die Verfolgung aber gegen auswärtige Staaten gethanen An⸗ griffe es officio vorschreibt. Bisher sei die Gegenseitigkeit immer die Voraussetzung der Strafverfolgung gewesen.
Der Bundeskommissar, Geheimer Legations⸗Rath Wilke, hob die politische Bedeutung des §. 102 hervor, sowie daß von Seiten der diesseitigen Regierung bei der Strafverfolgung des in Rede stehenden Deliktes ein hohes Interesse obwalten könne, zu⸗ mal die Feststellung der Reziprozität technische Schwierigkeiten blete. Das Auswärtige Amt lege auf die Annahme der Vor⸗ lage eventuell des Amendements Thilo großen Werth. Abg. Klöppel führte sodann aus, daß der Fall Duchesne überall und namentlich auch in England die Nothwendigkeit der Abänderung der gegenwärtigen Gesetzgebung dargethan habe. Deutschland sei es seiner Würde schuldig, nunmehr auch in seiner Gesetz⸗ gebung jenen völkerrechtlichen Grundsatz zum Ausdrucke zu brin⸗ gen. Das Amendement Thilo scheine ihm sachlich nicht ganz korrekt, auch dürfte dasselbe, so lange das Legalitätsprinzip bei der Strafverfolgung noch nicht voll durchgeführt ist, wohl zu entbehren sein.
Abg. Reichensperger (Crefeld) erkannte diese Nothwendigkeit nicht an und warnte, aus dem Falle Duchesne Anlaß zu nehmen, ein Gelegenheitsgesetz und namentlich ein Strafgesetz zu machen.
Der Bundeskommissar, Reichskanzler⸗Amts⸗Direktor v. Ams⸗ berg wiederholte, daß die verbündeten Regierungen auf die An⸗ nahme der Regierungsvorlage beziehungsweise des Amendements Thilo den größten Werth legen. Es handele sich nicht sowohl um ein neues Strafgesetz, als um die Abänderung der Voraussetzung der Strafverfolgung. Sollten aus der Durchführung des Legalitätsprinzips wirklich Schwie⸗ rigkeiten entstehen, so sei denselben durch den Antrag Thilo sehr leicht abzuhelfen; denn würde wirklich die Untersuchung Dinge ans Licht bringen, die im Interesse unserer Politik geheim zu halten sind, so würde das Auswärtige Amt die Ermächtigung nicht ertheilen. Die Regierungen wären auch einverstanden damit, wenn statt der Ermächtigung des Auswärtigen Amts der Antrag desselben erfordert würde.
Abg. Klöppel gab zu, daß der Fall Duchesne nicht ganz analog liege — was er auch gar nicht behauptet habe, indessen empfehle die gleiche allgemeine Rücksicht, auch hier die Straf⸗ verfolgung, wie regierungsseitig vorgeschlagen, eintreten zu lassen.
Der Abg. Windthorst (Meppen) war der Ansicht, daß die beiden Voraussetzungen der Reziprozität und der Ermächtigung des Auswärtigen Amtes der Annehmbarkeit des Paragraphen so naturgemäß seien, daß man in keiner Weise davon abgehen könne. Auch der Abg. Dr. Lasker empfahl die Annahme der Kommissionsbeschlüsse, indem er hervorhob, es sei allseitig an⸗ erkannt, daß die Beziehungen zum Auslande so schwankender Natur seien, daß die Verfolgung wegen des Verhaltens der Bürger zum Auslande nach Maßgabe der Regierungsvorlage zu den größten Unannehmlichkeiten führen könne.
Nach einer kurzen Bemerkung des Bundeskommissars, Wirlk. Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath v. Amsberg, auf welche Abg. Dr. Lasker erwiderte, wurde bei der Abstimmung S§. 102 in der Fassung der Kommission mit dem Antrage Banks angenommen, das Amendement Thilo abgelehnt.
§. 103 lautet nach den Beschlüssen der Kommission; Wer sich gegen den Landesherrn oder den Regenten eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staats einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.
Hierzu beantragten die Abgg. Banks, Herz und Genossen, anstatt „von einem Monat“ zu setzen „von einer Woche“, sowie ferner dem ersten Absatze des Paragraphen hinzuzufügen, welchen Antrag der Abg. Herz motivirte.
Nachdem noch der Abg. Lasker das Amendement empfohlen, wurde der 5. 103 mit den beiden Amendements des Abg. Banks vom Hause angenommen.
Die folgenden 5§5§. 176, 177 und 178 behandeln die An⸗ trags vergehen wider die Sittlichkeit. Der Regierungsentwurf will hier überall den Charakter dieser Vergehen als Antragsvergehen aufheben.
Referent Dr. von Schwarze führte aus, die Kommission habe sich bei diesen Paragraphen mit einer Majorität von 11 gegen 1 Stimme
für die unveränderte Annahme der Regierungsvorlage erklärt. Es seien in der Kommission Gegenanträge gestellt, die dahin gingen, daß das Gericht selbst darüber zu entscheiden haben solle, wenn der Verletzte erklärt, daß er die Verfolgung nicht will, ob das öffentliche Interesse die Fortführung der eingeleiteten Unter⸗ suchung erheische, oder ob das Privatinteresse derart überwiege, daß von der Weiterverfolgung Abstand zu nehmen sei. Die FKommission habe diese Anträge abgelehnt in der Erwägung, daß die Durchführung einer derartigen Bestimmung sehr leicht zur Verdächtigung der Gerichte in Bezug auf die Unbefangen⸗ heit und Unparteilichkeit ihrer Erkenntnisse Anlaß geben würde, da sich bei derartiger Hervorhebung von Privatinteressen nur zu leicht Unterschiede nach Klassen⸗ und Standesvorurtheilen ein⸗ schleichen könnten.
Die Paragraphen wurden ohne Debatte in unveränderter Fassung vom Hause angenommen.
Gleichfalls wurden die beiden 55§. 223 und 223 a ange⸗ nommen. Dieselben lauten:
§. 223. Wer vorsätzlich einen Anderen körperlich mißhan⸗ delt oder an der Gesundheit beschädigt, wird wegen Körperver⸗ letzung mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft. Ist die Handlung gegen Ver⸗ wandte aufsteigender Linie begangen, so ist auf Gefängniß nicht unter Einem Monat zu erkennen.
§. 2232. Ist die Körperverletzung mittels einer Waffe, insbesfondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, oder mittels eines hinterlistigen Ueberfalls, oder von Mehreren gemeinschaftlich, oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter zwei Monaten ein.
Nach der Vorlage waren im §. 223 900 6 als Maximum der Geldstrafe, dagegen in dem folgenden Paragraphen als Mi⸗ nimum der Gefängnißstrafe drei Monate angesetzt.
Um 4 Uhr vertagte sich das Haus bis Freitag 1 Uhr.
— In der heutigen (34) Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tages, welcher am Tische des Bundesraths der Reiche⸗ kanzleramts⸗Direktor Wirkl. Geh. Ober ⸗Regierungs⸗Rath v. Ams⸗ berg mit mehreren Kommissarien beiwohnte, setzte das Haus die zweite Berathung der der XII. Kommisston zur Vorbera⸗ thung überwiesenen Paragraphen des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetz buchs für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 und die Ergänzung desselben, auf Grund mündlichen Berichtes der Kommission mit der Diskussion über §. 228 fort. Derselbe wurde ohne Debatte
ö der Fassung der Kommissionsbeschlüsse genehmigt, welche autet:
„Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist in den Fällen des
§. 223 Absatz 2 und des 5§. 223 a. auf Gefängniß bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu Eintausend Mark, in den Fällen der §5. 224 und 227 Absatz 2 auf Gefängniß nicht unter Einem Monat, und im Falle des 5. 226 auf Gefängniß nicht unter drei Monaten zu erkennen.“
Darauf erläuterte der Referent Dr. von Schwarze die Gründe, welche in der Kommission bei der Fassung des 5§. 232 maß⸗ gebend waren. Derselbe lautet in der Fassung der Kommissions⸗ beschlüsse:
„Die Verfolgung leichter vorsätzlicher, so wie aller durch Fahr⸗ lässigkeit verursachter Körperverletzungen (588. 223, 230) tritt nur auf Antrag ein, insofern nicht die Körperverletzung mit Uebertre⸗ tung einer Amts⸗, Berufs- oder Gewerbspflicht begangen worden ift, oder nach Ermessen der strafverfolgenden Behörde eine Ver— folgung im öffentlichen Interesse liegt. .
Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. .
Die in den 5§5. 195, 1g6 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung; .
während die Regierungsvorlage folgende Fassung vorschlägt:
„Die Verfolgung der durch Fahrlässigkeit verursachten Körper—= verletzungen tritt nur auf Antrag ein, insofern nicht die Körper- verletzung mit Uebertretung einer Amts⸗, Berufs⸗ oder Gewerbs— pflicht begangen worden ist.“ .
Hierzu beantragte der Abg. Herz. In den Kommissions⸗ beschlüssen die Worte „oder nach Ermessen der strafverfolgenden Behörde im öffentlichen Interesse liegt“ zu streichen, und der Abg. Becker: Zu §. 232 der Regierungsvorlage hinzuzufügen:
„Die Verfolgung leichter vorsätzlicher Körperverletzungen 185. 223) unter Angehörigen tritt nur auf Antrag ein. Bie Zurũcknahme des Antrages ist zulässig.“ — 2 3
Die Antragsteller motivirten ihre Anträge, worauf beim Schlusse des Blatts der Abg. Bär (Offenburg) das Wort ergriff.
— Der Reichskanzler Fürst von Bismarck hat sich durch andauerndes Unwohlsein genöthigt gefunden, die nächsie auf den 22. d. Mtgs. angesetzte parlamentarische Soirse absagen zu lassen.
— In den nächsten Tagen wird das vom Auswärtigen Amt jährlich herausgegebene amtliche Verzeichniß der Kaiserlich deutschen Konsulate erscheinen können. Das⸗ selbe erscheint, wie die früheren Verzeichnisse, in der von Decker⸗ schen Geheimen Ober⸗Hof⸗Buchdruckerei.
— Die Reichstags ⸗Fommission zur Vorberathung der Entwürfe eines Gerichts verfassungs-⸗Gesetzes, einer Strafprozeß⸗Ordnung und einer Eivil⸗ prozeß⸗-Ordnung nebst Einführungsgesetzen berieth in ihrer Sitzung vom 18. Januar zunächst den vorbehaltenen, auf das Reichsgericht bezüglichen Antrag der Abgg. Dr. Bähr und Reichensperger. Derselbe lautet im Wesentlichen:
„§. 164. Bei dem Reichsgericht werden für die Strafrechts' pflege, sowie für jedes der reichsgerichtlichen Zuständigkeit unterliegende größere Rechtsgebiet der Cipilrechtspflege besondere Abtheilungen gebildet. Die Zuweisung der Mitglieder (Präsidenten und Räthe) zu diesen Abtheilungen erfolgt durch ihre Anstellung. Die Ver— setzung eines Mitgliedes aus einer Abtheilung in die andere ist nur mit dessen Zustimmung zulässig. Eine Vertretung der Mitglieder durch Mitglieder einer anderen Abtheilung ist nur in Nothfällen, so⸗ wie in Feriensachen zulässiz. S 1042. Jede Abtheilung kann in Senate getheilt werden. Die den einzelnen Senaten zuzuweisenden Sachen sind geographisch abzugrenzen. Für die zu der Zuständigkeit des bisherigen Reichs ⸗Oberhandelsgerichts gehörigen Civilsachen, sowie für andere Civilsachen, bei welchen die Verletzung bestimmter Reichs⸗ gesetze in Frage steht, können besondere Senate aus Mitgliedern sammtlicher Civilabtheilungen gebildet werden.“
Zu Gunsten des Antrages wurde auf die Verschiedenheit der in Deutschland geltenden materiellen Rechtssysteme hinge⸗ wiesen. Dagegen wurde bemerkt, der Antrag führe thatsächlich dahin, mehrere nur ganz äußerlich zusammengeschweißte oberste Gerichtshöfe zu schaffen, gefährde die Rechtseinheit und sei in seinen Einzelheiten gar nicht durchführbar. Bei der Abstimmung wurde der Antrag mit großer Majorität abgelehnt. Sodann ge⸗ langten Vorschläge des Abg. Dr. Lasker über die Rechts⸗ anwaltschaft beim Reichsgericht zur Verhandlung. Dieselben schlossen sich im Allgemeinen an die Beschlüsse der Kommission über die Rechtsanwaltschaft bei den übrigen Gerichten an, ent⸗ hielten aber die wesentliche Modifikation, daß zur Rechtsanwalt⸗ schaft beim Reichsgericht nur zugelassen werden soll, wer min⸗ destens fünf Jahre das Amt eines Richters oder Staatsanwalts oder die Rechtsanwaltschaft ausgeübt oder bei einer deutschen Universität die Stelle eines ordentlichen Professors bekleidet hat. Die Zulassung soll nach Anhörung der Anwaltskammer durch den Präsidenten des Reichsgerichts erfolgen, die Anwaltskammer aus der Zahl der beim Reichsgerichte zugelassenen Rechtsanwälte gebildet werden. Die Vorschläge wurden meistens mit großer Mehrheit angenommen, mit Ausnahme einer Bestimmung, wonach die Vertretung bei der mündlichen Verhandlung in den reichs gerichtlichen Prozessen nur den beim Reichsgerichte zuge⸗ lassenen Anwälten gestattet sein soll. Daneben wurde auf den Antrag des Abg. Struckmann beschlossen, daß die Anwälte beim Reichsgerichte nicht bei anderen Gerichten die sonst den Anwälten allgemein gewährten Befugnisse ausüben dürfen. — Schließlich erledigte die Kommission die von dem Abg. Becker vorgeschlagenen Einzelbestimmungen über die großen Schöffen⸗ gerichte. Dieselben schlossen sich im Wesentlichen an die von der Fommission zu den kleinen Schöffengerichten gefaßten Beschlüsse an und enthielten nur in so weit Aenderungen, als sie durch die Natur der Sache geboten waren. Eine eingehen⸗ dere Debatte entspann sich über die Vorschläge we⸗ gen der Berufung der Reichs⸗ und Landesbeamten zu Schöffen, welche nicht auf die zu dem betreffenden Punkte bei dem kleinen Schöffengerichte, sondern auf die bei dem Schwur⸗ gerichte gefaßten Beschluͤsse Bezug nehmen. Schließlich wurde beschlossen, daß von dem Schöffenamte diejenigen Reichs⸗ und Staatsbeamten nicht ausgeschlossen sein sollten, welche keine Be⸗ soldung beziehen oder nur mittelbare Staatsbeamte seien, wobei der zweiten Lesung die Erwägung vorbehalten blieb, ob noch weitere Kategorien von Beamten, welche nicht in besonderer Ab⸗ hängigkeit von der Regierung stehen, als Schöffen zuzulassen seiega. Im Uebrigen fanden die Vorschläge des Abg. Becker Annahme.
— Der heutigen (4) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten wohnten am Ministertische der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister Camphausen, die Staats⸗ Minister Dr. Achenbach, Dr. Falk, Dr. Friedenthal mit mehreren Kommissarien bei. An neuen Vorlagen sind eingegangen die Uebersicht über den Fortgang des Baues und die Ergebnisse des Ertrages der Staatseisenbahnen in den Jahren 1873 und 1874, die Wegeordnung und ein Gesetzentwurf, betr. die Ablösung der
den Kirchen, Pfarren, Küstereien und Schulen zustehenden Holz⸗ abgaben des Regierungsbezirks Wiesbaden und in den zum Regierungsbezirk Cassel gehörigen vormals Großherzoglich hessi⸗ schen Gebietstheilen. Auf der Tagesordnung stand die erste Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1876, wozu zuerst der Abg. Osterrath das Wort ergriff. Er bedauerte, daß die jetzige Geschäftsbehandlung der Etarsberathungen der Gründlichkeit Eintrag thue, unterwarf die Etatsaufstellung einer allgemeinen materiellen Kritik und beantragte schließ⸗ lich die Verweisung des ganzen Etats an die Budget⸗ kommisston. Denselben Antrag unterstützte der Abg. Tiede⸗ mann, doch wollte er nicht in eine akademische Unterhaltung über den Etat eintreten, sondern im Interesse des Geschäfts⸗ ganges, zumal der diesjährige Etat sich durch seine Einfachheit und durch nur geringe Abweichungen vom vorjährigen vortheil⸗ haft auszeichne, die Kommissionsberathungen während der Sitzungen des Reichstages beendet sehen. Dagegen erklärte sich der Abg. Rickert Namens seiner politischen Freunde für die zweite Berathung des Etats im Plenum und nur für die Verweisung einzelner Theile an eine Kommission aus eben denselben Gründen, welche der Vorredner für seine Meinung geltend ge⸗ macht hatte. Er benutzte diese Gelegenheit, den Finanz⸗Minister zu veranlassen, sich gegen die in den Provinziallandtagen er⸗ hobenen Vorwürfe zu rechtfertigen, als habe die Staatsregierung bei der nach den 55. 3, 17 und 26 des Dotationsgesetzes vom Jahre 1875 erforderten Ueberweisung der Fonds an die Pro⸗ vinzialverbände am 2. Januar d. J. den Cours bedeutend in die Höhe treiben lassen.
Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Mini⸗ ster Camphausen erklärte hierauf, daß er die erwähnte Cours⸗ steigerung am 3. Januar weder gewünscht noch veranlaßt und nichts dagegen habe, daß der Abrechnung der Cours des 31. De⸗ zember v. J. zu Grunde gelegt werde. Nach der grundlegenden Bestimmung des 5§. 5 des Gesetzes vom 30. April 1873 falle der Gewinn wie der Verlust aus einer zinsbaren Anlegung der veriwwalteten Fonds den Provinzialverbänden zu, und man folgere wohl irrthümlich aus dem Gesetze von 1875, die Regierung müsse mindestens den Kapitalwerth der angekauften Effekten zahlen. Indessen gebe auch der Cours vom Dezember v. J. noch einen Zinsenüberschuß. Der Minister gab sodann eine eingehende Darlegung des bei der Belegung der Fonds, namentlich in Pricritäten der Hannover⸗Altenbekener Bahn, beobachteten Ver⸗ fahrens, welches vollständig korrekt gewesen sei. Der Abg. v. Benda wollte die eben angeregte komplizirte Frage heute nicht zum Austrage bringen und befürwortete den Antrag Rickert, da es Schwierigkeiten bereiten werde, die ganze Budgetkommission während der Vertagung zusammenzuhalten. Der Abg. Richter (Hagen) wollte ebenfalls die eingehende Erörterung der Frage über die Belegung der Fonds auf spätere Verhandlungen ver⸗ schieben und hob die Vortheile des jetzigen Geschäftsganges gegenüber dem langwierigeren, von dem Abg. Osterrath empfoh⸗ lenen hervor, während der Abg. Dr. Virchow diese gründliche Behandlung in einer Kommission lobte, dennoch aber in Rücksicht auf die Geschäftslage die Bestellung von Kom⸗ missarien wünschte, um etwa hervortretende Dunkelheiten durch eine Budget -Kommission später aufhellen zu lassen. Redner ging sodann zu einer Kritik der Courssteigerung am 3. Januar über, wobei seiner Behauptung nach namentlich Privatinteressen im Spiele gewesen seien. Der Finanz⸗Minister trat auch diesen Ausführungen entgegen, indem er die Finanzmaß⸗ nahmen der Regierung als von der Börsenaktion unabhängig darstellte. Der Abg. Frhr. v. Schorlemer⸗Alst führte aus, daß gesetzlich der Cours vom 31. Dezember 1875 viel eher zu Grunde zu legen sei, als der vom 3. Januar 1876, da der zweite Januar kein Börsentag gewesen sei. Im Uebrigen trat er den Ausführun⸗ gen des Abg. Dr. Virchow bei und beantragte schließlich die Verweisung des Budgets an eine Kommission. Der Handels⸗ Minister Dr. Achenbach verwahrte sich gegen eine Unterstellung des Abg. Dr. Virchow, als sei die Magdeburg⸗Halberstädter namentlich durch die Ueberlassung des Betriebes der Hannover⸗ Altenbekener Bahn vom Handels ⸗Ministerium begünstigt worden. Der Abg. Scharnweber wünschte, daß die Schwierigkeit, welche die Frage nach dem Tage der Coursfeststellung für die Abrechnung zwischen Staat und Provinzialverbänden verursache, im Wege der Deklara⸗ tion gehoben werde. Der Abg. v. Below war befriedigt, daß die noch auf einige Wochen hinausgeschobenen Berathungen Ge⸗ legenheit geben werden, alle Details herbeizuschaffen, wodurch die eigentlichen Schuldigen an den kleinlichen Börsenmanövern klar gestellt würden, damit nicht für die Regierung das „aliquid haeret‘ gelte. Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Richter (Hagen), Graf Bethusy⸗Hue und Rickert wurde die Verweisung an eine Kommission abgelehnt, und nach §. 24 der Geschäfts⸗ ordnung die zweite Berathung im Plenum unter Zuziehung von Kommissarien genehmigt. Die Kommissarien sollen in der Sonnabend 10 Uhr stattfindenden Sitzung proklamirt werden. Schluß 123 Uhr.
— Am 3. November pr. sind die Akten und Register des Standesamtes Ranzin durch Brand vernichtet worden. Sofort nach diesem Ereignisse ist I) das Erforderliche behufs Anfertigung neuer Registerbände, Formulare 24, sowie 2) behufs Anfertigung beglaubigter Abschriften von den, an die Gerichte bereits eingereichten Duplikaten der Standesregister veranlaßt worden; es ist 3) mit den betreffenden Pfarraͤmtern und mit dem Königlichen Statistischen Bureau zu Berlin in Verbindung getreten worden, um aus den Kirchenbüchern resp. aus den Zählkarten thunlichst die im laufenden Jahre — 1875 —, (für welches auch die Duplikate verloren gegangen sind), aufgenom⸗ menen Standesakte zu ermitteln; es ist sodann 4) der Standes⸗ beamte zu Ranzin angewiesen worden, unter Benutzung des auf diesem und jedem sonst geeignet scheinenden Wege ge⸗ wonnenen Materials, durch protokollarische Vernehmung der Anzeigepersonen, der Eheschließenden und Zeugen den Inhalt der aufgenommenen Akte zu konstatiren, die aufgenommenen Ver⸗ handlungen zu besonderen Aktenstücken zu sammeln und die letzteren statt der vernichteten Standesregister aufzubewahren. Mit diesem Verfahren hat sich der Minister des Innern, nach⸗ dem derselbe über die in Rede stehende Angelegenheit auch mit dem Justiz⸗Minister in Verbindung getreten ist, einverstanden erklärt, dabei jedoch bemerkt, daß auch eine öffentliche Bekannt- machung über die stattgehabte Vernichtung der Standesregister durch das Amtsblatt, das Kreisblatt und sonstige Zeitungen — mit der Aufforderung an die Interessenten, zum Zwecke der Aufnahme der oben gedachten Verhandlungen vor dem Standes⸗ beamten zu erscheinen — sich in jedem Falle dann empfehlen wird, wenn nicht auch ohne eine solche Bekanntmachung mit Bestimmtheit festgestellt werden kann, welche Atte in den vernichteten Registern enthalten waren. Ferner, daß die behufs Wiederherstellung der Standesakte aufzunehmenden Ver⸗
handlungen zweckmäßiger Weise sich in ihrer Form der für die Standesakte selbst vorgeschriebenen Form, soweit ausführbar, anzuschließen haben werden. Die Aussichtsbehörden werden dar⸗ über zu wachen haben, daß bei Ausführung der, wie vorstehend erwähnt, getroffenen Verfügungen mit aller derjeni⸗ gen Sorgfalt verfahren werde, welche erforderlich sein wird, um den Beweis der stattgehabten Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle, des Tages derselben und aller dabei nach dem Gesetze in Betracht kommenden Um⸗ stände zu sichern. Um für zukünftige ähnliche Unglücksfälle gleicher Verlegenheit vorzubeugen, wird es sich empfehlen, da, wo es geschehen kann, die Duplikate der Standesregister, auch vor ihrer Ablieferung an die Gerichte, an gesonderten, sicheren Orten aufzubewahren.
— Der Kultus⸗Minister Dr. Falk hat zu einmaligen Unterstützungen für emeritirte Elementarlehrer und Lehrerinnen aus dem im Jahre 1875 verbliebenen Disposi⸗ tions Quantum den sämmtlichen Regierungen der alten Provin⸗ zen jeder eine Summe zur Verfügung gestellt.
— Nach dem Etat für das Jahr 1876 sind im Ganzen 42 niedere landwirthschaftliche Lehranstalten (Acker⸗ bau⸗, Obstbau⸗, Wiesenbauschulen) auf die Provinzialverbände übergegangen. Denselben werden hierfür 131,770 S6 Unter⸗ haltungszuschuß aus Staatsfonds gezahlt.
— Das Justiz⸗Ministerialblatt enthält einen Aufsatz: „Das Regulativ vom 6. Dezember 1875 zu dem Gesetze vom 6. Mai 1869 (die juristischen Prüfungen und die Vorbereitungen zum höheren Justizdienst betreffend).
— Eine Eisenbahngesellschaft, welche ihre Anlagen
so einrichtet, daß sie die Eigenthumsrechte der Adjazenten resp. die aus deren Eigenthum sich ergebenden Rechte schädigen, ist für jeden entstehenden Schaden ersatzpflichtig. Dagegen braucht der Geschädigte sich nicht auf eine Verguͤtigung für die fort⸗— dauernde Beschädigung durch eine Kapitalabfindung einzulassen. (Erkenntniß des Ober⸗Tribunals, III. Senat, vom 13. De⸗ zember 1875.)
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich oldenburgische Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Selkmann, ist hier eingetroffen.
— Der General⸗Major Hugo Prinz zu Schönburg⸗ Waldenburg, à la suite der Armee, ist wieder abgereist.
— Der General⸗Major von Hertzberg, bisher à la suite der Armee (1. Königlich Württembergischen) ist aus Anlaß seiner Ernennung zum Commandeur der 43. Infanterie Brigade zur Abstattung persönlicher Meldungen mit Urlaub hier eingetroffen.
Lauenburg. Ratzeburg, 20. Januar. Das Staats⸗ budget des Herzogthums Lauenburg pro 1876 ist im Druck erschienen und beziffert sich in seinen Hauptsummen wie folgt: An Einnahmen aus direkten Steuern 328,184 S6, Stempel⸗ steuern 26,010 S, indirekten Steuern 115,160 S, aus der Justizverwaltung 57, 600 (6, verschiedene Einnahmen 35,600 6, Beitrag des Landesverbandes 21,000 6, einmalige außer⸗ ordentliche Einnahmen 31,500 SV An Ausgaben: Herauszahlun⸗ gen an Reichssteuern 104,774 S, Matrikularbeiträge 62,638 (, Staats⸗Ministerium 33,540 S, die oberen Verwaltungsbehör⸗ den 80,038 MS, die Distriktsbehörden 28,452 S, die Standes⸗ ämter 1000 M½ , Landgensd'armen 21,200 S, Veranlagung und Erhebung der direkten Steuern 12, 350 S, Kontrole und Er⸗ hebung der Stempelsteuer 2800 S, Verwaltung der indirekten Steuern 24,000 MS, Junizverwaltung 147,700 S, Elbstrom⸗ bauten 24 000 S6, Pensionen und Unterstützungen 18,600 (6 Entschädigung an Beamte 935 MS, unvorhergesehene Ausgaben 20,000 M, einmalige außerordentliche Ausgaben für Regelung der Grundsteuer 31,500 66, Balance⸗Summa: 613,000 esb
Bayern. München, 18. Januar. Die ehemalige Königin von Neapel ist heute Vormittags mit dem Pariser Schnellzug ebenfalls anläßlich der schweren Erkrankung ihrer Mutter hier eingetroffen und hat im Hotel Bellevue Ab⸗ steigequartier genommen. Am Bahnhofe wurte dieselbe von ihrem Bruder, dem Herzog Ludwig, empfangen; kurz darauf stattete dieselbe im Hotel „Zum bayerischen Hof“ ihrer Schwester, der Kaiserin von Oesterreich, einen Besuch ab. Der König von Neapel wird seiner Gemahlin hierher ehestens nachfolgen. Die Herzogin Sophie von Alengon wird heut Abends gleichfalls hier ankommen und im Hotel Bellevue Wohnung beziehen. Graf Trani ist mit Ge⸗ mahlin und Gefolge von Baden⸗Baden hier eingetroffen und im „Rheinischen Hof“ abgestiegen. Die Kaiserin von Oesterreich fuhr gestern im genannten Hotel vor und begrüßte ihre Ver⸗ wandten Das heut Abends 6 Uhr bezüglich der Krankheits⸗ symptome der Frau Herzogin Maximilian ausgebene Bulletin lautet folgendermaßen: „In dem Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Herzogin ist im Laufe des heu⸗ tigen Tages keine wesentliche Veränderung eingetreten.“ gez. Dr. von Buhl. Dr. Lotzbeck. Dr. Mayer.
— 19. Januar. Das heute Abend erschienene Bulletin über das Befinden der Herzogin Maximilian lautet: „Im Laufe des heutigen Vormittags traten wieder mehrfache Anfälle von Er schöpfung ein; der Nachmittag verlief ungestörter.“
Mecklenburg. Rostock, 20. Januar. Die philoso—⸗ phische Fakultät der hiesigen Universität hat den Beschluß gefaßt, die nach den bisher bei ihr geltenden Be⸗ stimmungen über Promotion in doctorem philosophiae in ge⸗ wissen Fällen zulässige Dispensation vom mündlichen Sxamen fortan nicht mehr eintreten zu lassen. Sie will also überhaupt keine Promotionen in absentia mehr vor⸗ nehmen. Als Grund dieses Beschlusses führt die Fakultät an, wie die Erfahrung gelehrt habe, daß die bisherigen Promo⸗ tionsbestimmungen ihr keinen ausreichenden Schutz vor Täu⸗ schung gewährt haben.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach: weimar, 20. Januar. (Weim. Ztg.) Heute Vormittag reisten der Für st und die Fürstin Reuß j. L. wieder von hier ab. — Die Ver⸗ mählung der Prinzessin Marie mit dem Prinzen Reuß findet, wie verlautet, am 6. Februar, Nachmittags 2 Uhr, in der Rapelle des Großherzoglichen Residenzschlosses statt. Der Trauung folgt eine Cour und 36 Ueber die an den vorhergehenden Tagen stattfindenden Festlichkeiten sind bis jetzt Bestimmungen dahin getroffen, daß am 3. Fe⸗ bruar Ball im Großherzoglichen Schlosse stattfindet, am 4. Festvorstellung im Hoftheater. — Der Landtag des Großherzogthums wird in der Mitte Februars, wahrschein⸗ lich am 14, zu einer außerordentlichen Session zusammenberufen werden. — Vorgestern fand in der Kaserne die feierliche Ueber⸗ gabe der Bilder der Führer des 5. Thüringischen
und Commandeur der 51. Infanterie⸗Brigade
Infanterie-⸗Regiments Nr. 94 (Großherzog von Sachsen), welche im letzten Kriege geblieben sind, in Gegenwart des Erbgroßherzogs statt. Das Regiment verlor den Oberst
von Bessel bei Sedan, den Oberst⸗Lieutenant von Pallmenstein
bei Poupry. Beide Bilder, welche ein Geschenk Sr. Majestät des Kaisers sind, hat Herr von Haber in Weimar gemalt.
Oldenburg. Oldenburg, 16. Januar. Das „Gesetzbl. f. d. H. O.“ verbffentlicht das Finanzgesetz für die Jahre 1876, 1877, 1878 vom 31. Dezember 1875. Nach demselben betragen die Einnahmen und Ausgaben des Großherzogthums in den genannten 3 Jahren 882 300 resp. 865,100 und 912.300 6; des Herzogthums Oldenburg Ennahmen: 6,572,000 resp. 4,625, 0090 und 4,619,000 M6, Ausgaben: 5,144 000 resp. 4,808 000 und 4,579 000 66; des Fürstenthums Lübeck Einnahmen: gö5, 3090 resp. 603,200 und 599,100 S, Ausgaben: 697,990 resp. 644490 und 651,190 S6Ü; des Fürstenthums Birkenfeld Einnahmen: 762, 0900 resp. 51 1,000 und 510 000 66, Ausgaben: 573,800 resp. 540, 800 und 540, 800 M.
Braunschweig. Braunschweig, 17. Januar. Die Vorlagen für den 15. ordentlichen Landtag sind dieser Tage den bezüglichen Kommissionen zur Vorprüfung überwiesen. Die Hauptaufgabe der Finanzkommission besteht in der Prüfung des Etats für die Finanzperiode 1876,78. Derselbe wird Seitens der Kommission der Landesversammlung zur unveränderten An⸗ nahme empfohlen werden. Das Etatsprojekt schließt, wenn von der namhaften außerordentlichen Einnahme bei den Berg- und Hüttenwerken im Jahre 1873 abgesehen wird, sehr viel günstiger ab, als der Etat für die Finanz⸗ periode 1873/75. Es ist dieses in der Hauptsache die Folge einer genaueren Veranschlagung der Forstaufkünfte. Die nach dem Finanznebenvortrage auf Forstkulturen zu verwendende Summe ist nach dem Entwurfe um mehr als das Doppelte des bisherigen Ansatzes überschritten. Die Gesammt⸗ summe der Einnahmen beträgt für die dreijährige Periode 7,417,500 MS, diejenige der Ausgaben für dieselbe Dauer 4,142, 500 S, so daß der an die Herzogliche Haupt-Finanzkasse abzuliefernde Ueberschuß zu ca. 3,275,000 6 angenommen ist. Der bisherige Maßstab der Theilung der Forstintraden zwischen der Kammer⸗ und Klosterverwaltungskasse zu A xz und 23 wird auch für die nächste Finanzperiode beizubehalten Seitens des Ministeriums vorgeschlagen.
Anhalt. Dessau, 19. Januar. (Leipz. Ztg.) Bei Eröffnung des Landtages wurde von dem Minister v Krosigk darauf hingedeutet, daß die günstige finanzielle Lage des Landes hauptsächlich dem Salzwerke Leopoldshall zu danken sei (mit Brutto 40 Proz. der gesammten Einnahme), daß man sich aber nicht verhehlen dürfe, daß dieses Werk allen Wechselfällen eines industriellen Unternehmens ausgesetzt sei. In Ueber⸗ einstimmung mit dieser Beurtheilung der Finanzlage und unter Berücksichtigung der Thatsache, daß durch die Aus⸗ beutung eines Bergwerks immer eine Substanzverminderung eintreten müsse, für welche der gewissenhafte Verwalter einen Ersatz schaffen solle, ward jetzt bei Berathung des Haupt⸗ Finanzetats der Antrag gestellt: „Der Landtag wolle be⸗ schließen, die Staatsregierung um eine Vorlage zu ersuchen, nach welcher ein Reservefonds durch Ansammlung eines Theils der Ueberschüsse des Salzbergwerks Leopoldshall (die beiläufig im Jahre 1875 cirea 350,000 (S6 betragen) zu bilden ist.“
Sach sen⸗Altenburg. Altenburg, 20. Januar. Der Prinz Albrecht von Preußen ist gestern Abend zum Be⸗ suche des Herzoglichen Hofes hier eingetroffen.
Schwarzburg⸗Rudolstadt. Rudolstadt, 18. Januar. Das mit dem Landtage vereinbarte Gesetz, den Staatshaus⸗ halts⸗Etat der Finanzperiode von 1876 bis 1878 betreffend, ist kürz⸗ lich publizirt worden. Das neue Gesetz über die Fortbildungs⸗ schulen ist mit dem neuen Jahre schon in Kraft getreten. Nach demselben sind die Gemeinden nunmehr berechtigt, durch Orts⸗ statut Fortbildungsschulen zu errichten, zu deren Besuche alle aus der Volksschule Entlassenen oder einzelne Klassen derselben auf die Dauer von 2 bis 3 Jahren verpflichtet werden können, wenn nicht in anderer Weise für ihre Fortbildung genügend gesorgt ist.
Reuß j. L. Gera, 19. Januar. Der Fürst ist gestern von Gotha nach Weimar gereist, um dort mit der Für⸗ stin zum Besuche am Großherzoglichen Hofe zusammen zu treffen. Ende dieser Woche wird das Fürstliche Paar hierher zurückkehren. — Im Laufe der Woche wird der neue Hofmar⸗ schall hier eintreffen. Der Fürst hat den früheren Fürstlich lippischen Kammerherrn und Kabinets⸗Rath Frhrn. v. Men⸗ senberg für diesen Posten ernannt. Die Verhandlungen fan⸗ den zu diesem Zwecke bereits vor dem Ableben des verewigten Fürsten Leopold zur Lippe statt.
Lippe. Detmold, 20. Januar. Der Fürst hat be⸗ stimmt, daß das laut der Bekanntmachung vom 1. April 1868 im Kabinets-⸗Ministerium bisher dem Geheimen Regierungs-Rath Meyer übertragene Referat in den unter der Verwaltung des Konsistoriums stehenden Kirchen⸗ und Schulsachen wieder mit dem Ressort des Vorstandes des Kabinets⸗Ministeriums vereinigt werde.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 19. Jinuar. Im Abgeordnetenhause wurde der Antrag Göllerichs, betreffend die politische Verwaltungsreform, wegen der Erkrankung des Ministers des Innern von der Tagesordnung abgesetzt. Der Gesetzantrag Heilsbergs wegen Erhöhung des Maximalbetrages bei dem Bagatellverfahren auf 50 Fl. wurde angenommen, des⸗ gleichen eine Resolution Hascheks, welche die Regierung auffor⸗ dert, eine Gesetzuorlage wegen der Regelung der Steuereinhebung
Pest, 19. Januar. (Wien. 3.) Nachdem die Gegen⸗ proyosition des Verwaltungsrathes der Ostbahn auch vom Wäieer Präscarzen zurückgewiesen wurde, beschloß der Verwal⸗ tungsrath einstimmig, die weiteren Verhandlungen durch einen einzelnen Delegirten fortsetzen zu lassen. Es wurde hierzu der Verwaltungsrath Dr. Wilhelm Herz designirt. Die Verhand⸗ lungen stießen auch heute auf große Schwierigkeiten. Der Finanz⸗ Minister gewährte schließlich zehn Millionen Goldobligationen mit
einzubringen.
abgehaltenen Verwaltungsrathssitzung angenommen. träge werden morgen zwischen der Regierung und den vom Verwaltungsrathe hierzu delegirten Bevollmächtigten Baron Van, Grafen Dzledzicki und Dr. Wilhelm Herz unterfertigt werden. — 26. Januar. Das Abgeordnetenhaus hat in seiner
heutigen Sitzung den Gesetzentwurf, betreffend die Einlösung
von 20 bis 22 Millionen Schatzbons aus der zweiten Hälfte des Rentenanlehens, unverändert angenommen.
Schweiz. Bern, 18. Januar. Der internationale Postkongreß hat in seiner Dienstag⸗ Sitzung eine Kommis⸗ sion bestellt, deren Aufgabe es sein wird, die einz:lnen Anträge vorzuberathen und alsdann dem Kongresse Bericht zu erstatten.
Großbritannien und Irland. London, 19. Januar. (A. A. C.) Der Herzog von Connaught (Prinz Arthur), welcher gegenwärtig in Gibraltar weilt, wird, wie verlautet, in Kurzem die Insel Malta besuchen, wo Se. Königliche Hoheit der Gast des General-Gouverneurs sein wird. — Die „London Gazette“ meldet die Ernennung des Mr. John Pope Hen—⸗ nefsy zum Gouverneur und Oberbefehlshaber der Inseln Barbados, Grenada, St. Vincent, Tobago und St. Lucia. Das amtliche Blatt verzeichnet auch die Beförderung des Admi⸗ rals Sir Michael Seymour zum Vize-Admiral des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland. — In gestriger Sitzung des Royal ⸗Colonial⸗Institute, bei welcher der Herzog von Manchester den Vorsitz führte, ver⸗ las General⸗Lieutenant J. Bissel eine hochinteressante Abhand⸗ lung über Südafrika und seine Kolonien. Der General, der einen großen Theil seiner militärischen Laufbahn am Kap der guten Hoffnung verbracht und mit den dortigen Verhält⸗ nissen sehr vertraut zu sein scheint, gab nach einem historischen und statistischen Exposé über die vier südafrikanischen Staaten, nämlich die Kap - Kolonie, Natal, den Orange⸗Freistaat und die Transvaalsche Republik, der Meinung Ausdruck, daß diese Kolonien, dem Beispiele Canadas folgend, in einen einzi—⸗ gen großen Bund vereinigt werden müßten. Dies sei schon des⸗ halb nöthig, weil jede Kolonie einzeln machtlos sei, um irgend einem Aufstande der wilden Eingeborenen Widerstand zu leisten oder Gesetze für deren gute Regierung zu geben, insbesondere was die Erwerbung von Waffen und Munition betreffe. Gegen⸗ wärtig verbiete nur eine Kolonie den Eingeborenen den Besitz von Waffen, ausgenommen unter gewissen Umständen, während die andern einen Freihandel in Feuerwaffen gestatten, und so sei es dahin gekommen, daß die farbigen Eingeborenen während der letzten fünf oder sechs Jahre in den Besitz von 500,000 Gewehren gelangt seien, und daß im Laufe des vorigen Jahres 500,000 Pfund Pulver in Südafrika importirt wurden. Für die Zukunft Südafrikas sei dies eine sehr ernstliche Frage, da diese Waffen im ganzen Lande cirku⸗ lirten, während die besondere Gesetzgebung jeder Kolonie darauf berechnet sei, lokale Kriege herbeizuführen. Die Herstellung eines Bundes würde auch dem rasch empor— blühenden Handel des unermeßlich großen und an natür— lichen Hülfsquellen überaus reichen Landes sehr zu Statten kom— men. Der General berührte in seinem Vortrage auch die zwischen den Kolonien Großbritanniens und den niederländischen Republiken existirenden Differenzen und gelangte zu der Schluß— folgerung, daß, falls die projektirte Konföderation sämmtlicher verschiedenen Staaten und Kolonien nicht zu Stande kommen sollte, aus Südafrika niemals ein großes und gedeihliches Land werden würde. Im Laufe der Diskussion, welche sich an den Vortrag knüpfte, wurde geltend gemacht, daß die Ausführung des Konföderationsprojekts Schwierigkeiten be⸗ reiten und nothwendiger Weise geraume Zeit in Anspruch nehmen sei begreiflich, aber ehe derselbe verwirklicht werden könnte, müßten erst viele Akte der Ungerechtigkeit aus der Erinnerung dürfte. Die Diskussion wurde bis zur nächsten ordentlichen Sitzung des Instituts, am 15. Februar, vertagt.
Frankreich. Paris, 19. Januar. Ein Rundschrei⸗ ben des Bauten⸗Ministers Caillaux, welches im heu⸗ tigen „Journal officiel“ bekannt gemacht wird und an die Eisenbahngesellschaften gerichtet ist, lautet:
Versailles, 15. Januar. Meine Herren! Meine Aufmerksamkeit wurde wiederholt auf die Frage betreffs der Heilighaltung des Sonntags hingelenkt. Ich fragte nach, ob es nicht gut sein würde, die Bestimmungen, welche der Staat zu Gunsten der Staats— werkstätten erlassen hat, auf einen Theil Ihres Personals auszu— dehnen. Wenn es in der That unmöglich wäre, an den Sonn und Feiertagen den Eisenbahndienft vollständig aufzuheben, so wäre es wenigstens wünschenswerth, daß die Angestellten und Arbeiter der Eisenbabnböfe nicht durch Dienstzwang von jeder Theiln ahme an dem Gettesdienst ausgeschlessen würden. Die Handelskammern, di Ge— neralräthe haben zu verschiedenen Malen Wünsche in diesem nne kundgegeben. Ihrerseits hat die Nationalversamm ung ihre Theilnahme an diefer wichtigen Frage gezeigt. Der ministerielle Beschluß, daß die Güterbahnhöfe an Sonn und Festtagen um 12 Uhr Nachmittags geschlessen werden, ist eine erste, aber nicht ausreichende Verbesserung. Der Augenblick scheint nun gekommen, die Maßregel dadurch zu vervollständigen, daß die Vorschriften für die Sonntagsfeier alle mit den Erfordernissen des Betriedes der Eisenbahnlinien ver trägliche Ausdehnung erhalten. Ich glaube, daß man, ohne den Dienst zu benachtheiligen, an den Sonn⸗ und Festtagen die Bahnhöfe für die gewöhnlicheu Feachten schließen kann: vom 1. April bis 30. September um 9 Uhr Morgens; vom 1. Oktober bis 31. März um 11 Uhr Morgens. Ich bitte Sie, meine Herren, mir Ibre 8 merkung über diese Modifikation mittheilen. Ich zweifle nicht, d Sie geneigt sind, mit Ihrem ganzen Einfluß die Verwirklichung einer Maßregel zu erleichtern, welche so lebhaft das von Ihnen g Perjsonal betrifft. Empfangen Sie ꝛc. Der Miaister der 5 fentti Bauten. E. Caillaux.
Versailles, 20. Januar. (W. T. B.) In der hen gen Sitzung der Permanenzkommission beschwerte sich di Linke über den von den Präfekten bezüglich der Wahlen aus—⸗ geübten Einfluß. Der Minister des Innern Buffet, erwiderte, daß er sich auf keinerlei Besprechung von Wahlvorgängen ein lassen werde, ehe es sich nicht um die Wahlpräfungen selbst handle, er könne der Permanenzkommission nu R zugestehen, die rufen, falls sie das für
Nationalversammlung wieder
opportun Straßenverkaufs der Jor
seine bezügliche Auslegung
aufrecht. Im vollstandigen
Minifter Dufaure sei er der Ansicht, daß Artikel 6 des Ge⸗ setzes vom Jahre 1819 noch zu Recht bestehe, worin den Prä⸗ fekten das Recht gewahrt sei, die Erlaubniß zur Kolportage zu ertheilen oder zurückzuziehen. alte die Linke die Richtigkeit dieser Ansicht be so würden die Gerichte darüber zu ent⸗ scheiden haben. wischenfall hatte keine weitere Folge, die
; Mr . 2 . ö ni Verwahrung einzulegen. 5 pCt. in Gold verzinslich, jedoch ohne Steuerfreiheit, und erklãrte dies als das Ultimatum. Diese Proposition wurde in einer Abends Die Ver⸗
Linke beschränkte f rauf, gegen die Erklärung des Ministers Die Kommisston vertagte sich darauf auf heute üder 141 Tage.
Türkei. Konstantinopel, 20. Januar. (W. T. B.) Der seitherige Minister für öffentliche Bauten, Kadri Ben, ist zam Musteschar im Marine⸗Mmisterium ernannt und in dem
Ministerposten durch Halet Pascha ersetzt worden. — Server
Pascha ist hier eingetroffen, Ali Pascha und Con stant Effendi sind zur Erledigung ihrer Versöhnungsmission an die