Rektor und Prorektor der Univerfttät, der Kanzler und Vize—⸗ Kanzler des Ordens pour le mérite, der Ober-⸗Bürgermeister und der Stadtverordneten Vorsteher, Vertrräer von Kunst und Wissenschaft und sonstige Personen von Tistinktion Einladungen erhalten hatten. ; t ; J
h * Uhr erschienen Beide Kaiserliche Majestäten, unter Vorantritt der Dbersten dof⸗ Ober⸗Hof- und Hofchargen und gefolgt von Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin Mutter von Mecklen⸗ burg⸗ Schwerin, Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzoge und der Großherzogin von Baden, dem Großherzog und der Großherzogin von Sachsen, den Großherzögen von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin und Oldenburg, Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Georg von Sachsen, Ihren Königlichen Hoheiten den Erbgroßherzöͤgen von Sachsen, Mecklenburg⸗Schwerin und Oldenburg, dem Prinzen August von Württemberg, und dem Landgrafen Friedrich von Heffen, Sr. Großherzogliche Hoheit dem Prinzen Ludwig von Hessen Sr. Hoheit dem Herzog von Sachsen⸗Meiningen, Sr. Hoheit dem Prinzen Hermann von Sachsen⸗Weimar, Ihrer Ho— heit der Prinzessin Elisabeth von Sachsen⸗ Weimar, Sr. Hoheit dem Erbprinzen von Sachsen Meiningen, Ihrer Hoheit der Prinzessin Marie von Sachsen-Meiningen, Sr. Hoheit und Ihrer Königlichen Hoheit dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Hohenzollern, Sr. Durchlaucht und Ihrer Großherzoglichen Hoheit dem Fürsten und der Fürstin zur Lippe, Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, Sr. Durchlaucht dem Fürsten Reuß ä. L., Sr. Durchlaucht dem Erbprinzen zu Schaumburg⸗Lippe, Ihren Durchlauchten dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Schwarzburg⸗Sonders⸗ hausen und Sr. Durchlaucht dem Prinzen Friedrich von Hohen— ollern. ; Die Allerhöchsten Herrschaften geruhten zunächst Cercle zu machen, wobei zahlreichen Herren und Damen Gelegenheit ge— boten wurde, Sr. Majestät dem Kaiser und Könige ihre Glückwünsche zu übermitteln. ᷣ
Der Ball begann um 10 Uhr im runden Saale; am Contretanz betheiligten Sich unter anderen Höchsten hHerrschaften Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Kö⸗ niglichen Hoheiten der Prinz Albrecht und der Großherzog von Sachsen; an den Rundtänzen nahmen auch Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen Marie und Elisabeth Theil.
Auf einem Hautpas wohnten Ihre Majestät die Kaiserin, die Königlichen Prinzessinnen und die Fürstlichen Damen dem Balle bei, wähend Se. Masestät der Kaiser und König, Allerhöchstwelche die Uniform des Regimentes der Garde du Corps trugen, Sich in der Gesellschaft bewegten und an viele Personen das Wort richteten.
Nachdem um 12 Uhr das Souper an Büffets im Adler— saale eingenommen war, verabschiedeten Sich die Allerhöchsten Herrschaften nach 1 Uhr. e
Die Musik hatte das Kaiser Alexander Garde⸗-Grenadier⸗ Regiment Nr. Ü gestellt.
Im Königlichen Opernhause wurde die Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs durch einen von Fr. Adami gedichteten, von Hrn. Berndal gesprochenen Prolog eingeleitet, der in sinniger Weise auch der Hochseligen Königin Luise gedachte. Bei dem Hoch auf Se. Masestät, mit welchem der Prolog schloß, intonirte die Königliche Kapelle die Volkshymne, welche das Publikum stehend anhörte. Die Feier endigte mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches das Haus begeistert einstimmte. Die Festoper SZJessonda. bot viele Momente, bei welchen die Verehrung gegen Se. Majestät den Kaiser und König in der festlichen Versamm— lung wiederholt zum lauten Ausdruck gelangte. Im König⸗ lichen Schau spielhause wurde der Festprolog von Herrn Kahle gesprochen, worauf das Orchester einen Triumphmarsch von Anton Wallerstein ausführte. Zur Aufführung kam das historische Schauspiel „Colberg“ von Paul Heyse. — Auch in sämmtlichen übrigen hiesigen Theatern wurden die Vorstellungen durch Festprologe eingeleitet.
Ueberhaupt hat sich die Feier des Allerhöchsten Geburtstages nach den vorliegenden Berichten zu einer all— gemeinen Landesfeier gestaltet. Namentlich die größeren Städte thaten sich ihrer Stellung gemäß, sowie in Folge der in ihnen möglichen ausgedehnten militärischen Feier besonders hervor. So bringen die in Danzig, Stettin, Posen, Breslau, Magdeburg, Hannover, Cöln, Cassel und Wiesbaden erscheinenden Blätter ausführliche Festberichte und feiern den Tag in schwungvollen Leitartikeln.
In Hannover fand in herkömmlicher festlicher Weise die Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs statt. Gleichzeitig wurde an dem neu⸗ erbauten Hause an der Ecke der Goethe⸗ und Lützowstraße, wo früher das Prinzenhaus stand, in dem die Hochselige Königin Luise viele glückliche Tage der Kindheit verlebte, eine von dem Bildhauer Osw. Rommel geschmackvoll ausgeführte, etwa 6 Fuß hohe Gedächtnißtafel mit dem Bildniß der Königin nach Rauch errichtet, feierlich enthüllt.
Aus Cöln wurde folgendes, von dem Ober⸗Bürgermeister, den Beigeordneten und Stadtverordneten unterzeichnete Glück⸗ wunsch-Telegramm an Se. Majestät den Kaiser abgesandt:
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Aller guädigster Kaiser, König und Herr! Ünter dem Nachhalle der durch ganz Preußen von dem patriotischen Bewußtsein des Volkes getragenen Feier der Erinnerung an die hochselige Königin Luise erneuert sich mit des Frühlings Wiederkehr für das gesammte Vaterland der Festtag des 22. März. Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät Geburts⸗ tag ist. der Stadt Cöln freudiger Anlaß, Gott zu danken, daß Ew. Majestät gesegnete Regierung dem preußischen und deutschen Volke in ungeschwächter Kraft erhalten worden ift, und zu dem Allmächtigen zu flehen, daß zu des Vaterlandes Heile fie noch recht lange so möge erhalten bleiben. Mit dem aufrichtigsten Segenswunsche für Ew. Majestät und das ganze Kaiserliche und Königliche Haus verharren Ew. Kaiserlichen uad Königlichen Majestät treu gehorsamste. (Folgen die Unterschriften.)
Auch für Cassel hatte der Tag noch eine besondere Bedeu— tung. Gelegentlich der Rückkehr der hessischen Truppen aus Frank— reich wurde der Gedanke angeregt, ein Denkmal aufzustellen, welches die ruhmreiche Betheiligung der Hessen an dem letzten Kriege verherrlichen und das Andenken an die für das Vaterland Gefallenen von Geschlecht zu Geschlecht vererben sollte. Der in Folge dessen von dem damaligen Ober⸗Präsidenten von Möller und dem inzwischen verstorbenen Ober- Bürger⸗ meister Nebelthau erlassene Aufruf fand allgemeinen Än⸗ klang. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Kaisers und Königs wurde weiterhin beschlossen, daß das Denkmal in Gestalt eines auf Trophäen thronenden Siegesadlers auf der Plattform des Auethors aufgestellt werde.
Vormitiag 11 Uhr fand die Uebergabe des Denkmals statt. Die Regimenter der Garnison hatten auf dem Friedrichsplatz Stellung genommen und nach einem von dem kommandirenden General v. Bose auf den Allerhöchsten Kriegsherrn ausgebrachten Hoch fiel die Hülle, unter dem Dröhnen der Kanonen, von dem. Bildwerk. Hierauf fand die Kaiser⸗Parade statt; die Uebergabe des Denkmals vollzog der Ober⸗Präsident v. Ende mit einer kurzen Ansprache.
Von außerpreußischen Städten liegen weitere Nachrichten über eine Feier in München, Dresden, Leipzig, Schwerin, Darmstadt, Braunschweig, Bremen, Lübeck ꝛc. vor.
Das „Braunschweigische Tageblatt widmet dem Allerhõchsten Geburtstage einen gehobenen Festartikel, das Lippische Regierungs⸗ und Anzeigeblatt“ ein Festgedicht. .
Aus München berichtet ‚W. T. B.“: Zur Feier des Ge⸗ burtstages des Kaisers war hier im „Bayerschen Hof“ ein Fest⸗ diner veranstaltet, welches einen glänzenden Verlauf nahm. Demselben wohnten viele Landtagsabgeordnete, Vertreter der Kunst und Wissenschaft, Mitglieder des Magistrats, sowie viele angesehene Bürger bei. Prof. FKluckhohn brachte einen Toast auf den König von Bayern, der Reichstags- und Landtagsabgeord⸗ nete Stenglin einen Toast auf den Kaiser aus. Die Versam⸗ melten nahmen beide Toaste mit begeisterten Zurufen auf
Stuttgart, 23. März. (W. T. B) Zu Ehren des Geburts⸗ tags Sr. Majestät des Kaisers fand gestern Abend bei Hofe ein Festkonzert statt, zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen waren. Die öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser waren zur Feier des Tages beflaggt. Bei dem im Saale des Museums stattgehabten Banket der Bürgerschaft brachte der Reichstags⸗ Abgeordnete Frisch das Hoch auf den Kaiser aus.
Schwerin, 22. März. Gestern Abend fand, wie schon gestern angekündigt wurde, zur Vorfeier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers ein großer Zapfenstreich statt. Derselbe wurde von sämmtlichen Militär⸗Musikcorps ausgeführt. Heute Morgen 6 Uhr zog eine von sämmtlichen Milltär⸗Mustkeorps ausgeführte Reveille durch die Hauptstraßen der Stadt. Die Häuser und öffentlichen Gebäude Schwerins sind durch Fahnen und Wimpeln reich geschmückt. In den Schulen, mit Aus⸗ nahme der städtischen, ist der Unterricht für heute ausgesetzt. In den einzelnen Klassen der letzteren wurden die Schüler durch die Lehrer auf die Bedeutung des Tages hingewiesen. An dem gegen 11 Uhr in der Garnisonkirche beginnenden Militärgottes⸗ dienste, bei welchem der Divisionsprediger Pastor Flörke die Rede halten wird, nimmt von jeder Compagnie ein Zug Theil.
Bremen, 22. März. Des Kaisers Geburtstag wurde, wie üblich, gestern Abend durch Zapfenstreich eingeleitet. Oeffentliche und viele Privatgebäude haben heute geflaggt. Der Fest— gottesdienst am Geburtstage selbst fand in der Kirche zu U. L. Fr. statt. Es nahmen daran Theil, außer dem aktiven Bataillon, die hier anwesenden Reserve⸗ und Land⸗ wehr⸗Offiziere, Mitglieder des hiesigen Kriegervereins, Beamte des Reichs, der Präfident des Senats Dr. Pfeiffer und Bürger⸗ meister Grave nebst einer Reihe von Senatoren, endlich eine große Zahl von Männern und Frauen aus verschiedenen Ge— meinden der Stadt. Die Kirche war ganz gefüllt. Die Fe st⸗ predigt hielt Garnisonpfarrer Thikötter äber Jacob. 4. 8. Um 11 Uhr endete die erhebende, patriotische Feier.
Lübeck, 22. März. Die Feier des Geburstags des Kaisers, der zu Ehren die Stadt in allen Theilen ebenso reich beflaggt ist, wie die im Hafen liegenden Schiffe, begann gestern Abend mit dem Zapfenstreich, der, von der Holstenbrücke aus beginnend, nach einem Rundgang durch die Stadt auf dem Klingenberg endigte; vor dem Hause des dirigirenden Bürger ˖ meisters Senators Dr. Behn wurde eine Serenade gebracht. Der heutige nationale Festtag wurde mit der militärischen Re⸗ veille eingeleitet. Um 10 Ühr begann der Festgottes dienst in der Marienkirche, wobei Pastor Holm die Festpredigt sprach; sodann zog das Bataillon, von einer sehr großen Menschenmasse begleitet, nach dem Burgfelde, wo von dem Batagillons-Com— mandeur und Major Melms in Gegenwart der Senatoren Pr. Kulenkamp und Harms als Militärkommissaren des Senats die Parade abgenommen wurde.
Paris 25. März. (W. T. B.) Zur Feier des Geburts— tags Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm fand gestern auf der hiesigen deütschen Botschaft ein großes Diner statt, zu welchem ausschließlich Mitglieder der deutschen Kolonie geladen waren. Der Botschafter Fürst v. Hohenlohe brachte den Toast auf Se. Majestät den Kaiser, den glorreichen Wiederhersteller der Einheit Deutschlands, aus, welcher von den Theilnehmern mit enthusiastischem Beifall aufgenommen wurde.
St. Petersburg, 23. März. (W. T. B.) Gestern Abend fand im Hotel Demouth anläßlich des Geburtstags Sr. Majestät des Deutschen Kaisers ein sehr zahlreich besuchtes Festmahl der deutschen Kolonie statt. Unter den Anwesenden befanden sich der deutsche Botschafter von Schweinitz, der Militãrbevollmächtigte General von Werder, sowie der hayerische und der württem⸗ bergische Gesch ftsträger. Den ersten Toast brachte der deutsche Botschafter auf den Kaiser Alexander aus; alsdann folgte ein mit großer Begeisterung aufgenommener Toast auf den Deutschen Kaiser, an welchen ein Glückwunschtelegramm abgesandt wurde.
— Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Oldenburg ist heute Mittag nach Oldenburg und Se.
Durchlaucht der Fürst Reuß ä. L. Heinrich XXII. nach Greiz zurückgekehrt.
— Der Reichskanzler hat dem Bundesrath den Ent⸗ wurf eines Gesetzes die Anstellung von Militäranwär— tern im Privat-Eisenbahndienste betreffend, zur Beschluß⸗ nahme vorgelegt.
— In der heutigen (4) Sitzung des Herrenhauses, welche der Präsident Graf Otto zu Stolberg⸗Wernigerode um 11 Uhr eröffnete und welcher der Minister für die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten Dr. Friedenthal mit mehreren Regierungs⸗Kommissaren beiwohnte, gelangte zunächst der Bericht der Agrar⸗Kommission über den Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Ablösung der Servituten, die Theilung der Gemeinschaften und die Zusammenlegung der Grundstücke für die Provinz Schleswig⸗Holstein, zur Erledigung. In der Generaldiskussion empfahl der Referent Derr von Thaden die Annahme des Gesetzes in der von der Kom— mission vorgeschlagenen Fassung. Bel der Spezialdiskussion wurden die §8§. J und 2 ohne Diskufsion angenommen. Zu §. 3, welcher nach den Beschlüssen der Kommsssion folgender⸗ maßen lautet:
Die wirthschaftliche Zusammenlegung der in vermengter Lage befindlichen Grundstücke verschiedener Eigenthümer einer Feldmark findet statt, wenn dieselbe von den Eigenthümern von mehr als der Hälfte der nach dem Grundfteucrkataster berechneten Fläche der einem Umlegunggverfahren zu unterwerfenden Grundstücke,
welche gleichzeitig mehr als die Hälfte des Katastral Reinertrages repräsentiren beantragt wird. In der Regel sind simmtliche, der Um- legung unterliegenden Grundstũcke der nãmlichea Feldmark in einem Zu⸗ sammenlegunge verfahren zu vereinigen. Dasselbe kann jedoch auch auf einen durch natürliche Begrenzung oder besondere Bewirth= schaftung als Feldabschnitt kenntlich werdenden Theil der Feldmark beschränkt werden, wenn dies mit den Interessen der Landeskultur verträglich oder von denselben geboten ist. Grundstücke einer an⸗ deren Feldmark dürfen in das Umlegungsverfahren gezogen werden,
wenn dieselben in unwirthschaftlicher Weise in die umzulegende
Fläche einspringen. 2 Die Fefistellung des Umlegungsbezirks geschieht durch die
Autzeinander setzunge behõrde. . Werden von solcher Zasammenlegung Grundstücke betroffen,
welche einer gemeinschaftlichen Benutzung unterliegen, die nach die⸗
sem Gesetze aufgehoben werden kann, so muß die Servitutablösung
oder Theilung gleichzeitig mit der Zusammenlegung bewirkt werden. beantragte Dr. Beseler, hinter dem Worte „beantragt“ in Al. 1 folgenden Zusatz hinzuzufügen: ;
„und durch Beschluß der Kreisversammlung des Kreises, in wel- chem die betheiligten Grundstücke liegen, mit Räücksicht auf die davon ij erwartenden erheblichen Verbesserungen der Landeskultur für zu⸗— ässig erklärt wird.“ . ö
Bei der Diskussion erklärten sich die Herren Graf Brühl, v. Kleist⸗Retzow, v. Senfft⸗Pilsach, Graf v. d. Schulenburg⸗ Beetzendorf und v. Knebel-Döberitz für, die Herren Elwanger, v. Rath, Wever, Schuhmann und der Regierungs⸗Kommissar, Regierungs⸗Rath Fastenau gegen diesen Antrag, der hierauf mit 36 gegen 26 Stimmen abgelehnt wurde.
Die übrigen Paragraphen des Gesetzes wurden ohne Dis⸗ kussisn nach den Vorschlägen der Kommission angenommen.
Es folgte als zweiter Gegenstand der Tagesordnung der Bericht der Justizkommission über den Gesetzentwurf, be— treffend die Auflösung des Lehnverbandes in der Provinz Westfalen und in den Kreisen Rees, Essen und Duisburg. Nach einigen einleitenden Worten des Referenten Dr. Dernburg beschloß das Haus auf Antrag des Herrn von Kleist-Retzow. das Gesetz in der von der Justizkom⸗
mission beschlossenen Fassung en blos anzunehmen.
Als dritter Gegenstand der Tagesordnung folgte der münd— liche Bericht der Kommission für Eisenbahnangelegenheiten über die Uebersicht, betreffend den Fortgang und Stand der Eisenbahn bauten im Jahre 1875, für welche besondere Kredite bewilligt worden sind. Nachdem der Referent Graf Rittberg einen kurzen Ueberblick über den Stand der Eisenbahnbauten gegeben und den Antrag gestellt hatte, durch die Uebersicht der Staatsregierung sich für befrie— digt zu erklären, richtete Serr Hammann an den Regierungs⸗ Kommissar wegen des Baues der Berliner Stadtbahn und der hierzu erforderlichen Mittel eine Anfrage, welche der Ministerial⸗Direktor Weißhaupt nicht beantworten zu können erklärte, weil man noch nicht die Grundstückserwerbungen vollzogen habe. Das Haus genehmigte hierauf den Antrag des Referenten. Schluß der Sitzung 11 Uhr, nächste morgen 11 Uhr. (Tagesordnung: Das Gesetz über die Verwendung der disboniblen Bankfonds, das Etatgesetz pro 1876 und der Bericht über die Bestände des Dotations fonds.)
— In der heutigen G3.) Sitzung des Hauses der Ab⸗
geordneten, welcher am Ministertische der Minister des Innern
Graf zu Eulenburg mit mehreren Kommissarien beiwohnte, theilte der Präsident dem Haufe die erfolgte Wahl und Kon⸗ stituirung der Kommission für die Städteordnung mit. (S. Nr. 71 d. Bl.) Ohne Debatte passirten hierauf in dritter Berathung die Gesetzentwürfe, betreffend die Gebührenerhöhung der Nota— rien im Appellationsgerichtsbezirk Cöln, die Aufhebung der Parochialexemtionen und die Einführung der Kreisordnung in die Grafschaften Wernigerode und Stolberg. Es folgte die erste Berathung des Gefetzentwurfs, betreffend die Ver⸗ fassung und Verwaltung der Provinz Berlin. Der Abg. Zelle erklärte sich zwar mit dem Prinzip der Vorlage im Ganzen einverstanden hielt aber doch viele Details für amendirungs—⸗ bedürftig. Der Abg. Richter (Hagen) erörterte das Verhältniß der verschiedenen durch das neue Gesetz zur Regierung in Berlin berufenen Behörden und trat dem Antrage des Abg. Richter (Sangerhausen) bei, die Vorlage einer Kommission von 14 Mit⸗ gliedern zu überweisen. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. Frhr. von Manteuffel das Wort.
— Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Falk hat den Regierungen empfohlen, die Aufmerksamkeit der Leh⸗ rer auf die Wichtigkeit der Lebensversicherungen hinzu⸗ lenken und die Möglichkeit von Erleichterungen beim Abschluß der Versicherungsverträge für den Fall in Aussicht zu stellen, daß die von dem Betheiligten ausgewählte Gesellschaft, ihre Solidität als bekannt voörausgeseßt, sich den einzuleitenden Vereinbarungen für den gedachten Zweck zugänglich erweist.
— Nachdem von verschiedenen Seiten, auch von dem Verein gegen das Moorbrennen in Bremen, die Errichtung einer Ver⸗ suchsstation für Moorkultur und Moorwefen bei dem Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Pr. Friede n— thal in Anregung gebracht ist, hat derselbe beschlossen, die Angelegen⸗ heit zum Gegenstande einer mündlichen Berathung mit geeigne⸗ ten Sachverständigen zu machen. Zu diesem Zwecke ist auf den 3. April eine Konferenz im Ministerium für die landwirth— schaftlichen Angelegenheiten anberaumt, in welcher berathen wer— den soll, welche Aufgaben der Versuchsstation zu stellen sind und welche Organisation der Versuchsanstalt gegeben werden soll.
— Aus Konstantinopel wird berichtet, daß der dortige internationale Gesundheitsrath mit Rücksicht auf das Auftreten der Pest in Hillah und Umgegend, sowie in Bagdad eine fünfzehntägige Quarantäne gegen alle Provenienzen aus dem persischen Meerbusen für sämmtliche tür⸗ kische Häfen beschlossen hat.
— Der General der Infanterie von Stosch, à la suite des See⸗Bataillons und Chef der Admiralität, hat sich zur dies⸗ n n Frühiahrs-Inspizirung nach Wilhelmshaven und Kiel egeben.
Der General⸗Lieutenant von Voigts-Rhetz, à la suite des Königs- Grenadier⸗Regiments (. Westpreußisches) Nr. 7 und Commandeur der 20. Division, ist hier eingetroffen.
—= Der General⸗Lieutenant z. D. von Twardowsk i,
zuletzt /tommandant von Stettin, ist in der vergangenen Nacht verstorben.
Mer seburg, 20. März. Während der Tage vom 13. — 17. d. M. tagte hier der Provinz ialausschuß der Provinz Sachsen.
Als Vertreter der Königlichen Staatsregierung wohnte an den.
ersten drei Tagen der Ober⸗Präsident und außerdem bis zum Schluß der Dber⸗-Präsidial⸗Rath Steinmann den Ber⸗ handlungen bei. Den Vorsttz führte Graf zu Stolberg⸗ Wernigerode. Die Mitglieder waren vollzählig
erschienen.
Nach theilweiser Erledigung der zur Berathung und Beschluß⸗ fassung vorbereiteten Gegen stände wurde die Wahl der Mit⸗ glieder und Stellvertreter für den Provinzialrath und die Bezirke räthe vollzogen.
Bayern. München, 21. März. (Allg. Ztg.) Nach dem gestern der Abgeordnetenkammer vorgelegten Hauptetat der Militärverwaltung Bayerns für 1856 sind, entsprechend den Ansätzen für das übrige Reichsheer, für die bayerische Armee bewilligt: für die Ausgaben des Heeres 38 498, 977 ½ und für die Mi⸗ litrpensionen 2 947,250 S½. — 41,446,227 S, um 934,563 S mehr als im Vorjahre. Von der Friedensprãäsenzstãrke des deutschen Heeres im laufenden Jahre mit 401,659 Mann treffen auf Bayern nach Verhältniß der Bevölkerung 38,244 Mann, und zwar 2108 Offiziere, 6121 Unteroffiziere, 88 Zahl meister⸗ Aspiranten, 642 Unteroffiziere und 803 Gemeine als Spielleute, 38 891 Gefreite und Gemeine, 576 Lazareihgehülfen resp. Sa⸗ nitätstruppen und 1123 Oekonomie⸗Handwerker. Hierzu kommen: 197 Aerzte, 92 Zahlmeister, 1 Stallmeister, 53 Veterinãre, 74 Büchsenmacher und 19 Sattler; dann 8776 Dienstpferde.
— Bezüglich des Budgets des Ministeriums des Innern im Gesammtbetrage von 18,127,276 „S. für ein Jahr der laufenden Finanzperiode wird von: Finanzausschusse der Kammer der Abgeordneten zur Zustimmung mit nur weni⸗ gen, nicht sehr wesentlichen, Abminderungen beantragt. Der Bericht hierüber in der Kammer wird nächste Woche stattfinden können.
— In den letzten Tagen beschäftigte die Frage der Jubi⸗ läumsprozessionen den obersten Gerichtshof. Be⸗ kanntlich hatte Papst Pius IX. im Dezember 1874 ein Jubiläum mit vollständigem Ablaß unter Anordnung einer gewissen An⸗ zahl, von Gebeten in bestimmten Kirchen ausgeschrieben. Das Srdinariat Regensburg gab in Vollzug diefes Ausschreibens Weisungen wegen etwa damit zu verbindender Prozessionen und sprach dabei aus, daß eine solche Prozession an Stelle von fünf⸗ maligem Kirchenbesuche gelten solle. Der Pfarrer Hobmaier in Alltersberg veranstaltete nun eine solche Prozession, unterließ es jedoch, vorher Anzeige bei dr Gemeinde behörde zu machen und die Zustimmung der Distrikts— polizeibehörde einzuholen. Das Bezirksgericht Amberg verur⸗ theilte nun den Hobmaier wegen Verletzung des Vereinsgesetzes zu einer Geldstrafe von 2 Thlrn. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, daß diese Jubiläumsprozesstonen sich nicht jährlich wiederholen, wie andere kirchliche Prozessionen, daher nicht zu den herkömmlichen gezählt werden; die Jubiläums⸗ prozessionen seien auch nicht der Ausfluß eines Volksbewußt— seins, sondern sie würden nur jedesmal auf besondere kirch⸗ liche Anordnung abgehalten und seien als außerordentliche kirchliche Feier zu betrachten, zu welcher die Bewilligung der polizeilichen Behörde erforderlich ist. Das Appel⸗ lationsgericht Nürnberg sprach den Angeklagten in Ter Berufungsinstanz frei, indem es sich dafür entschied, daß diese Jubiläumsprozessionen als herkömmliche kirchliche Feier zu be— trachten selen. Gegen dieses Urtheil legte der Staatsanwalt die Nichtigkeitsbeschwerde wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes ein und führte namentlich aus, wenn das Jubiläum eine außerordentliche kirchliche Feier gewesen, so könne es bei demselben auch keine herkömmliche Prozessionen geben, sondern letztere seien eben auch außerordentliche, weil sie nicht an Ort und Zeit gebunden sind. Ferner seien die Prozessionen kein wesentlicher Bestandtheil des Jubiläums, wie auch ein Erlaß des Ordinariats München ausspreche, wonach in Folge des staat⸗ lichen Verbotes die Prozessionen zu unterbleiben haben sollen. Der Oberste Gerichtshof schloß sich den Ausführungen des Staatsanwaltes an, vernichtete das Urtheil des Königlichen Appellationsgerichts Nürnberg und verwies die Sache an einen andern Senat desselben Gerichts.
— 253. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer verlas der Abg. Dr. Schüttinger die bereits angekündigte Interpellation, betreffend die Ver⸗ bindung eines Reichsamtes mit einem bayerischen Staatsamte. Die Interpellation ist veranlaßt durch die Ernennung dreier bayerischer Beamten zu Bankkommissären bei den Reichsbank— hauptstellen in München, Augsburg und Nürnberg. Der Justiz⸗Minister Dr. v. Fäustle erklärte, er werde die Interpella—⸗ tion in einer der nächsten Sitzungen beantworten.
Württemberg Aus Stuttgart, den 16. März, schreibt man den „H. N.“ Folgendes: Die Entwicklung und das Ge— deihen der hiefigen altkatholischen Gemeinde ist unseren Klerikalen ein Dorn im Auge; sie suchen in jeder möglichen und unmöglichen Weise die Bewegung als lächerlich hinzustellen und gegen die hervorragenden Mitglieder der altkatholischen Gemeinde, welchen es gelungen ist, einen Friedrich und Michelis für die altkatholische Bewegung in Württemberg zu interessiren und dieselben zu bewegen, in hiesiger Stadt Vortraͤge zu halten, alle möglichen Verdächtigungen zu schleudern. In erster Linie stand hier der von dem Kaplan Denzert in Dirzenheim redigirte „Anzeiger von Ipf“. Gegen diesen Kaplan ging nun der Vorstand der altkatholischen Gemeinde zunächst mit einem in einem hiesigen Lokalblatte erschienenen offenen Briefe vor. In demselben wird dem Kaplan⸗Redacteur nachgewiesen, daß die altkatholische Bewegung in Württemberg und speziell in Stutt⸗ gart durchaus nicht, wie es der „Anzeiger von Ipf“ wünsche und demgemäß auch behaupte, im Sand verlaufen und „wie das Hornberger Schießen“ aufhören werde, und daß dazu auch die absichtlichen Entstellungen des Ipf“ nichts beitragen werden. Der Vorstand der Altkatholiken tritt namentlich auch der von dem klerikalen Blatte aufgestellten Behauptung entgegen, daß die Vorträge der Herren Friedrich und Michelis nur von 256 Personen besucht gewesen seieh; der Hausmeister des Bürger— museums, in dessen großem Saale die beiden genannten Pro⸗ fessoren sprachen, konstatirt, daß jedem Vortrag 700 Personen anwohnten. Der Vorstand wird seine Gegenerklärung durch eine Separatausgabe in ganz Oberschwaben verbreiten.
Baden. Karlsruhe, 19. März. (Schwäb. Merkur.) Nach einer Bestimmung des Schulgesetzes können außer den Ober⸗Schulräthen und Kreis⸗Schulräthen noch andere Fachmänner mit Volksschulprüfungen beauftragt iverden. Diese Bestimmung
tritt jetzt in Kraft, indem die Vorstände der Lehrer⸗Seminarien
angewiesen worden sind, zunächst in Gemeinschaft mit den Kreis⸗ Schulräthen, solche Prüfungen vorzunehmen. Dadurch werden einerseits die mit Geschäften überbürdelen Kreis-Schulräthe er⸗ leichtert werden, auf der anderen Seite wird eine Verbindung der Seminarien mit der Volksschule hergestellt.
— 21. März. Zum ersten Male nach Weihnachten war heute die Erste Kamm er wieder versammelt. Von Seiten des Präsidenten und des Sekretariats wurden zunächst ver⸗ schiedene Mittheilungen gemacht. Ueber das dem Budget vor⸗ angestellte Regulatip in Betreff der Bezüge der Beamten und über das Gesetz, die Besoldungen der Richter be—
treffend, lagen gedruckte Berichte vor. wurde das Negulativ einstimmig angenommen. Darauf folgte
die spezielle Berathung des Gesetzes Über die Besoldungen der Richter, wobei nur zwei Punkte eine längere Besprechung hervorriefen. Da hierbei auch die Aufhebung der Handels⸗ sem Zwecke eine Enquẽte einberufen und gemäß des Gutachtens derselben vorgehen werde.
Auch Minister i
Freydorf sprach die Hoffnung aus, daß die Reichsgesetzgebung den Einzelregierungen die Befugniß gewähren werde, ihre Han⸗ elsger Reichstag eine dürfniß erfordert; sollte sich jedoch eine Beschränkung der zom⸗ petenz nicht erreichen lassen, sollte das Handelsgericht auch für die geringfügigsten Sachen für kompetent erklärt werden, so daß
gerichte durch die Reichsgesetzgebung als mõglich in Betracht gezogen wurde, wies der Abg. Hummel darauf hin, daß diese Möglichkeit jetzt ferner gerückt fei.
delsgerichte zu erhalten oder solche einzuführen, wo es das Be⸗
man die Bessitzer dafür kaum mehr gewinnen könne, dann müsse eventuell der Zweifel auftauchen, ob es nicht besser sei, die Han⸗ delsgerichte ganz fallen zu lassen. Die übrigen Paragraphen und das ganze Gesetz wurden hierauf ohne weitere Debatte ein⸗
stimmig angenommen.
Hessen. Darmstadt, 21. März. Die Erste Kammer der Stände hielt heute ihre 4 Sitzung. Die Kammer nahm, wie bereits telegraphisch gemeldet, zuerst die Vorlage des Ge⸗ sammt⸗Ministeriums, die Uebertragung des Eigenthums der Oberhessischen Bahnen an den Staat betr., konform den Beschlüssen der Zweiten Kammer, nach kurzer Debatte gegen 2 Stimmen an. Auch die weiteren Gegenstände der Tagesordnung wurden einstimmig ohne Debatte, konform den Beschlüssen der Zweiten Kammer, angenommen. Sodann vertagte sich die Kammer auf unbestimmte Zeit.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 21. März. Nach dem Ablauf der sechsjährigen Wahlperiode für die Vertreter des Fürstenthums Ratzeburg hatte die mecklenburg⸗strelitzische Landesregierung Neuwahlen angeordnet und dadurch ihrer⸗ seits erklärt, daß sie die von der ratzeburgischen Bevölkerung bisher nicht angenommene und daher noch nicht in Wirklichkeit getretene Verfaffung fortwährend als in Geltung befindlich an— sehe. Das Ergebniß der Neuwahlen hat jedoch der Erwartung, daß es jetzt gelingen werde, eine beschlußfähige Vertretung zu⸗ sammenzubringen, nicht entsprochen. Denn auf die an die Ver— treter ergangene Zusammenberufung zum 27. d. M. haben 11 von den 21 Vertretern, welche nach der Verfassung den Landtag bilden, darunter die sämmtlichen 9 Vertreter der Bauerschaften, der Großherzoglichen Landvogtei zu Schönberg die Anzeige ge⸗ macht, daß sie der Berufung nicht Folge leisten würden, wo— durch die Nichtbeschlußfähigkeit der Versammlung schon feßtsteht.
Lübeck, 22. März. (Lüb. Ztg.) Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Dänemark trafen heute Vor— mittag um 95 Uhr von Corsör auf dem Dampfer Freya! hier ein und wurden von den Herren Charles Petit und Horenung Petit, Königlich dänischen Konsuln, begrüßt. Nachdem der Fron⸗ prinz in Begleitung des Konsuls Ch. Petit eine Promenade durch die Stadt und über den Wall gemacht, traten die hohen Herrschaften über Hamburg die Reise nach dem Süden an; der Aufenthalt soll hauptsächlich Italien gelten.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 21. März. Dem Böhmi— schen Landtag ist vom Landesausschusse ein Gesetzentwurf, betreffend die Landtagswahlordnung für Böhmen, vorgelegt worden. Derselbe enthält jedoch keine prinzipielle Aenderung der Wahlordnung, sondern zumeist nur eine Kodifikation der verschiedenen bereits früher beschlossenen Wahlgesetznovellen. Die beantragten Aenderungen zielen dahin, die Wahlbezirke so viel als möglich national gleichartig zu gestalten, ebenso die Land— tagswahlordnung mit der Reichsrathswahlordnung in Ueberein— stimmung zu bringen.
— Die „N. Fr. Pr.“ verbleibt in ihrem heutigen Leit— artikel bei ihrer Ansicht, daß die wirthschaftliche Regeneration Oesterreichs mit der Herstellung der Valuta beginnen müsse und daß beim Uebergange von der Papierwährung zum Metallgelde nur das Gold allein als zukünftiger Werthmesser gewählt wer⸗ den dürfe. Das Blatt konstatirt die Thatsache, daß alle civilisirten europäischen Staaten entweder zur Goldwährung be⸗ reits übergegangen sind, oder doch ganz offenbar die Tendenz verfolgen, dies in nächster Zit zu thun. England, Deutschland, die Niederlande, die skandinavischen Länder und Portugal haben bereits das Gold als alleiniges Tauschmittel ge⸗ iählt und das Silber gesetzlich zur Funktion der Scheidemünze degradirt. Spanien und die Länder der lateinischen Münz- konvention, nämlich Frankreich, Italien, Belgien, Griechen and und die Schweiz besitzen zwar gesetzlich noch die Doppelwäh⸗— rung, prägen aber thatsächlich in größerem Umfange nür mehr Goldstücke, während sie die Ausprägung von Silber münzen auf ein von Jahr zu Jahr sich verringerndes, höächst bescheidenes Ausmaß eingeschränkt haben. Doch gleich⸗ viel, ob sie den letzten Schritt, nämlich den des gesetzlichen Ueberganges zur reinen Goldwährung, in der nächsten Zukunft schon unternehmen oder noch länger hinausschieben werden — die Silberwährung besaßen oder besitzen sie nicht und werden sie auch niemals annehmen. Es bleiben also auf unserem ganzen Erdtheile nur noch die Türkei, Rußland und Oesterreich als Silberländer. In den beiden letzteren besteht zwar gesetzlich die Silberwährung, faktisch aber die Papierwährung, so daß in Wahrheit das Silber in ganz Europa, mit Ausnahme der tür⸗ kischen Länder, demonetisirt, überall entweder durch Gold oder Papier verdrängt ist.
Wenn Oesterreich unter so bewandten Umständen zur faktischen Sclberwährung zurückkehren wollte, so müßte es sich von vornherein darüber klar sein, daß sich an dem Zu⸗ stande der Isolirung seines Geldmarktes von dem des übri⸗ gen Europa durchaus nichts ändern kann. Während die anderen europäischen Staaten eine große Geldgemeinschaft bilden, ihre Münzen nach Abzug der Prägekosten gegenseitig zum vollen Werthe annehmen und damit einen sicheren, un⸗ veränderlichen Maßstab für alle internationalen Transaktionen besitzen, müßte Oesterreich nach wie vor abseits und abgeschlossen von dieser Gemeinschaft stehen, sein Geld wäre Waare auf den fremden Märkten, das Geld aller anderen Staaten Waare auf seinen Märkten; seine auswärtigen Handelsbeziehungen blieben abhängig von allen Schwankungen des Werthverhältnisses zwischen Gold und Silber, es würde ihm nach wie vor die un⸗ verrückbare feste Basis nicht nur für den internatisnalen Handel, sondern auch für den größten Theil des Verkehrs im eigenen Lande fehlen.“
Pest, 21. März. Das Abgeordnetenhaus erledigte heute den Gesetzentwurf betreffs der Volksschulbehörden, mit Ausnahme des §. 13, welcher an den Centralausschuß behufs neuer Textirung desselben zurückgewiesen ward.
Sodann beantwortete der Handels⸗Minister Simonyi die
Nach längerer Debatte
Interpellation Maskhots wegen der Forstdevastationen dahin, daß er nach Einvernehmung des land⸗ und forsiwirihschaftlichen Vereins cine Gesetzvorlage einbringen werde.
Auf die Interpellation Karl Raths wegen Abänderung des Gewerbegesetzes antwortete der Handels⸗Minister, daß er zu die⸗
— Die Kongregation des Pester Komitates verhandelte heute ¶ anlãßlich der Aufforderung anderer Munizipien ber die Zoll- und Bankfrage' und beschloß, an' den e . . Petition zu richten, in welcher derselbe ersucht wird, Tisza's Programm zu verwirklichen, eine selbstän⸗ dige Bank zu errichten und die Zollfrage, wo möglich, auf ein⸗ heitlichem Gebiete zu lösen. Bleiben Aber Ungarns Interessen unberücksichtigt, dann soll ein separates Zollgebiet errichtet wer⸗ den. Die gemäßigtere Resolution, welche die bloße Kenntniß⸗ nahme der Zuschriften der Munizipien empfahl, blieb in der Minoritãt. .
Schweiz. Bern, 21. März. Der Nati onalrath hat heute die früher zurückgelegten Artikel des Forstgesetzes er⸗ ledigt und dann das ganze Gesetz mit 68 gegen 1 Stimme an⸗ genommen. — Auch die Schweizer im Auslande haben ein Manifest gegen das neue Mil itärsteuergesetz er⸗ lassen. Unterzeichnet von den Schweizer Gesellschaften in Augsburg, Berlin, Bremen, Chemnitz, Cöln, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Livorno, Mailand, Mannheim, München, Nimes, Straßburg, Stuttgart und Worms, richtet dasselbe an die Mitbürger daheim die dringende Bitte, das Re ferendums— begehren mit ihrer Unterschrift zu unterstützen und bei der Volksabstimmung selbst für Verwerfung des Gesetzes zu stimmen.
Belgien. Brüssel, 22. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Repräsentantenkamm er wurde der gestern von dem Finanz⸗Minister Malou eingebrachte, zur Un ter⸗ stüͤtzung der Banque de Belgique bestimmte Gesetzentwurf mit 83 gegen 4 Stimmen angenommen.
Großbritannien und Irland. London, 20. März. leber die am nächsten Montag, den 27. d, vor sich gehende. Reise der Königin nach dem Festlande liegt jetzt folgendes Programm vor: Die Königin wird von ihrer jüngsten Tochter, der Prinzessin Beatrice, der Marquise von Ely, Lady Churchill, ihrem Privatsekretär General⸗Major Ponsonby, ihrem Flügel⸗ Adjutanten Colonell Byng, und ihrem Leibarzte Sir W. Jenner begleitet sein. In Portsmouth erfolgt die Einschiffung an Bord der Königlichen Dampfyacht „Victoria and Albert“ en route nach Cherbourg. Von da wird die Reise per Eisenbahn in zwei Salonwagen, via Paris und Straßburg nach Baden Baden fortgesetzt. In letzterem Orte wird die Königin 8 oder 16 Tage verweisen und sich dann nach Coburg zu einem Besuche des dortigen Hofes begeben. Gegen Ende April tritt die Königin die Rückreise nach England an, um in Windsor rechtzeitig zur Bewillkommnung des aus Indien zurückkehrenden Prinzen von Wales einzutreffen. — Ad⸗ miral Joseph Gape, einer der wenigen noch übrigen Kämpfer von Trafalgar, ist dieser Tage im 83. Lebenz⸗ jahre verstorben. Er trat im August 1803 in die Flotte und machte die denkwürdige Seeschlacht auf dem Linienschiffe „Aja“ mit. Seit seiner Ernennung zum Contre⸗Admiral stand er auf der Liste der Penstonirten. — Die Untersuchung gegen den Kapitän des Dampfers »Franconia“ wegen Tödtung wird, der „E. C.“ zufolge, in der nächsten Sitzung des Central Criminal Court, die am 3. April beginnt, geführt werden. Der Attorney⸗General und ein anderer Anwalt des Scatzamtes wird die Anklage füh⸗ ren, für die Vertheidigung sind Serjeant Parry und die Anwälte Cohen und Montagu Williams engagirt.
— 22. März. (Köln. 3tg.) Das Kolonialamt erhielt amtlich die telegraphische Nachricht, daß der Prätendent Ismail, der Anzettler der Unruhen in Perak, sich zu Penang ergeben hat; seine Abführung nach Singapore ist angeordnet.
Frankreich. Paris, 21. März. Das „Journal offieiel“ meldet die Wahl des Herrn Desmazes zum Senator von Martinique und des Generals de la Jaille zum Senator von Guadeloupe. — Der Abg. Paul Bert, ro⸗ fessor der Physiologie und Mitglied der äußersten Linken, hat gestern zwei das Unterrichtswesen betreffende Gesetzentwürfe ein⸗ gebracht, die zu lebhaften Debatten Anlaß geben dürften. Nach der ersten dieser Vorlagen müssen künftig alle Elementarlehrer und Lehrerinnen mit dem staatlichen Fähigkeitszeugniß versehen sein, während bisher bekanntlich das sogenannte Obedienz⸗ zeugniß der geistlichen Lehranstalten genügte. Den Gemeinde⸗ räthen soll die Wahl zwischen konfessionslosem und geist⸗ lichem Unterricht zustehen: wo sie den ersteren wählen, dürfen sie diesen Entschluß nur im Fall einer Vakanz widerrufen; wo sie sich für die geistlichen Kongregationen entscheiden, gilt der Beschluß zunächst nur für fünf Jahre. Die Direktoren und Profefforen der Schullehrerseminarien müssen ausnahmslos Laien sein. Der zweite Entwurf zielt auf eine Reform der verschiedenen Unterrichtsräthe, der Departe— mentsschulräthe, der akademischen Räthe, endlich des Ober⸗ Unterrichtsraths ab; aus dem letz eren will Hr. Paul Bert die vier Erzbischöfe oder Bischöfe, die beiden Vertreter der pro⸗ testantischen Bekenntnisse, den Vertreter des israelitischen Kon⸗ sistoriums, sowie die Repräsentanten der Armee, Marine, des obersten Gerichtshofs und andere Körperschaften, deren Stimme und namentlich deren Einfluß jenen der Fachmänner erdrückt, entfernt wissen.
Spanien. Madrid, 23. März. (W. T. B.) Der Pap st hat ein Breve hierher gelangen lassen, in welchem er gegen den Artikel 11 des Verfassungsentwurfs, welcher der Toleranz in Religionssachen die Form des öffent⸗ lichen Rechts verleiht, protestirt und behauptet, derselbe verletze die Rechte der katholischen Kirche und annullire das Konkordat.
Italien. Rom, 17. März. Der „Allg. Ztg.“ wird geschrieben: Die administrativen Wahlen beschäftigen den Klerikalismus immer mehr. Heute wird von seinen Organen den Katholiken Italiens kund gethan: „daß die Theilnahme an diesen Wahlen nicht nur erlaubt und wünschenswerth, sondern auch durchaus nothwendig sei, und das Alles im Hinblick auf die Zukunft. „Es ist die Ueberzeugung der Verständigsten un⸗ ter denen, die sich um die politsche Entwickelung unserer Halh⸗ insel interessiren: daß die italienische Revolution, wann immer es sei, aus der gegenwärtigen Phase machia⸗ vellistischr Heuchelei zur härtesten Verfolgung über⸗ gehen wird.. . Welch unberechenbare Wohlthat wäre es da für unser Vaterland, wenn in allen Muniz pien lauter ehren⸗ werthe, weise, konservative Männer säßen! Welcher Vortheil würde daraus der Kirche, den Katholiken, dem Volksgewissen, dem Privateigenthum erwachsen u. s. w.