Chefs der Aufständischen nach der Herzegowina abgereist. — Der Justiz⸗Minister Djevdet Pascha ist mittelst Kaiser⸗ licher Irade beauftragt, die Ausführung der angeordneten Re⸗ formen sorgfältig zu überwachen und sich zu dem Ende zu⸗ nächst nach Adrianopel und nach dem Vilayet der Donau zu begeben. Der Minister tritt seine Reise unverzüglich an. — Von den für die Voruntersuchungen eingesetzten Comiteés sind Polizeikommissariate errichtet worden, durch welche der Verhängung ungerechtfertigter Präventivhaft und der Verwechse⸗ lung unschuldiger Personen mit schuldigen vorgebeugt wer⸗ den soll.
— Ueber die Operationen in der Herzegowina seit Neu⸗ jahr wird der „P. C.“ gemeldet: . .
„Der Gouverneur von Bosnien, Raouf Pascha, hat noch in den letzten Tagen des Dezember die in Nozdre, Presjeka, Gacko, Niksic und Krstac stationirten Truppen verproviantirt und hat sich sodann mit zwölf Bataillonen von Niksie über Duga gegen die Festung Krstac gewendet. Daselbst ließ er die Festungswerke ausbessern. Bon da zog er unter Zurücklassung von steben Bataillonen als Be⸗ satzungen zwischen Krstag und Gacko in Nevesinje und Ljubinje mit dem Truppenreste über Stola nach Mostar, wo weitere drei Bataillone zurückgelassen wurden. Drei andere Brigaden unter Osman Pascha,. Hussein Pascha und Mehemed Ali Pascha bewegten sich von Nilsic zurück auf der Straße von Banjini gegen Bilte und Trebinje. Nach bewerkstel⸗ ligter Verbindung auf dem Berge Kita sahen sie sich plötzlich am 2. Januar von drei sehr zahlreichen Insurgentenabtheilungen unter Fübtung des Peko. Paplopics, Lazar Sotschitza und des Popen Bogdan Zimonte eingeschlossen. Nach einem kurzen Kampfe, in welchem etwa 40 Mann auf beiden Seiten fielen, mußten sich die Türken zurückziehen. Ueber Duga setzten sie jedoch den Marsch nach Gacko fort, ohne von den Insurgenten verfolgt zu werden. ö
In Gacko fanden die drei genannten Brigaden den Militär gouverneur Muchtar Pascha, welcher am 4 Januar in Trebinje vier Bataillone an sich gezogen hatte. . .
Am nächsten Tage zog Muchtar Pascha mit zwei Bataillonen bis zum Grenzorte Carina, requirirte 157 Zugpferde und nahm so⸗ dann mit vier Bataillonen über Liubinje die Richtung nach Stola.
Die Besatzung von Trebinje besteht nunmehr aus fünf Ba— taillonen im reduzirten Stande von 300 bis höchstens 350 Mann per Bataillen und aus einer Compagnie Artillerie unter dem Kom- mando des Brigade⸗Generals Hussein Pascha. . .
Fünf Tage vor der Ankunft des Vali unternahmen die Insur— genten in beträchtlicher Stärke unter Kommandgæ der obengenannten drei Führer einen Angriff auf das zwei Stunden von Bilec entfernte Dorf Plano und bemächtigten sich des ganzen dort vorhandenen Viehstandes, nämlich 1280 Hammel, 112 Ochsen und 37 Pferde, ohne auf einen Widerstand Seitens der dortigen Türken zu steßen. ; . — . ö
Auf dem Marsche nach Nikste und zurück verloren die Türken
117 Mann in Folge der außerordentlichen Kälte. Im Allgemeinen ist der Gesundheitszustand der Truppen ein ungünstiger. Jetzt sterben durchschnittlich täglich 10 bis 15 Mann.
Amerika. Washington, 20. Januar. (W. T. B.) Zur Unterdrückung der von mexikanischen Streifbanden auf amerikanischem Gebiete begangenen Räubereien ist von der mit Berathung dieser Angelegenheit beauftragten Kommission des Repräsentantenhauses die Absendung zweier Regimenter Militär an die Grenze von Texas beantragt worden.
Cuba. Aus Havana wird unterm 18. ds. die daselbst erfolgte Ankunft des neuen General-Kapitäns von Cuba, General Jovellar gemeldet.
Asien. Zwischen Rußland und Japan ist bekanntlich vor einiger Zeit ein Vertrag abgeschlossen worden, kraft dessen ersteres gegen Abtretung der Inselgruppe der Kurilen an Japan in den Alleinbesitz der Insel Sachalien (Krafto) 4
Mai Der Text des Vertrages, der in St. Petersburg am 23 pr 1875 unterzeichnet worden ist, wird jetzt von den japanischen Blättern veröffentlicht; derselbe besteht aus acht Paragraphen.
Afrika. Aegypten. Aus Cairo wird den „Daily News“ unterm 18. ds. telegraphirt: Zur Feier des Jahres⸗ tages des Regierungsantritts des Khedive fand heute im Abdin⸗Palast ein Empfang statt. Der Khedive empfing die Mitglieder des Konsular-Corps sowie die Spitzen der Gerichts⸗ Finanz- und Handelsbehörden. Am Donnerstag wird im Abdin⸗ Palast ein offizielles Dejeuner gegeben.
Vereinswesen.
Zu unserer Mittheilung über die Epidemie in dem Großher— zoglich sächsischen Rhöngebirgedorf Fraukenheim (s. Nr. 15 vom 18. Januar) haben wir hinzuzufügen, daß nicht blos in der nächsten Umgebung auf den verschiedenen angrenzenden Staats gebie⸗ ten sich die Hültsleistung organisirt, soöndern daß die Theilnahme auch aus der Ferne sich schnell werkthätig erwiesen hat Aus Weimar und Eisenach war der Beistand zur Stelle, sobals die Noth ruchbar wurde. Auch der Berliner Vaterländische Frauenvein trat mit dem patrioti⸗ schen Frauenvereine in Weimar sofort in telegraphische Verbindung und sandte demselben einen Unterstützungsbeitrag. Wenn auch der Hauptgrund des Nothstandes in Frankenheim in der örtlichen, na—⸗ mentlich in den elenden Woh nung-verhältnissen zu suchen ist, welche, wie einst in Oberschlesien, der Epidemie eine furchtbare Stätte be⸗ reiteten, und wenn auch diesem Uebelstande gründlich nur durch ener⸗ gisches Einschreiten der Behörden gesteuert werden kann, so ist doch die allseitig für das kleine Rhöngebirgsdorf sich regende Hülfe, welche
das lebendige Gefühl der Gemeinsamkeit bekundet, ein erfreuliches Zeichen des erwachten nationalen Lebens und Strebens in Deutschland.
— Der Verband der deutschen Frauen ⸗Erwerbs-⸗ vereine wird zu Ostern d. J in Hamburg seine Generalver⸗ sammlung halten.
Statistische Nachrichten.
Nach Mittheilung des statistischen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vam 9. Januar bis inkl. 16. Januar er. zur Anmeldung gekommen: 163 Eheschlie⸗ ßungen, 879 Lebendgeborene, 49 Todtgeborene, 620 Sterbefälle.
Kunst, Wissenschaft und Ziteratur.
Im wissenschaftlichen Verein in der Singakademie wird am Sonnabend, 5 Uhr, der Ober -Verwaltungsgerichts⸗Rath Prof. Dr. Gneist einen Vortrag über die Denkschriften des Frei⸗ herrn vom Stein halten.
Gewerbe und Handel.
Dem Jahresabschluß der Aktiengesellschaft. Ei sen⸗ Hüttenwerk Thale pr. ult. Juni v. J. entnehmen wir folgende Daten nach der B. Börs. Ztg.“): Der Betrieb der Werke hat einen Gewinn von 89,914 MS ergeben, von welchen 30000 S dem Amer- tisationsfonds zugewiesen und 59,914 M auf Verlust per 1873 / 74 abgescrieken wurden, während das letzterwähnte Jahr mit einem Verlust⸗Saldo von 359,882 S geschlossen hatte. Das Defizit be⸗ trägt zur Zeit sonach noch z28, 8667 M. Ez wurden im Jahre 1874 — 75 fabrizirt 8939 924 Kilo Luppen gegen 60 92,250 Kilo im Vorjahre, 6 792,894 Kilo Walzeisen gegen 5. gis, S560 Kilo im Vorjahre, 63,671 Kilo Hammereisen gegen 189 309 Kilo im Vorjahre, 325,347 Kilo Achsen gegen 348,390 Kilo im Vorjahre, 207,456 Kilo Bleche gegen 24 350 Kilo im Vorjahre (fast nur zum eigenen Gebrauche) 145,182 Kilo Geschirre gegen 119050 Kilo im Vorjahre, 325,255 Kilo Gußwaaren gegen 356,550 Kilo im Vorjahre.
Wien, 20. Januar. (W. T. B.). Die Generalversammlung der Nationalbank hat den pro 1875 erstatteten Rechenschafts - bericht gutgeheißen und die Vertheilung einer Dividende ven 26 Gul— den pro zweites Semester, sowie die übrigen von der Direktion ge— stellten und bereits bekannten Anträge genehmigt, ⸗
Pest, 20. Januar. (W. T. B.) Der Kaufvertrag über die ungarische Ostbahn ist zwischen den Vertretern der Regierung und der Ostbahngesellschaft heute defigitiv adngeschlossen worden.
nom. 20. Januar. (W. T. B.) Wie die „Opinione“ weldet, sind die Verhandlungen behufs Rückkaufes der süditalie⸗ nischen Eisenhahnen durch die Regierung nunmehr beendet und ift eine vollkemmene Uebereinstimmung zwischen dem Ministe⸗ rium und der Gesellschaft erzielt worden. Die Gesellschaft löst sich auf und läßt dem Staate das Eisenbahnnetz und das bewegliche Eisenbahnmaterial. Der Staat übernimmt die schwebende Schuld und die Anleihen der Gesellschaft und gesteht 25 Lire Rente per Aktie
zu. Diese Rente beträgt nach Abzug der Steuer 21,70.
— — Berlin, den 21. Januar 1876. Zum Besten des Studien- und Stipendien-Fonds des Vietoria⸗Lyceums hielt gestern Nachmittag in der Singakademie der Professor Dr. Helmholtz einen Vortrag über Wirbel türme und Gewitter, aus dem wir nachstehende Mittheilungen wiedergeben: Wenn auch seit 40 Jahren die Meteorologie bedeutende Fortschritt , gemacht hat, so sehen wir die Geringfügigkeit der letzteren doch ein, wenn wir nach der abRrakten Wissenschaft die Witterung eines Ortes und einer Woche bestimmen sollen. Hierbei drängt sich die Frage auf; Ist es möglich, die Gründe zu beweisen, daß der Zufall nur scheinbar herrscht, und welcher Art sind diese Gründe? Das. Wetter wird zunächst bestimmt durch die unregel⸗ zäßige Vertheilung von Land und Meer und die Unebenheit der Erdoberfläche, und doch würde das. Weiter schwer aus— zurechnen sein, wenn wir auch die Bodenbeschaffen heit eines jeden Qnadratineters unserer Erde kennten. Man sollte sodann meinen, daß durch den Verlauf der Witterungsverhältnisse eines oder mehrerer Jahre auf das kommende Wetter geschlossen werden könne. Man hat ja Ebbe und Flut genau bestimmt und Fluttafeln berechnet, wailum steht es denn mit dem Wetter anders? Um die Frage zu beantworten, ist sie zunächst enger durch die Bemerkung zu begrenzen, daß nicht üherall das Wetter einen derartigen Wechsel aufzeigt, wie bei uns. In der heißen Zone ist er bedeutend und roch in Süd— Europa etwas regelmäßiger, als bei uns. Wir kennen nuc die Mitteltempergtur unseres Landes und wissen, daß sie im Winter kälter ist, als im Sommer, wir beobachten den Stand des Barometers, die Windrichtungen, die Regenmenge und vermögen durch sie die Witte⸗ rungsverhältmsse, soweit sie sich in den normalen Grenzen bewegte, annähernd zu berechnen; die unregelmäß gen Erscheinungen sind freilich zur Zeit nech unaufgeklärt. — Redner erläuterte an einem Globus das Entstehen und die Richtung der Passatwinde, der tropischen und sudbtropischen Regen, die Zirkulation der Luft und des Wassers als einer Reihe von Esicheinungen, deren Naturgesetze erforscht sind. Die häufigen und auffallenden Störungen, die das Wetter erleidet, sind in neuester Zeit Gegenstand des eifrigsten Studiums geworden. Am interessantesten gestalten sich die Stõrungen r den Tropen, wo sie meist in Form großer Orkane oder Wirbel die mit furchtbarer Gewalt über Land und Meer brausen, Es ist Professor Dove's großes Verdienst, nachgewiesen zu haben, daß die Wirbelstürme, deren letzte Ausläufer insern Erdtheil erreichen, ihren Ursprung in der Gegend der Antillen haben. Im Centrum eines solchen Wirbels ist ein windstiller Raum, der bei großen Orkanen einen Durchmesser von drei bis sieben Meilen besitzt und stets einen niedrigen Barometerstand aufweist. Um dieses Centrum dreht sich der heftigste Sturm in einem Kreise, dessen Durchmesser zuweilen 259 geographische Meilen beträgt. Die Drehung ist bei den größ ren Stürmen durch⸗ aus regelmäßig; sie fängt auf der nördlichen Halbkugel von Norden an, wohin sie über West, Süd und Ost zurüdkehrt; auf der südlichen ist es gerade umgekehrt. Die Wuth eines solchen Wirbelsturmes ist unbeschreiblich und s jeder Beschreibung, seine Ver. beerungen sind ungeheuer, seine mechanische Gewalt ist entsetzlich. Er zerstört die Vegetation, entwurzelt die Bäume. stürzt Häuser um, vernichtet die Schiffe, hebt zuweilen das Seewasser und richtet Tausende von Menschen zu Grunde. Diese Luftwirhel bleiben nicht stehen, sie bewegen sich in ziemlich regelmäßiger Weise fort, durchschneiden die Passate und nehmen aledann eine mehr oͤstliche Richtung an. Sie durcheilen 4 bis 5 geographische Meilen in der Stunde; ihre Kraft ist daher wesentlich geschwächt, wenn sie nach Europa kommen, und doch reißen sie auch hier noch Häuser um und schädigen die Schiffe. Ein spstematisch vertheiltes Netz meteorologischer Stationen wird dereinst mit Hülfe telegraphi⸗ scher Leitungen wesentlich dazu beitragen, die Verheeru agen eines Wirbelsturmeg wesentlich zu mildern. Die Frage, wie es möglich sei, daß geringe Temperaturunterschiede der Luft im Stande seien, sich so furchtbar entladen und Verwüstungen anrichten zu können, beantwortet sich mit der Erforschung des Wesens und der G setze vom labilen Gleich gewichte, dessen wesentliche Eigenschaften Redner ausführlich erläuterte. Die feuchte Luft sammelt fich unten, die trocknen Kesselwinde wehen oben, und ein plötzlicher Ausgleich führt zum Wirbelsturm, dessen Kraft durch die Drehung der Erde noch gesteigert wird. (in erläuterndes Experiment versinnbildlichte die Ausführungen des Redners, der am Schlusse feines Vortrages noch über die physikalische Erscheinung des Gewitters und dessen Zusammenhang mit den Ausgleichs versuchen athmosphärischer Strömungen sprach.
Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg.
Hr. Gymnasialdirektor Schwartz zu Pesen hat im Jahre 1865 gestüzt auf die Ruppiner Sammlung der Feldmannschen Papiere, den Ürsprung der Frobensage aufgedeckt, indem er es wahrscheinlich gemacht, daß die während der Schlacht bei Fehrbellin von dem kur- fürstlichen Leibjäger Uhle bewiesene aufopfernde Treue später auf den
übertragen worden
gefallenen Stall meister gen w zum Milttär⸗Wochen⸗
vorjährigen Beihefte
in diesem Kampfe ist. In einem der Blatt 2 . r; Thatbestandes von der Hand gewiesen. In Folge dessen gelangte in der Dezembersitzung des verflossenen Jahres ein Aufsatz des Hrn. Schwartz zum Vortrage, in welchem er noch einmal die
äußeren und inneren Gründe zufammenstellt, welche seine Auffassung
he
als die richtige erscheinen lassen. Der Aufsatz wird demnächst in
der Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde gedruckt
werden.
In der Sitzung vom 12. Januar d. J. ro von Uslar-Gleichen, Vorsteher des Königlichen Instituts tür Glasmalerei, zum Delegirten des Vereins in den wissenschaftlichen Beirath des Märkischen Provinzialmuseums zewäblt. Hr. Geheimer Ober Regierungs Rath Zitel mann knüpfte an einige anregende Mittheilungen des Hrn. Dr. Oidtmann zu Linnich bei Aachen Be— trachtungen über die Wichtigkeit der „Geneanomie“, d. b. der Wissenschaft, welche die natürlichen Gesetze für das Ent⸗ stehen, Blühen und Absterben der Familien und Geschlechter darstellt, und betonte, wie es eine Aufgabe gerade der histo⸗ rischen Vereine sei, durch plamnäßige Sammlung von Por— trätz, Stammbäumen und Nachrichten die Biologie der Fa— milien 34 sammerzustellen, namentlich die Lebensdauer derselben nach der Zahl der Geschlechtsfolgen in direkter und Seitenlinien, — die territoriale Ausbreitung der Familien und die Arten ihres Berufs — die besonderen Familien ⸗Eigenthümlichkeiten nach ihrer physischen, geistigen und sittlichen Entwicklung — endlich ihre volitische, wirth= schaftliche und soiale Bedeutung. — Hr. Schulvorsteher Budezies sprach im Anschluß an zwei im 4. Bande der Urkunden sammlung der Gesellschaft für Schleswig, Holstein⸗ Lauenburgische Geschicht⸗ mitgetheiste Belehnungsbriefe König Christians J. von Dänemark über den wahrscheinlichen Ursprung und die Dauer des Le ns verhãlt⸗ nisses, in welchem einige brandenbucgische Güter zu dem im Jahre 1640 erloschenen Holstein ⸗Schauenburzischen Grafenhause gestanden haben; er wies darauf hin, daß die von Christian L. vergenommere Beleihung ein Eingriff in die Rechte der Holstein⸗Schauenburgischen Grafen gewesen zu sein scheine, wie denn später auch nur von diesen und nicht von dem Holsteinischen Herzoge aus dem Hause Oldenburg die Belebnungen mit den brandenburgischen Gütern erfolgt seien Zum Schlusse veranlaßte Hr. Staatsarchivar Dr. Hegert ein. all gemeine Diskussion, indem er, theils unterrichtend, theils Auskunft suchend, die Frage zur Sprache brachte, wo die Originale derjenigen das Kloster Lebnin betreffenden Urkunden zu suchen feier, welch⸗ ohne bestimmte Angabe des Aufbewahrungsortes im Riedelschen Codex diplomaticus Brandenburgenzis abgedruckt siad.
.J. wurde Hr. Baron
In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten wurde der Stadtverordnete Dr. Stiyck, dessen Wahl zum dritten Provin— zial und Kommunallandtazs⸗ Abgeordneten von der Königlichen Regierung zu Potsdam nicht bestätigt war, abermals mit 46 gegen 7 Stimmen für jenes Amt gewählt. — Der Magistrat theilt mit, daß er in der Absicht, eine wirkliche Stadt- Häaupt⸗ kasse herꝛustellen, mit der Stadt Hauptkasse, d. h. einer Kasse der Stadtgemeinde Berlin, durch welche alle Einnahmen der Korperatien erhoben und alle Ausgaben der Stadtgemeinde geleistet werden können und sollen, und welche nur mit Geldern der Kommune, ausschließlich derjenigen der Berliner Eigenthümer, der Stiftungen, des Legaten fonds und für den Staat zu erhebenden Steuern u. s. w. zu thun, hat, beschlossen habe, nach bewirktem Jahresabschlusse meh— rere zum städtischen Hauchaltsetat gehörige Spezial verwal⸗ tungen, die jetzt bei der Dauyt Armenkasse verwaltet werden, von dort abzutrennen und mit der Stadthauptkasse zu vereinigen, und andere nicht zum städtischen Haushaltsetat gehörige Nebenkassen von der Stadthauptkasse abzuzweigen und der HauptStiftungekasse zu überweisen. Die Versammlung nahm Kenntniß von der Mittheilung. — Für die in die sem Jahre erforderlichen Erweiterungs- und Ernenerungsbauten der städtischen Gaganstalten fordert der Magistrat auf Grund der vorgelegten Voranschläge einen Kredit von 3,0684000 M Wir haben in der gestrigen Nr. d. Bl. die Vor lage des Mazistrats ausführlich mitgetheilt. Auf Antrag des Stadtv. Misch wurde die Vorlage dem Ausschusse für die Erweiterungsbauten der städtischen Wasserwerke zur Vorberathung überwiesen.
Vom Kunst markt. Am Sonnabend, den 22. Januar, Vormit⸗ tags von 10—2 Ubr, findet in dem bekannten Lokal in der Fronen⸗ straße 19a. die 179. Lepke'sche Kunst auktion statt, die sich auf eine von dem verstorbenen Sanitäts Rath Lutze in Cöthen binterlassene Sammlung von meist modernen Oelgemälden sehr verschtedenen Werthes erstreckt. Bemerkenswerth sind unter denselben neben einer guten Kopie nach Gobert Flinks „Verstoßung der Hagar namentlich einige von Stielke und von W. Kray herrührende Ardeiten. Von dem Ersteren sind drei Scenen aus dem Leben der Jungfrau von Otleanz, ein Bild „Judith und Holofernes“ und eine
wird ohne eingehenden Gegenbeweis diese Darlegung des
Grurpe jagender Amazonen in fwast lebensgroßen Knie⸗ sizuren zu erwähnen. Von W. Kray ist eine größere Anzahl von-Bildern vorhanden, eine Reihe von Sturien, unter denen das kraftige Brustbild eines jungen italienischen Violinspielers hervor · tritt, das Brustbild einer Dame, das in der tüchtigen Modellirung des Kopfes verdienstliche lebensgroße Porträt E. M. Arndts in ganzer Figur, ein tleineres Genrebild, die Gruppe „badender Mädchen in der Johannisnacht“ und die ebenfalls von einer früheren Kunstaus—Q— stellung her bekannte Gestalt der „Loreley“, zu deren malerischer Be⸗ handlung eine ältere Arbeit, die von dem schwebenden Amor empor⸗ getragene Psyche, in ihrer kühlen Färbung den vollsten Gegensatz bildet. ; U
Nicht ohne Interesse sind die in den letzten Gemäldeversteigerun gen erzielten Preise. In der 172. Auktion, die nur ältere Bilder ent⸗ hielt, erreichte das dem Tenniers zugeschriebene Bild mit 1350 M½ den höchsten Preis. Von den bald darauf versteigerten Aquarellen Hilde brandts erzielten die Freshwaterbay 1350, das Bodethal im Harz 1II0, der Hexentanzplatz 630, ein Sonnenuntergang am Nil 600, eine Meeresbucht bei Funchal 535, eine Straßenansicht aus Paris 528, die meisten übrigen Stücke 159 — 450 M In der 177. Auktion endlich wurden eine ältere Schweizerlandschaft von Kalckreuth mit 3690 und ein gleichfalls älteres Bild von Gentz mit 1833, sowie zwei historische Scenen von Borckmann mit 1749 6 erstanden, während ein Mondschein von Schleich nur 243, der sehr frische Sommertag in Schleißheim“ von Quaglio 375 M brachte. Ein großes Genrebild von Hiddemann erreichte 1425, ein Kinderköpfchen von Meyer von Bremen 1365, ein weiblicher Kopf von Vautier 993, eine Scene auf der Bleiche von F. E. Meyerheim 1950, ein Strand in der Bretagne von C. Hoguet 2490, eine Abendlandschaft desselben Künstlers 1800, ein Sonnenuntergang von Ed. Hildebrandt gal, ein Strand desselben Malers 1830, die geistreiche Weinlese von P. Meyerheim 909, ein Thierstück desselben 14170, ein Thierstück von Voltz 900, eines von Mali 1200 .
Der Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preußischen Staaten veranstaltet vom 6. bis 9. April d. J. in Ber⸗
lin eine Frühjahrsausstellung in dem mit Glas überdachten Saal des Admiralsgartenbades (Friedrichstraße 102).
Der Berliner Bezirksverein 137— 41 hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, auf eigene Kosten und durch feeiwillige Bei⸗ träge seiner Mitglieder, wie in Anspruch zu nehmende Privat- wohlthätigkeit, eine als nothwendig erkannte Sa nitäts ˖ wache für die Dauer der Nacht“ zu eröffnen. Einige Aerzte haben ihre Unterstützung des Unternehmens bereits zugesagt.
In der Königlichen Gewerbe⸗Akademie wurde am 17. 8. M. gelegentlich der Eröffnung eines an Stelle des amtlichen Unterrichts im Abgeordnetenhause eingerichteten Uaterrichtskursus in der Stolze⸗ schen Stenographie ein Vortrag über das Wesen der Steng⸗ graphie gehalten. Die Frage: Was ist Stenographie?“ wurde mit der Ausführung beantwortet, daß diese Schrift nicht, wie dies häufig angenommen werde, eine lediglich zum Nachschrei ben von Debatten und Vorträgen bestimmte Schanellschrift sei, sondern hauptsächlich auch eine Schrift, welche dem Schüler, dem Geschäftsmann, den Behörden, dem Militär, dem Gelehrten u. s. w. eine leicht erlernbare, zuverlässige, kurze und darum piel Zeit er⸗ sparende, die Kurrent und Kursivschrift aber vollständig ersetzende Mit theilungsform biete; die Stolze sche Stenographie sei richtig bezeichnet: „die Schrift in ihrer zeitgemäßen Vollendung“. Wie wir höoͤren, ist die Theilnahme an dem Unterrichtskursus so groß, daß sich die Ein— richtung eines weiteren Kursus nöthig erweist.
Gestern früh ist ein Kommando des Garde-Pionier⸗Bataillons zur Sprengung des Eises in der Oder unterhalb Bellin⸗ chen nach Freienwalde a. O. abgerückt.
Bei der vorgestrigen unggrischen Ketzjag 2 im Zirkus Salomongki ritt zum ersten Mal Frau Rentiere Streit hierselbst, mit. Die Dame erreichte auf einem Cirkuspferde, „Hertha“, mit Eleganz und unter lautem Beifall des gefüllten Hauses die Kaskaden.
Redacteur: F. Vrehm. Verlag der Expedition (Kesseh. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), außerdem die Liste der Prämien. welche auf die Schuld- ,,. der Staats Prämien ⸗Anleihe vom Jahre 1855
in der am 15. und 17. Jannar stattgehabten 21. Ziehung gefallen sind.
Berlin: Druck W. El ner.
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
13 18.
Berlin, Freitag, den 21. Januar
Aichtamtliches.
Rußland und Polen. (Monats⸗Uebersicht für Dezember.) Am 1. Dezember neuen Stils reisten der Ka iser und die Kaiserin von Rußland von Livadia ab und trafen am 4. Dezember in St. Petersburg ein. Am 6. Dezem— ber langten Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Carl von Preußen und Se. Kaifer⸗ liche Hoheit der Erzherzog Albrecht von Desterreich mit Ihrem Gefolge in St. Petersburg an. Der Toast des Kaisers von Rußland am rufsischen St. Georgsfeste betonte die unerschütterte Fortdauer des Drei⸗-Kaiser⸗Bündnisses unter An— knüpfung an die im russischen Volke mit ungeschwächter Klarheit fortlebenden Traditionen von der Zeit, wo Preußen, Russen und Oesterreicher zur Vertheidigung derselben Sache zusammenstan⸗ den, um Europa den Frieden zu geben. So besteht auch jetzt das Drei⸗Kaiser⸗Bündniß nur für Aufrechterhaltung des euro⸗ päischen Friedens.
Ferner berichteten die Zeitungen von der 25jährigen Feier des Kaisers von Rußland als Ritter des St. Georgs⸗Ordens und von der Verleihung des Maria-Theresten-⸗Ordens in Er— innerung an die 25 Jahre vorher stattgehabte Affaire im Kau— kasus, bei welcher der Kaiser Alexander (als Großfürst und Thronfolger) sich hervorgethan. Ebenso wurde von der Auf⸗ nahme des Erzherzogs Albrecht als Ehrenmitglied der Milstär— Akademie, wie auch von seiner bald darauf erfolgten Abreise be⸗ richtet. Am 16. Dezember reisten der Prinz und die Prinzessin Carl von Preußen nach Moskau, von wo sie am 23. Dezember nach Berlin zurückkehrten. Nach der Abreise der Fürstlichkeiten, die zum St. Georgsfeste gekommen waren, entfaltete sich an der
Newa das gesellige Leben der Wintersaison nicht ganz mit derselben
Lebhaftigkeit, wie sonst; die tiefe Theil nahme für die Krankheit der ältesten Schwester des Kaisers, der Großfürstin Maria Rikola—⸗ jewna, kommt in dem Verhalten der St. Petersburger Gesell⸗ schaft zu unverkennbarem Ausdruck. — Am 31. Dezember feierte der Kaiser sein 50 jähriges Jubiläum als Chef des Paw⸗ lowski'schen Leib⸗Garde⸗Regiments. Bei dieser Gelegenheit wurde von den Offizieren des genannten Regiments dem Kaiser ein großes kunstvolles und interessantes Erinnerungsbild darge⸗ bracht, und fand auch die Einweihung einer neuen Fahne statt.
In Bezug auf die orientalischen Angelegenheiten blieb die Auffassung ruhig, wie vorher.
Als eine der ersten Aufgaben, mit welchen der Reichsrath in der gegenwärtigen Session sich beschäftigt, erscheint die Reform des Paßwesens. Der Paß ist in Rußland nicht blos ein Identitäts beweis, sondern auch noch ein Dokument über das Steuerverhältniß des Inhabers. Bei den steuerfreien, privi— legirten Ständen sind die Schwierigkeiten zur Reform des Paß— wesens nicht so belangreich, desto mehr sind fie es bei den steuerpflichtigen Ständen, also bei der großen Mehrheit der Staatsang ehörigen. Erfahrene Polizei-Chefs haben stets für thunlichste Erleichterung der Paßformalitäten plädirt, aber die bisherigen Steuerverhältnisse ziehen eine immerhin schwer zu be⸗ rührende Grenze. Indessen ist das Streben bemerkbar, die Reform des Paßwesens in möglichst erleichternder Weise durchzuführen.
Am 39. Dezember ward unter dem Vorsitz des Kaisers ein Ministerrath abgehalten, welcher über die für die projektirte sibi⸗ rische Bahn zu wählende Richtung entschied. Die Hauptfrage drehte sich darum, ob einer direkten Verbindung Moskau und Sibirien, oder einer solchen zwischen St. Peterz⸗ burg und Sibirien der Vorzug zu geben sei. Bei der direkten Verbindung zwischen Moskau und Sibirien, — welche die sog. südliche Richtung repräsentirt — hätte man die Bahn von Nishny⸗Nowgorod aus (über Kasan und Katharinenburg) nach Tjumen zu ziehen, und würde die bisherige außerordentlich belebte Handelsstraße inne halten. Bei der direkten Verbindung zwischen St. Petersburg und Sibirien — der sog. nördlichen Richtung — ginge der Weg durch lauter verkehrsarme Gegenden, die erst belebt werden müßten. Die südliche vor der nördlichen (die von dem Kommunikations-Minister ver— treten wurde) den Vorzug. Das Interesse für die projektirte neue Bahn, die cireg 1500 Werst betragen wird, nimmt die gespannteste Aufmerksamkeit aller Kreise in Anspruch: die Frie⸗ denszuversicht, welche in Rußland vorwaltet, sichert neben der günstigen Finanzlage der letzten Jahre die Ausführung des groß⸗ artigen Unternehmens.
Die diesjährige Aushebung, bei welcher von circa 698, 000 Mann, die sich stellen mußten, 180000 in die aktive Armee
Richtung erhielt
Nachsicht bewilligt.
zwischen
eingereiht wurden, ist plan- und vorschriftsmäßig ausgeführt
und zum Abschluß gebracht. Da in diesem Jahre 30 000 Mann mehr ausgehoben wurden, als im vorigen, so traten entsprechende Beurlaubungen ein, so daß der Aktivstand der Armee unver⸗ andert blieb.
Eine Verordnung des Kaisers ändert diejenige Bestimmung ab, nach welcher Edelleute, die in dem Gouvernement, zu deren
Adelskorporgtion sie gehören, ritterschaftliche Aemter übernehmen
wollen, bisher irgend einen Klassenrang oder einen Orden be— fitzen mußten. Es genügt in Zukunft, daß solche Edelleute auch als Friedensrichter, als Beamte in Bauersachen gewirkt, oder in landständischen Wahlposten gestanden haben. nicht in den letztgenannten Stellungen gestanden und auch kei⸗ nen Klassenrang oder Orden besitzen, müssen eine höchste Lehr⸗ anstalt (Akademie, Universität, Lyceum) durchgemacht, oder doch das Abiturienten⸗Examen abgelegt haben, wenn sie auf Aus—⸗
übung der ihnen durch Geburt zukommenden korporativen Rechte
reflektiren.
Am 29. und 30. Dezember wurden im „Regierungs⸗ Anzeiger“ die beiden neuerdings mit dem Königreich Italien ab⸗ geschlossenen Konventionen über das Konsularwesen und über den Schutz der Hinterlassenschaften von russischen Staats⸗ angehörigen in Italien und von Italienern in Rußland ver⸗ öffentlicht. Die Befugnisse der Konsuln wurden im Znteresse der beiderseitigen Erb⸗ und Vermögensrechte mehrfach bedeutend ausgedehnt.
Da trotz der großen Anstrengungen des Unterrichts⸗ Ministers Grafen Tolstoi es noch nicht möglich gewesen, die heran⸗ reifenden Abiturienten in der griechischen Sprache ebenso fest zu
machen, wie in der lateinischen, so ward für solche, die das
Abiturienten⸗Examen auf Grund häuslicher Erziehung ablegen, in Bezug auf das Griechische noch für die Jahre 1876 und 1877
Edelleute, die
Im Lateinischen war es darum möglich, die Forderungen gleich nach Durchführung der Gymnafialrefsrm auf die gesetzliche Höhe zu stellen, weil man schon von der Zeit des Ministers Uwarow her das Lateinische als zum Gymnasialkursus obligatorisch (das Griechische aber nur als fakultativ) zu be— trachten gewohnt war. Eine besondere Verordnung ge⸗ gestattet Nicht⸗Gymnasiasten sich auch Prüfungen zu unterwerfen, welche mit einigen mittleren Klassen des Gymnaflums korrespon— diren, und für die Dienstpflicht damit verbundene Rechte zu erwerben.
Dem Vernehmen nach das Jahr 1875 in folgender Weise veranschlagt werden: Direkte Steuern 130,551,255 Rubel, indirekte Steuern 300,944. 898 Rubel, Regalien 21,455,018 Rubel, Einnahmen vom Staats— Sigenthum 28 778. 908 Rubel, diverse Einnahmen 45,854, 958 Rubel, Transkaukasien 7, 106,553 Rubel, Spezial-Ressourcen Eisenbahnen, Hafengelder ꝛ 1039357859 Rubel, reziproke Einnahmen 24 453,229 Rubel.
Die Ausgaben werden für 1876 so veranschlagt: Staats⸗ schulden 108,417,987 Rubel, höchste Reichs behörden 1,982,643 Rubel, Ressort der Synode 9,784,962 Rubel, Ministerium des Kaiserlichen Hofes g 629999 Rubel, Ministerium der Aus— wärtigen Angelegenheiten 2927, 243 Rubel, Kriegs Ministerium 180267019 Rubel, Marine⸗Ministerium 25. 038, 381 Rubel, Finanz⸗Ministerium 66,266,446 Rubel, Domänen⸗Ministerium 19047, 177 Rubel, Ministerium des Innern 53 468,391 Rubel, Ministerium der Volksaufklärung 15,153, 507 Rubel, Kommuni— kations⸗Ministerium 17 018,350 Rubel, Justiz⸗Ministerium 14340226 Rubel, Reichskontrole 2.155.021 Rubel, Reichsgestüt⸗ wesen 737.765 Rubel, Budget von Transkaukasien 7.035.903 Rubel, Eisenbahnwesen 10 893,789 Rubel, reziproke Ausgaben 24453229 Rubel, Steuerausfälle 2, 000 000 Rubel. Somit werden die Staatseinnahmen pro 1876 auf 570, 138, 308 Rubel, die Ausgaben auf 570 052138 Rubel, der muthmaßliche Ueber⸗ schuß der Einnahmen auf S6, 170 Rubel veranschlagt. Der Baarvorrath, welcher aus den Einnahme-Ueberschüssen der letzten Jahre übrig geblieben ist, beläuft sich auf 23,431, 960 Rubel; dabei wurden seit 1870 87,876, 000 Rubel Staatsschulden amortisirt.
In Rußland bestehen seit 1854 in 33 Provinzen (wozu später 3 hinzukamen) landständische Institutionen, welche von dem Kaiser zur autonomischen Wahrnehmung der Bedürfnisse der betreffenden Gouvernements und Kreise eingesetzt wurden. In vier Provinzen konnten im Dezember die Berathungen nicht eröffnet werden — wegen Mangels an Betheiligung. Dagegen zeigten sich einige landständische Versammlungen sehr rege, na⸗ mentlich für das Volksschulwesen, wie auch für Abwendung der Nothstände in den vom Mißwachs heimgesuchten Provinzen.
Eine der regsten landständischen Versammlungen war die des Gouvernements St. Petersburg vom 19. Dezember bis zum 1. Januar. Sie berieth über Austrocknung der Sümpfe im ge⸗ nannten Gouvernement, über Hebung des Volksschulunterrichts, über Veranstaltung und Förderung pädagogischer Kurse, Chaussirung der Keksholmer Straße, die Erhaltung des Zug⸗ weges neben den Kanälen Peters des Großen am Ladogasee, Anschaffung von Rettungsböten neuer Konstruttion, Revision der bisherigen Einschätzung von Immobilien, Maßregeln sanitäts⸗ polizeilichen Charakters. Abgelehnt hatten die St. Petersburger Landstände die Diskussion eines Projekts zur Organisation einer aus allen Ständen (d. h. nicht blos aus dem Bauernstande) be⸗ stehenden Landgemeinde als kleinster administrativer Einheit.
Die Gesellschaft zur Hebung des russischen Handels und Gewerbfleißes beschloß, eine Expedition auszurüsten zur ferneren Erforschung der Nordküsten Sibiriens, und die Führung der Expedition den um die Entdeckung des Seewegs zu den Jenisei⸗ und Obmündungen hochverdienten Herren Nordenskjöld und Wiggens anzuvertrauen.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 21. Januar. In der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichstags nahm in der Diskussion über den Gejetzentwurf, betreffend die weitere geschäftliche Behandlung der Justizgesetze, der Bundes bevollmächtigte Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt nach dem Abg. Dr. Lasker das Wort:
Meine Herren! Wie dankbar ich dem Herrn Abgeordneten für Meppen auch sein muß für die überaus freundlichen Worte, welche meine Person zum Gegenstande haben, so muß ich doch Verwahrung einlegen, wenn er behauptet hat, daß in neuester Zeit in dem preu— ßischen Staate die Staatsanwaltschaft gemißbraucht worden sei. So lange ich preußischer Minister bin, ist das auch nicht in einem einzigen Falle geschehen. (Rufe aue dem Centrum.) Gewiß nicht; nennen Sie mir einen Fall, so kann ich mich verant— worten, aber gegen so allgemein gehaltene Behauptungen kann ich nur Verwahrung einlegen. Ich bin mir vollkommen dessen bewußt, was ich gethan habe, und werde mich contra quem et quos zu ver— theidigen in der Lage sein.
Meine Herren! Es würde mir nicht ziemen, ein Urtheil abzu— geben über die Arbeiten Ihrer Justizkommission. Ich kann mich auch nicht äußern darüber, ob die von der Justizkommisston eingeschlagene Methode der Behandlung die richtige sein möge oder nicht. Aber das muß ich der Justizkommission doch bezeugen, daß sie mit großem, viel zu großem Eifer gearbeitet hat, daß ihre Verhandlungen uͤberaus gründlich und selbst für Je⸗ manden, der um die Sache genau Bescheid weiß, belehrend sind. Das kann ich bezeugen, weil ich wiederholt in der Justizkommission anwesend gewesen bin und dat diese Ueberzeugung gewonnen habe.
In Betreff des Strafprszesses ist von dem Hermn Abgeordneten von Meppen gewiß mit Recht bemerkt, daß es einer großen Resig⸗ nation bedürfen würde, um diesen Entwurf wirklich ins Leben zu führen. Der ganze Lauf der Verhandlungen berechtigte den Herin Abgeordneten zu dieser Bemerkung.
Was das Gerichtsverfassungsgesetz anbelangt, so hoffe ich auch mit dem Hrn. Abg. Dr. Lasker, daß es möglich sein werde, ein Verständ⸗ niß über dieses sehr wichtige Gesetz herbeizuführen. Aber dieses Ver staͤndniß ist, soweit ich die Sache übersebe, noch lange nicht erreicht, und es werden noch große Schwierigkeiten in dieser Beziehung zu überwinden sein.
Der Hr. Abg. Dr. Beseler hat sich über den Beschluß, betreffend die Beseitigung der Handelsgerichte, ausgelassen; darüber babe ich mich nicht zu aãußern. Ich gestatte mir jedoch die Bemerkung, daß es mich in nicht geringes Erstaunen gesetzt hat, daß, nachdem dieser Beschluß gefaßt worden war, in der Presse außerordentlich ungünstige
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sollen die Staatseinnahmen auf
Urtheile gefällt wurden. Ich meinerseits bin entschieden für die Bei behaltung der Handelsgerichte und zwar aus politifchen Gründen. Ich glaube, es ist aus politischen Gruͤnden unthunlich, zie Handels⸗ gerichte in denjenigen Staaten, in welchen sie bislang mit großer Wirksamkeit bestanden haben, zu beseitigen. Dagegen muß man an— erkennen, daß von allgemeinen legislativen Gesichtspurkten aus die Frage den größten Bedenken ausgefetzt ist, und daß es keinen herben Tadel verdient, wenn die Reichs justizkommission derjenigen Ansicht beigepflichtet hat, welche man, wie es scheint, von vielen Seiten verwirft.
Auch kann ich mich dem Hrn. Abg. Dr. Beseler gegenüber in Betreff der Civilprozeßordnung äußern. Er bemerkt, die Reichs— justiztommission habe das Prinzip der Mündlichkeit erweitert. Das ist, so viel ich weiß, nach keiner Seite hin geschehen. Ich wüßte auch gar nicht, wie die Justizkommiffion es hätte anfangen sollen, das Prinzip der Mündlichkeit in noch weiterem Umfang zu gewähren. Man könnte der Reichsjustizkommission höchstens den Vorwurf machen, daß sie nicht das Prinzip der Mündlichkeit, wie es durchge⸗ führt ist in der Prozeßordnung, beschränkt hat.
— Dem Reichstag ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Haushalts-Stat des Deutschen Reichs für das Jahr 1876, vorgelegt worden:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen ꝛe. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter mung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
§z 1. Die unter Kapitel 20 der Einnahme des Haushalts- des Deutschen Reichs für das Jahr 1876 (Reichs-Gesetzblat S. 325) in einer Summe festgestellten Matrikularbeitraͤge werd vorbehaltlich der Berichtigung nach Maßgabe der Ergebnisse der Volkszählung. vom 1. Dezember 1875 auf die einzelnen Bundesftaaten vertheilt, wie folgt:
1) Preußen 31,730,696 6, 27) Lauenburg 72.793 S6, 3) Bayern 16078, 924 S6, 4) Sach sen 3 676,779 M, 5) Württemberg 5 987, 108 4, 6 Baden 4,547,455 S, 7) Hessen 1,162,731 S6, 8 Mecklenburg⸗ Schwerin 758,196 ½, 9) Sachsen Weimar 401,383 S, 10) Mecklen— burg Strelitz 132,364 M“, 11) Oldenburg 438,258 MS , 12) Braun— schweig 455, 145 ½ 13) Sachsen. Meiningen 266,346 6, 14) Sachsen— Altenburg 2047711 6, 15) Sachsen-Coburg-Gotha 245.8306 6, 16) Anhalt 305,354 M, 17) Schwarzburg⸗Sondershausen gö,. 904 (, 18 Schwarzburg⸗Rudolstadt 104,744 S6, 19) Waldeck 74077 (, 20) Reuß ältere Linie 65, 168 SM, 21) Reuß jüngere Linie 136, 145 , 22) Schaumburg ⸗Lippe 46,725 S, 3) Lippe 141319 S, 24) Lübeck g3 958 6s, 25) Bremen 239, 9635 M, 26 Hamburg 711,815 0, 27 Elsaß⸗ Lothringen 3, 074,109 4 Summe 71,376,215 ,
§. 2. In dem Haushalts⸗Etat des Deuischen Reiches für das Jahr 1876 treten:
I) unter Kap. 12 Tit. 18 der fortdauernden Ausgaben (Gesandt— schaft in Rom) an die Stelle der beiden ersten Ansätze die folgenden: Botschafter nebst freier Wohnung 100,000 S6 Erster Botschafts⸗ Sekretär 12, 000 4M;
2) unter Kap. 1 Tit. 3 der einmaligen Ausgaben wird der An— satz: „Zu den Kosten der Betheiligung des Deutschen Reichs an der Weliausftellung zu Philadelphia im Jahre 1876 behufs Herstellung eines auf dem Ausstellungsplatz zu errichtenden Pavillons auf 550, 000 6, erhöht;
3) unter Kap. 1 der einmaligen Ausgaben ist als Tit. 9 ein⸗ zusiellen:
Einmaliger Beitrag zu den allgemeinen Einrichtungs- und anderen Generalkosten für die deutsche Betheiligung an der in Brüssel stattfindenden internationalen Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen 75,000 6.
§8 3. Die Mittel zur Bestreitung des in dem vorstehenden 5. 2
§8 3. festgeftellten Mehrbedarfs im Betrage von 201 200 6 sind, soweit derselbe nicht durch Mehrerträge bei den außer den Matrikular— beiträgen zur Reichskasse flietzendden regelmäßigen Einnahmen seine Deckung findet, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen.
Urkundlich ꝛc Gegeben ꝛc.
Landtags-Angelegenheiten.
Berlin. Die Mot ive zu dem dem Herrenhause vorgelegten Sntwurf eines Gesetzes, betreffend die Ablössung der Servituten, die Theilung der Gemeinschaften und die Zusammenlegung der Grundstücke für die Provinz Schleswig-Holstein, lauten im allgemeinen Theil:
In den Herzogthümern Schleswig und Holstein ist die Gemein— heitstheilung und Servitutablösung schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch gesetzliche Vorschriften befördert und näher geregelt worden.
Zunächst erging für Schleswig die Verordnung vom 10. Februar 1766, welche den Landinteressenten gestattete, ihre zusammen und für sich allein liegenden, aus der gemeinen Weide entnommenen Ländereien sofern einem Dritten keine Gerechtsame an denselben zuständen zukoppeln, d. h. mit Wällen oder Hecken einzufriedigen. Daneben wurde zur Beförderung der Gemeinheitstheilung ä daß, wenn eine Dorfschaft mit z der nach Lardbesitz Simmen die Separation eines ihr allein gehörigen schließe, dieser Beschluß auch die Minderheit binden liche Aenderungen, namentlich auch dahin ß Gemeinheiten künftig die Hälfte der Pfluszabl der Provokanten genügen solle, traf die Verord 1770 mit den dieselbe abändernden ergãr Patenten und Verfügungen vom 10. Dezember 17 31. April 1773, 3. Mal 1786 2c. grͤ Verfahren war auch die Bestimmung, daß Stavenbesitzer behufs der Einkeorrelung seines Antheil— meine Vermessung saämmtlicher Dorfländereien derlangen t daß die Kosten der Vermessung und Ausweisun interessenten getragen werden musten wer die Gemeinschaft unter sich beizude
Im Herzogthum Holstein Antheil (dite Aemter Ah ⸗ thal, Stadt Plön) schen anscheinend währte Einkoppelung Aemtern Kiel,
aan er Landbe
ö.
e Von 2
15 8 x en Grund des
ngen zur Ausfübruna —— 22 — — — — — — .
zrafschaft Ranzau und die ung vom 19 November 177
mmentlich in einem Reskript vom 3.
g dom 4 Auzuft 1784 gefunden hat. r
n diese Verschriften mit der schleswigschen Vererdnung anuar 1770 überein. igens waren in beiden Herzogthümern die Bezirke der Güter don dem Geltungsbereiche der erwäbnten Ordnunzen en, doch kamen auf Grund der freien Vereinbarung auch
e Theilungen und Einkoppelungen häufig vor.
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