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— 2B. März. Die eingehenden Mittheilungen, welche der Vize⸗Prãsident des Staatg⸗Ministerinms, Finanz- Mini ster Ca mp⸗ hau sen in der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten über den Finanzabschluß der Finanzverwaltung des preußischen Staats für das Jahr 1875 gemacht hat, sind in ihrem Wortlaut
unter „‚Landtagsangelegenheitenꝰ in der Beilage abgedruckt.
— Nach der vom Reichs⸗Eisenbahnamte veröffent— lichten Rachweisung der Betriebsergebnisse der Eifen⸗ bahnen Deutschlands (exkl. Bayerns) im Monat Fe⸗
bruar d. J. stellt sich: J. Bei den Staatsbahnen:
die Betriebs länge auf
907286. Kilom, gegen Februar 1875 4 463,30 Kilom. — 5,4 Proz; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen im Fe— bruar d. J. auf 20,772. 554 S und pro Kilom. auf 2292 t, d. h. gegen 1875 — 167,198 6 — — 033 Proz. resp. — 142 .
— — 53 Proz.; die Einnahme aus allen Verkel
Ende Februar d. J auf 42219, 828 S6 und pro Kilom. auf 4656 6 gegen 1875 — 61,736 S6 — — 0, Proz. resp. —
— 255 6 — — 5, Proz.
II. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden
Privatbahnen: die
Betriebslänge auf 302395, Kilom.,
gegen 1875 * 1523 Kilom. — 4 5 Proz.; die Ein⸗ nahme aus allen Verkehrszweigen im Februar d. J. auf
8,670,824 c und pro Kilom. auf 2863 S6, gegen 1875 4 189,774 6 — w 2, Proz. resßpß. — — S6 S. — — 2,9 Proz.; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende Februar d. 8 auf 17,863,693 (66 und pro Kilom. auf 5896 S6, daher bis Ende Februar 1876 4 383,088 6 — — 24, Proz. resp. — — 180 6 — — 359 Proz.
Il. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privatbahnen: die Betriebslänge auf 12,256 9 Kilom,, gegen Februar 1875 13922 Kilom. — * 129 Proz.; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen im Monat Februar d. J. auf 22,133,474 6 und pro Kilom. auf 1809 S, gegen Fe⸗ bruar 1875 4 1,465,840 . — 4 7, Proz. resp. — 9] It — — 54. Proz.; die Einnahmen aus allen Verkehrszweigen bis Ende Februar d. J. auf 45,699, 40 S½ und pro Kilom. auf 3734 ½, gegen 1875 4 25777, 010 M. — 4 6, Proz. resp. — — 225 M66 — — 55 Proz.
. Bei den sammtlichen Gisenbahnen: a. die Be— triebslänge auf 24, 33835 Kilom., d. h. gegen Februar 1875 2008, Kilom. — 89 Proz.; die Einnahme aus allen Ver⸗ kehrszweigen im Monat Februar d. J. auf 51, 596,852 S und pro Kilom. auf 2120 S6 gegen Februar 1875 4 1,488, 416 — 4 29 Proz. resp. — — 124 66 — — 55 Proz. Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende Februar d. J. auf 105, 82,761 (6 und pro Kilom. auf 4347 (S, d. h. gegen 1815 * 3 098,862 6 — 4 39 Proz. resp. — — 251 6 — — 53 Proz.
Es stellt sich auf den 83 Bahnen, welche in dem Zeitraum vom 1. Januar 1875 bis Ende Februar 1875 im Betriebe stan— den: die Einnahme aus allen Verkehrszweigen im Februar d. JZ. bei 58 Bahnen höher, bei 25 Bahnen geringer, als in demsel⸗ ben Monat des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilometer im Februar d. J. bei 48 Bahnen höher, bei 35 Bah⸗ nen (darunter 14 Bahnen mit vermehrter Betriebs länge) geringer, als in demselben Monat des Vorjahres; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende Februar d. I' bei 59 Bahnen höher, bei 24 Bahnen geringer, alg in dem— selben Zeitraum des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilom. bis Ende Februar d. J. bei 1 Bahn unverändert, bei 50 Bahnen höher, bei 32 Bahnen (darunter 13 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in demselben Zeitraum des Vor— jahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privat⸗ bahnen (einschließlich der Annaberg Weiperter und Chem— nitz⸗Würschnitzer Eisenbahn) beträgt Ende Februar F. J. das gesammte konzessionirte Anlage ⸗Kapital 1,032,163, 800 Mb, und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist: 3754 91 Kilom., so daß auf je 1 Kilom. 274, 950 0 entfallen.
Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privateisenbahnen Lausschließlich der Uelzen⸗Langwedeler und Peine⸗-Ilseder Eisen⸗ bahn) beträgt das gesammte konzessionirte Anlagekapital 3,223,928, 570 MS und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist: 13,218, z Kilom., so daß auf je 1 Kilom. 243,902 S kommen.
— Die Reichs-⸗Medizinalstatistik tritt am 1. April D. J. ins Leben. An diesem Tage wird nämlich im ganzen Deutschen Reiche eine Aufnahme betreffs der Medizinalpersonen, Apotheker und Heilanstalten stattfinden. Außerdem wird, wie die hiesige klinische Wochenschrift mittheilt, nach den Namen der ärztlichen und pharmaceutischen wissenschaftlichen Vereine gefragt, damit auf Grund dieser Angaben die ge⸗ naueren Nachrichten unmittelbar von den Vereinen einge⸗ Zogen werden können. Da für Preußen den Medizinal⸗ personen die Meldung bei dein Kreisphysikus ihres Niederlassungsortes vorgeschrieben ist, die Apotheken und Heil⸗ anstalten ebenfalls unter Aufsicht des zustndigen Physikus ge⸗ stellt sind, so ist dieser Medizinalbeamte in der Lage, die Fragen Des den Landräthen u. s. w. von dem Königlichen statistischen Bureau unmittelbar zugegangenen Formulars zu beantworten. Diese Fragen bestehen in Zahlen für den ganzen Kreis even⸗ tuell für die Städte mit 5000 und mehr Einwohnern in dem betreffenden Kreise. Die Zahlen haben sich allein auf den Stand vom 1. April 1876 zu beziehen. Von Interesse wird es sein, auf diese Weise auch Zahlen betreffs derjenigen nicht approbirten Personen zu erhalten, welche durch öffentliche Bekanntmachung einen ärztlichen Gewerbebetrieb angekündigt haben. Hinsichtlich des Besttz- wie des Hetriebsverhältniffes der Apotheken werden gewiß zuverlässige Zahlen ermittelt werden, welche bei Regelung der Apothekenfrage von großem Werthe sein werden. Auch für die Vertheilung der Heikanstalten im Deutschen Reiche, deren Umfang und verschiedenen Zweck werden zum ersten Male sichere Zahlen festgestellt werben.
— Die am 14. d. Mts. begonnenen Konferenzen des Ju stiz⸗Ministe rs mit höheren Justizbeamten über wichtigere Gegenstände des Strafverfahrens und der Organisation der Sitrafgerichte haben am 27. d. Mts. ihr Ende erreicht. Sie bil⸗ deten den J, von Ministerial⸗Berathungen über die zu den Entwürfen der Gerichts uerfassung und der Strafprozeßord⸗ nung von, der Reichs-Justzkommission gefaßten Beschlüsse, welche bereits im Laufe des norigen Monats begannen. Der
Justiz· Minister, rhelcher die Konferenzen leitete, wie auch einzelne
Mitglieder des Jusi z⸗Ministeriums, welche denselben beiwohnten, enthielten sich jeder Möeinungsäußerung. Veim Schlusse der Konferenz hob der Justiz⸗Minsster hervor: Den Konferenzmitgliedern gebühre Ebhafter Dank für das große Interesse, welches sie der Sache Lewidmet hätten, für das eingehende Studsum, welches von
ihnen dem Gesetzgebungsmaterial, insbesondere aber den betreffenden Protokollen der Reichs ⸗Juftizkommifsion ge⸗ widmet sei; ohne diese letztere Voraussetzung würde eine ebenso präzise als erschöpfende Erörterung der Sache, wie sie stattgefunden habe, nicht möglich gewesen sein; als ein erfreuliches Ergebniß der Koͤnferenzverhandlungen sei zu bezeichnen, daß eine große Reihe von Fragen, und unter diesen sehr wichtige, von sämmtlichen Konferenzmitgliedern in gleichem Sinne beantwortet sei.
— Der dem Hause der Abgeordneten vorgelegte Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Uebertragung der Eigen⸗ thums⸗ und sonstigen Rechte des Staates an Eisen bahnen auf das Deutsche Reich, den wir nebst den Motiven in der gestrigen Ersten Beilage veröffentlicht haben, wird auch als Separatabdruck ausgegeben werden und als
vrszweigen bis solcher in den nächsten Tagen durch die Expedition des Reichs⸗
und Staats⸗Anzeigers zu beziehen sein.
— Der dem Hause der Abgeordneten vorgelegte Gesetzent⸗ wurf, betreffend den Ankauf und Ausbau der Bahn⸗ strecken Halle⸗-Cassel und Nordhausen-Nixei, ist nach den Motipen dadurch veranlaßt, daß sich für die Strecke Calbe⸗Nordhausen der Berlin⸗Wetzlarer Bahn die Linie nach Ascherslehen und durch das Selkethal über das Sochplateau des Harzes bei Stolberg als unpraktisch erwiesen und deshalb die Führung der Bahn über Sandersleben, Wippra und Lenge⸗ felde nach Roßla, Station der Halle⸗Casseler Bahn, und von
Roßla längs der letzteren nach Nordhausen in Betracht ge⸗
zogen ist.
Die Baukosten dieses Stücks der Berlin⸗Wetzlarer Bahn einschließlich der Strecke Nordhausen⸗Dingelstedt sind auf rund 39, 900, 000 6 veranschlagt worden. Bon dem Bau dieses Bahntheils ausschließlich des Schlußstücks vor Dingelstedt kann jedoch Abstand genommen werden, wenn die Bahnstrecke Sandersleben⸗Nordhausen⸗ Leinefelde für die Zwecke der Berlin⸗Wetzlarer Bahn mitbenutzt, zu diesem Zwecke die Halle⸗ Casseler Bahn für den Staat angekauft und die Bahnstrecke Sandersleben⸗Sangerhausen (Blankenhein) für Rechnung des Staats hergestellt wird. „Für den Staat erwächst hieraus zwar keine wefentliche Geldersparniß am Anlage⸗ kapital. Da indeß bei dem Bau einer zweiten Bahn auf der⸗ selben Strecke die in beiden Bahnen angelegten Kapitalien in Höhe von etwa 69 Millionen Mark verzinst werden müßten, so ist bei einer Mitbenutzung der betreffenden Bahnstrecke und Unterlassung eines Parallelbaus bei fast gleichem Verkehr nicht viel über die Hälfte dieses Betrages zu verzinsen — ein Um— stand, welcher für den Staat umsomehr in die Waagschale fällt, als er die Zinsgarantie für das auf die Halle⸗Casseler Bahn verwendete Kapital übernommen hat und 'ssomit eventuell für die Verzinfung des in beide Bahnen angelegten Kapitals einzu⸗ stehen haben würde.
Wenn hiernach der Ankauf der Halle⸗Casseler Bahn schon deshalb sich empfiehlt, um die Aufwendung doppelten Kapitals zu vermeiden, so kommt noch hinzu, daß der Staat als Besitz er verschiedener größerer Eisenbahnstraßen auch sonst ein sehr er⸗ hebliches Interesse hat, über die Halle⸗Casseler Bahn und speziell deren Theilstrecke Nordhausen Halle verfügen zu können. Für den Fall nämlich, daß der Staat nach Maßgabe der dem Landtage gemachten Vorlage mit dem 1. Januar 1877 die dauernde Ver—= waltung ber Halle⸗Sorau⸗Gubener Bahn übernimmt, würde derselbe durch den Erwerh von Halle⸗Nordhausen und Nordhausen⸗Nixei das Mittelglied zwischen den westlich sich anschließenden Staatsbahnlinien Saarbrücken⸗Frankfurt a. M.⸗Nordhausen, Trier⸗Coblenz⸗Wetz⸗ lar⸗Nordhausen, Oberhausen⸗Dortmund⸗Godelheim⸗Rordhausen und Bremen⸗Hannover⸗Nordhausen einerseits und den östlich anstoßenden, der Staatsverwaltung unterstehenden Strecken Sorau⸗Breslau u. s. f. gewinnen und hiermit über die den Ver— kehr zwischen dem Südosten und dem Westen Deutschlands mehr oder weniger beherrschenden Verkehrsstraßen gebieten. Eine der— artige Machtstellung würde die Staatsregierung in die Lage versetzen, sowohl das öffentliche Verkehrsinteresse nach allen Seiten hin unbehindert zu fördern, als auch den Staatsbahn— linien, im Besonderen den Strecken Halle⸗-Cassel und Halle⸗ Sorau⸗Guben die berechtigte Theilnahme an dem Verkehre zu sichern. Wird aber die Halle-Casseler Bahn für den Staat (r. worben, so kann andererseits die zwischen dieser und den Han— noverschen Staatsbahnen eingeschlossene kurze Strecke Nord— hausen⸗Nixei vom Ankauf nicht ausgeschlossen werden!. (S. auch unter Gewerbe und Handel.)
— Der Eyvangelische Ober-Kirchenrath hat es in einem Spezialfall für unbedenklich erachtet, daß gegenwärtig die Sintragung eines Todesfalls allgemein für das Kirchen⸗ buch dersenigen Parochie zu bestimmen, in der die Beerdigung vollzogen ist. Bürgerliche Rechtsverhältnisse hängen von dieser Eintragung nicht mehr ab, auch in kirchlicher Beziehung werde auf dieselbe nur in den seltensten Fällen zurückgegangen werden müssen, namentlich die Ausstellung eines Kirchenbuch⸗Zeugnisses darüber kaum je in Frage kommen. Die Gründe, welche früher dafür sprachen, die Eintragung des Todegfalls und die Aus— stellung des Todtenscheines an den Pfarrer des Domizils zu ver⸗ weisen, seien somit saͤmmtlich in Wegfall gekommen und genüge es vollständig, wenn demselben bei auswärts vorgekommenen Beerdigungen von dem diese vornehmenden Pfarrer eine Benach⸗ richtigung zukommt, die er als solche im Kirchenbuche vermerke—
— Der nicht verhaftete Angeklagte ist gesetzlich zu den Au dienzterminen in erster und zweiter Instanz persön⸗ lich zu laden. Die Insinuirung der Vorladung des Ange⸗ klagten hingegen an den von ihm gewählten Vertheidiger mit
dem Auftrage, sie seinem Klienten zu behändigen, ist unzu reichend, und „der Angeklagte hat nicht nöthig, eine derartige Ladung zu berücksichtigen. Erkenntniß des Ober- Tribunals;
Senats für Strafsachen, vom 2. März d. J.
— Nach 5. 122 des Reichs⸗Strafgesetzbuches werden Ge⸗ fangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit Beaufsichtigung Beauftragten angreifen, denselben Widerstand leisten, oder ez unternehmen, sie zu Handlungen oder Unterlassungen zu nöthigen, wegen Meu⸗ terei mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft. In Beziehung auf diese Bestimmung hat das Ober-Tribungl in einem Erkenntniß vom 8. März d. J. entschieden, daß auch die passive Betheiligung eines Gefangenen an der Meuterei, in⸗ dem er nur den Zusammenrottenden sich anschließt, dagegen per⸗
sönlich die Anstaltsbeamten nicht angreift, als Meuterei zu be⸗ strafen ist.
Magdeburg, 26. März. (Magd. 3tg. Der Städte⸗ tag der Provinz Sachsen und des Herzogthums Anhalt wird in der Osterwoche hier tagen, nachdem fast alle Städte ihre Be⸗
theiligung bereitwilligst erklärt haben.
Viesbaden, 24. März. (Rheinischer Kurier.) Gestern ist sowohl dem Vorstande des altkatholischen Vereins dahier, wie dem hiesigen katholischen Stadtpfarrer, Geistlichen Rath Wenland, folgender Erlaß der Königlichen Regierung, Abtheilung für Kirchen⸗ und Schulsachen, insinuirt worden:
„Mittels des Erlasses des Herrn Qber -Präsidenten vom 17. d. M. ist uns Folgendes eröffnet worden: Die Ober · Prãsidialentscheidung vom 30. Drzember v. J., wodurch der altkatholischen Gemeinschaft hierselbst auf Grund des Gesetzes vom 4. Juli 1875 der Mitgebrauch der hiesigen katholischen Kirche eingeräumt worden sei, werde, wie aus der Beschwerde des Stadtpfarrers Weyland und Genossen vom 15 v. M. zu ersehen sei, unter Anderem auch um dessenwillen angefochten, weil der altkatholische Verein dahier nicht ausdrücklich als kirchlich organisitt anerkannt worden sei in dem Sinne, wie es §. 5 des eitirten Gesetzes als Voranssetzuag fordere. In dem jener Ent⸗ scheidung zu Grunde liegenden Gesuche sei unter Vorlegung der Statuten und des Mitgliederverzeichnisses der gewählte und konstituirte Vereinsvorstand aufgetreten und habe im Näheren dargelegt, wie der Verein mittelst des erlangten Zugeständnisses eines Mitgebrauchs der evangelischen Kirche und mittelst eines Uebereinkommiens mit auswärtigen altkatholischen Pfarrern die den Verhãält⸗ nissen entsprechenden gottesdienstlichen Einrichtungen getroffen habe. Der Herr Bischof Reinkens habe gleichzeitig bekundet, daß die kirchliche Organisation sowohl von ihm, wie von der' altkatholi⸗ schen Synode anerkannt worden sei. Die Angaben Tes Vereins über seine kirchliche Organisation seien von der Königlichen Regierung bestätigt und in den Verhandlungen über daz Gesuch von keiner Seite bestritten worden. Die Eingangs erwähnte Entscheidung be⸗ ruhe hiernach, indem sie ker altkatholischen Gemeinschaft hierselbst die nach §. 3 des Gesetzes vom 4. Juli v. J. zuständigen Rechte einräume, auf der Annahme, daß die nach §. 5 des Gesetzes vor⸗ geschriebene Voraussetzung kirchlicher Organisation des Vereins vor handen sei, und gehe von dieser Anerkennung aus, ohne sie aus drück⸗ lich auszusprechen. Um jeden Zweifel zu beseitigen, wolle der Herr Ober -Präsident daher — ergänzend zu der Verfügung vom 39. De— zember v. J. — seinerseits die Anerkennung des altkatholischen Ver⸗ eins hierselbst als einer kirchlich organisirten Gemeinschaft hierdurch ausdrücklich aussprechen.“
Bahern. München, 25. März. Der Könif hat durch Allerhöchstes Handschreiben den Rittmeister, Herzog Maxi⸗ milian Emanuel in Bayern, à la suité des ersten Ulanen⸗ Regiments, zum Major à la zuite des genannten Regiments be⸗ fördert. — In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 11. d., bei der Berathung der Gehaltsfragen, hatte der Königliche Staats-Minister von Berr erklärt: daß die Staats⸗ regierung die Frage der Pragmatik wie die eines Pensiong⸗ und Disziplinargesetzes näher zu erwägen habe, und daß das Resul⸗ tat dieser Erwägung in irgend welcher Form an die Kammer gelangen werde, sei es durch ein Gesetz oder die Erklärung, daß die Staatsregierung glaube, daß es unmöglich sei. Wie die „Allg. Ztg.“ nun vernimmt, will man in der Kammer der Reich sraäthe diese angekündigten Regierungsvorlagen abwarten und dann erst über die Beschlüsse der andern Kammer in Betreff der Gehaltsfragen in Berathung treten. — Der Bericht des Finanzausschusses der Kammer der Abgeordneten über den Voranschlag der Staatsausgaben auf die Etats im Geschäftskreise des Königlichen Staats⸗Ministeriums des Innern für ein Jahr der XIII. Finanzperiode wurde heute autographirt ausgegeben. Der Berechnung der Ziffern bei den Etatspositionen für pragmatische Beamten gehalte ist der Be⸗ schluß der Kammer vom 11. März d. J. zu Grunde gelegt. Es wird hierbei beantragt: Es sei an Se. Majestät den König die Bitte zu richten: 1) den im Geschäftskreise des Königlichen Staats⸗ Ministeriums des Innern pragmatisch angestellten Beamten die nach der Etatsfeststellung sich ergebende Gehaltsmehrung den⸗ selben in pragmatischer Eigenschaft gewähren zu wollen; 2) zu veranlassen, daß die in den Etats der Civil⸗Ministerien vor⸗ gesehene Erhöhung der Funltionsbezüge des nicht stabilen Per⸗ sonals in so weit zu cessiren hat, als die Anrechnung dieser Erhöhung den ganzen oder theilweisen Einzug der Militär⸗ pension des Betheiligten zur Folge hat.
— 27. März. (W. T. B. Die Abgeordneten kammer erledigte im weiteren Fortgang der Sitzung die Petitionen mehrerer Gemeinden in Betreff der Errichtung von Schulen nach den von der Kommission gestellten Anträgen. Zu lebhaften Debatten führte namentlich die bezügliche Petition der Gemeinde Palling, wobei auch die Linke gegen den Kommissionsantrag stimmte. Die nächste Sitzung findet am Mittwoch statt.
Sachsen. Dresden, 27. März. Bei Ihren Ma jestäten fand gestern Abend im Königlichen Schlosse eine Theatervorstel⸗ lung statt, in welcher die Darstellung lebender Bilder vom 12. März zur Wiederholung gelangte. — Die Erste Kammer bewilligte in der heute abgehaltenen Sitzung mehrere Positionen des außerordentlichen Budgets, Verstärkung des Transportmittel⸗ Parkes, Umbau von Bahnhöfen, Vermehrung der Weichen und Geleisanlagen betreffend, in der von der Deputation in Ueber⸗ eiüͤstimmung mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer vorge⸗ schlagenen Höhe und erledigte einige damit zufammenhängende Petitionen. Eine erheblichere Debatte entspann sich nur bei einer Position, bei deren Berathung von einer Seite die Differen⸗ tialtarife einer scharfen Kritik unterzogen wurden; an dieser Debatte betheiligten sich ferner Stagts-Minister Frhr. v. Friesen, Kammerherr v. Erdmannsdorff und Ober ⸗Bürgermeister Dr. André. — Die Zweite Kammer erklärte sich mit der Art der Ver= wendung des Kasernenbagu⸗Vorschuß fonds und mit der Rückzahlung des Restbestandes desselben in Höhe von 241,514 Thlr. 18 Sgr. 7 Pf. einverstanden, und trat sodann ein in die allgemeine Vorberathung über den Antrag der Abgg. Krause und Dr. Pfeiffer auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs wegen Einführung des öffentlichen Verfahrens in Ver- waltungsstraffachen in allen kollegialisch besetzten Instanzen. Die Abgg. Krause, Schreck und Vize-Präsident Streit sprachen für diesen Antrag, wogegen die Abgg. v. Hausen und v. Ehren⸗ stein denselben bekämpften. Staats⸗Minister v. Nostitz⸗Wallwitz bezweifelte die Opportunität des Antrags vor der Einführung der deutschen Civil-Prozeßordnung. Die Kammer be schloß, den Antrag zur Hauptvorberathung zu stellen.
Württemberg. Stuttgart, 24. März. Der Herzog Nikolaus von Württemberg ist gestern Abend zum Be⸗ suche der Königlichen Familie hier eingetroffen und bei seinem Schwager und Neffen, dem Herzog Eugen von Württemberg, abgestiegen.
Oldenburg. Oldenburg, 24. März. Der Staats—⸗ Minister v. Berg wird am 22. Äugust d. J. den 25. Jahres⸗ tag seiner ministeriellen Wirksamnkeit feiern.
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Oesterreich ⸗ Ungarn. ien, 26. März. „Die katholisch⸗konservative Partei in Beutschland und die orienta⸗ lische Frage“ betitelt sich die soebem erschienene Broschüre eines „Oesterreichischen Katholiken“, die ein en bemerkenswerthen Beitrag
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zu dem Streite zwischen den hiesigen und den Berliner ultramon— tanen Blättern über die beste Nutzbarmachung des todten österrei⸗ chischen Volkskapitals“ liefert. Zweck dieser Veröffentlichung ist, den von deutschen Ultramontanen, namentlich jüngst von Herrn Jörg, in den „historisch⸗politischen Blättern“ betriebenen Speku⸗ lationen, auf den Abbruch des nach Zertrümmerung des türkischen Reichs äberflüssig werdenden sösterreichischen An⸗ baues“ entgegenzutreten. Die „Presse⸗ sagt darüber u. A.: Aktenmäßig liegen die Schuldbeweise vor, aus welchem der Verfasser seine fulminante Anklageschrift gegen den deutschen ULltramontanismus aufgebaut hat; er plaidirt auf „Hoch verrath an dem Sittengesetz und revolutionäre Gesinnung.“ Dieser erste Vorwurf, von einem österreichischen Uõltramontanen dem Berliner Centrum und den Propheten der süddeutschen Klerkkalen ins Gesicht geschleudert, ist gewiß höchst bemerkenswerth, und die feier⸗ liche Kriegserklärung, die ihm ausdrücklich angehängt wird, macht die Schrift zu einem politischen ESreigniß.“
— Die Gemeindevertretung von Innsbruck hat einen sehr entschieden gehaltenen Protest gegen das Vorgehen der klerikalen Mehrheit des Tiroler Landtags beschlossen; die Haupt⸗ wortführer der letzteren befinden sich zur Zeit in Rom.
Schweiz. Bern, 25. März. (N. Zürch. Ztg.) De Nationalrath genehmigte in der Schlußabstimmung das Forstpolizeigesetz mit 68 gegen 3 Stimmen. Der Stände rath überließ die Anordnung einer Gesammtabstimmung mit 14 gegen 8 dem Präsidium, welches von einer solchen Umgang nahm. Die Frage einer Endabstimmung überhaupt soll im der Junisession grundsätzlich entschieden werden. Darauf wurde die Session der Bundesverfammluͤng geschlossen.
— Der telegraphisch erwähnte Bundesrathsbesch! u ß, he⸗ treffend Ernennung einer Gzpertenko mmission für Prüfung des Standes der Gotthardbahnangelegenheit, lautet folgendermaßen:
I) Zur Untersuchung und Begutachtung der von der Direktion der Gotthardbahn dem Bundesrathe zereichten neuen Pläne und Kostenvoranschläge für die noch zu erstellend ini netzes, ferner zur Prüfung der Kostenübersch Twalbahnen, endlich zur Beleuchtun
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ftragt und er⸗ zuziehen.
orarbeiten begreifen in sich: a. die Prüfung der Nor— malien für Erdarbeiten, Kunstbauten, Oberbau, Hochbauten und Stationen; b. die Prüfung der für Tracirung der Gotthardbahn aufgeftellten Grundsätze und die Tracirung selbst; C. die Prüfung der Einheitspreise und Kostenberechnung, und zwar betreffend Bau⸗ plan und Bauzeiten, Baupersonal und Gehaltsnormen, sowie Kosten der Bauleitung im Allgemeinen, Grunderwerb und Nebenkosten, Ein⸗ heitspreise ꝛc. d. die Prüfung des von der Gosthardbahn, Direktion zu gewärtigenden Berichtes üer Ersparnisse der Reduktion des Bahn— netzes; e. die Prüfung der Nachweise, betreffend Ueberschreitung der Kosten der tessinischen Thalbahnen; f. die Prüfung der Betriebz⸗ ergebnisse der tessinischen Thalbahnen; g. die Prüfung des von der internationalen Konferenz für die ersten 10 Jahre angenommenen Verkehrs an Personen und Gütern, der darauf begründeten Berech—⸗
nung der Einnahmen und endlich der entsprechenden Betriebskosten. ) Die Ergebnisse dieser Prüfungen sind in schriftlichen! Gut— achten mit bestimmten Anträgen niederzulegen, womöglich unter An⸗ deutung der dargus für das Unternehmen der Gotthardbahn sich er— gebenden finanziellen Folgen. Diese Gutachten müssen bis 30. April nächsthin vollendet sein. Nach Erstattung dieser Berichte treten die beiden Kommissionsabtheilungen unter dem Vorsitze des Vorstandes des Eisenbahn⸗ und Handeledepartements zur Berathäang zusammen,
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an welcher auch der Ober-Ingenitur der Getthardbahn theilnehmen wird.
— Am 23. hat der hiesige sozial demokratische Ver—⸗ ein, welcher die Jahresfeier der Pariser FTommune lam letzten Sonntag veranstaltete, beschlossen, gegen die Urheber des dabei vorgekommenen Krawalls bei den Gerichten Klage zu erheben.
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GSroßbritannien und Irland. London, 25. März. Die Gesellschaft zur Unterstützung von hülfs⸗ bedürftigen Ausländern feierte am 22. ihr J70. Jahresfest mit dem üblichen Bankett in der Free— masons Tavern. Der schwedische Gesandte, Baron von Hoch⸗
schild. führte den Vorsitz und Graf von Bylandt, der nieder—
ländische Gesandte, Ritter von Scherzer, Sir Julius Benedict u. a. m. waren zugegen. Den Toast auf die fremden Souveräne und Regierungen und ihre Vertre er brachte der Königliche Rath Cohen aus und erinnerte dabei an das Geburtsfest des Deutschen Kaisers, „des erhabenen Souveräns, der von Freunden wie von Feinden als der ruhmvolle und mürdige Vertreter des Volkes anerkannt wird, über welches er herrscht“' — Ueber die Wirksamkeit der Gesellschaft ist zu berichten, daß im vergangenen Jahre 2790 Personen Unterstützung, insbefondere die Mittel zur Rückkehr in die Heimath erhielten. Aber doch waren die Mittel der Gesellschaft ungenügend. In 225 Fällen mußte Hülfe ver— weigert werden und der Rechnungsabschluß ergab bei Gesammt— ausgaben im Betrage von 38235 Pfd. Sterl. ein Defizit von 211 Pfd. Sterl. Es wurden bei dem Banket 3322 Pfd. Sterl. an Beiträgen gezeichnet, je 100 Pfd. St. von der Königin, dem deutschen Kaiser, dem Kaiser von Oesterreich und dem Könige von Schweden mit eingerechnet.
— 27. März. (W. T. B.) Im Unterhause beant⸗ wortete heute der Kanzler der Schatzkammer, Northeote, die am letzten Freitag von Samuelson bereits angemeldete In terpellation über die von dem Kanzler der Schatzkammer in der Sitzung vom 14 v. M. hinsichtlich der Finanzlage Aegyptens entwickelten Ansichten. Northeote erklärte, seine damals über die finanzielle Lage Aegyptens dargelegten An⸗ schauungen seien auf die ihm von Cave überkommenen Infor— mationen begründet gewesen. Seitdem er nun den vollständigen Bericht des letzteren gesehen habe, habe er keinen Grund, seine vor einigen Wochen entwickelten Meinungen zu modifiziren. Northeote fügte hinzu, der Premier-Minister Disraeli habe, als er, von der unsicheren Lage der ägyptischen Finanzen sprach, keineswegs von Entdeckungen gesprochen, welche durch den Be⸗ richt Cave's gemacht seien, sondern vielmehr von einer Thatsache, die Jedermann vollkommen bekannt gewesen sei, nämlich davon, daß der Khedive Anstrengungen gemacht habe, um Arrangements zu treffen, welche die Urfache der gegenwärtigen üblen Finanz lage verbessern sollen. Der Kanzler schloß seine Rede, indem er erklärte, er selbst sei zwar nicht der Ansicht, daß die Veröffent⸗ lichung des Berichtes Cave's den Interessen des Khedive schaden lönne, jedoch sei die Regierung genöthigt, die Wünsche des Khedive zu berücksichtigen.
— 28. März. (B. T. B.) In der geptrigen Sitzung des Oberhauses zeigte Lord Shaftesbury an, daß er, sobald der Gesetzentwurf uber den neuen Titel der Königin die zweite Lesung passirt habe, den Erlaß einer Adresse an die Königin vorschlagen werde, in welcher dieselbe ersucht werde, statt des Titels „Kaiserin“ lieber einen Titel anzunehmen, der mehr mit der Geschichte des Landes und mit der Loyalität ihrer treuen Unterthanen im Einklang stehe.
Im weiteren Verlauf der Sitzung des Unterhauses kün— digte Campbell für morgen eine Interpellation Disraeli'z darüber an, ob der Khedive sich im Besitz des vertraulichen Berichtes Cavpe's befinde und ob die Regierung diejenigen Theile des Berichts publiziren werde, gegen deren Veröffent⸗ lichung der Khedive nichts einzuwenden habe. Anderson wünschte gleichfalls morgen Disrageli darüber zu interpelliren, ob ein Prä⸗ zedenzfall existire, daß der Souverän sich während der Parlamentssession außer Landes begebe, ob wichtige politische Gründe vorhanden seien, die ein so außergewöhnliches Verfahren rechtfertigten und welche Maßregeln getroffen seien, um während der Abwesenheit der Königin Unzuträglich⸗ keiten im Gange der Staatsgeschäfte fernzuhalten. Auf eine von Hartington an ihn gerichtete Anfrage erwiderte Disraeli, hei dem augenblicklichen Stand der parlamentarischen Angelegenheiten vermöge er einen Tag für die Berathung über die durch die Mission Ca ve's veranlaßten Ausgaben nicht festzusetzen. Falls Hartington ein Tadelsvotum gegen die Re⸗ gierung vorzuschlagen beabsichtige, werde er einen Tag zur Be⸗ rathung bestimmen. Wenn Hartington diese Absicht aber nicht haben sollte, ersuche er ihn, zur Besprechung der von ihm angeregten Frage den Dienstag oder Freitag zu wählen. Auf eine Anfrage Barclay's erklärte der
Premier, er erachte es nicht für oppurtun, die über die Ernen⸗
nung eines Kommissärs für die Aegyptische Nationalbank mit dem Khedive gepflogene Korrespondenz vorzulegen. Endlich erwiderte auf eine Anfrage Gourley's Disraeli, der Prãäsident von Peru habe die Freigebung der Mannschaft des Talis ⸗ man, nicht zugesichert und die Frage der Erhebung von Kom— pensationsforderungen sei den Kronjuristen zur gutachtlichen Aeußerung vorgelegt.
— Der Kanzler der Schatzkammer, Northeote, zeigte in der gestrigen Sitzung des Unterhauses noch an, daß er das Budget am nächsten Montag vorlegen werde.
— Eine Volks versammlung in Leicester hat sich in iner Resolution gegen die Bill wegen Annahme eines neuen Titels durch die Königin ausgesprochen, weil durch dieselbe konstituionelle Schwierigkeiten geschaffen würden. .
Frankreich. Paris, 28. März. (W. T. B.) Das „Journal offieiel“ publizirt ein Dekret, in welchem angekündigt wird, daß man beabsichtige, in Paris demnächst eine inter⸗ nationale Ausstellung zu veranstalten.
— In der Sitzung der Deputirten kammer vom 24. März kam, wie telegraphisch gemeldet, die Wahl des Ritt— meisters Grafen de Mun in Pontipy (Morbihan) zur Dis⸗ kussion. Der erste Redner war der Graf de Mun selbst. Der⸗ selbe bemerkte, daß man gegen seine Wahl den (von der Geist⸗ lichkeit hervorgerufenen) Rücktritt seines Mitbewerbers Cadoul, dem er vollständig fremd sei, und den Druck, den die katgolssche Geistlichkeit auf die Wahl ausgeübt, anrufe, und bestritt der Kammer das Recht, die Gründe aufzusuchen, welche sie bestimmt haben, sich zu Gunsten seiner Kandidatur auszusprechen. Er habe übrigens nur von einem Rechte Gebrauch gemacht, da ihn der heilige Vater ertheilt habe. (Murren links. Ei Bischof sci kein Beamter. (Neues Murren.) Man habe aud noch als Grund gegen die Wahl die Auszeichnung (die Ver leihung des Comthurkreuzes des St. Gregorordens) angeführt, welche ihm der heilige Vater habe zu Theil werden lassen. Er habe das Recht gehabt, den katholischen Bevölkerungen gegenüber sich ein Verdienst daraus zu machen. Der Geistlichkeit sei es erlaubt ge⸗ wesen, seine Wahl zu unterstützen, und sie habe es gethan. Der Bischof von Vannes und die Geistlichkeit hätten ihn unterstützt, diefes
sei wahr und eine Untersuchung sei daher unnöthig, weil sie nichts Neues zu Tage fördern werde. Der Redner verlangte deshalb von der Kammer, daß ste die Untersuchung ablehne und seine Wahl gutheiße. (Lebhafter Beifall rechts; Brisson (Berichterstatter) erkannte an, daß der Graf de Mun aufrichtig zugestanden habe, daß die Geißftlichkeit für ihn eingetreten sei. Der Graf habe von den religisfen Einflüssen gesprochen; besser wäre es gewesen, er hätte von den klerikalen Einflüssen gesprochen. Der Berichterstatter hielt die Untersuchung nach der Rede de Muns noch für nothwendig, da man feststellen müsse, ob die klerikale Partei sich in die täglichen Kämpfe der Politik nach einem Losungswort mische, das sie aus Rom erhalte. Er verlangte die Untersuchung, damit Licht werde. Keller, (der klerikale Deputirte von Belfort) bekämpfte die Unter⸗ suchung und hielt die Religion für angegriffen. Darauf nahm Gambetta das Wort. Er antwortete, daß Niemand die Re⸗ ligion angreife und man sie deshalb nicht zu vertheidigen brauche. »Es war vorauszusehen, daß die Frage, welche uns hier be⸗ schäftigt, zu leidenschaftlichen Erörterungen führen würde, und ich will mich bemühen, sie in ihr wahres Licht zu stellen. Es handelt sich nicht darum, die Religion zu vertheidigen; denn sie wird von Niemand angegriffen noch bedroht. Ebenso wenig handelt es sich darum, Denen, welche eine Wahl anfechten, glühende Anklagen an den Kopf zu werfen und sie als Männer darzustellen, welche den Untergang der Landesgeistlichkeit be⸗ schlossen haben. Es ist genugsam bekannt, daß, wenn wir von der klerikalen Partei sprechen, wir nicht auf die Religion und auf die, welche sie aufrichtigen derzens üben, abzielen. Der Geist, dessen Umsichgreifen wir besorgen, geht nicht von der französischen Geistlichkeit, sondern von Rom aus, und vielleicht giebt es unter den Mitgliedern unseres Klerus viele, die bedauern, daß die von der Monarchie geschaffenen Gesetze gegen die Uebergriffe des Vatikans in Ver⸗ gessenheit gerathen sind und in unserer Mitte keine Vertheidiger haben. Wir ziehen hier nicht gegen die Religion zu Felde, son⸗ dern wollen nur ihre Diener auf ihr Gebiet zurückführen, sie verhindern, die Kanzel in eine politische Rednerbühne zu ver⸗ wandeln, wir wollen der Wahlfreiheit Achtung verschaffen, die den religiösen Meinungen und den klerikalen Leidenschaften fern steht. Die Enquéte richtet sich weniger gegen den gewählten Kandidaten, als gegen seine Beschützer, die für ihn mehr gethan zu haben scheinen, als recht und billig war. Wir wollen nicht die Umstoßung der Wahl, obwohl man sie vorzuziehen scheint, sondern eine Enquöte, nicht einen Akt, der als eine Gewaltthat hinge⸗ stellt werden könnte, sondern die Erforschung der Wahr- heit. (Zustimmung links und im Centrum.) Halte man uns nicht vor — es ist dies das letzte Wort, das ich aus einer böswilligen Anklage hervorheben will — daß, indem wir unsere Politik vertheidigen, wir uns mit der einen
oder anderen europäischen Regierung verbünden oder in Wider⸗ spruch gerathen, das würde nur beweisen, daß Sie gezwungen find, zur Unierstũtzung einer Sache, die von Suropa aufgegeben wird, im Auslande die abscheulichsten und für Ihren Patriotis⸗ mus schimpflichsten Gründe zu suchen'. (Rauschender Beifall links und im Centrum) Der Antrag des Hrn. Keller auf Be⸗ stätigung des Grafen Mun wurde schließlich verworfen und mit 307 gegen 169 Stimmen die Einsetzung einer Enquètekommis⸗ sion beschlossen.
— Die Ansprache, welche der Mini ster des Innern am 24. an die Bürgermeister und Beigeordneten der zwanzig Arrondissements von Paris gerichtet, lautet nach dem Amtsblatte, wie folgt: „Sie wissen, meine Herren, daß die Regierung fest entschlossen ist, der Republik den Sieg zu sichern. Ich zähle vollständig auf Ihren Eifer, ihr zu dienen und ihr Liebe zu verschaffen; ihr zu dienen, indem Sie den die Grund⸗ lagen unserer politischen Organisation bildenden Staatsgesetzen allseitige Achtung sichern; ihr Liebe zu verschaffen, indem Sie dem Lande durch die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Vertheidigung des Wohles Aller Vertrauen geben. Wiederholen Sie, meine Herren, der einsichtsvollen Bevölkerung von Paris, die bei schweren Heimsuchungen so viele Pfänder ihres Patriotismus gegeben und die Sie auf so würdige Weise vertreten, das, was woir vor Allem wollen, nämlich die Gründung einer weisen und voll— ständig konservativen Republik. Es wäre in der That ein Ver⸗ rath an dem die Sicherheit fordernden Lande, an dem Marschall Mac Mahon, der für die Ordnung eingestanden ist; es hieße auch unsere politischen Ueberzeugungen aufgeben, wenn wir uns nicht bestrebten, nach den großen Grundsätzen zu regieren, deren Sicherstellung uns obliegt. Ich bin überzeugt, daß unter der
hohen Leitung des Herrn Präsidenten der Republik wir mit Hülfe aller guten Buͤrger dahin gelangen, die mir anvertraute große und patriotische Aufgabe zu erfüllen.“
— Am 25. gab, nach der „Köln. Ztg.“, der hiesige t der deutsche Bot⸗ r deutschen Kolonie
deutsche Turnverein ein großes Fest, de schafter und viele hervorragende Mitglieder d beiwohnten.
Versailles, 27. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer wurde die Wahl des Bonapartisten Robert Mitchell nach längerer Debatte für gültig, diejenige des Bonapartisten Haentjens dagegen für ungültig erklärt.
Italien. I om, 24. März. Der Ministerwechse wird in den Beziehungen Deutschlands zu Italien keine Ver⸗ änderung herbeiführen. Das Verhältniß zwischen beiden Län— dern wird auch unter dem Ministerium Depretis voraussichtlich ein ebenso freundliches hleiben, wie unter dem Kabinet Minghetti. Nach den neuesten Erklärungen der Organe der Linken würde sich der Anschluß an Deutschland noch inniger, als bisher gestal⸗ ten. Die klerikalen Blätter sind sehr unzufrieden mit dem neuem Kabinet. Die „Voce della Verita“ und andere ultramontane Blätter geben noch immer ihre Freude über den Fall Minghetti's zu erkennen, hoffen aber von dem neuen Ministerium „nichts Besseres“. Die „Unitä cattolica“ behauptet, Depretis werde die Kirchenpolitik Deutschlands nachahmen, ind beweist
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dies durch Veröffentlichung des folgenden Programmg, das Depretis am 19. Oktober 1875 seinen Wählern vorlegte: 1) Aufrechthaltung des Ansehens der Civilgewalt, — 2) energisches Auftreten den klerikalen Anmaßungen gegenüber, — 3) Verwaltung des Kircheneigenthums durch Laien, — 4) Einführung des unentgeltlichen, den Laien anzuvertrauenden, Elementarunterrichts, — 5) Schließen von Bündnissen mit Re— gierungen und Völkern, welche vorzugswese auf dem Wege der Civilisation fortgeschritten sind, — 6) freie, unbeeinflußte Wah⸗ len, — 7) Unterdrückung aller Mißbräuche, 8) Einführung des allgemeinen Stimmrechts, — 9) Säuberung der Deputirten—⸗ kammer von den vielen Beamten, — 10) politische und ad⸗ ministrative Dezentralisation, 11) Wahl der Sindiei durch die Stadtverordneten, — 12) Wahl der Präsidenten der Pro⸗ vinzialkollegien durch deren Mitglieder.
Türkei. (B. T. B) Die Wiener „Politische Korrespondenz“ vom 27. März bestätigt die Nachricht, daß der serbische Minifter des Auswärtigen, und zwar auf Grund sehr energischer Ein⸗ wirkung Oesterreich⸗Ungarns und Rußlands auf die ser bische Regierung an den diplomatischen Agenten Oesterreichs, Fürst Wrede, in offizieller Weise die Erklärung abgegeben habe, die serbische Regierung habe keinerlei Absicht, die Türkei anzugreifen. Die bis jetzt getroffenen militärischen Vorbereitungen feien nur eine Ergänzung der militärischen Organisation Serbiens, we che während der letzten Jahre vernachlässigt worden sei.
— Ein Telegramm des „W. T. B.“ aus Wien vom 27, März, Nachmittags, meldet: Die serbische Regierung hat, wie von bestunterrichteter Seite mitgetheilt wird, offiziell erklärt, daß sie keinerlei Absicht habe, die Türkei anzugreifen und das Pazifikationswerk zu stören. Die von ihr getroffenen militärischen Maßnahmen bezweckten nur die Kompletirung der Organisation.
Rumänien. Bukare st, 28. März. (W. T. B.) Das Amtsblatt veröffentlicht den abgeänderten neuen Zolltarif, welcher mit dem 1. Juli er. in Kraft tritt.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. März. In seinem heutigen Leitartikel untersucht der „Golos“ das Ver⸗ hältniß der beiden zur Wirksamkeit in Asien berufenen Großmächte, und kommt dabei zu folgendem Schlusse: Rußland und England sind keine Nebenbuhler in Central⸗Asien, sie haben gemeinsame Interessen. Kein vernünftiger Mensch denkt in Calcutta an die Möglichkeit eines russischen Ängtiffz auf Ost—⸗ indien. Im Interesse beider Staaten liegt es, den Fanatismus abzukühlen, nicht ihn zu entflammen, die Central⸗Asiaten zu entwaffnen, nicht ihnen Waffen in die Hand zu drücken. Ge⸗ winnt die asiatische Barbarei über die europãische Eivilisation das Uebergewicht, so werden die Engländer ebenso gut aus Indien, wie wir aus Central⸗ Asten heraus gedrängt. Der „Golos“ empfiehlt, wie schon früher, Freundschaft zwischen England und Rußland. Jetzt, wo Ost⸗ Indien einen neuen Vizekönig erhalten, sei die beste Gelegenheit dazu. An dem Tage, wo eine freundschastliche Gesaudischaft vom General⸗Adjutanten Kaufmann an Lord Lytton oder um⸗ gekehrt die Steppen zwischen Taschkent und Peschawer durchzieht, wird der asiatische Muhamedanismus begreifen, daß er es nicht mit zwei einander feindlichen Nationen zu thun hat, sondern mit einer europäischen Macht, die nur aus zwei befreundeten Reprä⸗ sentanten, Rußland und England, sich zusammensetzt. Der „Golos. hofft, daß die Interpellation Cochrane's in diesem Sinne beantwortet werden wird.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 24. Mätz. l Professor Friederichs aus Heidelberg, welcher zur Kor sultation