Ges. vom 18. Mai 1873), kann nicht von der Frage abhãngig sein, ob durch dasselbe die bürgerlichen Ehrenrechte im Sinne bes Str. G. B. berührt werden, da überhaupt kein kirch⸗ liches Strafmittel auf den Genuß der bürgerlichen Ehrenrechte im Sinne des Str. G. B. Einfluß hat und daher von der An⸗ wendung dieses Kriteriums unmöglich die Rede sein kann; und auch im Abs. 2 des 5. 1. cit. kann bei den Strafmitteln gegen die bürgerliche Ehe nicht an die Bestimmungen des Strafgesetz⸗ buchs über die bürgerlichen Ehrenrechte und deren Aberkennung gedacht sein. Dagegen müssen die (in der Nichtigkeitsbeschwerde) auf Verletzung der F5§. 1 und 4 des Gesetzes vom 13. Mai 1873 gegründeten Angriffe für gerechtfertigt erachtet werden.. Das an sich zulãssige Strafmittel der Ausschließung aus der Kirchen⸗ gesellschaft kann zu einem unzulässigen in zwei Fällen werden: entweder durch das Hinzuziehen der Verkehrssperre, durch welche die SSeommunicatis8 major zu einem gegen die bürger⸗ liche Ehre gerichteten Strafmittel im Sinne des §. 1 Abs. 2 werden kann, oder durch eine nach §. 4 4. a. O. unzulässige Verkündung. Der §. 1 des Gesetzes vom 13. Mai 1873 verbietet, daß ein unzulässiges Strafmittel angedroht, ver⸗ haͤngt oder verkündet werde. Im vorliegenden Falle, in welchem nur eine Androhung in Frage ist, genügt daher nicht die bloße Androhung der escommunicatio maior; es mußte vielmehr, wenn dieselbe strafbar sein soll, auch festgestellt werden, daß die An⸗ drohung eines jener beiden Momente mit umfaßt habe, durch welches die Exkommunikation zu einem unzulässigen Zuchtmittel wird. Die Feststellung der bloßen Absicht des Angeklagten oder des Willens deffelben, eines jener Momente eintreten zu lassen, ersetzt diese Feftstellung nicht, weil der Schutz des Gesetzes nicht gegen die ünausgesprochene und nicht erkennbar gemachte Absicht der An⸗ wendung eines unzulässigen Strafmittels gewährt ist, die Be⸗ einträchligung der Rechte des Bedrohten vielmehr erst dann be⸗ ginnt, wenn aus der Androhung selbst die Unzulässigkeit des angedrohten Strafmittels zu entnehmen ist.“
— Der Redacteur N. von Gruszeynski in Posen war wegen öffentlicher Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze auf Grund des 5. 10 des Str. G. B. von dem Appellations⸗ gericht zu Posen verurtheilt worden. Die vom Angeklagten da⸗ gegen eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Ober⸗Tri⸗ bäün al am 35. Januar d. J. zurückgewiesen, indem dasselbe in feinem Erkenntnisse folgende für die Interpretation des 5§. 110 des Str. G. B. (. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Aus⸗ stellung von Schrfften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam
egen Hesetze oder rechts gültige Verordnungen oder gegen die von
8 Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anord⸗ nungen auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thakern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraftn) wichtige Sätze aussprach: „Es ist nicht verständlich, wenn Angeklagter den 5. 110 nur auf solche Gesetze bezogen wissen will, welche generelle Anordnungen enthalten, welche ein bestimmtes positives oder negatises Verhalten vorschreiben, einen beftimmten Ge⸗ horsam fordern; denn jedes Gesetz ist allgemein verpflich⸗ fend, fordert ein dem Gesetze entsprechendes Verhalten, den Gehorsam gegen das Gesetz und diese Kriterien bedürfen daher in Beziehung auf Gesetze nicht einer besonderen Prüfung. Ebenso ist es unerheblich, ob die gesetzliche Pflicht, zu deren ungehorsamer Verletzung aufgefordert worden ist, nur auf einem Gesetze beruht, oder aus dem Zusammenhange meh⸗ rerer Gesetzesbestimmungen herzuleiten ist. Endlich ist die Pruͤ⸗ fung, ob eine bestimmte Aeußerung als eine „Aufforderung“ zum Ungehorsam anzusehen sei, wenn sie den Ungehorsam nicht mit aus⸗ drücklichen Worten fordert, ausschließlich Beweis frage und daher in diefer Instanz nicht nachzuprüfen; es folgt hieraus von selbst, daß nicht jeder Tadel eines Gesetzes als indirekte Aufforderung zum Ungehorsam dem §. 110 unterliege, vielmehr die Frage, Ib der Tadel nur ein soͤlcher sei oder zugleich eine Aufforderung zum Ungehorsam enthalte, der konkreten thatsächlichen Prüfung anheim fällt und auf diesem Wege die von dem Angeklagten befürchtete Verwischung der Grenzen der 58. 110 (betreffend die Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze) und 131 des Str. G. B. (betreffend das Verächtlichmachen von Staats⸗ einrichtungen) vermieden wird.“
Posen, 2. März. Die „Posener Zig.“ schreibt u. A.: „Bekanntlich hat die katholische Presse vor 2 Jahren die an⸗ scheinenden Hoffnungen des Grafen Chambord in Frankreich und bez Don Carlos in Spanien in der ausgiebigflen Weise als ein Vorzeichen des Triumphs der katholischen Kirche gefeiert. Jetzt, nachdem die Illusionen in dieser Beziehung gründlich zu Schanden geworden sind, verkünden dieselben Blätter, daß es im Rathe der Vorfehung beschlossen scheine, an die Stelle der monarchischen Ordnungen in Europa republikanische Ein⸗ richtungen zu setzen, und gleichzeitig sprechen fie sich dahin aus, daß niemals eine lediglich politische Einrichtung eine Ordnung Gottes sei und daß der gute Katholik in einer Republik eben so gut wie in einer Monarchie seiner Aufgabe nachgehen könne. Der Liberalismus irre sich, wenn er glaube, daß die katholische Kirche und ihre Kinder unbedingte Gegner der wepublikanischen Verfassung seien. Und damit die praktische Rutzanwendung nicht fehle, wird auseinandergesetzt daß die Zu⸗ stände im Deutschen Reiche nicht geeignet seien, die Liebe und das Vertrauen zwischen Fürst und Volk zu stärken. Dieser avis an lecteur wird jedenfalls verstanden und beherzigt werden, aber gewiß nicht im Sinne und nach den Absichten der ultra— montanen Presse.“
Bayern. München, 29. Februar. Der Herzog und die Herzogin von Anhalt find heute Morgens hier ein⸗ getroffen und im Hotel zu den vier Jahreszeiten abgestiegen, wo dieselben heute Nachmittag einen Besuch Ihrer Masjestät der Königin⸗Mutter empfingen. Die beiden Prinzen des Herzog⸗ lichen Paares find bekanntlich während des dermaligen Winter⸗ semesters an der hiesigen Hochschule immatrikulirt. Die Hohen Herrschaften werden nächster Tage die Reise nach Italien fort⸗ fetzen. — Auf morgen ist eine Sitzung des Staats rathes ,, in welcher Vorlagen für den Landtag berathen wer⸗ den sollen.
Oesterreich⸗ ungarn. Wien, 1. März. Der Kaiser at den Frhrn. Alfred v. Rothschild in London zum unbe⸗ soldeten General⸗Konsul daselbst ernannt.
— (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Abgeord⸗ netenhauses wurde die Gefetzvorlage, betreffend die Fusion der galizischen Bahnen, in dritter Lesung angenommen. So⸗ dann wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Emission der öfterreichischen Goldrente, mit einem Amendement angenom⸗ men, wonach die Rententitel auf Gold, Silber und Papier ausgegeben werden können. Im Laufer der Debatte hob der Zinanz⸗Minister hervor, daß die Steuereingänge des Jah⸗
res 1875 die Voranschläge überschritten hätten und daß die finanziellen Verhältnisse daher nicht so ungũnstig lägen, wie man dieselben von Seiten der Rechten des Hauses darzustellen sich bemühte. Der Minister Unger wandte sich dar⸗ auf gegen die Ausführungen der Rechten und bemerkte, daß die Regierung ihren größten Stolz darin setze, die bevorstehenden Verhandlungen zu einem günstigen und gedeihlichen Abschluß zu bringen. Die Regierung habe den festen Willen, die Rechte und das Beste des Staates dabei zu wahren; sie gebe sich der sicheren Hoffnung hin, ihre Absicht zu erreichen. Wenn der gegenwãrtigen Regierung von der rechten Seite des Hauses eine gewisse Großmuth ge⸗ zeigt oder angeboten werde so sei diese Großmuth nicht dem Nicht⸗ wollen, sondern dem Nichtkönnen dieser Partei zu verdanken. Der Minister kennzeichnete die Taktik der Rechten des Hauses als darin bestehend, nur Mißtrauen zwischen der Regierung und ihrer Partei zu säen, und fuhr dann fort; Sollte je das Ministerium die traurige Erfahrung gewinnen, daß es das Ver⸗ frauen der Krone nicht mehr besitze, oder daß seine Anschauungen nicht mehr mit jenen seiner Partei übereinstimmen, so werde es nicht säumen, seine Entlassung zu nehmen, ob mit oder ohne Charakter, aber jedenfalls aus Charakter. Es werde dann das Bewußtsein mitnehmen, in schwierigen Zeiten seine Pflicht gethan zu haben und mit gutem Gewissen seinem Nachfolger die Leitung der Geschäfte übergeben zu können. (Lebhafter Beifall. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurde der n betreffend die Erlöhung der Staatsgarantie für die Kaschau⸗Oderberger Bahn, angenommen. Das Haus nahm schließlich die ,, vor.
— Z. März. (W. T. B.) Das Amtsblatt theilt den Ent⸗ schluß des Kaisers von Oesterreich⸗Ungarn und des Königs von Italien mit, ihre beiderseitigen Gesandtschaften zum Range von Botschaften zu erheben. (S. a. Italien.)
Niederlande. Haag, 1. März. (W. T.. B.) Die Zweste Kammer hat heute die Diskussion über die Zucker⸗ konvention auf nächsten Montag vertagt, um morgen in den Abtheilungen den Antrag des Deputirten Brynkops, be⸗ treffend die Aufhebung der Zuckersteuer, zu berathen. — Nach weiteren aus Atch in hier eingetroffenen Nachrichten hat der General Wiggers van Kerchen den Oberbefehl über die niederländischen Truppen an Stelle des verstorbenen Generals Pel übernommen und setzt die Operationen gegen die Einge⸗ borenen fort.
Großbritannien und Irland. London, 29. Februar. (C. C) Es wird nunmehr als bestimmt angegeben, daß die Abreise der Königin nach dem Kontinent am 25. März er⸗ folgt. Ihre Majestaͤt wird sich direkt nach Baden-Baden be⸗ geben und bei ihrer Rückkehr aus Deutschland den Prinzen zon Wales in Windsor begrüßen. Zur Feier der Heim⸗ kehr des Prinzen von, seiner Rundreise in Indien wird sodann eine Reihe von Hoffesten stattfinden. — Der Herzog und die Hexzogin von Edinburgh sind gestern zum Befuche bei der Königin nach Windsor abgereist. Heute hielt der Herzog, Namens der Königin, ein Lever im St. James ⸗-Palast ab. — Die Admiralität hat dem Eigenthũmer der Jacht „Mistleto en, welche von der Königlichen Jacht „Alberta“ vergangenen August in den Grund gebohrt wurde, eine Entschädigungssumme von 3000 Pfd. Sterl. zur Dispo⸗ sition gestellt. — Unter anderen Aktenstücken ist auch der Bericht Hrn. Rothery's an das Handelsamt über den Untergang des Dampfers „Deutsch! and ⸗ dem Parlamente vorgelegt worden. — Den so eben veröffentlichten Milizlisten für das verflossene Jahr zufolge betrug die effektive Stärke des Milizheeres in den drei Königreichen 139,490 Mann, Offiziere, Unteroffiziere und Gemeine, und zwar 923586 in England und Wales, 12,758 in Schottland und 34,146 in Irland. Zu Uebungen und Kontrolversammlungen stellten sich in England 65,830, in Schottland 10,183 und in Irland 22923. Die oben angegebene Stärke bleibt hinter der Normalstärke zusammen um 505 Offi⸗ ziere, 244 Offizianten bei den Stammburegus und 23, 097 Unter⸗ offiziere und Gemeine zurück. In die Milizreserve aufgenommen wurden im Jahre 1875 in England und Wales 4489, in Schottland 79 und in Irland 1481 Mann. Die Gesammtstärke der Miliz⸗ reserve stellt sich mit diesem Zuwachs auf 27,983 Mann. — Aus Shanghai wird gemeldet, daß Herr Grosvenor und die übrigen Mitglieder der britischen Untersuchungskom⸗ mission am 26. Januar in Satschau angekommen und daselbst von der britischen Eskorte empfangen worden find, die sie nach YJunnan begleiten wird.
— I. März. (W. T. B.) Dem Parlamente ist heute das Budget für die Marine vorgelegt worden. Dasselbe beläuft sich auf 11,288 872 Pfd. Sterl. und weist eine Ver⸗ mehrung um 463,678 Pfd. Sterl. auf. Letztere ist hauytsãchlich durch die Ausgaben für den Bau neuer Schiffe veranlaßt. Die Zahl der Matrosen und Seesoldaten bleibt unverändert.
Frankreich. Paris, 24. Februar. Die Wahlen bilden begreiflicherweise den fast ausschließlichen Gegenstand der Leit⸗ artikel fast sämmtlicher Blätter.
Vollkommen befriedigt äußern sich außer den Organen der Radikalen nur einige rein republikanische Blätter, wie ‚Répu⸗ bligue Frangaife‘ und ‚„Evénement“ zu denen sich auch ein Blatt der konservativen Republikaner, der „Temps“ gesellt. Alle übrigen Stimmen der letztgenannten Färbung konstatiren zwar mit großer Befriedigung die definitive Begründung der Republik, drücken aber gleichzeing ihr Bedauern über die extremen Elemente aus, von denen sie befürchten, daß sie den Auf⸗ gaben der neuen Assemblse durch ihre Ueberstürzung hinderlich sein könnten. Das „Journal des Débats beklagt die unverbesserliche Verblendung der großstãdtischen Wähler, insbesondere der Pariser, giebt aber der Hoffnung Raum, daß es den gemäßigten Republikanern gelingen werde, die Ra⸗ dikalen im Zaum zu halten. Denselben Wunsch drückt ohne Zuversicht das orleanistische „Journal de Paris“ aus, waäh⸗ rend sein Parteigenosse der „Soleil“ den Untergang des centre gauche konstatirt und beklagt.
Die monarchischen Blätter machen aus ihren Befürchtungen kein Hehl, und zwar sind es die Bonapartisten, welche die Gefahren der neuen Assemblä am Eifrigsten zu verwerthen suchen. Der „Gaulois“ spricht von „erises pendant la durée des- quelles il faudrait écraser le peuple pour qu'il sarretät-, während „Pays“ vom Marschall verlangt: qu'il deploie Fenergie hun soldat chef d'état.“ Die legitimistischen Blätter sprechen sich mit mehr Ergebung aus und sehen in den radi⸗ kalen Wahlen die Konsequenz der von dem früheren Regime begangenen Fehler. „Union“ warnt ihre Partei vor jeder Verbindung mit der revolutionären Fahne der Bonaparte, während sammtliche imperialistischen Organe es selbstverständlich finden, wenn sich alle konservatlven Elemente im Kampfe gegen die radi⸗ kale Masorität um sie gruppiren.
Was die nächsten Aufgaben der Kammer betrifft, so äußert
sich der Temps“ nach einer beruhigenden Einleitung über die Absichten der siegreichen Republikaner dahin, man müsse vor Allem dem Belagerungszustand ein Ende machen und den Ver⸗ folgungen der Presse ein Ziel setzen. Bien Public“ geht in seinen Wünschen weiter und verlangt Reform der Armee, der Steuern des Civil Coder, kurz der ganzen ge ee e ng. Die „France“ zweifelt nicht, daß die Aufhebung des elage⸗ rungszustandes den ersten und wichtigsten Gegenstand der Ver⸗ handlungen in der Assemblée bilden wird und vermuthet, daß von dieser wichtigen Frage, welche nach ihrer Anschauung die Amnestie involvirt, die ganze Gruppirung der Parteien abhängen wird. Sie warnt übrigens die Sieger ebenso vor Ueber stürzung wie vor Unthätigkeit. Paris⸗Journal“ würdigt die voraus= sichtliche Zurückhaltung Gambetta's, indem es erklärt, ein oppor⸗ tunistifcher Radikaler verhalte sich zu einem Intranfigenten wie ein geschickter Gauner zu einem Räuber.
= 29. Februar. Das „Journal officiel“ vom 27. Februar veröffentlicht den zu Saigon am 31. August resp. 23. November 1874 zwischen Frankreich und dem Königreich Anam geschlossenen Handelsvertrag, nebst einem Zusatzartikel! und einer Nachtragskonvention, deren Ra⸗ tifttauonen sämmtlich am 26. August 1875 zu Hus aus getauscht worden sind. Die darin gewährten Vergünstigungen sollen auch den übrigen seefahrenden Nationen zu statten kommen. So werden gewisse Häfen nicht nur dem französischen, sondern überhaupt dem auswärtigen Handel geöffnet, und die Zölle, Leuchtthurm⸗ und Ankergelder, sowie. die Freiheit des Pilotendienstes für alle Nationen zugleich geregelt. Der Zolltarif ist ein sehr mäßiger. Die Waaren zahlen bei der Ein- und Ausfuhr einen Zoll von 5 Proz. ad Jajorem; nur Salz und Getreide zahlen 10 Proz., und das letztere darf nur auf Grund besonderer zeitweiliger Erlaubniß ausgeführt werden. Dem französischen Handel wird nur der eine Vorzug eingeräumt, daß die von ihm nach Saigon ein⸗ und von Saigon ausgeführten Waaren blos den halben Zoll zu ent⸗ richten haben. Endlich verpflichtet sich Frankreich, der Regierung von Anam ein geeignetes Zollpersonal zur Verfügung zu stellen und bei der Beschützung des Seehandels gegen die Piraten hülfreiche Hand zu bieten.
— 29. Februar. Bei der Senatswahl auf Gua⸗ deloupe wurde General Cazaille zum Senator gewählt.
Ajaccio, 22. Februar. (6. 3) Gestern Abend spät kamen die Delegirten wahlen zum Abschluß. Die aufgestellten Kandidaten waren Rouher, Prinz Napoleon Jerome Bonaparte und Ceccaldi. Die Wahltage verliefen, im Vergleich zu jenen der Senatorenwahlen, sehr ruhig. Das Resultat stellte sich folgendermaßen: Rouher 5653, Prinz Napoleon 4498 und Cecraldi 1818 Stimmen, so daß die endgültige Entscheidung durch Stichwahl herbeigeführt werden muß. Als der Ausgang bekannt wurde, zog ein Theil des Volkes vor das vom Prinzen bewohnte Hotel und forderte Letzteren zum Reden auf, welcher Aufforderung er auch vom Balkon aus nachkam; sonst blieb es fehr still in der Stadt. Rouher und Ceccaldi waren nicht
anwesend.
(Monatsübersicht für Januar.) Am Neu ahrs⸗ tage nahm der Marschall⸗Präsident Mac 3. in Versailles die EClückwünsche der Nationalversammlung und Nach⸗ mittags in Paris diejenigen der Mitglieder des diplomatischen Corps sowie der obersten Behörden entgegen.
Das „Journal offieiel! vom 3. veröffentlichte das Preß⸗ gesetz, welches (Amendement Janzé) den Verwaltungsbehörden die Befugniß entzieht, den Straßenverkauf der. Jour⸗ nale zu verbieten und den Belagerungszustand in allen Departements aufhebt, während derselbe in Paris, Versailles, Lyon und Marseille bis zum 1. Mai noch fortbestehen soll. Ünter dem 7. erließ darauf der Justiz⸗Minister ein Rundschrei⸗ ben an die Ober⸗Staatsanwälte, in welchem das Gesetz erläutert wird. Im Wesentlichen wurden darin die Ausführungen wieder⸗ holt, welche die Miniter in den betreffenden Kammerdebatten vorbrachten. Dann heißt es: Sie müssen sich von der Idee durchdringen lafsen, daß hier kein Gesetz der Reaktion
egen die Presse vorliegt, sondern daß es lediglich den Zweck
. Vergehen, die naturgemäß vor die ordentlichen Gerichte ge⸗ hören, die an sich keinen politischen Charakter haben und von unserem weisen Richterstand unbeschadet seiner ruhigen und un⸗ parteisschen Gewohnheiten abgeurtheilt werden können, auch vor die ordentlichen Gerichte zu verweisen.
Das amtliche Blatt vom 6. Januar brachte das Dekret, wodurch die Gemeinderäthe des ganzen Landes auf den 16. Ja⸗ nuar zusammenberufen werden, um ihre Delegirten für die auf den 30. Januar festgesetzten Senatorenwahlen zu er⸗ nennen. Die Präfekten erhielten 2 ein Cirkular des Mi⸗ nisters des Innern ihre Instruktionen für die Vollstreckung der Gesetze über die Wahlen.
Da innerhalb des Kabinets wegen des gegenüber den Wahlen zu beobachtenden Verhaltens Meinungsvers chiedenheiten entstanden waren, drohte am 19. eine Ministerkrisis. Die Minister Löon Say und Dufaure gaben ihre Demission, indessen wurden durch die Bemühungen des Miniflers der Auswärtigen Angelegenheiten alle Schwierigkeiten beseitigt und ein Programm vereinbart, das in Form einer Proklamation des Präfidenten am 13. veröffent⸗ licht wurde. Dieselbe gipfelte in den Worten: „Eine Revision der neuen Verfassung darf nicht eintreten, bevor nicht eine ehr⸗ liche Handhabung derselben staitgefunden hat; aber um dieselbe zu handhaben, wie dies Frankreichs Heil erfordert, ist eine kon⸗ fervative und dabei doch wahrhaft liberale Politik 2 wie ich stets anempfohlen habe“ — und schließt: Ich habe nicht nach der Gewalt gestrebt, werde sie aber ohne Schwäche aus⸗ üben. Ich rechne für die Ausführung meiner Mission auf den Beistand Gottes und auf die Unterstuützung der Nation.“ Die Proklamation fand bei der Bevölkerung eine günstige Aufnahme. In republikanischen Kreisen wurde der konstitutionelle Charakter derselben rühmend hervorgehoben.
Da in Folge von Schneefall die Kommunikationen vielfach unterbrochen waren, wie namentlich auf Korsika, in den Departe⸗ ments Hérault, Aude, Aveyron und in vielen anderen Gegenden Süd-⸗-Frankreichs, so wurde der Artikel 5 des erwähnten Dekrets vom 3. Januar, betr. die Einberufung der Gemeinderäthe zur Ernennung ihrer Vertrauensmänner dahin modifizirt, daß, wo⸗ fern die Mehrheit der ausübenden Mitglieder sich nicht zum 16. einfinden sollte, der Maire befugt sei, eine Versammlung auf den 18. und falls auch dann die Zahl der anwesenden Mit⸗ glieder unzureichend wäre, eine solche auf den 20. aus zuschrei⸗ ben. Nach der starken Kälte am 16. trat jedoch am 17. Thau⸗ wetter ein, so daß der Verkehr auf fast allen Eisenbahnen wieder ermöglicht wurde und die Delegirtenwahlen keine weitere Verzõ⸗ gerung erlitten.
In der Permanenzkommission, deren erste Sitzung am 3. ohne bemerkenswerthen Zwischenfall verlaufen war, be⸗
schwerte sich am 20 die Linke über den von den Präfekten be⸗ züglich der Wahlen ausgeübten Einfluß. Der Minister des Innern gab darauf die bestimmte Erklärung ab, daß er sich auf eine Besprechung von Wahlvorgängen nicht einlassen werde, ehe es sich nicht um die Wahlprüfungen selbst handle. Dagegen stehe der Kommission das Recht zu, die Nationalversammlung einzuberufen, wenn es nöthig erscheine. Auf eine Anfrage Picards wegen des Verbots des Straße nverkaufa von Jour⸗ nalen antwortete der Minister, daß er seine Auslegung des neuen Preßgesetzes in dieser Beziehung kraft des Kolportagegesetzes vom 6. April 1849 vollstãndig aufrecht erhalte. Die Entscheidung stelle er den Gerichten anheim. Die Linke legte zwar dagegen Verwahrung ein, indessen hatte der Zwischenfall weiter keine Folge, und die Kommisston vertagte sich denmnächst auf 14 Tage.
Gegen Schluß des Monats nahm die Wahlbewegung
zu. Der Finanz⸗Minister und der Minifler für Ackerbau und
andel erlleßen Rundschreiben an ihre Beamten in Betreff der Wahlen der Senatoren und Deputirten. Der Minister der Aus⸗ wärtigen Angelegenheiten, Herzog von Decazes, welcher im 8. Ar⸗ rondissement von Paris als Kandidat aufgestellt wurde, ver⸗ öffentlichte ein Schreiben an seine Wähler, in welchem er die Kandidatur annehmen zu wollen erklärte und betonte, daß er nach dem Vorbilde des Marschall⸗Präsidenten ein treuer Diener der Gesetze sein werde, auf welchen die Regierung der Republik begründet sei.
Die Gerüchte von einer bevorstehenden Mobilmachung der Territorialarmee, welche vor den Wahlen umliefen, wurden vom „Frangais“ auf das Bestimmteste dementirt und auf eine Einbe⸗ rufung zu den Kontrolversammlungen reduzirt. Dieses Dementi erhielt darauf durch das amtliche Blatt vom 25. Bekräftigung.
Die Zahl der Wähler der 225 Senatoren betrug 43562 dieselben setzlen sich zusammen aus den Deputirten, den Gene⸗ ralräthen, Arrondissementsräthen und den Delegirten der Ge⸗ meinderäthe. 36, 000 dieser Wähler wurden von den Gemeinde⸗ räthen gewählt, 7009 gehörten, den übrigen Kategorien an. Algier und die 4 Kolonien wählten nur je einen Senator.
Die Wahlen vom 30. Januar haben — die 75 Senatoren auf Lebenszeit hinzugerechnet — für die Zusammensetzung des Senats etwa folgendes Resultat ergeben: 148 Republikaner, A Konstitutionelle, 26 Orleanisten, 24 regierungsfreundliche Legitimisten, 21 intransigente Legitimisten, 45, Bonapartisten, JIIrein Klerikale, zusammen 299. Den Ständen nach befinden sich in demselben: 1 Marschall von Frankreich, 6 Admiräle, 20 Generäle, 5 aktive Minister, 1 Botschafter, 9 ehemalige Minister des Kaiserreichs,. 1 ehemaliger Senator und 4 ehemalige Prä⸗ felten des Kaiferreichs; die höhere Geistlichkeit ist durch den Bischof Dupanloup vertreten.
Durch ein am Tage vor den Senatorenwahlen, am 29, veröffentlichtes Dekret wurden die Wähler in ganz Frankreich auf den 20. Februar zusammenberufen, um die Wahl der Abgeordneten zur Deputirtenkammer vorzunehmen.
Das „Journal officiel! vom 24. veröffentlichte den mit Peru abgeschlossenen Auslieferung svertrag. Der am 165. Ig; nuar erloschene italienisch⸗französische Handels vertrag ist bis zum 1. Juli d. J. verlängert worden.
Der von der Nationalverfammlung zum Senator ernannte Hr. Ernst de Laroche tte, Legitimist und Hauptführer der Intransigenten von der äußersten Rechten, ist am 19. in Nantes gestorben. Am 22. starb der Abgeordnete für Paris, Mare⸗ Dufraisse.
Der Bischof von Orleans, Dupanloup, ging am 3. Januar nach Rom, um die Seligsprechung der Jungfrau von Orleans persönlich zu betreiben; ein vom 25. Oktober 1875 datirtes Breve, in welchem der Papst den Unterrichts⸗Minister Wallon als Verfasser einer Geschichte der Jeanne d' Are be⸗ lobt, ist am Sylvestertage (1875) vom „Osservatore Romano“ veröffentlicht worden. Die katholische Universität von Paris wurde am 10., dem Todestage Napoleons III., durch den Erz— bischof Kardinal Guibert, in Anwesenheit von ungefähr 60 Stu⸗ direnden, feierlich ne.
Nach den amtlichen Ausweisen über den Handelsverkehr Frankreichs mit dem Auslande während des ersten Monats des neuen Jahres belief sich vom 1. bis zum 31. Januar 1876 der Werth der Einfuhren auf 279,167, 050, der Werth der Aus⸗ fuhren auf 197.649, 090 Franken.
Die Einnahmen der Pariser Oetroistener scheinen die Voraussichten des Budgets zu übersteigen. Die Gesammt⸗Ein⸗ nahme für das Jahr 1876 ist auf 113 Millionen geschätzt wor⸗ den, wovon der zwölfte Theil 9,416,000 Gres. betrãgt. Die Einnahmen während des Januar haben aber 10 Millionen be— tragen, was einen Ueberschuß von mehr denn einer halben Million ergiebt.
Die amtlichen Mittheilungen über den Eingang der Steuern gewähren einen Einblick in die Steuerkraft des Landes. Es gingen ein: I) an direkten Steuern 1874 668. 309, 900 Fr., 1875 82,814,900 Fr.; 2) an direkten Steuern und anderen Staats⸗ einnahmen 1854 15865, 490, 000 Fr., 1875 2950, 990 000 Fr.; 3) durch Besteuerung des Einkommens vom Mobiliarvermögen mit 3 Proz. 1874 34, 174000 Fr., 18575 34676000 Fr. Die Erhebungskosten der direkten Steuern betrugen im Jahre 1874 1,248,703 oder von je 1000 Fr. 1 Br. S6 C. und im Jahre 18755 1221, 685 oder von je 1009 Fr. 1 Fr. 79 C., gingen mithin im letzten Jahre gegen das Vorjahr um 7 G. pro 100 Fr. zurück. Die im Jahre 1875 mit 2,050, 990, 0 Fr. vereinnahmten indirekten Steuern überstiegen mit 97, 912, 000 Fr. die im Budget veranschlagten Summen, während das Jahr 1874 noch mit einer Unterbilanz von 59, 706000 Fr. abschloß. Der Grund dieser bedeutenden Mehr⸗ einnahmen im Jahre 1575 liegt theils in der Steigerung des Ertrages einzelner Steuern, theils in der Einführung neuer. Durch letztere allein wurden vereinnahmt 33,34 000 Fr. Hinter dem Etalssoll blieben im Jahre 1875 nur zurück: die Stempel⸗ steuer um 2,611, 000 Fr., die Kolonialzuckersteuer um 1,91, M0 Fr., die Steuer für ausländischen Zucker um 8, 652,000 Fr., die Salzsteuer um 2,660,009 Fr., die Seifensteuer um 1, 256, 006 Fr., die Stearin⸗ und Lichtkerzensteuer um 2,503, 0900 Fr. Ferner ergaben einige Posten der Zollverwaltung so wie die Essigsteuer noch unbedeutende Mindereinnahmen von 706, 000 bezw. 148 000 Fr. Der Gesammtsumme der Mindereinnahmen von 20 75659, 000 Fr. steht jedoch andererseits die erhebliche Mehr⸗ einnahme von 115,671,006 Fr, gegenüber. So ergaben beispiels⸗ weise die Einregistrirung, die Kosten des Besitzwechsels und die Gerichtskosten ein Plus von 15,638,000 Sr., die Zollverwaltung von 13 M3, 00 Fr.,, die Getränkesteuer von 21, 643.000 Fr., die Rübenzuckersteuer von 11347459000 Fr. die Besteuerung des Cisenbahnverkehrs von 18,694 900 Fr, der. Tabaksverkauf von 16,452, 00 Fr. Im Jahre 1873 ergaben die indirekten Steuern nur eine Einnahme von 1,807,706, 000 Fr. Die außerordentlich guͤnstigen Ernten der letzten beiden Jahre haben allerdings zur Erhöhung der Steuerkraft erheblich beigetragen.
Italien. Rom, 1. März W. T. B.) Die „Gazzetta uffiziale! veröffentlicht eine amtliche Mittheilung, wonach die Monarchen Italiens und Oesterreich⸗Ungarns, um sich einen gegenseitigen Beweis des Werthes zu geben, den sie auf die zwischen ihren Regierungen bestehenden freundschaftlichen Beziehungen legen, beschlossen haben, ihre respektiven Gesandt⸗ schaften zum Range von Botschaften zu erheben. — Die „Oginione“ veröffentlicht die Ernennung von 24 neuen Senatoren. Das Präsidium des Senates besteht gegenwärtig aus dem Präsidenten Grafen Pasolini und den Vize⸗Präsidenten Eula, De Filippo, Tabarrini und Pallaviecini. .
Türkei. Konstantinopel, 1. März. (W. T. B.) Die Journale veröffentlichen ein Schreiben des Großvezirs an die Gouverneure der Provinzen, hetreffend die einzuführenden Reformen. Dasselbe ist von einer neuen Verordnung be⸗ gleitet, durch welche die Befugnisse der Gouverneure und anderer Beamten in den Provinzen festgesetzt werden. — Der Justiz⸗ Minist er begiebt fich morgen nach Adrianopel. — Der Kaiser⸗ liche Fommissar für Bosnien, Hajdar Effendi, ist gestern von hier abgereist. — Nach einer Depesche Achm.d Muktar Paschas zeigen sich die Insurgenten in der Herzegowina entmuthigt und erfolgen bereits zahlreiche Unterwerfungen. Die Ausgewanderten beginnen zurückzukehren.
Rumänien. Bukarest, 1. März. (W. T. B.) Die Kammer hat heute an Stelle des Fürsten Ghika den bisheri⸗ gen Vize⸗Päsidenten Brailoi zum Präsidenten gewählt.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 28. F⸗ bruar. Die heutige „Post och Inrikes Tidningar“ schreibt: Die deutsche Presse hat in der letzten Zeit den schwedischen Ver⸗ hältnissen eine verhältnißmäßig große Aufmerksamkeit gewidmet. Daß angesehene oder voluminöse Zeitungen wie die „Köln. 3tg.“ und die in Wien erscheinende „Neue Freie Presse“ längere Schilderungen in Form von Briefen oder Feuilletons über unser Land enthalten oder enthielten, ist wohl mehr als zufällig anzusehen. Daß aber solche Blätter, wie z. B. die in Berlin erscheinende „Nordd. Allg. Ztg.“ beinahe jede Woche ihren Lesern Korrespondenzartikel aus Schweden bieten, in welchen unsere politischen, sozialen und anderen Fragen eine gewöhnlich auf unsere bessere ein⸗ heimische Presse gestützte Darstellung erhalten, ist ein Faktum von nicht geringer Bedeutung. Wir sind dazu gekommen, dieser Sache Erwähnung zu thun, weil uns jetzt einige Nummern des „Reichs⸗ Anzeigers“, des offiziellen Organs des Deutschen Reiches und des preußischen Staates, vor Augen liegen, in welchen verschiedene Mittheilungen offiziellen Ursprunges, betreffend die schwedischen Finanz⸗, Handels- und Armeeverhältnisse in Uebersetzung ent⸗ halten find. So findet man da eine kurze Uebersicht aus dem Bericht der Reichstagsrevisoren über den Zustand und die Verwaltung des Reichsschulden⸗Comtoirs mit besonderem Hinweis auf die Unrichtigkeiten in dem, was der „Almanach de Gotha“, betreffend die Finanzlage des schwedischen Staates in den vorhergehenden Jahren mitzu⸗ theilen pflegte; ferner findet man Mittheilungen des Marine⸗ Ingenieur⸗Comtoirs an dieselben] Reichstagsrevisoren, betreffend die Größe und die Zusammensetzung der Flotte mit Spezifikation der Bauart und der Bestückung der Schiffe, sowie die Mit⸗ theilungen der General⸗Zolldirektion über Schwedens Ein⸗ und Ausfuhr an gewissen hauptsächlichen Waaren während der Jahre 1874 und 1875. Daß dergleichen Aktenstücke und amtliche Berichte die in vielen Fällen dunklen Begriffe aufklären werden, welche sich im Auslande über unsere Lage und Verhältnisse geltend machen, braucht nicht betont zu werden; was aber besonders hervorzuheben, das ist, daß man sich wirklich mit unserem Lande beschäftigt und daß man dabei die zuverlässigsten Quellen benutzt.
Dänemark. Kopenhagen, 297. Februar.
In der gestrigen Sitzung des Folkethings beantwortete der Justiz- Minister die von Bajer an denselben gerichtete Interpellation: „Gedenkt der Justizminister einen Gesetzentwurf vorzulegen oder
vorzubereiten, wodurch das Verfügunsrecht der ver— heiratheten Frau über das Vermögen erweitert wird?“ Der Minister erklärte, er halte es für kaum möglich, der im Lande herrschenden Meinung wegen, in diesem Verhältnisse eine prinzipielle Veränderung durchzuführen; einen Gesetzentwurf könne er in dieser Sesston der so schwierigen und verwickelten Materie wegen nicht vorlegen. Es werde von großem Inter⸗ esse sein, die Früchte von dem in Norwegen vorgelegten Gesetz⸗ entwurfe abzuwarten, da sowohl die Gesetzgebung wie die sozialen Verhältnisse Norwegens in so naher Uebereinstimmung mit Dä⸗— nemark ständen. Er könne auch nicht versprechen, schon in nächster Session eine Vorlage zu machen.
Amerika. New⸗gJork, 1. März. (W. T. B.) Die Staats⸗ chuld der Vereinigten Staaten hat sich im Monat Februar b. J. um 3,273,000 Doll. vermindert. Im Staaatsschatze be⸗ fanden sich Ende Februar 70,086, 9000 Doll. in Gold und 9. 529 000 Doll. in Papier.
Buenos-Aires, 18. Januar. Das von dem Kon⸗ gresse der argentinischen Republik für das Finanzjahr 1876 nach dem Gesetze vom 9. November v. J. festgestellte Budget ist durch den Druck veröffentlicht worden. Sämmt— liche Ausgaben stellen sich auf 20 259, 605, Pesos fuertes (1 P. f. etwa gleich 40 6), die Einnahmen auf 18,113 910 P. f. Das Defizit von 2,145, 6952 soll nach dem angeführten Ge⸗ setze durch Benutzung des Platzkredits gedeckt werden.
Ecuador. Der neuerwählte Präsident von Ecuador, Dr. D. An⸗ tonio Borrero, hat am 9. Dezember 1875 sein Amt ange⸗ treten. Die bei dieser Gelegenheit von ihm gehaltene Rede ent⸗ wickelt sein Programm, welches sich im offenen Widerspruch mit den Regierungsgrundsätzen seines ultramontanen Vorgängers, Garcia Moreno, befindet; es verkündet Aenderung der Staats⸗ verfassung, allgemeines Stimmrecht und Preßfreiheit.
Um 10. Dezember 1875 ist auch das neu ernannte Mi⸗ nisterium in Thätigkeit getreten; dasselbe hesteht aus dem Mi⸗ nister des Innern und Aeußern: D. M. Gomez de la Torre, als Republikaner bekannt, dem Finanz⸗Minister D, Francisco de P. J. Jeaza, früherem Gouverneur von Guayaquil, ebenfalls liberal; und dem Kriegs- und Marine⸗-Minister D. Julio Saenz, General, demselben, welcher als Kandidat neben dem Prãsidenten auftrat und den Kriegs⸗Minister unter Garcia Moreno, Salazar, im Oktober stürzte. Die größte Ruhe herrscht überall im Lande.
Afrika. Aegypten. Kairo, 29. Februar. (W. T. B.) Gestern traf hierselbst die offizielle Erklärung der französischen Regierung ein, wonach dieselbe bereit ist, bei der neuen Banque nationale einen Kommissar zu ernennen. Ebenso hat die italienische Regierung sich zur Ernennung eineg Kommissars bereit erklärt. Der englische, französische und der italienische Kommiffar werden bei der Banque nationale zu derselben Zeit
in Funktion treten, sobald Wilson, der von der englischen Re⸗ gierung zur Reorganisation der ägyptischen Finanzen designirt ist, sein Amt angetreten haben wird. In dem Berichte des General zahlmeisters Cave, dessen Original in den Händen Wilsons ist, wird ausgeführt, daß die finanziellen Mittel Aegyptens der Regierung ermöglichen, alle ihre Ausgaben zu bestreiten, ohne den Bondsinhabern, zu welcher Anleihekategorie auch ihre Titres gehören, ein Opfer aufzuerlegen. — Von Seiten der ägyptischen Regierung wird die Richtigkeit der gestern von der „Times“ gebrachten Ausführungen über die Organisation der neuen Banque nationale und über die Grundlage der Finanzoperation behufs Konsolidirung der schwebenden Schuld in Abrede gestellt.
Bereinswesen.
Die Luisenstiftung 7764-1876) hielt am Mittwoch in der Privatwohnung des Direktor Marienfeld, ihre konstituirende Generalversammlung ab, zu der sich ungefähr 20 Herren und einige Damen eingefunden hatten. Die Luisenstiftung ist aus der Initiative einer Anzahl hiesiger Bürger hervorgegangen, die vor einiger Zeit durch ganz Deutschland einen Aufruf erließen, demzufolge bis jetzt 1732 Personen, darunter (a. 200 aus Berlin, sich bereit erklärt haben, der Luisenstiftung als Mitglieder beizutreten. Dieselbe beabsichtigt, begabten Kindern beiderlei Geschlechts, ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses, aus den Volls- und Elemen⸗ tarschulen der Städte und des platten Landes in Deutschland nach Kräften bis zu ihrer Selbständigkeit Beistand zu gewähren. Der Sitz der Stiftung, ist Berlin. Die Mitgliedschaft erwirbt Der⸗ jenige, der einen sährlichen Beitrag von minde ftens 116 zahlt; Geber von 3900 4 und mehr werden als Stifter angesehen. Die Leitung der Geschäfte besorgt ein aus 7 Personen bestehendes Kuratorium, das am 19. März, dem Geburtstage der Königin Luise, zu einer Sitzung zusammentritt, in der auch Delegirte der zu bildenden Lokal⸗ vereine Sitz und Stimme haben. Die Anträge der Letzteren sind möglichst zu berücksichtigen, soweit die aus den betreffenden Lokal⸗ vereinen geflossenen Beiträge dies gestatten. Von diesen werden 100, angefammelt zu einem Kapitalsstock, der die Höhe von 100 000 S erreichen soll. Ist diese Höhe erreicht, so fließen die Zinsen der Stiftungskasse zu. Von den 1732 Mitgliedern sind bis jetzt hereits 2299 6 Beiträge gezeichnet. Die Versammlung, die demnächst die Rechte einer juristischen Person zu erwerben gedenkt, ernannte sodann zu Kuratoren die Herren Direktor Marienfeld, Ober⸗ Bürgermeister Hache (Essen), Konsul. Pätaw, Hofrath Herrlich. Regierungs⸗Rath Triest, Geheimer Kanzlei Rath a. D. Kurs und Haupt— lehrer Mags. Das Kuratorium hat das Recht, sich weitere Mit⸗ glieder zu kooptiren. Die Versammlung einigte sich zum Schluß über die Statuten, deren Grundprinzipien wir oben mitgetheilt haben.
ĩ Statistische Nachrichten.
Berlin. Der Handels-Minister hat dem Abgeordnetenhause die Uebersicht über den Stand und den Fortgang der Staatseisen bahnbauten und der für den Eifenbahnbau verwendeten Kredite im Jahre 1875 vorgelegt, Diese Uebersicht weist auf, daß von dem Baukapital von 350900) 6 für die Eisenbahn Danzig ⸗Neufahr⸗ wasser bis Ende 1875 etwa 2,926, 000 ½ verausgabt worden sind. Für die Herstellung eines zweiten Geleises auf der Strecke Cüstrin uber Bromberg und Dirschau bis Eydtkuhnen, welche Arbeiten größ⸗ tentheils beendet sind, ist von dem veranschlagten Gesammt—- baukapital von 30 Millionen Mark noch ein Betrag von rund 2,775,000 M6 verfügbar. Die Strecke Göttingen Ahrensbausen ist im Allgemeinen vollendet; von den 777.009 M½ Baukapital sind bis Ende 1575 522,827 M6 verausgabt und von dem Rest bestimmt 184,173 4. als erspart anzusehen. Die Bahnstrecke Northeim Landesgrenze (Nordhausen) ist bald vollendet. Von den 8,253, 009 66 des Bau⸗ kapitals sind 7505, 922 „M bis jetzt ausgegeben, von dem Rest werden 545,373 0 erfpart werden. Bei der Strecke Schneidemühl Konitz⸗ Dirschau sind von den 23,400,000 S½ der Vagranschlagssumme 20. 80), 000 υ, verausgabt worden; bei Thorn: Insterburg wur= den von N, 250, 000 S6 veranschlagten Gesammtkapitals 46, 000000 Mark verausgabt und bei Tilsit⸗Memel, welche ö. zum Theil in Betrieb gesetzt ist, von 2 C50 000 „MS der Voranschlagssumme bis Ende 1875 18, 500 000 66. Die zu der Bahnstrecke Bebra Friedland bewilligten Mittel von 22, 800, 000 4M sind verausgabt; es fehlen noch zum Ausbau rund 3 Mill. . Für die Bahnstrecke Gassen⸗Arnsdorf sind von dem 20,970,900 (S6. bewilligten Gesammifonds circa 18000, 0900 ½ verausgabt, und für die Herstellung des zweiten Ge⸗ leised auf der Bahn Schneidemühl Konitz Dirschau von der Gesammt- summe von d, 75, C00 e ca. 8, 00, 00 ιυάν. Auf der Strecke Berlin Nord- hausen haben die Terrainverhältnisse bei Potsdam, bei den Elbübergän⸗ gen und bei der Ueberschreitung des Harzes große Schwierigkeiten berzitet, ebenso sind die projektirten Verbindungen dieser Bahn mit der Berx⸗ liner Stadtbahn, sowie die dadurch gebotene Regelung der Bahnhofs⸗ verhältnisse hindernd für die Förderung der Arbeiten gewesen. Von der Gesammtfumme des Bankapitals sind bis Ende 1875 ver= ausgabt worden: 2,700, 000 während für die Strecke Nordhausen⸗Wetzlar nur 1,700 000 0 verausgabt wurden. Im Jahre 1876 werden auf der letztgenannten Strecke Tr. 15 Rill. Mark zur Verwendung gelangen. Die Mosel Eisen- bahn (Rächsgrenze bei Sierk über Trier nach Coblen) hat bis Ende 18755 eine Ausgabe von 5,00, 000 M erfordert; die Bahn Oberlabn⸗ stein Coblenz Güls 4590 090 n; Friedberg⸗Hanau 160, 900 Mς; Ott⸗- bergen · Nordheim 4. 100009 M6; Welver -Dortmund 7,500, 000 u; Hannover⸗Harburg 3, 100, 000 46; die Fischbachthalbahn (Saarbrücken⸗ Re kirchen mit Äbzweigung in das Trenkel bachthal) 2.400, 000 06 Das Schlußstuͤck der Verbindungsbahn, Schöneberg⸗Charlottenburg, für welches 13200, 000 S ausgeworfen sind, hat bis jetzt 5,500,000 4
gekostet. Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Im Wissenschaftlichen Verein in der Singakademie wird am Sonnabend um 5 Uhr der Direktor der National Gallerie Pr. Jordan einen Vortrag über ‚Leonardo da Vinci' halten.
— Die neue Schrift Gladstone's, betitelt Die Zeit, und der Ort Homers“, ist am 28. Februar, Abends, bei Mac Millans in London erschienen.
— Die Geschichtsschreibung des Lebens und der Regierung des Kaifers Rikolaus J. ist nach dem Tode des Grafen Mode st Korff, der mit ihr betraut war, wie die ‚Mosk. Ztg.“ mittheilt, dem Staatssekretär Fürsten Urussow aufgetragen worden.
— Dem Verein für eine deutsche Nordpolarfahrt in Bremen, welcher im Begriff steht, den Dr. Finsch (Bremen), den Br. Brehm (Berlin) und den Grafen Wald burg⸗3Zeil (Stuttgart) zu einer Forschungsreife nach Westsibirien auszufenden, ist nach Meldung des W. T. B.“ gestern ein Beitrag zu den bezüglichen Kosten, im Betrag von 20.500 „, durch Alexander Michailo · witsch Sibiriakoff in Moskau überwiesen worden.
— Ein bemerkenswerther Fund, schrerbt man der „Academy“ aus Lukfor vom 2. Februar, wurde vor wenigen Tagen an einer Stille nördlich von dem Sbelisken am Eingang des großen Tempels zu Karnak gemacht. Einige Araber, wache damit beschäͤftigt waren, Asche unter den Ruinen herauszuschaffey, um damit in dieser Jahres- zeit ihr Land zu düngen, stießen dabei auf eine Kiste von Sandstein. In derselben befand sich die stattlich“« Figur eines weiblichen Hipy⸗ popotamus“, aus grünem Basal“ gehauen, in herkömmlicher Weise aufrecht stehend und zu (oeiden Seiten ein Symbol tra ⸗ gend. Das Monument, einschließ ich der Platte, worauf es steht, ist etwa 3 Fuß hoch und mit bewn nderungswürdigem Ebenmaß ausge⸗ hauen und ringf'ura geglättet. Eine lange hieroglyphische Inschrift läuft den Rücken herunter, uno eine andere ist an der Basis der Figur angebracht. Die Inschrift aaf dem Rücken ist am besten ausgeführt. Die Bilpsause felbst ift ein Werk im vollendeten Kunststyl und über— trifft noch die viclgengmmte grüne, Basaltkuh“ aus der gleichen Epoche