1876 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Feb 1876 18:00:01 GMT) scan diff

mit Angabe des wesentlichen Inhalts der Papiere und des Zweckes, zu welchem die Abforderung geschah, zu ertheilen. Der Minister des Innern hat die Bezirksregierungen xc. durch Cirkularerlaß vom 18. Januar d. J. angewiesen, in vor⸗ kommenden Fällen hinsichtlich der in Rede stehenden Papiere in gleicher Weise zu verfahren.

Die gestern gemeldete Betriebsstõrung auf der Eisen⸗ bahnstrecke Cöoln Verviers ist seit dem 18. Februar, Abends, beseitigt. Die Eisenbahnzüge nach und von Belgien ꝛc. benutzen daher wieder regelmäßig den gewöhnlichen Weg über Düren und Aachen.

Schleswig, 18. Februar. öffentlicht Folgendes:

Se. Majestät der Kaiser und König haben die Gnade gehabt, mir einen anderen Wirkungskreis anzuweisen. ö

Indem ich aus meiner bisherigen Stellung als Präsident der Königlichen Regierung hieselkst ausscheide, ist es mir Bedürfniß, den Einwohnern von Schleswig-Holstein, sowie den Behörden dieser Pro⸗ vinz meinen aufrichtigen Dank auszusprechen fur das wohlwollend freundliche Entgegenkommen, welches sie mir persönlich erwiesen haben, jowie für das ehrenvolle Vertrauen, welches mir in den Geschäften meines Amtes in so reichem Maße zu Theil geworden ist.

Bei dem Rückblick auf mein vielbewegtes Leben werden mir die Jahre meiner Thätigkeit in Schleswig ⸗Holstein eine der liebsten wie der ehrenvollsten Erinnerungen sein.

Möge die Gnade und der Segen des Herrn auch ferner auf dem Lande und seinen Bewohnern ruhen!

Schleswig, den 15. Februar 1876.

Der Regierungs⸗Präsident. Bitter.

Bayern. München, 18. Februar. (Allg. Ztg.) Se. Majestät der König hat gestern Abends Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin Mazximilian einen längeren Besuch abgeßattet und die hohe Frau zur eingetretenen Genesung in wärmster Weise beglückwünfcht. Bei der Beerdigung des Generals Frhrn. v. La Roche hat sich Se. Majestät der König nicht, wie be⸗ richtet wurde, durch Se. Königliche Hoheit den Prinzen Luitpold, sondern durch seinen General-AgAdjutanten, General Lieutenant p. Spruner, vertreten lassen. Eine Königliche Allerhõchste Verordnung, welche neue Bestimmungen über die Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst enthält, wird heute im Gesetz⸗ und Verordnungsblatt publizirt; ebenso die von sãmmtlichen Rhemuferstaaten vereinbarten Bestimmungen über den Bau einer festen Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Sorchheim oberhalb Coblenz. Die Brücke ist für die projektirte Eisenbahn Oberlahnstein⸗Coblenz⸗ Güls bestimmt.

= 9. Februar. Heute Nachmittags 44 Uhr war Hof⸗ tafel in der Königlichen Residenz im Saale Karls des Großen. Dieselbe beftand aus 50 Gedecken. Von Sr. Majestät dem König waren außer Ihrer Majestät der Königin⸗ Mutter die Standesherren Grafen Schönborn und Quadt, der Justiz⸗Minister Dr. v. Fäustle, der Ober⸗Hofmeister bei der Herzogin Maximilian, Frhr. v. Wülffen, der Ober⸗Hofmeister bei

Das hiesige Amts blatt ver⸗

Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Adalbert, General⸗Lieutenant Neumayer, sämmtliche Staats⸗ der Regierungs⸗Präsident von und mehrere Georgi-Ordensritter

Frhr. v. Ow, der Reichsrath v. räthe im ordentlichen Dienst, Oberbayern, Frhr. v. Herman, und Kämmerer geladen.

m, == Yes den, 19. Februar. Das „Dresdner Journal meldet: „Se. Majestät der König geruhten Sr. Kaiser⸗ lichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen, während Höchstdessen jüngster An⸗ wesenheit in Dresden, das 2. Husaren⸗Regiment Nx, 19 (welchen Namen das 2. Reiter-Kegiment demnächst zu führen haben wird) allergnädigst zu verleihen, und haben Se. Majestãt der Kaiser und König zur Annahme dieser Verleihung Aller⸗ höchst Seine Zustimmung aussprechen wollen. Das sãchsische Armee⸗-Corps tritt dadurch in erneute Beziehung zu dem er⸗ lauchten und ruhmgekrönten Feldherrn, und weiß sich seinem allergnadigsten Könige für die ihm zugewandte hohe Ehre und besondere Auszeichnung zu tiefstem Danke verpflichtet.“

Hessen. Darm stadt, 17. Februar. Die heutige „Darm⸗ städter Zeitung“ kommt ausführlich auf die Rede des Minister⸗ Prästdenten Ho fmann bei den Verhandlungen des Reichstages über 5. 131 der Strafgesetz⸗Novelle zurück und sagt dar⸗ über Folgendes:

Die Verhandlungen des Reichstags über den 5. 131 der Strafgesetznovelle haben durch das Eintreten des Großherzog⸗ lichen Minister⸗Präsidenten Hofmann für diesen Paragraphen in der Sitzung vom 28. v. Mts. ein besonderes Interesse für unser Land gewonnen. Die Rede des Herrn Ministers ist in den öffentlichen Blättern lebhaft besprochen worden. Es hat sich dabei gezeigt, daß ihre Tendenz vielfach irrig beurtheilt wurde. Auch an Entstellungen des Inhalts hat es nicht gefehlt. Eine dieser Entstellungen wollen wir hier vorweg berichtigen, weil sie einen schweren Vorwurf gegen den Herrn Minister enthält. Derselbe hat nämlich am Schlusse seiner Rede von einem „in unserem Volke noch vorhandenen Fonds von Rohheit“ gesprochen, und daraufhin wurde die Behauptung aus⸗ gesprengt, das hessische Volk insbesondere sei von dem ersten Minister des Landes vor dem Reichstag der Roheit geziehen worden. Man braucht aber nur den Wortlaut der betreffenden Stelle der Rede, den wir unten mittheilen werden, nachzulesen, um sich zu überzeugen, daß diese Stelle sich keineswegs auf Hesfen und die dort gemachten Erfahrungen speziell bezieht. Der Herr Minister berief sich vielmehr zur Begründung seiner Ansicht auf gewisse, in den Motiven zur Strafgesetz= nevelle mitgetheilte, gerichtliche Fälle. Wer die Motive der Strafgesetznovelle kennt, weiß, daß dort allerdings Beispiele einer haarsträubenden Rohheit und Bestialität aufgeführt sind, aber keiner dieser Fälle gehört, unseres Wissens, dem Großherzog⸗ thum Hessen an. Daß die aus roher Gesinnung entspringenden Verbrechen in den letzten Jahren bedenklich zugenommen haben, ist eine Erfahrung, die in ganz Deutschland gemacht wurde. Ein Theil derjenigen Abanderungsvorschläge, welche die Straf⸗ gesetznovelle enthielt und welche vom Reichstag angenom⸗ men worden sind, beruhte auf jener traurigen Erfahrung. Daß aber Hessen bei der von der ultramontanen Presse mit Vorliebe gepflegten „Brutalitäts⸗-Statistikt in hervorragendem Maße betheiligt sei, hat bis jetzt Niemand zu behaupten ver⸗ mocht und dem Großherzoglichen Minister⸗räsidenten ist es am wenigsten in den Sinn gekommen, eine solche Behauptung auf⸗

zustellen. So viel zunächst zur Erledigung dieses Punktes.

Wenn wir nun heute, nachdem wir mit Absicht die dritte Berathung der Strafgesetznovelle im Reichstag haben vorüber⸗ gehen laffen, auf die bei der zweiten Berathung stattgehabte Verhandlung zurückkommen, so geschieht es nicht, um den Herrn

Absicht, Sensation zu machen, auf der Stirn geschrieben steht und die nach Inhalt und Form sich selbst richten.

Es kommt uns vielmehr darauf an, zu einer unbefangenen und besonnenen Würdigung der Sache selbst, um die es sich handelt, deren Ernst und Wichtigkeit aber selbst von patriotisch gesinnten Männern nur zu häufig unterschãtzt wird, im Anschluß an die Rede des Herrn Minister⸗Präsidenten einen Beitrag zu liefern.

Zu diesem Behufe

stellen wir vor Allem den Gegenstand der Debatte fest, indem wir den 5. 131 des Strafgesetzbuchs, wie er jetzt lautet, und die abgeänderte Dassung, welche die Strafgesetznovelle dafür vorschlug, mit einander vergleichen. Der 5. 131 des Strafgefetzbuchs lautet jetzt, wie folgt: „Wer erdichtete oder entstellie Thatsachen, wissend, daß sie er dicktet oder entstellt sind, öffentlich bebauptet oder verbreitet, um da- durch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Nach dem Vorschlag der Strafgesetznovelle sollte der 5. 131 folgende Fassung erhalten: ; Wer dadurch, daß er erdichtete oder entstellte Thatsachen öffent lich behauptet oder verbreitet, ingleichen wer durch öffentliche Schmähungen oder Verhöhnungen Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit oder das Reich oder einen Bun⸗ desstaat felbst verächtlich zu machen sucht, wird mit Geldstrafe bis zu 6600 M oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.“ Der Unterschied zwischen diesen beiden Fassungen liegt we⸗ sentlich in nachstehenden zwei Punkten: 15 5. 131 des Strafgesetz buchs spricht nur von dem Fall, wenn erdichtete oder entstellte Thatsachen öffentlich behauptet oder verbreitet werden und droht eine Strafe nur unter der Voraussetzung an, daß diese Behauptung oder Verbreitung mit dem Bewußtsein der Erdichtung oder Entstellung der Thatsachen geschieht. Der §. 131 der Strafgesetznovelle dagegen wollte in diesem Falle eine Strafe schon dann eintreten lassen, wenn nur die objektive Unwahrheit der Thatsachen und die Absicht bewiesen ist, durch die Behauptung oder Verbreitung derselben Staatseinrichtungen 2c. ver⸗ verächtlich zu machen, ohne daß es auf das Bewußtsein von der Falschheit der Thatsachen ankäme. Außerdem sollten nach der Strafgesetznovelle auch öffentliche Schmähungen und Verhöhnungen, also solche Ehrenkränkungen, welche nicht gerade in der Behauptung bestimmter Thatsachen bestehen, unter Strafe gestellt werden. 2) 5. 131 des Strafgesetzbuchs spricht nur von „Stagats⸗ einrichtungen“ und „Anordnungen der Obrigkeit“, nicht von dem Reich oder den Bundes staaten selbst. Die Strafgesetznovelle wollte auch beleidigende Angriffe gegen das „Reich oder einen Bundes staat selbst“ bestraft wissen. Wie sich aus obiger Vergleichung ergiebt, war es die Ab⸗ sicht der Strafgesetznovelle bei §. 131, dem Reich und den Bun⸗ desstaaten sowie deren Einrichtungen einen kräftigeren Schutz gegen öffentliche Herabwürdigung zu gewähren, als es der setzige 8. 131 des Strafgesetzbuchs thut, dabei ging die Novelle keines vegs über die Grenzen hinaus, innerhalb deren, nach anderen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die Ehre jeder Privatperson geschützt ist. Denn nach §. 185 des Strafgesetzbuchs wird jede Beleidigung eines Privaten, auch wenn sie nicht gerade in der Behausung emers farjschert Thatsache besteht, mit Herbstrafe bis zu 50 Thlr. oder mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft und wer in Beziehung auf einen anderen eine That⸗ sache öffentlich behauptet oder verbreitet, welche denselben ver⸗ ächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herab⸗ zuwürdigen geeignet ist, verfällt, wenn nicht diese That⸗ fache erweislich wahr ist, nach 5. 186 in dieselbe Strafe. Dabei ist es gleichgültig, ob Ber Beleidiger wußte, daß die behauptete Thatfache falsch sei; selbst wenn er sie für wahr hielt, wird er nach 186 bestraft, sobald die objektive Wahrheit nicht bewiesen werden kann. Ja sogar dann, wenn der Beweis der Wahrheit erbracht werden kann, tritt die Strafe dennoch ein, falls die Behauptung durch ihre Form oder Verbreitung oder die Umstände, unter denen sie gefchah, beleidigend war (§. 192). In ähnlicher Weise bestimmt der 5. 166 des Strafgesetzbuchs, über den §. 131 hinausgehend, daß mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft wird, „wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Bundes gebiets bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft.“ Nach dieser Zusammenstellung des juristischen Materials wenden wir uns zur Betrachtung dessen, was Minister Hof— mann in seiner Rede vom 28. v. Mts. zur Unterstützung des S. 131 der Strafgefetznovelle vorgebracht hat. Nachdem der- selbe im Eingang der Rede die Motive angegeben, die ihn über⸗ haupt veranlaßten, das Wort zu ergreifen, verwahrte er zunächst die Großherzogliche Regierung gegen die Annahme, daß sie von einer reaktionären Tendenzpolitik geleitet gewesen sei, als sie den politischen Paragraphen der Strafgesetznovelle ihre Zustimmung im Bundesrath ertheilte und entwickelte sodann die Gründe, welche die Gr. Regierung bewogen hatten, insbesondere dem §. 131 der Strafgefetznovelle beizutreten. Er ging dabei von dem Satze aus, daß es die Aufgabe einer nationalen Politi sei, die Ehre des Staates nicht blos nach außen, sondern auch gegen die Angriffe innerer Feinde zu schützen, und daß zu letzterem Zwecke das Strafgesetz die Mittel bieten müsse.

; Der Herr Ministerpräsident Hofmann führte sodann aus, wie durch die gegenwärtige Strafgesetzgebung die Ehre des Staats weniger geschützt sei, als die Ehre der Privatpersonen, weniger als die Ehre der Kirchen und Religions gesellschaften und wie in Folge dieses mangelhaften Schutzes die Achtung vor dem Staat ungestraft verletzt werden könne und wirklich verletzt werde. Er machte auf die Gefahren aufmerksam, welche aus der Fortdauer dieses, die Autorität der staatlichen Einrichtungen bedrohenden Zustandes für das Reich und die Bundesstaaten er⸗ wachsen könnten.

Wir lassen auch hier die betreffende Stelle der Rede ihrem Wortlaute nach folgen:

„Meine Herren! Es ist nicht allein die Verletzung des natio⸗ nalen Ehrgefühls, was dabei in Frage kommt und fur sich allein schen rechtfertigt, daß man strafend dagegen einschreite, sondern es wird auch Gefahren bringen, wenn. man es nicht thut, Wenn das Volt jeden Tag sieht und liest, daß Las Reich ungestraft geschmäht werden kann, so verliert sich all⸗ maͤhlich die Achtung vor dem Reich, bei unserem Volke. Bedenken Sie doch, meine Herren, daß wir kein alter Staat sind im Deutschen Reich, daß bei uns die Ehrfurcht vor dem Staat und den Staatzeinrichtungen, wie sie in anderen Ländern, z. R. in Eng. land, bei allen Parteien herrscht und die Parteien in ihren Agitat ionen einschränkt, noch nicht besteht, daß es bei uns erst darauf ankommt,

Partelen,

dem Reiche gegenüber in der Bevölkerung kein anderes

Hefühl aufkommen zu lassen, als das des Hasses und der Ver

achtung. ? Es wird behauptet, in den obigen Worten sei der reichs⸗ feindlichen Presse ein unbegründeter Vorwurf gemacht worden. Wer aber das Treiben der ultramontanen und der sozialdemo⸗ kratischen Partei, wer insbesondere die Erzeugnisse der ultra⸗ montanen und sozialdemokratischen Presse in den letzten Jahren auch nur mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird zugeben müssen, daß die Anklage wegen fortgesetzter Schmähung und Herabwürdigung des Reichs und seiner Inslitutionen keineswegs aus der Luft gegriffen ist. Was insbesondere unser Land betrifft, in welchem das Geschäft des sozialistischen Hetzens und Wühlens von den ultramontanen Blättern mit besorgt wird, so braucht man nur einen der letzten Jahrgänge eines dieser Blätter aufzuschlagen, um die Beweife für jene Anklage in reichlichstem Maße zu finden. Da wird mit methodischer Beharrlichkeit das Reich sammt seinen Einrichtungen so hingestellt, als ob es die geistigen und leiblichen Güter des Volks dem „Liberalis⸗ nus“ der Freimaurer, Juden und Gründer und dem „Milita⸗ rismus“ zum Opfer bringe. Das Reich (mit leicht erkennbarer Ironie und in häufiger Wiederholung als „Reich der Gottes⸗ furcht und frommen Sitte“ bezeichnet) und die Bundesstaaten streben durch ihre vom Geiste des Liberalismus erfüllte Gesetz⸗ gebung der Schilderung jener Blätter zufolge, hauptsãchlich danach, dem Volke die Religion zu rauben, die Sitt⸗ lichkeit zu untergraben, jede Freiheit zu vernichten und die ärmeren Klassen in der ungerechtesten Weise zu Gunsten der „Geldsäcke“ und „Mastbürger“ auszubeuten. Auch der „Militarismus“ dient dazu, die „Groß⸗Industriellen“ auf Kosten bes Volkes zu bereichern 2c. Die Interessen des liberalen Mastbürgerthums“ sind maßgebend für den Gang der Reichs- politik; der ganze „Kulturkampf“ ist von den deutschen Regie⸗ rungen in Szene gesetzt worden, um die öffentliche Aufmerksam⸗ keit von den Schwindelgeschäften der Gründer abzulenken ꝛe, Vor uns liegt der Jahrgang 1875 des „Starkenburger Boten.“ Wir schlagen, um eine Stichprobe zu geben, die Nr. 68 auf, welche einen Artikel über die Sedanfeier enthält. Darin werden die Folgen der Schlacht bei Sedan, wie folgt, geschildert: Ein übermüthiges, Franzosenthum wurde niedergeworfen und ein noch übernüäthigeres Thum trat an seine Stelle und mit ihm die Untugenden seiner slavischen Vorfahren, der Wen⸗ den, Serben und Obotriten: slavischer Sinn, Treulosigkeit, politifche Heuchelei, Sauhirten⸗ und Reptilienwirth⸗ schaft, Stellenjägerei und Parteiherrschaft u. s. w.“ Wir denken, dlese Probe genügt für unsere Leser, um daraus zu entnehmen, welche Schmaͤhungen gegenwärtig unge⸗ straft gegen das Reich gewagt werden dürfen. Daß aber die gehäfsige, hämische Sprache der ultramonta⸗ nen Blätter gegen Alles, was vom Deutschen Reiche kommt, nicht ohne Einfluß auf die Gesinnung des Volkes bleiben kann, daß die Achtung vor dem Gesetz und der Rechtssinn darunter leiden, wenn Ausschreitungen, wie die oben erwähnten, unge⸗ ahndet begangen werden, daß mit dem Respekt vor dem Staat und seinen Einrichtungen auch der Gehorsam schwindet, dies sind Sätze, die eines besonderen Beweises nicht bedürfen. Zuin Schlusse seiner Rede ging der Herr Minister auf die Frage ein, ob man von der Presse selbst die Heilung der durch fie verursachten Schäden erwarten dürfe. Er bemerkte in dieser Hinsicht wörtlich:

„Es ist gestern davon die Rede gewesen, daß die Presse selbst denn auf die Presse kommt es ja hauptsächlich an das Gegen⸗ gift gegen ihre eigenen Ausschreitungen enthalte. Das mag ein Körnchen Wahrheit haben, wenn es sich darum handelt, Meinungen auszutauschen. Wenn also beispielsweise die Theorie der Sozial—⸗ Demokraten in der Presse vertreten wird, so läßt sich derselben eine andere Theorie entgegenstellen, aber wenn ein ultrameontanes oder sozialdemokratisches Blatt das Reich beschimpft, so ist doch das kein Gegengewicht, wenn ein liberales Blatt die Kirche beschimpft. Dies aber ist die Gegenwirkung der Presse, ich beobachte das genau. Je schärfer, je beleidigender die ultramontane und die sozialdemokra⸗ sische Presse wird gegen das Reich und, seine Einrichtungen, um so schärfer und beleidigender replizirt die liberale Presse. Das ist nur ein gegensestiges Hetzen, und zwar hetzt jedes Blatt immer die eigene Partei. Das ist gerade das Gefährlichste bei der Sache. Die Presse wirkt nicht in dem Sinne als Gegengewicht, daß der andere Theil sich beruhigt, sondern sie hetzt die eigene Partei noch mehr auf, und hierin liegt gerade auf konfessionellem Boden eine außerordentliche Gefahr, die konfesstenellen Hetzereien zwischen Kathollken und Pro⸗ testanten nehmen gerade durch die Art und Weise zu, wie die Presse von der einen oder der anderen Seite kämpft. Nun, ich bin nicht sehr ängstlich in dieser Bezie⸗ hung, ich traue weniger der Einwirkung der Presse gegen soziale und ultramentane Bestrebungen, fonbern ich vertraue mehr auf das ge⸗ funde Phlezma, das noch in unserem Volke herrscht und von dem es noch einen großen Vorrath hat. Aber, meine Herren, wenn dieses Phlegma einmal aufgezehrt ist, wenn es sich in Pathos umgesetzt haben wird und dazu trägt gerade die gegenseitige Aufhetzung der Presse bei dann wird es seh? schwer seln, in Beutschland noch Srdnung und Sicherheit auftecht zu erhalten. Meine Herren! Es ist sehr gefährlich und ich glaube, daß ich das dem Hrn. Abg. Lasker in UÜeb reinstimmung mit seinem Gesinnungsgenossen Hrn. Bamberger vorhalten darf es ist sehr gefährlich, sich ein zu poetisches Ideal von unserem Volke zu machen; wenn man seine eigenen edlen und erbabenen Ge⸗ sinnungen auch auf das Volk überträgt, wenn man ste einem Jeden im Volke zutraut, dann irrt man sich ganz gewaltig. Es ist in unse—⸗ rem Volkè noch ein Fonds von Rohheit vorhanden, für den Sie, wenn Sie die Motive der Strafgesetznovelle genau gelesen haben, Beispiele gefunden haben werden, die wahrhaft haarsträubend sind; es sind Dinge mitgetheilt, von denen ich zur Ehre der Nation gewünscht hätte, es wäre nicht nöthig gewesen, sie unter den Reich stagsdruck⸗ fachen zu veröffentlichen; aber es ist gut, wenn man erfährt, wie viel Reohheit und Bestialität in unserem Volke noch steckt. Und nun den⸗ ken Sie sich, meine Herren, daß die Agitationen noch weiter gehen, daß die Parteien sich gegenseitig in ihrem Haß bestärken, daß die Agitationen gerade in den unteren Schichten des Volkes zu einem Punkte gelangt sind, wo das Phlegma ganz aufgezehrt ist und wir werden vielleicht eine Kommun: haben, gegen die die Pari er Kom mune noch eine harmlose Gesellschaft war.“

Nachdem wir im Obigen die in der Rede des Gr. Minister⸗ Präsidenten zu Gunsten des 5. 131 der Strafgesetznovelle vor⸗ gebrachten Gründe mitgetheilt haben, bleibt uns noch übrig, auch die Gegengründe zu prüfen.

Von den Rednern, welche in der Reichstagsdebatte vom 28. v. M. gegen den 5§. 131 der , , sprachen, wurde zwar zugegeben, daß bei der jetzigen Lage der Strafgesetzgebung der Staat gegen beleidigende Angriffe weniger geschützt ist, als die Privalpersonen, sowie die Kirchen⸗ und Religionsgesellschaften. Aber es wurde das Bedürfniß bestritten, dem Staat einen wei⸗ tergehenden strafrechtlichen Schutz gegen Ehrenkränkung zu ver⸗ schaffen. Man hielt die bestehenden Strafbestimmungen für aus⸗ reichend und zwar aus verschledenen Gründen. Von einer Seite wurde nämlich geltend gemacht, daß man die Wahrung der

dem Reiche Achtung und Ehrfurcht im Volke zu verschaffen und das,

Minister⸗Präsidenten gegen Angtiffe zu verthädigen, denen die

glaube ich, wird systematisch verhindert durch das Bestreben gewisser

Ehre des Staats füglich den Buͤrgern selbst überlassen kõnne.

Wir sind der Meinung“ so sa

4 nung gte der betreffende Redner daß die Bevölkerung, daß die große und überwiegende Majorität so eng mit allen ihren Fasern verwachsen ist mit den Inreressen und der Ehre des Staates, daß wir getrost diesen Bürgern selbst die Verthei— digung der Ehre des Staates anheimgeben können.“

In welcher Weise diese Selbsthülfe ausgeübt werden soll,

e. nicht näher angegeben. Von anderer Seite wies man darauf hin, daß der St auch bei der jetzigen Lage des k. 2 gegen * leidigungen geschützt fei, weil Angriffe auf die Ehre des Staates nicht leicht vorkämen, ohne daß zugleich eine Person oder Körperschaft oder Behörde beleidigt sei, welche dann den Strafantrag wegen der ihr zugefügten Beleidigung siellen könne. . Wir verweilen einen Augenblick bei diesem Punkte weil der hier gemachte Einwurf einen gewissen Schein für sich hat. Bei näherer Betrachtung wird man indessen zu⸗ gestehen müssen, daß es eine Reihe von For⸗ men giebt, in denen dem Reich oder dem Staat gegenüber die äußerste Verachtung an den Tag gelegt werden kann, ohne daß eine bestimmte Person oder Behõrde dadurch beleidigt eischeint. Die von uns oben angeführte Stelle aus einem Leitartikel des ‚Starkenburger Boten“ liefert dazu ein treffendes Beispiel. Dazu kommt, daß politische Körperschaften wie der Reichstag, oder Behörden es in der Regel verschmaähen, den Strafantrag wegen Beleidigung zu stellen. Wird aber eine Ehrenkränkung, welche dem Staat und seinen Einrichtungen galt von dem hetheiligten Einzelnen, als eine zugleich gegen ihn ge⸗ richtete Beleidigung verfolgt, so gewinnt die Sache einen an— deren, weit gehässigeren Charakter und die Strafe erscheint nicht als eine dem Staat, sondern lediglich als eine dem Individuum gewährte Genugthuung. Dies zeigt sich gerade an dem Beispiel des Fürsten Bismarck, welcher nach den Worten des Abg. Lasker häufig mit seiner Person zugleich die Ehre des Staats zu decken gezwungen ist. Mit vollem Recht wurde von unserm Minister⸗Praͤsidenten in einer kurzen Entgegnung darauf aufmerksam gemacht, daß es kein gesunder Zustand sei, wenn man dem Reichskanzler zumuthe, auf seine Person eine „Last von Gehässigkeit-⸗ zu übernehmen, um für die Ehre des Reichs ein— zutreten. Ein weiteres Argument wurde gegen den 8. 131 der Straf— gesetznovelle aus der Unbestimmtheit . gage nud desselben . leitet Diesem Argument, welches auch in der Bezeichnung des §. 31 als eines Kautschukparagraphen⸗ einen populären Ausdruck ge⸗ funden hat, liegt die Befürchtung zu Grund, daß die Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung allzusehr und zwar auf eine für den Betheiligten selbst im Voraus nicht berechenbare Weise eingeschränkt werden könnte, wenn die Grenze zwischen der erlaubten Diskussion und der strafbaren Ausschreitung nicht durch ganz bestimmte Merkmale bezeichnet sei. Wir bestreiten das Gewicht solcher Bedenken nicht, aber es han⸗ delt sich dabei doch nur um eine legislatorische Schwierigkeit und diese Schwierigkeit muß sich überwinden lassen, sobald man über die nothwendigen Schranken der Diskussionsfreiheit im Klaren ist. Giebt man zu, daß das Recht der freien Meinungsäußerung geübt werden kann, ohne daß dabei die Ehre des Staats angetastet wird; giebt man zu, daß es ein strafwürdiges Beginnen ist, wenn das Recht der freien Meinungs— äußerung absichtlich zur Herabwürdigung des Staats und seiner Einrichtungen mißbraucht wird, so sind die Gesichtspunkte gegeben deren präͤzise armulirung für den Juristen nicht unmöglich sein wird. Hältman dabei als Voraussetzung der Strafbarkeit das Vor⸗ handensein der beleidigenden Absicht fest, die sich entweder in der Behauptung unwahrer und ehrverletzender Thatsachen oder im Gebrauch beschimpfender Ausdrücke bethätigt haben muß, so wären damit für die richterliche Beurtheilung, unseres Erachtens, genügend feste Anhaltspunkte gegeben, um einerseits die Freiheit der Meinungsäußerung und andererseits die Ehre des Staais und das Ansehen seiner Einrichtungen sicher zu stellen. Der Vorwuif einer allzugroßen Dehnbarkeit würde dann der betreffenden Strafbestimmung nicht gemacht werden können. Ganz ausgeschlossen ist freilich das richterliche Ermessen niemals bei der Beurtheilung der Frage, ob im einzelnen Falle die Voraussetzungen der Strafbarkeit einer Handlung vor— liegen. Hat doch auch der Richter im Falle der Anwen⸗ dung des §. 185 des Strafgesetzhuchs zu entscheiden, ob eine Beleidigung vorliegt, ohne daß das Strafgesetzbuch eine De⸗ fin tion von Beleidigung giebt und im Falle des §. 186 prüft der Richter nach seinem Ermessen, ob eine Thatsache, die Je⸗ mand von einem Anderen behauptet, den Letzteren verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. Dennoch hat man bis jetzt die §. 185 und 186 , nicht zu den „Kautschukparagraphen“ zahlt.

Und wenn der Richter bei Anwendung des 5. 166 des Strafgesetzbuchs mit genügender Sicherheit zu beurtheilen ver⸗ steht, ob die er oder jener Ausdruck eine Beschimpfung der Kirche oder einer Religionsgesellschaft oder ihrer Einrichtungen und Ge— bräuche enthält, warum will man dem Richter nicht dieselbe Fähigkeit zutrauen, wenn es sich um beleidigende Angriffe gegen den Staat oder staatliche Einrichtungen handelt?

Jedenfalls handelt es sich bei dem hier zuletzt besprochenen Bedenken gegen §. 131 der Strafgesetznovelle weniger um die Sache selbst, als um die Form, und es war deshalb gewiß gerechtfertigt, wenn der Gr. Minister-Präsident in der Reichskags⸗ debatte vom 28. v. M. den Wunsch aussprach, daß man sich bis zur dritten Lesung über eine Fassung des 5. 131 verstän⸗ digen möchte, welche von Regierung und Reichstäg angenommen werden könnte.

Der

Dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen. auch bei der dritten Berathung der Straf⸗

43. hat gesetznovelle den §. 131 in der vorgeschlagenen Fassung einfa abgelehnt. Insofern also ist der Zweck, . e n

Regierungen im Auge hatten, als sie diese neue Fassung vor⸗ schlugen, nicht erreicht worden.

Ganz erfolglos aber sind die Reichstagsdebatten über §. 131, sowie über den gleichfalls abgelehnten 8. 130 doch wohl nicht gewesen. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist in scharfer Weise auf Uebel stände und auf Gefahren hingewiesen worden, die man in der Gewohn⸗ heit des Alltagslebens nur zu leicht übersieht. Das grelle Schlaglicht, welches auf das Treiben der sozial demokratischen und der ultramontanen Presse fiel, hat gewiß Manchem, der solchem Treiben bisher mit voller Gemüthsruhe gegenüberstand, die Augen über den Ernst dieser Dinge geöffnet.

Nachdem der Reichstag es abgelehnt hat, den Regierungen die schärferen Waffen in die Hand zu geben, welche sie gegen sozialdemokratische und ultramontane Parteiagitationen in der Strafgesetznovelle begehrten, so ist es nun doppelte Pflicht eines Jeden, dem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, diesen Agitationen nach Kräften selbst entgegenzutreten. Wir

die Strafgesetznovelle einen heilsamen Einfluß auf unser öffent⸗ liches Leben ãußern, ehe man, vielleicht durch 3 wr rungen belehrt, genöthigt sein wird, noch weit strengere Maß⸗ 3. 4 ö haben, zum S es nationalen Staats und ü ĩ 23 und der bürgerlichen Gesellschaft

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 18. Febru Ferrenhaus nahm den internationalen n · sowie die Gesetzentwürfe wegen Abänderung einiger Beflimmun⸗ gen der Maß- und Gewichtsordnung und betreffend die Aus⸗ r = der Fassung des Abgeord⸗

auses an. odann wurde die i it⸗ . Wahl der Delegationsmit⸗ 179. Februar. Im Abgeordnetenhause fan ie zweite Lesung der ohn dn n n, . 94st! statt. Der Antrag Kronawetters auf Uebergang zur Tagesord— nung wurde abgelehnt, der Antrag Steudls, die Regierung auf—⸗ zufordern, die von den Konzessionären der mährisch⸗schlesischen Centralbahn erlegte verfallene Kaution von 100, 0060 Gulden ein— zuziehen, angenommen. Sodann wurde das Gesetz nach dem Ausschußantrag angenommen; ebenso ward der Vertrag zwischen Oesterreich⸗Ungarn und der Schweiz, betreffend die Regelung der Rechtsverhältnisse der beiderseitigen Staatsangehörigen und das Gesetz betreffs der Fristbestim mung zur Geltendmachung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Finanzorgane in zweiter Lesung angenommen. Das Gesetz, betreffend die Einhebung der Verzehrungssteuer, wurde bei namentliche Abstimmung in dritter Lesung ,

(Prag. Abendbl.) Dem vom niederösterreichischen Land— tage beschlossenen Entwurse eines er . R Gemeindeordnung der Stadt Wien abgeändert wird, ist die Kaiserliche Sanktion nicht zu Theil geworden. Der Gesetz⸗ entwurf hatte die Ausdehnung der Wahlberechtigung auf alle Gemeindeangehörige und Gemeindegenossen auch ohne das bis⸗ herige Siforderniß der Einkommensteuerentrichtung im Betrage von zehn Gulden K. M., ferner die Verleihung des Wahlrechis an sämmtliche definitiv angestellte Lehrer und Unterlehrer der Wiener Volks⸗ und Bürgerschulen zum Zwecke

Schweiz. Bern, 16. Februar. Ueber eiẽ Toei Versammlung in Matten hof, an welcher angeblich meist deutsche Arbeiter Theil genommen haben sollen, wird dem Berner „Bund“ unter dem 14. geschrieben:

Eine gestern in Mattenhof stattgehabte, Personen (meist Deutschen) besuchte. Arbeiterversammlung hat eine Resolution beschlossen: „Die in Mattenhof ver— sammelten Arbeiter erklären das Gebahren der Fabrikherren in der Felsenau als menschenunwürdig und geben dasselbe der Verachtung jedes ordentlichen Menschen preis.“ Zu bemerken ist dabei, daß aus der Fabrik Felsenau keine Arbeiter anwesend waren, daß dieser Beschluß insofern ein einstimmiger war, als sich eine sehr große Zahl der Anwesenden (die Schweizer näm⸗ lich) der Stimmabgabe enthielten und daß der Beschluß selbst merkwürdigerweise auf eine bloße Behauptung eines Einzelnen hin ohne vorgängige Diskussion oder nähere Untersuchung gefaßt wurde, eine Leichtfertigkeit, die an und für sich schon genugsam den Charakter dieser deutschen Sozial— propheten kennzeichnet. ; 3 Es lohnt sich indessen der Mühe, die Verhandlungen ewas näher anzusehen. Ausgeschrieben war die Versammlung zu dem Zwecke: die Ziele und Zwecke der Arbeiterbewegung zu er— örtern. Der Referent, ein gewisser Reinsdorf, seines Zei⸗ chens ein Schriftsetzer, gab denn auch eine Beleuchtung dieser Zwecke, und zwar an der Hand des bekannten Programms des schweizerischen Arbeiterbundes, welcher unter Anderem als erste Forderung die Verminderung der Arbeitszeit auf 10 Stunden per Tag hinstellt und sodann Festsetzung eines den Bedürfnissen der Exzistenz der Arbeiter angemessenen Lohnes und möglichste Beschränkung der Kinderarbeit verlangt. Dies führte ihn auf das JBabrikgesetzz und, was ihm offenbar die Hauptsache war, zu langen Anklagen gegen die Direktoren der Felsenau, namentlich Herrn Werder, denen er vorwarf, daß sie ihre Arbeiter aussaugen, um aus dem Schweiße der Armen herrlich und in Saus zu leben, und endlich zu folgendem Kraftspruche: „Ich erkläre hier in dieser Versamm⸗ lung, daß die Leute in der Felsenau bestohlen werden!“ Hierauf allgemeines Bravogebrüll von Seite der anwesenden Deutschen, worauf ein pathetisches Citat aus Schillers „Tell“ folgte. Redner nahm dann die ferneren Punkte des sozialistischen Programms durch, jedoch meist sehr rasch, offenbar, um schleunigst zum zweiten Theile seines Hauptzweckes zu gelangen, der nun darin bestand, daß er der schweizerischen Presse „Tagwacht“, „Winterth. Landb.“ und „Grütlianer“ ausgenommen nach Noten den Tezt las. Das Prinzip dieser herrschenden Blätter, dieser „Bourgegisiepresse“, sei nichts als Gelderwerb; die öffent— liche Meinung sei eine nach diesem Grundsatze von ihr gemachte. Daß auch der „Bund“ als „allen Revolutionen feindliches Blatt“ seinen bescheidenen Theil bekam, darf Sie nicht wundern. Als auch das vorüber und pflichtschuldigst applaudirt war, kam der Knalleffekt: „Trennung von Kirche und Staat in der Schule“ und daher man staune! „fort mit dem Herrgott, der sei Blödsinn; den Kindern von einem Gott zu reden, sei Unsinn; die Religion sei überhaupt ein hergebrachter Schwindel“ u. s. w. Wir mögen die Ausdrücke nicht alle wiederholen, welche dieser Derr mit eynischem Behagen und einem alles bessere Gefühl aufs Tiefste verletzenden Hohne zum Besten gab; wir können höchstens bedauern, daß, als von schweizerischer Seite dagegen protestirt wurde, er womöglich noch frivoler ward und von andern seiner Stammgenossen in einer Weise unterstützt wurde, welche seine und ihre Hohlheit und Qberfläch—⸗ lichkeit unter dem schillernden Gewande eines gelehrten Sammel⸗ suriums und vom Zaune gerissener Reminiscenzen verbergen sollte. Zum Schlusse siellte der Redner als einziges Rettungsmittel die allgemeine Verbindung und Organisation auf, damit die Bourgeoisie recht bald die Massenschritte der Arbeiterbataillone zu hören bekomme.“

Großbritannien und Irland. London, 20. Februar. (W. T. B) Wie dem „Observer“ aus Cairo vom gestri⸗ gen Tage gemeldet wird, ist der General⸗Zahlmeister Tape nach Alexandrien abgereist General Stokes hat für die Regierung und Lesseps für die Suez⸗Gesellschaft ein Abkommen unterzeichnet, nach welchem die bisherige Zu— schlagssteuer durch eine andere Zuschlagssteuer ersetzt wird, welche jährlich bis zu der im Jahre 1882 erfolgenden Auf⸗ hebung der Steuer stufenweis um 50 Centimes fällt. Lesseps hat nunmehr seinen in Konstantinopel erhobenen Protest zurück⸗ gezogen. Die Gesellschaft wird jährlich 1 Million für die im

von circa 300

wollen hoffen, daß in dieser Hinsicht die Reichstagsdebatten über

Frankreich. Ueber die Deputirt ahlen liegen fol Nachrichten des . T. B. , ) . Paris, 20. Februar, Abends 11 Uhr. Bei der heu⸗ tigen Deputirtenwahl, wurden in den 19. Arxondissements von Paris Brelan (im 9. Arrondissemenh, Barodet, Louis Blanc (dieser zweimal), Oberst Denfert-Nochereau, Thiers (im 2. Arrondissement), Brisson, Floquet, Greppo, Mar⸗ mottan, Lockron, Gambetta und Clemenceau gewählt. 3M sie⸗ ben Arrondissements ist eine anderweite Wahl nothwendig: im 1 6 eos von Decazes die relative

t rheit. e Gewählten gehören der republikani 2 . 2. * h gehören der republikanischen

21. Februar, früh. Bis jetzt ist das Resultat ar Wahlbezirken bekannt. Unter 1. ee l er . 6 3 Fonservative, 2 Konservativ⸗Konstitutionelle, 19 konservative Republikaner, 8 Bonapartisten, 2 Legitimisten, 47 Republikaner s Radikale; in 17 Wahlbezirken ist eine Stichwahl nothwendig Unter den gewählten Bonapartisten befinden sich Rouher, der Herzog von Mouchy und Janvier-Lamotte, unter den gewählten Republikanern Jules Ferry und Jules Grévy. Gambetta ist viermal fin Paris, Bordeaux, Lille und Marfeille) gewählt.

21. Februar, Vormittags. Es ist nunmehr das Kesultat von 169 Wahlen bekannt, Unter den Gewählten befinden sich 5 Konser⸗ vative, 6 Konservativ⸗Konstitutionelle, 30 konservative Republi⸗ kaner. 7 Legitimisten, 17 Bonapartisten, 68 Republikaner, 11 Radikale; in 25 Wahlbezirken ist eine Stichwahl nothwendig.

Das offizielle Blatt veröffentlicht folgende Note: „Die Of fiz ie re der Reserve und der Territorial-Armee haben bolle

Freiheit, sich ohne die Ermächtigung der Militärbehörde, jedoch unter der Bedingung. sich nicht ihres Offiziertitels zu bedienen mit literarischen, industriellen oder kommerziellen Angelegenheiten zu beschäftigen und in dieser Hinsicht die ihnen gutdänkenden Veröffentlichungen zu machen. Sie müssen im Gegentheil den Regeln gemäß, welchen die Offiziere der aktiven Armee unter— 26 fich . Ermächtigung des Ministers versehen ie auf das Militärwesen Bezug habende K ver öffeÆJjMꝓichen wünschen.“ . w . Der „Moniteur“ vom 18. d. M. enthält folgende Mit— theilung: „Die in der letzten Zeit an unserer Phrenäen⸗ grenze vorgekommenen Gebiets verletzungen haben den Kriegs⸗Minister bestimmt, den Truppen des XVIII. Armee-Corps die strengsten Maßregeln vorzuschreiben, um das Leben unserer Mitbürger und das der Soldaten der 71. Infanterie⸗Brigade sicherzustellen. Nach und nach zurückgeworfen, halten die Ear— listen die Grenze nur noch auf eine Strecke von 22 Kilo— meter besetzt. Diese kritische Lage macht sie sehr vorsichtig, und die Annäherung der geringsten Truppe bringt ihre Abtheilungen auf die Beine. Es entstehen daraus auf der Linie von Vera bis zur Brücke von Dancharinen ohne Auf— hören Streitigkeiten. In Folge des unerklärlichen Angriffs am 5. sandte der General Pourcet nach diesem Punkt sofoꝛt von Bayonne VBerstärkungen, welche die 18. Kavallerie- und In⸗ fanterie⸗Brigade lieferte. Seit gestern sind alle Vorkehrungen getroffen, um den Eventualitäten des letzten Kampfes zu be— gegnen, welchen die spanische Armee den Carlisten liefern wird, sei es nun, daß dieser letzte Kampf zu Gefechten mit den Truppen des Generals Moriones führt, um die Carlisten nach Frankreich zu werfen, sei es, daß er als Resultat hat, sie nach Navarra. zu drängen, nachdem man sie von der spanisch⸗ französischen Grenze abgeschnitten hat.“

Spanien. Madrid, 19. Februar. Vom Kriegs—⸗ schauplatze liegen folgende Nachrichten des ‚W. T. B.“ vor: Einer Mittheilung der amtlichen Zeitung zufolge hat sich Est ella heute Vormittag 8 Uhr dem General Primo di Rivera auf Gnade und Ungnade ergeben.

. Es bestätigt sich, daß die Position der Carli sten bei Montejurra von den Regierungstruppen genommen worden ist; der carlistische General Calderon fiel dabei in ihre Hände. Der Verlust der Regierungstruppen betrug 300 Mann. . Aus Bayonne vom 19. Februar wird ferner telegra— phirt: Die Regierungstruppen haben Penaplata besetzt. Ueber Hendaye, 20. Februar, geht folgende Nachricht ein: Die Regierungstruppen haben Enderlosa, Lasta ola und die Vera umgebenden Höhen genommen. Die Carlisten befinden sich auf der Flucht.

20. Februar. Nach Mittheilungen, welche der Regierung zugegangen sind, hat General Martinez Campos Penaplata und Vera genommen.

. 21. Februar,. Morgens. Nach hier eingegangenen Nach— richten dringen die Re gierungstruppen überall flegreich vor; der König ist in Azeoitig eingetroffen. General Primo di Rivera hat sämmtliche Forts von Navarra besetzt. Der größte Theil der in Sstella befindlich gewesenen Aittillerie der Car⸗ listen ist bei der Uebergabe der Stadt in die Hände der Re⸗ gierungstruppen gefallen. Nur ein kleiner Theil ist von den Carlisten vernichtet worden.

Rußland und Polen. St. Peters burg, 21. Februar. (W. T. B) Die Großfürstin Maria Nicolajewna ist heute früh 1 Uhr ihren Leiden erlegen. Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Maria Nicolajewna, älteste Schwester Sr. Majestät des Kaifers Alexander II. von Rußland, war am 6. / 18. August 1819 geboren und seit dem 2/14. Juli 1839 an den Herzog Maximilian von Leuchtenberg vermählt. Im Jahre 1852 wurde sie Wittwe. Seit dem Jahre 1856 war die Großfürstin dem Grafen Gregor Sirogonaw vermählt. Ihre Kaiserliche Hoheit war Inhaberin des Kaiserlich russischen Dragoner ⸗-Regimentes Catharinoslaw“.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 10. Februar. Die „Schwedisch⸗Norwegische Korrespondenz“ enthält folgendes, wie ö auf offiziellen Mintheilungen beruhendes, De⸗ menti: In der gestern hier eingetroffenen Nr. 31 der „Kreuzzei⸗ tung“ vom 6. Februar finden wir unter der Rubrik „Schweden und Norwegen“ eine der „Pall-Mall-Gazette“ entnommene Notiz, in welcher es heißt: „Die schwedische Zeitung „Nya Dagligt Allehanda“ (die „P. M. G.“ oder die „Kreuzzeiung“ fabrizirt daraus, ver⸗ mittelst Radbrechens, den wohlklingenden Namen „Nyadayl Alleto“) enthielt neulich mehrere Leitartikel unter dem Titel „Bilder der Zukunft, deren Autorschaft allgemein und ohne Zweifel richtig dem Könige Oscar selber zugeschrieben wurde. Die Artikel befürworteten eine starke Entwickelung der schwe⸗ dischen Marine und deuteten indirekt auf die Herstellung eines standinavischen Königreichs, Dänemark mit inbegriffen, hin.“ Wir sind bevollmächtigt, diese Vermuthung, betreffend die Autorschaft, als durchaus grundlos zu bezeichnen. Dieselbe Notiz bringt außerdem nach der Malmöer Zeitung „Snällposten? eine wohlgenährte Ente auf den Markt, die mit der beiläufig

Kanal nöthig werdenden Reparaturen zahlen.

vellständig unbegründeten Ankündigung, daß sie „das allge⸗=