Berlin, 28. März. Ihre Kaiserlichen und sönig⸗ lichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin empfingen gestern früh um 6 Uhr den Herzog von Edinburgh, Königliche Hoheit, nuf dem Ostbahnhof und begleiteten ö. ö denselben um 86 Uhr nach dem Anhalter Bahnhof, von wo Derselbe Seine Reise fortsetzte.
Um 91 Uhr Vormittags begab Sich Se. staiserliche und Königliche Hoheit zu den Compagniebesichtigungen des Garde⸗ Füstlier⸗ Regiments. Um 12 Uhr empfing Höchstderselbe mili⸗ tärische Meldungen und um 31 Uhr Nachmittags den General von Willisen. Um 5 Uhr nahmen Ihre Majestäten und die badischen Herrschaften das Diner mit Ihren Kaiserlichen Hoheiten. Von 7 Uhr ab wohnte Se. Kaiserliche Hoheit der Vor⸗ stellung im Residenz⸗Theater und von 85 Uhr ab der Vorstellung im Opernhaus bei.
— In der heutigen G6.) Sitzung des Hauses der Ab— geordneten, welcher der Minister des Innern Graf zu Eulenburg und der Handels⸗Minister Pr. Achenbach mit mehreren Kommissarien beiwohnten, wurden nach einigen geschäftlichen Mittheilungen des Präsidenten eine große Anzahl von Petitionen auf Antrag der betreffenden Kommissionen zur Er⸗ örterung im Plenum für ungeeignet erklärt. Es folgte der Bericht der Spezial kommission zur Untersuchung des Eisenbahnkonzef⸗ sionswesens. Hierzu beantragten die Abgg. Dr. Lasker und v. Köller
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
Indem es von dem Bericht der „Spezialkommisfion zur Unter⸗ suchung des Eisenbahnkonzessionswesens“ von den in demselben dar— gestellten Mißständen und den hieran sich anschließenden Vorschlägen Kenntniß nimmt:
J. in Betreff des Eisenbahnkonzessionswesens und des Eisenbahn⸗ baues a. die Eiwartung auszusprechen, daß die Königliche Staatsregie⸗ rung darauf Bedacht nehmen werde, den Mißständen, welche beim Privat⸗ eisenbahnbau wahrgenommen und in Folge von Scheinmanipulationen und Umgehungen des Gesetzes ermöglicht worden sind, mit den Mitteln der den Staatsbehörden anvertrauten Konzessionsbefugniß und Auf— sicht über den Eisenbahnbau entgegenzutrelen; b. von weiteren Be— schlüssen aber mit Rückstcht darauf, daß die von der Königlichen Staatsregierung eingebrachten und angekündigten Gesetzesvorlagen die Erörterung der in dem Bericht dargelegten Gesichts— punkte in Augsicht stellen, zur Zeit Abstand zu nehmen;
II. in Betreff des Aktienwesens die Königliche Staatsregierung aufzufordern, dahin zu wirken, daß die Reform der Gefetze über das Aktienwesen im Sinne a. eines besseren Schutzes aller im öffent lichen Interesse gegebenen Gesetzesvorschriften; b. der verstärkten Ver— antwortlichkeit aller bei Gründung, Leitung und Beaufsichtigung des Unternehmens betheiligten Personen; J. einer selbständigeren und wirksameren Kontrole über die Verwaltung; d. der leichteren Ver⸗ folgbarkeit der Uebertretungen der im öffentlichen Interesse gegebenen Vorschriften,
durch die Reichsgesetzgebung baldigst in Angriff genommen werde.
Zunächst ergriff das Wort der Abg. v. Köller und führte aus, daß auf Grund der Königlichen Botschaft der vorliegende Bericht nicht eine Sammlung pikanter Enthüllungen, sondern die Klarstellung der durch das System Strousberg hervorgerufe⸗ nen Mißstände enthalte, und daß die Direktive für die Korrektur in demselben gegeben sei. Nachdem der Abg. v. Tempelhoff ge⸗ sprochen, nahm beim Schlusse des Blattes das Wort Abg. Dr. Lasker.
— Nach einer Bekanntmachung des Verwaltungsrathes der Berlin⸗Anhaltischen Sisenbahn⸗Gesellschaft ist auf den 28. April er. eine außerordentliche Generalversamm⸗ lung berufen worden, welche unter Anderem über einen Antrag der Gesellschafts vorstände berathen und beschließen soll, der die eventuelle Uebernahme des Betriebes der Berlin⸗-Dres dener Eisenbahn durch die Berlin-Anhaltische Eisenbahngesellschaft betrifft,.
Dieses Vsrhaben erscheint befremdend, da das Staats— Ministerium bereits darüber schlüssig geworden ist, einem solchen Antrage die Genehmigung zu verfagen.
— Bei Ausführung des Gesetzes vom 31. Mai v. J. hat sich niehrfach die Nothwendigkeit ergeben, die für die Auf⸗ lösung der klösterlichen Niederlassungen vorgesehene sechsmonatliche Auflösungsfrist gemäß §. 1 Abs. 3 zu verlän⸗ gern, um für den Ersatz der von ihnen bisher geübten Unter⸗ richts und Erziehungsthätigkeit durch entsprechende Einrichtun⸗ gen Zeit zu lassen und eine anderweite Unterbringung der Kinder zu ermöglichen. So lange diese Fristen laufen und die von den Genos⸗ senschaften geleiteten Lehr⸗ und Erziehungsanstalten fortbestehen, er⸗ scheint es nicht angänglich, die Aufnahme neuer Zöglinge ohne Weiteres zu verbseten. Um indeß zu verhüten, daß aus der⸗ artigen Vorkommnissen nicht künftig ein Grund zu ferneren An— trägen wegen Verlängerung des Auflösungstermins entnommen wird, hat der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten den ber Prãsidenten empfohlen, dafür Sorge zu tragen, daß die Angehörigen der betreffenden Kinder von der bevorftehenden Auflösung jener Anstalten sofort, in künftigen Fällen aber noch thunlichst vor der Aufnahme Kenntniß erhalten.
— Die Verwaltung der Königlichen Staatsarchive hat für die nächsten Jahre folgende historische r gr nen in Aussicht genommen: I) die preußische auswärtige Politit von 1813 bis 1815; 2) Preußen und die katholische Kirche im 18. Jahrhundert; 3) Preußische Gesandtschafts berichte aus Paris in den Jahren 1774 — 1794; Hh Hannöversche Politik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts; 5) Briefwechsel des Landgrafen Philipp des Großmüthigen von Hessen mit Bucer; 6) Gegenreformatoren in Wefstfalen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts; 7) Aelteste Grodbücher Großpolens. Die ersten Bände sollen, der Nat. Ztg.“ zufolge, schon im nächsten Herbste bei Mittler und Sohn hierselbst erscheinen.
. Nach 5§. 247 des Str. G. B. ist der Diebstahl gegen einen Erzieher nur auf Antrag zu verfolgen. Unter Erzieher sind, wie das Ober⸗Tribunal in Beziehung auf jene Straf⸗ bestimmung in einem Erkenntniß vom J. März d. J. bemerkt, nur solche Personen zu verstehen, welche den Zögling in seiner allgemeinen geistigen und sittlichen Entwickelung überwachen, da⸗ gegen ist dieser Begriff nicht auf Personen auszudehnen, welche irgend eine Unterweifung in einer Kunst, Wissenschaft oder Fertigkeit ertheilen und gleichzeitig den Schüler gegen Bezahlung beköstigen.
— Der von einem Brennereibesitzer eingesetzte Verwalter der Brennerei ist, nach einem Grkenntniß des OberTri— bunals, Senat für Strafsachen, vom 2. März d. J., für Handlungen resp. Unterlassungen, durch welche er bei Gelegen⸗ heit des von ihm vertretungsweise betriebenen Gewerbes die Steuergesetze verletzt hat, in erster Reihe verantwortlich.
— Der spanische Gesandte in St. Petersburg, Marguis de Bedmar, traf heute früh auf der Durchreise nach Madrid hier ein und reiste Mittags weiter.
Ehensowenig aber vermaz aus 8§. 51 des allerhöchsten Landtags⸗
Der Thierargzt Hol st zu Goldberg ist zum kommissari⸗ schen Kreisthierarzt für die Kreise Steinau und Wohlau, unter Anweisung der Stadt Steinau zu amtlichem Wohnsitz, und der kommissarische Kreisthierarzt Klingmülter zu Nimptsch zum , n Kreisthierarzt des Kreises Strehlen ernannt worden.
Bayern. München, 27. März. Der König hat heute Nachmittag im Thronsaale des Königsbaues dem englischen Geschäfts träger Sir D. Morier Abschiedsaudienz ertheilt, den neuernannten italienischen Gesandten Grafen Rati⸗Opizzoni empfangen und dem Bischof von Passau, Franz Joseph Weckert, in herkömmlicher feierlicher Weise den Eid abgenommen. Hierauf fand im Wintergarten Königliche Ho ftaf el statt. — Bezüglich einer Resolution, welche die katholischen Volksvereine in Kitzingen und in Würz⸗ burg gefaßt, haben sämmtliche Staats⸗Minifter wegen Beleidi⸗ gung Strafantrag stellen lassen. Hiemit in Zusammenhang steht die bereits erwähnte Hausdurchfuchung in der Wohnung des Hrn. Abg. Dr. Rittler zu Würzburg und die Versiegelung eines Schreibsekretärs daselbst. Gegen dieses, in seiner Ab—= wesenheit beim Landtag vorgenommene Verfahren hat Hr. Dr. 8 dem Bezirksgerichte Würzburg eine Beschwerde ein— gereicht.
Die Rede, mit welcher der Ju stiz⸗Minister Dr. von Fäustle in der Sitzung vom 27. d. M. die vom Abg. Dr. Schüttinger gestellte Interpellation, betreffend die Verbindung eines Reichsamtes mit einem bayerischen Staatsamte, beantwortete, lautete nach der „Allg. Ztg.“ wörtlich wie folgt:
„Auf die in der Sitzung vom 3.1 Mig. verlesene Interpellation des Hrn. Abg. Dr. Schütktinger, betreffend die Ernennung von Richter beamten zu Bankkommissarlen, habe ich die Ehre, Folgendes zu er⸗ widern: Auf Grund des Reichsbankgesetzes vom 14. Marz 1875 sind außerhalh des Hauptsitzes der Bank an größeren Plätzen ent⸗ weder Reichsbankhauptstellen oder Reichsbankstellen errichtet worden. Den Reichebankhauptstellen ist gemäß 5. 36 des Reichsbanktgesetzes ein von Sr. Majestät dem Kaifer ernannter Bankkommissarius beigegeben, und in ähnlicher Weise sind auch die Reichsbankstellen organifirt. Rücksichtlich der Frage nun, wer zur Ausübung der Funktion eines Bankkommissarius oder Justitiarius ernannt werden könne. hat weder das Reichsgesetz noch die sich hieran anschließende Verordnung vom 19. Dezember 1575 eine Verfũgung getroffen. Bei bem Mangel irgendwelcher beschränkenden oder eine Ausnahme statuirenden Bestimmung ist es daher nach Lage des Reichsrechtes zweifellos zulässig, zur Bekleidung einer solchen Funktion Beamte der einzelnen Bundesstaaten zu be⸗ rufen. Der Wahl von bayerischen Beamten zu Kommis⸗ sarien der in Bayern errichteten Reichsbankstellen steht auch kein im Landesrecht begründetes Hinderniß entgegen. Der 8§. 21 der IX. Ver— fassungsbeilage kann nicht zur Begründung einer gegentheiligen Ansicht in Bezug genommen werden; denn der 1. Abs. dieser Gesetzesstelle behandelt nur die Ausschließung der aktiven Staatédiener von der Ausübung der streng bürgerlichen Gewerbe, von der Führung einer Bank oder ähnlichen Anstalt oder dem persönlichen Betrieb einer Fabrik — lauter Verhältnisse, welche in dem vorliegenden Falle gar nicht in Frage stehen — und ebenso spricht der 3. Abs. der eben erwähnten Gesetzesstelle nur von zulässigen Privatverhältnissen“, kann also da keine Anwendung finden, wo es sich, wie hier, um die Ausübung einer staatlichen Funktion handelt.
abschiedö; vom 28. April 1377 ein Hinderniß abgeleitet zu werden. Vor Allem kann die auf das Reichsgesetz sich gründende Funktion eines Bankkommissarius offenbar nicht zu jenen Neben⸗ geschäften gerechnet werden, deren Uebernahme durch Staats⸗ diener in jenem Landtagsabschied als unzulässig bezeichnet ist. Sodann ist dort selbst sogar noch ein ausdruͤcklicher Vor⸗ behalt von dem ausgesprochenen Verbot bezüglich aller jener Funktionen gemacht, welche auf Grund der Satzungen solcher Unternehmungen, bei denen das staatliche Interesse betheiligt ist, von der Staatsregie⸗ rung an Staatsdiener übertragen werden. Daß aber bei der Reichs⸗ bank ein Interesse der deutschen Bundesstagten, somit auch Bayerns, pbetheiligt ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. Es genügt, in dieser Beziehung auf die einschlägigen Bestimmun⸗ gen des Bankgesetzes zu rxerweisen und ein Kürze daran zu erinnern daß die Reichsbank ein unter Aufsicht und Leitung des Reiches stehendes Institut ist (8. 12 des Reichggesetzes); daß sie verpflichtet ist, ohne Entgelt Kassengeschäfte für das Reich zu besorgen, und berechtigt ist, solche Geschäfte auch für die Bundez— staaten zu übernehmen (8. 27 des Reichsges.) Kann nun aber hie⸗ nach ein rechtliches Hinderniß der Uebernahme der hier in Rede stehen⸗ den Funktionen durch Landesbeamte nicht als gegeben erachtet, muß deren Bekleidung durch solche Beamte vielmehr als mit dem Gesetz im Einklang angesehen werden, so besteht ein Grund zur Versagung der Uebernahme einer solchen Funktion um so weniger, als auch schon in anderen Zweigen der Verwaltung die Besorgung von Ge⸗— schäften des Reiches durch Landesbeamte stattfindet; als schon seit mehreren Jahren ein Pkayerischer Ministerial⸗ Rath Mitglied der Verwaltung des Reichs- Invalidenfonds und ein bgyerischer Stahsoffizier Mitglied der Reichs · Rayon ⸗Kommission ist; als endlich bei einer Staatseinrichtung, welche allen zum Reiche ver' einigten Bundesstaaten gemeinsam ist, auch ein gemeinsames Interesse an der Ausführung der hierauf bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen besteht. Für die Wahl von Beamten des Juftizrefforts hit sich gel⸗ tend gemacht, daß die Bankkommissarien zugleich Justitiarien der Bankstellen sind, weshalb daher wie in Bayern, so auch in anderen Bundesstaaten vorzugsweise Justizbeamte zu Bankkommissarien gewählt worden stad. So insbesondere in reußen, dann in Sachsen, wo der Vorstand des Handelegerichts im Königlich sächstschen Bezirkg=— gericht zu Leipzig, und in Württemberg, wo ein Ober⸗Tribunals⸗Rath zur Funktion eines Bankkommissartus berufen wurde Besonderes Gewicht hat der Herr Interpellant darauf gelegt, daß durch die Wahr— nehmung der in Rede stehenden Funktionen die betreffenden Beamten ihren richterlichen Pflichten entzogen, oder doch in Kollision mit den⸗ selben gebracht werden könnten. Diese Befürchtung kann nicht ge⸗ theilt werden. Zunächst muß darauf hingewiefen werden, daß den Baukkommissarien und Justitiarien keinerlei verwaltende, son⸗ dern nur eine beaufstchtigende, die pünktliche Einhaltung der einschsä—⸗ gißen Gesetze und Dienftesinstruktionen kontrolirende Thätigkeit ob— liegt eine Thätigkeit, die an sich mit dem Berufe der betreffenden Beamten nicht im Widerstreite steht, und die überdies auch keineswegs von einem Umfange ist, der mit Grund davon sprechen ließe, daß diese Beamten dadurch ihrer Berufzaufgabe, sie mag ordentlicher oder außer- ordentlicher Natur sein, irgendwie entzogen würden. Sodann läßt sich nicht einsehen, wie die in der Interpellation angezogene Bestim⸗ mung des 5§. 38 des Bankgesetzes uͤber die territoriale Zuständigkeit bei Klagen, welche den Geschäftsbetrieb der Reichsbankstellen betref ; fen, zu Lollisionen fühMren ssllte. Für den vorliegenden Gegenstand sind zunächst die Artikel 40 und 41 und nicht erft der Art? 4 der bayerischen Civilprozeßordnung vom 29. April 1869 maßgebend. In den in Art. 40 der Prozeßordnung aufgeführten verschiedenen Fällen der Behinderung eines Richters, hinsichtlich deren bei der Gleschheit des Grundes mindestens die Analogie der Ziff. 5 hier Platz greift, ist der Richter gemäß Art. 41 verpflichtet, fich jeder Thätigkeit in dem Rechtsstreite zu enthalten und hievon sofort dem Gerichts vorstande Anzeige zu erstatten. Ist aber der Gerichtsporfstand selbst behindert, so hat er dies feinem Stellvertreter mitzutheilen, von welchem das Erforderliche ohne Verzug zu veranlaffen' ist. Gegenüber diesen gesetz· lichen Oblicgenheiten und den in Frage stehenden Richterbenmten wird die Bezugnahme auf Art. 43 u. ff.,, welche die Äb— lehnung des Richters Seitens der Parteien behandeln, wohl
finden kann, dafür bürgen nicht bloß der zablreichere Persenalstan der hier in Betracht kommenden 6 R über die Ergänzung der Gerichte durch das Einfũhrungsgesetz zur Prozeßordnung, insbesondere Art. 134 und 135, vorgesehenen unzweideutigen Bestimmungen. Wie wenig Anlaß übrigens zu der Besorgniß, wie sie in der Inter pellatien Ausdruck ge⸗ funden hat, thatsächlich besteht, mag aug dem Umstand ent⸗ nommen werden, daß ein hochangesehenes Mitglied des bayerischen Richterstandes, das viele Jahre hindurch die Stelle des Direktors und späterhin des Präsidenten eines Appellationsgerichts bekleidete, neben diesem seinem Richteramt die Funktion eines Königlichen Kommissärt bei der Königlichen Bank zu Nürnberg fast 30 Jahre seiner Aktivität hindurch gegen einen jährlichen FJunktionggehalt versah, obne daß hier⸗ aus für den Dienst der Justizverwaltung irgendwelche Unzuträglich— keiten sich ergeben hätten. Hiernach sah sich die Königliche Staats⸗ regierung in der Lage, von Sr. Majestät dem König die Allerböchste Er= mächtigung zu erbitten, den in der Interpellation genannten Beamten die Annahme der ihnen bei den Reichsbankstellen übertragenen Funktionen gestatten zu dürfen. Die Königliche Staatsregierung glaubt aber auch, daß die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen vollkommen aus. reichend seien, um Collistonen der Dienstpflicht dieser Beamten mit den fraglichen Funktionen fern zu halten, und findet hiernach keinen Grund, mit dem Erlasse weiterer Anordnungen vorzugehen. Schließ ⸗ lich erübrigt nur noch, die Einstreuung in der Interpellation, als cb die Wahrnehmung der Funktion eines Bankkommissärs durch einen Richterbeamten „die Integrität des Richterftandes nahe berühre“, in Betracht der Natur des in Frage stehenden Geschäftz und mit Rück. sicht auf die hierbei betheiligten Richterbeamten nachdrücklich abzu⸗ lehnen.“
Sachsen. Dresden, 28. März. Die Erste Kammer unterzog in ihrer heutigen Sitzung den Gesetzentwurf über die Entschädigung für den Wegfall von Gebühren der Gei st⸗ lichen und Kirchendiener 'ihrer Berathung. In der zwei⸗ stündigen Generaldebatte sprachen mit Ausnahme eines Mit— gliedes, welches die ursprüngliche Regierungsvorlage der Spe⸗ zialberathung zu Grunde gelegt wissen wollte, sämmtliche Redner, darunter Staats⸗Minister a. D. Dr. v. Falkenstein und Kam⸗ merherr v. Erdmannsdorff, ihre Meinung dahin aus, daß ihnen zwar die Regierungsvorlage besser zusage, daß sie aber aus Opportunitätsrücksichten auf den von der jenseitigen Kammer be⸗ schlossenen, von der diesseitigen Deputation in mehreren wesent⸗ lichen Punkten amendirten Entwurf eingehen wollten. In der Spezialberathung wurden die beiden erften Paragraphen unver⸗ ändert angenommen.
— Die Zweite Kammer bewilligte mehrere Positionen des Budgets der Staatseinkünfte, den Vorschlägen der Deputation gem. ,
Waͤrttem berg. Stuttgart, 26. März. Gestern um 2 Uhr Nachmittags hat die Taufe der neugeborenen Zwil⸗ lingstöchter des Herzogs und der Herzogin Eugen von Württemberg in dem von dense ben bewohnten Paplllon des Schloßnebengebäudes stattgefunden. Zugegen waren der König und die Königin, die hier anwesenden Mitglieder der Königlichen Familie und der auf Besuch verweilende Herzog Nikolaus von Württemberg; ferner der Präsident der Fammer der Standes herren, Fürst von Waldburg -Zeil, die Mitglieder der Kaiserlich russischen Gesandtschaft, die Angehörigen des Königlichen Hof⸗ staats, sowie Offiziere des Ulanen-Regiments König Karl Nr. 19, bei welchem der Herzog Eugen fteht ꝛc. Die Taufhandlung wurde von dem Ober-Hofprediger Prälaten von Gerok vollzogen und es erhielt die erstgeborene der beiden Prinzessinnen die Namen: Elsa Mathilde Maria, die jüngere die Namen: Olga Alexandra Maria.
— 28. Marz. (W. T. B.) Die Regierung hat in dem Landtage einen Gesetzentwurf, betreffend die weltere Aus— dehnung des württembergischen Eisenbahnnetz es, ein⸗ gebracht. Unter den projektirten Linien befindet sich auch eine neue Bahn von Heilbronn nach Eppingen.
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Baden. Karlsruhe, 27. März. Die Zweite Kammer genehmigte in ihrer heutigen Sitzung das Budget des Staats— Ministeriums und dasjenige des Ministeriums des Großherzog⸗ ö der Justiz und des Auswärtigen für die Jahre
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 27. März. Die An⸗ kunft der ungarischen Minister behufs Abschluß der Verhand— lungen über den österreichisch⸗-ungarischen Aus gleich ist für Ende dieses Monats festgesetzt.
— Wie das Innsbi. Tagebl.“ mittheilt, hat der Statthalter von Tirol, Graf Taaffe, die Weisung, den Kaiserlichen Erlaß, welcher die Schließung des Tiroler Landtags wegen pflicht⸗ widrigen Verhaltens anordnet, in allen Gemeinden öff&ꝙsedãntlich an⸗ zuschlagen, wieder zurückgenommen und dann nur den Bezirks⸗ hauptleuten im Dienstvertrauen mitgetheilt, sie hätten etwaige Zustimmungsbeschlüsse der Gemeinden an die Landtags⸗Majorität als gesetzwidrig zu sistiren.
Pest, 27. März. Der Kommunikations-Minister unter—
breitete dem Ab geordnetenh ause sämmtliche auf die Ostbahn⸗ Angelegenheiten bezüglichen Attenstücke, die im Präsidialbureau vorliegen, ferner auch den mit der Ostbahngesellschaft abgeschlosse⸗ nen Kaufvertrag. Sodann wurden Runtien des Oberhauses üher die heute votirten Gesetzentwürfe übernommen. Die Minister zeigten an, daß die fälligen Interpellations⸗Beantwortungen in einer der nächsten Sitzungen erfolgen werden. . Hierauf wurde ein Königliches Reskript verlesen, wodurch die Session geschlossen und die Eröffnung der nächsten Session auf morgen anberaumt wird. Das Reskript wurde dem Ober— hause übermittelt.
auf die legislatorische Thätigkeit der abgelaufenen Session, welche den viel verheißenden Anfang einer umfassenden Regelungs- und Reformarbeit gebildet habe, und trotz der elementaren Heim— suchungen eine gedeihliche Zukunft erhoffen läßt.
Im Ob erh au se wurde nach der Annahme des Gesetzentwurfes über adie äußere Form der Testamente der Gesetzentwurf Über die Regelung des Königsbodens und der Wechselgesetzentwurf in der Textirung des Oberhauses angenommen, so daß bezüg⸗ lich des letzteren zwischen beiden Häusern wesentliche Meinungs⸗ verschiedenheiten bestehen. — In der Abendsitzung des Ober— hauses beantwortete der Finanzminister Vöesey s Interpellation über den Tabakexport, worauf das erwähnte Königliche Rescript verlesen wurde.
Schweiz. Bern, 27. März. (N. Zürch. Ztg.) Bis jetzt sind ca. 20 060 Unterschriften bei der Bundeskanzlei angelangt, welche Volksabstimmung über das Militärsteuergesetz ver⸗ langen. Das Zustandekommen von 30, 006 ist unzweifelhaft. — Nach dem „Genfer Journal“ hat Das Bankkonsortium, welches den Unternehmer des Gotthardtunnelbaus, S. BFavre, bisher unterstützt hat, auf einen Bericht von Advokat Rambert am 253. d. in Genf beschlossen, demselben auch ferner
als gegenstandslos erachtet werden dürfen. Daß endlich in jenen Fällen die nothwendige Besetzung des Gerichtes jederzeit statt .
zur Seite zu flehen. Es wurde eine Kommifsion niedergesetzt, um über die Bedingungen einer neuen Einzahlung zu berathen.
Präsident Ghyezy hielt die Schlußrede mit einem Rückblicke
GSroßbritannien und Irland. London, 27. März. (. C.) Die Königin tritt heute Nachmittag ihre Reise nach Deutsch⸗ land an. Während ihres Aufenthaltes in Baden⸗Baden wird der Minister des Auswärtigen als dienstthuender Minister fun⸗ giren. Lord Derby und seine Gemahlin reisen heute Morgen über Brüssel nach Baden⸗Baden ab und werden dort rechtzeitig eintreffen, um die Monarchin bei ihrer Ankunft zu empfangen. Der Earl wird 8 — 19 Tage von hier abwesend sein, und bei seiner Rücklehr wird Lord Carnarvon ihn ablösen.
— Die „Hour“ konstatirt mit Befriedigung, daß Gam⸗ betta in seinen jüngsten Schritten zum Angriff gegen die Klerikalen klar gezeigt habe, daß Dpposition gegen den Kle⸗ rus keineswegs gleichbedeutend mit Feindschaft gegen die Kirche oder gar gegen die Religion sei. Im Weiteren hält die „Hour“ den Klerikalen vor, sie hätten nur sich selbst zu danken, wenn sie, die Grenzen ihres wirklichen Gebiets überschreitend, die Staatsgewalt zwingen sollten, sich gegen Uebergriffe zu schützen.
— Der Präsident des Oranje Freistaates, Hr. Brand, wird im Laufe des kommenden Monats nach England abreisen. Lord Carnarvons Politik zur Annäherung der südafrikanischen Kolonien und Freistaaten gewinnt am Cap zusehends an Popu⸗ larilät, freilich nicht ohne arge Aufregung und heftigen Wider⸗ stand Seitens der exklusiven Republikaner in Transvaal und im Dranje Freistaat.
— 29. März. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte Northeote auf eine Anfrage Wolffs, der Bericht Cave's beruhe zum Theil auf Informationen, die der Khedive selbst Cave ertheilt habe, zum Theil auf Informa— tionen, die Cave auf andere Weise geworden. Cave habe keine Verpflichtung gehabt, seinen Bericht behufs Veröffent⸗ lichung desselben vorzubereiten. Der größte Theil der vom Khedive selbst ertheilten Informationen sei durchaus ver— traulicher Natur, während die auf andere Weise an Cave ge⸗ langten Informationen einen weniger vertraulichen Charakter trügen. Northeote erwiderte ferner auf eine Anfrage Gordons, die Pforte habe zu keiner der Maßregeln bezüglich der tür⸗ kischen Anleihen eine Sanktion oder Billigung der englischen Regierung nachgesucht, die auf die türkischen Anleihen bezügliche diplomatische Korrespondenz werde dem Hause vorgelegt werden. Hierauf beantwortete Disraeli die gestern von Camp⸗ bell und Anderson angekündigten Anfragen. Dem Ersteren erwiderte er, der Wortlaut des Cave'schen Berichts be— finde sich nicht in der Hand des Khedive. Was die Frage anbelange, ob die Regierung damit einverstanden sein würde, daß der Khedive diejenigen Theile des Berichts veröffent— liche, die derselbe als auf seinen Mittheilungen beruhend be⸗ trachte, während die anderen Theile des Berichts nicht veröffent⸗ licht würden, so könne er nur sagen, daß sich der Khedive in dieser Beziehung überhaupt nicht geäußert habe. Anderson gab der Premier zur Antwort, es seien alle erforderlichen Anord⸗ nungen getroffen, daß die lediglich durch Familienrücksichten ver—⸗ anlaßte Reise der Königin für den Gang der Staatsver⸗ waltung ohne irgendwelche Unzuträglichkeiten bleibe.
Frankreich. Paris, 26. März. Die Organe Univers“ und ‚Union“ bringen heute Artikel über die Mun⸗Affaire“ und den Gesetz⸗ entwurf des Unterrichts⸗Ministers Waddington. Das „Uni⸗ vers“ wiederholt: „Das, was man will, ist der Krieg. Der Minister Waddington, Protestant, beinahe Ausländer, führt ihn“. Die „République Frangaise“ dagegen schreibt: „Die „Gazette de France“ bringt aus den Wahlschreiben der letzten Zeit die Auszüge, worin gesagt wird, daß man die geistliche Herrschaft nicht dulden dürfe. Diese Anführungen beweisen ein⸗ fach, daß das Land durch die klerikalen Ansprüche im höchsten Grade erregt ist. Wenn dies die „Gazette de France“ beweisen wollte, so war es überflüssig, da es durch die Ent— scheidung des Falles de Mun zur Genüge dargethan ward. Riemand hat die Drohungen vergessen, welche die Ultramontanen gegen die bürgerliche Gesellschaft und die nationale Gesetzgebung gerichtet haben. Die Sektirer des Syllabus verweigern den franzöfischen Gesetzen den Gehorsam, sie erkennen nur die Befehle an, die von Rom kommen. Sie gehören ihrem Volke nicht mehr an; sie erkennen ihm nur noch ein Recht zu, nämlich das, sie zu besolden und auszurüsten, um Krieg gegen dies zu führen. Man will wohl, daß die Bischöfe die Besoldungen von Beamten erhalten, aber ihr heiliger Cha⸗ rakter enthebt sie der Pflichten, die Jedem auferlegt sind, der ein öffentliches Amt bekleidet. Es liegen Ansprüche vor, die nicht zugelassen werden können, offenkundige Mißbräuche, die zu keiner anderen Zeit gestattet wurden. Es war Zeit, daß alles dieses ernstlich untersucht wird.“
— 27. März. Die „République Frangaise! kommt heute nochmals auf die ultram ontane Frage zurück, um dar⸗ zuthun, daß eine Transaktion mit der klerikalen Partei unmög⸗ lich sei, da sie eine jede ihr gemachte Konzession nur als eine „Zurückerstattung“ und als eine Ermuthigung betrachte, um weitere Forderungen zu stellen. „Arglose Staatsmänner schmeichelten sich', fügt dieselbe hinzu, „daß, wenn man die Achtung vor der Religion, die Unabhängigkeit der Geistlichkeit, die vollständige Freiheit aller auf den Kultus sich beziehenden Akte sicherstelle, man mit dieser anmaßenden Partei in Frieden leben könnte und fie aufhören werde, sich zu beklagen. Welcher Irrthum! Die wahren Klerikalen bekümmern sich wenig um die Religion und ihre Interessen. Sie wissen, daß seit langer Zeit Niemand daran denkt, die religiösen Uebungen zu stören; sie wissen, daß die Regierung duldsam, selbst gedul⸗ dig geworden ist, und daß die Verfolgung nicht in unsere Zeit passe. Deshalb ist inr Augenmerk auch nicht auf die Eroberung gerichtet. Was sie suchen, ist der weltliche Einfluß, ihr Eindrin⸗ gen in die Laiengesellschaft, mit Ein:m Wort, diese Eroberung politischer Oberherrschaft. Die klerikale Partei ist, wie die bo napartistische und die orleanistische Partei, eine politische Partei, sie hat ihren Ehrgeiz auf die Regierung der Menschen, die Aus⸗ übung der Gewalt, auf die Verfügung der Plätze gerichtet. Der einzige, zwischen dieser und den übrigen Parteien be⸗ stehende Unterschied ist, daß ihr die Form der Regie⸗ rung gleichgültig ist. Wenig liegt ihr daran, ob der Staat monarchisch, despotisch oder cäsarisch ist. Sie würde sich selbst zur Republik bequemen, wenn sie ihr mit ihrer Herrschaft ver⸗ einbar erschiene. Was sie bestimmt, die jetzige französische Re⸗ gierungsform zu bekämpfen, ist, daß sie glaubt, die Republikaner seien die entschlossensten Gegner ihrer Uebergriffe, und ihre Aus⸗ sichten seien geringer, sie über ihre geheimen Absichten zu täuschen. Es ist wichtig, sich mit der Thatsache vertraut zu machen, daß das, was man heute Klerikalismus nennt, keine Religion ist! Wenn die Klerikalen von Religion sprechen, so geschieht es einzig und allein, um ihre irdischen Endzwecke zu erreichen! Die Re⸗ ligion ist für sie ein Losungswort! Sie haben erkannt, daß es noch eine große Anzahl von Personen giebt, die man in Bewegung setzen
klerikalen mehrere
kann, wenn man ruft, die Religion sei in Gefahr. Sie finden außerdem, daß es äußerst geschickt sei, eine fest begründete Or⸗ ganisation auszubeuten und sich eines von einem ganz andern Gesichtspunkt aus geschaffenen mächtigen Werkzeugs zu bemãch⸗ tigen. Sie führen sich in den religiösen Organismus ein, wie sie fich in jeden anderen Organismus einführen würden, wenn es einen gäbe, der die nämlichen Elemente des Er— folges darböte. Im Grunde ist es eine Fabel, und weiter nichts. Am Tage, wo sie an der Gewalt sein, wo die Regierung, die Gesellschaft in ihren Händen sich befinden würde, würde es um die Religion nicht besser stehen. Es ist sogar wahrscheinlich, daß es viel schlechter um sie bestellt sein würde, denn der Religion ging es nie gut unter den theokrati⸗
schen Regierungen: der Glaube blüht nicht auf dem vom Kleri⸗
kalismus besäeten Boden! Man möge sich daran erinnern, was
die Religion in den päpstlichen Staaten vor 15 Jahren war.
Gewiß war sie zu keiner Zeit und in keinem Lande weniger
lebendig und weniger gesund. In dem ungläubigen Staate des
Königs Viktor Emanuel ist der Katholizismus geehrter, wird er
besser ausgeübt, als je in der Domäne des heiligen Stuhles.
Was will aber die klerikale Partei unter dem Vorwand der
Religion? Sie will uns zu den schönen Tagen der Theokratie
zurückführen, d. h. eine Staatsreligion herstellen, welche in ihren
Händen das Mittel sein soll, die Gesellschaft zu umfstricken, in
alle Schichten einzudringen, nicht einen Winkel übrig zu lassen,
welcher der Freiheit als Zufluchtsstätte dienen könnte. Diesen
Ansprüchen leistet die republikanische Partei Widerstand, und nicht
der in dieser Sache ganz uninteressirten Religion.“
— Dreißig Bischöfe, die Gründer der tatholischen Uni⸗ versität von Paris, werden am Mittwoch unter dem Vorsitze des Eczbischofs von Paris eine Versammlung halten, um über die Gesetzvorlage Waddingtons zu berathen.
— 28. März. (W. T. B.) Die Königin Vietoria ist heute Nachmittag 3 Uhr in Cherbourg eingetroffen und hat nach nur zweistündigem Aufenthalte ihre Reise fortgesetzt.
Versailles, 28. März. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer bewilligte in ihrer heutigen Sitzung einstimmig einen Kredit von 1B 750 000 Frs. für die durch die Ueberschwem— mung Heimgesuchten. — Bei den im weiteren Verlaufe der Sitzung fortgesetzten Wahlprüfungen wurde die Wahl des Bonapartisten Gavini für ungültig erklärt.
Spanien. Madrid, 28. März. (W. T. B.) Minister⸗ Präsident Canovas del Castillo hat heute bei der konsti⸗ tuirenden Versammlung den neuen Verfassungsentwurf eingebracht und ein Dekret des Königs verlesen, in welchem das Ministerium ermächtigt wird, die Verfassungsfrage der Ent⸗ scheidung der Cortes zu unterbreiten. Der Verfassungsentwurf stimmt mit der s. 3. von den Notablen ausgearbeiteten bezüg⸗ lichen Vorlage überein; Canovas del Castillo wies darauf hin, daß bezüglich der Einbringung einer solchen Vorlage wohl der Regierung die Initiative gebühre.
Italien. Rom, 28. März. (W. T. B.) Der neue Minister⸗Präsident Depretis entwickelte heute im Senat und in der Deputirtenkammer das Programm des neuen Kabinets. Hauptpunkte desselben sind: Die Reform des politischen Wahlgesetzes im Sinne wahrer Freiheit und zweifellofer bezüglicher Aeuße⸗ rung des Willens der Nation, Unabhängigkeit und Unver⸗ letzlichkeit der Deputirten, Verantwortlichkeit der Staatsbeam⸗ ten, Verbesserung der finanziellen Lage der Beamten, un⸗ bedingte Unabhängigkeit des Richterstandes. Die kirchen⸗ politische Haltung des Ministeriums werde weder eine aggressive, noch überhaupt eine feindliche sein, das Ministerium werde sich aber auch zu keinerlei Vereinbarungen mit den kirch— lichen Organen herbeilassen; es werde die bestehenden Gesetze streng beobachten, müsse sich jedoch die Einbringung von Gesetz—⸗ entwürfen bezüglich einer ausgedehnteren Sicherung der Ge⸗ wissensfreiheit und bezüglich der Verwaltung des Kirchenvermögens vorbehalten. Ferner werde die Vorlegung eines Handelsmarine⸗ gesetzes beabsichtigt. Das Ministerium acceptire die wegen Tren⸗ nung und Rückkaufs der oberitalienischen Bahnen geschlossenen Konventionen, sei jedoch der Ansicht, daß vom Staat nur ein Theil des Betriebs dieser Bahnen übernommen werde. Die finanzielle Lage des Landes habe sich zwar erheblich gebessert, indeß sei das in dieser Beziehung anzustrebende Ziel noch nicht erreicht, indem der Zwangscours noch fortdauere. Endlich werde das Ministerium die Einführung von Steuerreformen sich ange— legen sein lassen und an die Prüfung der schwebenden Handels⸗ verträge im Sinne der Handelsfreiheit herantreten.
— Seit 3 Tagen, sagt die Dpinione“ vom 25., hört man nur von Entlassungsgesuchen reden. Daß die Präfekten der fünf oder sechs größten Städte des Landes solche einreichen, ist ganz natürlich und konstitutionell; denn da sie Vertreter einer poli⸗ tischen Partei sind, so ist es ganz in der Ordnung, daß sie zurücktreten, wenn die Gegenpartei die Zügel der Reglerung er⸗ greift. Dasselbe gilt von den General⸗Sekretären und Direktoren, da sie keine eigentliche Beamte sind, sondern nur den Ministern zu Liebe eingetreten find. Aber die Einreichung der Entlassungs⸗ gesuche von Seiten der eigentlichen Carrisrebeamten ist ganz ungerechtfertigt. Sie haben den neuen Ministern die Verantwort⸗ lichkeit für ihre Handlungen zu überlassen und dürfen sich nicht aus Furcht, entlaffen zu werden, vom Staatsdienste zurückziehen. Die Verwaltung hat mit der Politik nichts zu schaffen, sonft wäre jeder Ministerwechsel ein Unglück für das Land, und alle Verwaltungszweige müßten aus Mangel an erprobten Beamten in Unordnung gerathen. Was daher bei politischen Angestellten löblich, ist bei Verwaltungsbeamten tadelnswerth, und diese müssen trotz aller Deklamationen und Einschüchterungs versuche ihrer Gegner im Amte bleiben; denn der Staatsdienst ist er⸗ haben über Partei⸗Interesse und über Parteileidenschaften. — Das abgetretene Kabinet ist, schreibt man der Florentiner „Na⸗ zione“ aus Rom, der übereilten Einreichung von Entlassungs⸗ gesuchen von Seiten der Präfekten und Bürgermeister fremd und hat, wenn auch vergeblich, sein Möglichstes dagegen gethan.
Türkei. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ wird aus Ragusa über die am Sonntag dort stattgehabte Zusammen⸗ kunft des Statthalters von Dalmatien, General Rodich, mit dem Gouverneur Ali Pascha und dem General Mukhtar Pascha gemeldet, daß es sich bei derselben um die Frage der Paeifi⸗ kation der aufständischen Provinzen unter freund⸗ schaftlicher Mitwirkung Oesterreichs handelte. Als erster Punkt wurde die vollständige Ausführung der in der Note des Grafen Andrassy vorgeschlagenen Reformen aufgestellt, die durch ein Kaiserliches Irade am 12. d. M. in Bosnien und der Herzegowina proklamirt worden seien. Hierbei solle noch einmal in Erinnerung gebracht werden, daß von dem Tage der Proklamation ab den flüchtig gewordenen Einwohnern eine Frist von 24 Tagen bewilligt worden sei, um in ihr Besitzthum zu⸗
rung zu unterwerfen, und daß erstere, falls sie innerhalb dieser Frist nicht zurückkehren, zu Gunsten der Zurückgekehrten ihres Besitzthums verlustig gehen, letztere aber im Falle der Nicht⸗ unterwerfung aus der Türkei verbannt werden sollten.
— (W. T. B.) Wie der Agence Havas“ aus Ragusa gemeldet wird, hätte Mukhtar Pascha bei einer ferneren am 28. März stattgehabten Zusammen kunft mit General Rodich diesem erklärt, daß er in den Abschluß eines Waffenstill⸗ standes willigen würde, wenn die Insurgenten die Wiederver⸗ proviantirung von Nikschie zulassen würden.
Dänemark. Kopenhagen, 25. März. In Landsthinge fand gestern die zweite Lesung des Finanzgefetzes für 1876/7 statt. Der Kriegs⸗Minister hatte den Antrag eingebracht, die vom Folkethinge abgelehnte Bewilligung von 2 Mill. Kronen zu der neuen Feldartillerie (is Batterien à 8 Kanonen) wieder aufzunehmen, und als erste Rate 1 Mill. Kronen in den Etat einzustellen.
— Das letzte Heft der dänischen „Zeitschrift für Seewesen“ enthält u. A. von Cand. mag. H. E. A. Lund eine lebhafte Schilderung der kurzen Entwickelungsgeschichte der deutschen Flotte. Der Verfasser giebt eine genaue Be⸗ schreibung sämmtlicher deutschen Kriegsschiffe, welcher offizielle Angaben zu Grunde liegen. Daß die dänische Flotte fich mit der deutschen nicht mehr messen kann, räumt der Verfasser unumwunden ein. „Die deutsche Flotte, welche vor zehn Jahren von der dänischen vollständig blockirt wurde, welche letztere noch gleichzeitig im Stande war, eine österreichische Flottenabtheilung bei Helgoland zurückzutreiben, ist in dieser kurzen Zeit zu einer so bedeutenden Größe herangewachsen, daß sie sogar die ernsthafte Aufmerksamkeit der größten Seemächte auf sich gelenkt hat.“
— 28. März. (W. T. B.) Die ordentliche Session des Reichstags dürfte morgen unmittelbar nach der definitiven Annahme des Finanzgesetzes geschlossen werden. Wenige Tage darauf wird wahrscheinlich auf Grund der Wehrvorlage das Folkething aufgelöst und eine außerordentliche Session im Mai e nberufen werden. Ein diesbezüglicher Beschluß des Staats⸗ rathes wird noch im Laufe dieser Woche erwartet.
Amerika. (A. A. C.) Der „Times“ wird von ihrem amerikanischen Korrespondenten unterm 26. d. telegraphirt: Der Senat der Vereinigten Staaten hat mit 32 gegen 26 Stimmen die seit mehreren Tagen debattirte Vorlage passirt, welche Regeln für die Zählung der bei der Prä⸗ sidentenwahl abgegebenen Stimmen Seitens des Kon⸗ gresses vorschreibt. Das Repräsentantenhaus erör⸗ terte die Legislatio⸗Appropriations⸗Bill, welche die Gehälter von Mitgliedern des Hauses auf 4500 Dollars fixirt, vertagte sich aber, ohne zu einem Beschluß darüber gelangt zu sein. In der Untersuchung über die Emm a-Mine beendigte der frühere Senator Stewart seine Aussagen durch Ueberreichung einer Kopie des mit Baron Grant abgeschlossenen Kontrakts für den Verkauf der Mine in London. General Schenck soll am Dienstag vernommen werden; derselbe liegt aber in Washington sehr krank darnieder.
Brasilien. Victoria (Provinz Espirito Santo) Ende Januar. Das hiesige Blatt ‚O Commercio“ enthält in seinen Nummern vom 22. und 26. . M. zwei Artikel, betitelt „Die Regierung und die Einwanderung“, worin aus Anlaß eines speziellen Vorganges, welcher vor einiger Zeit hier gerechtes Auf⸗ sehen machte, das brasilianische Kolonisations wefen einer herben Kritik unterzogen wird.
Derartige Bekenntnisse dürften in Europa nachgerade auch in diejenigen Kreise gedrungen sein, wo gewissenlose Unternehmer und Agenten mit ihren vielverheißenden Prospekten noch immer ihr Wesen zu treiben suchen.
Der thatsächliche Inhalt jener Artikel aber kennzeichnet so sehr die zwischen Verheißung und Wirklichkeit schon so häufig von den Opfern der Prospekte empfundene Kluft, daß er die weiteste Verbreitung verdient.
Vor einiger Zeit waren mit dem Dampfer „Fénélon“ ca. 400 Kolonisten für S. Leopoldina angelangt, welche, obwohl seit 6 Monaten angemeldet, bei ihrer Ankunft in Victoria Nichts vorbereitet fanden, und sich deshalb alsbald in völlig hülfloser Lage sahen. )
Der Direktor der Kolonie hatte dem hierdurch hervorgerufenen
Aufsehen gegenüber die Behauptung aufgestellt, es seien Vor⸗ bereitungen nicht nur für jene 400, sondern auch noch für weitere
600 Ankömmlinge getroffen gewesen, es hätten ihm nicht weniger als 8 Depots zur Verfügung gestanden. Auf die Auf⸗ forderung des Kolonie⸗Direktors hat das Blatt „O Com⸗ mercio“ einen seiner Redacteure nach Caxoeiro und Timbohy in Leopoldina entsandt, welcher — dies hebt jenes Blatt besonders hervor — sich der Gastfreundschaft der Kolonie⸗Direktion und deren Führung entzog, und nun die selbst gemachten Wahrnehmungen schildert — eine Schilderung, völlig entsprechend den traurigen Erfahrungen, wie sie im Jahre 1873 von so vielen in Leopoldina ins Elend gerathenen deutschen Kolo⸗ nisten gemacht worden sind. Ein Theil der letzteren ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt, und wird — wenn es dessen noch bedarf — die Angaben des Commercio⸗ Redacteurs näher erläutern können.
„Der Eindruck“, so berichtet letzterer, den wir bei unserer Ankunft in Caxoeiro““) empfingen, war für uns ein trauriger — — der größere Theil der Bevölkerung blutarm, lymphatisch und anscheinend unter dem Druck der entsetzlichsten Noth, ja des Elends leidend. Die Ernährung ist kostspielig, wenig Lebens⸗ mittel, dazu übermäßige Preise. Frisches Fleisch ist nur wöchentlich und auch nicht immer zu haben. Es ist nicht die Regierung, nicht die Provinz, nicht die Munizipalbehörde, welche dabei den Ver⸗ schleiß hat; einer oder der andere Grundbefitzer sucht das bessere Fleisch für seine Familie aus, und schickt das Uebrige auf den Hungermarkt“.
Mit Bezug auf die obenerwähnten Behauptungen des Kolonie⸗Direktors heißt es dann weiter: „Wir können nicht verstehen, wie Jemand mit derartigen Behauptungen so unglück⸗ lich sein kann, wie Herr Sant' Anna Lopez“), der nun heute als großer — — — dasteht. Die Regierung möge es wissen, daß die Kolonisten lange Zeit hier in der Stadt lagen ohne Transportmittel und ohne Unterkunft in Caxoeiro eder sonstwo, da dort keine Baracken vorhanden waren, um ste aufzunehmen. Die einzige Baracke, welche daselbst existirt, ist ein an den Seiten offenes Gestell mit einem Strohdach —— das Volk nennt dies Schuppen, wir bezeichnen es als einen Strohschober, einen offenen Stall, für Schweine und
Der Vorfall ist bereits in einer früheren Korrespondenz aus Brasilien erwähnt. S. Reichs Anzeiger vom 14 Februar d. J.
rückzukehren, und ebenso den Insurgenten, um sich der Regie⸗
**) d. i. der Hafen von Leopoldina. **) Dies ist der Name des Kolonie ⸗Direktors.