1876 / 57 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildete die erste Lesung des Gesetzentwurfs über die Vertheilung der ösffentlichen Lasten bei Srundstückstheilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen in den östlichen Pro⸗ vinzen. Die Abgg. Dr. Frhr. v. d. Goltz und Schellwitz empfahlen, die zweite Lesung im Plenum vorzunehmen. Der Abg. Dr. Ham⸗ macher lenkte die Aufmerksamkeit des Hauses auf eine Reihe von Be⸗ denken, die sich auf Spezialbestimmungen der Vorlage beziehen. Namentlich sei 5. 19 geeignet, durch die Unterschei⸗ dung von „Kolonien und „Ansiedelungen Kontroversen über den Begriff Kolonie“ hervorzurufen und die Begehr⸗ lichkeit der Gemeinden zu wecken, indem man die Grün⸗ dung von Kolonien von der Genehmigung der Ortspolizeibehörde abhängig mache. Ueberdies sei gar kein Grund vorhanden, das Gefetz nicht auf Westfalen auszudehnen, wo ganz ähnliche Ver⸗ hältnisse obwalten, wie in den östlichen Provinzen. Er empfahl aus den angeführten Gründen die Vorberathung der Vorlage in einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern. Hierauf ergriff der Staats⸗Minister Dr. Friedenthal das Wort:

Meine Herten! Die Beurtheilung der Verlage Seitens der Herren Vorredner war, was die xrinzipiellen Gesichtspunkte anbetrifft, eine solche, daß ich eine Veranlassung nicht habe, dies⸗ prinzipiellen Gesichtspunkte vor Ihnen zu rechtfertigen und zu beleuchten. Soweit dies nöthig sein sollte, wird sich bei der Verhandlung der einzelnen Beftimmungen Gelegenheit dazu bieten Nur einige Einwendungen, welche namentlich der Herr Verredner hervorgehoben hat, und die mir allgemeinerer Natur zu sein scheinen, veranlassen mich, das Wor: zu ergreifen. w

Was zunächst die Nichterstreckung des Geltungebereiches dieses Gesetzes auf die Provinz Weftfalen betrifft, so hat sie keinen andern Grund, als den ausdrücklich in den Motiven hervorgehobenen, daß für Westfalen nur ein Theil der betreffenden Beftimmungen anwendbar ist, daß es deshalb besser erschien, die Materie für Westfalen in einem Spezialgesetze zu ordnen Ich bemerke aber ausdrücklich, daß, wenn in dem hoben Hause der Wunsch obwalten sollte, von diesen Beden ken abzusehen und Westfalen mit der erforderlichen Einschränkung in den Bereich des Gesetzes hineinzuziehen, auf Seiten der Staatsregie⸗ rung in dieser Beziehung Hindernisse in keiner Weise obwalten.

Was den Punkt wegen der Kolonien betrifft, den auch der Hr. Abg. Frhr. v. d. Goltz erwähnte, so will ich diese Materie hier nicht approfondiren, aber das Eine möchte ich doch hervorheben, daß die ratio legis für die Kolonie eine wesentlich andere ist, als für die einzelne Ansiedelung. Bei der Ansiedelung handelt es sich nach mei⸗ nem Dafürhalten darum, ein Grundrecht des Einzelnen zu schützen und namentlich ein Grundrecht desjenigen weniger vermögenden Staats bürgers, welcher auf diesem Wege zu einem eigenen Heerd und einer eigenen Heimftätte gelangen will. Bei Anlegung von Kolonien handelt es sich dagegen mehr um Unternehmungen von gewissermaßen spekulativwirthschaftlicher Bedeutung. Es handelt sich um die An- lage von Etablissements, welche, wenn sie wirklich Kolonien stnd und nicht nur einige wenige zeistreute Arsiedelun gen betreffen, einen Einfluß auf die Stamm ˖⸗ Gemeinden ausüben können, welcher so stark ist, daß es zum Schutz⸗ dieser Gemeinden unerläßlich ist, gewisse Kommunalverhältnisse, namentlich die Schul⸗ und Kirchenverhältnisse, vorher zu regeln, Verbältnisse, deren Ordnung auch für die einzelnen Anfiedler, die der Kolonie angehören, von hervorragender Bedeutung ist. Ohne daß ich deshalb in diesem Stadium der Frage präjadiziren möchte, hielt ich mich doch für verpflichtet, die sehr wesentliche und prinzipielle Ver⸗ schiedenheit der Kolonien und einzelnen Ansiedelungen hervorzuheben. Der weiteren Verhandlung mag es Üüberlassen bleiben, vielleicht in einer schärferen Weise zu definiren, wo die Grenze zwischen der einen und der anderen Kategorie zu ziehen ift. Auf diesem Wege, meine ich, wird vielleicht die Vereinigung der gegenüberfstehenden Ansichten fich am erften finden.

Was die geschäftliche Behandlung der Sache betrifft, so überlaffe ich es ganz dem hohen Hause, ob Sie eine Verhandlung im Plenum oder in der Kemmissson vorziehen, nur um eines möchte ich bitten: die Verhandlung so zu fördern, daß das Gesetz unter allen Unftänden noch in dieser Sessien zur Vollendung gelangt.

Das Haus beschloß, den Entwurf einer besonderen Kom⸗ mission von 14 Mitgliedern zu überweisen. Schluß 3 Uhr.

Nächste Sitzung: Dienstag 11 Uhr.

In den deutschen Münzstätten find bis zum 26. Februar 1876 geprägt: an Goldmünzen: 1,028 700, 040 6 Doppelkronen, 310 812,860 6 Fronen; hiervon auf Privat⸗ rechnung: 121912823 66; an Silbermünzen: 31,702,220 Z 5⸗Markstũcke 118 381 441 6 1⸗Markstücke, 16 808 224 68 3 50⸗Pfennigstũcke, 21 262 573 s6 60 3 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 14 274 562 66 80 * 10⸗Pfennigstücke, 8,296, 906 66 8 5 Pfennigstũcke; an Kupfermünzen: 5.025,72 2 8 2⸗Pfennigftücke; 2.697, 952 6 83 3 1⸗Pfennigstücke. GSesammtausprãgung: aa Goldmünzen: 1,339, 512.909 sc; an Silbermünzen: 188, 154458 6 60 8; an Rickelmünzen: 22, 571,468 s6 80 ; an Fupfermünzen: 7, 723,725 M 5 3.

Nach der vom Reichs-Eisenbahnamt heraus⸗ gegebenen, in der heutigen Ersten Beilage veröffentlichten Nach⸗ weisung wurden im Monat Januar d. J. auf den unter 63 verschiedenen Verwaltungen stehenden Eisenbahnen Deutschlands excl. Bayerns mit einer Gesammtlänge von 24 151, Kilometern befördert: an fahrplanmäßigen Zügen 11,B,221 Courier⸗ und Schnell⸗ 74 S39 Personen⸗ 31,923 gemischte und 68 723 Güter⸗ züge; an außerfahrplanmäßigen Zügen 698 Personen⸗ und ge⸗ mischte und 19,277 Güterzüge.

Im Ganzen wurden 569 847, 3564 Achskilometer bewegt, von denen 149 415513 Achs kilometer auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen.

Es verspäteten von den 117A, 983 fahrplanmäßigen Courier⸗ und Schnell⸗ Personen⸗ und gemischten Zügen 2075 Züge, oder 18 Proz. Von diesen Verspätungen wurden jedoch 668 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervorgerufen, so daß durch im eigenen Betriebe der Bahnen liegende Ursachen 1407 Verspätungen bei 151 Proz. der beförderten Züge ent⸗ standen. Von nachtheiligem Einfluß war auch im Januar wieder der Schneefall, durch welchen in 337 Fällen Verspätungen her— vorgerufen wurden.

In Folge der Verspatungen wurden 432 Anschlüsse versaumt.

In demselben Monate des Vorjahrs verspãteten auf 52 Bahnen durch im eigenen Betriebe liegende Ursachen 1209 Züge, gleich O43 Proz. der beförderten Züge.

Der Evangelische Ober-Firchenrath in Berlin ist, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 28. Februar d. J., im Sinne der preußischen Gesetzgebung und des Reichs ⸗Strafgesetzbuchs als Staatsbehörde im wei⸗ teren Sinne zu erachten, und die Aufforderung zum Unge⸗ horsam gegen Anordnungen des Ober⸗irchenraths ist demnach auf Grund des 5 110 des Strafgesetzbuchs zu besirafen. Der Herausgeber und Redacteur der Freuzzeitung, Philipp von Nathustus⸗Ludom, wurde bekanntlich vom Fammer⸗

gericht wegen Beleidigung des Evangelischen Ober⸗Kirchen⸗ raths und wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen von dem Ober Kirchenrath getroffene Anordnungen zu sechs Wochen Gefängniß verurtheilt und seine da⸗

gegen eingelegte Nichtigkestsbeschwerde wurde vom Ober⸗Tribunal

zurückgewiesen. Das nunmehr schriftlich ausgefertigte Erkenntniß des häͤchsten Gerichtshofes äußert sich über den in der Nichtig⸗ keitsbeschwerde erhobenen Einwand, daß der Evangelische Ober⸗ irchenrath im Sinne des 5. 110 des Strafgesetzbuchs richt als Obrigkeit‘ anzusehen sei, im Wesentlichen folgendermaßen: Durch die Allerhöchste Ordre vom 29. Juni 1850 ist bestimmt, daß die Abtheilung des Ministeriums der geistlichen Angelegen⸗

heiten für die inneren evangelischen Kirchensachen, unter Beibehaltung der von ihr bisher ausgeübten und durch das Ressortreglement näher bezeichneten amtlichen

Befugnisse, in Zukunft die Bezeichnung Evangelischer Ober⸗ Kirchenrath führen solle, und in dem beigefügten Ressortreglement ist bestimmt, daß der Evangelische Ober ⸗Kirchenrath an die Stelle der mit der Leitung der inneren evangelischen Kirchensachen be⸗ auftragten Abtheilung des Ministeriums der geistlichen An⸗ gelegenheiten trete, zum Ressort desselben die nach der Instruktion vom 23. Oktober 13817, der Allerhöchsten Ordre vom 31. De⸗ zember 1325 und der Verordnung vom 27. Juni 1845 den Konfistorien überwiesenen Angelegenheiten gehören und der⸗ selbe in allen diesen Angelegenheiten die Befugnisse der höheren Instanz und das Recht der allgemeinen An⸗ ordnung innerhalb der bestehenden Gesetze und Verord⸗ nungen ausüben solle. Unter den im 5§. 1 des Ressort⸗Regle⸗ ments dem Ober⸗irchenrath überwiesenen Angelegenheiten sind unter Anderen genannt: die Aufsicht über den Religionsunterricht nach Maßgabe des zur Ausführung des Art. 24 der Verfassungs⸗ urkunde ergehenden Unterrichtsgesetzes, die Aufsicht über das kirchliche Prüfungswesen und die Vorbereitung zum geistlichen Stande, die Beschwerden über Pfarrbesetzungen und die Besetzung niederer kirchlicher Aemter, die Beschwerden über Anmaßung oder Verweigerung pfarramtlicher Handlungen Seitens der evangelischen Geistlichen u. s. w., Angelegenheiten, welche nach der älteren, wie nach der neuesten Gesetzgebung der Ordnung durch die Staatsgewalt unter⸗ liegen. Der Ober⸗irchenrath, eine von dem Könige als Träger der höchsten Staats⸗ und Kirchengewalt eingesetzte und zur Wahrnehmung von verschiedenen Funktionen der Staatsgewalt berufenen Behörde, ist hiernach als Obrigkeit anzusehen, und die Anordnungen, deren Erlaß innerhalb der von dem Ressort— Reglement bestimmten Zuständigkeit ihm ausdrücklich übertragen ist, fallen unter die Voraussetzungen des §. 110 des Straf⸗ Gesetzbuchs, ohne daß es darauf ankommt, ob dem Ober⸗ Kirchenrath die Eigenschaft einer Staatsbehörde im engeren Sinne beiwohnt, und ob die bisher noch nicht gesetzlich durch⸗ geführte Selbständigkeit der Kirche künftig einen Einfluß auf die Stellung des Ober⸗irchenraths üben wird.“

Die Geburtsurkunde hat die Bestimmung, nicht all ein die Geburt eines Kindes von dem bezeichneten Geschlecht und die Zeit der Geburt, sondern auch die Beziehungen desselben zu einer bestimmten Familie zu beurkunden. Eine vorsätzliche falsche Angabe in Beziehung auf die Mutter oder den Vater des Kindes ist demnach als ein Verbrechen in Beziehung auf den Personenstand (5. 169 des St. G. B. und als intellektuelle Urkundenfälschung (5. 271) zu bestrafen. Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 11. Februar d. J.

Der Königlich preußische Gesandte in Oldenburg, Prinz zu gsenburg, hat sich auf einige Tage nach Braunschweig begeben, woselbst er gleichfalls beglaubigt ist.

Der neuernanunte Gesandte bei den Großherzoglich mecklenburgischen Höfen und bei den Hansestädten, Geheime Legations⸗Rath von Wentzel hat sich von Hamburg nach Schwerin begeben und daselbst am 28. v. M. Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge sein Kreditiv in besonderer Audienz überreicht.

Der Kaiserlich russische Oberst und Flügel Adjutant Sr. Majestät des Kaisers von Rußland, Fürst Dolgorucki, ift vorgestern Abend wieder nach St. Petersburg zurückgekehrt.

Bayern. München, 3. März. (Allg. Ztg) Die Kai⸗ serin von Oesterreich ist heute Morgen um 6 Uhr hier ein⸗ getroffen und wird morgen Vormittag ihre Reise nach England fortsetzen. Herzog Ludwig von Bayern und die österreichisch⸗ ungarische Gesandtschaft haben Ihre Majestät empfangen.

Württemberg. Stuttgart, 5. März. Der König hat unter dem 3. d. M. den Minister der Familien-Angelegenheiten des Königlichen Hauses zum landesherrlichen Standes— beamten in Ausführung des §. 72 des Reichsgesetzes vom ö. Februar 1875, betreffend die Beurkundung des Personen⸗ standes und die Eheschließung, ernannt.

Baden. Karlsruhe, 4. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde die Eisenbahnfrage durch eine von klerikaler Seite aus⸗ gegangene Interpellation gleichfalls zur Sprache gebracht. Durch den Handels⸗Minister Turban wurde Namens der Regierung erklärt, die Frage über Erwerbung der Eisen— bahnen durch das Reich sei der Regierung bis jetzt in

keinerlei, auch nur vorbereitenden Form vorgelegt worden, dieselbe sei daher auch nicht in der Lage gewesen, darüber sich auszusprechen. Selbstverständlich vermöge

die Regierung nicht zu sagen, welche Stellung sie zu künftig eintretenden, zur Zeit weder der Form noch dem Inhalte nach ihr bekannten Vorgängen im Staats- oder Reichsleben einnehmen werde, fie müsse vielmehr ihre Entschließung bis da⸗ hin sich vorbehalten, wo ein Anlaß dazu in greifbarer Weise eintrete und wo eine Prüfung und Abwägung aller einschlägi⸗ gen Verhältnisse und Interessen möglich sei. Welch hohen Werth der Besitz und die eigene Verwaltung der Eisenbahnen für das Land habe, werde die Regierung bei einem solchen Anlasse vor Allem im Auge behalten. An die Erklärung des Ministers wurde eine weitere Diskussion nicht geknüpft.

Mecklenburg⸗ Schwerin. Schwerin, 4. März. (W. T. B) Ueber die Ablösung aller Stol gebühren für Trauungen und Taufen und über die Ermäßigung der Begräbnißgebühren ist, nachdem die Comités des Landtags vorher mit den landesherrlichen Kommissarien kon⸗ ferirt hatten, eine vollständige Einigung erreicht. Bei der Ab⸗ stimmung stimmten 75 Landtagsmitglieder für, 10 gegen das bezügliche Abkommen; die Zustimmung der Regierungen zu dem letzteren ist gesichert.

Oldenburg. Oldenburg, 3. März. Die Neuwahlen zum Landtage sind ausgeschrieben, bis zum 23. d. M. sollen die Urwähler zur Wahl der Wahlmänner in den einzelnen Ge⸗ meinden zusammentreten, die Wahl der Abgeordneten ist inner⸗ 26 . staats grundgesetzlichen Frist auf den 20. April d. J. anberaumt.

Wien, 3. März. Der bisherige außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister der nord⸗ amerikanischen Vereinigten Staaten am Königlichen und Feaiser⸗ lichen Hofe, Godlope S. Orth, wurde heute Mittags von dem Kaiser in Abschiedsaudienz empfangen.

Das Reichsgesetzblatt veröffentlicht die internationale Meterkonvention vom 20. Mai 1875.

Oesterreich⸗ Ungarn.

4. März. Der Kaiser empfing heute Mittag den neu ernannten deutschen Botschafter, Grafen Stolberg, und nahm dessen Beglaubigungsschreiben entgegen. Graf Stolberg wurde vom Kämmerer des Faisers, Major Fürsten Odescalchi, in einem Hofgalawagen in die Hofburg eingeholt. Der Ober ⸗Ceremonienmeister Graf Hunyady empfing den Bot⸗ schafter beim Eintritt in die Hofburg, und wurde der⸗ selbe darauf vom Oberst⸗Kämmerer F3M. Grafen Crenneville zum Audienzzimmer des Kaisers geleitet. Nach Ueberreichung der Kreditive wurden auch die Mitglieder der deutschen Botschaft, Botschafts⸗Rath Graf Dönhoff, der Botschaftssekretär v. Tümp⸗ ling, der Attaché Erbprinz von Ratibor, der Militärattachs Hauptmann Graf Keller vom Kaiser empfangen.

Wie die „Politische Korrespondenz“ meldet, werden die in Wien erwarteten ungarischen Minister daselbst nur 2 bis 3 Tage verweilen. Dieselben werden aber in der zweiten Hälfte des Monats behufs Fortsetzung der Verhandlungen aber⸗ mals in Wien eintreffen.

In der heutigen Sitzung des Herren hauses wurde die von der österreichisch-⸗ ungarischen Regierung mit Rumänien abgeschlossene Handelskonvention genehmigt. Im Laufe der De⸗ batte erklärte der Handels⸗Minister v. Chlumecky, daß die öster⸗ reichischungarische Regierung bezüglich des Art. 6 der Konvention nur die Auffassung gelten lasse, daß alle aus irgend welchen Gründen den anderen Staaten gewährten Zollbegünstigungen auch Oesterreich⸗Ungarn zukommen müßten, und daß DOesterreich⸗ Ungarn eine eventuelle entgegengesetzte Auffassung Rumäniens als Vertragsbruch ansehen würde. Die Regierung werde in solchem Falle die Rechte und die Ehre Oesterreichs zu wahren wissen. Darauf wurde das Gesetz, betreffend die Emission der Goldrente, berathen, und nach längerer Debatte angenommen. Auf die gegen das Gesetz gerichteten Ausführungen des Grafen Leo Thun, welche eine scharfe Rüge des Präsi⸗ denten zur Folge hatten, erwiderte der Finanz⸗Minister de Pretis, es sei unrichtig, daß die Steuerkraft Oesterreichs er⸗ schöpft sei, wohl aber entziehe sich ein bedeutender Theil der Steuerzahler der Steuerpflicht, ein Uebelftand, der nach An⸗ nahme der Steuergesetze hoffentlich beseitigt werden würde. Das Herrenhaus nahm sodann die Gesetzentwürfe, betreffend die Er⸗ höhung der Staatsgarantie für die Kaschau⸗Oderberger Bahn, betreffend die Kotirungssteuer für die Wiener Börse und be⸗ treffend den Ankauf der Dniesterbahn, an. Hierauf vertagte der Minister-Präsident im Auftrage des Kaisers den Reichsrath.

Pest, 4. März. In der heutigen Sitzung des Abgeord⸗ netenhauses richtete Michael Polit an den Minister-Präsidenten folgende ausführlich motivirte Interpellation: „In Anbetracht, daß die Note des Ministers des Aeußern in Angelegenheit der türkischen Reformen für die Monarchie und Ungarn von großer internationaler Tragweite ist, frage ich: 1) Ist die Note des Grafen Andrassy vom 30. Dezember 1875 mit Zustimmung der ungarischen Regierung verfaßt? 2) Billigt die ungarische Re⸗ gierung das in dieser Note enthaltene Prinzip der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei? 3) Welche Haltung

gedenkt die ungarische Regierung einzunehmen gegenüber einer

eventuellen weiteren Verbreitung des Aufstandes, falls die Pazi⸗ fikation nicht gelingt, und Serbien an dem Aufstande Theil nimmt? 4) Sind Vereinbarungen zwischen der ungarischen und österreichischen Regierung getroffen worden wegen Rückkehr der auf ungarisch kroatischen Boden geflüchteten christlichen Fa⸗ milien?“ Die Interpellation wurde dem Minister-Präsidenten zugestellt.

Die Minister Tisza, Szell und Simonyi reisen mor—⸗ gen mit dem Courierzuge nach Wien.

Niederlande. Haag, 2. März. Die Niederländische Zweite Kammer hat sich seit ihrem Zusammentritt mit der zwi— schen England, Frankreich, Belgien und Holland abgeschlossenen Konvention über Behandlung der Zuckerfabrikation beschäftigt. Die Verhandlungen haben im Laufe der Debatten einen verwickelten Charakter angenommen, indem zunächst ein Amendement wegen vollständiger Abschaffung der Zucker-Aceise und später ein darauf bezüglicher Gesetzentwurf Seitens einiger Abgeordneten eingebracht worden ist. Die Annahme dieses Entwurfes präjudizirt freilich nicht die Beschlüsse über die Konvention, würde jedoch einen Ausfall im Budget von 5 Millionen Gulden zur Folge haben, ohne ein Aequivalent dafür zu gewähren. Tie Kammer hat mit Rücksicht auf die Tragweite dieser Anträge beschlossen, die Frage zunaͤchst in den Abtheilungen berathen zu lassen und die Verhandlungen im Plenum bis zum Eingange des Berichts dersfelben zu ver— tagen.

Großbritannien und Irland. London, 4 März. Prinz Leopold ist am 2. d. M. nach Paris abgereist. Aus Bombay wird gemeldet, daß Sir Salar Jung, der Premier⸗Minister von Heyderabad, am 5. April seine Reise nach England antreten wird. (E. C.) Der Gesandte der Vereinigten Staaten, General Schenck, ist gestern von hier nach Amerika ab— gereist. In Abwesenheit des Sesandten wird Oberst Hoffman als Geschäftsträger fungiren. Im Gemeinderathe der City wurde beschlossen, zur Feier der Rückkehr des Prinzen von Wales ein Fest in der Guildhall zu veranstalten. Vom Cap wird ge⸗ meldet, daß durch eine zu Little Popo ausgebrochene Feuers⸗ brunst die Hälfte der Stadt zerstört wurde. Von den Einge⸗ bornen machten sich viele ans Plündern, und etwa 50 wurden dabei in die Luft gesprengt.

(WB. T. B.) Don Carlos ist heute Abend von Folkestone hier eingetroffen.

Spauien. Die Waffenstreckung von 12.000 Carlisten, welche am 26. Februar in Pampelona stattfand, war ein glän⸗ zendes militärisches Schauspiel. Primo di Rivera war mit seiner Divifion, nachdem er in Estella und Puenta la Reina die erfor⸗ derliche Besatzung zurückgelassen hatte, in Pampelona eingerückt; am anderen Tage stieß Martinez Campos zu ihm; endlich rückte auch General Blanco mit vier Brigaden ein, und so stand eine Armee von 50, 900 Mann vereinigt. Mittags nahmen diese Truppen Aufstellung und durch die Hecke, welche sie gebildet, zogen die Carlisten mit Mustk zur Citadelle, um dort die Waffen abzulegen. Truppen wie Bevölkerung verhielten sich ruhig und würdig bei diesem Schauspiele. Das Aussehen der Carlisten war nicht schlecht. Das 7. navarresische Ba⸗ taillon, welches den Zug eröffnete, imponirte durch die kräftigen abgehärteten Gestalten. Jeder Soldat erhielt

einen Paß und eine Anweisung auf den von der Regierung be⸗ willigten Sold. Den Offizieren wurden 60 Fr. als Entschädi⸗ gung und 1 Fr. 69 Et. pro Tag als Reisegeld, den Unteroffi⸗ ieren und Freiwilligen 5 Fr. 20 Ct. und 75 Ct. ausgezahlt. Abends trafen wieder 4099 sich ergebende Carlisten ein.

Offiziellen Nachrichten aus der Han an na zufolge wur⸗ den in einem Reitergefechte zwischen 300 Spaniern und 600 Insurgenten am 29. Februar die letzteren geschlagen. Die Spanier verloren 26 Todte.

Portugal. Lisssabon, 26. Februar. Se. Majestãt der König von Portugal hat heute den außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Sr. Majestät des Kaisers, von Pirch, in feierlicher Audienz empfangen und sein Beglaubigungs⸗ schreiben entgegengenommen. In einer zweiten Audienz hatte der Gesandte di Ehre, den Kommandanten Sr. Majestät Kor⸗ vette „Medusa“, Korvetten ⸗Kapitän Zir zow und das gesammte Offizier⸗Corps des Schiffes vorzustellen, bei welcher Gelegenheit der König Dom Luiz persönlich den Gesandten und die See⸗ Offiziere zu einem am 28. stattfindenden Hofballe einlud.

Türkei. (W. T. B.) Wie die Wiener „Politische Korre⸗ spondenz von kompetenter Seite erfährt, gewährte die Pforte auf den freundschaftlichen Rath der Mächte den Insurgenten vollständige Amnestie und den Emigranten straffreie Rückkehr. Ebenso hat die Pforte den Insurgenten unentgeltliche Lieferung

des zum Aufbau der Häuser nothwendigen Materials, das ur Feldbestellung erforderliche Saatkomn und den Nachlaß des Zehnten für 1 Jahr, sowie den der übrigen Steuern für 2 Jahre zugesichert. Die türkische

Regierung hat die Vertreter der Mächte und die Spezialkom— missarien für die Herzegowina und Bosnien von dieser Ent⸗ schließung in Kenntniß gesetzt. Auf österreichisch⸗ungarischem Gebiete werden alle Vorkehrungen getroffen, um die Rückkehr der Flüchtlinge zu beschleunigen.

Ein Telegramm des W. T. B.“ aus St. Petersburg vom 5. März, Abends, meldet: Die serbische Regierung hat die Bereitwilligkeit ausgesprochen, die Einberufung der Mi— lizen zurückzunehmen und ebenso auch Ausfuhr von Getreide nach der Türkei wieder freizugeben.

Rumänien. Bu karest, 5. März. (W. T. B.) Der Vize⸗Präsident des Senats, Oreseu, hat seine Demis— sion eingereicht, weil die Regierung in dem Systeme fortfahre, welchem der Senat ein Tadelsvotum ertheilte. Der Senat hat indessen die Demission Orescu's zurückgewiesen, was ein Tadels— votum gegen das Ministerium implizirt. Der Finanz—⸗ ausschuß der Kammer hat die von der Regierung eingebrachte Vorlage wegen Aufnahme einer Anleihe von 30 Millionen behufs Deckung des Defizits und von 50 Millionen zu Eisen⸗ bahnbauzwecken abgelehnt.

Rußland und Polen. St. Peters burg, 2. März. Unter dem Titel; Serbien und Montenegros bringt der ‚Golos“ vom 1. d. M. einen Artikel, dessen Wiedergabe (aus dem Journal de St. Petersbourg“ seinem Hauptinhalte nach von Interesse sein dürfte:

Trotzdem die Pforte das von den sechs Mächten vorge- schlagene Reformprogramm angenommen, und trotzdem die türkische Regierung das Verlangen kundgegeben, durch versöhn— liche Maßnahmen der Erhebung Bosniens und der Herzegowina ein Ziel zu setzen, hat Europa doch noch kein unbedingtes Ver— trauen zur Wiederherstellung der Ruhe im Orient; die Besorg— nisse, welche es zu nähren scheint, beziehen sich weniger auf die

Frage, zu wissen, ob die Insurgenten sich durch diese Reformen für befriedigt erklären werden, als auf die fernere Politik Serbiens und. Montenegros. Die all—

gemeine Ueberzeugung scheint die zu fein, daß die Insurgenten nicht zaudern würden, die Waffen niederzulegen, wenn sie nicht hofften, Montenegro und Serbien zum Frühsahr zu ihcen Gun— sten interveniren zu sehen. Aber bis zu welchem Punkte liegt es denn im Interesse dieser beiden Füurstenthümer, solche Hoff— nungen zu unterstützen und dadurch die christlichen Bevölkerun— gen Bosniens und der Herzegowina anzustacheln, Rechte und Freiheiten zurückzuweisen, welche ihr Loos zu verbessern im Stande wären?

Wir sind durchaus überzeugt, sagt „Golos“, daß, wenn Ser— bien und Montenegro die Insurgenten in ihrer Weigerung, die Reformen anzunehmen, unterstützten, sie lediglich durch uneigen⸗ nützige Gesichtspunkte geleitet sein und ausschließlich das Wohl der unglücklichen Rajahs im Auge haben würden. Alber welches sind denn die Mittel, über welche sie gebieten, um erforderlichen Falles die Insurgenten nachdruͤcklichst unterstützen zu können? Sind sie im Stande, die christlichen Völkerschaften der Türkei zu befreien und auf den Ruinen des ottomanischen Kaiserreichs einen neuen slavischen oder christlichen Staat zu gründen? Nach den Korrespondenzen der Presse zu urtheilen, gehört die Möglichkeit eines offenen Kampfes zwischen Serbien und Montenegro einerseits und der Türkei andrerseits keines— weges in das Reich der Phantasie; alle Korrespondenzen, wlche aus Belgrad an die auswärtigen Journale gerichtet werden, sind voll von Details über die lebhaft betriebenen Rüstungen und die Auf— regung der Gemüther des serbischen Volkes; andrerseits be— zeugen die letzten Versuche der türkischen Regierung, sich Mon⸗ tenegro zu nähern und dieses Fürstenthum zur Aufgabe seiner feindseligen Haltung zu bewegen, daß die Pforte Befürchtungen hegt wegen der Aufrechterhaltung der Neutralität von Seiten der Regierung in Cettinje.

Wollte man kriegerische Absichten bei den serbischen und montenegrinischen Regierungen annehmen, so müßte man bei ihnen eine Gemeinsamkeit der Gesichtspunkte und ein vollständi⸗ ges Einvernehmen voraussetzen; und doch, wenn man das Ganze der Informationen, die man von allen Seiten erhält, ins Auge faßt, so scheint zwischen ihnen ein gewisser Zwiespalt zu herrschen. Man darf gewiß nicht leichtfertig an das Vor⸗ handensein einer Nebenbuhlerschaft zwischen den beiden Völkern glauben, von der die Pforte zu allererst Vortheil zie⸗ hen würde, aber man muß doch konstatiren, daß, sollte der 3wiespalt wirklich vorhanden sein, er im Falle eines entscheidenden Erfolges, den die Fürstenthümer über die Türken erringen wür— den, nur noch stärker werden und die Sympathien und die Unterstützung der Großmächte fraglich machen würde, deren Freundschaft in Cettinje und in Belgrad so großes Gewicht haben muß.

Jedenfalls ist zu wünschen, daß sich die beiden Regierungen, ehe sie sich in einen gewagten Kampf mit der Pforte einlaffen, genau Rechenschaft ablegen von ihren Streitkräften und von den Umständen, welche die Erreichung der vorgesteckten Ziele erleichtern oder ihnen Hindernisse in den Weg legen können. Dazu ist es nöthig, die innere Lage jedes der beiden Staaten scharf ins Auge zu fassen. Die von Montenegro beruht auf einer festen Grundlage: der unerschütterlichen Anhänglichkelt der Bevölkerung

an ihren Fürsten und der absoluten Hingebung des Souverãns an die Interessen seines Volkes; indem die Regierung von

Cettinje sich auf diese Grundlage stützt, hat sie für ihre außere aber sie

Politik ein Terrain, das ihr nicht enigehen kann, darf sich auch nicht verhehlen, daß die Stärke des Fürstenthums eine ganz pafsive ist, daß sie in der Bodenbeschaffenheit des Landes und in den natürlichen Hindernissen besteht, welche dasselbe der Invasion bietet und welche seine energische und tapfere Bevölkerung immer unüberwindlich machen wird. Aber Montenegro entbehrt der Hülfsquellen, welche nöthig find, um einen Angriffskrieg mit Erfolg zu führen. So lange Fürst Nikolaus gegenüber der Erhebung der Serzegowina seine jetzige Haltung bewahren wird, nämlich die eines Nachbarn, dessen Sympathien für die unglücklichen Insurgenten ebenso achtungswerth als natürlich sind, wird er den Großmächten gegenüber der Vertheidiger und der unparteiische Dolmetscher seiner vom muselmännischen Joch unter⸗ drückten Glaubensbrüder sein können und wird die Pforte ver⸗ pflich en, die Interessen, welche für Montenegro Lebens bedürfniß sind, zu achten. Wenn die Regierung von Cettinje aber eine offenstve Rolle ergreifen würde, so wurde sie eine schwere Ver— antwortlichkeit auf sich laden, indem sie ein Feuer entzündete, das zu löschen später nicht mehr in ihrer Gewalt stände; sie würde eine europäische Frage aufstellen, dessen Lösung ihr nicht mehr freistände und würde sich auf unheilvolle Weise von den Ereignissen überflügelt sehen.

In Serbien macht der Kampf der Parteien, der bereits dem Sinn für Ordnung und Gesetzmäßigkeit Abbruch gethan, die Lage noch bei weitem eniger guͤnstig; die einzige Politik, welche die Freunde des serbischen Volkes ihm rathen Fönnen, ist die, alle Zwistigkeiten, welche es zerreißen, bei Seite zu setzen, und sich um einen jungen Fürsten zu schaaren, der niemals die Interessen der Nation preisgeben wird. So lange die Parteien ihre Meinungen über das Gesetz stellen, so lange die Kriegs⸗ partei nicht auf die Idee einer Wiederherstellung Serbiens durch die Anarchie und die Unordnung verzichtet, kann das serbische Volk keinen Anspruch auf die Stellung erheben, welche ihm im Süden von Europa zukommt.

Wir glauben, sagt zum Schluß „Golos“, daß das Inter— esse Montenegros und Serbiens ihnen gebietet, einen offenen Konflikt mit der Pforte zu vermeiden, und ihre abwartende Po— litik fortzusetzen. Die Kraft beider Fürstenthümer beruht ganz und gar in einer passiven, beobachtenden Haltung, während ihre Zukunft und ihre Entwickelung von einer direkten Gefahr bedroht wären, wenn sie der Pforte den Krieg erklärten.

Wenn dagegen die Initiative zum Kampf von dieser letzteren ausginge, so könnten sie auf die Untersüützung Rußlands und der anderen Großmächte rechnen. Die Autonomie Serbiens ist in der That von diesen anerkannt und das tapfere montenegrinsche Volk hat in Rußland immer eine feste Stütze gefunden. Indem sie den legitimen Wün— schen der Mächte beipflichten, werden sie sich ebenso— viele Ansprüche auf ihren Schutz erwerben, während sie sich freiwillig der sichersten Stütze berauben werden, wenn sie einen Frieden gefährden, den Alle wünschen, und wenn sie die Be— mühungen der europäischen Diplomatie, die Ruhe in den insur— . Provinzen des türkischen Reiches wiederherzustellen, ver—⸗ eiteln.

Aus Taschkent läßt sich die „Internationale Telegrapheu Agentur“ vom 17.29. Februar melden: Die Truppen unter Ge— neral⸗Major Skobelew haben das Chanat Kokand endgültig be⸗ setzt. Der General⸗Lieutenant Kolpakowsky ist am 14. Februar von Chodshent nach Kokand gegangen, um die administrative Verwaltung des Landes zu organifiren. Die durch die Wirren erschöpfte Bevölkerung ist mit der Besetzung des Chanats durch un— sere Truppen zufrieden. Ueberall im Lande herrscht Ruhe. Am 15. Februar wurde der Kiptschakenführer Abdurahman Awto⸗ batschi durch Taschkent nach Orenburg transportirt. Der frühere Chan von Kokand Nassr-Eddin ist bis auf besondere Verfü— gungen in Taschkent geblieben.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 3. März. Der König und die Königin sind heute Mittag von Christiania nach hierher zurückgekehrt. Der König begab sich sofort nach dem Schlosse und löste die unterm 31. Januar eingesetzte interi⸗ mistische Regierung wieder auf.

Dänemark. Kopenhagen, 3. März. Auf der Tages—⸗ ordnung des Landsthinges stand gestera die erste Lesung des vom Folkethinge angenommenen, von der vereinigten Linken eingebrachten Ministerverantwortlichkeits⸗ gesetzes. Ohne irgend welche Debatte wurde der Uebergang des Gesetzentwurfs zur zweiten Lesung mit 32 gegen 9 Stim⸗ men verweigert. Das Folkething beendete gestern in zwei Sitzungen die zweite Lesung des Gesetzentwurfes, betreffend die Organisation des Heeres. In der Abendsitzung veran laßte die vom Referenten angeregte Frage wegen Einführung eines verbesserten und zeitgemäßeren Strafgesetzes für das Heer eine lebhaftere Diskussion. Der Kriegs-Mini ser erinnerte daran, daß das Folkething i. J. 1872 den von der Regierung damals vorgelegten Gesetzentwurf verworfen habe. Gegen die Anwendung der körperlichen Züchtigung in der Armee habe er sich schon früher bestimmt ausgesprochen; aber den Ansichten der Marine⸗ offiziere gegenüber habe er nicht gewagt, die Abschaffung der Prüuͤgelstrafe in der Marine vorzuschlagen. Sämmtliche Aende— rungsanträge des Ausschusses wurden angenommen und der . mit 63 gegen 3 Stimmen zur dritten Lesung ver— wiesen.

Amerika. Nach dem letzten von dem General-Poftmeister der Vereinigten Staaten von Amerika erstatteten Jahres bericht hat das Defizit der amerikanischen Post in dem Rechnungs⸗ jahre 1874375 nahezu 5 Millionen Dollars betragen; für das Rechnungsjahr 1876,77 ist dasselbe sogar auf inen Betrag von mehr als 8 Millionen Dollars veranschlagt worden. Man darf wohl als hiermit im Zusammenhange stehend eine durch Gesetz vom 3. März 1375 eingeführte Maßnahme ansehen, nach welcher die Postanweisungs⸗Gebühren im inländischen Verkehr der Vereinigten Staaten eine namhafte Erhöhung erfahren haben. Der General⸗Posimeister spricht in dem erwähnten Bericht die Hoffnung aus, daß sich hierdurch die Einnahmen aus dem Postanweisungs⸗Verkehr so weit steigern werden, um aus denselben wenigstens die Kosten dieses Dienstzweiges zu decken, was bisher keineswegs der Fall war.

Vereinswesen.

Berlin. In der Sitzung des Kuratoriums der Luisen⸗Stiftung (1776 - 1876) am 1 d. M. wurde Direktor Marienfeld zum Vor⸗ sitzenden, und Konsul Franz Paetow zu dessen Stellvertreter gewählt, auch der Beschluß gefaßt, mit der Bildung von Lokalvereinen vor—

zugehen.

Kunst, Wissenschaft und Ziteratur.

Hr Prof. Lepsius erläßt; folgende? Aufforderung: Nachdem auf dem internationalen Orientalistenkongresse zu London (1874) von der hamitischen Sektion der Beschluß gefaßt worden war, eine möglichst vollständige kritische Ausgabe des ägyp— tischen Todtenbuchs, dieses für die ägyptischen Studien wichtig · sten, im Laufe der Jahrtausende zu immer größ rem Umfange ange⸗ wachsenen Sammelwerkes, welche; j dem anzejehenen Aegypter mit ins Grab gegeben wurde, zu veranstalten, und nachdem die dazu nöthigen Geldmittel von der Köaiglichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und von dem preußischen Unterrichts Minifter um einem großen Theile nach bewilligt, auch von Seiten des Britisch n Mascums eine ansehnliche Beihülke zur Benutzung des dortigen Materials ge. gewährt worden war, hat sich ein Comité, bestehend aus den Herten S. Birch British Mus⸗um, Loadon, F Chabas, Ghaloa-ur-Sacne, Trance, R. Lepsius, Bendlerstraß 18, Berlin, Ed. Naville, Cour St. Pierre, Genêye, gebildet, welches sich der zur Ausführung des Londoner Beschlusses nöthigen Fürsorge unterziehen wird., Un zn— nächst eine Uebersicht des außererdenllich großen Maleriales zu ge⸗ winnen, welches zu sichten, zusammenzustellen und zu verwerthen ist, bat He. Naville bereits die sffentlichen Museen von Berlin und Ley den beseist, und kefindét sich zur Zit in London, von wo er zu Leichem Zwecke nach Paris, Turin und anderen Städten gehen wird. Da sich aber von keinem literarischen Werke des agvptischen Alter⸗ thums so viel Kepien von größeren oder kleineren Thäilen erdalten haben, wie vom Todtenbuche, so sind Hunderte von Vapyrusrollen dieser Art durch Reisende in Aerypsen anzekauft worden und in Privatsammlungen oder Einzelbesiß überzegangen. An ie Besitzer dieser weit zerstreuten Todtenpapyruz wendet sich dieser Aufruf mit der Bitte um Mittheilung davon an ein Mitglied des Comité, sei es durch Uebersendung von Originalen, Phetagraphien Durchzeich- nungen oder Abschriften, sei es durch möglichst genaue eschreibdang oder wenigstins Angabe, wo und in welcher Beschaffenheit dergleig en vorhanden ist. Die Vrweithung oder auch nur Erwähnung eines jeden Papyrus in der beabsichtigten kritischen Ansgabe ist nicht nur Kr diese oft voa unerwartet großem Interesse, sondern erhöht auch jederzeit den Werth des einzelnen Papyrus. .

Das Standbild Schillers in Marbach soll am 9. Mai feierlich enthüllt werden. ; Die französische Akademie hat an 2. d. M. in feier⸗ licher Sitzung Hrn. John Lemoinne als Nachfolger des verstor— benen Jules Janin in ihren Schooß aufg nommen. Jm feiner Antiüts. rede gab sich Ihn Lemoinne unumwunden nur für einen Journalisten, wie denn der Buchhandel von ihm auch nichte Anderes, als ein Bändchen vermiichter Aufsätz aufzuweisen hat. Die Begrüätzungäred: hielt Hr. Cuvillter Fleury, selbst ein langjähriger Misarbeiter des Journal des Débats. Er rühmte die paäbliz stischen Eigen⸗ schaften seines Kollegen, wobei manche politifchs Bem-rkung mit— unterlief.

Gewerbe und Handel.

Der Jahresbericht des Börsen. und Handel z-Bereins enthält folgende Daten über die Entwicklung des Geiss? Der Antheil des Vereins an den Provistonseinnah men betruzs 457,277 gegen 389,287 ½ im Vorjahre. An Zinsea und Reports wurden 127,717 vereinuahmt, 26.294 M weniger als 1874. Der Haupt. Aktiv⸗ Posten der Bilanz, der Bestand an Wechseln mit 177,42 besteht nur aus ersten Diskenten. Die Eagagements⸗Veiluste beziffern si auf 29 528 0 ;, doch konnte dieser Beträg um 11,525 M gekürzt werder, welche aas früher abgeschriebenen Verlusten im letzten Jahre eingegangen sind. Das Reinerträgniß des Coursberichts ist von 69, 757 4 pro 1874 suf 45,975 M pro 1875 zurückgegangen. Trotzdem ergiebt sich eine Verzinsung des dafür zu Buch stehenden Kapitals von über UI C0. Der Nettogewinn des verflossenen Jahres würde sich auf 344,504 M belaufen, wenn nicht 20000 M auf die Forderung des Vereins an die Baugesellschaft F. Pleßner & Co. abzuschreiben gewesen wären. Der darnach sich ergebende Reingewinn von 344, 5044 0 ist wie folgt zu vertheilen: 5 o Zinsen auf das ingezahlte Aktienkapital 180 0900 4, 5 o dem Reservefonds 8, 25 S6, ) Jo dem Aufstchtsrath 16,450 S6, 19 0ͤ¶0 den Beamten der Gesell aft 16459 S, so daß noch 123,378 zur Verfügung der Generalversammilung bleiben. Auf— sichtsrath und Vorstand preponiren hiervon 12) 000 M zur Zahlung einer Superdividende von 3 ½ zu verwenden und den Rest von 3378 66 auf neue Rechnung vorzutragen. Es würden demnach 8 Dividende zur Vertheilung und sofortigen Auszahlung gelangen.

In der an die ordentliche sich anschließenden außerordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der Breslauer Maklerbank vom 3. d. M. wurde die Liquidation des Instituts beschlossen. Das vorgelegte Bilanz Konto ergiebt, daß von dem Aktienkapital von l, 8090, 00 AM 989,047 S verloren gegangen find.

Die Dividende der Bayerischen Vereinsbank in München pro 1875 ist auf 70o½ oder 42 66 pro Aktie festgesetzt worden. Dem Reservefonds sind aus den Reinerträgunissen des ver— gangenen Jahres außer der von den Statuten vorgeschriebenen Do— tation noch weitere 125,000 46 überwiesen worden.

Dresden, 5. März. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Sächsischen Bank genehmigte in seiner heutigen Sitzung auf An— trag der Direktien, der auf den 27. er. einberufenen G neralversamm⸗ lung die Vertheilung einer Dividende von 10 das Jahr 1875 vorzuschlagen, wovon 92640 C dem Reingewinn pro 1875 und *g . dazu bestimmten Dividenden-Reservefond entnommen werden sollen.

London, 4. März. (W. T. B. Dem „Evening Standard“ zufolge sind Accepte des Hauses Lutscher und Cp., 8 Austin friars, London, zurückgegangen. Die Passiva des Hauses werden auf 500, 0090 K geschätzt. Man befürchtet eine ungünstige Liquidation.

Moskau, 4. März. (W. T. B.) Auf den bezuͤglichen Antrag des hiesigen Bevollmächtigten des Administrators der Strousbergschen Konkursmasse hat das Gericht verfügt, daß die Moskauer Wechsel— forderung im Betrage von 165,000 Rbl. abschläglich zu bescheiden und die Wechsel nach Berlin zur Konkursmasse zu ü ersenden seien.

Verkehrs⸗Anstalten.

München, 3. März. Von Seite der General-⸗Ditektion der Verkehrsanstalten sind folgende Bahneröffnungen in Aussicht gestellt; und zwar: 1. April: Dombühl-Feuchtwangen; J. Mai: Rosenheim⸗ Mühldorf; 15 Mai: Nördlingen -⸗Dinkelsbühl; 1. Juni: Fürth Elters« dorf gegen Aufhebung der Streck! Fürther Kreuzung-Eltersdorf; 1. Juli: Offingen ⸗Hochstadt; 1. Juli: Neustadt⸗Windsheim.

Plymouth, 5. März. (W. T. B) Der Hamburger Post— dampfer „Allemannia“ ist aus Westindien hier eingetroffen.

Trie st, 5. März. (W. T. B) Der Lloyddampfer , Aust cia“ ist mit der ostindischen Ueberlandpost um 109 Uhr Nachts aus Alexan- drien hier eingetroffen.

Bern, 4 März. (C. 3) Der Verwaltungsrath der Gott⸗ hardbahn genehmigte den Finanzbericht der Direktion und wählte eine Kommission als Beistand der Direktion bei den Verhandlungen über die Rekonstruktion des Baukapitals.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Stuttgart, Montag, 6. März. Nach einer Meldung des Staats⸗-Anzeigers“ wird Minister v. Mittnacht bei dem am 3. April e. erfolgenden Zusammentritt des Ju st iz ausschusses des Bundesraths über die Beschlüsse der Reichs sustizkommission zur Strafprozeßordnung refexiren, während bezüglich der Civil⸗ prozeßordnung der bayerische Justiz⸗Minister v. Fäu stle, bezüg— lich des Gerichtsverfassungsgesetzes der sächsische Justiz⸗Minister Abeken das Referat übernommen hat.