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— Die von der Augsburger Allgemeinen Zeitung. ge. brachte Sensationsnachricht über angebliche Pläne des Kaisers Alepander war in einer aus Berlin datirten Korrespondenz enthalten. 4
Auch wir halten diese Ortsangabe für richtig. haben aber Grund, den Ursprung der Nachricht nicht in den in Berlin hei⸗ mischen, sondern in solchen Kreisen zu suchen, welche regelmãßige Beziehungen zu diplomatischen Regionen unterhalten.
— Nach der im Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt aufgestellten, in der heutigen Ersten Beilage veröffentlichten Rachweisung über die auf den Eisenbahnen Deutschlands exkl. Banerns vor⸗ gekommenen Unfälle waren im Februar d. J. im Ganzen zu verzeichnen: 52 Entgleisungen und 23 Zusammenstöße fah⸗ render Zuge, und zwar wurden hiervon 28 Züge mit Personen⸗ beförderung — je Einer von 3954 überhaupt beförderten Zügen diefer Gattung — und 47 Güterzüge resp. Jeerfahrende Ma⸗ schinen betroffen; ferner 50 Entgleisungen und 26 Zu⸗ sammenstöße beim Rangiren und 139 sonstige Bettiebsereignisse (Ueberfahren von Fuhrwerken auf Wegeübergängen, Defekte an Maschinen und Wagen ohne Entgleisungen, Unterbrechung des fahrbaren Zustandes der Bahn durch atmosphärische Ein⸗
üsse ꝛc.).
u In Folge dieser Unfälle wurden: 1 Person (Passagier) ge⸗ tödtet, 31 Personen verletzt (4 Passagiere, 24 Beamte und 3 Ar⸗ beiter; 3 Thiere getödtet und 93 Fahrzeuge erheblich und 229 unerheblich beschädigt. d
Außer den vorstehend aufgeführten Verunglückungen von Personen kamen, größtentheils durch eigene Unvorsichtigkeit hervorgerufen, noch vor: 32 Tödtungen (1 Passagier, 11 Bahn⸗ beamte, 11 Bahnarbeiter und 9 fremde Personen;; 82 Ver⸗ letzungen (39 Bahnbeamte, 34 Bahnarbeiter und 9 fremde Per⸗ sonen), sowie 5 Tödtungen bei beabsichtigtem Selbstmord. .
Von den Überhaupt beförderten Reisenden wurde von je 5.336, 695 Einer getödtet und von je 2, 668, 348 Einer verletzt; von den im Betriebsdienste thätig gewesenen Beamten wurde von je 11,3507 Einer getödtet und von je 2.009 Einer verletzt.
Ein Vergleich mit demselben Monat im Vorjahre ergiebt unter Berücksichtigung der in beiden Zeitabschnitten geförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Geleislängen —, daß im Durchschnitt im Februar d. J. bei 19 Verwaltungen weniger, bei 15 Verwaltungen mehr und in Summa circa 27 Prozent weniger Verunglückungen vorgekommen sind, als im
Februar v. J.
— Die Berathungen des Hauses der Abgeordneten über die Eisenbahnvorlage werden nach den Mittheilungen aus parlamentarischen Kreisen erst nach den Osterferien, also gegen Ende dieses Monats stattfinden. Es ist damit der Presse ein hin⸗ reichender Zeitraum zur Erörterung der Frage gegeben. Die, Posener Zeitung“ vom 2. April, sowie die „Breslauer Zeitung! vom 31. März und 1. April führen die begonnene Diskussion weiter, indem sie die Motive der Vorlage von dem der Regierung entgegen⸗ gesetzten Standpunkte aus beleuchten. — Dagegen hebt das „Br. Hd. Bl.“ vom 31. März hervor, durch den Gesetzentwurf der präußischen Regierung werde die Diskussion (in der Eisen⸗ bahnfrage) auf ihren geschäftlichen Ausgangspunkt zu⸗ rückgeführt. Preußen ergreife mit „entschlossener Selbst⸗ verleugnung / die Mittel, die dem Reiche. die verfas⸗ sungsmäßige und unentbehrliche Aufsicht über das Eisenbahn⸗ wesen möglich machen. Durch die Selbstbeschränkung, welche die preußische Regierung sich auferlege, habe die (in der Vor— lage ausgesprochene) Idee etwas „unwiderstehlich siegreiches“ an⸗ genommen. Das zeige fich ebenso in der bisherigen Debatte in der Presse, wie in dem Umstande, daß die großen parlamenta⸗ rischen Majoritäten in den betheiligten Staaten einen entschei⸗ denden Eindruck nicht zurückgelassen haben.
In demselben Sinne hebt die „Nat. 3.“ vom 4 April hervor, daß die ablehnende Haltung der süddeutschen Staaten in der Eisenbahnfrage nicht als unabänderlich erachtet werden könne. Die wirthschaftliche Bedeutung der Frage werde sich immer mehr geltend machen; vor Allem aber komme es darauf an, ob die weiteren Kreise, die nicht unmittelbar durch die in den Landesvertretungen vorherrschenden Eindrücke berührt werden, einmüthig zu ihren Vertretern halten würden.
Als ein Zeichen für den weiteren Verlauf des Entwickelungs⸗ prozesses können die Beschlüsse einer am 31. v. M. in Ulm stattgehabten Volksversammlung gelten. Nach einer eingehenden Beleuchtung der Eisenbahnfrage durch die Abgeordneten der Stadt Um zum Landtage und Reichstage wurde von der Ver⸗ sammlung eine Resolution dahin gefaßt, „daß die in unserem Eisenbahnwesen herrschenden Mißstände einer baldigen Reform dringend bedürfen, und daß bei der Lösung der jetzt angereg⸗ ten Frage die partikulariftischen Wünsche dem wirthschaft⸗ lichen und politischen Interesse der Nation unbedingt nach⸗ zustehen haben. Die Versammlung erkenne daher mit hohem Dank die Energie an, mit welcher der Reichskanzler eine Centrali⸗ sirung unseres Eisenbahnwesens herbeizuführen bemüht sei.“ Schließlich erklärte sich die Versammlung vollständig einver- standen mit der Abstimmung des Abgeordneten der Stadt Ulm bezüglich der Eisenbahnfrage. — Gleichzeitig veröffentlicht die in Stuttgart erscheinende „Gewerbezeitung“, ein hervorragen⸗ des süddeutsches Fachblatt, ein Zirkular des Dr. Böhmert, der für den volkewirthschaftlichen Kongreß mit Dr. Alexander Meyer das Referat über die Eisenbahnfrage übernommen hat. In demselben ersucht er alle interessirten Kreise um Uebersendung von Materialien, welche die erwähnte Frage zustimm end oder ab fällig beurtheilen. Die in Betracht kommenden Materien faßt er nach dem wirthschaftlichen, technischen und finanziellen Standpunkt zusammen und zieht schließlich das politische und militärische Interesse in Berechnung. Es wird hier also von einem süddeutschen und gegnerischen Organ zu einer objektiven und sachlichen Prüfung der Eisenbahnfrage eine Anregung gegeben, die eine weitere Klärung der An⸗ schauungen zu fördern bestimmt ist. Als eine Antwort auf die von Dr. Böhmert von den drei erwähnten Ge⸗ sichtspunkten aus gestellten Fragen kann die im Reichs⸗An⸗ zeiger schon früher (in Nr. 79) erwähnte Broschüre „Die Erwer⸗ bung der deutschen Eisenbahnen durch das Reich“ von einem Mitgliede der Bielefelder Handels kammer, Herrn Gustav Meher, gelten, der an der Hand statistischer Angaben für die Erwerbung eintritt.
In der auswärtigen Presse hat sich bekanntlich früher schon das Journal des Debats“ in einer objektiven Darstellung über das Projekt der Konzentration des deutschen Eisenbahn⸗ wesens ausgesprochen. Das neueste Heft der „Revue des deux Mondes“ bringt nunmehr einen ausführlichen Aufsatz von G. Valbert, in welchem der von dem Verfasser eingeschlagene Gang der Untersuchung ihn ohne seinen Wunsch zu ähnlichen Resultaten führt, wie sie in den „Debats“ offen eingestanden
waren: daß nämlich von allen großen europäischen Staaten das Deutsche Reich allein im Stande sei, dieses für die gesammte Weltwirthschaft fundamentale Eyperiment zu machen, und zwar hauptsächlich deshalb, weil dasselbe allein von allen senen Staaten nicht genöthigt sei, einen großen Theil seiner Einnahmen zur Verzinsung unproduktiver Schulden zu verwen⸗ den. Diese Zustimmung ist um so bedeutungs voller, als der Verfasser in der Würdigung der einschlägigen Verhältnisse von einem keineswegs deutschfreundlichen Standpunkte aus urtheilt.
— Die Abhülfe der Nothstände, welche durch die jüngsten Ueber schwemmungen entstanden sind, ist von vorn⸗ herein Gegenstand der ernsteften und allseitigsten Erwägungen der Staatzregierung gewesen, und es wurde alsbald auch im Abgeordnetenhause angekündigt, daß die Regierung den Beistand der Landesvertretung in Anspruch nehmen werde, um die ent⸗ standenen Nothstände in ihren Folgen lindern zu helfen. Wenn die Vorlegung eines Nothstandsgesetzes seither noch nicht ausführbar gewesen ist, so ist doch, wie die „Prov. Corr.“ schreibt, weder in dieser Beziehung noch in Betreff der sonstigen Fürsorge für die durch Ueberschwemmung Be⸗ schädigten Seitens der Königlichen Behörden irgend etwas versäumt worden. Zur Linderung der augenblicklichen Noth haben glücklicherweise überall die Mittel hingereicht, welche durch die Zuwendung von Allerhöchster Stelle durch einzelne erhebliche Beiträge, wie Seitens der Aachen⸗Münchener Ver⸗ sicherungsgesellschaft, sowie durch die reichen Erträge der öffent⸗ lichen Sammlungen zur Verfügung gestellt waren, — großen⸗ theils hat sich die Hülfsbereitschaft der den Un lücksstãtten benachbarten Gebiete so wirksam erwiesen, 1a für die Zusendung erheblicher Summen an die betreffenden Behörden ein unmittelbares Bedürfniß nicht vorlag. Dagegen mußte sich die Fürsorge der Staatsregierung um so entschiedener darauf richten, die Schäden von dauernder Bedeutung festzu⸗ stellen, zu deren Abhülfe eine Gewährung von Staatshülfe unver⸗ meidlich sein wird. Es wird sich hierbei vorzugsweise um die Erhaltung einzelner Beschädigten im Haus⸗ und Nahrungs⸗ stande, um die Wiederherstellung gemeinnütziger Anlagen der Gemeinden u. s. w. handeln. Selbstverständlich kommt es in dieser Beziehung darauf an, zunächst das wirkliche Bedürfniß zuverlässig festzustellen, und es sind zu diesem Zwecke von vorn⸗ herein alle Einleitungen unter Heranziehung von Vertrauens⸗ männern, Lokal- und Kreiskommissionen getroffen worden. Die betreffenden Ermittelungen können aber natürlicher Weise nicht zum Abschlusse kommen, so lange das Wasser sich nicht vollständig ver⸗ laufen hat, indem erst dann der dauernde Schaden in den einzel⸗ nen Feldmarken sicher beurtheilt werden kann. Erst auf Grund solcher Feftstellung können die betheiligten Provinzialbehörden übersichtliche Darstellungen von dem Umfange und der Bedeu⸗ tung der Schäden und der zur Abhülfe erforderlichen Beihülfen entwerfen, und hierdurch der Staatsregierung den nothwendigen Anhalt für den Entwurf des Nothstandsgesetzes gewähren. Die betreffenden Ermittelungen werden überall mit thunlichster Be⸗ schleunigung betrieben, und die Staatsregierung wird voraus⸗ sichtlich bald in der Lage sein, die Mitwirkung des Landtages zur Abhülfe der Nothstände zu erbitten.
— Der Minister des Innern hat im Einverständnisse mit dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Ange⸗ legenheiten durch Eirkularerlaß vom 21. v. M. genehmigt, daß das Amtsblatt nebst dem dazu gehörigen öffentlichen Anzeiger vom 1. April d. J. ab nicht mehr, wie bisher, den katholischen Predigern (Pfarrern), sondern den Kirchenvorständen der katholischen Kirchengemeinden unentgeltlich verabreicht werden. Da die Pfarrer und sonstigen Geistlichen nach 8. 5, Nr. J, des Gesetzes vom 20. Juni v. J. von Amtswegen Mit⸗ glieder der Kirchenvorstände sind, so muß es ihnen überlassen bleiben, in dieser ihrer Eigenschaft sich von dem Inhalte des den Kirchenvorständen gelieferten Amtsblatts Kenntniß zu ver—
schaffen.
e e . . . 6 0 1 — Zu denjenigen Niederlassungen von Orden und ordens⸗ ähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche, welche nach dem Gesetz vom 31. Mai v. J. der künftigen Auflösung an⸗ heimfallen, gehört auch das hiesige Ur sulinerinnen kloster. In demselben bestehen zur Zeit als Einrichtungen der Ordens⸗ schwestern, welche gleichfalls eingehen werden, verschiedene An⸗ stalten, wie zwei Pensionate, eine Waisenanstalt für Mädchen, eine Elementar⸗ und höhere Töchterschule. Das hiesige Polizei⸗Präsidium hat nunmehr an die Vormünder ꝛc. der in den gedachten Anstalten uniergebrachten Schülerinnen und Waisenmädchen eine Verfügung erlassen, in der darauf hin⸗ gewiesen wird, daß für die in jenen Anstalten von Seiten der Schwestern geübte Unterrichts- und Erziehungsthätig⸗ keit, Pflege und Aufsicht schon jetzt ein Ersatz ange⸗ bahnt und beschafft werden muß, damit der Auflösung der Ordensniederlassung zum 1. April 1877 nichts mehr im Wege steht. Bezüglich der Waisenmädchen muß, wie der Erlaß insbesondere hervorhebt, der Ersatz in der Weise beschafft werden, daß dieselben anderweit in Waisenanstalten oder Familien gut untergebracht werden und daß für ihren Unterricht und ihre Erziehung durch Aufnahme in anderen Schulen oder, wie dies geeignet erscheint, häuslichen Unterricht Sorge getragen wird, und zwar so, daß der letztere keine Unterbrechung erleidet, soweit nicht etwa ganz besondere Verhältnisse für eine kurze Zeit dazu zwingen. — Mit Rücksicht darauf werden die Vormünder vom Polizei⸗Präsidium ersucht, nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen und mit Genehmigung der Vormundschaftsbehörde, wo diese nothwendig ist, die nöthige Bestimmung in der vorgezeichneten Richtung schleunigst zu treffen.
— Seit dem 1. März sind sämmtliche mit den Eisenbahn⸗ zügen fahrenden Bahnposten ermächtigt, Telegramme unterwegs anzunehmen, um sie dem nächsten Telegraphenamt zur Beförderung zuzuführen. Die Telegramme können unmit⸗ telbar an die im Postwagen befindlichen, oder bei demselben behufs der Uebernahme der Postsachen beschäftigten Postbeamten abgegeben, so wie auch, mit Marken beklebt, in den an jedem Postwagen befindlichen Briefkasten gesteckt werden. Zur Bekle⸗ bung können bei diesen Unterwegs⸗Telegrammen sowohl Tele⸗ graphenfreimarken, als auch Postfreimarken verwendet werden. Bei der Einfachheit des neuen, von der Enifernung unabhängigen Telegraphentarifs ist das obige Verfahren leicht anzuwenden.
— Das Spenden der Sterbesakramente gehört nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 9. v. M. an sich zu den pfarramtlichen Handlungen und bedarf des Nach- weises von Seiten des spendenden Geistlichen, daß ihm unter Beobachtung der staatsgesetzlichen Vorschriften ein selbständiges Amt als Kaplan oder sonstiger Hülfsgeistlicher verliehen worden
sei, mit welchem die Befugniß zur Vornahme jener Funktion — unabhängig von dem Auftrage des Pfarrers — verbunden ist.
— Nach einem aus Corfu hier eingegangenen Telegramm war ein am 2. April vom Piräus abgegangenes itelienisches Dampfschiff zu Grunde gegangen; der Kaiserliche Gesandte in Athen, Herr von Radowitz, der am genannten Tage von Athen abgereist war, hatte aber nicht dieses, jondern ein griechisches Dampfschiff benutzt und war gestern Morgen wohlbehalten in Corfu angelangt, von wo er die Reise nach Triest fortsetzen wollte.
— Das „Witzenhauser Kreisblatt“ brachte vor einiger Zeit die auch in andere Zeitungen übergegangene Nachricht, daß die Eltern des seit der Schlacht bei Worth vermißten und inzwischen durch Erkenntnlß des Amtsgerichts in Allendorf vom 4. Juli 1874 für todt erklärten Füsiliers des hessischen Füsilier⸗Re⸗ giments Nr. 80. Martin Wolf zu Asbach von demselben einen aus Jork in Pensylvanien den 14. Dezember 1875 da⸗ tirten Brief empfangen hätten, in welchem er erzählte, wie er verwundet in französische Gefangenschaft gerathen, nach Afrika gebracht worden und erst vor Kurzem von dort auf einem ame⸗ rikanischen Kriegsschiffe nach Amerika entflohen sei. Einen solchen Brief haben die Wolfschen Eheleute in Asbach in der That erhalten. Daß derselbe aber wirklich von ihrem Sohne herrühren und der darin mitgetheilte Sachverhalt richlig sein follte, erschien nach den bisherigen Ermit⸗ telungen, welche das Gerücht von der Zurückhaltung deutscher Kriegsgefangenen in Algerien als unbegründet heraus⸗ gestellt haben, von vorn herein unglaubhaft. In der That ist denn, unerachtet der eingehendsten amtlichen Nachforschungen, der angebliche Martin Wolf weder unter der von ihm bezeichneten Adresse, noch an der Hand sonstiger über ihn beschaffter Nach⸗ richten in Amerika aufzufinden gewesen. Dagegen läßt sich aus Allem, was über die betreffende Persönlichkeit hat in Erfahrung gebracht werden können, mit Sicherheit annehmen, daß der an⸗ gebliche Martin Wolf aus Asbach ein Abenteurer ist, der es darauf anlegt, durch Täuschunn der nächsten Angehörigen und durch erdichtete Erzählungen sich Geld zu verschaffen.
— Die Bundesraths⸗Bevollmächtigten Großherzoglich badischer Ministerial-Präsident, Staatsrath Ellstätter und Großherzoglich sächsischer Geheimer Justizrath Dr. Brüger sind hier angekommen.
— Der Kaiserlich russische General-Adjutant Fürst Boris Galitzin ist gestern Abend aus Paris hier eingetroffen und nach einem kurzen Aufenthalte nach St. Petersburg weitergereist.
— Dem Kreis⸗Thierarzt Baudius zu Osterode ist die vakant gewordene Kreis⸗-Thierarztstelle des Kreises Pr. Holland verliehen worden.
Der Thierarzt Langrehr zu Verden ist zum kommissari⸗ schen Kreis⸗Thierarzt des Kreises Verden, der Thierarzt Kettler zu Hildesheim zum kommissarischen Kreis-Thierarzt für die Kreife Gummersbach und Waldbroel, und der Thierarzt Hüner⸗ bein zu Heinsberg zum kommissarischen Kreis⸗Thierarzt des Kreises Heinsberg ernannt worden.
Wiesbaden, 4. April. Mit Bezug auf die Meldung von dem ersten altkatholischen Gottesdienst, den der Bischof Dr. Reinkens am 2. d. M. in der hiesigen katholischen Pfarrkirche abgehalten hat, ist zu bemerken, daß die von dem Stadtpfarrer Weylandt und Genossen erhobene Berufung gegen die Ober⸗Präsidialentscheidung vom 30. Dezember v. J., welche der altkatholischen Gemeinschaft den Mitge⸗ brauch der Kirche auf Grund des Gesetzes vom 4. Juli ein⸗ räumt, durch Entscheidung des Staats⸗Ministers Dr. Falk vom 23. März zurückgewiesen worden ist.
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Bayern. München, 2. April. In der am kommenden Mittwoch stattfindenden Versammlung des Vereins der libe⸗ ralen Reichsfreunde hierselbst wird die Reichs eisenbahn⸗ frage in Anregung gebracht und eine entsprechende Beschluß⸗ fassung des Vereins beantragt werden.
— 3. April. Die Allg. Ztg.“ schreibt: Wie die „Neuesten Nachrichten“ diesen Abend versichern, ist das Projekt einer Anzahl Mitglieder der liberalen Kammer⸗ fraktion, eine „freie Vereinigung“ zu bilden, nun⸗ mehr aufgegeben. Dennoch wird zugegeben, daß, trotz anderseitigen Widerspruchs, das Projekt bestanden hat, und daß demnach unsere frühere Mittheilung in dieser Beziehung keineswegs unbegründet war. Das genannte Blatt ist der Ansicht, daß man, trotz alles bisherigen Widerstrebens gegen eine Auflösung der Abgeordnetenkammer, die⸗ selbe doch noch werde vornehmen müssen. „Die Ereignisse in den nächsten Tagen werden auch den Hartgläubigsten von dieser Nothwendigkeit überzeugen. Mit diesem, jedenfalls für Fernstehende etwas dunklen Satz ist ohne Zweifel die Art und Weise gemeint, wie die Kammermehrheit die Keanstandung der Münchener Landtagswahlen erledigen will, ein Vorhaben, das, wenn es, so wie jetzt beabsichtigt ist, zur Ausführung ge⸗ langen soll, allerdings zu entscheidenden Schritten führen könnte. Die in Rede stehende Wahlbeanstandung kommt morgen Abends in der II. Abtheilung der Kammer zur Berathung und es wird sich sonach sehr bald zeigen, in welcher Weise die „Mehrheit“ dieselbe erledigen will.
— In der gestern Nachmittag abgehaltenen, zahlreich besuchten, sozialistischen Volksversammlung wurde der Beschluß gefaßt, an die Kammer der Abgeordneten eine Petition zu richten, in welcher das Verlangen gestellt wird, in dem Wahlgesetzentwurfe die Forderung des sozialistischen Programms in diesem Betreffe zu berücksichtigen. Hierauf wurden fünf Mitglieder zur Abfassung und Einreichung dieser Petition beauftragt. Es wurde, wie der „Coir. v. u. f. D.“ meldet, eine Resolution, dahin gehend, angenommen: „Daß die patriotische Partei im Landtage durch Ablehnung des Antrages auf Abschaffung des Schulgeldes die Interessen des arbeitenden Volkes nicht vertreten habe und ihr bei der Wahl gegebenes Versprechen der Entlastung des Volkes in dieser Be⸗ ziehung nicht gehalten habe.“ Nach langer Debatte wurde mit allen gegen 7 Stimmen die Gründung eines sozialistischen Wahlũvereins beschlossen und eine Kommission von sieben Mann zur Durchführung derselben beauftragt.
Sachsen. Dresden, 4. April. Die Erste Kammer beendete heut die Spezialberathung über die höheren Unterrichts⸗ anstalten und setzte dann die Berathung des Budgets fort.
Die Zweite Kammer überwies den Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Ausübung des staatlichen Oberaufsichtsrechts über die katholische Kirche, an die Gesetzgebungs deputation und beschloß
dann aus Veranlassung von Anträgen der Abgg. Stauß und Pr. Meischner, der Staatsregierung zur Erwägung anheimzugeben, ob und inwieweit durch polizeigesetzliche Bestimmungen der Ver unreinigung der fließenden Gewäͤsser durch Einführung von gesundheits schãdlichen oder ekelerregenden Stoffen mehr, als seither, entgegengetreten werden könne.
Württemberg. Stuttgart, 2. April. In der gestrigen Abendsitzung der Kammer der Abgeordneten stand auf der Tagesordnung der Etat des Departements der aus wärtigen Angelegenheiten. Hierfür waren von der Re⸗ gierung exigirt 166 245 66, mehr als im Vorlahr 492 (6 Darunier sind begriffen für Gesandtschaften und Konsulate g6 659 S Die Kommission hatte einfach die Verwilligung be⸗ antragt und die Kammer diesem Antrag zugestimmt. Der Abg. Lenz (national⸗ liberal) machte jedoch darauf aufmerksam, daß für den Wiener Gesandtschaftspo ten, für welchen 21,372 ausgesetzt sind, kein einstimmiger Antrag der Finanzkommission vorliege; er habe in derselben dagegen gestimmt. Fetzer bean⸗ tragte darauf besondere Abstimmung über diesen Posten, für dessen Bewilligung nun Mohl eintrat und der auch mit 53 gegen 27 Stimmen angenommen wurde. ; ö — —l—i— 3 — 2
Baden. Karlsruhe, 3. April. Der rd g rs ers ist auf der Rückreise nach der Heimath begriffen. Der Prinz verweilte seit Sonnabend, den 1. April, in Venedig, von wo er voraussichtlich am 8. April in Karlsruhe eintreffen wird. — Das Ministerium des Innern hat den Veteranenverein des Dorfes Balg, wo bekanntlich ein Staatspfarrer öffentlich und ein Pfarrverweser der Freiburger Kurie heimlich amtirt, aufge⸗ löst und verboten, weil sich derselbe an den kirchlich en Zwistigkeiten betheiligte. — Mit dem 1. M. haben sämmt⸗ liche barmherzige Schwestern an. den städtischen Kinder= Bewahranstalten des Landes auf Ministerialbefehl ihre Lehr- thätigkeit einzustellen, weil fie als ordensähnliche Kongre⸗ gation betrachtet werden. .
— 3Z. April. In der Sitzung der Zweiten Kam mer vom 1. d. M wurde die Berathung über das Budget des M ini⸗ steriums des Innern fortgesetzt. Eine längere Dis kussion veranlaßte §. 100, in welchem für eine projektirte staatliche höhere Töchterschule in Karlsruhe 28,600 ις gefordert werden. Die Budgetkommission beantragte Anfangs, diese An⸗ forderung ganz abzulehnen, setzte aber dann an dessen Stelle den Budgetsatz: zur Ertheilung von Zuschüssen, welche nach den, bezüglich der höheren Bürgerschule geltenden Grundsätzen, an Mittelschulen für die weibliche Jugend ertheilt werden, falls solche Lehranstalten aus Gemeinde oder Stiftungs⸗ mitteln errichtet werden, sofern die Begründer dersel⸗ ben sich dem von der Staatsregierung aufgestellten Lehrplan unterwerfen: für 1876 10000 6, für 1877 20, 000 c zu kewilligen. Der Antrag der Regierung bezweckte vor Allem eine gründliche und doch dem weiblichen Wesen entsprechende, sfowie von Einseitigkeit und unberechtigten Einflüssen sich frei haltende Bildung der weiblichen Jugend. Von ultramontaner Seite wurden nicht zum Thema gehörige Bemerkungen über Schulschwestern, Klosterschulen ꝛc.) gemacht und zu verstehen gegeben, daß der Staats⸗-Minister die weibliche Jugend von der religiösen Erziehung emanzipiren wolle, was eine ernste Ab⸗ weifung des Miniflers hervorrief, der auch näher erörtert, daß der Regierung nichts ferner als „Blaustrümpflerei“ liege und sie nur im Auge habe, eine systematische höhere, eine ideale Frauenbildung zu erzielen. Abg. Lindau erklärte sich mit Pathos im Interesse der „Freiheit des Unterrichts! und der religiösen Erziehung „im Namen katholischer Mütter des Landes“ gegen die Vorlage. Staats-Minister Dr. Jolly erwiderte: Der Abg. Lindau kaͤmpfe gegen Windmühlen; von Schädigung katholischer Schulen könne keine Red: sein. Abg. Schneider (Demokrat) ruft in das Haus: er kenne keinen größeren „Schwindel“ als das Wort Untertichtsfreiheit! im Munde der Ultramontanen, welchen „Schwindel“ sich später Abg. Edelmann sehr erregt „verbittet“, es wäre ihre katholische Ueberzeugung, wenn sie von „Unter⸗ richts freiheit sprächen. Der Kommissionsantrag wurde schließ⸗ lich angenommen; auch einige Ultramontanen stimmten dafür. Bei ‚Lehrerbildungsanstalten“ tadelte Abg. Marbe, daß die lediglich zu einem „katholischen“ Schullehrer-Seminar be— willigten Mittel (was indeß nicht richtig ist) für ein „gemischtes, Seminar verwendet worden seien; er sieht die „wahre Toleranz“ nicht aus solcher ‚Mischung“ kommen. Der Staats ⸗Minister bemerkte, es sei von keiner Vermischung der religiösen Ansichten die Rede.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 3. April. Der außerordentliche Landtag ist heute geschlossen worden. In dem Abschiedsdekret wird bedauert, daß über den von der Staats⸗ regierung vorgelegten Entwurf eines Nachtrags zu dem Gesetze vom 6. April 1852 über die Wahl der Landtagsabgeordneten in Folge der zu Artikel 4 des Entwurfs von dem Landtag unter dem 9. März abgegebenen Erklärung eine Vereinbarung mit demselben nicht zu Stande gekommen ist; jedoch werde die Hoff⸗ nung nicht aufgegeben, daß auch bei der Beibehaltung des in⸗ direkten Wahl verfahrens die Bevölkerung des Großherzogthums von ihrem Rechte, zur Landesvertretung zu wählen, mit hinreichender Theilnahme Gebrauch machen werde und daß auf Grund des bis zum Hervortreten eines dringlichen Bedürfnisses aufrecht zu erhalten⸗ den gegenwärtigen Wahlgesetzes auch in Zukunft Landtage aus den Wahlen hervorgehen werden, welche die Bevölkerung im wahren Sinne des Wortes vertreten und im Einvernehmen mit der Staatsregierung eine gedeihliche Wirksamkeit entfalten. Fer⸗ ner wird beklagt, daß der Landtag sich nicht hat entschließen mögen, die Vorlage wegen der Domänenrente in eingehende Er⸗ örterung zu ziehen, und daß der Landtag der beantragten Er⸗ höhung des Zuschusses zur Unterhaltung der Universität Jena seine Zustimmung zur Zeit versagt hat.
Mecklenburg. Der „Lüb. Ztg.“ wird geschrieben: Zu der auf Grund der oktroyirten Verfassung auf den 27. vorigen Monats von der strelitzschen Regierung nach Schönberg be— rufenen Stãndeversammlung des Fürstenthums Ratze⸗ burg hat sich, wie nach der Erklärung der Majorität der ratze⸗ burger Vertreter vorauszusehen war, die beschlußfähige Anzahl nicht eingefunden. Erschienen waren nur die drei Pastoren, die drei Domänenpächter und der Vertreter des Schönberger Magistrats, während die neun Hauswirthe, die zwei Burger der Stadt Schönberg und auch die drei Rittergutsbesitzer abwesend waren.
Braunschweig. Braunschweig, 4. April. Der Herzog hat sich nach Sybillenort in Schlesien begeben. — Heute hat der Landtag seine Thätigkeit wieder aufgenommen. Auf der Tagesordnung stand zunächst die Begründung der Anträge des Abg. Krampe, die Jagdscheine und den
braunschweigischen Buß⸗ und Bettag betreffend, welcher auf den
Tag verlegt werden möge, auf den auch in Preußen der Buß⸗ tag festgesetzt sei. Die Antrãge, namentlich der letztbezeichneten fanden sehr lebhafte Unterstützung.
Oesterreich⸗ngarn. Wien 3. April. Der „Pr. 3.“ wird von hier geschrieben: Die öffentliche Diskussion wird nahezu ganz von den Verhandlungen mit den unga⸗ rischen Ministern beherrscht. Was über die Verhand⸗ lungen in die Oeffentlichkeit dringt, betrifft meist die äußerlichen Momente, doch sind diese insofern instruktiv, als man aus ihnen die rasche Aufeinanderfolge der Berathungen ersieht und daraus der Schluß auf eine möglicher Weise sehr nahe gerückte Erledi⸗ gung der schwebend en Fragen gezogen werden kann. Auch die wirthschaftlichen Fragen beschäftigen fortdauernd die öffentliche Diskussion, die jetzt durch konkreter gehaltene Vorschläge stets neues Material erhält. Ein von der „N. fr. Pr.“ aufgestellter wirthschaftlicher Reformplan findet in einigen Blättern eine ziemlich entschiedene Bekämpfung, da er darauf hinausläuft, durch Einführung der Goldwährung, sowie durch gewagte Bahn⸗ unternehmungen den österreichischen Staatskredit in einer ganz
aaußerordentlichen Weise in Anspruch zu nehmen. Je mehr auf der einen Seite die Frage der Staats⸗ hülfe extreme Richtungen einschlägt und die Gefahr klar wird, die der Staat läuft, wenn er jenes ihm oft genug entgegen⸗ gehaltene Prinzip in seinem vollen Umfange acceptiren würde, um so präziser tritt die Korrektheit des Regierungsstandpunktes auf diesem Gebiete hervor und müssen diesen selbst Organe anerkennen, die auf anderen Gebieten nicht immer mit der Re⸗ gierung eines Sinnes sind. Die Behandlung der wirthschaft— lichen Fragen darf sich, das zeigt sich von Neuem wieder, weder in theoretischen Schablonen, noch in Extremen bewegen.
— (Pol. C.) Während der jetzigen Anwesenheit mehrerer Mitglieder des ungarischen Ministeriums in Wien wer⸗ den auch Berathungen wegen definitiver Feststellung der Militär Begquartierungs⸗SGesetze stattfinden, welche den Vertretungskörpern beider Reichshälften vor⸗ gelegt werden sollen. — Den vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Gesetzentwürfen, mit welchen der 8§. 3 der Landesordnung, dann die §8§. 4 und 8 der Landeswahl⸗ ordnung vom 26. Februar 1861 abgeändert werden, ist die Allerhöchste Sanktion nicht zu Theil geworden.
Prag, 3. April. Der akademische Senat beschloß nach erregten Debatten, weder außerordentliche noch ordent⸗ liche Hörer weiblichen Geschlechts an der Prager Uni⸗ versitãt zuzulassen. l Salzburg, 4. April. (W. T. B.) Der Kardinal v. Tarno czy ist heute Nachmittag gestorben.
Bregenz, 3. April. In Vorariberger Landtage be— ginnt heute die Debatte über das „katholische“ Volksschul⸗ gesetz oder vielmehr über den wesentlich abweichenden Antrag des Schulcomités, zunächst die Abänderung des Reichsgesetzes im verfassungsmäßigen Wege zu verlangen, um für die katholische Volksschule „freie Bahn“ zu machen.
Triest, 3. April. Der Landesausschuß nahm den dem Landtage vorzulegenden Antrag an, Triest als nicht be⸗ festigte Stadt zu erklären und demzufolge die gegenwärtig bestehenden Festungswerke aufzulassen.
Pest, 3. April. Die „Pester Correspondenz“ erhält über den Aufenthalt der Minister in Wien folgende telegraphische Mittheilungen: Heute begannen die Detailberathungen der beiderseitigen Minister und Fachbeamten. Die Plenar⸗ konferenzen werden Donnerstag aufgenommen. Graf An⸗ drassy konferirte Nachmittags anderthalb Stunden mit den unga⸗ rischen Ministern und wird morgen unter seinem Vorsitze und übermorgen unter dem Präsidium Sr. Majestät ein Minister⸗ rath über das gemeinsame Budget abgehalten werden.
Die Zollkonferenzen werden bis in die kommende Woche hinein dauern, da über einige wesentliche Punkte noch Differenzen obwalten.
— 4. April. (W. T. B.) Nach einer Mittheilung des „Pester Lloyd“ beabsichtigt der Minister für öffentliche Arbeiten und Kommunikationen, den Bau der Bahn von Pest nach Semlin auch ohne vorherige Vereinbarung mit der serbischen e r ng als Nothstandsbau demnächst in Angriff nehmen zu assen.
Ragusa, 3. April. (Wien. 3.) Bezüglich des Waffen⸗ stillstandes erklärt der „Glas Ezernogora“, derselbe sei nur durch die Vermittelung Oesterreich⸗Ungarns, welches die Aufgabe des Friedensstifters übernommen habe, zu Stande gekommen.
Großbritannien und Irland. London, 3. April. Der Streit über den neuen indischen Kaiserintitel wird von den Zeitungen in zahlreichen Leitartikeln, Eingesandts Uu. s. w. auf das Lebhafteste geführt; einzelne Blätter wollen wissen, die Regierung werde die Vorlage zurückziehen; dagegen erklärt die „Morning Post“, diese Angabe sei durchaus unrichtig und die Vorlage solle unter allen Umständen durchgesetzt werden. Von der einen Seite werden die Kundgebungen der Meetings und die Proteste als Gründe angeführt, von der andern dieselben Kundgebungen als künstlich gemachte perhorreszirt. Im Ober⸗ hause ist übrigens heut der Antrag Lord Shaftsburys gegen die Titelbill mit 137 Stimmen gegen 91 abgelehnt worden.
— Die neuen Festungswerke zum Schutze der Haupt⸗ stadt gegen den Angriff einer feindlichen Flotte sind nunmehr nicht nur vollständig ausgebaut, sondern auch mit schweren neuen Geschützen armirt. Wenigstens gilt dies von dem neuen Fort zu Cliff unterhalb Gravesend und dem gegenüberliegenden Werk Coalhouse Point. Die Geschütze, welche für die Be⸗ festigungswerke von Shornmead bestimmt find, liegen noch im Arsenal zu Woolwich, werden aber an ihren Bestimmungs⸗ ort abgehen, sobald die Witterung für den Transport günstiger wird. Diese neuen Forts vereint mit den älteren Festungswerken von Sheerneß, Isle of Grain, Tilbury Fort und New Tavern Fort (Gravesend), sämmtlich armirt mit schweren Geschützen neuester Konstruktion, entsprechen nach dem Urtheil der Fachmänner vollkommen allen Bedürfnissen der Gegenwart, und die Hauptstadt wie das Arsenal sind gegen Angriffe einer feindlichen Flotte sicher gestellt.
(C. C.) Die in den ostafrikanischen Gewässern stationirten Kreuzer haben unlängst wieder drei Sklavenschiffe aufge⸗ bracht und über hundert Sklaven in Freiheit gesetzt. Die jüngst veröffentlichte Proklamation des Sultans von Zanzibar wird besonders wirksam zur Unterdrückung des . in Ostafrika beitragen.
— 4. April. (W. T. B.) Die Große Jury des Central⸗ Kriminal-Gerichtshofes hat sich für Erhebung der An⸗ klage gegen den Kapitän der „Franconia“, Ferdinand Keyn, ausgesprochen. Die Verhandlungen der Assisen beginnen voraus sichtlich morgen.
Frankreich. Paris, 3. April. Das klerikale Univers“ schreibt: „Sobald die Verfolgung der Kirche angefangen haben wird, wird man sehen, daß die Protestanten minder heftig, aber verrätherischer auftreten werden, als die Radilalen. Bei der Verfolgung, die uns bedroht, wird Calvins Geist mehr thun, als all die Wuth der Radi⸗ kalen. Die Schweiz liefert uns ein Beispiel hiervon. In der Schweiz sind die Katholiken und ihre Priester gesetzmäßig vogelfrei. Da blüht das Ideal der modernen Verfolgung.“
Die Pariser ultram ontanen Blätter erklären den fran⸗ zösischen „Kulturkampf“ für eröffnet, weil der Justiz⸗ und Fultus⸗ Minister Dufaure in der Wahlprüfungskommission erklärt habe, er sei entschlossen, alle Angriffe des Klerus gegen die bürger⸗ lichen Institutionen und das öffentliche Recht Frankreichs ent- schieden zurückzuweisen und die Verbreitung der Doktrinen des Syllabus mit allen gesetzlichen Mitteln zu verhindern.
— Bei Gelegenheit der Amnestie⸗Verhandlungen war die Ansicht zu Tage getreten, der Senat wäre eine Art von Revisionsrath oder vielmehr ein wirklicher Kassationshof, also dasselbe etwa, wie der Senat des Kaiserreichs. Dagegen erklärt sich jetzt das „Journal des Debats“ in fol⸗ genden Auslassungen: „Die Verfassung vom 25. Februar hatte etwas Anderes im Auge. Der neue Senat theilt, wie die ehe⸗ malige Pairskammer, die gesetzgebende Gewalt mit der Deputirten⸗ kammer; alle Gesetze, außer den Finanzgesetzen, können zuerst vom Senate besprochen werden; er kann sehr gut den Vorsorung nehmen und wird Recht haben, es zuweilen zu thun und aus der Langsamkeit der anderen Kammer Vortheil zu ziehen, um Fragen zu lösen, die einer Mehrheit unberührt zu überliefern gefährlich wäre, wenn diese Mehrheit durch ihre Unerfahrenheit selbst ihren eigenen guten Absichten im Wege steht.“
— Der Minister des Aeußern hat in seinem Voranschlag für 1877 Erhöhungen verschiedener diplomatischen Bezüge, im Ganzen um 190,090 Fr., beantragt. Zunächst soll der Gehalt des Botschafters in Berlin von 140, 000 auf 160 000 Fr. gebracht werden. „Der Berliner Posten“ — heißt es in den Motiven — „ist seit dem letzten Krieg eine der kost⸗ spieligsten Residenzen von Europa geworden. Es dürfte wohl überflüssig sein, die politische Wichtigkeit dieser Hauptstadt näher auszuführen, sowie die Lasten, welche ein solcher Aufschwung unserem Botschafter in Bezug auf die mit solchen Funktionen ver⸗ bundene offizielle epräsentation auferlegt. Ja dem man eine Erhöhung seiner Bezüge von 140,000 auf 160,000 Fr. beantragt, wil man ihn nur mit den für eine angemessene Behaupiung seines Rangs schlechter⸗ dings nothwendigen Geldmitteln ausstatten. Der Gehalt des Bot⸗ schafters in Wien soll von 170, 000 auf 180,600 Fr. gebracht werden. „Die Bezüge des Chefs unserer diplomatischen Ver⸗ tretung in Oesterreich⸗ Ungarn“ — sagen die Motive — ind seit den Ereignissen von 1870 71᷑ von 200,900 auf 170 000 Fr. herabgesetzt worden. Die in das Budget von 1877 eingetragene Erhöhung beträgt also nur den dritten Theil der Reduktion, welche von der letzten Legislatur aus Sparsamkeitsrücksichten an⸗ geordnet worden ist; sie wird die Emolumente unseres Botschaf⸗ ters in Wien in ein richtigeres Verhältniß zu den mit so hoher Stellung, in einer Residenz, wo die Preise aller Bedürfnisse in beständiger Zunahme begriffen sind, verbundenen Lasten bringen“. Die Zahl der konsularischen Posten wird um einen vermehrt, in⸗ dem das im Jahr 1873 aufgelöste Vize-Konsulat von Boston (Gehalt 8000 Fr.) wiederhergestellt wird. Erhöht werden die Bezüge folgender Konsulate: Antwerpen von 18,900 auf 20 0900, Bilbao von 12000 auf 14,000, Cagliari von 12,000 auf 14,0900, Düsseldorf, Florenz und Livorno je von 14090 auf 16,000, St. Petersburg von 20,000 auf 25,000, Mogador, Santander, Tiflis und Trapezunt von 12000 auf 14000 Fr. Geringere Aufbesserungen sind für die Vize⸗Konsuln in Brussa, Schumla, Fiume, Larnaca, Portorico, Santo Domingo, Venedig und Ven⸗ timiglia präliminirt.
— , (W. T. B dan rng offeiel⸗ publizirt ein Dekret, welches den Termin für die Eröffnung der internationalen Weltausstellung in Paris auf den 1. Mai 1878 anberaumt. — Dasselbe Journal veröffentlicht das Gesetz, betreffend die Aufhebung des Belagerungs⸗ zustandes in den noch übrigen vier Departements.
Versailles, 4. April. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer theilte der Minister des Innern, Ricard, mit, daß das „Journal officiel! morgen das Gesetz über die Aufhebung des Belagerungszustandes veröffentlichen werde. — Die Budgetkommission hat Gam⸗ betta zum Vorsitzenden gewählt.
Spanien. Madrid, 30. März. Die spanischen Zeitungen bringen einen Hirtenbrief des Bischofs von Gibraltar
und machen auf den Kontrast aufmerksam, der sich zwischen den
versöhnlichen Worten des englischen Prälaten und den Aus⸗ fällen der hiesigen Kirchenfürsten gegen die Obrigkeit kundgiebt. Das Schriftstück bezieht sich auf den bevorstehenden Besuch des Prinzen von Wales in Gibraltar und ist auch für deutsche Leser von Interesse. Es ist an den Generalvikar der Diözese ge— richtet und lautet nach der „Köln. Ztg.“ in den Hauptpunkten:
„Heute kann es, keinem Zweifel mehr, unterliegen, daß Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales in den ersten Tagen des nächsten Monats unsere Stadt mit seinem Besuch beehren wird. Es ist wohl unnöthig, die Katholiken Gibral⸗ tars kei Gelegenheit eines so glücklichen Ereignisses an ihre Pflichten zu erinnern. Sie alle wissen sehr wohl, daß sie ihrem Fürsten Achtung, Treue und Gehorsam schulden, und das nicht um der Strafe, sondern um des Gewissens willen. (Röm. 13, 5.) Wir Priester schulden unserer geliebten Herrscherin mehr! wir schulden ihr Liebe und Dankbarkeit. Wir verdanken der Gerechtigkeit, der Für sorge und der Festigkeit, welche sich in unserer Regierung kund giebt, jenen Frieden, jene Ordnung, jene Wohlfahrt und Be⸗ ständigkeit, welche so viele andere Völker entbehren müssen⸗. .. Wolle deßhalb veranlassen, daß von dem Augenblick an, wo Se. König⸗ liche Hoheit sich in Malta nach hier einschifft (was man rechtzeitig erfabren dürfteh, bis zu seiner Ankunft in England der Priester in jeder h. Messe daz Gebet pro navigantibus einlege; ertheile ferner die nöthigen Anweisungen, daß zum Zeichen der Freude und zum Bewelise der Verehrung die Kicche Sta. Maria la Coronada, das Kloster Nuestra Sen6ora de Europa und das Kollegium de San Bernardo festlich erleuchtet werden. ... Ich weiß wohl, daß der erlauchte Prinz gerade in der Zeit ankommen wird, welche unz an die großen Geheimnisse des Leidenz und Todes unseregz Herrn Jesu Christi erinnert; allein die Umstände liegen derart, 6 sie jede zulässige Aeußerung der Freude, welche solche Freig nisse mit sich zu bringen pflegen, rechtfertigen, vorausgesetzt, daß die⸗ selbe nicht gegen die Feier dieser heiligen Tage verstößt, wie z B. Bälle und Theatervorstellungen. Die Enthaltung der Katholiken von diesen letztgenannten Zerstreuungen, falls sie überhaupt stattfin . den sollten, wird zweifellos in den Augen unserer tugendhaften Kö— nigin und denen ihres ältesten Sohnes Anerkennung finden, so wie nicht minder bei unseren protestantischen Mitbürgern, mit denen wir, wenn auch leider in einzelnen wichtigen Dogmen unter uns keine Uebereinstimmung herrscht, doch bei jeder Handlung christlicher Liebe