1875 / 297 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Dec 1875 18:00:01 GMT) scan diff

auf das Gehalt die Gleichslellung der Militärärzte mit den gleichaltrigen Offizieren der Truppe durchzuführen, worin ihm Abg. Dr. Zinn mit weiteren Ausführungen beitrat. Der Prä⸗ sident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Dr. Delbrück, erklärte darauf, daß die kategorienweise Gehaltserhöhung in dem diesjährigen Etat vermieden worden sei (s. unter Reichstags ⸗Angelegenheiten), eine Maßregel, mit wel⸗ cher der Abg. Richter (Hagen) namentlich in Bezug auf die Militärärzte sein Einverständniß aussprach. Die Po⸗ sitionen des Kapitels wurden bewilligt, ebenso wie Kapitel 25 „Naturalverpflegung“, wobei von der Militärverwaltung auf eine Anfrage erklärt wurde, daß man die Frage, ob Hafer durch Mais aus Sparsamkeitsrücksichten zu ersetzen sei, im Auge be⸗ halten werde.

Eine Diskussion erhob sich demnächst nur noch bei den ein⸗ maligen Ausgaben, und zwar bei der Posttion „Neubau des Kasernements für die von Pirna nach Dresden zu verlegen⸗ den zwei Escadrons des Garde⸗Reiter⸗ Regiments erste Rate hM 000 0

Die Kommission beantragte, die hier geforderten 150, 000 , zu streichen und die folgenden Resolutionen anzunehmen:

I) den Herrn Reichskanzler aufzufordern, dem Reichstag den

lan der Königlich sächsischen Regierung vorzulegen, wonach die im

eichseigenthum befindlichen militärischen Etablissements von Dres— den durch Neubauten daselbst ersetzt werden; 2) zu erklären: indem der Reichstag den Titel in der vorliegenden Form ablehnt, spricht er seine Bereitwilligkeit aus, bei Prüfung des vorbezeichneten Planes Auch die Frage in Erwägung zu ziehen, ob zur Ausführung jener Neubauten mit Rücksicht auf etwaige Garnisonverstärkungen in Sres⸗ den aus Reichsmitteln Zuschüsse zu gewähren seien.

Der Referent Abg. Dr. Wehrenpfennig suchte darzuthun daß es sich hier um ein zum Schaden des Reichs mit Sachsen abgeschlossenes Geschäft handle, wobei auch der Abg. Richter (Hagen) das Vorgehen des sächsischen Kriegs⸗Ministeriums tadelte. Der Bundes bevollmächtigte Major Edler von der Planitz konnte ver⸗ sichern, daß das Abkommen, das über diesen Gegenstand zwischen der sächsischen Militärverwaltung und dem sächsischen Staat ge⸗ troffen wurde, bereits vor Erlaß des Reichs ⸗Eigenthumsgesetzes geschah. Die sächsische Regierung würde übrigens die zur Be⸗ Urtheilung der Sachlage nöthigen aufklärenden Aktenstücke auf Verlangen dem Reichstage gern zur Verfügung stellen. Ob⸗ wohl die Abgg. Günther (Sachsen) und Krause den Sachverhalt des Baues der in Rede stehenden Kasernen aus näherer Kenntniß dargelegt und hervorgehoben, daß der Sache keineswegs, wie es den Anschein habe, ein Geschäft auf Kosten des Reichs zu Gunsten des Staates Sachsen zu Grunde liege, vielmehr durch den betreffenden Bau der Militärverwaltung des Reiches allein Vortheil erwachse, wurde die betreffende Position des Titels 21 hierauf mit großer Majorität vom Hause gestrichen und die von der Kommission beantragten beiden Resolutionen ange⸗ nommen.

Seitens der Budget⸗Kommission lag ferner der Antrag vor, die Summe von 55,320 S6 für CEisenbahn⸗Transporkkosten behufs Heranziehung des 3. Garde-Regiments zu Fuß und des 4. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin zu den Herbstübungen des Garde⸗Corps zu streichen. Der Referent motivirte den An⸗ trag mit Hinweis darauf, daß die beiden Regimenter bisher mit den Truppen des X. resp. VIII. Armee⸗Corps manövrirt hätten. Der Staats⸗Minister v. Kameke bat um Bewilligung der Summe, da sich das Bedürfniß herausgestellt hätte, die Regimenter mit dem Gros des Garde⸗-Corps operiren zu sehen (S. unter Reichstagsangelegenheiten); mit Rücksicht hierauf waren auch die Abgg. Br. Lucius (Erfurt) und Rickert gegen den Kommissionsantrag, der vom Abg. v. Adelebsen mit Rück— sicht auf die Finanzlage des Reichs empfohlen wurde. Da die Abstimmung durch Probe und Gegenprobe zweifelhaft blieb, so bedurfte es einer Zählung der Stimmen, welche die Bewilligung der Position mit 150 gegen 104 Stimmen ergab. (Gegen die⸗ selbe stimmte das Centrum, die Fortschrittspartei und wenige Mitglieder der national⸗liberalen Partei.)

Bei dem Kapitel: „Außerordentliche“ Zuschüsse wurden schließlich ohne Widerspruch folgende von der Budgetkommisston vorgeschlagene Resolutionen angenommen:

1) Die Erwartung auszusprechen, daß künftig nicht ohne vorhe⸗ rige Genehmigung des Reichstages die für eine bestimmte Kaser— nirung angewiesene Bausumme zu anderweitigen Kasernementszwecken ganz oder theilweise verwendet werde.

2) Die Militär⸗Verwaltung zu ersuchen, künftig dem Etat eine Uebersicht der für im Bau begriffene Kasernen erwachsenen und vor— aussichtlich noch erwachsenden Kosten sowie über die für Kasernen⸗ bauten bereits bewilligten und noch reservirten Beträge mitzutheilen, auch die Forderungen für Kasernenbauten durch ausführliche Dar— legung der Garnisonsverhältnisse und die Bestimmung der etwa ver⸗ fügbar werdenden Kasernements zu vervollständigen.

Dami war die zweite Berathung des Militär⸗Etats erledigt.

Um 4 Uhr wurde die Sitzung aufgehoben, um 77 Ühr Abends fortgesetzt zu werden.

In der Abendsitzung, welcher um 741 Uhr am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗ Minister Dr. Delbrück, mit verschiedenen Kommissarien bei⸗ wohnte, wurde die zweite Lesung des Budgets fortgesetzt und zu⸗ nächst der Etat des Reichstags nach einigen Bemerkungen der Abgg. Frh. v. Stauffenberg und v. Vahl, die sich nur auf dessen formelle Aufstellung beziehen, bewilligt.

Das Kapitel 66 der Ausgaben im Ordinarium, welches die Kosten der Verzinsung der Reichsschuld mit im Ganzen 3,592,100 ½ aufführt, ist in der Budgetkommission einer sehr eingehenden Prüfung unterzogen worden, deren Resultat in dem Vortrage des Referenten Richter (Hagen) mit⸗ getheilt wurde. Die Anträge der Budgetkommission bezwecken hier eine Absetzung von nicht weniger als 850, 0500 ( und diese, ebenso wie 2 Millionen Mark, welche die Kommission aus dem Ueberschusse des Jahres 1875 in den Etat für 1876 als Einnahme einzustellen beantragte, sollen das Gleichgewicht im Budget erhalten, ohne die Matrikularbeiträge erheblich er⸗ höhen oder die neuen Steuern bewilligen zu müssen. Der Präsident des Reichs kanzler⸗Amts, Staats-Minister Dr. Del⸗ brück glaubte der Geschicklichkeit volle Annerkennung wider- fahren lassen zu können, mit welcher die Budgetkommission einen eigenen Finanzplan dem der Reichsverwaltung gegenüber gestellt hat, er habe indessen gegen denselben um so gewichtiger Bedenken, als seine Durchführung voraussichtlich die Veran⸗ lassung für ein ungewöhnlich hohes Defizit im Etat des Jahres 1877 sein würde. Dennoch glaubte die Finanzverwaltung des Reiches den Finanzvorschlag der Kommission nicht von der Hand weisen zu sollen, sondern war bereit, den Verfuch zu machen, damit zu wirthschaften. (S. unter Reichstagsangelegenheiten.) Die Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchs steuern gaben dem Referenten Richter Gelegenheit zu einer Replik, in welcher er die Prophezeihung eines erheblichen Defizits im Etat für 1877 mit Rücksicht auf den steigenden Charakter diefer Einnahmen zurück⸗ zuweisen suchte.

Als Mehreinnahmen hat die Kommission ferner in den Etat eingestellt: 1) ein Plus beim Gewinn der Ausprägung der Reichsmünzen, sowie bei sonfligen Einnahmen aus der Münzreform von 2,400 000 M; 2) an Zinsen vom Festungs⸗ baufonds 360000 SJ und vom Reichseisenbahnbaufonds 60) 000 M; 3) aus den Zinserträgnissen der franzöfischen Kriegsentschädigung bis zum Ablauf des Jahres is75 3.000, 000 6 Nach einigen erläuternden Bemerkungen des Re⸗ ferenten Richter wurden diese sämmtlichen Positionen nach den Anträgen der Budgetkommission genehmigt.

Eine von der Budgetkommission vorgeschlagene Resolution,

zu erklären: „Die verspätete Vorlage des Etats in diesem Jahre hat es nicht ermöglicht, den Etat auch in Bezug auf die gegen das Vorjahr vieifach veränderte Form der Aufstellung überall einer eingehenden Prüfung zu unterziehen; aus den zustimmenden Beschlüssen des Reichs tages zum Etat kann daher nicht gefolgert werden, daß er die fest⸗˖ gesetzte orm überall auch für die Etatsaufstellung im nächsten Fahre zur Anwendung gebracht wissen will“, fand ebenfalls die Zustimmung des Hauses.

Die Etats des allgemeinen Pensionsfonds und des Reichs⸗ Invalidenfonds passirten ohne Diskussion.

Die Gesetzentwürfe über die Brau⸗ und Börsen⸗ steuer wurden hierauf ohne Diskussion verworfen. (Für die letztere Steuer stimmten die Konservativen.)

Damit war die zweite Berathung des Budgets und der damit in Zusammenhang stehenden Vorlagen beendet bis auf die definitive Feststellung der Matrikularbeiträge, die natürlich von der Feststellung der übrigen Einnahmen abhängig sind und nach dem Vorschlage des Präsidenten erst in der dritten Be⸗ rathung festgestellt werden sollten.

Der Präsident des Reichskanzler⸗Amts Staats⸗Minister Dr. Delbrück gab freilich zu bedenken, daß es bis zum Sonn⸗ abend nicht möglich sein werde, die Matrikularbeiträge ent⸗ sprechend auf die Bundesstaaten zu repartiren, weshalb die Vertheilung einer späteren Vorlage vorbehalten bleiben müsse, bei welcher Abg. Dr. Lasker die Rechte des Reichstags gewahrt zu sehen wünschte.

Das Etatsgesetz selbst wurde nach wenigen Bemerkungen des Abg. Rickert als Referenten mit der alleinigen Abänderung angenommen, daß in §. 3 der Reichskanzler ermächtigt wird, behufs Beschaffung eines Betriebsfonds zur Durchführung der Münzreform Schatzanweisungen bis zum Betrage von 53 Mil⸗ lionen Mark (statt 59 Millionen Mark) auszugeben.

Damit war die Tagesordnung erschöpft.

Schluß 97 Uhr.

In der heutigen (30. Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tages, welcher am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Dr. Delbrück, und der Staats⸗Minister v. Pfretzschner mit mehreren Kommissa— rien beiwohnten, stand zunächst zur Berathung der An⸗ trag des Abg. Hasenelever, betreffend die Auf⸗ hebung des bei dem preußischen Amtsgericht in Celle gegen den Abg. Reimer schwebenden Strafverfahrens. Der Antrag wurde, der Praxis des Hauses gemäß, ohne De⸗ batte genehmigt. In der darauf folgenden ersten und zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des §. 44 des Gesetzes wegen Erhebung der Brau steuer vom 351. Mai 1872, bedauerte der Abg. Dr. Lasker, daß die Einbrin⸗ gung der Vorlage erst so spät zur Kenntniß des Hauses gekom⸗ men sei, was eine Information über die Wünsche der betreffenden Bevölkerung in dieser Beziehung verhindert habe. Er bean⸗ tragte daher die Wirksamkeit, des Gesetzes auf ein Jahr zu beschränken, um der Bevölkerung in Sachsen⸗Meiningen, Coburg⸗Gotha und Reuß ä. L. Gelegenheit zu geben, ihre Wünsche darüber zu äußern, ob sie die Last der höheren Brau⸗ steuer überhaupt noch weiter tragen will, wobei der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) die Brausteuer von allen mit Surro⸗ gaten versetzten Bieren um das Doppelte zu steigern wünschte, dagegen die Steuer für echtes Bier vermindert sehen wollte. Das Haus genehmigte die beiden Paragraphen des Gesetz⸗ entwurfs, nur wurde in §. 1, welcher lautet:

„Der zweite Absatz des 8. 44 des Gesetzes wegen Erhebung der Braustener vom 31. Mai 1872 wird durch folgenden Satz ersetzt:

In den Herzogthümern Sachsen⸗Meiningen und Sachsen-Coburg⸗ Gotha, sowie in dem Fürstenthum Reuß älterer Linie darf jedoch von dem Centner Malzschrot derjenige Betrag, um welchen die dort zur Zeit gesetzlich beftehende Brausteuer von Malzschrot den Satz von 2 1 für den Centner übersteigt, bis auf Weiteres, jedoch nur insoweit, als die Steuersätze dieses Gesetzes keine Veränderung erleiden, für privative Rechnung der genannten Bundesstaaten fort— erhoben werden“; .

auf den Antrag des Abg. Dr. Lasker, in Absatz 2 statt der Vorte „bis auf Weiteres“ gesetzt: „bis zum 1. Januar 18

Darauf wurde in dritter Berathung der Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Einführung des Gesetzes über die Portofreihei⸗ ten vom 5. Juni 1869 in Südhessen auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage ohne Debatte genehmigt. Es folgte die dritte Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Abänderung des Artikels 15 des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873. (S. Nr. 291 d. Bl.)

Der Abg. Rohland sprach den Wunsch aus, daß im Inieresse der raschesten Einführung der Goldwährung die Verdrängung der Noten der Zettelbanken aus dem Verkehr durch die Reichsbank in der Weise gefördert werden möge, daß die Reichsbank jene Noten eine gewisse Zeit lang an ihren Kassen annehmen, aufsammeln und den Zettelbanken zur Einlösung präsentiren möge. Der Präsident des Reichs kanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Dr. Delbrück erwiderte darauf, daß das vorgeschlagene Mittel gerade die entgegengesetzte Wirkung äußern und die Roten der Zettelbanken in dem Pri⸗ watverkehr noch für längere Zeit festhalten würde. Die Vorlage wurde alsdann bei Schluß des Blattes unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Berathung genehmigt.

Ueber den Schiffbruch des Dampfers „Deutsch⸗ land“ kann noch Folgendes aus dem Auswärtigen Amt zu⸗ gegangenen Berichten mitgetheilt werden.

Der Kapitän Brickenstein hatte aus Besorgniß, zu nahe an die so weit in die See reichenden gefährlichen Sandbänke der holländischen Küste zu gerathen, sich, wie das alle größeren Schiffe thun, der englischen Küste genähert, um das bekannte Feuer the Galloppers“ zu finden, und dann den sicheren Kurs durch die Meerenge von Dover bestimmen zu können.

Durch Umstände, die noch nicht aufgeklärt sind, vielleicht Abweichung des Kompasses, wie sie auf großen eisernen Schiffen oft vorkommt, oder irgend einen Rechnenfehler, war das Schiff weiter und mehr nördlich gelaufen, als der Kapitän annahm; er war zwischen dem Feuerschiffe und der Küste durchgefahren, I. bei dem starken Schneesturm das Leuchtfeuer bemerken zu

önnen.

Alle Vorsichtsmaßregeln scheinen beobachtet worden zu sein es wurde das Senkblei geworfen, der Kapitän und die Lootsen an Bord waren die ganze Nacht auf der Brücke. Als der Ka—= pitän bemerkte, daß er sich einer gefährlichen Brandung nähere, gab er den Befehl Volldampf zurück“, da brach die Schraube, und das schöne Schiff wurde hulflos den Wellen preisgegeben und auf die Sandbank geworfen.

Ohne diesen Unglücksfall, der wohl nicht vorauszusehen und zu verhindern war, würde das Schiff trotz des Fehlers im Course sicher gerettet sein.

Das Benehmen des Kapitäns und der Mannschaft ist nach der Aussage aller Passagiere musterhaft gewesen und die deutsche Handelsmarine kann daher ruhig und mit Stolz dieser Unter— suchung entgegensehen.

Dagegen bedarf die Thatsache, daß ein Schiff fast dreißig Stunden in der Nähe der Küste und in Sicht von zwei Leucht⸗ schiffen (das Wetter wurde nämlich am Montag nach dem Schneesturm ganz klar) liegen konnte, auch nach englischem Urtheil noch der näheren Aufklärung.

Die englische Presse beklagt einstimmig und lebhaft, daß in einem so bedeutenden Hafenplatze wie Harwich kein Rettungsboot sich befinde, während fast jedes kleine Dorf an der englischen Küste ein solches besitzt.

Die Nothsignale, durch das Feuerschiff wiederholt, wurden erst am Montag Abend gegen 6 Uhr in Harwich bemerkt. Ein im Hafen liegender Schleppdampfer heizte sofort, hielt es aber bei dem hohen Seegang für gefährlich, vor Tagesanbruch in See zu gehen. Nach Aussage des Kapitäns und des Steuer⸗ manns würden sie es aber doch gewagt haken, falls sie ein Rettungsboot hätten ins Schlepptau nehmen können.

Dem Kommandanten der Küstenwache, der die Nothsignal⸗ Rakete des Feuerschiffes durch eine Rakete beantwortete, darauf aber, wie die Zeitungen behaupten, sich weiter nicht um die

Sache bekümmerte, werden bittere Vorwürfe gemacht, und wird

er, falls diese Vorwürfe begründet sind, einer strengen Strafe gewiß nicht entgehen.

Die Sandbank, auf der die „Deutschland“ strandete, ist 17 englische Seemeilen von Harwich entfernt, und so gelangte das Schiff erst gegen 10 Uhr an Ort und Stelle und mußte bei dem hohen Seegange und ohne Rettungsboot noch über eine Stunde warten, ehe es an das Wrack gelangen konnte. Die Passagiere hatten eine fürchterliche Nacht, fie hingen Alle in der Takelage; diejenigen, die untergingen, konnten sich nicht halten und sind ermattet und erstarrt auf Deck und ins Wasser ge⸗ fallen. Bei der Kälte hatten die Schwimmgürtel, mit denen sämmtliche Verunglückte versehen waren, keinen Nutzen.

Der Kapitän flüchtete sich erst in den Mast, nachdem er von der Kommandobrücke heruntergespült war; sein Benehmen ist ganz musterhaft gewesen, so sagen einstimmig alle Passagiere; ebenso hat die Mannschaft bis zum letzten Augenblick ihre Pflicht auf das Treuste erfüllt.

Nachdem die Geretteten ans Land gebracht worden, ist für sie vorzüglich gesorgt; sie sind durch die Einwohner auf das Beste verpflegt, es sind Sammlungen für sie veranstaltet und ist Alles geschehen, was irgend Menschenliebe für sie thun konnte.

Wenn nach dem Schiffbruch des „Schiller“ in den Seestädten und namentlich unter den Rhedern Stimmen gegen die Unter⸗ suchung solcher Unfälle durch fremde, namentlich englische Behörden laut geworden sind, so stellen auch nach dem Urtheil von Deutschen in England solche Klagen sich als unbegründet dar; die Untersuchung solcher Unglücksfälle an Ort und Stelle, ganz unabhängig von der Nationalität des Schiffes, sei im Interesse der Sicherheit der Schiffe und der Passagiere auf Handelsschiffen von dem aller⸗ größten Nutzen. Es handelte sich bei einer solchen Untersuchung weder um ein Strafverfahren, noch um Civilansprüche, es han⸗ delte sich lediglich um die Feststellung des Thatbestandes, nament⸗ lich darum, wie das Unglück entstand und was nachher zur Rettung der Unglücklichen geschah. Die Mannschaft des Schiffes und die Bewohner der Kuͤste seien beide dabei betheiligt, und deshalb sei es richtig, daß die Behörden an der nächsten Küste eine solche Untersuchung führen. Eine Untersuchung an dem Heimathsorte des Schiffes sei ja dadurch durchaus nicht aus⸗ geschlossen. Daß eine solche Untersuchung in England voll⸗ ständig unpartheiisch geführt werde, dafür bürgt der ehrenwerthe Charakter der Nation und die allerunbeschränkteste Oeffentlichkeit bei den Verhandlungen.

Die Rettung des Hochbootsmannes Bock ist für sich eine tragische Episode. Indem er das Rettungsboot mit zwei Mann klar machte, wird er mit demselben fortgetrieben und, nachdem seine Kameraden erstarrt gestorben, bei den Befestigungen von Sheerneß angetrieben und durch den Posten auf die Wache ge⸗ führt. Dort wurde er vortrefflich im Militär⸗Lazareth verpflegt und reichlich beschenkt: sein Schicksal hat so große Theilnahme gefunden, daß ihm ein Photograph sofort 10 Pfd. Sterl. bot, um seine Photographie aufnehmen zu dürfen.

Das Board of Trade behält ihn auf seine Kosten als Zeu⸗ gen dort. Die Untersuchung wird wohl erst nach Weihnachten stattfinden können.

Wir sind ferner in der Lage, die Anfrage des Grafen Derby wegen Einleitung der Untersuchung Uund die darauf er— folgte Antwort des Kaiserlichen Botschafters in London mit⸗ zutheilen:

London, den 8. Dezember 1875.

. Herr Botschafter, Die Aufmerksamkeit des Englischen Handels⸗Amtes ist auf den

Untergang des deutschen Schiffes „Deutschland! bet Kentish Knock gelenkt worden und das gedachte Amt wünscht mit Nachricht darüber versehen zu werden, ob die Kaiserliche Regierung den Wunsch hege, paß . amtliche Untersuchung der Sache in diefem Lande abgeh al⸗ en werde.

Ich habe deshalb die Ehre, Eure Excellenz zu ersuchen, mir die Ansicht Ihrer Regierung in dieser Beziehung sobald als möglich ge— fälligst mitzutheilen.,

Ich habe die Ehre ꝛc.

In der Abwesenheit des Earl of Derby: Robert Burke. Sr. Excellenz Herrn Grafen Münster 2c. ꝛc.

London, den 11. Dezember 1875. Milord,

Auf Ew. Excellenz sehr gefällige Note vom 8. d. Mts. beehre ich mich ganz ergebenft zu erwidern, daß die Kaiserliche Regierung mit Vornahme der amtlichen Untersuchung wegen des in der Nähe von Harwich stattgefundenen Unterganges des Bremer Schiffes ö , durch die englischen Regierungsbehörden einverstan⸗ en ist.

Indem ich sonach seiner Zeit einer gefälligen Mittheilung über das Ergebniß e, Untersuchung mit großem Interesse entgegensehe, bitte ich Ew. Excellenz im Namen meiner Reglerung den Dank für die bei diesem Anlaß bekundete Bereitwilligkeit gütigst entg egennehmen zu wollen. Mit der ausgezeichnetsten bedr, *

n st er.

Sr. Excellenz dem Herrn Grafen von Derby ꝛc. ꝛc.

Tie heutige (20) Sitzung der außerordentlichen Generalsynode wurde um jo ühr 30 Minuten durch den Vorsitzenden, Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode, mit gefchäft⸗ sichen Mittheilungen eröffnet.

Auf der Tagesordnung stand die zweite Berathung des Regierungsentwurfs von 5§. 21 ab. .

Die 55§. 21—24 wurden ohne Diskussion angenommen.

Zu § 25 lag ein Antrag des Synodalen Hr. Schrader (Königsberg) vor, wonach der Paragraph die Fassung erhalten soll; Der Präsident der Synode leitet die Verhandlungen und handhabt die äußere Ordnung.“

Die Synode trat diesem Antrage mit großer Majorität bei.

Der §. 26 wurde vorläufig abgesetzt und soll später be⸗ rathen werden.

Der 5. 2 wurde mit einem Abänderungsantrag des Sy⸗ nodalen Pr. Schrader (Königsberg) die Eingangsworte: Die Mitglieder Präses“ zu streichen und dahin zu fassen: „Die Mitglieder werden nach Konstituirung des Präsidiums von dem Präsidenten ! angenommen.

Zu Alinea 2 des 5. 28 beantragte der Synodale Dr. Nieden (Coblenz) statt „wird eröffnet“ zu setzen: „beginnt“, und vor dem Worte die Synode“ zu setzen „und endet mit einem kurzen Segensspruch“.

Mit diesem Amendement fand der ganze Paragraph eine einstimmige Annahme.

Der 5. 29 gab zu weiterer Diskussion keinen Anlaß und wurde ohne Debatte angenommen.

Bei Berathung des 5. 30 beantragte der Synodale Schnie⸗ wind (Elberfeld) statt Synodalvorstand“ zu setzen: „das Prä⸗ sidium“ und den Paragraph hiernach redaktionell zu ändern.

Die Synode nahm diesen Antrag und mit ihm den Para⸗ raph an.

ph der Berathung des §. 31 beschloß die Synode sofort die über §. 34, sowie die ausgesetzte Berathung über 5§5. 10 und 26 zu verbinden.

Zu diesen Paragraphen lagen folgende Amendements vor:

1) vom Synodalen Dr. Schrader (Königsberg):

a. den 2. Satz des §5. 10: „Der Generalsynode 2c. bis vorzu— legen“ zu streichen und dafür zu sagen: „Der Generalsynode, und in den Jahren, in welchen sie sich nicht versammelt, dem Synodalvor— stande (5. 31), ist die Jahresrechnung über diese Fonds zur Prüfung und Ertheilung der Eatlastung vorzulegen“;

b. im §. 26: a. den ersten Satz: „Nachdem die Synode von Bedeutung sind“ zu streichen und dafür zu sagen: „Der Vorsitzende des Synodalvorstandes eröffnet die Synode, berichtet über die bis— herige Wirksamkeit des Synodalvorstandes während der verflossenen Synodalperiode, sowie über die Verhandlungen der während derselben Zeit abgehaltenen Provinzialsynoden, soweit sie für die gesammte Landeskirche von Bedeutung sind'; b. den Satz: „u letzterem Zwecke, mitzutheilen“ ganz zu streichen; (. statt der Schlußworte in Alinea L: die Wahl des neuen Vorstandes“ zu sagen: „die Wahl des Präsidiums“;

e. die Nr. 7 des 5§. 31 ganz zu streichen;

d. im 5. 34 Alinea 3 statt: „fällt in den Fahren aus“ zu sagen: kann in den Jahren ausfallen“.

2) Vom Synodalen Dr. Gierke (Breslau):

a. in 5. 31 die Nr. 3 zu streichen und dafür als Nr. 3 folgende Worte einzufügen: „Er hat die Jahresrechnungen, welche der Generalsynode und dem Synodalrath von dem Evangelischen Ober⸗ Kirchenrath zur Entlastung vorzulegen sind (5. 10 und 5§. 34), einer Vorprüfung zu unterziehen, und die darüber aufgenommenen Ver⸗ handlungen dem Epangelischen Ober⸗Kirchenrath zur Kenntnißnahme und dann mit den Rechnungen der Generalsynode und dem Synodal⸗ rathe mitzutheilen.“

b. den 5. 34 folgendermaßen zu fassen: „Der Synodalrath E. 20) wird in jedem Jahre, in welchem die Generalsynode nicht Msammentritt, in Berlin versammelt. Seine Berufung erfolgt auf Verlangen des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths oder nach Verein barung mit demselben durch den Vorsitzenden des Synodalvorstandes, welcher in ihm auch den Vorsitz führt. Seine Versammlung wird zuf Anordnung des Eyangelischen Oher⸗-Kirchenraths geschlossen. Der Präsident und die Mitglieder des Evangelischen Qber⸗Kirchenraths sind berechtigt, an den Sitzungen des Synodalraths Theil zu nehmen; der Präsident und die von ihm bestellten Vertreter der Kirchen⸗ regierung können jederzeit das Wort ergreifen und Anträge stellen. Der Synodalvorstand ordnet die Geschäftsführung des Synodalraths . erstattet ihm Bericht über seine Wirksamkeit im verflossenen

ahre.“

„Der Synodalrath hat:

I) die Vorlagen des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths zu erledigen und über die Aufgaben und Angelegenheiten der Landeskirche zu be— rathen, in welchen die Kirchenregierung seinen Beirath zur Feststellung leitender Grundsätze für nothwendig erachtet;

2) er ist berechtigt, Anträge zur Vertretung der Rechte und Interessen der Landeskirche und auf Beseitigung von Mängeln in der Kirchenverwaltung an den Evangelischen Ober⸗-Kirchenrath zu richten;

3) er vertritt die nicht versammelte Generalsynode, wenn Anord⸗ nungen, welche regelmäßig der beschließenden Mitwirkung der General⸗ synode bedürfen, wegen ihrer Unaufschieblichkeit durch kirchenre, iment⸗ lichen Erlaß provisorisch getroffen werden sollen. Selche Erlasse können nur ergehen, wenn der Synodalrath fowohl die Unaufschieb— lichkeit anerkennt, als auch ihrem Inhalte zustimmt, und mit aus—⸗ drücklicher Erwähnung dieser seiner Mitwirkung. Sie sind der nächsten Generalsynode zur Prufung und Genehmigung vorzulegen, und, wenn die letztere versagt wird, außer Wirksamkeit zu jetzen;

4) er hat in den Jahren, in welchen die Generalsynode sich nicht rersammelt, die Jahresrechnungen über die in S§. 10 bezeichneten Fonds zu prüfen und die Entlastung zu ertheilen. Er kann auch über die Grundsätze für die Verwendung dieser Fonds Anträge stellen, und darüber in Vertretung der Generalsynode und vorbehaltlich ihrer spä⸗ teren Genehmigung Vereinbarungen mit dem Evangelischen Ober—⸗ stirchenrath treffen.“

An der Debatte, welche das Verhältniß des Synodalrathes zum Synodalvorstand zum Gegenstand hatte, betheiligten sich die Synodalen Holtz (Marrin), v. d. Goltz (Bonn), Dr. Gierke Breslau), Krum macher (Brandenburg), Dr. Cremer (Greifswald), Boretius (Halle), Wiesmann (Münster), der Ober⸗Konsistorial⸗ Rath Hermes und der Ministerial⸗Direktor Dr. Förster.

ei der nunmehr erfolgenden Abstimmung wurden die S8. 31, 10, 2.5 und 24 mit den Amendements Schrader an⸗ genommen, die Anträge Gierke dagegen sämmtlich verworfen. ; Zu 5§. 32 beantragte der Synodale Dr. Schrader (Königs⸗ erg):

a. in der Schlußzeile des Alinea 1 statt der Worte: „dem Synodalpräses“ zu setzen: „seinem Vorsitzenben“;

b. ebenso in Alinea 3 das Wort: „Präses“ zu ersetzen durch: Vorsitzenden

Die Synode nahm den Antrag ohne Diskussion mit dem Paragraphen an.

Zu F. 33 beantragten:

D Der Synodale Dr. Schrader (Königsberg):

Nr. 2 die Worte: und der zur Ausführung der landeskirchlichen Gesetze erforderlichen Instruktienen / zu streichen.

2) Der Synodale Dr. Gierke (Breslau):

a. bei Nr. 2 die Worte hinzuzufügen: so wie bei Erlaß kirch— licher Verordnungen;

b. die Nr. 3 folgendermaßen zu fassen: bei dem Evangelischen

Ober ⸗Kirchenrath zustehenden Vorschlägen für die General⸗ Super⸗ intendenturen, so wie sonstiger kirchenrezimentlicher Aemter“;

e. als Nr. 5 die Worte hinzuzufügen: „wenn dem Beschluß einer . die kirchenregimentliche Bestätigung verfagt wer⸗ en soll“.

Der Paragraph giebt die Gegenstände an, in welchen der Sypangelische Ober⸗Käirchenrath mit dem Synodalvorstand zusam⸗ menzuwirken hat. An der Debatte betheiligten sich die Syno⸗ dalen Gierke (Breslau), v. d. Goltz (Bonn), Hering (Arnsberg), Wunderlich (Breslau), v. Kleist⸗Retzow, Altmann (Glogau) und der Qber⸗Konsistorial⸗Rath Hermes.

Bei der nunmehr erfolgenden Abstimmung wurden die zu Nr. 2 beantragten Abänderungsanträge Dr. Schrader und Gierke verworfen; der zu Nr. 3 gestellte Antrag Gierke und Nr. 4 nach der Vorlage angenommen, die vom Synodalen Dr. Gierke beantragte Nr. 5 dagegen verworfen.

(Schluß des Blattes)

Ein Kreis⸗-Synodal⸗Vorstand hatte über den Sinspruch gegen zwei gewählte Gemeinde⸗Aelteste auf Grund des F. 55 Nr. 8 der Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung eine Entscheidung getroffen, die nur von vier Mitgliedern des Vor— standes erlassen, weil das fünfte Mitglied mit Tode abgegangen war und dessen Ersetzung durch eine Neuwahl Seitens der Kreissynode noch nicht hatte erfolgen können. Der Gemeinde⸗ Kirchenrath erhob Bedenken, ob diefe Entscheidung für legal ge⸗ faßt anzusehen ist, weil der 8. 55 a. a. O., letzter Absatz, vor⸗ schreibt, daß bei Beschlüssen dieser Art die sämmtlichen Mit⸗ glieder des Vorstandes Theil nehmen müssen. Das betreffende Konsistorium hat diesen Zweifel für unbegründet erklärt, und der Eyvangelische Ober⸗Kirchenrath ist dieser Entscheidung beigetreten. Die Schlußbestimmung des 5. 55 a. a. O. ist nur dahin zu verstehen, daß an den bezeichneten Beschlüssen die sämmtlichen dem Kreissynodal-Vorstand angehörigen Mitglieder sich bethei⸗ ligen müssen, hat aber keineswegs die Absicht, den Vorstand, so lange er nur noch die Minimalzahl von drei Mitgliedern ent— hält, für gewisse Geschäfte als handlungsunfähig zu erklären, wenn etwa das eine oder andere seiner Mitglieder ausgeschieden und eine Ergänzungswahl noch nicht vollzogen ist.

Der Antrag des Staatsanwalts auf Einleitung einer Voruntersuchung und Ernennung eines Untersuchungs⸗ richters kann vom zuständigen Gericht aus dem Grunde, weil eine strafbare Handlung nicht vorliege, nicht zurückgewiesen wer⸗ den. (Beschluß des Ober⸗Tribnals vom 723. November d. J.)

Der Kaiserliche Botschafter Fürst zu Hohenlohe hat Paris am 14. 8d. Mts. mit kurzem Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Botschafts⸗Rath Graf von Wesdehlen als interimistischer Geschäftsträger.

Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte, Königlich sächsischer Geheimer Finanz⸗Rath Wahl, ist nach Dresden abgereist.

Das Justiz⸗Ministerialblatt enthält einen vom Geheimen Ober⸗Justiz⸗Rath Kurlbaum II. verfaßten Aufsatz: Die Ge⸗ nehmigung des Gegenvormundes zu Rechtsgeschäften des Vormundes.

S. M. S. „Gazelle“, deren Ankunft in Sydney am 4. Oktober cr. von dort telegraphisch gemeldet wurde, hat nicht, wie die soeben eingelaufenen brieflichen Nachrichten ergeben, Sydney, sondern den Hafen Brisbane in Australien (nördlich von Sydney gelegen) angelaufen, um für die Weiterreise nach Auckland Kohlen und Proviant aufzufüllen.

Das Schiff hatte Amboina (Molukken⸗Insel) am 11. Juni cr. verlassen, am 15. dess. Mt. in der Me. Cluer-⸗Bay, West⸗— küste Neu⸗BGuineas, geankert, von dort die Reise am 21. Juni fortgesetzt, hat dann durch die Galevo⸗ und Dampier⸗Straße gehend, den Kurs auf die Anacho⸗ riten⸗Inseln gesetzt, und dieselben am 8. Juli ange⸗ steuert, wegen Mangel eines Ankergrundes, daselbst aber nur kurzen Aufenthalt genommen. In den Tagen vom 27. Juli bis 22. August hat S. M. S. „Gazelle“ sodann mehrere theilweise noch unbekannte Häfen auf den Inseln New⸗ Hannover, New⸗Irland und New⸗Britain besucht, danach vom 25. bis 29. August bei der Insel Bourgainville (Salomon⸗ Inseln) geankert und um Vorräthe einzunehmen am 21. Sep⸗ tember den Hafen von Curtis (Ostküste von Australien) ange— laufen. Da solche dort nicht zu erlangen waren, setzte das Schiff am nächsten Tage die Reise nach Brisbane fort und langte daselbst am 29. September er. an.

Erfurt, 16. Dezember. Vorgestern und gestern wurde hier das 50 jährige Amtsjubiläum des Ober⸗Regierungs⸗ Raths, Freiherrn v. Tettau, festlich begangen.

Bayern. München, 15. Dezember. Se. Majestät der König hat unter Aufhebung aller entgegenstehenden Bestim⸗ mungen, namentlich der Militär⸗Ersatzinstruktion vom 30. Juli 1872,

die unter Zugrundelegung der deutschen Wehrordnung vom

28. September d. J. festgestellte Wehr ordnung für das Königreich Bayern“ genehmigt. Dieselbe wird in dem heut ausgegebenen Gesetz⸗ und Verordnungsblatt bekannt gegeben. Bei Beginn der heute hier vorgenommenen Wahlen der Kirchen verwaltungen wurde in allen Pfarreien folgender Protest eingelegt: „In Erwägung, daß nach den Bestimmungen der Verfassungsurkunde und des Konkordats nur die römisch⸗ katholische Kirche zu den anerkannten Kirchengesellschaften gehört, daß dagegen die sogenannten Altkatholiken von den berechtigten Organen dieser katholischen Kirche aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen worden sind und durch Bildung eigener Gemeinden sich thatsächlich selbst ausgeschlossen haben, sohin bei katholischen Kirchenwahlen nicht stimmberechtigt sein können, protestiren die Unterzeichneten für sich und im Namen der römisch⸗katholischen Wählerschaft gegen die Zulassung der sogenannten Altkatholiken zum heutigen Wahlakt.“ In den vom Magistrat aufgestellten Wählerlisten sind übrigens nur Katholiken eingetragen worden. Der König hat den zum Tode verurtheilten Raubmörder Battistella aus Italien nicht begnadigt; die Hinrichtung desselben wird in den nächsten Tagen dahier stattfinden. Das Schwurgericht verurtheilte den Redacteur des Wendelstein“, Priester Gasteiger, wegen Belei⸗ digung des Gesammt⸗Ministeriums durch einen Artikel über die Wahlkreiseintheilung zu zweimonatlicher Gefängnißstrafe.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 15. Dezember. Im Ab⸗ geordnetenhause fand die Spezialdebatte über das Budget des Finanz⸗Ministeriums statt. Der Finanz⸗Minister beantwor⸗ tete die , Beschwerden bezüglich der Härten und Unregelmäßigkeiten der Steuerbehörden bei der Steuereinhebung

dahin, daß er bei ihm zur Kenntniß kommenden Fällen gerne Abhilfe treffen werde. Bezüglich des Salinenwesens erklärte der Finanz⸗Minister, er beabsichtige bezüglich der Reorganisirung des Salinenwesens tüchtige Fachmänner zu konsultiren und werde den ertheilten Rathschlägen und Wünschen die vollste Aufmerk⸗ samkeit zuwenden. Das Budget des Finanz⸗Ministeriums wurde unverändert nach den Ausschußanträgen angenommen, sodann die Be⸗ rathung des Budgets des Handels-Ministeriums begonnen. Vor dem Schlusse der Sitzung interpellirte Janovski, ob die Regie⸗ rung von den traurigen Zuständen in Galizien in Folge eines nie da gewesenen herrschenden Futtermangels Kenntniß habe und welche Maßregeln die Regierung ergreifen wolle. Die Tagespresse“ meldet: Die russische Antwortsdepesche auf die Reformvorschläge des Grafen Andrassy ist Sonntag in der Wiener russischen Botschaft eingetroffen. Der russische Bot⸗ schafter wollte zu dem Grafen Andrassy nach Pest reisen, dieser avisirte aber, daß er heute in Wien eintreffen werde, um dem russischen Botschafter die Winterreise zu erfparen.

Pest, 15. Dezember. Im Abgeordnetenhause wurde der Gesetzentwurf über das Salzgefälle nach unbedeutender De⸗ batte angenommen. Hierauf beantwortete Minister⸗ Prãäsident Tisza die Interpellation Miletics betreffs der Auflösung der slovakischen Matiea“ in dem bereits bekannten Sinne. Das Vereinsvermögen, schloß Tisza, sei in die Verwaltung des Staates übernommen worden, nachdem dasselbe nach dem Wortlaute der Matica⸗Statiuten Eigenthum der slovalischen Nation sei und er einen solchen Eigen⸗ thümer in Ungarn nicht aufzufinden vermocht habe. Die Unter— suchung der Akten sei er bereit, einem vom Hause zu wählenden Ausschusse vorzulegen, jedoch nicht dem Plenum des Hauses. Auf eine Anspielung Mileties erwidernd, bemerkte Tisza, er könne versichern, daß der Landesherr Ungarns es immer billige, wenn man energisch gegen Leute vorgehe, die gegen die Staats⸗ ordnung wühleg. Nachdem Mileties und hierauf nochmals der Minister⸗Präsident gesprochen, nahm das Haus mit allen Stim- men gegen die der Sachsen, Nationalen und äußersten Linken die Antwort zur Kenntniß.

16. Dezember. (W. T. B) In der heutigen Sitzung des Unterhauses brachte der Abgeordaiete Ernst Sinonyi eine Interpellation ein, in welcher er Auskunft darüber ver—⸗ langte, ob Seitens Oesterreich Ungarns eine Okkupation von Theilen der insurgirten Provinzen beabsichtigt sei, und wenn dieses der Fall sei, auf Beschluß welcher Mächte und zu welchem Zwecke es geschähe.

Frankreich. Nach manchen Anzeichen scheinen die Bonapar⸗ tisten gegenwärtig ihre Absichten auf eine nähere Verbindung mit der ultramontanen Partei zu richten, und bei Letzterer eine solche Alliance vielfach günstiges Entgegenkommen zu finden. Die bonapartistische Presse vertritt, der bezeichneten Tendenz ent⸗ sprechend, jetzt auch lebhafter wie früher die ultramontanen In⸗ teressen. Bezeichnend ist in dieser Beziehung ein Artikel der „Patrie“ vom 13. Dezember, in welchen das Kaiserreich den Ubltramontanen als ein noch besserer Freund und Vertheidiger, wie das legitime Königthum empfohlen wird. Der Artikel, wel⸗= cher ganz geschickt die Form einer Polemik gegen das „Univers“ annimmt, um die ultramontanen Verdienste des Bonapartismus in helles Licht zu stellen, lautet:

„Cäsar“, sagt das „Univers“, Jesus Christus Krieg geführt“.

Der Name Cäsars ist hier, wie wir glauben möchten, nur sinnbildlich gebraucht.

Es würde in der That für Cäsar d. h. Julius Cäsar schwer gewesen sein, Krieg gegen Jesus Christus zu führen und dies aus dem sehr einfachen Grunde, weil Jesus Christus zur Zeit des Julius Cäsar noch nicht geboren war.

Es scheint uns, daß Cäsar, als er sich Constantin nannte, nicht immer gegen Jesus Christus Krieg geführt hat, da er als der erste zum Christenthum Bekehrte, sein gan zes Volk bei seiner Bekehrung nach sich zog.

Carl der Große, welcher die weltliche Macht der Statthalter Jesu Christi gegründet hat, war er nicht ein Cäsar?

Napoleon, der die Altäre in Frankreich wieder aufgerichtet, der das Konkordat geschlossen hat, war er nicht ebenfalls ein Cãsar?

Napoleon III., ist er nicht einer der loyalsten und ergebensten Vertheidiger des Papstes gewesen?

Ist der heilige Vater nicht genau in dem Monat gefallen, wo in Frankreich die Kaiserliche Gewalt unterlag.

Was auch die Cäsaren gethan haben, was auch Napoleon I. selbst, aus politischer Nothwendigkeit, gethan haben mag, so scheint es uns, daß sie niemals annähernd dem heiligen Vater Demüthigungen der Art wie das Königthum auferlegt haben, welches in den Augen des „Univers“ allein die Ehrerbietung vor der Religion repräsentirt.

Haben die Cäsaren jemals Schläge gegen einen Papst ge⸗ führt, wie Philipp der Schöne es that? Haben sie ihn je 70 Jahre eingeschlossen gehalten? Haben sie ihm jemals, wie es Ludwig XIV. that, schmerzliche Entschuldigungen auferlegt?

Wir sind wirklich erstaunt, vom „Univers“ das Kaiserreich als dem Klerus feindlich hingestellt zu sehen, während unsere beiden Kaiser Napaleon J. und Napoleon III. beständig die geist⸗ lichen, ebenso wie die weltlichen Interessen der römisch-⸗katho⸗ lischen Religion aufrechterhalten und vertheidigt haben.

Will uns das „Univers“ etwa zu verstehen geben, daß der Klerus dem Kaiserreich die Herrschaf: der Radikalen vorzieht?

Versailles, 16. Dezember. (W. T. B. Die Natio⸗ nalversammlung genehmigte in zweiter Lesung die Vorlage wegen Errichtung eines internationalen Bureaus für Maße und Gewichte und setzte die Senatorenwahl fort. Seitens der Rechten enthielten sich sehr viele der Stimmgebung. Es wurden gewählt folgende zehn Mitglieder der Linken: Adam, Börenger, General Billot, General Chareton, Cazot, Denor⸗ mandie, Magnin, Laurent⸗Pichat, Schoelcher, Jules Simon. Dem Vernehmen nach will die Linke bei der morgenden Wahl den Kriegs⸗Minister de Cissey und den Unterrich;ms⸗Minister Wallon unter ihre Wahlkandidaten aufnehmen. In Depu⸗ tirtenkreisen wurde die Nachricht, daß der Finanz⸗Minister Léon Say um seine Entlassung eingekommen sei, für begrün⸗ det gehalten.

Türkei. Belgrad, 16. Dezember. (W. T. B.) Aus Deputirtenkreisen verlautet, daß der Finanz⸗Minister Zan⸗ kowitsch um seine Entlassung gebeten habe. In der Skupschtina fand eine Interpellation über die Schritte der Regierung zur Befreiung und Entschädigung von 2 in Bosnien verhafteten Serben durch die befriedigende Erklärung des WMinisters des Auswärtigen ihre Erledizung.

„hat zu allen Zeiten gegen