1876 / 72 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Mar 1876 18:00:01 GMT) scan diff

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Rektor und Prorektor der Universitãät, der Kanzler und Vigze⸗ Kanzler des Ordens pour le mérite, der Ober⸗Bürgermeister und der Stadtoerordneten⸗Vorsteher, Vertreter von Kunst und Wissenschaft und sonftige Personen von Distinktion Einladungen erhalten hatten.

Um 9 Uhr erschienen Beide Kaiserliche Majestäten, unter Vorantritt der Obersten Hof⸗, Ober⸗Hof und Hofchargen und gefolgt von Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, Ihren Königlichen 1 den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses,

hrer Königlichen Hoheit der Großherzogin Mutter von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin, Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzoge und der Großherzogin von Baden, dem Großherzog und der Großherzogin von Sachsen, den Großherzögen von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin und Oldenburg, Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Georg von Sachsen, Ihren Königlichen Hoheiten den Erbgroßherzögen von Sachsen, Mecklenburg⸗Schwerin und Oldenburg, dem Prinzen August von Württemberg, und dem Landgrafen Friedrich von Hessen, Sr. Großherzogliche Hoheit dem Prinzen Ludwig von Hessen Sr. Hoheit dem Herzog von Sachsen⸗Meiningen, Sr. Hoheit Prinzen Hermann von Sachsen⸗Weimar, Ihrer Ho⸗ der Prinzessin Elisabeth von Sachsen⸗ Weimar, Soheit dem Erbprinzen von Sachsen⸗ Meiningen, Ihrer Hoheit der Prinzessin Marie von Sachsen-⸗Meiningen, Sr. Hoheit und Ihrer Königlichen Hoheit dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Hohenzollern, Sr. Durchlaucht und Ihrer Großherzoglichen Hoheit dem Fürsten und der Fürstin zur Lippe, Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, Sr. Durchlaucht dem Fürsten Reuß ä. L., Sr. Durchlaucht dem Erbprinzen zu Schaumburg⸗Lippe, Ihren Durchlauchten dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Schwarzburg⸗Sonders—⸗ hausen und Sr. Durchlaucht dem Prinzen Friedrich von Hohen⸗ ollern. ; Die Allerhöchsten Herrschaften geruhten zunächst Cercle zu machen, wobei zahlreichen Herren und Damen Gelegenheit ge⸗ boten wurde, Sr. Majestät dem Kuiser und Könige ihre Glückwünsche zu übermitteln.

Der Ball begann um 10 Uhr im runden Saale; am Contretanz betheiligten Sich unter anderen Höchsten Herrschaften Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Kö⸗ niglichen Hoheiten der Prinz Albrecht und der Großherzog von Sachsen; an den Rundtänzen nahmen auch Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen Marie und Elisabeth Theil.

Auf einem Hautpas wohnten Ihre Majestät die Kaiserin, die Königlichen Prinzessinnen und die Fürstlichen Damen dem Balle bei, wähend Se. Majestät der Kaiser und König, Allerhöchstwelche die Uniform des Regimentes der Garde du Corps rugen, Sich in der Gesellschaft bewegten und an viele Personen das Wort richteten.

Nachdem um 12 Uhr das Souper an Büffets im Adler— saale eingenommen war, verabschiedeten Sich die Allerhöchsten Herrschaften nach 1 Uhr.

Die Musik hatte das Kaiser Alexander Garde-Grenadier⸗ Regiment Nr. W gestellt.

Im Königlichen Opernhause wurde die Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaͤisers und Königs durch einen von Fr. Adami gedichteten, von Hrn. Berndal gesprochenen Prolog eingeleitet, der in sinniger Weise auch der Hochseligen Königin Luise gedachte. Bei dem Hoch auf Se. Masestät, mit welchem der Prolog schloß, intonirte die Königliche Kapelle die Volkshymne, welche das Publikum stehend anhörte. Die Feier endigte mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Die Festoper „Jessonda“ bot viele Momente, bei welchen die Verehrung gegen Se. Majestät den Kaiser und König in der festlichen Versamm⸗ lung wiederholt zum lauten Ausdruck gelangte. Im König⸗ lichen Schauspielhause wurde der Festpprolog von Herrn Kahle gesprochen, worauf das Orchester einen Triumphmarsch von Anton Wallerstein ausführte. Zur Aufführung kam das historische Schauspiel „Colberg“ von Paul Heyse. Auch in sämmtlichen übrigen hiesigen Theatern wurden die Vorstellungen durch Festprologe eingeleitet.

Ueberhaupt hat sich die Feier des Allerhöch ten Geburtstages nach den vorliegenden Berichten zu einer all— gemeinen Landesfeier gestaltet. Namentlich die größeren Städte thaten sich ihrer Stellung gemäß, sowie in Folge der in ihnen möglichen ausgedehnten militärischen Feier besonders hervor. So bringen die in Danzig, Stettin, Posen, Breslau, Magdeburg, Hannover, Cöln, Cassel und Wiesbaden erscheinenden Blätter ausführliche Festberichte und feiern den Tag in schwungvollen Leitartikeln.

In Hannover fand in herkömmlicher festlicher Weise die Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs statt. Gleichzeitig wurde an dem neu— erbauten Hause an der Ecke der Goethe⸗ und Lützowstraße, wo früher das Prinzenhaus stand, in dem die Hochselige Königin Luise viele glückliche Tage der Kindheit verlebte, eine von dem Bildhauer Osw. Rommel geschmackvoll ausgeführte, etwa 6 Fuß hohe Gedächtnißtafel mit dem Bildniß der Königin nach Rauch errichtet, feierlich enthüllt.

Aus Cöln wurde folgendes, von dem Ober⸗Bürgermeister, den Beigeordneten und Stadtverordneten unterzeichnete Glück—⸗ wunsch⸗Telegramm an Se. Majestät den Kaiser abgesandt:

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Aller⸗ gnädigster Kaiser, König und Herr! Unter dem Nachhalle der durch ganz Preußen von dem patrigtischen Bewußtsein des Volkes getragenen Feier der Erinnerung an die hochselig Königin Luise erneuert sich mit des Frühlings Wiederkehr für das gesammte Vaterland der Festtag des 22. März. Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät Geburts—⸗ tag ist der Stadt Cöln freudiger Anlaß, Gott zu danken, daß Ew. Ifen sla⸗ gesegnete Regierung dem preußischen und deutschen Volke in ungeschwächter Kraft erhalten worden ist, und zu dem Allmächtigen zu flehen, daß zu des Vaterlandes Heile sie noch recht lange so möge erhalten bleiben. Mit dem aufrichtigsten Segenswunsche für Ew. Majestät und das ganze Kaiserliche und Königliche Haus verharren Ew. Kaiserlichen und Königlicken Majestät treu gehorsamste. (Folgen die Unterschriften.)

Auch für Cassel hatte der Tag noch eine besondere Bedeu⸗ tung. Gelegentlich der Rückkehr der hessischen Truppen aus Frank—⸗ reich wurde der Gedanke angeregt, ein Denkmal aufzustellen, welches die ruhmreiche Betheiligung der Hessen an dem letzten Kriege

verherrlichen und das Andenken an die a. das Vaterland

Gefallenen von Geschlecht zu Geschlecht vererben sollte. Der in Folge dessen von dem damallgen Ober-Praͤsidenten von Möller und dem inzwischen verstorbenen Ober Bürger⸗ meister Nebelthau erlassene Aufruf fand allgemeinen An⸗ klang. Mit enehmigung Sr. Majestät des Faisers und Königs wurde weiterhin beschlossen, daß das Denkmal in Gestalt eines auf Trophäen thronenden Siegesadlers auf der Plattform des Auethors aufgeftellt werde.

Vormittag 11 Uhr fand die Uebergabe des Denkmals statt. Die Regimenter der Garnison hatten auf dem Friedrichsplatz Stellung genommen und nach einem von dem kommandirenden General v. Bose auf den Allerhöchsten Kriegsherrn ausgebrachten Hoch fiel die Hülle, unter dem Dröhnen der Kanonen, von dem Bildwerk. Hierauf fand die Kaiser⸗Parade statt; die Uebergabe des Denkmals vollzog der Ober⸗Präsident v. Ende mit einer kurzen Ansprache.

Von außerpreußischen Städten liegen weitere Nachrichten über eine Feier in München, Dresden, Leipzig, Schwerin, Darmstadt, Braunschweig, Bremen, Lübeck ꝛc. vor.

Das „Braunschweigische Tageblatt widmet dem Allerhöchsten Geburtstage einen gehobenen Festartikel, das, Lippische Regierungs⸗ und Anzeigeblatt“ ein Festgedicht

Ans München berichtet W. T. B.“: Zur Feier des Ge⸗ burtstages des Kaisers war hier im „Bayerschen Hof“ ein Fest⸗ diner veranstaltet, welches einen glänzenden Verlauf nahm. Demselben wohnten viele Landtagsabgeordnete, Vertreter der Kunst und Wissenschaft, Mitglieder des Magistrats, sowie viele angesehene Bürger bei. Prof. Kluckhohn brachte einen Toast auf den König von Bayern, der Reichstags- und Landtagsabgeord⸗ nete Stenglin einen Toast auf den Kaiser aus. Die Versam⸗ melten nahmen beide Toaste mit begeisterten Zurufen auf

Stuttgart, 23. März. (W. T. B) Zu Ehren des Geburts⸗ tags Sr. Majestät des Kaisers fand gestern Abend bei Hofe ein Festkonzert statt, zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen waren. Die öffentlichen Gehäude und viele Privathäuser waren zur Feier des Tages beflaggt. Bei dem im Saale des Museums stattgehabten Banket der Bürgerschaft brachte der Reichstags⸗ Abgeordnete Frisch das Hoch auf den Kaiser aus.

Schwerin, 22. März. Gestern Abend fand, wie schon gestern angekündigt wurde, zur Vorfeier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers ein großer Zapfenstreich statt. Derselbe wurde von sämmtlichen Militär⸗Musikcorps ausgeführt. Heute Morgen 6 Uhr zog eine von sämmtlichen Militär-Musikcorps ausgeführte Reveille durch die Hauptstraßen der Stadt. Die Häuser und öffentlichen Gebäude Schwerins sind durch Fahnen und Wimpeln reich geschmückt. In den Schulen, mit Aus⸗ nahme der städtischen, ist der Unterricht für heute ausgesetzt. In den einzelnen Klassen der letzteren wurden die Schüler durch die Lehrer auf die Bedeutung des Tages hingewiesen. An dem gegen 11 Uhr in der Garnisonkirche beginnenden Militärgottes— dienste, bei welchem der Divisionsprediger Pastor Flörke die Rede halten wird, nimmt von jeder Compagnie ein Zug Theil.

Bremen, 22. März. Des Kaisers Geburtstag wurde, wie üblich, gestern Abend durch Zapfenstreich eingeleitet. Oeffentliche und viele Privatgebäude haben heute geflaggt. Der Fest— gottesdienst am Geburtstage selbst fand in der Kirche zu U. L. Fr. statt. Es nahmen daran Theil, außer dem aktiven Bataillon, die hier anwesenden Reserve⸗ und Land⸗ wehr⸗Offiziere, Mitglieder des hiesigen Kriegervereins, Beamte des Reichs, der Präsident des Senats Dr. Pfeiffer und Bürger— meister Grave nebst einer Reihe von Senatoren, endlich eine große Zahl von Männern und Frauen aus verschiedenen Ge— meinden der Stadt. Die Kirche war ganz gefüllt. Die Fest⸗ predigt hielt Garnisonpfarrer Thikötter über Tacob. 4, 8. Um 11 Uhr endete die erhebende, patricmnsche Feier.

Lübeck, 22. März. Die Feier des Geburstags des Kaisers, der zu Ehren die Stadt in allen Theilen ebenso reich beflaggt ist, wie die im Hafen liegenden Schiffe, begann gestern Abend mit dem Zapfenstreich, der, von der Holstenbrücke aus beginnend, nach einem Rundgang durch die Stadt auf dem Klingenberg endigte; vor dem Hause des dirigirenden Bürger- meisters Senators Dr. Behn wurde eine Serenade gebracht. Der heutige nationale Festtag wurde mit der militärischen Re⸗ veille eingeleitet. der Marienkirche, wobei Pastor Holm die Festpredigt sprach; sodann zog das Bataillon, von einer sehr großen Menschenmasse begleitet, nach dem Burgfelde, wo von dem Bataillons⸗Com⸗ mandeur und Major Melms in Gegenwart der Senatoren Dr Kulenkamp und Harms als Militärkommissaren des Senats die Parade abgenommen wurde.

Paris, 23. März. (W. T. B.) Zur Feier des Gebur!s⸗ tags Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm fand gestern auf der hiesigen deutschen Botschaft ein großes Diner statt, zu welchem ausschließlich Mitglieder der deutschen Kolonie geladen waren. Der Botschafter Fürst v. Hohenlohe brachte den Toast auf Se. Majestät den Kaiser, den glorreichen Wiederhersteller der Einheit Deutschlands, aus, welcher von den Theilnehmern mit enthusiastischem Beifall aufgenommen wurde.

St. Petersburg, 23. März. (W. T B.) Gestern Abend fand im Hotel Demouth anläßlich des Geburtstags Sr. Majestät des Deutschen Kaisers ein sehr zahlreich besuchtes Festmahl der deutschen Kolonie statt. Unter den Anwesenden befanden sich der deutsche Botschafter von Schweinitz, der Militärbevollmächtigte General von Werder, sowie der bayerische und der württem⸗ bergische Gesch ftsträger. Den ersten Toast brachte der deutsche Botschafter auf den Kaiser Alexander aus; alsdann folgte ein mit großer Begeisterung aufgenommener Toast auf den Deutschen Kaiser, an welchen ein Glückwunschtelegramm abgesandt wurde.

Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Oldenburg ist heute Mittag, nach Oldenburg und Se. Durchlaucht der Fürst Reuß ä. L. Heinrich XXII. nach Greiz zurückgekehrt.

Der Reichskanzler hat dem Bundesrath den Ent⸗ wurf eines Gesetzes, die Anstellung von Militäranwär— tern im Privat-Eisenbahndienste betreffend, zur Beschluß— nahme vorgelegt.

In der heutigen (4) Sitzung des Herrenhauses, welche der Präsident Graf Otto zu Stolberg⸗Wernigerode um 114 Uhr eröffnete und welcher der Minister für die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal mit mehreren Regierungs⸗Kommissaren beiwohnte, gelangte zunächst der Bericht der Agrar⸗Kommission über den Gesetzentwurf, be treffend die Ablösung der Servituten, die Theilung der Gemeinschaften und die Zusammenlegung der Grundstücke für die Provinz Schleswig⸗Holstein, zur Erledigung. In der Generaldiskussion empfahl der Referent Herr von Thaden die Annahme des Gesetzes in der von der Kom⸗ mission vorgeschlagenen Fassung. Bei der Spezialdiskussion wurden die 5§§. 1 und 2 ohne Diskussion angenommen. Zu §. 3, welcher nach den Beschlüssen der Kommission folgender⸗ maßen lautet:

Die wirthschaftliche Zusammenlegung der in vermengter Lage befindlichen Grundstücke verschiedener Eigenthümer einer Feldmark findet statt, wenn dieselbe von den Eigenthümern von mehr als der Hälfte der nach dem Grundsteuerkataster berechneten Fläche der einem Umlegungsperfahren zu unterwerfenden Geundstücke,

Um 10 Uhr begann der Festgottesdienst in

welche gleichzeitig mehr als die Hälfte des Katastral Reinertrages repräͤsentiren, beantragt wird. In der Regel sind sammtliche, der Um⸗ legung unterliegenden Grundstüũcke der nämlichen Feldmark in einem Zu⸗ sammenlegungsverfahren zu vereinigen. Dasselbe kann jedoch auch auf einen durch natürliche Begrenzung oder besondere Bewirth⸗ schaftung als Feldabschnitt te fn, werdenden Theil der Feldmark beschränkt werden, wenn dies mit den Interessen der Landeskultur verträglich oder von denselben geboten ist. Grundstücke einer an⸗ deren Feldmark dürfen in das Umlegungsverfahren gezogen werden, wenn dieselben in unwirthschaftlicher Weise in die umzulegende Fläche einspringen.

Die Feststellung des Umlegungsbezirks geschieht durch die Auseinandersetzungs behörde.

Werden von solcher Zasammenlegung Grundstücke betroffen, welche einer gemeinschaftlichen Benutzung unterliegen, die nach die⸗ sem Gesetze aufgehoben werden kann, so muß die Servitutablösung oder Theilung gleichzeitig mit der Zusammenlegung bewirkt werden.

beantragte Dr. Beseler, hinter dem Worte „beantragt“ in Al. 1 folgenden 3ulag Cine fügen:

„und durch Beschluß der Kreiaversammlung des Kreises, in wel⸗ chem die betheiligten Grundstücke liegen, mit Rücksicht auf die davon fe erwartenden erheblichen Verbesserungen der Landeskultur für zu⸗ ässig erklärt wird.“

Bei der Diskussion erklärten sich die Herren Graf Brühl, v. Kleist⸗Retzow, v. Senfft⸗Pilsach, Graf v. d. Schulenburg⸗ Beetzendorf und v. Knebel⸗Döberitz für, die Herren Elwanger, v. Rath, Wever, Schuhmann und der Regierungs⸗Kommissar, Regierungs-Rath Fastenau gegen diesen Antrag, der hierauf mit 36 gegen 26 Stimmen abgelehnt wurde.

Die übrigen Paragraphen des Gesetzes wurden ohne Dis⸗— kussion nach den Vorschlägen der Kommission angenommen.

Es folgte als zweiter Gegenstand der Tagesordnung der Bericht der Justizkommission über den Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Auflösung des Lehnverbandes in der Provinz Westfalen und in den Kreisen Rees, Essen und Duisburg. Nach einigen einleitenden Worten des Referenten Dr. Dernburg beschloß das Haus auf Antrag des Herrn von Kleist-Retzow, das Gesetz in der von der Justizkom⸗ mission beschlossenen Fassung en bloc anzunehmen.

Als dritter Gegenstand der Tagesordnung folgte der münd⸗ liche Bericht der Kommission für Eisenbahnangelegenheiten über die Uebersicht, betreffend den Fortgang und Stand der ESisenbahnbauten im Jahre 1875, für welche besondere Kredite bewilligt worden sind. Nachdem der Referent Graf Rittberg einen kurzen Ueberblick über den Stand der Eisenbahnbauten gegeben und den Antrag gestellt hatte, durch die Uebersicht der Staatsregierung sich für befrie⸗ digt zu erklären, richtete Herr Hammann an den Regierungs⸗ Kommissar wegen des Baues der Berliner Stadtbahn und der hierzu erforderlichen Mittel eine Anfrage, welche der Ministerial⸗Direktor Weißhaupt nicht beantworten zu können erklärte, weil man noch nicht die Grundstückserwerbungen vollzogen habe. Das Haus genehmigte hierauf den Antrag des Referenten. Schluß der Sitzung 14 Uhr, nächste morgen 11 Uhr. (Tagtsordnung: Das Gesetz über die Verwendung der disponiblen Bankfonds, das Etatgesetz pro 1876 und der Bericht über die Bestände des Dotationsfonds.)

In der heutigen (33.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher am Ministertische der Minister des Innern Graf zu Eulenburg mit mehreren Kommissarien beiwoßnte, iheilte der Präsident dem Hause die erfolgte Wahl und Kon⸗ stituirung der Kommission für die Städteordnung mit. (S. Nr. 71 d. Bl.) Ohne Debatte passirten hierauf in dritter Berathung die Gesetzentwürfe, betreffend die Gebührenerhöhung der Nota⸗ rien im Appellationsgerichtsbezirk Cöln, die Aufhebung der Parochialexemtionen und die Einführung der Kreisordnung in die Grafschaften Wernigerode und Stolberg. Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ver⸗ fassung und Verwaltung der Provinz Berlin. Der Abg. Zelle erklärte sich zwar mit dem Prinzip der Vorlage im Ganzen einverstanden, hn aber doch viele Details für amendirungs⸗

bedürftig. Der Abg. Richter (Hagen) erörterte das Verhältniß der verschiedenen durch das neue Gesetz zur Regierung in Berlin berufenen Behörden und trat dem Antrage des Abg. Richter (Sangerhausen) bei, die Vorlage einer Kommission von 14 Mit⸗

gliedern zu überweisen. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. Frhr. von Manteuffel das Wort.

Der Minister der geistlichen 2. Angelegenheiten Dr. Falk hat den Regierungen empfohlen, die Aufmerksamkeit der Leh—⸗ rer auf die Wichtigkeit der Lebensversicherungen hinzu⸗ lenken und die Möglichkeit von Erleichterungen beim Abschluß der Versicherungsverträge für den Fall in Aussicht zu stellen, daß die von dem Betheiligten ausgewählte Gesellschaft, ihre Solidität als bekannt vorausgesetzt, sich den einzuleitenden Vereinbarungen für den gedachten Zweck zugänglich erweist.

Nachdem von verschiedenen Seiten, auch von dem Verein gegen das Moorbrennen in Bremen, die Errichtung einer Ver⸗ suchsstation für Moorkultur und Moorwesen bei dem Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Dr. Friede n⸗ thal in Anregung gebracht ist, hat derselbe beschlossen, die Angelegen⸗ heit zum Gegenstande einer mündlichen Berathung mit geeigne⸗ ten Sachverständigen zu machen. Zu diesem Zwecke ist auf den 3. April eine Konferenz im Ministerium für die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten anberaumt, in welcher herathen wer⸗ den soll, welche Aufgaben der Versuchsstation zu stellen sind und welche Organisation der Versuchsanstalt gegeben werden soll.

Aus Konstantinopel wird berichtet, daß der dortige internationale Gesundheitsrath mit Rücksicht auf das Auftreten der Pest in Hillah und Umgegend, sowie in Bagdad eine fünfzehntägige Quarantäne gegen alle Provenienzen aus dem persischen Meerbusen für sämmtliche tür⸗ kische Häfen beschlossen hat.

Der General der Infanterie von Stosch, à la suite des See⸗Bataillons und Chef der Admiralität, hat sich zur dies⸗ jährigen Frühjahrs-⸗Inspizirung nach Wilhelmshaven und Kiel begeben.

Der General⸗Lieutenant von Voigts⸗Rhetz, la suite des Königs- Grenadier⸗ Regiments (2. Westpreußisches) Nr. und Commandeur der 20. Division, ist hier eingetroffen.

Der General⸗Lieutenant z. D. von Twardoms ki, zuletzt Kommandant von Stettin, ist in der vergangenen Nacht verstorben.

Merseburg, 20. März. Während der Tige vom 13. —17. d. M. tagte hier der Pro vinzialausschuß der Provinz Sachs en. Als Vertreler der Königlichen Staatsregierung wohnte an den ersten drei Tagen der Ober⸗Präsident und außerdem bis zum Schluß der Dber⸗Präsidial⸗Rath Steinmann den Ver⸗ handlungen bei. Den Vorfitz führte Graf zu Stolberg Wernigerode. Die Mitglieder waren vollzählig erschienen.

Nach theilweiser Erledigung der zur Berathung und Beschluß⸗] fassung vorbereiteten Gegenstände wurde die Wahl der Mit⸗ glieder und Stellvertreter für den Provinzialrath und die Bezirksräthe vollzogen.

Bayern. München, 21. März. (Allg. Ztg.) Nach dem gestern der Abgeordnetenkammer vorgelegten Hauptetat der Militärverwaltung Bayerns für 1876 sind, entsprechend den Ansätzen für das übrige Reichsheer, für die bayerische Armee bewilligt: für die Ausgaben des Heeres 38,498 972 M und für die Mi⸗ litärpensionen 2.947, 250 S6 41,446,222 MS, um 934,563 ( mehr als im Vorjahre. Von der Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres im laufenden Jahre mit 401,659 Mann treffen auf Bayern nach Verhältniß der Bevölkerung 38,244 Mann, und zwar 2198 Offiziere, 6121 Unteroffiziere, 88 Zahlmeister⸗ Aspiranten, 642 Unteroffiziere und 803 Gemeine als Spielleute, 384891 Gefreite und Gemeine, 576 Lazarethgehülfen resp. Sa— nitätstruppen und 1123 Oekonomie⸗Handwerker. Hierzu kommen: 197 Aerzte, 92 Zahlmeister, 1 Stallmeister, 53 Veterinäre, 714 Büchsenmacher und 10 Sattler; dann 8776 Dienstpferde.

21. März. Bezüglich des Budgets des Ministeriums des Innern im Gesammtbetrage von 18,127,276 M6 für ein Jahr der laufenden Finanzperiode wird von: Finanzausschusse der Kammer der Abgeordneten zur Zustimmung mit nur weni— gen, nicht sehr wesentlichen, Abminderungen beantragt. Der Bericht hierüber in der Kammer wird nächste Woche stattfinden können.

In den letzten Tagen beschäftigte die Frage der Jubi⸗ läumsprozessionen den obersten Gerichtshof. Be—

kanntlich hatte Papst Pius IX. im Dezember 1874 ein Jubiläum mit vollständigem Ablaß unter Anordnung einer gewissen An— zahl von Gebeten in bestimmten Kirchen ausgeschrieben. Das Ordinariat Regensburg gab in Vollzug dieses Ausschreibens Weisungen wegen etwa damit zu verbindender Prozessionen und sprach dabei aus, daß eine solche Prozession an Stelle von fünf— maligem Kirchenbefuche gelten solle. Der Pfarrer Hobmaier in Alltersberg veranstaltete nun eine solche Prozession, unterließ es jedoch, vorher Anzeige bei der Gemeinde⸗ behörde zu machen und die Zuflimmung der Distrikts— polizeibehörde einzuholen. Das Bezirksgericht Amberg verur— theilte nun den Hobmaier wegen Verletzung des Vereinggesetzes zu einer Geldstrafe von 2 Thlrn. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, daß diese Jubiläumsprozessionen sich nicht jährlich wiederholen, wie andere kirchliche Prozessionen, daher nicht zu den herkömmlichen gezählt werden; die Jubiläums— prozessionen seien auch nicht der Ausfluß eines Volksbewußt— seins, sondern sie würden nur jebesmal auf besondere kirch— liche Anordnung abgehalten und seien als außerordentliche kirchliche Feier zu betrachten, zu welcher die Bewilligung der polizeilichen Behörde erforderlich ist. Das Appel— lationsgericht Nürnberg sprach den Angeklagten in der Berufungsinstanz frei, indem es sich dafür entschied, daß diese Jubiläumsprozessionen als herkömmliche kirchliche Feier zu be⸗ trachten seien. Gegen dieses Urtheil legte der Staatsanwalt die Nichtigkeitsbeschwerde wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes ein und führte namentlich aus, wenn das Jubiläum eine außerordentliche kirchliche Feier gewesen, so könne es bei demselben auch keine herkömmliche Prozessionen geben, sondern letztere seien eben auch außerordentliche, weil sie nicht an Ort und Zeit gebunden sind. Ferner seien die Prozessionen kein wesentlicher Bestandtheil des Jubiläums, wie auch ein Erlaß des Ordinariats München ausspreche, wonach in Folge des staat— lichen Verbotes die Prozessionen zu unterbleiben haben sollen. Der Oberste Gerichtshof schloß sich den Ausführungen des Staatsanwaltes an, vernichtete das Urtheil des Königlichen Appellationsgerichts Nürnberg und verwies die Sache an einen andern Senat desselben Gerichts.

23. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer verlas der Abg. Dr. Schüttinger die bereits angekündigte Interpellation, betreffend die Ver— bindung eines Reichsamtes mit einem bayerischen Staatsamte. Die Interpellation ist veranlaßt durch die Ernennung dreier bayerischer Beamten zu Bankkommissären bei den Reichsbank— hauptstellen in München, Augsburg und Nürnberg. Der Justiz⸗Minister Dr. v. Fäustle erklärte, er werde die Interpella—⸗ tion in einer der nächsten Sitzungen beantworten.

Württemberg. Aus Stuttgart, den 16. März, schreibt man den „H. N.“ Folgendes: Die Entwicklung und das Ge— deihen der hiesigen altkatholischen Gemeinde ist unseren Klerikalen ein Dorn im Auge; sie suchen in jeder möglichen und unmöglichen Weise die Bewegung als lächerlich hinzustellen und gegen die hervorragenden Mitglieder der altkatholischen Gemeinde, welchen es gelungen ist, einen Friedrich und Michelis für die altkatholische Bewegung in Württemberg zu interessiren und dieselben zu bewegen, in hiesiger Stadt Vorträge zu halten, alle möglichen Verdächtigungen zu schleudern. In erster Linie stand hier der von dem Kaplan Denzert in Dirzenheim redigirte „Anzeiger von Ips“. Gegen diesen Kaplan ging nun der Vorstand der altkatholischen Gemeinde zunächst mit einem in einem hiesigen Lokalblatte erschienenen offenen Briefe vor. In demselben wird dem Kaplan⸗Redgcteur nachgewiesen, daß die altkatholische Bewegung in Württemberg und speziell in Stutt— gart durchaus nicht, wie es der „Anzeiger von Ipf“ wünsche und demgemäß auch behaupte, im Sand verlaufen und „wie das Hornberger Schießen“ aufhören werde, und daß dazu auch die absichtlichen Entstellungen des „Ipf“ nichts beitragen werden. Der Vorstand der Altkatholiken tritt namentlich auch der von dem klerikalen Blatte aufgestellten Behauptung entgegen, daß die Vorträge der Herren Friedrich und Michelis nür von 256 Personen besucht gewesen seien; der Hausmeister des Bürger museums, in dessen großem Saale die beiden genannten Pro— fessoren sprachen, konstatirt, daß jedem Vortrag 700 Personen anwohnten. Der Vorstand wird seine Gegenerklärung durch eine Separatausgabe in ganz Oberschwaben verbreiten.

Baden. Karlsruhe, 19. Siärz. (Schwäb. Merkur.) Nach einer Bestimmung des Schulgesetzes können außer den Dber⸗Schulräthen und Kreis⸗Schulräthen noch andere Fachmänner mit Volksschulprüfungen beauftragt werden. Diese Bestimmung tritt jetzt in Kraft, indem die Vorstände der Lehrer⸗Seminarien anugewiesen worden sind, zunächst in Gemeinschaft mit den Kreis⸗ Schulräthen, solche Prüfungen vorzunehmen. Dadurch werden einer seits die mit Geschäften überbürdelen Kreis⸗Schulräthe er⸗ leichtert werden, auf der anderen Seite wird eine Verbindung der Seminarien mit der Volksschule hergestellt.

21. März. Zum ersten Male nach Weihnachten war heute die Erste' Kamm er wieder verfammelt. Von Seiten des Präsidenten und des Sekretariats wurden zunächst ver⸗ schiedene Mittheilungen gemacht. Ueber das dem Budget vor—

ie, . Regulativ in Betreff der Bezüge der Beamten und über datz Gesetz, die Besoldungen der Richter be—⸗

treffend, lagen gedruckte Berichte vor. Nach längerer Debatte wurde das Regulativ einstimmig angenommen. Darauf folgte

die spezielle Berathung des Gesetzes über die Besoldungen

der Richter, wobei nur zwei Punkte eine längere Besprechung hervorriefen. Da hierbei auch die Aufhebung der Handels gerichte durch die Reichsgesetzgebung als möglich in Betracht gezogen wurde, wies der Abg. Hummel darauf hin, daß diese Möglichkeit jetzt ferner gerückt sei. Auch Minister Freydorf sprach die Hoffnung aus, daß die Reichsgesetzgebung den Einzelregterungen die Befugniß gewähren werde, ihte Han⸗ delsgerichte zu erhalten oder solche einzuführen, wo es das Be⸗ dürfniß erfordert; sollte sich jedoch eine Beschränkung der Kom⸗ petenz nicht erreichen lassen, sollte das Handelsgericht auch für die geringfügigsten Sachen für kompetent erklärt werden, so daß man die Beisitzer dafür kaum mehr gewinnen könne, dann müsse eventuell der Zweifel auftauchen, ob es nicht besser sei, die Han⸗ delsgerichte ganz fallen zu lassen. Die übrigen Paragraphen und das ganze Gesetz wurden hierauf ohne weitere Debatte ein⸗ stimmig angenommen.

Hessen. Darmstadt, 21. März. Die Erste Kammer der Stände hielt heute ihre 4 Sitzung. Die Kammer nahm, wie bereits telegraphisch gemeldet, zuerst die Vorlage des Ge⸗ sammt⸗Ministeriums, die Uebertragung des Eigenthums der Oberhessischen Bahnen an den Staat betr, konform den Beschluüssen der Zweiten Kammer, nach kurzer Debatte gegen 2 Stimmen an. Auch die weiteren Gegenstände der Tagesordnung wurden einstimmig ohne Debatte, konform den Beschlüssen der Zweiten Kammer, angenommen. Sodann vertagte sich die Kammer auf unbestimmte Zeit.

Mecklenburg⸗ Schwerin. Schwerin, 21. März. Nach dem Ablauf der sechsjährigen Wahlperiode für die Vertreter des Fürstenthums Ratzeburg hatte die mecklenburg-⸗strelitzische Landesregierung Neuwahlen angeordnet und dadurch ihrer— seits erklärt, daß sie die von der ratzeburgischen Bevölkerung bisher nicht angenommene und daher noch nicht in Wirklichkeit getretene Verfassung fortwährend als in Geltung befindlich an— sehe. Das Ergebniß der Neuwahlen hat jedoch der Erwartung, daß es jetzt gelingen werde, eine beschlußfähige Vertretung zu— sammenzubringen, nicht entsprochen. Denn auf die an die Ver— treter ergangene Zusammenberufung zum 27. d. M. haben 11 von den 21 Vertretern, welche nach der Verfassung den Landtag

bilden, darunter die sämmtlichen 9 Vertreter der Bauerschaften, begleitet sein.

der Großherzoglichen Landvogtei zu Schönberg die Anzeige ge— macht, daß sie der Berufung nicht Folge leisten würden, wo⸗ durch die Nichtbeschlußfähigkeit der Versammlung schon feststeht.

Lübeck, 22. März. (Lüb. Ztg.) Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Däne mark trafen heute Vor— mittag um 95 Uhr von Corsör auf dem Dampfer „Freya“ hier ein und wurden von den Herren Charles Petit und Horenung Petit, Königlich dänischen Konsuln, begrüßt. Nachdem der Kron⸗ prinz in Begleitung des Konsuls Ch. Petit eine Promenade durch die Stadt und über den Wall gemacht, traten die hohen Herrschaften über Hamburg die Reise nach dem Süden an; der Aufenthalt soll hauptsächlich Italien gelten.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 21. März. Dem Böhmi⸗ schen Landtag ist vom Landesausschusse ein Gesetzentwurf, betreffend die Landtagswahlordnung für Böhmen, vorgelegt worden. Derselbe enthält jedoch keine prinzipielle Aenderung der Wahlordnung, sondern zumeist nur eine Kodifikation der verschiedenen bereits früher beschlossenen Wahlgesetznovellen. Die beantragten Aenderungen zielen dahin, die Wahlbezirke so viel als möglich national gleichartig zu gestalten, ebenso die Land— tagswahlordnung mit der Reichsrathswahlordnung in Ueberein⸗ stimmung zu bringen.

Die „R. Fr. Pr.“ verbleibt in ihrem heutigen Leit⸗ artikel bei ihrer Ansicht, daß die wirthschaftliche Regeneration Oesterreichs mit der Herstellung der Valuta beginnen müsse und daß beim Uebergange von der Papierwährung zum Metallgelde nur das Gold allein als zukünftiger Werthmesser gewählt wer— den dürfe. Das Blatt konstatirt die Thatsache, daß alle civilisirten europäischen Staaten entweder zur Goldwährung be— reits übergegangen sind, oder doch ganz offenbar die Tendenz verfolgen, dies in nächster Zit zu thun. England, Deutschland, die Niederlande, die skandinavischen Länder und Portugal haben bereits das Gold als alleiniges Tauschmittel ge⸗ wählt und das Silber gesetzlich zur Funktion der Scheidemünze degradirt. Spanien und die Länder der lateinischen Münz- konvention, nämlich Frankreich, Itolien, Belgien, Griechenland und die Schweiz besitzen zwar gesetzlich noch die Doppelwäh— rung, prägen aber thatsächlich in größerem Umfange nur mehr Goldstücke, während sie die Ausprägung von Silber— münzen auf ein von Jahr zu Jahr sich verringerndes, höchst bescheidenes Ausmaß eingeschränkt haben. Doch gleich⸗ viel, ob fie den letzten Schritt, nämlich den des gesetzlichen Ueberganges zur reinen Goldwährung, in der nächsten Zukunft schon unternehmen oder noch länger hinausschieben werden die Silberwährung besaßen oder besitzen sie nicht und werden sie auch niemals annehmen. Es bleiben also auf unserem ganzen Erdtheile nur noch die Türkei, Rußland und Oesterreich als Silberländer. In den beiden letzteren besteht zwar gesetzlich die Silberwährung, faktisch aber die Papierwährung, so daß in Wahrheit das Silber in ganz Europa, mit Ausnahme der tür— kischen Länder, demonetisirt, überall entweder durch Gold oder Papier verdrängt ist.

Wenn Oesterreich unter so bewandten Umständen zur faktischen Silberwährung zurückkehren wollte, so müßte es sich von vornherein darüber klar sein, daß sich an dem Zu— stande der Isolirung seines Geldmarktes von dem des übri— gen Europa durchaus nichts ändern kann. Während die anderen europäischen Staaten eine große bilden, ihre Münzen nach Abzug der Prägekosten gegenseitig zum vollen Werthe annehmen und damit einen sicheren, un⸗ veränderlichen Maßstab für alle internationalen Transaktionen besitzen, müßte Oesterreich nach wie vor abseits und abgeschlossen von dieser Gemeinschaft stehen, sein Geld wäre Waare auf den fremden Märkten, das Geld aller anderen Staaten Waare auf seinen Märkten; seine auswärtigen Handelsbeziehungen blieben abhängig von allen Schwankungen des Werthverhältnisses zwischen Gold und Silber, es würde ihm nach wie vor die un⸗ verrückbare feste Basis nicht nur für den internationalen Handel, sondern auch für den größten Theil des Verkehrs im eigenen Lande fehlen.“

Pest, 21. März Das Abgeordnetenhaus erledigte heute den Gesetzentwurf betreffs der Volksschulbehörden, mit Ausnahme des 5§. 13, welcher an den Centralausschuß behufs neuer Textirung desselben zurückgewiesen ward.

Sodann beantwortete der Handels⸗Minister Simonyi die

Interpellation Maskhots wegen der FJorstdevastationen dahin, daß er nach Einvernehmung des land⸗ und forstwirthschaftlichen

Vereins eine Gesetzvorlage einbringen werde.

Auf die Interpellation Karl Raths wegen Abänderung des Gewerbegesetzes antwortete der Handels-Minister, daß er zu die⸗ sem Zwecke eine Enquäte einberufen und gemäß des Gutachtens derselben vorgehen werde.

Die stongregation des Pester Komitates heute anläßlich der Aufforderung anderer über die Zoll⸗ und Bankfrage und beschloß, an den Reichstag eine Petition zu richten, in welcher derselbe ersucht wird, Tisza's Programm zu verwirklichen, eine selbstän⸗ dige Bank zu errichten und die Zollfrage, we möglich, auf ein⸗ heitlichem Gebiete zu lösen. Bleiben aber Ungarns Interessen unberücksichtigt, dann soll ein separates Zollgebiet errichtet wer⸗ den. Die gemäßigtere Resolution, welche die bloße Kenntniß⸗ nahme der Zuschriften der Munizipien empfahl, blieb in der Minoritãt.

Schweiz. Bern, 21. März. Der Nationalrath hat heute die früher zurückgelegten Artikel des Forstgesetzes er⸗ ledigt und dann das ganze Gesetz mit 68 gegen 1 Stimme an⸗ genommen. Auch die Schweizer im Auslande haben ein Manifest gegen das neue Militärsteuergesetz er⸗ lassen. Unterzeichnet von den Schweizer Gesellschaften in Augsburg, Berlin, Bremen, Chemnitz, Cöln, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Livorno, Mailand, Mannheim, München, Nimes, Straßburg, Stuttgart und Worms, richtet dasselbe an die Mitbürger daheim die dringende Bitte, das Referendums⸗ begehren mit ihrer Unterschrist zu unterstützen und bei der Volksabstimmung selbst für Verwerfung des Gesetzes zu stimmen.

Belgien. Brüssel, 22. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Repräsentantenkammer wurde der gestern von dem Finanz-Minister Malou eingebrachte, zur Unter⸗ stützung der Banque de Belgiqgue bestimmte Gesetzentwurf mit 83 gegen 4 Stimmen angenommen.

Großbritannien und Irland. London, 20. März. Ueber die am nächsten Montag, den 27. d.“, vor sich gehende Reise der Königin nach dem Festlande liegt jetzt folgendes Programm vor: Die Königin wird von ihrer süngsten Tochter, der Prinzessin Beatrice, der Marquise von Ely, Lady Churchill, ihrem Privatsekretär General-Major Ponsonby, ihrem Flügel⸗ Adjutanten Colonell Byng, und ihrem Leibarzte Sir W. Jenner In Portsmouth erfolgt die Einschiffung an Dampfyacht „Victoria and Albert“ Von da wird die Reise per Eisenbahn in zwei Salonwagen, via Paris und Straßburg nach Baden⸗Baden fortgesetzt. In letzterem Orte wird die Königin 8 oder 19 Tage verweisen und sich dann nach Coburg zu einem Besuche des dortigen Hofes begeben. Gegen Ende April tritt die Königin die Rückreise nach England an, um in Windsor rechtzeitig zur Bewillkommnung des aus Indien zurückkehrenden Prinzen von Wales einzutreffen. Ad⸗ miral Joseph Gape, einer der wenigen noch übrigen Kämpfer von Trafalgar, ist dieser Tage im 83. Lebens⸗ jahre verstorben. Er trat im August 1803 in die Flotte und machte die denkwürdige Seeschlacht auf dem Linienschiffe „Ajax“ mit. Seit seiner Ernennung zum Contre⸗Admiral stand er auf der Liste der

verhandelte Munizipien

Bord der Königlichen en route nach Cherbourg.

zeugniß der geistlichen Lehranstalten genügte. Den

Geldgemeinschaft

Pensionirten. Die Untersuchung gegen den Kapitän des Dampfers „Franconia“ wegen Tödtung wird, der „E. C.“ zufolge, in der nächsten Sitzung des Central Criminal Court, die am 3. April beginnt, geführt werden. Der Attorney-General und ein anderer Anwalt des Schatzamtes wird die Anklage füh⸗ ren, für die Vertheidigung sind Serjeant Parry und die Anwälte Cohen und Montagu Williams engagirt.

22. März. (Köln. 3tg.) Das Kolonialamt erhielt amtlich die telegraphische Nachricht, daß der Prätendent Is mail, der AÄnzettler der Unruhen in Perak, sich zu Penang ergeben hat; seine Abführung nach Singapore ist angeordnet.

Frankreich. Paris, 21. März. Das „Journal officiel“ meldet die Wahl des Herrn Desmazes zum Senator von Martinique und des Generals dela Jaille zum Senator von Guadeloupe. Der Abg. Paul Bert, Pro⸗ fessor der Physiologie und Mitglied der äußersten Linken, ha- gestern zwei das Unterrichtswesen betreffende Gesetzentwür fe ein⸗ gebracht, die zu lebhaften Debatten Anlaß geben dürften. Nach der ersten dieser Vorlagen müssen künftig alle Elementarlehrer und Lehrerinnen mit dem staatlichen Fähigkeitszeugniß versehen sein, während bisher bekanntlich das sogenannte Obedienz— Gemeinde⸗ räthen soll die Wahl zwischen koönfessionslosem und geist⸗ lichem Unterricht zustehen: wo sie den ersteren wählen, dürfen sie diesen Entschluß nur im Fall einer Vakanz widerrufen; wo sie sich für die geistlichen Kongregationen entscheiden, gilt der Beschluß zunächst nur für fünf Jahre. Die Direktoren und Professoren der Schullehrerseminarien müssen ausnahmslos Laien sein. Der zweite Entwurf zielt auf eine Reform der verschiedenen Unterrichtsräthe, der Departe⸗ mentsschulräthe, der akademischen Räthe, endlich des Ober⸗ Unterrichtsraths ab; aus dem letz eren will Hr. Paul Bert die vier Erzbischöfe oder Bischöfe, die beiden Vertreter der pro⸗ testantischen Bekenntnisse, den Vertreter des israelitischen Kon⸗ sistoriums, sowie die Repräsentanten der Armee, Marine, des obersten Gerichtshofs und andere Körperschaften, deren Stimme und namentlich deren Einfluß jenen der Fachmänner erdrückt, entfernt wissen.

Spanien. Madrid, 23. März. (W. T. B.) Der Papst hat ein Breve hierher gelangen lassen, in welchem er gegen den Artikel 11 des Verfassungsentwurfs, welcher der Toleranz in Religionssachen die Form des öffrent⸗— lichen Rechts verleiht, protestirt und behauptet, derselbe verletze die Rechte der katholischen Kirche und annullire das Konkordat.

Italien. Rom, 17. März. Der „Allg. Ztg.“ wird geschrieben: Die administrativen Wahlen beschäfüigen den Klerikalismus immer mehr. Heute wird von seinen Srganen den Katholiken Italiens kund gethan: „daß die Theilnahme an diesen Wahlen nicht nur eilaubt und wünschenswerth, fondern auch durchaus nothwendig sei, und das Alles im Hinblick auf die Zukunft. „Es ist die Ueberzeugung der Verständigsten un⸗ ter denen, die sich um die politsche Entwickelung unserer Hälö⸗ insel interessiren: daß die italienische Revolution, wann immer es sei, aus der gegenwärtigen Phase machia— vellistischer Heuchelei zur härtesten Verfolgung über⸗ gehen wird... Welch unberechenbare Wohlthat waͤre es da für unser Vaterland, wenn in allen Munizlpien lauter ehren—⸗ werthe, weise, konservative Männer säßen! Welcher Vortheil würde daraus der Kirche, den Katholiken, dem Volksgewissen,

dem Privateigenthum erwachsen u. s. w.