg. Morrone im Namen der Kommission eine Tagesordnung, wodurch der Justiz⸗Minister um Vorlage eines Gesetzentwurfs ersucht wird, welcher der Staats anwaltschaft im Interesse der Gerechtigkeit diejenigen Befugnisse einräumt, die sie zur freien Vertreterin des Gesetzes und der bürgerlichen Gesellschaft machen. Der Justiz⸗ Minister erklärte indessen, daß er diese Tagesordnung nach der Genehmigung des Gerichtsordnungsgesetzes nicht annehmen könne, und die Versammlung lehnte sie ab. Die Ausgaben des Ministeriums des Innern sind nach den an die Kammern vertheilten Kommissionsberichten in fünf Jahren um 14 Millionen Lire gestiegen; denn sie betrugen im Jahre 1872 47,768, 606 Lire, 1873 48 688 460, 1874 50, 778.413, 1875 58, 711,51 und werden für 1876 auf 61,803, 334 Lire veranschlagt. Die Kosten für die öffentliche Sicherheit belaufen sich allein auf etwa 31 Millionen, von denen 21 auf die Erhaltung der Gefängnisse und des Gefängnißpersonals entfallen.

Griechenland. Athen, 15. Dezember. (W. T. B.) Inder heutigen Sitzung der Deputirtenkam mer wurde von Comunduros die Beibehaltung der auswärtigen Ge⸗ sandtschaften lebhaft befürwortet und, als Deligeorgis sich gegen die Etatpositionen für die Gesandtschafts⸗Sekretäre aussprach, die Kabinetsfrage gestellt.

Türkei. Belgrad, 15. Dezember. (W. T. B.) Die von der Regierung im schutzzöllnerischen Sinne vorbereitete Tarif⸗ vorlage ist von dem Fürsten nicht genehmigt und deshalb zurückgezogen worden.

Nußlaund und Polen. St Petersburg, 13 Dezember. Der „Reg⸗Anz.“ veröffentlicht die nachstehenden Bulletins über den Gesundheitszustand der Großfürstin Maria Nikolajewna. „Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Maria Nikolajewna traf am 22. November krank aus Florenz in St. Petersburg ein. Ihre Hoheit leidet in Folge eines chronischen Darmkatarrhs schon seit einer Reihe von Jahren an Blutarmuth. Diese Krankheit entwickelte sich in der letzten Zeit so sehr, daß Ihre Hoheit im Oktober einen Anfall hatte, bei dem sie einen Augenblick den Gebrauch der Zunge verlor. Dieser Anfall erregte die Aufmerksamkeit der Großfürstin und der Aerzte, und Ihre Hoheit faßte den Entschluß, nach St. Petersburg zurückzukehren.

Sonntag, den 30. November, Morgens. Ihre Kaiserli

Hoheit verbrachte den Tag ruhig und . .. guter Stimmung; um 14 Uhr trat Schlaf ein, der jedoch bis 4 Uhr unruhig war. Die Schleimabsonderung im Munde be⸗ lästigte Ihre Hoheit weniger Von 4 Uhr ab hatte Ihre Hoheit ruhigen Schlaf und war um 9 Uhr Morgeng noch nicht er⸗ wacht. Die Geschwulst der Füße nimmt ab. Pr. Mianows ki Dr. Tillner. Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preuß en besuchte gestern Abend die Balletvorstellung im Großen Theater. Heute empfingen Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Cark die fremden Bot⸗ schafter mit ihren Gemahlinnen. Die Prinzessin hatte vor⸗ her das Tatharinen Stift besichtigt. Zum Diner sind heute der Prinz und die Prinzessin bei Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Wladimir. Se. Kaiserliche Hoheit der Er z⸗ herzog Albrecht war heute zum Dejeuner bei Ihrer Majestät der Kaiserin und machte darauf mehrere Besuche. Zum Diner ist heute Se. Kaiserliche Hoheit der Erzherzog mit seiner österreichischen und russischen Suite nebst dem österreichischen Botschafter zum Prinzen Peter von QAldenburg geladen. Der amn g , . . Hofe, Geheimrath de Giers ist, wie die russische „St. P. Ztg.“ meldet S in St. Petersburg n , ., ; K

Schweden und Norwegen. Stockholm, 12. Dezem⸗ ber. Zu dem erwähnten Telegramm an Se. Majestãt den Kaiser von Rußland bei Gelegenheit des Bankers für Nordenskjöld und seine Gefährten gab ein von dem Mi⸗ nister des Aeußern, Björnstjerna, auf den Kaiser aus gebrachtes Hoch Veranlassung. Nachdem Präsident Wärn ein Hoch auf König Oscar ausgebracht hatte, ergriff der Minister das Wort und sagte; „Es giebt etwas, das sicherer als alles andere die Vor⸗ urtheile besiegt und das Vertrauen der Völker an sich zieht, nämlich die Ausübung großer und edler Handlungen. Wenn durch solche Segen über Millionen gespendet und die Wohlthaten der Cioi⸗ lisation über einen halben Welttheil verbreitet werden; wenn von dem gewaltigen Kriegerstaat nur Worte des Friedens im Rathe der Nationen gehört werden; wenn der Donner von den Schlachtfeldern Europas bei Rußlands Herrscher keinen anderen Ehrgeiz als den erweckt, welcher die Milderung des Leidens der Kriege bezweckt, da hat er den Weg zu unserer Sochachtung, zu unseren Herzen gefunden. Wir schenken deshalb unsere Bewunderung dem edlen Monarchen, welcher die Geschicke Rußlands lenkt, indem wir gleichzeitig anerkennen müssen, daß es fein Werk ist, welchem wir in erster Linie die freudige Erscheinung des immer mehr zunehmenden Vertrauens und der Freundschaft zwischen unserem Volke und dem seinen zuschreiben müssen, eine Annäherung, welche, wie ich nicht bezweifeln kann, beiden zum Nutzen gereichen wird. Sein Name ist nicht lãnger ein fremder bei unseren Festen, wo derselbe mit lautem Jubel begrüßt zu werden pflegt. Ich bin überzeugt, daß es auch jetzt der Fall sein wire, wenn ich die Ehre habe, ein Hoch auf den hochsinnigen Monarchen Rußlands, Se. Majesãt den Kaiser Alexander II., auszubringen.“ Unter lebhaften Hoch⸗ rufen wurden die Gläser geleert, während die Musik die russische Nationalhymne spielte. Der russische Legationssekretãr, Graf Dunten, beantwortete das Hoch, indem er à la prosperitè de la Suède et Norvège sein Glas leerte.

Dänemark. Kopenhagen, 15. Dezember. Die Kö— nigin gedenkt, telegraphischer Nachricht aus Paris zufolge, heute die Rückreise über Frankfurt anzutreten. Der Gesetzentwurf, betreffend die Organisation des Heeres, bildete gestern den Berathungsgegenstand des Folkethinges. Der Kriegs⸗Minister ergriff am Schlusse der Verhandlungen das Wort, wies jeden Gedanken an ein Milizwesen auf das Entschiedenste ab und trat mehreren gegen Einzelheiten des Gesetzentwurfes gemachten Ein—⸗ wendungen entgegen. Der Uebergang zur zweiten Lesung wurde ohne Abstimmung angenommen und der Gesetzentwurf einem heute zu wählenden Ausschusse von 15 Mitgliedern überwiesen.

Amerika. Washington, 15. Dezember. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat in ihrer heutigen Sitzung mit 232 gegen 18 Stimmen eine Resolution angenommen, welche sich gegen eine dritte Präsidentschaft Grants ausspricht.

Venezuela. Aus Hamburg wird uns Folgendes mitge⸗ theilt: Die in diesen Tagen hier eingegangene in Caräcas erschei⸗ nende offizielle Zeitung veröffentlicht in ihrer Nr. 644 einen von der venezolanischen Regierung unterm 20. September d. J. mit Rafael Fernando Seijas abgeschlossenen Kontrakt, betreffend die Anwerbung, Einführung und Änsiedelung europäischer Auswan⸗ derer der Ackerbau treibenden Klasse. .

Dieser Seijas hat darin die Verpflichtung übernom— men, sich nach Europa zu begeben, um hier die Auswande⸗ rung nach Venezuela zu fördern. Zu diesem Zwecke soll er periodische Veröffentlichungen über die Nationalstatistik Venezuelas und über die Vortheile der dortigen Kolonisation veranstalten, auch dauernd eine Ausstellung der venezolanischen Naturerzeug⸗ nisse unterhalten und eine Centralagentur für Auskunftserthei⸗ lung in einer der Hauptstädte Europas einrichten.

Jede Familie soll vor ihrer Einschiffung einen Eigenthums⸗ titel über 5 Hektaren Land erhalten. Zur Realisirung dieser Titel werden dem ꝛ. Seijas in den verschiedenen Staaten von Venezuela, behufs der ihm obliegenden Einrichtung von An⸗ siedelungen, Ländereien überlassen, welche in dem Kontrakte im Ganzen mit 35,800 Hektaren für 7160 Familien berechnet sind.

Während der ersten zwei Jahre trägt die venezolanische Regierung die Passagekosten jedoch für höchstens 2000 acker⸗ bauende Familien. Sie zahlt zu diesem Zwecke einen per Kopf näher bestimmten Betrag an Seijas welcher dafür die Beförderung der Familien übernimmt. Nach Ablauf der zwei Jahre erfolgt die Beförderung für Rechnung nicht mehr der Regierung, son⸗ dern der Auswanderer selbst. An Kommissionsgebühr erhält Seijas von der Regierung für jLede Familie mit Freipaffage 4 Venezolanos und für jede Familie, welche die Ueberfahrt selbst bestreitet, das Doppelte.

Die Beförderung der Anlömmlinge aus den Depots im Ausschiffungshafen, wo sie vier, in besonderen Fällen höchstens acht Tage lang auf Regierungskosten verpflegt werden, nach dem Orte ihrer Ansiedelung, die Gewährung des Ünterhaltes während dieser Reise, und die Unterstützung der Ansiedler, falls sie solcher bedürfen, während der ersten vier Monate ist lediglich Sache des ꝛc. Seijas, welchem kontraktlich das Recht zusteht, sich seine dafür gemachten Aufwendungen von den Kolonisien erstatten zu lassen. Die Beschaffung provisorischer Wohnungen am Nieder⸗ lassungsorte soll gleichfalls dem ꝛc. Seijas obliegen.

Die Seitens der Regierung gewährte freie Passage soll der 2c. Seijas von den Auswanderern zwar nicht zurückverlangen dürfen. Dagegen bestimmt der Kontrakt ausdrücklich, daß Die⸗

jenigen, welche auf Grund desselben nach Venezuela kommen,