ö
derung betreffs der Verzehrungssteuern fallen, sondern es bleibt überhaupt das bisherige Quotenverhältniß der Beitragsleistung beider Reichshälften zu den gemeinsamen Ausgaben auf weitere 10 Jahre unverändert. In diesem völlig unerwarteten Resultate liegt der anerkennenswerthe Erfolg des österreichischen Mini⸗ steriums. Damit ist die gesammte Ausgleichsfrage aus der Welt geschafft, einschließlich jener finanziellen Punkte, welche, wie man allgemein noch gestern glaubte, erst in einem späteren Zeitpunkte gesondert zur Verhandlung hätten kommen sollen; die Gefahr endloser Ausgleichs⸗Verhandlungen, welche dem Reiche ernstlich drohte, ist so mit Einem Schlage beseitigt, die Monarchie als Ganzes, die beiden Landesregierungen im Spe⸗ ziellen können sich nunmehr wieder ganz den großen Aufgaben, welche ihrer harren, widmen. Das vertragsmäßig bestehende Quotenverhältniß geht bekanntlich dahin, daß zu den Kosten der gemeinsamen Angelegenheiten Oesterreich 70 Prozent, Un⸗ garn 30 Prozent, oder nach Uebergang der Militärgrenze in die Civilverwaltung Ungarns — in Folge der hierfür speziell von Ungarn zu leistenden Quote von 2 Prozent des Gesammt⸗ erfordernisses — Oesterreich thatsächlich 68,6, Ungarn 31,4 Prozent beiträgt. Das Zugeständniß, welches die österreichische Regierung in der Steuerrechts-Restitutionsfrage machte, ist bekannt. Rücksichtlich der Vereinbarungen in der eigentlichen Zollfrage dürfte mehr als das bereits Bekannte kaum in die Oeffentlichkeit gelangen, che der Zolltarif sammt dem ab— zuschließenden deutsch-österreichischen Handelsvertrage den Legis⸗ lativen vorgelegt wird. Aus dem Gesagten ergiebt sich im Ganzen, daß sowohl das Zoll⸗ und Handelsbündniß als auch die finanziellen Ausgleichsverträge erneuert werden. Was end— lich die Bankfrage betrifft, so bildet das mehrfach erörterte Pro⸗ jekt einer einheitlichen Bank mit einheitlichen Noten, jedoch mit gewissen Zugeständnissen an die Autonomie Ungarns, die Grundlage der erzielten Verständigung. Einzelheiten über die getroffenen Vereinbarungen außer den bereits be⸗ kannten liegen nicht vor und dürften auch augenblicklich deren noch nicht viele festgestellt sein. Jedenfalls bleibt die Einheit der Währung, die Einheit der Zettelbank gewahrt. Die Frage der auf ungarischer Seite geforderten materiellen Theilung des Metallschatzes wurde, wie wir erfahren, nicht entschieden. Die österreichische Regierung erklärte, nach dieser Richtung eine Vereinbarung nicht treffen zu können, nachdem die Disposition über den Baarschatz ausschließlich der Bank vorbehalten bleiben müsse. Die ungarische Regierung acceptirte diesen Standpunkt und somit wird die angeregte Frage erst anläßlich der Verhand⸗ lungen über die Erneuerung des Bankprivilegiums in beiden Reichshälften zur Entscheidung kommen.
Prag, 2. Mai. Die Vollversammlung des Vereins der mittelböhmischen Zuckerfabriken faßte, wie die „N. Fr. Pr.“ mittheilt, die Resolution, es sei die Regierung aufzufor⸗ dern, eine beruhigende Erklärung abzugeben bezüglich der Frage der Zoll-Restitution bei Zucker gegenüber Ungarn, nachdem in der jüngsten Zeit allerlei diesbezügliche Gerüchte zu Börsen⸗ manövern benützt wurden, wodurch die gesunde Geschäftsfüh⸗ ung untergraben werde.
Pe st, 2. Mai. Nach der Meldung des „Pester Lloyd“ boten bei den letzten Verhandlungen nur zwei Punkte noch Schwierigkeiten Der erste Streitpunkt war die Uebersiedlung eines Theiles des Metallschatzes nach Pest, worauf die ungarische Regierung formell bestand, während die österreichische Regierung gerade diesen Punkt aus formalen Gründen bekämpfte, weil dadurch der Dualismus des Bankwesens äußerlich am deutlichsten veranschaulicht werde. Der zweite Differenz⸗ punkt betraf die Zusammensetzung des gemeinsamen Ueber⸗ wachungs⸗Comités, das nach dem österreichischen Vorschlage aus zwölf Mitgliedern bestehen und von der Generalversammlung der Aktionäre gewählt werden sollte. Vier Mitglieder sollten aus der österreichischen, vier aus der Mitte der ungarischen Direktion gewählt werden, und vier Mitglieder aus den außer⸗ halb beider Direktionen stehenden Aktionären. Nachdem die unga⸗ rische Regierung mit ihrer Absicht, diesen Ueberwachungsrath gänzlich zu beseitigen, nicht durchzudringen vermochte, beantragte dieselbe, das Ueberwachungs Comité habe aus sechs Mitgliedern zu bestehen; zwei hätte die österreichische, zwei die ungarische Direktion aus ihrer Mitte zu wählen, und jeder der beiden Finanz⸗Minister hätte sodann ein Mitglied in das Comité zu ernennen. Dieser Antrag wurde angenommen.
Schweiz. Nachdem der Bundesrath der Errichtung eines christkatholischen Bisthums für die Schweiz die bundes⸗ gemäße Genehmigung ertheilt hat, ist nun von dem Landammann Keller der Synodalrath auf Montag, den 8. Mai, nach Solothurn einberufen, um die beförderliche Versammlung der National⸗ synode anzuordnen, das Traktandenverzeichniß derselben festzu⸗ setzen, und noch einige wichtige Vorlagen an die Synode vorzu⸗ bereiten.
Großbritannien und Irland. London, 2. Mai. Im Unterhause gab über das Schiff „Octavia“, welches vor Kurzem von einem spanischen Dampfer aufgebracht und nach Porto Rico geführt wurde, in Erwiderung einer Anfrage Ser⸗ jeant Simons der Unter⸗Staatssekretär im Auswärtigen Amte, Herr Bourke, folgende Auskunft: Seit der Zeit, wo die Weg⸗ nahme der „Octavia“ bekannt wurde, also seit etwa sechs Wochen, sind vom britischen Konsul in Porto Rico und von den Flottenbehörden an Ort und Stelle bezüglich des Schiffes schnelle Maßregeln getroffen worden. Als die Umstände der Königlichen Regierung gemeldet wurden, setzte sich dieselbe sofort mit der spanischen Regierung durch den englischen Gesandten in Madrid in Verbindung. Das Ergebniß war bis jetzt, daß sämmtliche britische Unterthanen in Freiheit gesetzt wurden und Weisungen ergingen, auch den Kapitän, der ein Deutscher ist, sammt seiner Familie ebenfalls auf freien Fuß zu setzen. Allein das Fahrzeug, seine Ladung und drei Per⸗ sonen, angeblich Cubaner, werden noch zur Aburtheilung vor einem sogenannten Prisengericht festgehalten. Es sind darüber Vorstellungen gemacht worden und Verhandlungen sind gegen⸗ wärtig noch im Gange. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, daß der Kapitän in Ketten gelegt oder die Mannschaft mißhandelt wurde. — Bezüglich des streitigen Auslieferungsfalles, zu welchem der mehrerwähnte amerikanische Fälscher Win slow den An⸗ haltspunkt geliefert hat, wurde ferner der Minister des Innern von Sir Henry James befragt. Der Minister erwiderte, es sei
eigentlich gegen Vorlegung des Schriftwechsels zwischen der diessei⸗ tigen und der amerikanischen Regierung Nichts einzuwenden. In⸗ dessen sei das Auswärtige Amt der Meinung, daß die Mittheilung desselben im gegenwärtigen Augenblick nachtheilig sein könnte. (Vgl. Amerika.)
Frankreich. Paris, 2. Mai. Am Freitag sollen nach einem Telegramm der Köln. 3. im Ministerrathe, dem auch
schlüsse gefaßt werden. Am Sonnabend reist der Marschall Mac Mahonedann zu den Festlichkeiten der Johanna d'Arc nach Orleans ab. — Infolge der Verzögerung, welche die Veröffent⸗ lichung der administrativen Veränderungen erfährt, zeigen sich, der Indep.“ zufolge, die Republikaner sehr verstimmt. Sie fürchten, daß bei einer neuen Wahlperiode die nicht abgesetzten Präfekten der „moralischen Ordnung“, welche ihre Stellung ge⸗ mißbraucht, um Deputirte wählen zu lassen, deren Wahl von der Kammer wegen zu offenbarer Verletzung der Wahlfreiheit hat kassirt werden müssen, in ihrem bisherigen Benehmen fort⸗ fahren werden. Briefe, wie die des Hrn. v. Chazelle, dem sich Andere angeschlossen, gäben Zeugniß von der Gesinnung der alten Verwaltung und der Nothwendigkeit durch⸗ greifender Veränderungen. Dem Vernehmen nach würden die Veränderungen, wenn Herr Ricard übermorgen nach Paris zurückgekehrt sei, veröffentlicht werden. Denn am Freitag solle sich deshalb ein Ministerrath versammeln, und wenn die Neu⸗ Ernennungen verzögert seien, so würden sie deto befriedigender ausfallen.
— Der Zudrang der Pilger zur Kapelle des heiligen Herzens auf Montmartre war heute sehr groß. Es hatten sich die Pilger der Gemeinde Saint Germain des Präs (Faubourg Saint Germain), meistens Priesier, Mönche, Nonnen und junge Mädchen, eingefunden. Morgen ist einer der Haupttage auf Montmartre. Zahlreiche Gemeinden und das große Seminar von Meaux werden erwartet. Außer diesen Wallfahrten finden fast jeden Tag besondere kirchliche Ceremonien statt. Heute legte der Kardinal⸗Erzbischof von Paris den Grundstein in der Avenue de Friedland (in der Nähe des Triumph⸗ bogens der Champs Elysées) zu einer Kapelle des „Sacré Coeur“, dem sich nach den Geboten der Jesuiten ganz Frankreich weihen soll. — Das „Univers“ bringt den Wortlaut der Bitt⸗ schrift, welche die katholischen Familienväter! an die Depu⸗ tirtenkammer und den Senat gegen den von Waddington vorgelegten Gesetzentwurf, betreffs Abänderung des Unter⸗ richtsgesetzes richten. Als Katholiken beglückwünschen sich die Bittsteller, daß die unumstößlichen Rechte der Kirche von dem Gesetze, das man angreift, anerkannt wurden, als Familien⸗ väter schätzen sie sich glücklich, ihre Kinder nicht dem Ein⸗ flusse unheilvoller Lehren auszusetzen. Schließlich beto⸗ nen die Bittsteller noch die für die katholischen Universi⸗ täten schon aufgewandten Kosten und erklären die Vorlage Waddingtons für einen Angriff gegen das Eigenthum. — Die Ultramontanen setzen ihre Bestrebungen fort, auch die Arbeiter auf ihre Seite zu ziehen. Das „Univers“ erklärt offen, daß die Ar⸗ beiterfrage ihm und seinen Gesinnungsgenossen überall am Herzen liege. Der Bischof Freppel hielt vorgeftern in der Madeleine eine Predigt über „das große Werk der katholischen Arbeitervereine“, worin er diese als die auserwählten Rüstzeuge der Kirche empfahl, und vor den Zuhörern, um mit dem „Univers“ zu reden, das Bild der Einrichtungen entrollte, welche die Kirche von ihrem Ursprunge bis auf unsere Tage gegründet habe, um die Armen zu unterstützen und zu trösten. Msgr. Freppel schloß mit der Hinweisung auf die Devise der Kirche: „Non veni pacem mittere sed gladium!“ — In der Kapelle „Vom heiligen Herzen Jesu“ wurden zu Gunsten der Universitätsunterrichtsfreiheit! Gebete gelesen. — Die klerikalen Provinzblätter eifern gegen das populärste Unter⸗ nehmen der Regierung, die Ausstellung von 1878.
— 3. Mai. (W. T. B.) Das in Ajaceio erscheinende Journal „Aigle“ veröffentlicht einen Brief Rouhers, in welchem derselbe den Wählern seinen Dank ausspricht und die Abstimmung vom 5. März als eine Anerkennung der Rechte des Hauptes der Kaiserlichen Familie bezeichnet.
Spanien. Madrid, 3. Mai. (W. T. B.) Das von dem Deputirten Alvarez eingebrachte, gegen die To⸗ leranz in Religionsfragen gerichtete Amendement wurde von dem Minister⸗Präsidenten Canovas del Castillo leb- haft bekämpft und bei der Abstimmung mit 226 gegen 39 Stim⸗ men abgelehnt.
Italien. Rom, 4. Mai. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer stellte der Minister⸗Präsident Depretis den Antrag, die Bureaux sollten bereits morgen mit der Prüfung der Eisenbahn-Konventionen beginnen und die Deputirtenkammer möge vor Allem die Konvention, betreffend die oberitalienischen Eisenbahnen wegen des internatio⸗ nalen Charakters derselben, berathen. Der Antrag wurde an⸗ genommen.
Türkei. Pera „28. April. (Allg. Ztg.) Die amtlichen Nach⸗ richten aus Bagdad melden, daß dort vom 16. bis 22. April 336 Menschen an der Pest gestorben sind; in Hil lah starben in demsel⸗ ben Zeitraum 159 Menschen; die Epidemie hatte bis dahin noch nicht den Cordon überschritten. — Auf der Insel Cypern haben sich leider wieder die Heuschrecken gezeigt, welche seit fünf Jahren von der Insel vertilgt waren. — Did von hier nach Angora geschickte Spezialkommission zur Untersuchung der Vorfälle zwischen den Hassunisten und Antihassunisten hat nach den sorgfältigsten Erhebungen festgestellt, daß der ganze Lärm, welchen die Hassunisten über angebliche Mordan⸗ fälle, über willkürliches Einschreiten des Statthalters u. s. w. erhoben, vom Anfang bis zum Ende erlogen war.
Amerika. Washington, 3. Mai. (W. T. B.) Der Präsident der Vereinigten Staaten, Grant, hat dem Kon⸗ greß eine Botschaft zugehen lassen, in welcher er die Mit⸗ glieder der beiden Häufer auffordert, der Eröffnung der Welt⸗ ausstellung beizuwohnen. Der Botschaft ist der Bericht der Ausstellungskommission beigegeben, in welchem mitgetheilt wird, daß die Vorbereitungen für die Eröffnung der Ausstellung am 10. d. M. beendet seien.
— Unterm 2. d. meldet eine Depesche der „A. A. C.“ aus Washington: Mr. Fish, der Staatssekretär, hat den Vorsitzenden des Repräsentantenhaus⸗Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten benachrichtigt, daß Großbritannien endgültig be⸗ schlossen habe, den Fälscher Winslow den Behörden der Ver⸗ einigten Staaten nicht auszuliefern. Derselbe wird daher, wie die „E. C.“ meldet, freigelassen werden.
— Aus Philadelphia, 3. Mai, meldet, W. T. B.“: Von den für die Weltausstellung bestimmten Gegenständen sind bereits neun Zehntel aufgestellt worden.
Brasilien. Rio de Janeiro, Ende März. Das gelbe Fieber ist leider noch in stetem Zunehmen begriffen. Die Mor⸗ talitätstabellen weisen für Rio de Janeiro im Januar d. J. 120, im Februar 317 und in den ersten 17 Tagen des März 629, im Ganzen also während 25 Monaten 1066 Todesfälle nach. Hiervon kommen 604 auf die portugiesische, 193 auf die italienische, 57 auf die brasilianische und 22 auf die deutsche Bevölkerung. Unter den
silien angekommene italienische Konsul, dessen Tod allgemein beklagt wird.
Gegenwärtig ist die Zahl der Todesfälle bis auf einige siebzig per Tag gestiegen, während sich die Gesammtsterblichkeit der Hauptstadt auf 119 Fälle täglich beziffert. Die Presse ist einmüthig der Ansicht, daß die mangelhafte Straßenreinigung und die unterlassene Desinfizirung der elenden Herbergen, in denen die ankom⸗ menden Einwanderer untergebracht werden, am meisten zur Steigerung der — angeblich hier nicht endemischen — Krankheit beitragen. Namentlich wird auch das Verfahren, die Straßen mit Meerwasser zu bespülen, als höchst verderblich bezeichnet, weil das Wasser zunächst dem flachen Strande geschöpft wird, wo seit unvordenklicher Zeit („O' Globo“ sagt, sest dreihundert Jahren) aller Unrath von Rio abgelagert sei. Gerade in der Verpestung der dem Strande zunächst liegenden Theile der Ban hat der leidige Gesundheitszustand der Hauptstadt seinen Ursprung. Die Anordnungen der Regierung werden von den Lokalbehörden mangelhaft oder gar nicht ausgeführt, weil es an der nöthigen Ueberwachung fehlt. Ein Vorgang neuesten Datums mag als Beispiel gelten. An der gegenüber von Rio liegenden, als be⸗ sonders gesund geltenden Seite der Bay befindet sich ein Hospital für die am gelben Fieber erkrankten Seeleute, welches nur benutzt wird, wenn die Epidemie größere Dimen⸗ sionen annimmt. Dort in der Nähe war vor einiger Zeit ein Schiff gestrandet, dessen Ladung — 5000 Cent⸗ ner gesalzenes Fleisch — bald in Fäulniß über⸗ ging und die Umgegend verpestete. Ein Regierungsdekret vom 29. Februar ordnete die Beseitigung dieses Fleisches an, blieb aber unausgeführt, bis am 13. März der Kaiser von Brasilien, welcher jenes inzwischen eröffnete Hospital besuchen wollte, durch die verpestete Luft bereits auf eine Meile Entfernung sich zur Umkehr gensöthigt sah.
In Folge direkten Kaiserlichen Befehls wurde nunmehr . geschafft, indem man Schiff und Ladung in Brand eckte.
Die Nr. 33 des ‚Amtsblatts der Deutschen Reichs— Post⸗ und Telegraphen-Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügungen: vom 27. April 1876. Behandlung nachgemachter und ver⸗ fälschter, sowie beschädigter und unbrauchbar gewordener Reichskassen⸗ scheine; — vom 27. April 1876: Einziehung der noch kursfähigen Landes ⸗Kupfermünzen; — vom 28. April 1876: Postverbindung zwischen Bremen und Brastlien.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 4. Mai. Die Justizkommission des Reichstages trat zu ihren Schlußberathungen der Justiz Reformentwürfe Dienstag, Abends 8 Ubr, zum ersten Male wieder zusammen. In ihrer ersten Sitzung beschräͤnkte sich, wie die ‚Auerb. Korr.“ mittheilt, die Kom- misston auf das Anhören der Eröffnungen, welcke der Direktor des Reichs ⸗Justizamts v. Amsberg, betreffend die vom Bundesrathe gepflogenen Berathungen über die Beschlüsse der Juftizkommission, machte. Der Wirkl. Geh. Ober-⸗Regierungsrath v. Amsberg be⸗ tonte, daß die den Beschlüssen der Juftizkommission gegenüber vom Bundesrathe gestellten Amendements als Wünsche der Regierung aufzufassen seien, und ihre Berücksichtigung das Zustandekommen des Entwurfs wesentlich erleichtern mürde, Zum Strafprozeß pro- ponire der Bundesrath im Wesentlichen Folgendes: 1) Beseitigung der mittleren Schöffen und Wiederheistellung der Bestimmungen des Entwurfs über Zusammensetzung der Strafkammern der Land⸗ gerichte. ) Berufung gegen Urtheile der kleinen Schöffengerichte; Beseitigung der Berufung gegen die Urtheile der Straf⸗ kammern; wo die Berufung zulässig ist, soll ste auch dem Staatsanwalt ebenso zustehen, wie dem Angeklagten: 3) Behandlung der Kompetenz bei Preßprozessen nach den all— gemeinen Grundsätzen. Zum Civil prozeß proponire der Bundesrath: 1) Beseitigung der Revisions summe und Wiederberstellung der Vorschläge des Entwurfs über die Zulässigkeit der Revision. 2) Pro visorische Vollstrecbarkeit aller amtsgerichtlichen Urth eile. 3) An⸗ waltszwang in handelsgerichtlichen Prozessen. 4) Wieder⸗ herstellung des Satzes. daß durch den Arrest ein Pfandrecht an den arrestirten Objekten begründet wird. — Nachdem der Bundeskommissar seinen Vortrag beendet hatte, sprachen sich mehrere Mitglieder der Kommission dahin aus, daß die von den Regierungen vorseschlagenen Abänderungen bei den folgenden Be⸗ rathungen der Kommisston selbstredend volle Würdigung finden wür⸗ den, daß dies jedoch durch eine gedruckte Vorlage, in welcher alle vom Bundesrathe vorzuschlagenden Abänderungen und Ergänzungen zusammengestellt wären, am ehrsten erreicht werden könnte. Der Bundeskommissar versprach sodann, schleunigst die gedachten Anträge den Kommisstonsmitgliedern gedruckt zugehen zu lassen. Die Berathungen wurden hierguf bis Donnerstag Abend vertagt. Aus den bereits gestern den Mitgliedern der Justizkommission zu⸗ gegangenen gedruckten Anträgen des Bundesraths sind besonders die jenigen Vorschläge hervorzuheben, welche die Einfügung von neuen Bestimmungen in die Justiz⸗Gesetzentwürfe bejwecken: Nach §. 330 der Civil -Prozeßordnung ist als S§. 330a. folgende Be- stimmung vorgeschlagen: „Oeffentliche Beamte, auch wenn ste nicht mehr im Dienste sind, dürfen über Umstände, auf welche sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde oder der ihnen zuletzt vorgestzt gewesenen Dienstbehörde vernommen werden. Für den Reichskanzler bedarf es der Genehmigung des Kaisers, für die Mi— nister der Genehmigung des Landesherrn. Die Genehmigung ist durch das Prozeßgericht einzuholen und dem Zeugen bekannt zu machen.“ — Nach 5 3665 ist als §. 3352. folgende Bestimmung vorge⸗ schlagen: „Der Reichskanzler, die Migister eines Bundesstaates, die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte, die Vorstände der obersten Reichsbehörden und die Vorstände der Ministerien sind an ihrem Amtssitze, oder, wenn sie sich außerhalb desselben aufhalten, an ihrem Aufenthaltgorte zu vernehmen. Die Mitglieder des Bundesraths sind, wenn sie am Sitze desselben aufhal⸗ ten, an diesem Sitze, und die Mitglieder ein er deut chen gesetzgebenden Versammlung sind während der Sitzungsperiode und während ihres Aufenthalts am Orte der Versammlung an diesem Orte zu vernehmen. Zu einer Abweichung von den vorstehenden Be—⸗ stimmungen bedarf es; in Betreff des Reichskanzler der Genehmi⸗ gung des Kaisers, in Betreff der Minister und der Mitglieder des Bundesrathes der Genehmigung des Landesherrn, in Betreff der Mit- glieder der Senate der freien Hansestädte der Genehmigung des Se⸗ nats, in Betreff der übrigen vorbezeichneten Beamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten, in Betreff der Mitglieder einer gesetz ; gebenden Versammlung der Genehmigung der letzteren. (Analoge Anträge sind vom Bundezsrathe auch zu 8 44 und 47 a., der Straf , Prozeß⸗ ordnung gestellt worden.) — Nach 5§. 405 der , ist als 8. 405 a. die nachstehende Bestimmung vorgeschlagen: Dur die Annahme oder Zurückschiebung des Eides wird die Geltend= machung anderer Beweismittel ausgeschlosen, sofern nicht der Eid nur für den Fall zugeschoben oder als zugeschoben anzusehen ist, daß , n n . des Beweises durch andere Beweigmittel erfolglos bleibt.“
— Die Kon kursordnungs⸗Kommission des Reichstages tritt nunmehr nach einem an die Kommisstonsmitglieder gelangten Sckreiben des Vorsitzenden, Stagtsraths Dr. von Sarwey, aus Stuttgart, am Donnerstag, den 18. Mai c., zur zweiten Lesung des
der Mmister des Innern, Ricard, anwohnen wird, wichtige Be⸗
Opfern befindet sich auch der erst vor wenigen Monaten in Bra⸗
Konkursordnungs⸗Entwurfs zusammen.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 4. Mai. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten nahm in der Berathung des Kappschen An⸗ trags, die Kündigung des mit dem Fürsten von Waldeck am 18. Juli 1867 abgeschlossenen Vertrages betreffend, der Vize⸗ Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Camp⸗ hausen, nach dem Abg. Dr. Kapp das Wort:
Meine Heiren! Der Herr Vorredner hat in seinem Vortrage eine Acußerung des Finanz Ministers Camphausen angeführt. die zwar von mir gemacht worden ist, aber nicht zu einer Zeit, wo ich ver⸗ antwortlicker Minifter warz, sondern die von mir gemacht ist in meiner Eigenschaft als Mitglied des Herrenhauses. Bei jener Aeußerung würde ich aber auch noch heute stehen bleiben, insofern in jener Aeußerung sehr lebhaft ausgesprochen war, daß wir mit unseren Verbündeten Abkommen zu treffen haben, wonach die Annexion ihrer Laͤnder nicht erforderlich wird. Wir stehen noch heute, wo ich im Namen der preußischen Staatsregierung spreche, so, daß wir den Fürsten Waldeck durchaus nicht, wie der geehrte Hr. Ver. redner, für einen überflüssigen Fürstzn halten, im Gegentheil, meine Herren, wir vergegenwärtigen uns sehr lebhaft, daß, wenn der Vertrag nicht erneuert werden sollte, Eines gewiß nicht eintreten wird, nämlich die Annexion, und daß es sich also um die Frage handeln wird, ob, und in welcher We se dann der Vertrag zu verlängern oder ein neuer Vertrag zu schließen ist. Wir würden unsererseits auch nicht bereit seien, anzuerkennen, daß das bisherige Verhältniß dem Lande Waldeck keinen Vortbeil gebracht habe. Wenn es darauf an— käme, den jetzigen Zustand mit dem früheren zu vergleichen, wenn es darauf arkame, was in dem Lande, seitdem diese Verbindung mit Pr: ußen stattfindet, geschaffen worden ist, dann würde sich denn doch ein durchaus nicht ungünstiges Resultat ergeben, wobei ich anerkenne, daß die Wünsche und Ansprüͤche und Anfor— derungen der Bevölkerung über dieses Resultat noch immer hinausgegangen sind, und daß wir in Folge des Vertrages auf der einen Seite mehrt oder weniger lebhafte Bemerkungen unserer preußi⸗ schen Lander vertretung zu hören bekommen, daß unsere Ausgaben, unsere Aufwendung für das Land zu groß seien, und daß wir auf der anderen Seite Aeußerungen vernehmen, wonach für das Ländchen lange nicht so viel geschehe, wie geschehen könnte. In einem Punkte stimmt nun aber die Staatsreßierung mit dem Hin. Antragsteller vollständig überein, nämlich in demjenigen Punkte, daß sich die Verlängerung des bis jetzt bestehenden Vertrages um volle zehn Jahre nicht empfehlen würde, und die Staatsregierung hat des halb den Entschluß gefaßt und bat die Allerhöchste Ermächtigung dazu er— halten, behufs Anknüpfung von Verhandlungen dem Fürsten Waldeck den abgeschlossenen Bertrag im Laufe dieses Jahres zu kündigen. Diese Kündigung wird also erfolgen und wir werden uns bemühen, dann einen neuen Vertrag zu bringen, der möglichft den Interessen der beiden Länder entspricht. z ö
Nach dem Abg. Miguel erklärte der Finanz⸗-Minister Camphausen: .
Meine Herren! Die sorgfältige Erwägung aller der angeregten Ge⸗ sichtspunkte wird jedenfalls erfolgen. Allzugroße Hoffnungen auf Herab setzung der preußischen Beiträge möchte ich nicht erwecken, und ich würde auf das Wort wohl hahen verrichten können, da ja natũrlich die eigentliche Behandlung der Frage erst in dem späteren Stadium erfolgen kann, wenn mich nicht der Umstand, daß die beiden Herren Vorredner, welche das Wort genommen, von dem Verkauf der Domänen in Waldeck gesprochen haben und von der Voraussetzung ausgegangen sind, daß der Verkauf zum Nachtheil des Landes stattfinden soll, mich nicht veranlassen müßte, noch eine kleine Mittheilung über diesen Punkt zu machen. Ich habe vor einiger Zeit von dem Landesdirektor Auskunft darüber erfordert, wie es sich mit dem Domãnenkauf in Waldeck verhielte, und er hat mir darüber einen Bericht erstaꝛtet, aus dem ich folgenden Passus zur Kenntniß des hohen Hauses zu bringen wünsche. Es heißt in dem Bericht: ;
Was die bei dem letzten hiesigen Landtage bereits zur Sprache gebrachten und in öffentlichen Blätter erwähnten Veräußerungen aus dem Bestande des Domanialvermsgens betrifft, so beschränken sich dieselben auf unwesentliche Verkäufe, wie sie bei jeder be— deutende Güterverwaltung vorkommen, beziehungsweise durch deren Interesse geboten werden. Nach der im Auftrage des Fürsten in der anliegenden Beilage, im letzten Re— gierungsblatt veröffentlichten Zusammenstellung beläuft sich der Gesammtwerth der seit 1868 veräußerten Objekte auf 77046 Thaler, während der Werth der zugekauften Grundsftücke 20,369 Thaler beträgt. Der Ueberschuß der Verkaufgerlöses ist durch Ablösungen u. s. w. zu Gunsten des Stammvermögens verwandt worden —
so daß also nach dieser Auekunft irgend eine Beeinträchtigung des Stammvermögens nicht stattfinden kann.
Vereinswesen.
Die 30. Hauptversammlung des Gesammtvereins der Gustav⸗Adolf⸗Stiftung soll am 12., 13. und 14. Sep— tember d. J. in Er furt stattfinden. Das Programm wird seiner Zeit bekannt gemacht werden. Diejenigen, welche Vorträge auf der Versammlung halten wollen, haben dieselben zuvor schristlich beim Centralvorstand in Leipzig bis spätestens 28. August anzumelden.
Statistische Nachrichten. Den Aufstellungen des Kaiserlichen statiftischen Amts im Heft!. Abth. 2 der Vierteljahr hefte zur Statistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1876 entnchmen wir über den wichtigsten Zweig des deutschen Bergwerksbetriebes, den Kohlenbergbau, die nachfolgenden auf das Jahr 1874 sich beziehenden statistischen An aben: Unter den Mineialkohlen stehen die Steinkohlen obenan. Es wurden im Jahre 1874 zur Gewinnung der Steinkohle als Hauptprodukt 578 Werke, als Rebenprodukt 7 Werke und zur Auf— schließung des Materials ohne Produktion 59 Werke betrieben. Die Förderung im Laufe des Jahres betrug 7183572272 Ctr. im Ge— sammtwerthe von 387,182, 871 46 (durchschnittlicher Werth des Centners Os ¶6ãJ. Von vorgenannter Gesammtmenge entfallen auf den preußischen Steinkohlenbergbau 6385773. 665 Ctr. im Werthe von 337 194, 5220 auf den bayerischen 93753367 Ctr. im Werthe von 6. S2 529 Ss, auf den sächsischen 60,845,088 Ctr. im Werthe von 38 685,552 ¶M , auf den elsaßlothringischen 6,864 160 Ctr. im Werthe von 3789 87! M; der Rest vertheilt sich auf Schaumburg Lippe, Baden, Sachsen-Mei⸗ ningen, Sachsen⸗Coburg⸗Gotha, Sachsen Weimar und 2ldenburg (Fürstenthum Birkenfeld). Von dem Verkaufswerthe der Gesammt— produktion sind 48,094,387 Etr. Steinkoblen im Werthe von 23,236,293 M in Abzug zu bringen, welche für den Bergwerkebetrieb einschl. Haldenverlust verbraucht wurden. Die bei der Förderung beschäftigten Arbeiter machten in mittlerer Belegschaft die Zahl von 185,504 Köpfen aus, wovon unter Tage arbeiteten 147485 Männer, über Tage 34,906 Männer und 3113 Weiber. Der bedeutende Auf ⸗ schwung des deutschen Steinkohlenbergbaues in den letzten zehn Jahren läßt sich aus folgender Uebersicht, welche die Menge und den Werth der geförderten Kohlen angiebt, ersehen: Ctr. 0. Ctr. 2. 1865 . 435.893, 109 120,529,092 1870 . 527. 955,390 163,537, 980 1856 . 432,594,926 127,230,114 1871 . 587,465,446 218, 351,295 1867 . 476, 161.426 137,414,202 1872 . 666. 128,366 296,668,590 1868 . 514,095, 157 145791, 09867 1873 . 727,345,597 493, 645, 296 1869 . 535. 487.365 155,186, 209 1874. 718,372,272 387, 182, 871 Nächst den Steinkohlen werden Braunkohlen in ansehnlichen Mengen gefördert. Die zu diesem Zwecke in Deutschland im Jahre 1874 betriebenen Werke belaufen sich auf S24 mit Braunkohle als Hauptprodukt, à mit derselben als Nebenprodukt und 30 zur Aufschließung des Minerals ohne Produktion. Auf diesen Werken wurden im Ganzen 214,790,633 Ctr. Braunkohlen im Werthe von 39.231, 8360 S G(durchschnittlicher Werth des Eentners O1 M6) ge⸗ wonnen, von welcher Menge aber für den Bergwerkabetrieb einschl. Haldenverlust 15, 110, S9 Ctr. im Werthe von 2580 28., np verbraucht worden find. Auch bei der Produktion der Braunkohle entfällt der
zrößte Theil, nämlich 174.332.986 Ctr. im Werthe von 31,467,846 auf Preußen; sodann folgt Sachsen mit 12,076,385 Ctr (2, 135, 6283 ), Sachsen⸗Altenburg mit 11,357,421 Ctr. (L442, 741 M5, Anhalt mit 0470 296 Gtr. [2,324,466 AÆ. Braunschweig mit 4316. 737 ECtr. (l, 183,308 S), Hessen mit 806,857 Ctr. (318,646 M), Schwarz- burg ⸗Rudolstadt mit 579,018 Etr. (94,5100 „), Bayern mit 406,835 Ctr. (126,102 M) u. s. w. Die mittlere Beleg⸗ schaft in den Braunkohlenbergwerken betrug 2537718 Arbeiter; davon arbeiteten unter Tage 15,901 Männer, über Tage 9208 Män⸗ ner und 609 Weiber. Daß auch die Braunkohlen-Produktion Deutsch- lands im Verlaufe der letzten zehn Jahre erheblich gestiegen ist, läßt folgende Zusammenftellung näher ersehen. Es wurden gefördert:
tr. M10. Ctr. 6. 1865 135 161,139 für 19,183,713 1870 152, 104, 6584 für 22, 053,117 1866 130,661, 182 „ 18,848,091 1871 169, 656,755 26.212, 644 1867 139,896 3353 „ 20 051,043 1872 180,360,964 „ 29 495,622 1868 143,487 3090 . 20. 006,520 1873 195,958,232 „ 34,626 561 1869 151,390, 897 „ 21,051,681 1874 2145790, 633 „ 39,231, 880
Kunst, Wissenschaft und Titeratur.
Der Maler Christian Mali aus München ist, dem St. A. f. W. zufolge, für ein größeres Bild, „Schafe im Frühjahr“, bas er im Kristallpalast zu Sydenham ausgestellt hat, mit der großen goldenen Medaille ausgezeichnet worden.
— Der Kupferstecher Friedrich Wagner starb am 27. v. M. in München im Alter von 73 Jahren. Seine Nachbildungen von Werken der klassischen Italtener sind in weiten Kreisen bekannt.
— Professor Dr. S. L. Reinisch ist von seiner wissenschaft⸗ ichen Reise nach Ost -Afrika am 24. April wieder in Wien eingetroffen. Derselbe hat einen eingeborenen abessinischen Knaben aus dem Stamme der Bogos und zahlreiche linguiftische Aufzeich nungen, welche er an Ort und Stelle sammelte und wodurch die Kenntniß der ostafrikanischen Sprachen wesentlich erweitert wird, mitgebracht.
— Lehrbuch der Psychologie vom Standpunkte des Rea⸗ lismus und nach genetischer Methode von Ph Dr. Wilhelm Volk— mann Ritter von Volkmar, K. K. o. 5. Professor der Philo— sophie an der Universität zu Prag, korr. Mitglied der K. Akademie der Wissenschaften in Wien, Ritter des K. österr. eisecnen Kronen-Ordens. Des Grundrisses der Psychologie zweite sehr vermehrte Auflage. Erster Band. (Cöthen, Verlag von Otto Schulze. 1875.) Der Verfasser giebt in dieser umfassenden und sorgfältigen Ausarbeitung seines früheren Grundrisses, von Herbartschem Standpunkte aus, einen klaren Ueberblick über die Leistungen des Realismus auf dem Ge— biete der Psychologie. Zugleich aber bietet derselbe in den einge— fügten geschichtlichen Exkursen und scharfsinnigen Einzelbemerkungen eine hochst dankenswerthe kritische Darstellung der historischen Ent— wickelung der einzelnen Hauptbegriffe der Psychologie bis auf die neueste Zeit, sodaß dieselbe auch weiteren Kreisen willkommen sein dürfte, um so mehr, als man neuerdings der Herbartschen Theorie eine größere Aufmerksamkeit zugewandt hat und der Verfasser des Lehrbuchz zu ihren bedeutendsften Vertretern gezählt werden daif.
Neuenburg, 2. Mai. H ute Mergen um halb 9 Uhr hat sich wieder ein Erdbeben hier verspüren lassen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
— Am Mittwoch Mittag fand in dem Kaisersaal der Passage eine außerordentliche Sitzung der ständigen Mitglieder des Kongresses deutscher Landwirthe statt, welche von etwa 100 Mitgliedern besucht war. Um 123 Uhr dröffnete der zeitige Vor⸗ sitzenke des Augschusses, Dekonomie Rath Schütze (Heinsdorfff bie Versammlung mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Anwesenden begeistert drei Mal ein— stimmten. In den Vorstand der gegenwärtigen Versammlung wurden gewählt zum Voisitzenden Oekonomie ⸗ Rath Schütze, zu dessen ersten Stellvertreter Hr. Seiler ⸗Neuensalz (Sachsen), zum zweiten Stellvertreter Hr. v. Lenthe (Hannover). Nachdem der Vorsitzende noch der verstorbenen Mitglieder, v. Wedell Vehliagsdorff, v. Wedemeyer und Prof. Dr. Tellkampf, sowie ihrer Verdienste um den Kongreß gedacht, referirte Dr. Calberla im Namen des Ausschusses über die 96 ob die in AÄussicht genommene Versammlung des Kengresses im Juni in Heidel⸗ berg statlfinden solle oder nicht. Er wies zunächst auf die jüngft ur ter den Kongreßmitgliedern ausgebrochenen Streitigkeiten hin, betonte, wie aus dem Kengreß heraus sich eine neue . die der Stener⸗ und Wirthschaftsreformer“, entwickelt habe, so daß die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht rathsam sei, den Kongreß aufulösen und sich den Steuer und Wittschaftsreformern anzu⸗ schließen. Er müsse sich gegen diesen Vorschlag erklären, weil erstens nur wenige Mitglieder des Kongresses (nur 1095 von 4539) sich der neuen Partei angeschlossen und weil er noch nicht über die Ziele die— ser neuen Partei Gewißheit erlangen könne. Dagegen beantrage er, zu beschließen: „I) Es ist in diesem Jahre keine Generalversammlung nach Heidelberg einzuberufen. 2) der Stadt Heidelberg ist von diesem Beschlaß Kenntniß zu geben unter der ausdrücklichen Bemerkung, daß der Austritt der süwest⸗ deutschen Mitglieder aus dem Ausschuß ihn veranlaßt habe. Gleich zeitig ist der Stadt Heidelberg Dank auszudrücken, insofern als sie ein Tagen dez Kongresses in ihren Mauein unterstützen wollte“. Hr. Schumacher -Zarchlin stellte sodann den Antrag, den Kongreß auf zulösen. Hieran schloß sich eine längere Debatte, in der sich außer dem Antragsteller für die Auflösung die HH. Dr. Perrot, von Treskow⸗Grocholin, Stadtgerichts⸗Rath Will manns, Knauer⸗Gröhers und Graf Dürckheim, gegen dieselbe die HH. v. Lenthe, v. Diest⸗ Daber, Dr. Rudolph Meyer, v. Rotenhan, Meier v. Cunrau, Noodt, v. Behr⸗Bandelow, v. Zitzewitz und v. Schmetterlow ausspeachen, obgleich die meisten von ihnen zu den Steuer- und. Wirihschafte⸗ reformern gehören. Der Antrag warde schließlich zurückgezogen und die oben erwähnte Resolution des Dr. Calberla angenommen.
Sewerbe und Sandel. .
Der Bruttogewinn der Diskonto⸗Gesellschaft für das Jahr 1875 beträgt nach Abschreibung der Verluste, j doch vor Ab— setzung der Verwaltungskosten ca. 6,020 000 4 Die Direktion bean trägt, hieraus eine Gesammtdividende von 7oso zu veitheilen und den verbleibenden Vortrag aus dem Jahre 1874 ven c]. 10,100, 00 zu Spezialreserven für nicht abgewickelte Geschäfte zu verwenden, Der allgemeine Reservefonds stellt fich unverändert auf ca. 12.600, 900 4
— Die Deutsche Handelsbank Lambrecht und Lange hatte im Jahre 1875 einen Gesammtumsatz von 81 Mill. Mark, während in Jahre 1874 nur ca. 559 Mill. Mark umgesetzt worden sind. An Wechseln cirkulirten 1874 5,105,672 4A, 1875 135 351.9095 , wo⸗ durch sich ein Gewinn von 45,073 4 ergab, während 1874 31437 li. brachte. Auf dem Effektenkonto erzielte die Bank 1874 10001013 c und 18575 10 913,439 M mit einem Provisionggewinn von 12,993 M gegen 20,531 4 im Jahre 1874. Der auf der anderen Seite dieses Kontos entstandene Verlust von 12.289 ½ entstammt dem Besitze eigener Effekten aus dem Jahre 1874 und solcher im Laufe des in Rede stehenden Jahres für Konto-Kurrent-Forderungen in Anrechnung üher⸗ nommener Paxiere. Im Konto-Kurrent . Konto erreichte der Umsatz gegen 1874 mit 17,949,867 „ die Ziffer von 24,638,192 A6.
— Die Fazon-Schmiede⸗ und Schraubenfabrik zu Berlin vertheilt für das vergangene Jahr keine Dividende. Von dem erzielten Bruttogewinne von 86, 336 verbleiben nach Abzug der Unkosten, Zinsen ꝛc. nur 27556 als Reingewinn, der durch Ab= schreibungen bis auf 3920 „ absorbirt wird. Die Abschreibungen betragen inggesammt 1155752 ½ und verum sachen eine Unterbilanz pen 29,416 a, die durch Entnahme aus dem Reservefond beglichen
rden ist. 3. — Nach dem Geschäftsbericht der Bergbau⸗Aktien⸗Gesell⸗ schaflt „Pluto“ betrug der im Jahre 1875 erz lte Bruttogewinn 30M C36 6 wovon 150 730 ½. zu Abschreibungen, 56. 2905 M ur Verzinsung von Prioritätganleihen, 6004 S6 zur Dotirung des
Reservefonbs, 9ö66 M als Tantisme und. 37 50 6 zur Zahlung von 5öso Dividende auf die Stamm Prioritäts Aktien vern endet
werden. Ein Rest bon 7536 6 bleibt „zur Verfügung des Verwal⸗ tungsrathes“. Die Aktien erhalten somit keine Dividende. Unter den Passiven figuriren: Stammaktien⸗Kapital 1 Emission 2400 000 6. Prioritäts⸗Stammaktien 750, 009 AM,. Stammaktien II. Emission (von dieser Enmission konnten 384,700 S nicht begeben werden) 1,265,300 M.
— In der Generalversammlung des Mechernicher Berg⸗ werks⸗Akftien⸗Vereins vom 29. v. Ni. wurden die Bilanz und die Jahresberichte pro 18765 vorgelegt. Die Bilanz ergiebt einen Bruttogewinn von 1,A372.598 S, wovon 475,231 „S6 als Abschrei⸗ bungen auf Bergwerksbesitzungen, Gebänlichkeiter und Maschinen zur Verwendung kommen. Der Reservefonds enthält aus dem bleibenden Reingewinn 61,385 6 und erreicht dadurch die statutgemäß vorge— schriebene Höhe von 960 000 466 oder 10 deg Aktienkapitals. Die Dividende keträgt 80/0.
Cöln 3. Mai. (W. T. B.) In dem Prozeß der Gesell⸗ schaft „Germania“ in Cöln ist heute die Freisprechung des Direktors Neuerburg in Cöln erfolgt. Gegen diejenigen Personen, die an dem verstorbenen Verwaltungsrathe v. Kaufmann⸗Asser in dieser Angelegenheit Erpressungen versucht hatten, ist eine Unter— suchung eingeleitet, und haben bereits Zeugenvernehmungen statt— gefunden.
— Ueber die Bier-Aus- und ⸗Einfuhr im Königreich Bayern während des Jahres 1875 theilt die „Süddeutsche Presse“ folgende statistische Daten mit: Es wurden ausgeführt mit Anspruch auf Rückvergütung des Malzaufschlags 518,176 Hektoliter (weniger gegen das Vorjahr 68,181 Hektoliter). Hiervon gingen nach den norddeutschen Staaten 4093383 Hektoliter, nach Baden, Wärttem⸗ erg, Elsaß ⸗ Lothringen 42,046 Hektoliter und in das Zollver'ins- ausland 66,746 Hektoliter. Die größte Ausfuhr war aus dem Hauptzollamt Rürnberg, rämlich 285.5032 Hektoliter, dann folgt Bayreuth mit 123.307 Hektolitern; München führte nur 34734 Hektoliter aus, Würzburg 28,829 und Hof 25.987 Hektoliter. Ohne Anspruch auf Rückvergütung der Malzaufschlages wurden aus ganz Bayern ausgeführt 26,878 Hektoliter, wovon der größte Aniheil auf Kaiserslautern (16,223 Hektoliter) und Ludwigshafen (7188 Hektoliter) trifft, deren Absatz meist nach Baden, Württernberg und Elsaß⸗ Lothringen ging. Die Gesammteinfuhr betrug 20.326 Hektoliter aus den Vereinsstaaten, wovon der größte Theil (6774 Hektoliter) auf Memmirgen und auf Kaiserslautern (6297 Hektoliter) trifft, dann 82,492 Centner (245 Pfund in einfachen Gebinden gleich 1 Hektoliter) aus dem Vereinsauslande. Von diesem Einfubrquantum treffen allein 12,472 Centner auf Oesterreich, wovon 3236 Centner nach München, 2596 Centner nach Freilassing, 1897 Centner nach Simbach und 1643 Centner nach Hof eingeführt wurden.
Wien, 3. Mai. (W. T. B) In der heutigen Generalver⸗ sammlung der Aktionäre der Nordbahn wurde, nachdem man von Verlesung des Rechenschaftsberichts Umgang zu nehmen erklärt hatte, der Betrag von 727,380 Fl. zur Errichtung von Schutzvorrichtungen gegen Schneeverwehungen, zu Rekonstruktionen, zu Anschaffung neuer Wagen und zur Erweiterung des Montanbesitzes bewilligt. Für die Mährisch⸗Schlesische Norsbahn wurde die Staatsgarantie mit 685,535 Fl. in Anspruch genommen. Ferner wurden die An träge der Direktion genehmigt, wonach zur Deckung der Beträge für die neu angekauften Linien und zum Bau der Strecke Bielitz Saybusch ein fünfprozentiges, in Banknoten verzins⸗ und amortisirbares Prioritäten ⸗Anlehen von 7,509,000 Fl. aufgenommen werden soll. Das Bezugsrecht auf die in diesem Jahre zu emittirende Hälfte dieser Anleihe sell zum Course von Ss8 den Aktionären eingeräumt werden, so, daß auf jede Aktie der Nordbahn eine halbe Prioritätsaktie entfällt. Ueber die zweite Hälfte der Anleihe bleibt der Direktion das Verfügungsrecht vorbe⸗ halten. Endlich wurde beschlossen, per Aktie 707 Fl. Superdividende zu vertheilen in der Weise, daß der Coupon der Nordbahn mit 531. baar und mit der Anweisung auf ein halbes Stück von der neuen Prioritäten⸗Anleihe zur Einlösung gelangt.
— 4. Mai. W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ veröffent⸗ licht die vom Kaiser sanktionirten Gesetze, betreffend die Koti⸗ rungssteuer bei der Wiener Börse und die Duichführung des Eisenbahnprojektes Pil sen⸗Klattau-⸗Eisenstein.
— (W. T. B.) In der heutigen Gene ar versamm⸗ lung der Elisabethbahn wurde beschlossen, den am 1. Juli e. fällig werdenden Coupon der Stammaktien, unter Heran— ziehung der Spezialreserve, voll mit 5 Fl. 25 Kr. in Silber einzu— lösen. Der Linz⸗Budweiser ; Coupon soll mit 4 Fl. 25 Kr. eingelöst und die restitenden 75 Kr. sollen zur Deckung des Ausfalles an den Betriebseinnahmen verwendet werden. Betreffs der Salzburg-⸗Tiroler Coupons erklärte der Regierungs⸗ kommissar, daß die Regierung das Betriebsdefizit diesmal, obne da mit ein Präjudiz für die Zukunft zu schaffen, in die Jahresrechnung einstellen lasse, jedoch solle die Frage wegen des Betciebsdefizits prin- ziviell gesetzlich geregelt werden. Sonach wird der Coupon vollbezahlt werden.
— Die Generalversammlung der Aktionäre der Bangue de Belgigue vom 2. d. M. beschloß, daß der Gouverneur und der Verwalter der Bank nur gegen Zahlung von 2625090 Frs. aus ihrer Verantwoitlichkeit wegen der vorgekommenen Defraudationen zu entlassen seien. ; .
Rom, 30. April. (Ital. Nachr.) Die General-⸗Zolldirektion hat eine vergleichende Uebeisicht der Ein⸗ und Ausfuhr im ersten Vierteljahr der Jahre 1876 und 1875 veröffentlicht, wonach der Import vom J. Januar ris 31. März 1875 3155735, 760 L.. dagegen 875 315,818,504 L. betragen hatte, also 6t, 9M L. mehr als im Jahre 1876; der Export im ersten Vierteljahre 1876 299 225,301 X., im ersten Vierteljahre 1875 282,355, 0357 L., also vom 1. Januar bis 31. März 1876 16,870,264 L. mehr als in derselben Periode des Vorjahres. Die Zolltinnahmen betrugen vom 1. Januar bis 31. Mãrz 376 25.722.926 X, vom 1. Januar bis 31. März 1875 26,449,473 2., Ueberschuß zu Gunsten 1875 726,547 L.
Verkehrs⸗Anstalten.
Summarische Uebersicht über den Depeschenverkehr auf der indo-europäischen Telegraphenlinie im Monat April 1876. Es sind an gebührenpflichtigen Depeschen befördert: a. aus London, dem übrigen England und Amerika nach Persien und Indien 1030 Stück, b. aus Persien und Indien nach London, dem übrigen England und Amerika 1499 Stück, . vom europãischen Kontinent — exel. Rußland — nach Persien und Indien 200 Stäck, d. auz Persien und Indien nach dem Curopäischen Kontinent — excl. Rußland — 258 Stück. Summa 2978 Stück. .
= Der Betrieb auf der Gotha ⸗Ohrdruffer Eisenbahn wird am 8. d. M. eröffnet werden. . ;
; London, 3. 1e (W. T. 34 . K Ver⸗ bindung mit Amerika ist zur Zeit unter brochen.
kn 3. Mat. Das Postdampfschiff des
dtordd. Lloyd Main“, welches am 22. April von New⸗YJork ab⸗ gegangen war, ist heute wohlbehalten hier angekommen und hat nach Landung der für Southampton bestimmten PVassagiere, Post und Ladung die Reise nach Bremen fortgesetzt. Der . Main“ uber ringt 141 Passagiere und volle Ladung. .
Plymouth, 3. Mai. (W. T. B. Der Hamburger Vo st⸗ dampfer „Goethe“, welcher die Schraube verloren hatte, kehrt nach England zurück und ist in Sicht des Leuchtthurms von St. Agnes Scilfy⸗Inseln). Ein Schleppdampfer ist ihm entgegengesandt. An Bord des „Goethe“ ist nach den gegebenen Signalen Alles wohl.
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Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.
Frankfurt a. M., Donnerstag, 4. Mai. Se. Majeslãt der Kaiser ist heute Vormittag 9 Uhr 50 Minuten von Wies⸗ baden hier eingetroffen und, nachdem fich die Großherzoglich badischen Herrschaften, welche Se. Majestät bis hierher begleitet hatten, verabschiedet, alsbald mittelst Extrazuges nach Berlin
weltergereist.