1876 / 106 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 May 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, den 4. Mai 1876.

Vorlesungen auf deutschen Universitäten, Sommersemester 1876.

1.

Für das Sommersemester 1876 sind auf den deutschen Univer- sitäten folgende Vorlesungen über die deutsche Verfassung, deutsches Richt, deutsche Geschichte, Landeskunde, Kunst und Wissenschaft an gekündigt worden:

Berlin: Luthers Lehre und Schriften, Lic. Lemmatzsch. Erkrecht, Prof. Dernhurg. Lehre vom Kauf nach römischem und beut gem Rechte, Derselbe. Geschichte und Grundsätze des Rechts der bürgerlichen Eheschließung, Dr. Franken. Deutsche Reichs⸗ und Rechtsgeschichte, Prof. Beseler. Deutsches Priratrecht mit Ausschluß des Handels.! und Wechselrechts, Prof. Brunner. Deutsches Privatrecht mit Ausschluß des Handels und Wechselrechts, Prof. Lewis. Handels, und Wechselrecht, Prof. Brunner. Lehnrecht, Pref. Lewis. Germanistische Uebungen, Prof Beseler. Deutsches und preußisches Staatsrecht, Derselbe. Die Verfassungeurkunde des Deutschen Reichs, Prof. Damhach. Gemeiner und preußischer Civilprozeß mit Rücficht auf den Em— wurf der Reichs⸗Prozeßordnung, Prof. Bruns. Gemeiner Civil— prezeß unter Berdcsichtigurg der preußischen und französischen Ver⸗ fossung, sewie des dentschen Entwurfs und in Verbindung mit prak⸗ üjcken Uebungen, Prof. Hinschius. Preußisches Civilrecht, Der— selbe. Preußuches Landrecht, Prof. Baron. Preußisches Erb- richt, Derselbe Deutsches Strafrecht, Prof. Gneist. Deutscher Strasprozeß, Derselbe. Strasprozeß im Anschlusse an den Entwurf der keutschen Strafproz ordnung, unter Berücksichtigung der eirschlägigen Gesetzgekungé fragen, Dr. Rubo. Ueber Ver⸗ besserung Reichs ⸗Strafgesetzbuches, Prof. Berner. Fortsetzung der Uebungen in Erklärung von Kants Kritik der reinen Vernunft, Dr. Paulsen. Die Aufgaben Preußens auf dem Ge— biete der Bodenkultur, Pref. Orth. Deutsche Geschid te, Dr. ven Spbel, Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Dr. Prutz. Preußische Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis 1840. Dr Hassel. Geschichte der preu ßischen Reformbestrebungen 1807 12. Dr. Geiger. Geographie und Staatenkunde von Deutschland, Prof. Müner. Geschichte der deutschen Kunft im XIX. Jahrhnndeit, Dr. Jordan. Carl Maria von Weber und jeine Zeit, Prof. Spitta. Deutsche Srammatik, Pirf Müllenhoff. Beopulf, Derselbe. Geschichte der deutschen Literatur von Lessing bis Goethe's Tod, Dr. Geiger. Deutsche Stenegraphie, verburden mit praktischen Uebungen, Lekt. Michaelis. Ueber deutsche Richtschreivung, Derselbe. Bonn. Deunische Reichs. und Rechtegeschichte, Pref Ritter v. Schulte. Deutsches Privatrecht, Derselbe. Handels und Wechselrecht, Prof. Loersch. Au orrecht, Prof. Kloestermann. Preußi⸗ sches Cixilrecht, Prof. Loersch. Rheinischts Civilrecht. Prof. Bauerband. Deutsches Staatsrecht, Prof. Hälschner. Dertsche Reichsrerfassung, Derselbe. Deutsches und preußisches Staatsrecht, Prof. Hüffer. Deutsches Straftecht, Prof. Schleßmann. Ordert⸗ licher Civilprozeß, Prof. Endemann. Summarischer und Konkurs. prozeß, Der selbe. Strafprozeß, Derselbe. Kirchenrecht beider Kenfessionen, Prof. Ritter v. Schulie. Geschichte der deutschen n, , seit Kant, pr. Dr. Witte. Deuische Syntar, Prof. ndrejen. Eirleitung in das Nibelungenlied, Prof. Simreck. Erklärung des Nibelurgenliedes, Derselbe. Ueber das deutsche Velkslied, Prof. Birlinger. Die deutschen Persontnnamen, Prof. Andresen. Geschichte des Zeitalters der Gegenreformation und des dieißigjabrigen Krieges (1559 - 1648, Prof. Ritter. Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Prof. Philippson. Breslau. Schleiermachers Leben und Lehre, Lic. Dr. Tschackert. cht, Prof. Dr. Huschke. Pfand⸗ und Hypothekenrecht, Der- el Obligaticnenrtcht, Prof. Dr. Gitzler. Personenrecht, Der⸗ seibe. Cixil-Praktikum, Pricf. Dr. Schwanert. Kirchenrecht, Prof. Dr. Gierke. Strafrecht, Prof. Dr. v. Bar. Strafprozeß, Der⸗ selbe. Ueber Geschwerenengerichte, Derselbe. Preußisches Civil⸗ recht Prof. Dr. Fuchs. Deutsche Geschichte im Mittelalter, Prof. Dr. Ca: o. Schlesische Geschickte, Prof. Dr. Grünhagen. Ge⸗ schichte des Mittelalters von Kaiser Heinrich II. bis zum Konzil von Clermont, Prof. Dr. Junkmann. Geographie von Noiddeutschland, Dr. Partsch. Deutsche Kunsigeschichte, J. Theil, Prof. Dr. Schultz. Einleitung in die deutsche Grammatik, Piof. Dr. Weinhold. Ueber die deutsche Literatur des neurzebnten Jahrhunderts, Dr. Bobertag. Geschichte des deutschen Remane, Derselbe. Deutsche Alter bümer, Prof. Dr. Weinheld. Deutsche Uebungen, Prof. Dr.

v: Lic. Kattenbusch. Deutsche Rechtẽ t Fr f. Thöl. Deut ches P

Deu O enuris ee S Deutscdes Sn

ann. Deutscher Strafprozeß: Prof. Jobn. Deutsche Kaiserzeit: Acf. Weizsãcker. Geschichte der deutschen Reichsverfassung im Mittel⸗ t Geschichte des Deutschordensstaats in r. Höhlbaum. Wirthschaftliche Gesetzßgebung im Reiche: 5. Deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts: Prof. Geschichle der deutschen Dichtung vem 17. Jahrhundert nann. Geschichte der deuischen Nationalliteratur von zur Gegenwart: Prof. Bobtz. Historische Gram⸗

Srache: Prof. Wilh. Muller. Erbrecht, Prof. Pernice. Deutsche Rechts- zebrend. Deutsches Staatsrecht, Prof. Haeberlin. Bierling. Stralprozeß, Prof. Haeberlin. ẽccius. Preußiichts Landrecht, Prof. Behrend. te des XVI und XVII Jahrhunderts, Prof Hinsch. tiche Staats⸗ und Rechttgeschichte, Prof. De Vo⸗ rixatrecht, Prof. Dr. Lastig. Bergrecht, Handels und Wechselrecht, Prof. Dr. md preußisches Staatsrecht, Prof Dr. Meier. ng, Derselbe. Gemeiner deutscher und mit Rücksicht auf den Entwurf einer Civil—⸗ as Deutsche Reich, Prof. Dr. Fitting. Straf⸗ ochew. PVreußisches Landrecht, G. J. R. Prof. 5isches Familienrecht, Derselbe. Geographie Geichichte der

ö Bern beim .

Dr. Kirchheff. g, d. i die Geschichte der Römer und der n dem Greß⸗n bis auf Älboin. Pref. Dr. siebenjãbrigen Krieges, Prof. Dr. Dreysen. Erklärung des gonscher Matthãus⸗ 3. Ausgewählte Kapitel der deutschen Dr. Zacher. Deutsche Mytholegie, Derselbe. Literaturgejchichte ven Gottsched bis auf die Gegen⸗

wart, Prof. Dr. Haym. Kiel. Ueber Luibere Ther legie, Prof. Dr. Möller. Schleier acer als Therles urd Philese pb, Prof. Dr. Pfleiderer. Deutiche nec tegeschi te, Dr. Ste chars. Schlee wig⸗hHolfteinisches Tir atrecht, Lr. A. Vcrec. Schleswig ⸗holsteinisches Pridoat⸗ Hht ir Uebersicht, Dr. Schütze. Strafrecht S, Ten ielte Strafprciez, Prof. Dr. Witdirg. Staatsrecht Tertiez Reiches, Prof. Dr. Hanel. Geschichte des Deutschen Der selbe. Allgemeine und vaterländische

Cen Sprachen, Prof. Dr. Pischel. Ueber Kl. Greth. Deutsche Syntar, Derselbe.

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des Deutschen!

preußiicher Sirafprezeß, Derselbe. Deutsches Reichsrecht und preußiiches Staatsrecht, Prof. Dr. Dahn. Preußisches Familien und Eibrecht, Prof Dr. Eüterbeck. Ueher drutsche und preußische Verwaltunge aufgaben der Gegenwart, Prof. Dr. Umpfenbach. Ge— ichichte der Provinz Preußen im 16 und 17. Jahrhundert, Prof. Dr. Lohmeyer. Quellernkritische Uebungen zur deutschen Geschichte des 13. und 14. Jahrh., Dr. Wichert. MUeber Lessing, Prof. Dr. Walter. Ueber die dentschen Maler unseres Jahrhunderts, Prof. Dr. Oagen. Altdeutsche Uebungen, Erklärung von Denkmälern des 12. Jahrhunderts nach dem altdeutschen Lesebuche, Prof. Dr. Schade.

Marburg. Mittelhochdeutsche Metrik. Prof. Lucae. Das Nibelungenlied nach Lachmanns Ausgabe, Derselbe. Deutsche Taisergeschichte, Prof. Varrentrapp. Die Geschichte der deutschen Einheitsbestrebungen seit dem Jahre 1815. Prof. Westerkamp. Kanis Prolegomeng, Prof Bergmann. Ueber Kants Ethik, Prof. Cohen. Deutsche Staats und Rechtsgeschichte, Prof. Arnold. Deutsches Privatrecht, Prof. Röstell. Deutsches Privatrecht, Prof. Platner. Deutsches Privat. und Lehnrecht, Prof. Westerkamp. Lehnreckt, Prof. Röstell. Preußisches Privatrecht, Prof. Platner. Handels⸗, Wechsel⸗ und Seerecht, Prof. Röstell. Handels , Wechsel⸗ und Seerecht, Prof. Platner. Wechselrecht, Prof. Arnold. Deutsches Staatsrecht, Derselbe. Kirchenrecht, Prof. Röftell. Protestantisches Kirchenrecht. s. Theologie. Kriminal⸗ recht, Prof. Fuchs. Civilprozeß, Derselbe.

Mün ster. Die Kämpfe der deutschen Könige um Italien und das Kaisertbum: Prof. Rospatt. Geschichte des westfälischen Frie—⸗ dera: Dr. Tomtual. Erklärung der Gudrun: Prof. Storck. Mittelkochdeutsche Grammatik: Ders. Erklärung des Beowulf: Prof. Suchier.

Eine für die nächste öffentliche Sitzung der Stadtver ordneten⸗Versammlung bestimmte Magistrats Vorlage betrifft den Ankauf des über die Fluchtlinie vorspringenden Theils des Grund⸗ stücks Nikelaikirchhof Nr. 14 und den Aus bau ꝛzc. der Nikolai⸗ kirche. Wir entnehmen der Vorlage Folgendes: „Schon seit längerer Zeit ist der Wunsch rege, das ältefte kirchliche Bauwerk unserer Stadt, die Nikolaikirche, das jetzt unvollendet und fast trümmerhaft dasteht, vach feinem Zweck und seiner Lage würdig herzustellen. Stüler hat seiner Zeit bereits Entwürle zum Ausbau der Thürme gemacht, aber die Höhe der zur Ausführung erforderlichen Summe, gegenüber der Roihwendigkeit, für andere dringlichere Bedürfnisse zu sorgen, hielt damals ven dem Eingeben auf solche Pläne ab. Jetzt bat sich jedoch die Sache dadurch wesentlich geändert, daß der vorhandene Thurm durch seine Schadhaftigkeit das Ge—⸗ bäude jselbst und die Nachbarschaft zu gefährden beginnt und voraus⸗ sichtlich binnen kurzer Zeit abgetragen werden muß. Unter diesen Umfständen tritt an die städtischen Behörden die Forderung heran, baldigst für dieses durch sein Alter und seine Bedeutung ehrwürdige Bauwerk Fürsorge zu treffen. Wenn sich auch das Gründungsjahr der Nikolai⸗Kirche nicht urkundlich nachweisen läßt, so gestattet doch der im Granitquaderbau hergestellte Thurm an der westlichen Seite durch eine Vergleichung seiner Masse und Kunstformen mit den ent— sprechenden Eigenthümlichkeiten anderer märkischer Baulichkeiten den zuverlässigen Schluß, daß derselbe bereits vor der Mitte des 13. Jahrhunderts vorhasden gewesen ift, und damit stimmt überein, daß schon 1245 in einer Urkunde ein Probst Symeen ven Berlin als Zeuge aufgeführt wird. Aber dies uralte Ge— bäude ist nicht mehr vorhanden. Im Jahie 13809 wurde es sammt der Stadt von einer gewaltigen Feuersbrunst fast gänzlich zerftört. Obwohl nun damals durch eiren päpstlichen Ablaßbrief eine schnelle Wiederherstellung der Kirche ermöglicht wurde, so hatten die Mittel doch nicht hingereicht, um den Bau von Grund aus neu aufzu⸗ fübren, und da man die alten Mauern theilweise stehen ließ, so bekam das Ganze so wenig Haltbarkeit, daß schon 1460 aus Geldern, die wieder durch ertheilte Ablaßbriese beschafft worden waren, eine abermalige Erneuerung vorgenommen werden mußte. Seit jener Zeit findet sich keine Nachricht von einer Aenderung, die sich auf den ganzen Bau erstreckt hätte; wahrscheinlich erhielt also die Kirche damals mit Ausnahme der Mauer unter dem Thurm, die einer früheren Zit an— gebört, im Wesentlichen ihre jetzige äʒußere Gestalt und, was Pfeiler und Gewölbe betrifft, ihre noch vorhandene innere Einrichtung. Man ist demnach zu der Annahme berechtigt, daß die Kirche, wie sie heute vor uns steht, etwa 400 Jahre alt ift. Um diese Kirche, die dem heiligen Nikolaus, dem Schutzpatron der Kaufleute, gewidmet war, entstand die Stadt. In ihr versammelten sich bei feierlichen Ge⸗ legenbeiten stets Rath und Bürgerschaft; in ihr bat Luthers und Melanchthens Freund, der fromme Probst Georg Buchholzer, am l. November 1539 die erste evangelische Predigt gehalten und darauf an den gesammten Rath und viele Bürger nebst ihren Angehörigen zuerst das Abendmahl in beiderlei Gestalt ausgetheilt. Damit war die Einführung der Reformation in die Mark Brandenburg besiegelt. Mit vielen Denkmälern aus älterer und neuerer Zeit geschmückt, liefert die Nikolaikirche nicht unerhebliche Beiträge und Zeugnisse für die Geschichte unserer Stadt. Darum ist die Fürsorge für ihre Erhaltung und Heistellung immer lebendig gewesen und hat sich seit der Reformation vielmal bethätigt. Auch wir halten es für eine Aufgabe der städtischen Behörden, diesen Zeugen unserer Geschichte, wie er uns von den früheren Geschlechtern überliefert ist, unsern Nechkommen in würdiger Gestalt zu übergeben. Wir haben daher einen Plan für die Herstellung der Thürme und des Acußern, sowie für die Regulirung und Ausschmückung des umgeben⸗ den Platzes nebst Anschlägen aufstellen lassen und der Bau⸗Deputa—⸗ tion Abtheilung L zur technischen Prüfung überwiesen; nachdem die- selbe sich damit einverstanden erklärt hat, übersenden wir der Stadt⸗ verordnetenversammlung hiermit die gesammten Ausarbeitungen, be⸗ stehend in 14 Blatt Zeichnungen nebft Kostenanschlag und einem Ueberschlag, sowie einen Erläuterungsbericht, und bemerken dazu, daß wir veraussetzen dürfen, die Kirchengemeinde werde die Erneuerung und den Ausbau des Innern auf Kirchenfonds übernehmen. Mit der Se⸗ sichränkung auf das Nothwerdige haben wir besonders die Sorge für die Erhaltung des charakteristischen Baustils verbunden Es ergiebt sich daraus ein Koestenaufwand: 1) für die Herstellung der Thürme nach speziellem Kostenanschlage von 130000 M, 2) für das Aeußere des Ge— bändes und den Platz nach überschläglicher Berechnung von 22040 , 3) für die Bauleitung, Entwürfe und Rechnun gs⸗ führung von 18000 M, zusammen von 170 009 Es wird nicht räthig sein, schon in diesem Jahre eine Ausgabe auf diese Posten zu machen; wir schlagen vielmehr vor, den ganzen Bedarf auf die Etats der beiden folgenden Jahre zu vertheilen und zwar mit 10.600 A für 1877 und mit 70 6000 M für 1878. Anßer⸗ dem erfordert die Regulirung des Platzes eine Ausgabe. Derselbe ist zwar schen auf Kosten der Stadt von den früher vorhandenen Scharren auf der einen. Seite befreit, aber auf der entgegen gesetzten sehr beengt. Die der Kirchengemeinde gehörenden Grund⸗ stüde (Nikolai⸗-Kirchhof 14) springen bedeutend vor, ftören die Bau⸗ fluchtlinie und hemmen ken Verkehr gerade an derjenigen Stelle, wo er bei kirchlichen Feierlichkeiten am lebhaftesten zu sein pflegt, in der Nähe der Sakristei. Die zu beseitigenden über die Fluchtlinie vor- springenden Baulichkeiten nehmen mit dem kleinen Vorgarten 106 Quarratrutben ein, es bleiben also, wenn man den Vorgarten mit 3 O-R., den die Kircher gemeinde unentgeltlich aufgeben will, roch? Q⸗R. übrig. Wir erachten eine Entschädigung von 74428535 30 00 , die dafür an die Kirchengemeinde gejahlt werden soll, für angemessen. Der Magistrat beantragt demgemäß, die Stadtverord reten Versammlung wolle die im Vorstehenden näber nachgewiesenen UC 00 ½ς und 170 (00 M und zwar erstere auf Conto des Spezial- Etats für Terrain ⸗Erwerburgen zu Straßenanlagen und letztere mit 160 C00 M durch den Etat für 1877 und mit 76 000 Æ duich den Etat für 1878 bewilligen.“

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Das vorgestern bereits erwãhnte Schreiben eines auf Helgoland wohrenden Preußen an die ‚Times“ lautet, seinem wesentlichen In⸗

halt nach, in der Uebersetzung: Ich habe in den ‚Times vom 18.

(Aprih soeben das g n, auß Paris über Helgoland gelesen. Ich bin ein Preuße, in Berlin geboren, doch seit einigen Jahren hier ansässig, und ich kann mir nicht versagen, Sie höflichst zu ersuchen, diese wenigen Zeilen aufzunehmen als Erwiderung auf die Behaup- tungen des Hrn. F. Oeiker in der „Kölnischen Zeitung.“ Ich leugne nicht, daß ich die Gefühle meiner Landzleute in Betreff Helgo⸗ lands, welche wir in Deuntschland „die Perle der Nordsee“ nennen, theile, aber wir wollen in diesem Punkte gerecht sein. Es besteht nicht der entferteste Wunsch unter den Inselbewobnern England um Deutschlands willen zu verlassen und daß keine solche Sympathie existirt, baben, wenn ein Beweis er- forderlich wäre, die Kriegsjahre ven 1866 und 1870 —71 deutlich be⸗ wiesen. Dies ist, was immer in Zukunft geschehen mag, gegenwärtig ein Faktum. Was die Rechte und Privilegien der Helgöländer be— trifft, von denen behauptet wurde, daß sie von England unterdrückt würden, so habe ich wohl kaum nöthig, auf die handgreifliche Ent- stellung hinzuweisen. Jeder Unxarteiische, mit den lokalen Verhält. nissen ci e g Bekannte muß wissen, daß diese Rechte und Privi⸗ legien in Wahrheit gleichbedeutend waren mit Spielbanken⸗ und Strandrecht; ebenso muß er wissen, daß alles Gerede, daß die Helgo—⸗ länder ohne ihre Zustimmung besteuert aürden, sowie über das Nicht- bestehen eines Budgets, über die Dampferangelegenheit 2c. gerade so lächerlich ist, wie die Geschichten von den „Kaninchen“, von denen es kein einziges auf der Insel giebt, noch jemals gegeben hat. Die Einwohner werden alljährlich von einem aus Helgoländern heftehenden Amte und zwar verhältnißmäßig sehr niedrig besteuert. Gegen diese Besteuerung steht in jedem einzelnen Falle die Berufung an den Gouverneur frei.

Das so aufgebrachte Geld wird ganz für lokale Zwefe verwendet; England erhält nicht nar nicht einen einzigen Sixpence, sondern giebt selbst alljährlich 1000 Æ her. Dieses Geld wird, wie alles andere, für jedes Jahr genau berechnet und ein Rechnungsabschluß mit allen Belegen öffentlich ausgelegt. Der Bugsitidampfer wurde im Jahre 1869, nicht 1872 anzekauft und war ein Gewinn, nicht ein Ver⸗ lust; er wnrde verkauft, weil die Dampfkessel alt waren und die Assekuranzprämie an diesem gefährlichen Platze 109 betrug. Ich kann nicht näher darauf eingehen, aber ich muß sagen, daß meine Landsleute nicht zugelassen haben würden, daß der Zustand von Un⸗ ordnung, welcher früber hier herrschte, auch nur ein Drittel so lange fortbestehe, wie England es geduldet hat; sie würden schneller zu Werke gegangen sein. Jeder Unparteiische, gleichviel ob Badegast oder Einwohner, giebt den gewaltigen Fortschritt zu, welchen die Insel in den letzten sieben eder acht Jahren in Wohlstand, in Bildung, überhaupt in Allem, gemacht hat; und was den Despotismus und die Unzufriedenheit betrifft, so hören wir daxon nur aus den Zei⸗ tungen. Sie existiren hier nicht, obwohl freilich gewisse Leute überall unbefriedigt sein werden.

Ich bin in dieser ganzen Angelegenheit vollständig neutral, mit Ausnahme einer natürlichen Sympathie mit den von meinen Lands⸗ leuten über Helgoland gehegten Gefühlen; aber ich konnte nicht umhin, diese Zeilen zu schreiben, weil ich nicht möchte, daß unsere deutschen Zeitungen so falsch berichtet seien.

Die Universität Straßburg feierte am 1. Mwaiihr viertes Stiftungsfest. Die Feier wurde um 11 Uhr eröffnet. Der Prorektor Professor Schmoller erstattete den Verwaltungsbericht. Die Festrede bielt der Professor der Geschichte, Baumgarten, welcher über Jakob Sturm von Sturmeck sprach.

Der hächste Thurm Europa's ist zur Zeit der Thurm der Nicolaikirche in Hamburg, welcher von einem Engländer Scott erbaut worden. Nach einer langen Reihe von Jabren endlich im vorigen Jahre vollendet, hieß es dieser Tage, daß der präch—⸗ tige Bau gefährdet sei. Diese Nachricht, schreibt man der „Lüb. Ztg.“, ist jedoch unbegründet, da nur der nächststehende Pfeiler einen Riß erhalten habe, dem leicht abzuhelfen sein werde. Immerhin werde aber eine Abgrabung des Grundes zur neuen Aufführung des Pfeiklers erforderlich sein, wozu der Baumeister Scott aus England nach Hamburg herüberkommt.

Theater.

Im Königlichen Opernhause werden demnächst die Tenoristen König und W. Müller gastiren. Der Letztere gedenkt zu⸗ nächst als „Lohengrin“ aufzutreten. Frl. Reimann scheidet erst am Schlusse der laufenden Saison aus ihrem Engagement bei der Oper. Frl. Lehmann und Frl. Lammert, welche ebenfalls bei der Aufführung von Richard Wagners „Ring der Nibelungen in Bayreuth mit⸗ wirken, werden im Juni zu den Proben dahin reisen. Im König-⸗— lichen Schauspielhause werden, außer den Debüts der neu engagirten Darstellerinnen Frl. Abich und Frl. Hrabowska, nächstens die * ihn der HH. Richter und Christof erfolgen.

Der Vorstand des Vereins für das Wohl der aus der Schule entlassenen Jugend hat an Hrn. Direktor Buchholz die Aufforderung gerichtet, am 4, 5. und 6. Mai Schillers Jungfrau von Orleans! im Nationaltheater zu sehr ermäßigten Preisen zur Aufführung zu bringen, und hat Hr. Direktor Buchholz diesem Verlangen entsprochen. ;

Der Genossenschafts⸗Bazar deutscher Bühnen⸗ Angehöriger in Hamburg hat für drei Tage eine Einnahme von 42,000 S gebracht, und dürfte noch eine gleich hohe Summe mit der demnächst stattfindenden Versteigerung der übrig gebliebenen Geschenke zu erwarten sein.

SGingegangene literarische Neuigkeiten.

Dr. Karl Bernhard Hundeshageng ausgewählte kleinere Schriften und Abhandlungen. Aus jeinem handschrift⸗ lichen Nachlaß ergänzt und neu herausgegeben von Theo dor Christ⸗ lieb, Dr. theol. et phil, der ersteren ord. Prafessor zu Bonn. J. Abtheilung: Zur christlichen Kultur und inneren deutschen Zeit geschichte. II. Abtbeislung: Zur Geschichte, Ordnung und Politik der Kirche. Gotba, Friedrich Andreas Perthes. 1874 u. 1875.

Ist es Zeit?“ Eine orthographische Untersuchung von J. F. Kräuter. Sonderabdruck aus Herrigs Archiv für das Studium der neueren Sprachen, Bd. LV. Heft II. S. 129 bis 150. Braunschweig, Druck von George Westermann 1876.

Isaak Fselin. Ein Beitrag zur Geschichte der volkswirth schaftlichen, sozialen und politischen Bestrebungen in der Schweiz im XVIII Jahrhundert. Von Dr. August von Miaskowski o. ö. Professor der Nationalökonomie an der Universität Basel. Basel 1876. H. Georgs Verlag. ; .

Zeitschrift für preußische Geschichte und Land es— kunde, hreg. von Corstantin Rößler. 13. Jahrg. Januar Fehruarheft (Nr. 1 u. 2); März⸗Aprilheft (Nr. 3 u. H.

Altpreußische Monatsschrift neue Folge. Der Neuen Preußischen Provinzialklätter vierte Folge. Hrsg. von Rud. Reiche und Einst Wichert. Der Monateschrift 13. Bd; Der Provinzial blätter 797. Bd. Erstes Heft. Januar Februar. Königsberg i. Pr. 1876. Ferd. Beyer vorm Th. Theile's Buchhandlg.

Redacteur: F. Preh m. Verlag der Expedition (Kesselh. Druck? W. Elsner.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen Beilage).

Berlin

Val. Nr. 98 d. Bl.) Die Beratbung über die Eisenbahnvorlage im preußischen Ab— e n, welche am 26. April begann, am 27. und 9. April fortgesetzt wurde, ist am 2. Mai zum Abschluß gebracht und demnächst die Vorlage mit 216 Stimmen gegen 160 Stimmen an— genommen worden. ;

Durch die Debatten im preußischen Abgeordnetenhause ist einerseitß von den Wortführern der einzelnen Parteien die voran— gegangene Diekussion in der Presse ergänzt und durch die Parteien praktisch bei der Abstimmung vertreten worden, andrerseits aber ist die Stellung der Regierung allseitig klar gelegt, insofern alle bethei⸗ . Ressort⸗Minister sich über den Entwurf eingehend geäaßert

aben. ; Das Hauptinteresse nehmen unter den Reden gegen die Vorlage diejenigen der Fortschrittepartei in Anspruch Der Abg. Richter (Hagem), der die politische Bedeutung der Vorlage in den Vorder grund stellte, führte gus, daß, wenn die preußischen Staatsbahnen allein auf das Reich übergehen, dann allerdings Prenßen noch enger und fester an das Reich geknüpft werde; ein anderer ebenso Un ausbleiblicher Erfolg aber werde sein, daß die Bande, welche die andern Einzelstauten an das Reich fesseln, in bedenklicher Weise gelockert würden. .. Der Werth der preußischen Staatsbahnen sei absolut unbestimmbar. Daran sei gar nicht zu denken, daß die Rente, welche das Reich an Preußen zahlen werde, dem marktgängigen Zinsfuße des Anlagekapitals gleichkomme; aber wie hach oder niedrig sie immer sei, Mißbehagen und Mißtrauen werde sie unter allen Umständen erregen. . Die Vorlage bezeichne eine radikale Umkehr auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens. Mit der Entscheidung über die selbe werde zugleich das ganze Programm entschieden, dessen Schluß nichts anderes sei, als der Uebergang sämmtlicher Bahnen auf das Reich. ... Nicht jeder Machtzuwachs sei eine Stärkung des Reichs; werde dem⸗ selben eine Verantwortlichkeit aufgebürdet, die es nicht zu ertragen vermöge, so würden wir in der ganzen nationalen Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeschleudert

Die andern Redner der Fortschrittspartei, die im Laufe der Be- rathungen das Wort ergriffen die Abgeordneten Berger (Witten), Virchow und Hänel blieben im Wesentlichen bei den Argumenten des ersten Redners stehen. Der Abgeordnete Berger wandte sich mehr technischen Fragen zu und hob namentlich die Vorzüge der Privat— bahnverwaltung gegenüber den der Staatsbahnen hervor. Er konstatirte, daß er und seine politischen Freunde ebenso wie die Anhänger der Vor— lage energisch die Ausführung der Reichsverfassung wollen und eine baldige Emanation des Reichseisenbahngesetzes, sowie eine Reform des gesammten Eisenbahnwesens wünschen. Der Abgeordnete Virchow führie aus, daß ein Reichs ⸗Eisenbahngesetz unter allen Um ständen nöthig sein werde. Er erinnerte daran, wie sehr die einzelnen

rovinzen leiden werden, wenn das Reich alleiniger Bahnbesitzer in Deutschland sei.

Bei der dritten Lesung des Gesetzes nahm der fortschrittliche Ab geordnete Dr. Häuel das Wort, um die Bemerkungen seiner politischen Freunde zu ergänzen, während der Abg. Löwe, r er derselben Partei angehört, mit Entschiedenheit für den Gesetzentwurf eintrat . ihn vom politischen und wirthschaftlichen Standpunkte aus ver—

eidigte.

Die zweite oppositionelle Partei, die Fraktion des Centrum, wurde rednerisch durch die Abgg. Reichensperger, v. Schorle mer-⸗Alst und Windthorst Meppen vertreten. Der erstere polemisirte gegen die Motive zur Vorlage, die für einen ganz anderen Gesetzentwurf ge schrieben zu sein schienen, nämlich für ein Gesetz, betreffend den Ankauf sämmtlicher Privatbahnen durch den Stgat und die dem- nächstige Uebertragung sämmtlicher Bahnen auf das Reich. Die Vorlage solle die Macht des Reiches stärken, sei aber nur geeignet, berechtigten und unberechtigten Partikularismus wachzurufen. Preußen könne, auch nach Uebertragung seiner Staatsbahnen auf das Reich, neue Konkurrenzbahnen bauen; darin liege keine Wahrnehmung der Reichsinteressen Der Abg. v. Schorlemer⸗ Alst knüpfte seine Bemerkungen hauptsächlich an die Varnbülersche Broschüre: „Soll das Reich die Deutschen Eisenbahnen kaufen?“ Er bemerkte an der Hand der Broschüre, das Reich werde mit etwa 10 Milliarden Mark Schulden und einem jährlichen Defizit von 163 Millionen Mark belastet. Der Abgerrdnete ist Gegner des Ge⸗ setzes, weil es unwirthschaftlich und ein politischer Fehler sei, und weil es die Macht des Reichskanzlers stärken würde.

Gegenüber diesen der Regierungsvorlage abgeneigten Parteien und deren Wortführern standen die an Mitgliedern zahlreichste, die nationalliherale Partei und die Partei der Freikonservativen auf einem der Vorlage freundlichen Standpunkt. Während die bisher angeführten Redner ihre gegnerischen Argumente zum großen Theil aus von ihnen angenommenen Konsequenzen der Vorlage herleiteten, schlossen die Anhänger des Entwurfs sich in ihren Ausführungen eng an denselbes an nnd namentlich setzte die Rede des ersten Redrers der nationalliberalen Partei, des Abg. Lasker, der Diekussion seste Grenzen, die eine allseitige Beurtheilung der Vorlage einschlossen, zugleich aber diejenigen Argumente der Gegner kennzeichneten, die nicht innerhalb dieser Grenzen fielen. Durch die Vorlage, wie sie thatsächlich laute, werdefnichts weiter ge— fordert, als daß das Abgeordnetenhaus aussprechen solle, ob Preußen bereit sei, für den Fall, daß das Reich eine Erwerbung der preußischen Bahnen für wünschenswerth erachten sollte, seins Zustimmung hierzu zu geben. . Er, Redner, versichere, daß durch das Votum den Beschlüssen des Reichs in dieser Angelegenheit durchaus nicht präjudizirt werde. Er betrachte die heutige Vorlage in eminent reichsfreundlichem Sinne. Die heutigen Mißstände auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens hät⸗ ten die Nothwendigkeit einer neuen Eisenbahnpolitik dargethan. Preu⸗ ßen müsse jetzt dem übrigen Deutschland ein Beispiel geben, daß es zu Gunsten des Reiches entsagen wolle. Indein die preußische Regie⸗ rung die Führung übernehme, stehe sie auf der Höhe ihres Berufes, den sie in entscheidenden Tagen stets manifestirt habe.

In weiterer Ausführung dieser Gedanken bemerkte der gleichfalls nationalliberale Abgeerdnete Hammacher: Die Ansicht, da durch die Annahme der Votlage Die Uebernahme saͤmmtlicher deutschen Eisenbahnen durch kas Reich verlangt werde, sei eine Verkehrung des Urtheils und der öffent⸗ lichen Meinung. Deutschland habe in Zukunft statt einer par— tikulsren eine deutsche Eisenbabnpolitik zu treiben. Es sei die Eisenbahnpolitik, die die Zukunft unseres Landes beherrsche: von ihr hänge die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkte ab. Wir bedürften der Etablirung einer strammen, durchschlagenden deutschen Eisenbahnverwaltung; namentlich fremden Staaten gegenüber sei der Einzelne viel zu schwach zur Verwirk— lichung der relativen Verkehreinteressen. .

Ber derselben Fraklion angehörige Abgeordnete v. Sybel führt eingehend aus, daß in unserem Eisenbahnwesen das gemischte System gewonnen werden müsse, worin der Staat den Privatbahnen gegen. aber wirklich Konkurrenz treiben könne. Zur Herbeiführung dieses Zieles mache die Vorlage den Vorschlag, die preußischen Stgate⸗ bahnen zu einem einheitlichen System auszubauen durch die Macht des Reichez und so einen möglichst einheitlichen rationellen, feststehen-⸗ den Tarif einzuführen, dem sich endlich die Privatbahnen werden an— schlicken müssen. Die Frage sei also eine rein wirthschaftliche; sie fel aber eine hochpolitische geworden durch das Geschrei der partiku laristischen Gegner.

andere Schienenwege ausübt,

. Er ste Beisage . zum Deutschen Reichs⸗elnzeiger ind Königlich Preußischen Stagts⸗Anzeiger. n 166.

Zur Gisenbahnfrage. VII.

Berlin, Donnerstag, den 4 Mai

Der Abgeordnete der freikonservativen Partei, Graf Bethusy⸗ Huc, hält den Eatwurf für den ersten Schritt zu einer großartigen und segensreichen Entwicklung, welche langsam aher sicher zur Vereinigung sämmtlicher Hauptbahnen in der Hand des Reichs führt.

Den Ausführungen der Redner der einzelnen Fraktionen gegenüber wurde die Stellung der Regierung dargelegt von den betheiligten Ressort⸗Ministern, während der Fürst⸗Reichekanzler seine Stellung zu der Vorlage als Minister und als Kanzler klarlegte.

Von Len ersteren hob der Handels⸗Minister Dr. Achenbach die technisch⸗wirthschaftlichen Gesichtspunkte hervor und trat im Be— sonderen den Ausführungen des Abg. Richter entgegen. „Hr. Richter entwirft selbst ein Programm, es besteht in dem Satze: alle Bahnen müssen Staatsbahnen werden, und alle Bahnen ohne Ausnahme müssen auf das Reich übertragen werden. Gegen diese Sätze, die er selbst gebildet hat, richtet er sodann seinen Angriff. Wo stehen aber diese Sätze sonst? Der Regierungévorlage sind sie vollständig und nach allen Seiten hin fremd.. Weiterhin heißt es: „Wenn ich ibn (den Abg. Richter) recht verstehe, so gipfelt seine ganze Deduktion dahin: keine Konsolidation der Staatseisenbahnen, keine Vermehrung und Ausbildung des Staatseisenbahnnetzes und keine unmittelbare Auf— sicht des Reiches über die Bahnen. Was will dem gegzenüber die Königliche Staatsregierung durch diese Vorlage? Sie hat das auf richtige Streben, die Verfafsung des Reichs zur Wahrheit zu machen. Sie will zugleich diese Verfaffung in einer Weise zur Wahrheit machen, daß andere Interessen, insbesondere diejenigen ihrer Bundes= genossen, wie ihre eigenen, am wenigsten verletzt werden“. ÄAuf die Reichseisenbahn-Gesetzentwürfe eingehend, äußerte der Mi— nister: „Nach den Erfahrungen, die ich selbst nach und nach reichlich zu machen Gelegenheit hatte, kann ich mit vollständigster Entschieden⸗ heit aussprechen, daß ein Nebeneinanderwirken der Reichsbechörde und der Bundesbehörden auf demselben Gebiete positiv unmöglich ift; es lassen sich bei diesem Nebeneinanderwirken keine glücklichen Zu— stände herstellen.“

Der Vize ⸗Präsident des Staats Ministeriums, Finanz n Minister GCamph 4 setzte auseinander, daß mit der Vorlage nicht eine Ver urtheilung des gemischten Systems im Eisenbahnwesen ausgesprochen werde. Die Unifikation sämmtlicher Bahnen ohne alle Ausnahme in die Hände der Staatsgewalt sei von keiner Seite befürwortet worden. In Bezug auf die Privatbahnen äußerte der Minister: „Seit einer Reihe von Jahren gingen wir der Gefahr entgegen, daß die Bedeutung, welche die Eisenbahnen im öffentlichen Verkehrsinteresse einzunehmen haben, nicht mehr die gehörige Beachtung fand. Wenn Privatbahnen dahin auzarten, daß sie blos industrielle Erwerbsgesellschaften sind, fort mit ihnen!“ Dann führte der Minister aus, daß der Einfluß des Reiches nicht nur da zu stärken sei, wo es absolut nothwendig wäre, sondern auch da, wo dem Reiche zum allgemeinen Wohle ein erweiterter Wirkungs— kreis gegeben werden solle. . Ver weinister für die iandwir bjchaftlichen Angelegenheiten Dr. Frie- dentha!l brachte die gerechtfertigten Klagen zur Sprache, die aus den Kreifen der Landwirthe gegen den gegenwärtigen Zustand unseres Eisen bahnwesens erhober, werben,. Die Beschwerden richteten sich zunãchst gegen das Chaos der Eisenbahntarife, sodann gegen die ma— terielle Willkürlichkeit und Systemlosigkeit der Tarife. Der dritte Punkt, welchen die Landwirthe hauptsächlich urgiren, sei der, daß bei Betricbs⸗ und Frachteinrichtungen mit völliger Rücksichts= losigkeit gegen die eigenartigen Bedürfnisse der Landwirthschaft ver⸗ fahren werde, gegen eine Eigenart, welche die Landwirthe nicht im Stande sind zu ändern. Endlich viertens bildeten die Differential— tarife den lebhaftesten Gegenstand der Klage. Die ganze Art und Weise, wie das gegenwärtige Eisenbahnsystem zu Stande gekommen sei, und wie es gegenwärtig bestehe, bringe es mit sich, daß solchen Beschwer⸗ den nachdrückliche Abhülfe nicht gewährt werden könne. Diese Ab⸗ hülfe fei auf keinem anderen Wege zu finden, als auf dem der Rück. kehr zu einem System, welches bei uns die Eisenbahnen als eine Veikehrseinrichtung behandelt, welche im öffentlichen Dienste steht“ ...

Der Reichskanzler Für st v. Bismarck bezeichnete zunächst in einer kurzen Replik auf die Rede des Abgeordneten Richter die Eisenbahn⸗ frage als eine rein wirthschaftliche und führte später aus, daß die wichtigen Bestimmungen der Reichsverfassung in Bezug auf das Ver- kehrswesen in der Vorlage ihren tbeilweisen Ausdruck finden. Die eiwartete Initiative der Regierungen, auf die der Kanzler gerechnet habe, sei nicht eingetreten Und die Herstellung des Reichseisenbahn Amts als eines Üufsichtsamts habe dem Mangel nicht abhelfen können. Ebenso wenig habe die Hoffnung auf dag Zustandekommen eines Reichs -Eisenbahngesetzes sich erfüllt. „Es hat das Recht der terri— torialen Aufsicht mit seiner Exekutivgewalt und der Besitz eines großen Eiseubahnkomplexs, der eine magnetische Einwirkung auf doch als sehr viel stärker sich er— weisen, als die theoretischen Verfassungsrechte, die dem Reiche ver— liehen worden sind. In Bezug auf die Staatsbahnen der anderen deutschen Staaten bemerkte Fuürst v. Bismarck: „Nach meiner Ueberzeugung wären wir gar nicht in der Möglichkeit, den anderen Staaten wider ihren Willen ihre Staate bahnen zu nehmen. Die gesetzliche Kompetenz in Artikel 4, daß das Eisenbahnwesen der Gesetz. gebung und Aufsicht der Staaten unterliegt, reicht meines Erachtens dech soweit nicht. Der Reichskanzler wendete sich dann rein preußi= schen Gesichtspunkten zu, indem er äußerte: „Die Abhülfe der Schäden, an benen meiner Ueberzeugung nach die preußischen Eisen⸗ bahnen lakoriren, könnten in einer sehr einfachen Weise auf rein preußischem Gebiet durch allmähliche Vergrößerung der Staatsbahnen ersolgen, indem vielleicht die Eisenbahnverwaltung selbständiger ge⸗ stellt würde, als bisher, ein vollständig unabhängiges eigenes Eisen⸗ bahn Ministerium, und dieses generell ermächtigt, solche Verträge, die pafsend scheinen, mit Privatbahnen abzuschließen und bei der jedes⸗ maligen Sitzung dem Landtag zu unterbreiten, Angesichts der Ver⸗ pflichtung, die wir dem Reiche gegenüber haben, halte ich es aber, so lange uns die Möglichleit dazu gegeben wird, für eine Pflicht, zuerst die Macht des Reiches und nicht die eines Großyreußenthums zu erstreben, den stärksten Staat im Reich, so. weit wir es hindern können, auch auf wirthschaftlichem Gebiet nicht noch mehr Ueber- gewicht gewinnen zu lassen, sondern die Elemente dazu dem Reich anzubieten. Die Reichsverfassung kann meines Erachtens nur. auf n Wege zu einer Wahrheit werden.“

Mit der Allerhöchsten Ermächtigung vom 24 März d. J. zur Enbringung des preußischen Gesetzentwurfs wegen Verkaufs der preußischen Staatsbahnen an das Reich trat die Frage weg en Kon— zentratton des deutschen Eisenbahnwesens in das zweite Stadium ihrer Entwickelung, in das Stadium der parlamentarischen Verhand⸗ lung. Das erste Stadium bildete die Diskussion der Frage in der Presse. deren Anfatzg etwa auf den, 24. November v. J. zu verlegen sst. An diesem Tage schloß nämlich der Neichetasssabgeordnete Stumm bei Gelegenheit der Etatsberathung des Reichs- Eisenbahn« amts seine Rede mit den Worten:

„Nach meiner Auffassung mögen allenfalls , . einzelner Stadten der einheitlichen Ordnung des Eisenbahnverkelzrs widerstreben, das Interesse des Volkes aber ist in allen Staaten gle ichmäßig, ein ein- heitliches deutsches Verkehrswesen zu erhalten, und do zu muß die Reichs regierung verhelfen und das Reichs Eisenbahnamt ih g als Organ dienen.

Das zweite Stadium hat nunmehr seinen Abschluß durch die Verhandlungen des Herrenhauses zu erwarten. .

Ueber die fernere be,. ö 9. * die betreffenden

erkungen des Reichskanzlers folgende Auskunft: . deme ej wenn Sie uns die Vollmacht ertheilen, vor den Reichs ˖

tag zu treten, glaube ich, würde das Resultat, welches wir bei dem Reichstag erlangen werden, doch immerhin erst in der Landtagssitzung des nächsten Jahres unterbreitet werden. In das Refsultat ein nega⸗ tives, lehnt also das Reich dies ab, dann sind wir in der Lage, Ihnen darüber Mittheilung zu machen unn weitere Vorschläge, wie nach Meinung der preußischen Regierung nun die Konfolidation des preußischen Eisenbahnbesitzes zu erstreben sei. Willigt aber das Reich ein, ö ist es immer noch fraglich, ob die Art, wie der Vertrag dort beschlossen, bei Ihnen hier und dem Herrenhaus Beifall findet. Es kann ja sein, nicht, daß er ganz verworfen wird, aber daß irgend welche Klaufel und Bedingung darunter ift, die ihn Ihnen unannehmbar macht, so daß wir nochmals zurückgehen müssen. So geht wieder ein Jahr verloren, während dessen die Sachen bleiben, wie sie sind. Aber auch dann, wenn wir so glücklich wären, mit dem Reich ein Abkommen zu schließen, welches sofort Ihre Genehmigung fände, dann würde immer wieder noch ein Reichs⸗ tag nothwendig sein, also wiederum ein Sitzungsjahr vergehen, in welchem man diejenigen budgetmäßigen Vorkehrungen und Einrich⸗ tungen beim Reiche träfe, die nothwendig sind, um das Reich in den Stand zu setzen, daß es diese große Morgengabe, die ihm Preußen darbringt, in Empfang nimmt und verwaltet. Es werden also immer- hin mindestens wohl drei Jahre vergehen, bevor wir mit Sicherheit darauf rechnen können, daß wir im allergünstigsten Falle in ein an— deres Fahrwasser kommen.“

Die Jahresberichte der Fabriken-Inspektoren für 1875.

Das Handels⸗Ministerium hat Jahresberichte der Fabri⸗ ken⸗Inspektoren für das Jahr 1875 (Berlin 1876, Verlag der v. Decker'schen Geh. Ober Hofbuchdruckerei) veröffentlicht. Schon im vorigen Jahre erregte die Veröffentlichung der Berichte der Fabrik- inspektoren für Berlin und die Provinz Schlesien lebhaftes Inter- esse. In dem vorliegenden Hefte sind nun nicht blos die Berichte dieser beiden Beamten, sondern auch Diejenigen aus den Provinzen Pommern, Sachsen und den Bezirken Coblenz, Cöln und Trier, endlich „einzelne Mittheilungen“ aus den Berichten der Inspeltoten in Arnsberg und Aachen zum Abdruck gelangt. Die Berichte für . Sachsen und Schlesien erstrecken sich über das ganze verflossene Jahr. Letzterer ist aber nur als Frag⸗ ment zu bezeichnen, da der betreffende Fabrikinspektor mit Rücklicht auf eine von ihm auszuführende größere Arbeit von der Erstattung eines vollständigen Berichtes für dies Mal dispensirt war. Die Be—= richte für Pommern, Coblenz, Cöln, Trier heschränken sich auf die letzien drei Monate des Jahres 1875. Für Düsseldorf liezt kein Be⸗ richt vor, da die im Laufe des Jahres vakant gewordene Fabrik— inspektorstelle erst jetzt wieder besetzt ist. Für Westfalen ist erst in letzter Zeit ein kommissarischer Inspeftor berufen worden, für Han⸗ nover und den Regierungsbezirk Frankfurt steht ein Gleiches bevor.

Der Fabrikinspekter für Ber wlin, Hr. v. Stülpnagel, hebt mit Befriedigung hervor, daß die im vorjährigen Berichte geschilderten Schwierigkeiten, welche der Einführung eines Amtes in die betkhei= ligten Kreise entgegenstanden, zum großen Theile gehoben sind. „Die staatliche Fabrikeninspektion ift jetzt fast durchgängig bekannt, und das Verständniß dafür dringt immer mehr in die Kreise der Betheiligten ein. Wenn bisweilen noch Unbehagen der Arbeitgeber über die staat- liche Einmischung in das bisher unüberwachte Gebiet, und andererseits Gleichgültigkeit, ja Opposition der Arbeiter hinsichtlich der zu ihrem Schutze getroffenen Maßregeln sich geltend machen, so liegt doch der Weg zur Erreichung der Absichten, welche der Regierung bei Begründung des In⸗ stitutes vorschwebten, weit geebneter vor als bei Beginn der Inspektorats- thaͤtigkeit. Die Zabl der jugendlichen Arbeiter von 12416 Jahren beträgt in 336 Fabriken Berlins 1733 und hat gegen 1874 um 203 abgenommen. . ; .

; Der Fabrikinspektor für Pommern, Hr. Härtel, befindet sich erst scit Oktober im Amte. Die Industrie in der Provinz ist arf ein sehr ausgedehntes Territorium veitheilt. Seine Thätigkeit hat sich daher in der kurzen Zeit seiner amtlichen Wirksamkeit nur auf die Gegend erstreckt, in denen eine größere Anzahl Etablissements und befonders solcher, wo jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, vor⸗ handen ist, oder die Fabrikationsweise hesonderen Gefahren aus gesetzt ist. Jug endliche Arbeiter finden fast in allen Fabrikationszweigen, welche in der Provinz vertreten sind, Verwenzung. Jedoch war es. mit der Aus führung der Paragraphen der Gewerbeordnung, welche die Beschäf tigung jugendlicher Ärbeiter regeln, sehr mangelhaft be stellt. Die Einführung der Arbeitsbücher machte viele Schwierig keiten; den Kindern selbst wurde die Beschaffung derselben vielfach erschwert. Von 100 besichtigten Fabriken wurden in 32 jugendliche Arbeiter in einer Gesammtzahl von 48 vergefunden. .

Der Fabrikinspekter für die Provinz Sachsen, Dr. Süßenguth, spricht sich über seine Stellung u. A. wie folgt aus:; .

.Die Stellung und die Aufgabe eines Königlichen Fabriken inspektors für die Provinz war den Fabrikanten vielfach vollständig unbekannt, ich möchte fast sagen unverständlich und wurde vielfach falsch aufgefaßt, zumal da der Titel Fabrikinspektor eine in der Pro⸗ vinz unendlich vielfach vertretene, Bezeichnung ist, welche von vorn⸗

berein zu den eigenthümlichsten Mißverständnisfen und Verwechs lungen

Veranlassung gab. Daneben siellte sich heraus, daß selbft verschledene Polizeiverwaltungen über desfen Funktionen ursprüng⸗ lich wenig oder gar nicht infermirt waren. Es wurde da her fast aller Orten für Klarlegung der Verhältnisse viel Zeit in Anspruch genommen, wozu dann noch der Mangel genauer Verzeichnisse über Zabl und Art der gewerblichen Anlagen der Pro⸗= vinz hinzutrat. Die Königlichen Regierungen konnten zwar Regine x derjenigen Aniagen, welche nach dem Gesetz vom 1, Zuli 1861 un id der Gwwerbeordnung vom 21. Juni 1869 kon esstons pflichtig waren, überweisen, dieselben reichten jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt, wo durch die neue Kreigordnung vom 13. Dezember 1872 den Kr eis - autzschüffen die Konzesstonirung des größten Theil? gewerblicher aln⸗ lagen zugewiesen worden. Andererfeits waren in Folge der viel ichen Geschãftverschmelzungen, Firmveränderungen, Gründungen und iqui⸗ dalionen der letzten Jahre frühere Angaben so unzuverlässig gew o den, daß die Nothwendigkeit herantrat, andere Wege zur Sicherst ellung eines Verzeichnifses einzuschlagea.“ 4

Als Resultat der Untersuchungen ergab sich, daß die Zuchen in du= strie den Hauptzweig der industriellen Thätigkeit der Prooinz bildet. Dieselbe befchäftigte in 155 Fabriken einschließlich der Raffen erien und Fandiefabriken) 25, 49g8 Arbester, von denen unter 16 Jahren. Um die beträchtliche Anzahl von Arbeitern für diese Industrie zusammen zu bringen, wird alljährlich zur Gampagne ein großer Theil Arbeits kräft' auz dem ECichsfelde, dem Torgauer Kreise, von Lendsberg und . herbeigezogen, welche während der Dauer der Betriebszeit ihren

ohnsitßz in den von den Fabrikanten dazu geschaffe⸗ nen Räumen erhalten Von den gesammten, in den Robzuckerfabriken bschäftigten 24,306 Arbeitern, wa⸗ ren 18515 Einheimische und 6287 Eingewanderte und Passanten. In Folge dieses Zuzuges und um den besseren Theil möglichst für sangé Zeit seßhaft zu machen, entstanden eine ganze Rehe von Ka fernen Und Familienwoh nhäusern, welche sich bai einzelnen Fabrik besttzern zu Kolonien von 80 Familien und darüber ausgedehnt haben. Es befinden sich in Ver Provinz insgesammt 87 Fabriken mit 109 sol= cher Kasernen und 107 Familienwohnhäuseen, welche mit 1512 Fa—