1876 / 71 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

betten · Corps spelssen im Feldmarschallsa cle des Instituts, Für eine entsprechende Vergnügung der Weannschaften war allenthal⸗ ben Sorge getragen. . ——

Die Königliche Alademie der Künste hielt zur Feier des Allerhöchsten Geburtstages Vormittags 11 Uhr eine Festsitzung ab, die Königliche Akademie der Wissenschaften wird morgen eine öffentliche Sitzung veranstalten. Die Königliche Universität beging den Geburtstag Sr. Majestät in der großen Aula durch eine Feier, bei welcher der Professor Dr. Curtius die Festrede hielt. . 2

In den Gymnasien, Realschulen und den übrigen höheren Lehranstalten wurden feierliche Akte abgehalten, während in allen Schulen ohne Ausnahme der Unterricht ausfiel.

Der Allerhöchste Geburtstag war vom Magistrate dazu be⸗ slimmt worden, die vom Bildhauer Keil ausgeführte Bronze⸗ Statue Sr. Majestät des Kaisers und Königs in der linken Rische am Hauptportal des Rat! hauses zu enthüllen. Eine besondere Feier fand hierbei nicht statt. .

Unter zahlreicher Betheiligung der kirchlichen und stãdtischen Behörden, sowie der Gemeindemitglieder wurde Vormittags II Uhr in feierlicher Weise der Grundstein zu dem Kirchen⸗ hause der St. Markusgemeinde in der Weherstraße gelegt.

Das Geburtsfest Sr. Kaiserlichen Majestät war von den zuständigen Behörden dazu bestimmt worden, un an demselben eine Erinnerungsfeier an das fünfundzwanzig⸗ jährige Bestehen der Berliner Feuerwehr zu be⸗ gehen. Die Mannschaften der Feuerwehr versammelten sich demgemäß, soweit es das Interesse des Dienstes zu⸗ ließ, nach Beendigung des Gottesdienstes auf dem Hofe des Centraldepots in Parade⸗-Aufstellung. Der Polizei⸗Präsident v. Madai gedachte in kurzer Anrede der Wichtigkeit des Tages, vertheilte die von Sr. Majestät Allergnädigst bewilligten Ordens⸗ dekorationen und übermittelte den Mannschaften, die seit der Begründung der Feuerwehr dem Institute angehören, die vom Magistrate bewilligten Gratifikationen.

Wie in früheren Jahren, so wurde auch heute der Kaiserliche Geburt-tag in sämmtlichen stäbtischen Wohlthätigkeitsanstalten durch festliche Speisung der Hospitaliten oder durch Gewährung von Geldspenden gefeiert.

In den Königlichen Theatern finden Abends Festvorstellun— gen statt, welche durch Prologe und die Klänge der Jubelouver⸗ türe eingeleitet werden. Ebenso werden in den übrigen Theatern die Vorstellungen, die zum Theil Aufführungen patriotischen In⸗ haltes bieten, durch festliche Worte eröffnet.

Auch in zahlreichen Vereinen und geschlossenen Gesellschaf⸗ ten wird der Geburtstag Sr. Majestät in herzlicher und feier⸗ licher Wäse begangen. Allenthalben äußern sich die innigen und theilnehmenden Wünsche, mit denen das deutsche Volk den Kaiser in Sein achtzigstes Lebensjahr geleitet.

Namentlich ist es auch die Presfe, welche diesen Gefühlen aufrichtiger Theilnahme und Verehrung heute Ausdruck verleiht. Fast fämmtliche der uns vorliegenden Blätter aller Parteien widmen dem heutigen Festtage ausführliche Leitartikel. So schreibt die ‚„Voss. Ztg.“: . . . „An der Schwelle des achtzig— fien Lebensjahres scheinen Ihm menschliche Schwächen fremd, allen Anstrengungen Seiner hohen Stellung zeigt Er Sich ebenso gewachsen, wie Er für edle Freuden des Lebens jugend⸗ liche Empfänglichkeit bewahrt hat, auf dem Exerzierplatz ver⸗ säumt Er keine Pflicht, in der Gesellschaft keine Rücklicht, alle

Geistes kräfte stehen Ihm zu Gebot, überall ist Er derselbe, jeder Schein ist Ihm fern. In einer nur funfzehnjährigen Regierungszeit hat dieser Monarch genug für die längste Regierungszeit gethan, Seinen Namen eng mit den ruhm⸗ reichsten Erinnerungen Seines Volkes und Seiner Nation verknüpft und arbeitet an Seinem Theil mit redlichem Willen an der Aufrichtung des Reiches und der Reorganisation des Staates, wie Er mehrere Male die schwere Last des Krieges auf Seine ungebeugten Schultern genommen hat.“ —— „Dadurch ist in Preußen zwischen dem Herrscherhause und dem Volke ein Bund entstanden, der das Familienverhältniß vom Thron bis

Empfindungen zuführt.“ ... .

„Was Kaiser Wilhelm“, so sagt die „Tribüne“ in ihrem Fest⸗ artikel, bei Uebernahme der deutschen Krone hoffend gelobt, es hat bis heute redliche Erfüllung gefunden. Der Kaiser hat das Recht des Reiches und seiner Glieder zu schützen gewußt, den Frieden ge⸗ wahrt, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, vertheidigt. Die deutsche Nation genießt den Lohn ihrer heißen und opfermüthigen Kämpfe in Frieden und wird ihn auch ferner innerhalb der Grenzen genießen, welche dem Vaterlande seine Sicherheit gegen neue Angriffe von Außen gewähren. Dem Kaiser selbst aber ist es beschieden gewesen, nach Seinem Wunsche „Mehrer des Reichs“ zu sein an Gütern des Friedens, auf den Gebieten nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.“

Die „Deutsche Börsen⸗ u. Handels⸗3tg.“ hebt hervor, daß ganz Deutschland den Geburtstag seines Kaisers feiere, denn „an diesem Tage ruht aller Haß und Zwietracht, aller Kampf n,. Es ist etwas Schönes um die Feier eines ganzen

olkes“. ...

„Niemals“, so schließt die „Wes. Ztg.“ ihren heutigen Leit⸗ artikel, „wird Kaiser Wilhelm tiefer Sich der wunderbaren Wege, die Ihn die Vorsehung geführt, inne geworden sein, als am Tage, da Er das Andenken des hundertjährigen Ge⸗ burtstages Seiner unvergeßlichen Mutter beging. Er hat an der glorreichen Erhebung mit Theil genommen, mit⸗ gekämpft für die Befreiung, die Jahrzehnte des Ringens und Hoffens auf eine glücklichere Gestaltung der deutschen Verhält⸗ nisse miterlebt und miterlitten, Er ist das Werkzeug zur Erfül⸗ lung unserer heiße sten Wünsche geworden. Darum ist Kaiser Wilhelm so innig mit dem deutschen Volke verbunden und darum nimmt diefes an Seinem Geschicke den wahren, herzlichen Antheil, der heute vom Fels zum Meere in lautem Jübel und . . 53 den Wunsch kundgiebt, daß auch

e Lebensjahr dem iser ei ückliches ein gesegneies sein möge. K

Se. Faiferliche und Königliche Hoheit der

Kronyrinz begab Sich gestern früh 71 Uhr zur Begrüßung Sr. Großherzoglichen 3 des Prinzen Ludwig von Hessen nach dem Anhalter Bahnhofe. Im Laufe des Vormittags nahm Höchstderselbe militärische Meldungen entgegen, empfing den General Lieutenant und General⸗A1Adjutanten von Obernitz, sowie eine Deputation Höchstseines Königlich sächsischen Dusaren Regi⸗ ments Rr. 19, bestehend aus dem Commander DOberst Lieute⸗ nant von Schnehen, dem Rittmeister Schultze und dem Premier⸗ Lieutenant von Sandersleben. : Um 1 Uhr Mittags wohnten Ih re Kaiserlichen Hoheiten der Kronprinz und die Tronprinzessin der eröffnung der Nationalgalerie bei und empfingen und erwiderten später die Besuche hier eingetroffener Fürstlicher Gäste. Nach⸗ mittags 5 Uhr begaben Sich Höchstdieselben zum Diner in das Königliche Schloß. Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz be⸗ suchte Abends die Oper und nach derselben die Soiree bei dem Fürsten Anton Radziwill, während Ihre Kaiserliche Hoheit die Kronprinzessin Abends 9 Uhr Höchstihre beiden ältesten Söhne, die Prinzen Friedrich Wilhelm und Heinrich, welche zum Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers von Cassel hier ein⸗ trafen, auf dem Potsdamer Bahnhofe begrüßte.

Se. Durchlaucht der regierende Fürst Reuß ist gestern Abend in Begleitung des Obersten v. Feilitzsch aus Greiz hier angekommen und im Hotel Royal abgestiegen.

Der Ausschuß des Bundesraths für Rechnungswesen hat bei dem Bundesrath beantragt, folgenden Bestimmungen über die Behandlung nachgemachter und verfälschter, sowie beschädigter und unbrauchbar gewordener Reichs kassenscheine die Zustimmung zu ertheilen;

A. Rachgemachte und verfälschte Reichskassen⸗ scheine. J. I) Sämmtliche Reichs- und Landeskassen haben die bei ihnen eingehenden nachgemachten oder verfälschten Reichs⸗ kassenscheine (58. 146 148 des Strafgesetzbuchs) anzuhalten. 2) Wird ein eingehendes Falschstück als solches von den Kassenbeamten ohne weiteres erkannt, so hat der Versteher der Kaffe sofort der zuständigen Justizs oder Polizeibehörde Anzeige zu machen und das angehaltene Falschstück vorzulegen, unter Beifügung des eingegangenen Begleitschreibens, Etiketts ꝛc, be⸗ ziehungsweise der über die Einzahlung aufzunehmen en kurzen Verhandlung. .

3) Erscheint die Unechtheit eines Scheines zweifelhaft, so ist derselbe, nachdem dem bisherigen Inhaber eine Bescheinigung über den Sachverhalt ertheilt worden, an die Reichsschuld:nver⸗ waltung (Königlich preußische Hauptverwaltung der Staats⸗ schulden, Berlin 8W., Oraniensiraße 94) einzusenden. Diesel be wird diese Scheine einer Untersuchung unterwerfen, und a. im Falle der Echtheit den Werth fur Rechnung des Reichs der ein— sendenden Kasse zur Aushändigung an den Einzahler zusenden, die Scheine aber, sofern sie zum Umlauf, nicht geeignet sind, einziehen lassen; b. im Falle der Unechtheit das Falschstück an die einsendende Kasse zurückgeben, damit dieselbe in Geinäßheit der Vorschriften unter J. 2 verfahre.

II. Der Reichs⸗Schuldenverwaltung ist von jeder, wegen Fälschung oder Nachahmung von Reichs⸗Kassenscheinen erfolgten Einleitung eines Untersuchungs⸗ oder Ermittelungs verfahrens sofort Mittheilung zu machen und, sobald es ohne Nachthe! für das Verfahren geschehen kann, das Falschstück vorzulegen. Auch ist die Reichs⸗Schuldenverwaltung von dem Fortgange des Ver⸗ fahrens in Kenntniß zu erhalten und von dem schließlichen Er⸗ gebnisse desselben, unter Vorlegung der Akten und Falsch stücke, zu benachrichtigen. Letztere sind von der Reichs-Schuldenverwal— tung aufzubewahren.

B. Beschädigte und unbrauchbar gewordene Reichskassenscheine. J. 1) Sämmtliche Reichs- und Landes⸗ kassen haben die ihnen bei Zahlungen angebotenen beschädigten oder unbrauchbar gewordenen (einschließlich der geklehten und der beschmutzten) Reichskassenscheine, deren Urniauschfährgkeit (vgl. S. 6 Abfatz 2 des Gesetzes betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen, vom 30. April 1874, Reichs⸗Gesetzbl. S. 40) zweifellos ist, anzunehmen, aber nicht wieder auszugeben, sondern an Sammelstellen (— für die Reichskassen die Reichs— Hauptkasse und die Ober-Postlassen, für Preußen die General⸗ Staatskasse und die Regierungs- beziehungsweise Bezieks-Haupt⸗ kassen, für die übrigen Bundesstaaten die Landes Centralkassen abzuführen. . .

Solche Reichskassenscheine sind, außer von der Reichs— Hauptkasse, auch von den vorbezeichneten übrigen Sammelstellen, soweit es deren Bestände gestatten, gegen umlaufsfähig: Reichs⸗ kassenscheine oder baares Geld umzutauschen. .

2) Die zu 1) gedachten Sammelstellen haben die bei ihnen eingegangenen einzuziehenden Scheine, nach erfolgter Prüfung der Umtauschfähigkeit am Schlusse jedes Vierteljahres, unmittel⸗ bar an die Königlich preußische Kontrole der Staate papiere (Berlin 8W., Oranienstraße ch einzusenden. Die Einsendung kann auch schon im Laufe des Quartals erfolgen, wenn sich ein Befland von 5000 6 oder mehr angesammelt hat.

3) Die Kontrole der Staatspapiere leistet, nach erfolgter Prüfung der Umtauschfähigkeit der eingelieferten Scheine, den Ersatz für dieselben aus den ihr zu diesem Behufe von der Reichs⸗Hauptkasse vorschußweise zur Verfügung gestellten Mitteln, und eniwerthet die solchergestalt eingezogenen Scheine mittelst einer Durchschlagemaschine.

4) Sobald eine Summe von 300, 000 M6 in eingezogenen und entwertheten Scheinen sich angesammelt hat, beantragt die Kontrole der Staatspapiere bei der Reichsschuldenverwaltung die Vernichtung derfelben, und empfängt, nach erfolgter Vernichtung, welche unter Kontrole der Reichsschulden⸗ kommisston stattzufinden hat, aus dem bei der Reichsschulden⸗ verwaltung beruhenden Formular⸗Reservebestande eine nach Betrag und Abschnitten der vernichteten Summe entsprechende Menge von Formularen mit der Ermächtigung, dieselben auszu⸗ fertigen und der Reichs-Hauptkasse zur Deckung des erhaltenen Vorschusses zu verabfolgen.

Der Betrag der eingezogenen und vernichteten Schei e ist dem Reichskanzler⸗Amt alljährlich anzuzeigen.

Il. Auf BReichskassenscheine, deren Umtauschfähigkeit zweifelhaft oder deren Ersatz nach 8. 6 des Reichsgesetzes vom 30. April 1874 dem Ermessen der Reichsschulden⸗ vetwaltung überlassen ist, finden die Bestimmungen unter IJ. 1 und 2 keine Anwendung, vielmehr ist der Ein⸗ lieferer solcher Scheine mit dem Antrage auf Ersatz an die Reichsschuldenverwaltung zu verweisen.

Wird von dieser Ersatzleistung verfügt, so sindet dasselbe Verfahren, wie bei den übrigen eingezogenen Reichskassenscheinen (. Ziffer 3 und 4) statt. Wird die Ersatzleistung verweigert, so find die Scheine mit dem Werthlosstempel versehen den Ein⸗

0. Portofreiheit. Postsendungen, welche in Aus füh⸗ rung der gegenwärtigen Bestimmungen zwischen Landesbehörden und' Landeskassen einerseits, sowie der Reichs- Schuldenverwal⸗ tung und der Föniglich preußischen Kontrole der Staatspa⸗ piere andererseits erfolgen, sind als Reichsdienstsachen portofrei zu befördern.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Herrenhaufes und des Hauses der Abgeordneten be⸗ finden sich in der Beilage.

Ein Zeitungsredacteur, welcher eine Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze veröffentlicht, ohne sich der Strafbarkeit dieser Aufforderung bewußt zu sein, ist dennoch als Thäter nach 5. 20 des Preßgesetzes und 5. 110 des Str. G. B. zu bestrafen. Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 25. Fe⸗ bruar d. J.

Der Thierarzt Dr. Steinbach zu Eschweiler ist zum kommissarischen Kreisthierarzt für den Kreis Saarbrücken ernannt worden.

Bayern. München, 19. März. Von dem Reichsrath v. Bomhard ist der Fammer der Reichsräthe ein auf die Beschlüsse der Kammer der Abgeordneten hinsichtlich der Ge⸗ halte der Beamten sich beziehender Antrag eingereicht wor⸗ den, welcher, wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, in der Hauptsache dahin geht: den Beschlüssen der Abgeordnetenkammer mit der Erweiterung beizustimmen, daß auch die von der Staatsregie⸗ rung proponirten, von der Mehrheit der Abgeordnetenkammer aber abgelehnten 210 6 für jeden Beamten bewilligt und die an die Krone zu richtende Bitte dahin erweitert werde: es möchte Se. Majestät der König, wie die bisherige Theuerungs⸗ zulage, so auch die in Rede stehenden 210 46 als pragmatischen Gehalt gewähren.

20. März. Nachdem der Minister v. Pfretzschner in de Abgeordnetenkammer die heutige Leffersche Interpellation, betreffend die Tarife für den Holztransport, sowie die neuliche Föckerersche Interpellation, betreffend die Getreide⸗ tarife, in ausführlicher Weise beantwortet und die Unmöglich⸗ keit, bezüglich des Transitverkehrs Aenderungen der Tarife vor⸗ zunehmen, dargelegt hatte, wurde der Antrag des Abg. Senestrey auf Wahl eines Eisenbahnausschusses angenommen. Der Kriegs-Minister legte den Militäretat vor. Nächste Sitzung Donnerstag.

Sachsen. Dresden, 19. März. Des Kaisers Ge⸗ burtstag wird diesmal hier feierlicher, als je, begangen werden. Außer dem Festdiner bei Hose, das schon immer stattfand, und einem vom Reichsverein veranstalteten Souper, bei welchem der zum Landtag hier anwesende Professor Dr. Biedermann auf Er⸗ suchen es Vorstandes die Festrede übernommen hat, wird auch, zum ersten Male, ein gemeinsames Festessen der Zweiten Kammer

stattfinden.

Hessen. Darmstadt, 17. März. In der heutigen Sitzung der Landessynode bildete nach Erledigung minder wichtiger Vorlagen den Hauptpunkt der Verhandlungen der Antrag der Dhr. Rieger und Buchner auf Maßregeln zum Schutze der Sonntagsheiligung. Ueber den Verlauf der Debatte schreibt man dem „Fr. Journ.“: Nach der eingehenden Motivirung des Antrags, welche die Zustände des Volkslebens schilderte, wurde von der einen Seite die Schilderung als zu grell, nicht zutreffend bezeichnet, der Kirche selbst die Schuld beigemessen, warum die Sonntagsheiligung nicht mehr in gleichem Maße stattfinde, wie früher, und namentlich dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß die Kirche sich der Kultur und dem Bewußtsein der Zeit anzuschließen habe. Von der an⸗ dern Seite wurde dagegen das Sinken und Zurücktreten des religiös sittlichen Momentes im Volksleben ebenso entschie den be⸗ hauptet als betlagt, aber nun umgekehrt der realistischen und materialistischen Richtung der Zeit gedacht und bemerkt, daß das geläuterte Christenthum sich nicht nach der Kultur oter nach Dem Zeitbewußtsein zu richten habe, im Gegentheile die Quelle aller wahren Kultur sei. Schließlich wurde der Antrag so weit angenommen, daß Alles, was irgendwie einen Polizeizwang ein⸗ zuschließen scheine, fern zu halten sei. Damit wurden die dies⸗ maligen Verhandlungen der Synode geschlossen.

18. März. Die Berichte des Finanzausschusses der Ersten Kammer über diejenigen Gegenstände, welche vor Kurzem von der Zweiten Kammer erledigt worden sind, liegen nunmehr gedruckt vor, und es erhellt daraus, daß der Aus—⸗ schuß überall Beitritt zu den Beschlüssen Zweiter Kammer be⸗ fürwortet. Namentlich gilt dies auch von denjenigen Be⸗ schlüssen, welche zur Erwerbung der oberhessischen Eisenbahnen durch den Staat gefaßt wurden,.

= 19. März. Die Landessynode hat sich gestern, nach= dem sie innerhalb dreier Sitzungen das Kirchenbudget berathen und einen Antrag auf strengere Wahrung der Sonntagsfeier (mit Ausnahme des Passus, der die Hülfe der Staatsregierung an⸗ gerufen wissen wollte) angenommen, auf unbestimmte Zeit ver⸗ tagt.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 21. März. Zur Vorfeier des Geburtstages Sr. Majestät des Deutschen Kaisers findet heute Abend um 9 Uhr ein von sämmtlichen Musikeorps ausgeführter Zapfenstreich statt. Die morgige Feier wird militärischerseits eingeleitet durch eine Reveille. Um I6 Uhr wird Gottesdienst in der Garnisonskirche gehalten. Nach demselben findet auf dem alten Garten eine große Pa⸗ rade statt.

Sachsen ⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 21. Mãrz. (W. T. B.) Der Landtag hat heute die Vorlage wegen Thellung bes Reinertrages aus dem Kammer vermögen mit erheblicher Majorität abgelehnt.

Oldenburg. Oldenburg, 19. März. Gestern haben hier die Urwahlen stattgefunden, und sind dieselben Personen aus der Wahlurne hervorgegangen, welche hei den Wahlen. zum letzten Landtage als Wahlmänner fungirt haben. Die Wieder⸗ wahl derselben entsprach einem auf einer allgemeinen Bürger⸗ verfammlung vor Kürzem gefaßten Beschlusse, Die Betheiligung an der Wahl war, wie man der Wes. Ztg.“ schreibt, eine außerst geringe und wurden nur 246 Stimmzettel abgegeben. In den Übrigen Theilen des Großherzogthums scheint die Wahl⸗ bewegung eine sehr rege zu sein. Der Geburtstag . Kaisers wird in Eutin durch ein Festessen im Hotel Stad Hamburg gefeiert werden.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 21. März. Das Reichs gesetzblatt publizirt das Gesetz vom 19. März 1876, betres⸗ fend die Beflimmung der Fristen zur Geltendmachung der Rechts

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lieferern zurückzugeben.

mittel gegen die Entscheidungen und Verfügungen der Organe

der Finanzverwaltung. Der „Pol. Korr.“ zufolge treten die Delegationen voraussichtlich in der ersten Woche des Monats Mai in Pest zusammen.

Die Presse“ hält die von der N. Ir Pr.“ vorgeschlagene Einführung der Goldwährung für unmöglich und faßt das eigene „Programm für wirthschaftliche Rettung“ in die Worte zusammen: „Arbeit und nochmals Arbeit und viel Arbeit. „Die Arbeit, um welche es sich hierbei handelt, unterscheidet sich in viele Klassen und Arten, die aber ein gemeinsames Kennzeichen haben, das sie als produktiv stempelt. Dieses Kennzeichen liegt in dem Wörtchen „redlich“ Redliche Arbeit in der Studirstube, im Amtszimmer, auf dem Markte, auf dem Felde. „Diese redliche Arbeit wird nicht auf die Währung des Gläubigers, doch auf die eigene Zahl⸗ pflicht das Gewicht legen; sie wird nicht die Bau Ueberschrei⸗ tungen garantiren, sondern den Bau zu gewährleisten haben. Diese Arbeit wird nicht über Nacht die Schäden der Krisis heilen, sondern Sandkorn nur an Sandkorn reihen.“

Lemberg, 20. März. In der heutigen Sitzung des Landtags beantwortete der Landesausschuß, Vize⸗Praͤsident Pietruski, eine Interpellation der Ruthenen, ob der Landesaus— schuß zufolge der von ruthenischer Seite eingebrachten Motion wegen größerer Berücksichtigung der deutschen Unterrichtssprache in den Schulen Galiziens irgend welche Anträge diesbezüglich dem Landtage vorlegen werde, dahin, daß der Landes ausschuß im Einvernehmen mit dem Landesschulrathe beschlossen habe, in dieser Frage die Initiative aus Opportunitätsgründen abzulehnen. Eine Regierungsvorlage über Feldschutz wurde der Landeskultur Kommission und ein Antrag der Ruthenen auf Gleichberechtigung der ruthenischen Vortragssprache mit der polnischen in den Schulen Galiziens (erst nach wiederholter Abstimmun z dem Unterrichtsausschusse zugewiesen.

Zara, 20. März. Die für heute ungesagte Landtags⸗ sitzung konnte nicht zu Stande kommen. Es erschienen nur vier Abgeordnete, nämlich Antonietti, Gligo, Piperata und Bischof Petranovic. Der Präsident Ljubissa hat in Folge dessen auf besonderen Allerhöchsten Auftrag den Landtag geschlossen.

Wie die „Politische Korrespondenz“ meldet, hat sich so⸗ gleich nach dem Schluß des dalmatinischen Landtages eine Deputation der Majorität zum Statthalter Rodich begeben und diesem gegenüber die Erklärung abgegeben, daß die gegen den Präsidenten des Landtages, Ljubissa, gerichtete Kundgebung jeden Gedanken an eine Demonstratien gegen die Regierung ausschließe, auch zugleich gebeten, die Landesvertretung gegen jede derartige Zumuthung verwahrt zu halten. ö

Pest 20. März. Das Abgeordnetenhaus votirte heut die vom Oberhause an dem Sanitätsgesetze gemachten Modi si— kationen, worauf die Spezialdebatte des Gesetzentwurfes Über die Volksschulbehörden begann

Das Oberhaus diskutirte die Dienstbotenordnung.

Belgien. Brüssel, 21. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Repräsentantenkammer brachte Fi— nanz⸗Minister Malou den bereits gemeldeten, zur Unter— stützung der Banque de Belgique bestimmten Gesetz— entwurf ein, wonach die Regierung ermächtigt wird, der „So— ciété pour construction des chemins de fers, die die Schuld— nerin der Bangue de Belgique ist, den Betrag für die von der gedachten Gesellschaft für Staatsrechnung aus— geführten Eisenbahnstrecken mit cirea 12 Millionen so— fort und nicht erst zu den stipulirten Fälligkeitsterminen cuszuzahlen. Der Abg. Dumortier verlangte, daß die Banque de Belgique einen anderen Namen annehme, und beantragte eine eingehende Prüfung der Vorlage, damit in Zukunft die Regierung nicht mehr genöthigt sei, den in Noth gerathenen Finanzinstituten zu Hülfe zu kommen. Es wurde in Folge dessen Bexichterstattung über die Gesetzvorlage beschlossen und. die Berathung des Berichts auf morgen festgesetzt. Der Bericht der unter Unterbrechung der Kammersitzung alsbald erstattet wurde, sprachen sich für Annahme der Vorlage aus.

Großbritannien und Irland. London, 21. März. (W. T. B.) Die Königin hat den seitherigen Gesandten Sir Augustus Paget zum Botschafter am italienischen Hofe ernannt; zum italienischen Botschafter am engli— schen Hofe ist Graf Menabrea ernannt worden.

(W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unter—⸗ hauses sprach der Kanzler der Schatzkammer, Northeote die Erwartung aus, daß der Deputirte Wolff auf seinem An⸗ trage, betreffend die Neutralisirung des Suezkanals, nicht be— harren werde, weil dieselbe für den Augenblick inopportun er— scheine. Wolff erklärte in Folge dessen, daß er von seinem Antrage absehen werde. Im weiteren Verlaufe der Sitzung zeigte Cochrane an, daß er demnächst die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Besitzergreifung Kokands durch de russische Regierung zu lenken beabsichtige.

K Die Expedition gegen Waidah (Westküste von Afrika), welche wegen Mißhandlung eines englischen Kaufmanns unternommen wurde, steht, wie schon erwähnt, unter dem Kom— mando des Kommodore Hewett und es sind der Korvette „Active“ die Kanonenboote „Contest“ und „Foam“ und die Schaluppe „Spiteful“ beigegeben, mit einer Gesammtmannschaft von mehr als 600 Personen. .

Irankreich. Paris, 19. März. Das „Memorial diplomatique“ kommt auf das ministerielle Programm zurück und bemerkt dazu u. A.: „Eine große Nation welche in voller Umbildung begriffen ist, braucht den Frieden zu seiner Konsolidirung. Auch unser Vaterland hat stets seine Bereitwilligkeit zu eckennen gegeben, wenn es sich um Besänftigung und Beruhigung handelte; es hat sich je⸗ doch aller Initiative enthalten, um jedem Verdacht zu entgehen. Die Erklärung des Ministeriums bestärkt noch diese äußere Pobitik in Bezug auf die Stellen, welche die Armee und Marine berühren. Alles, was Frankreich in dieser Beziehung seit vier Jahren ge⸗ than, hatte nur den Zweck, die in voller Auflösung befindliche Armee wieder herzustellen. Ein gewaltiger Organisationsplan wurde angenommen, aber seine Ausführung geht nur langsam vorwärts, theils weil finanzielle Rücksichten eingetreten theils aber in Uebereinstimmung mit der friedlichen Politik. Dasselbe gilt auch von der Marine, für welche feit dem Kriege gar nichts geschehen ist und bei welcher es sich jetzt darum handelt, Ersatz zu schaffen für das, was seit 1870 verloren gegangen ist.“ Das „XIX. Siecle“ erhält aus Neucaledonien einig— Daten, die in dem Augenblick, da die Amnesliefrage angeregt wird, besonderes Interesse haben. Darnach beläuft sich die Zahl der zur Deportation nach einem befestigten Platze Ver⸗ urtheilten, welche sich dort fünf Jahre aufhalten müssen, ehe sie sich in der Kolonie niederlassen dürfen, auf 750. Von den zur einfachen Deportation Verurtheilten befinden sich noch 2550

Namea, Gomen, in den Bergwerken von Balade, in Quareil, Dombea, Pont des Fran gais und anderen Orten) niederlassen. Endlich besinden sich noch in Neucaledonien 218 Individuen, welche in Folge gemeiner Verbrechen, die sie unter der Gunst

worden sind. bedeutendere Anzahl von Theilnehmern an der Insurrektion sich den Verfolgungen durch die Flucht entzogen hat und in Brüssel Genf, London u. s. w. nur auf den Augenblick martet, nicht als Begnadigte, sondern als Märtyrer, die man selbst um Ver— zeihung gebeten hat, nach Paris zurückzukehren. Die „Opinion“ hält daher die Amneslie für die Leute vom 18. Vãrz fũr weder vernünstig noch möglich; statt Beruhigung und Verföhnung zu schaffen, würde sie nur Haß und Streit verbreiten, den Bürger⸗ krieg neu beleben und neue Verwirrung in den Jemüthern und in den Gewissen stiften. Dies ist, wie das genannte Blatt ausführt, die allgemeine Ueberzeugung in Frankreich. In Erwartung des Wegfalles des Belagerungszustandes werden in Paris schon fünf neue Blätter angekündigt mit den der Kommunezeit entlehnten Titeln: „Le Mot d' Ordre“, „Le Reveil“, ‚L'Avenir“, „La Marsei(laise ' und, Le Pere Duchesne“. Eine Anzahl carlistischer Offiziere und Soldaten hat sich zum Eintritt in die französische Fremdenlegion gemeldet. Dieselben werden nach der Provinz Oran gesandt.

20. März. Das „XIX. Siècle“ zitirt heute eine andere Aeußerung des Unterrichts⸗Ministers Waddington, die sich noch schärfer gegen seine klerikalen Vorgänger Eumont und Wallon kehrt. Herr Waddington hätte, deim genannten Blatte zufolge, die Beamten seines Ministeriums um sich gesammelt und ihnen gesagt: „Ich weiß, daß Stellungen, welche alle Achtung und Schonung verdienten, angetastet worden sind, ich gedenke die betreffenden Personalakten durchzu— sehen und Jedermann Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen.“ Das heute in der Deputirtenkammer zur Vertheilung gelangte Budget für 1877 schließt mit folgenden Ziffern ab: Ein— nahmen 2,672, 14) 530 Fr., Ausgaben 2 667,296,751 Fr., dem— nach Ueberschuß der Einnahmen 4,8435779 Fr. Die Ausgaben übersteigen jene dns Jahres 1875 um 97,111,948 Fr., die Ein— nahmen jene des Vorjahres um 96,794,238 Fr. In den Mo— tiven wird ausgeführt, daß für das Jahr 1877 zwar keine Er— höhung der Steuerlasten geboten, doch auch keine Reform der— selben gestattet sei: das gegenwärtige Ecträgniß sei für die Er— haltung des Gleichgewichts unerläßlich.

Die republikanische Linke der Dezutirten— kammer nahm gestern ihre regelmäßigen Zusammenkünfte wieder auf. Der Bräsident der Partei, Hr. Jules Ferry, hielt bei diesem Anlaß eine Rede, in welcher er zunächst betonte, daß

ken, das in der National versammlung so erfreuliche Früchte ge⸗ tragen, jetzt wo möglich noch nolhwendiger, aber auch noch leichter sei. Eine vollkommene Verschmelzung hält er dagegen nicht für räthlich. Die Disziplin, ohne welche das ganze parla- mentarische System nur Zufall oder Anarchie sei, lasse sich lediglich in getrennten, an Zahl beschränkten und ihrer Natur nach homogenen Gruppen erlernen und be⸗ festigen; wenn die Extremen zusammenwirken sollen, so müßten zwischen ihnen vermittelnde Elemente liegen, und gegenseilige Zugeständnisse würden leichter durch Delegirte gemacht, als in Plenar-Versammlungen. Man müsse überhaupt nicht nur in der Methode, sondern auch im Geiste der weiteren Aktion an die Nationalversammlung anknüpfen. „Wir haben, sagt der Redner, im Abgeordnetenhause eine starke und entschlossene Majorität, welche weiß, was sie will, und immer nur wollen wird, was sie auch kann. Im Schooße dieser Majorität ist die Einigkeit leicht, sie brauchte also nur ihr Programm festzustellen und ihren Willen zu verlautbaren, wenn ihr nicht die elementarste Klugheit gehöte, auch auf die anderen Faktoren der Staatsgewalt Rücksicht zu nehmen. Wir haben zwei Kammern, meine Herren, ich fürchte, daß wir dies in der ersten Freude etwas vergessen haben. Ich will und muß von dem Senate nur in tiefer Achtung sprechen. Wie wir, aus dem Volks: willen hervorgegangen, wie wir, entschlossen, die republika⸗ nische Verfassung aufrechtzuerhalten, hat er nicht nur Recht auf unsere Ergebenheit, sondern ist auch ein nothwendiger Faktor in allen unseren Kombinationen. Ich spreche es laut aus, daß ich ihn nicht für einen Feind halte; aber für den Augenblick schei⸗ nen der Geist des Fortschritts und der Geist des Widerstandes ihn in zwei nahezu gleiche Theile zu spalten; von Ihnen, meine Herren, wird es abhängen, ob das Zünglein, Dank Ihrer Mäßigung, nach links, oder Dank Ihren Fehlgriffen, nach rechts neigen wird. Hier muß der Geist des Ausgleichs in seine Rechte treten, hier muß der Geist der Initiative, der einer jungen und volksthümlichen Kammer so gut ansteht, sich einzu— schränken und anzuschmiegen verstehen. Bei Reformen ist es nicht die Haupisache, zu verlangen, sondern durchzusetzen. Bei unserer konst'tutionellen Einrichtung, die wir vor allem gegen einen Konflikt schützen müssen, auf welchen die schlimmsten Feinde der Republik und des Valerlandes nur lauern, sind die erbit— terten Rückforderungen, die aggressiven Formeln, die absoluten Lehrsätze zur Ohnmacht verurtheilt. Vor ihnen werden wir uns daher zu hüten wissen, wir werden die Fragen eine nach der anderen in den renzen behandeln, die ihnen durch die augen— blicklichen Umstände gesteckt find, niehr bedacht auf den praltischen Erfolg als auf die äußere Wirkung. Unsere Pflicht ist, die Wünsche der öffentlichen Meinung in einer Form vorzubringen, welche für beide Kammern annehmbar ist, wie es Fortschritts— männern geziemt, welche die Reformen nicht für sich, fondern um ihrer selbst willen lieben. Diese Wünsche enthalten übrigens nichts, was selbst die Aengstlichsten beunruhigen könnte. Ist nicht jetzt die öffentliche Meinung selber der eindringlichste Prediger der Mäßigung und Einsicht? Niemals zeigte sie sich unmittelbar nach einer großen politischen Bewegung freier von Utopien, niemals war eine Nation, die in den Besitz ihrer selbst gelangt war, leichter zufrieden zu stellen. Sonst sah man wohl ein entflammtes Volk von der republikanischen Regierung die sofortige Erfüllung aller Träume, aller Chimären verlangen und die Republik erlag dann unter der Last einer unausbleiblichen Enttäuschung. Wie anders jetzt. Vor fünfundzwanzig Jahren forderte man die republi⸗ kanischen Minister auf, mit einem Zauberschlage die ganze Gesellschaft zu verändern. Glückliche Minister von 1876, Frank⸗ reich verlangt von Euch nur, daß Ihr einige Beamte ver— ändert! Und diese so bescheidenen und gerechten Wünsche sollten nicht erhört werden? Welcher Staatemann wäre unver⸗ ständig genug, sich ihnen zu widersetzen? Ich für meinen Theil kann es nicht glauben und berufe mich dafür nicht blos auf die Loyalität des Kabinels, sondern auch auf die Macht der Ver⸗ hältnisse, die ja schon aus einer monarchisch gesinnten National⸗ versammlung die Republik hervorgehen ließ. Wie sollten setzt unter einer republikanischen Verfassung, in einem republi⸗

auf der Pinieninsel, 222 durften sich auf der Hauptinsel (in

des Fommuneaufstandes begangen hatten, zum Bagno verurtheilt Aber es darf nicht vergessen werden, daß eine viel

das innige Zusammengehen der verschiedenen Gruppen der Lin-

kovich

hohe Beamte in ihren Stellungen bleiben, die sich gegen die Re⸗ purlik an ihrer Wiege verschworen haben? Nein, tausendmal nein! Wenn wir die Akte des neuen Kabiners abwarten müssen, so geschieht dies ohne Niedergeschlagenheit oder Mißtrauen. Wir wünschen ihm von Herzen eine lange Dauer. In der Republik

und zumal in einer parlamentarischen Republik wird das längste . Ministerium auch das beste sein. Wir haben dem arbeitsamen

Frankreich die Wohlthaten einer friedlichen, von Stürmen und Krisen freien Republik versprochen; wir sind ihm eine solche schuldig und wir werden sie ihm geben.“

Die „République française“, welche vielmehr auf die Fusion aller Linken hinarbeitet, ist mit dieser Rede wenig zufrieden.

22. März. (W. T. B.) Die von dem „Journal ofsi⸗

ciel“ heute veröffentlichten Veränderungen in der Be⸗ setzung mehrerer Präfektenstellen betreffen im Ganzen 24 Präfekten. 13 Präfetten werden theils durch andere ersetzt, theils in den Ruhestand versetzt, theils zur Disposition gestellt. Unter letzteren befinden sich die Präfekten von Marseille, Nimes, Bordeaur, Toulouse, Orleans, Epinal und Tours. Der Präfekt von Pau, Nadaillae, ist nach Tours versetzt worden. Versailles, 21. März (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Senats wurde die Interpellation Parieu über die Münzfrage berathen. Parieu verlangte die einheit⸗ liche Goldwährung, der Finanz Minister, Leon Say und Rou⸗ land sprachen für Beibehaltung der doppelten Währung. Der Finanz⸗Minister brachte Jierauf einen Gesetzentwurf ein, durch welchen die doppelte Währung provisorisch geregelt und der Finanz Minister zugleich ermächtigt wird, die Prägung von 5⸗Franesstücken durch Dekret zu beschränken. Im westeren Ver⸗ laufe der Sitzung legte Victor Hugo seinen Amnestieantrag vor. Der Conseilpräsident Dufaure ergriff hierauf das Wort und führte aus, der Präsident der Republik könne wohl Begnadigungen für diejenigen Deportirten oder Landesflüchti en eintreten lassen, welche ihre Vergehen bereuen, aber eine Milde sei unmöglich für diejenigen, welche die Feinde der Gesellschaft bleiben, und welche alle möglichen Mittel erfinden, um nach Fransreich Schriften gelangen zu lassen, welche die Regierung und die, Gesellschaft verleimden. Der Minister verlangte in⸗ dessen die Dringlichkeit für die Berathung der Vorlage, weil man sich sofort über diese Angelegenheit schlüssig machen müsse. Die Dringlichkeit für die Berathung der Vorlage wuide schließlich ein stim mig angenommen. In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte Raspail (von den Radikalen) eine Amne stievorlage ein, wonach für alle politischen und Preßvergehen vollständige Amnestie ertheilt werden soll. Rouvier (von derselben Parteh legte einen zweiten Amnestieantrag vor, der die zu ertheilende mn gewisse Kategorien beschränkt. Der Mi⸗ nister des Innern, Rieard, erklärte sich Namens der Regierung sowohl gegen eine allgemeine, wie gegen eine nach gewissen Kategorien zu ertheilende Amnestie, schlug aber für die Berathung der Angelegenheit die Dringlichkeit vor, weil man einen Antrag, der, wie der gegenwärtige, die Gemüther er⸗ rege, sofort berathen müsse. Raspail und Brisson sprachen gegen die Dringlichkeit. Die Versammlung beschloß dieselbe aber einstimmig. Von Raspail (dem Jüngeren) wurde hierauf noch ein Antrag eingebracht, wonach das Recht zur Ernennung der Maires der Regierung ferner nicht mehr zustehen soll.

Portugal. Lissabon, 19. März. (K. Z.) Die der Opposition angehörigen Mitglieder der beiden Kammern einschließlich der republikanisch gesinnten Gruppe, haben heute eine Versammlung abgehalten, um über eine Verfassungsreform und verschiedene liberale Gesetzanträge zu berathen. Die König⸗ liche Familie hat gestern dem Prinzen und der Prinzessin Leopold von Bayern einen Besuch gemacht.

Amnestie auf

. Türkei. Konstantinopel, 21. März. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten hat Achmet Muͤkhtar Pascha Gaczko verlassen und ist in der Richtung nach Piva aufge⸗ brochen, wo sich die Insurgenten gesammelt haben. Der ehemalige Staatsraths⸗Präsident Kiamil Pascha ist zam WMinister ohne Portefeuille ernannt worden.

Die von der „Times“ gebrachte Nachricht, daz die ottomanische Bank, weil die türkische Regierung den ihr bewilligten Kredit weit überschritten, die Auszahlung der für das diplomatische Corps der Türkei im Auslande bestimmten Summen beanstandet habe, entbehrt nach Mittheilung von authentischer Seite je der Begründung.

22. März. (W. T. B.) Ali Pascha wird in Met⸗ eine Unterredung mit dem Statthalter Baron Ro dich haben. Das Amnestiedekret wird heute in Bosnien und in der Herzegowina veröffentlicht. Mukhtar Pascha meldet,

daß die in Piva zur Verhinderung der Verproviantirung von

ö konzentrirten Insurgentenschaaren sich zerstreut haben.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Dresden, Mittwoch, 22. März, Mittags. Die Feier des Kaiserlichen Geburtstages wurde früh Morgens durch eine große Reveille der Militärmusik eingeleitet. Die Stadt, flaggt in deutschen und sächsischen Farben. Vormittags erschienen sämmtliche Minister beim preu⸗ ßischen Gesandten um ihre Glückwüniche für des Kaisers Majestät darzubringen. Mittags finden Festdiners der Mitglieder beider Kammern und des Offizier-Corps statt. Nachmittags Galatafel bei den Königlichen Mase⸗ stãten, zu J,. der preußische Gesandte, Graf Solms, Legations⸗Rath Graf Radolinski, der Kaiserliche Ober⸗Post⸗ Direktor, sämmtliche Minister, der bayerische Gesandte und mehrere Generale eingeladen sind. Abends Festdiner des deutschen Reschs- vereins auf der Brühlschen Terrasse, bei welcher Professor Bie⸗ dermann die Festrede hält.

Leipzig, Mittwoch, 22. März, Vormittags. Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaifers sind alle öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser reich mit Flaggen geschmückt. In sämmtlichen Schulen fanden Feier⸗ lichkeiten statt. Für den Abend ist ein Festessen im Schutzen⸗ hause und eine Illumination der öffentlichen Plätze in Aussicht genommen.

Ragusa, Mittwoch, 22. März. Es bestätigt sich, daß Ali Mukhtar Pascha die Verhandlungen mit den . 2 8. surgenten wegen Abschlusses einer Waffenruhe fortfe zt, während welcher dieselben mit den Kommissären der Pforle unter⸗ handeln sollen.

kanischen Lande und mit einer republikanischen Majorität