höchstens eine Summe von 3,500 000 6 aufgewendet werden.!
(Art. 2) Weiter kommen in Verwendung: a. für Verbesserungen und Erweiterungen an älteren Bahnlinien 1316000 66; b) für den Vollzug des Bahnpolizeireglemants für die Eisenbahnen Deutschlands auf diesseitigen Linien 178940 6 Im Ganzen sollen im Jahr 187677 15 Millionen Mark zu Eisenbahnanlagen ausgegeben werden. (Art. ) Der Mi⸗ nister von Mittnacht machte bei der Debatte über den Stand der bezüglichen Vahandlungen mit Bayern wegen der Eisenbahnanschlüsse folgende Mittheilungen: Die von ihm in diesem Hause am 4. Juni 1875 erwähnten vorläufigen und un⸗ verbindlichen Besprechun gen haben in München stattgehabt, und das Ergebniß herbeigeführt, daß zwar nicht eine Uebereinkunft, aber eine Uebexeinstimmung dafür erzielt wurde, daß, wenn eine Verbindung zwischen Memmingen, Leutkirch und Hergatz zu Stande komme, dann die Strecke Kißlegg⸗Wangen ein Glied dieser Verbindung werde; freilich nicht als Sekundärbahn, son⸗ dern als Normalbahn, die für einen größeren Verkehr eingerich⸗ tet sein muß. Mit einer Sekundärbahn wäre Bayern nicht ge⸗ dient. Seither sind die Verhandlungen mit Bayern nicht weiter ge⸗ rückt. Bon württembergischer Seite wurden im November 1875 detaillirte und bestimmte Vorschläge an Bayern übergeben über Eisenbahnanschlüsse in Memmingen, Hergatz und Würzburg; auch seien Vorschläge über Herstellung der Bodensee⸗Gürtelbahn und über eine mögliche Abzweigung von Memmingen nach Ochsen⸗ hausen nicht außer Acht gelassen worden. Darauf steht eine fachliche Antwort der bayerischen Regierung noch aus, aber es ist Aussicht vorhanden, die Verhandlungen zu einem günstigen Abschluß zu bringen. Der Minister giebt der Hoffnung Aus⸗ druck, daß es in einer nicht fernen Zeit gelingen werde, eine Uebereinkunft, und sei es auch nur wegen des wichtigsten Theils der vorliegenden Anschlüsse, zu Stande zu bringen; eine theil⸗ weise Lösung dürfe man auch acceptiren, vorausgesetzt, daß den übrigen von uns betriebenen Anschlüssen nicht präjudicirt werde. Etwas weiteres über den Stand der Unterhand⸗ lungen mitzutheilen, sei der Minister heute nicht in der Lage.
Die Kammer hat gestern die Art. 1 und 2 und heute die Art. 3 und 4 berathen und angenommen, und schließlich der ganzen Vorlage mit allen abgegebenen Stimmen ihre Zustim⸗ mung ertheilt. Endlich wurde der Kommissionsantrag: „Die Petition des württembergischen Comité's für Erstrebung der Gürtelbahn am Bodensee, den baldigen Bau dieser, Bahn betr.“, der Regierung zur Berücksichtigung bei den küstfrigen Eisenbahnbauten am Bodensee zu übergeben“, nach einer Be⸗ fürwortung durch Maier (Tettnang) ohne Debatte angenommen.
Baden. Karlsruhe, J. Mai. Der von dem Abg. Kiefer, dem Führer der national⸗liberalen Partei Badens er⸗ stattete Kommissionsbericht über den Gesetzentwurf, der die obligatorische Einführung der konfessionslosen Volksschule betrifft, stimmt den Grundsätzen, die dem Ent⸗ wurf zu Gtunde liegen, durchaus zu. Nach Erörterung der verschiedenen Standpunkte in dieser Frage gelangt der Bericht nach der „A. Z.“ schließlich zu folgenden Grund⸗ sätzen: 1) Der Religionsunterricht soll ein obligatorischer Unterrichts gegenstand bleiben und nach Maßgabe der Lehrkräfte jeder Konfession für sich ertheilt werden. Gegenüber der Anforderung den Eltern das Recht zu geben, ihre Kinder von dem Religionsunterricht zu entbinden, verhält
sich die Kommission ablehnend. 2) Die Aufnahme des Religions⸗ unterrichts in den Lehrplan kann der Schule keinen konfessionellen
Charakter verleihen. Die staatliche Schule soll ihrem Wesen und Zwecke nach, der Natur des Staates und der Gemeinde entsprechend, eine paritätische Anstalt sein. 3) Unbeschadet der einheitlichen Leitung der Schule durch die Staatsbehörden soll die Ueberwachung und Besoldung des Religiong⸗ unterrichts durch die Kirche für ihre Angehörigen stattfinden. 4) Die Verwendung des Lehrers bei Ertheilung des Religionsunterrichts als Hülfskraft soll nur unter der Voraussetzung eintreten, daß die Kirchenregierung ihm die kirch⸗ liche Zulassung ertheilt. Endlich hofft die Kommission, daß mit Einführung des staatlichen Charakters der Parität der Volks⸗ schule der Geist der Duldsamkeit schon in früher Jugendzeit tiefer eingepflanzt, Gemeinde und Staat eine Summe überflüs⸗ siger Ausgaben erspart und ein ungerechtfertigter Verbrauch des Lehrpersonals vermieden werde.
— In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer rief die von der Regierung vorgeschlagene Bestimmung über das Schulgesetz, welche den Gemeinden die Befug⸗ niß einräumt, in gewissen Fällen konfessionelle Lehrer der Be— kenntniß⸗Minderheit anzustellen, eine lebhafte Debatte hervor. Obgleich Minister Jolly erklärte, daß das Zustandekommen des Gesetzes von der Annahme des Regierungsvorschlags abhänge, wurde derselbe doch abgelehnt, und der Kommissionsantrag mit allen gegen 11 Stimmen, angenommen, welcher jene Be⸗ fugniß ausschließt. Die Ultramontanen stimmten für den Re⸗ gierungsentwurf. Das gleiche Schicksal hatte die Bestimmung über die sogenannten Klosterschulen; auch hier wurde der Kom— misstongantrag — Aufloͤsung derselben binnen einem Jahr — gegen die Stimmen der Ultramontanen und der beiden Minister Jolly und Turban angenommen.
Miecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 7. Mai. Die Leitung der Vermaltung des Bermögens des Firchen— fonds (jzur Ablösiing der Stolgebühren) ist dem Ministerium, Abtheilung für gesstliche Angelegenheiten, übertragen worden. Bekanntlich gingen nrsprünglich die landesherrlichen Intentionen dahin, die Verwaltiing dem Dber⸗Kirchenrath zu überweisen, wogegen aber die Stände opponirten.
HSessen. Da rm stadt. 7. Mai. Die gesammten Berichte Des Finanz⸗Ausschusses der Zweiten Kamm er über das Budget und die neuen Steuergesetze sind, dem „Frkf. J.“ zufolge, dem Finanz Aus schusse der Ersten Kammer mitgetheilt, worauf dann in der Kürze die in der Verfassung vorgeschriebene gemeinschaftliche Sitzung der beiden Ausschüsse stattfinden wird. Nach diesem Stand der Sache dürfte jedenfalls noch in diesem =, die Berathung im Plenum der Zweiten Kammer beginnen
nnen.
Oldenburg. Oldenburg, 6. Mai. Der am 4. d. M. unter dem Alterspräsidium des Abgeordneten Ahlhorn zusammen⸗ getretene Landtag des Großherz agthums ist gestern nach Be⸗ endigung der Wahlprüfungen vom Staats⸗-Minister v. Berg mit folgender Rede eröffnet worden:
Meine Herren! Se. Königliche Hoheit der Großherzog haben mich Höchsibeguftragt, Sie freundlichst willkommen zu heißen und Ihre Verhandlungen zu eröfftien. Die Gründe, welche Se. Königliche Hoheit bestimmten, den 18. Landtag auf⸗ zulösen und Nett wahlen anzuerdnen, sind Ihnen, meine Herren, bekannt. Die Staatsregierung hält dafür, daß das, was den Konflikt mt dem 18. Landtage
veranlaßt hat, als der Vergangenheit angehörend, in den Hintergrund treten muß, und werden, wenn das ge⸗ schieht, Verständigungen unschwer zu erreichen, weitere bedauer⸗ liche Folgen zu vermeiden sein, zumal die Staatsregierung von dem lebhaften Wunsche beseelt ist, soweit das ihr irgend ver⸗ antwortlich erscheint, die Hand zu Vermittelungen zu bieten. Ihre Hauptaufgabe, meine Herren, wird die sein, mit der Staats · regierung die Gehaltsregulative für die technischen Beamten, die Lehrer der höhern Lehranstalten und die Zoll⸗ und Steuerbeamten zu vereinbaren. Aus der Vorlage, die noch heute in Ihre Hände gelangen wird, werden Sie ersehen, wie ernst der Wunsch der Staatsregierung ist, den Boden für eine Verständigung zu ebnen, und hofft sie, daß die Zukunft ergeben werde, daß sie nicht u weit von der dem 18. Landtage gemachten Borlage abgegangen ist, daß auch mit den ermäßigten Anforderungen der Zweck, Sicherung tüchtiger Kräfte für die Verwaltung und höheren Lehranstalten, erreicht werde. Außer der Regulativvorlage, wird Ihnen, meine Herren, die Staatsregierung nur noch eine Vor⸗ lage, die Einführung einer zweiten Prüfung der Volksschullehrer bekreffend, zugehen lassen. Im Auftrage Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs erkläre ich den Landtag des Großherzogthums für eröffnet.“
Hierauf schritt der Landtag zur Präsidentenwahl und Kon⸗ stituirung des Bureaus. Es wurden gewählt: der Abg. Ahl⸗ horn zum Präsidenten, der Abg. Propping zum Vize⸗Präsidenten und die Abgg. Brörmann, Drost und Meistermann zu Schrift⸗ führern.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 8. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser hat der „Wiener Zeitung“ zufolge genehmigt, daß gemäß den letztwilligen Anordnungen des Herzogs von Modena, dessen Erbe, der Erzherzog Franz Ferdinand, den Namen und das Wappen der Familie Este mit seinem eigenen Namen und Wappen vereinige.
— Der „Neuen freien Presse“ wird aus Ragusa gemeldet, daß den im Ragusaner Bezirke befindlichen 12,000 Flüchtlingen aus der Herzegowina die täglichen Unterstützungen von der Regierung entzogen worden seien.
— 5. Mai. (W. T. B.) Graf Andrassy ist heute Nachmittag 13/4 Uhr nach Berlin abgereist.
Prag, 7. Mai. Im Garten des Grafen Clam⸗Gallas in Koschirsch bei Prag fand gestern zwischen dem Fürsten Wilhelm Auersperg und dem Grafen Kolowrat ein Pistolenduell statt. Vier Schüsse wurden gewechselt. Der Fürst wurde im Unterleib schwer verwundet und Abends mit den Sterbesakra—⸗ menten versehen.
Pest, 8. Mai. In der vorgestrigen Konferenz der libe⸗ ralen Partei gab der Minister⸗Präsident Tisza detaillirte Aufklärungen über das Ergebniß der in Wien stattgefundenen Ausgleichs verhandlungen und knüpfte daran das Ersuchen, die Partei möge offen und unverhohlen ihre Meinung über die einzelnen Punkte des getroffenen Uebereinkommens aussprechen. Bezüglich des Zolltarifs mache er kein Geheimniß daraus, daß dadurch eine Vertheuerung einzelner Waaren, speziell für die ungarischen Kansumenten eintrete, wofür in den gemein⸗ samen Zolleinnahmen kein Aequivalent geschaffen wurde. Dagegen sei von stecreichifcher Seite zugestanden, daß der Zoll auf Mehl, Thiere, Fett und andere thierische Produkte, sowie auf Wein erhöht wurde; endlich werde der Getreide⸗ zoll, der bisher nur gegen Rußland bestehe, auf die ganze Grenze ausgedehnt. Was die Steuerrestitution betrifft, sei hier von österreichischer Seite nicht nur das Prinzip anerkannt, sondern auch bezüglich der Entschädigung ein für Ungarn gün⸗ stiger Schlüssel acceptirt worden. Hinsichtlich der Verzehrungs⸗ steuer hätte das Ministerium gewünscht, daß Ungarn für die Nachtheile, die ihm daraus erwachsen, eine Entschädigung erhalte. Die österreichische Regierung habe dies jedoch für unmöglich er⸗ klärt. Dagegen wurde eine ganze Reihe von Finanzzöllen und Zollerhöhungen auf Konsumartikel, die vom Auslande im⸗ portirt werden, angenommen, welche Zollerhöhungen Un⸗ garn 15 bis 20 Proz. einbringen. Aus diesem Titel und aus der Steuerrestitution werde sich Ungarns Bilanz um 4 bis 41/2 Millionen bessern. Außer diesen Fragen sei auch die Bankfrage besprochen und ein Uebereinkommen erzielt worden. Ungarn habe zwar ein unbestreitbares Recht auf eine vollkommen unabhängige Lösung der Bankfrage, nämlich sich selbständig eine Bank zu errichten. Es liege aber im Interesse des Staats⸗ wie in jenem des Privatkredites der Handel⸗ und Gewerbetreibenden und des Grundbesitzes, daß eine selbständige ungarische Bank errichtet werde, deren Noten kein Disagio gegen Staats ⸗ und Banknoten er⸗ leiden. Es sei deshalb nur das bekannte Komprsmiß übrig geblieben. Ein entsprechender Theil des Baarschatzes der Bank werde in Pest untergebracht werden. Bezüglich der Quoten⸗ frage seien beide Regierungen übereinkommen, wenn diese An⸗ gelegenheit zur Verhandlung komme, für das Festhalten an dem bestehenden Quotenverhaäͤltnisse einzustehen. Dies seien die Grundzüge desjenigen Ausgleiches, welcher unter den obwal⸗ tenden Umständen möglich gewesen. An die unga⸗ rische Regierung sei die Frage herangetreten, ob sie das Erreich⸗ bare zuruͤckweisen und das Land allen hieraus entstehenden Kon⸗ sequenzen aussetzen oder den Ausgleich acceptiren und vor dem Parlamente vertreten wolle. Die Regierung habe sich im Interesse Ungarns und aus Rücksicht auf die europäische Lage für das Letztere entschlofsen. — An diese Erklärung, welche beifällig auf⸗ genommen wurde, knüpfte sich eine längere Diskussion, worauf der Beschluß gefaßt wurde, erst morgen oder übermorgen über das Meritum der vom Minister⸗Präsidenten ertheilten Aufschlüsse zu verhandeln, damit letzterer am Donnerstag im Hause auf die eingebrachten Interpellationen erwidern könne.
Schweiz. Bern, 8. Mai. (W T. B. Die schweize⸗ rische altkatholische Nationalsynode ist auf den - Juni er nach Olten einberufen worden. — Feldmarschall Graf Moltke ist gestern in Lugano eingetroffen.
St. Gallen, 8. Mai. (WB. T. B.) Bei den gestern hier stattgehabten Wahlen zum Großen Rath wurden 98 Liberale und 63 Konservative gewählt.
— Die „Schweiz. Hand. Ztg.“ veröffentlicht ein Verzeichniß der ihr im Monate April 1876 bekannt gewordenen Ge— schenke und Vermächtnisse zu gemeinnützigen Zwecken in der Schweiz. Dasselbe weist eine Summe von 213,756 Fr. aus, welche mit den in den Monaten Januar bis März 1876 ver⸗ öffentlichten Vergabungen im Betrage von 851,611 Fr., für die . vier Monate d. J. die Gesammtsumme von 1,665,367 Fr. ildet.
Großbritannien und Irland. London, JT. Mai. 2 der gestrigen Unterhaussitzung theilte auf Befragen von
Sir H. D. Wolff der Unterstaatesekretär für auswärtige Ange⸗!)
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legenheiten, Bourke, mit, daß das Gerücht, die Regierung der Vereinigten Staaten habe den auf die gegenseitige Ausliefe⸗ rung von Verbrechern bezüglichen 10. Artikel des Washing⸗ toner Vertrages von 1842 gekündigt, der Begründung entbehre.
— In einer Besprechung der Unterhaus⸗Debatten über die centralasiatische Frage stimmt die „Times“ mit der An⸗ sicht des Herrn Disraeli überein, keine Aufsehen erregende Be⸗ sorgniß über die Fortschritte Rußlands in Asien zu bekunden. Wir, fügt das Cityblatt hinzu, möchten es wissen lassen, daß wir nicht eifersüchtig sind auf das russische Vordringen in Cen⸗ tralafien; wir erkennen in demselben die nothwendigen Bewegun⸗ gen einer durch die Nachbarschaft desorganisirter Stämme beun⸗ ruhigten civilisirten Macht, und wir erblicken in diesen Bewe⸗ gungen keinen Anlaß für eine Gefahr für uns selber, weil wir wissen, daß wir unser Besitzthum behaupten können, im Falle
irgend eine unerwartete Eventualität es nöthig machen sollte,
dasselbe zu beschützen.
Frankreich. Paris, 7. Mai. Der Marschall Mac Mahon, der zum Feste der Jeanne d'Arc nach Orleans gereist ist, wurde dort feierlich empfangen. Der Maire hielt eine An⸗ sprache, auf welche der Marschall eine Antwort ertheilte, welche mit Ausnahme der Klerikalen allgemein befriedigte. Die Feste in Orleans sind sehr besucht und dauern noch bis Ende der Woche.
— Die beiden, von der öffentlichen Meinung mit großer Anerkennung begrüßten Erlasse des Ministers Ricard an die Präfekten, die bereits gestern von uns erwähnt Turden, bilden noch immer den Stoff zu Betrachtungen für die Blätter. Das „Journal officiel“ bringt jetzt den Erlaß über die allgemeine Politik. Derselbe lautet:
Paris, den 6. Mai 1876.
Herr Präfekt! Die von der Nationalversammlung beschlossene, von den Wählern ratifizirte und mit so viel Loyalität und Patrio⸗ tismus von dem Marschall Mac Mahon, Pcäsidenten der Republik, in Anwendung gebrachte Verfassung würde zu jeder anderen Zeit ge⸗ nügt haben, um der neu aufgerichteten Verwaltung ihren wahren Charakter zurückzugeben, aber die diesen Exeignissen vorhergegangenen Umstände, deren Wirkung nicht in einem Tage aufhören konnte, ver⸗ langen mehr. Seit einigen Jahren konnten die zur Führunz der Geschäfte des Landes bestellten Männer glauben, daß, da das poli⸗ tische Regiment kein bestimmtes war, sie, ohne gegen ihre Pflichten zu handeln, ihre persönlichen Meinungen offen bewahren und für deren Erfolg vorbereiten konnten. Daraus ent⸗ sprangen Zweideutigkeiten und Widersprüche, welche das öffent⸗ liche Gefühl irre geleitet und verletzt haben. Es ist daher nothwendig, den für die Regierung beleidigenden Zweifeln ein Ziel zu setzen, das Mißtrauen zu verscheuchen, welches die Vergangen⸗ heit rechtfertigen konnte, um in dem Geiste der Parteien Hoffnungen zu vernichten, die in Zukunft aufrührisch sein würden. Deshalb müssen Sie, wenn Sie es noch nicht gethan haben, deutlich erklären, wer Sie sind. Sie sind der Vertreter der Republik in Ihrem De⸗ partement; Sie sind dazu berufen, an einem Werke der Versöhnung und der Beruhigung mitzuarbeiten, welches Sie mit unveränderlicher Beständigkeit auf dem Verwaltungsboden verfolgen werden, das sich aber auf dem politischen Boden keiner Zweideutigkeit und keiner Nach⸗ giebigkeit schuldig machen darf. Das konstitutionelle Regiment hat seine eigenen Regeln, denen Sie in einer anderen Ideenordnung Ihr Auftreten anpassen müssen. Die Ihrem gemeinschaftlichen Werke so nothwendige Eintracht der organisicten Gewalten erheischt in ihren Beziehungen gegenseitige Nachgiebig= keit und Rücksichten. Sie werden diese Verbindlichkeit in Ihren Beziehungen mit den gewählten, neben Ihnen wirkenden Räthen nicht vergessen. Selbst in den Regionen, in die Sie gestellt sind, glaubt man sich in Folge ven Meinungsverschiedenheiten zuweilen er⸗ mächtigt, gegen die Pflichten zu handeln, welche man den Erwählten des Landes gegenüber hat. Dies ist ein Unrecht, und dieses Unrecht wird erschwert wegen Ihrer Verantwortlichkeit, weil es fast immer Schwierigkeiten in der Leitung der Geschäfte verursacht. Ohne weiter diese Pflichten der Höflichkeit zu betonen, welche unsere demokra—⸗ tischen Sitten allein so natürlich machen würden, besteht das Mittel, mit den berathenden Körperschaften die geeigneten Beziehungen aufrecht zu erhalten, darin, die Amtsbefugnissz eines Jeden gewissen⸗ baft zu achten. Diese Pflicht ist und wird für uns in dem Maße, daß wir auf dem liberalen Wege vorwärtsschreiten, zugleich dringlicher und schwerer; denn es erheischt Seitens der Regie⸗ rung und der Verwaltung eine Art von Uninteressirtheit und zu gleich eine aufmerksame Wachsamkeit. Die den lokalen Räthen zu⸗ rückgegebenen Freiheiten sind gewissermaßen der Gesammtheit der Amtsbefugnisse der Verwaltung entnommen. Wir müssen dem Lande die Zurücknahme seiner eigenen Geschäfte erleichtern, und zugleich darüber wachen, um der Centralgewalt den Antheil daran zu be⸗ wahren, welchen zurückzuhalten für das Wohl des Staates wichtig ist. Die Neigung zu 1 ist natürlich in den konstituirten Körper⸗ schaften, die erst seit gestern emanzipirt sind. Ihre Pflicht ist, der- selben zu widerstehen, indem Sie sich jedoch jener eifersächtigen Ge⸗ fühle erwehren, welche die Streitigkeiten hervorrufen und verschlim⸗ mern. Auf diese Weise wird die Verwaltung, welche eine zu große Last ablegt, dazu beitragen, den Senat umzugestalten, ohne ihn zu schwächen. Sie war seit Jahrhunderten eine der großen Kräfte des Landes und wird es bleiben; aber diese Kraft muß, indem sie sich einem neuen Gebrauche fügt, die Nation daran gewöhnen, sich ohne Gefahr für ihr Wohlergehen und ihre Macht der von ihr erlangten Freiheiten zu bedienen. Sie stind der natürliche Vermittler zwischen den Bürgern und der Centralgewalt. Die Pflicht des Wohlwollens und der Unparteilichkeit, welche diese Rechte Ihnen auferlegt, wird leichter sein, wenn sie in Betracht ziehen, daß die Republik jede Partei⸗Idee aus der Regierung ausschließt. Sie, Herr Präfekt, Sie werden eine Regierung vertreten, welche nicht die einer besondern Klasse von Bürgern, noch die einer Sekte ist; deshalb ist auch nicht zu befürchten, daß der Parteigeift Ihr Auf— treten den Männern gegenüber leitet oder Ihre Beschluͤsse betreffs der Geschäfte diktirt. Wie in der Ausübung der Vollmachten, die Ihnen zur Erfüllung Ihrer Mission der Ordnung und sozialen Sicherheit angehören, Sie keinen Vorwand suchen müssen, um persönliche Rechte leichtsinnig zu opfern, eben so geheiligt müssen Ihnen die Rechte der Schwachen sein. Die Republik wird die Dankbarkeit des Landes nur unter der Bedingung verdienen, unsern Spaltungen ein Ziel zu setzen; die großen, jeden Tag in einer fleißigen Bevölkerung entstehenden Inter= essen zu vertheidigen; endlich es zu Stande zu bringen, daß das be— ruhigte, ohne Zwang beschützte Frankreich des den freien Nationen vorbehaltenen Glückes genießt, welcheg darin besteht, zu fühlen, daß man lebt, und einen rechtmäßigen Stolz auf sich selbst zu besitzen. Sie sind, Herr Präfekt, eines der Werkzeuge dieses großen Werkes. Die Regierung rechnet auf Sie, daß Sie Ihrem Departement die Wohlthaten unseres in seiner Einfachheit so edlen Regierungswesens bemerklich machen. Sie sind für einen großen Theil verantworttich, für das Schicksal der von Ihnen verwalteten Bevölkerung, und wenn ich mir den Erfolg vergegenwärtige, den ich von Ihren und Ihrer Kollegen Anstrengungen erwarte, 6. glaube ich behaupten zu können, daß wie Ihr Verhalten, so auch das Urtheil sein wird, welches die beobachtenden Nationen über die Republik fällen werden.
Genehmigen Sie ꝛc. ; Der Minister des Innern A. Ricard.
Die nächsten Parlamentswahlen in Corsica scheinen nicht zu Gunsten Rouhers und seiner Freunde in Chislehurst aus⸗ fallen zu wollen. Letztere wagen nicht, die Kandidatur Abbatucci' s oder irgend eines anderen klerikalen Bonapartisten gegen die des Prinzen Napoleon aufzustellen aus Furcht, meint die „Indep.“ dem Einfluß des Kaiserlichen Prinzen Abbruch zu thun. Durch diese Spaltungen ermuthigt, werden die Republikaner einen ihrer
Parteigenossen, Hrn. Ceccaldi, als Kandidaten aufstellen. Der Brief Rouhers, welcher sein Stillschweigen in der Kammer bei Gelegenheit der Annullirung seiner Wahl erklären soll, wird jetzt veröffentlicht. Er erklärt zwar, er habe aus Achtung für den Sohn Napoleons III. geschwiegen, um ihn nicht in die De⸗ batte vor einer feindlich gesinnten Majorität zu ziehen. Jene Annullirung aber hat ihm selbst Verlegenheiten erspart, da er in Ajaccio und in Riom zugleich versprochen hatte, die Ver⸗ tretung dieser Orte zu übernehmen.
Spanien. Madrid, 8. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Kongresses bekämpfte der Finanz⸗ Minister Salaverria ein von dem Deputirten Cadenas ein⸗ gebrachtes Amendement, dahin gehend, den Termin für die Tilgung der schwebenden Schuld hinauszuschieben. Der Minister führte aus, daß eine solche Maßregel von sehr ungün⸗ stiger Einwirkung sein würde. Der Minister bemerkte sodann, daß es unthunlich sei, die Zoll und Tabaksregie in Privat⸗
entreprise zu geben.
Italien. Rom, 5. Mai. (Ital. Nachr) Der König hat den Kronprinzen von Dänemark zum Ritter des Annunziaten⸗ Ordens ernannt.
— Die „Gazzetta uffiziale“ macht bekannt, daß der Minister des Innern in Berücksichtigung der traurigen Lage, in welcher sich die italienische Kolonie in Rio de Janeiro in Folge des in ihr hausenden gelben Fiebers befindet, dem dortigen Nationalkonsulate 10000 Lire Gold zur Untersüzung hülfs⸗ bedürftiger Landsleute zugeschickt hat.
— Die diesseitigen Gesandten in Buenos Ayres und am Hofe von Kopenhagen Marchese Spinola und Conte della Croce sind von Sr. Majestät in Abschiedsaudienz empfangen worden und werden bald nach ihren Bestimmungsplaͤtzen abreisen.
— Sir Salar Hung, Ober⸗General und Minister⸗ Regent von Hyderabad in Ostindien, ist mit 60 Personen Ge⸗ folge am Bord der „Asia“ im Hafen von Neapel eingelaufen und im Hotel Nobile abgestiegen. Derselbe gedenkt sich dir kt nach London zu begeben, um der Kaiserin von Indien seine Aufwartung zu machen.
— Die klerikale „Roma“ meldet: Nachdem durch den Tod des Kardinal⸗Erzbischofs Tanoczy der erzbischöfliche Stuhl von Salzburg erledigt worden ist, soll der Bischof von Lurk in Kärnthen Monsignor Valentin Wiery auf diesen ersten Bischofs-⸗ stuhl von Deutschland erhoben werden.
— Rach einer dem „Telegraphen Korrespondenz⸗Bureau“ am 8. d. Mts aus Rom zugegangenen Meldung hat der Ma⸗ rine⸗Minister Brin, auf Verlangen des Ministers der Aus wär⸗ tigen Angelegenheiten, Melegari, angeordnet, daß sofort 2 Kriegs⸗ schiffe nach Salonichi abgehen sollen.
Türkei. Konstantinopel, 8. Mai. (W. T. B.) Savfet Pascha ist zum Ju stiz⸗Minister, Djew det Pascha zum Gouverneur von Syrien und Kemal Pascha zum Minister des öffentlichen Unterrichts und der Eykafs ernannt worden.
— Unter dem loyalen und wohlhabenderen Theil der bul⸗ garischen Bevölkerung wird, wie man der „Pol. Korr.“ aus Rustschuk schreibt, seit Kurzem eine Petition an den Sultan kolportirt, deren Ziel die Schaffung eines konstitutio⸗ nellen Staates im absoluten Staate bildet. Mit der Motivi⸗ rung, jedem etwaigen gewaltsamen Umsturze des Bestehenden begegnen zu wollen, wird der Sultan ehrfurchtsvoll gebeten, seinem bulgarischen Vilajet eine Reihe von Zugeständnissen ge⸗ währen zu wollen, welche die Ruhe desselben und die loyale Treue seiner bulgarischen Unterthanen für ewige Zeiten ver⸗ bürgen sollen. Die Petition verlangt: 1) Bulgarien soll fortan ein eigenes Königreich bilden. 2) Der Sultan ist „König der Bulgaren“. 3) Bulgarien erhält eine Repräsentativ⸗ Verfassung und eine eigene aus Christen und Mohamedanern gebildete Regierung, die der nationalen Vertretung und der Krone rerantwortlich ist. 4) Die nationale Vertretung wird in Rustschuk tagen. 5) Die Centralregierung in Konstantinopel behält nach wie vor die Leitung des Kriegewesens und der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten. Die „Korr.“ bemerkt dazu, daß schon im Jahre 1867 in Rustschuk eine analoge Reformpetition zirku⸗ lirte, welche gedruckt vom Auslande importirt wurde. Damals kam es gar nicht zur Ueberreichung, da mittlerweile im Jahre 1868 der Aufstand unter Hadzi⸗Dimitrije ausbrach, welcher von der türkischen Armee unterdrückt wurde.
— Der Aufstand in Bosnien scheint sich gegenwärtig im Stadium des Niederganges zu befinden. Von der Una schreibt man der „Pol. Korr.“: „Wie bekannt, zernirte und berannte der Insurgentenführer Golub mit seinen Schaaren seit etwa vier⸗ zehn Tagen das befestigte Grahowo, welchen Ort in seine Gewalt zu bekommen ihm von der Centralleitung der Insurrektion be⸗ sohlen wurde. Allein trotz der Verstärkungen, die Golub durch die Schaaren des Popen Karan erhielt, gelang es ihm nicht, mit der Belagerung vorwärts zu kommen. Es ist überhaupt zu konstatiren, daß weder die Herzegowiner, noch die bos⸗ nischen Aufständischen einen, wenn auch noch so schwach befestigten Platz in ihre Gewalt zu bringen vermochten, ein Umstand, welcher am lähmendsten auf die intensive Entwick⸗ lung der Bewegung einwirkt. So sah sich denn auch Golub bemüssigt, unverrichteter Dinge von Grahowo abzuziehen und nach Una zurückzukehren. Jetzt will er eine Expedition nach Livno vorbereiten. Aber allem Anscheine nach dürfte auch dieses Unternehmen keinen Erfolg haben, da die Türken in Serajewo auf ihrer Hut sind und rechtzeitig Nachricht von diesem Vor- haben bekamen. Sie entsandten unverzüglich unter dem Miralaj Jussuf drei Tabor Nizams und Redifs nach Livno, welches auf einer von 18,000, meist Mohamedanern, bewohnten Hochebene liegt und ein wichtiger strategischer Punkt ist. Es wird also für Golub die Eroberung von Livns nicht so leicht sein.“
— (W. T. B) Die „Times“ nieldet aus Athen vom 8 d. M. : Die auf stãndische Bewegung in Bulgarien hat bis zum Rhodopegebirge (Despoto⸗Dagh) hin um sich ge⸗ griffen und nimmt eine immer ernstere Gestalt an. Die Pforte sendet, was an Truppen disponibel ist, mittelst der Eisenbahn nach Adrianopel.
Numänien. Bu karest, 9. Mai. (W. T. B.) Das neue Kabinet ist, wie folgt, zusammengesetzt: Manolachi Costachi, Minister⸗Präfident und Minister für die öffentlichen Ar⸗ beiten, Johann Bratiano, Finanz⸗Minister, Cogalniceanu, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Vernescu, Minister für den öffentlichen Unterricht. Der Zustiz⸗Minister und der Kriegs—⸗ Minister sind noch nicht ernannt.
Amerika. Aus Washington liegen in der ‚„A. A. C.“ fol⸗ gende bis zum 5. reichende Kabelnachrichten vor: Der Präsident Grant hat in Erwiderung auf eine Refolution des Repräsentan⸗ tenhauses, worin er angegangen wurde, Rechenschaft über sein
Verhalten während seiner Abwesenheiten vom Sitz der Regie⸗ rung abzulegen, dem Kongreß eine Botschaft übersandt, worin er fich weigert, die gewünschte Auskunft zu erthei⸗ len. Er bestreitet das Recht des Hauses, an ihn eine solche Frage zu richten, ausgenommen für gesetzgeberische Zwecke oder zum Behufe einer gegen ihn einzuleitenden Anklage. Er behauptet, dieselbe sei unnöthig für eine Gesetz—⸗ gebung, und wenn sie zum Zwecke einer wider ihn zu erheben⸗ den Anklage gestellt werde, befitze er das Recht eines jeden Bür⸗ gers, nicht wider sich selber Zeugniß ablegen zu muͤssen. Der Präsident erklärt ferner, er besitze in Gemäßheit der Konstitution ein vollkommenes Recht, die Obliegenheiten der Exekutive in irgend einem Theile der Vereinigten Staaten auszuüben, und er wisse nicht, daß er jemals seine Amtspflichten vernachlässigt habe, wenn er von Washington abwesend war. Er zitirt die Bei⸗ spiele und die Handlungsweise früherer Präsidenten, die niemals wegen ihrer Abwesenheit zur Rechenschaft gezogen wurden. Die Botschaft wurde von den Demokraten mit Ausrufen des Un⸗ willens, von den Republikanern mit Beifall aufgenommen.
— Das Comité des Repräsentantenhauses, welches mit der Untersuchung der Verbindung des Generals Schenck mit der Emma⸗Mine betraut ist, hat seine Zeugenvernehmungen beendigt. — Der Kaiser von Brasilien hat auf seiner Rückreise von San Francisco Omaha passirt. Die Kaiserin hat sich von New⸗Vork nach Philadelphia begeben. — Die repu⸗ blikanische Konvention von Maryland hat ihre Delegirten, welche sie zu der in Cincinnati abzuhaltenden nationalen Kon— vention schickt, instruirt, die Kandidatur des früheren Sprechers des Repräsentantenhauses, Mr. Blaine, für die Präsident⸗ schaft zu unterstützen. Die demokratische Konvention von Süd-⸗Carolina hat ihrer Delegation, die sich zu der natio⸗ nalen Konvention in St. Louis begiebt, freie Hand bezüglich eines Kandidaten für die Präsidentschaft gelassen.
— Zu der bevorstehenden Centennialfeier der Verei⸗ nigten Staaten von Nord⸗Amerika hat sich ein Centen⸗ nial Verein gebildet, in der Ueberzeugung, daß diese Feier nicht würdiger begangen werden könne, als durch eine moralische Wiedergeburt. In erster Reihe dabei stehen William Cullen Bryant und Karl Schurz. Dieselben haben jetzt folgendes bemerkenswerthe Schriftstück weit über das Land hin versandt:
Werther Herr! Die weitverbreitete Korruption unseres öffentlichen Beamtenwesens, welche die Republik in den Augen der Welt entehrt und die Lebenskraft unserer staatlichen Einrichtungen zu lähmen droht; die Ungewißheit der öffentlichen Meinung und der Parteistimmung in Betreff wichtigiter, in hohem Grade die Ehre der Verwaltung, die Reinheit unseres Geschäftslebens und die allgemeine Volkswoßlfahrt in sich schließender wirthschaftlicher Fragen, und endlich die drohende Gefahr, daß es einem willkürlichen Parteigeiste durch die vereinigte Thätigkeit einer verhältnißmäßig kleinen Anzahl von Gewerbapolitikern gelingen möge, selost die patriotischsten Antriebe und Bestrebungen zu übertrumphen, und die politische Gewalt zu selbstsüchtigen Zwecken in ihrer Hand zu vereinigen: lassen es als höchst wünschenswerth erschei-⸗ nen, keine Anstrengung zu sparen, um dim Verlangen des Volkes nach winklichen Reformen einen entscheidenden Einfluß auf die bevorstehende Nationalwahl zu sichern. Angesichts der Thatsache, daß dieses patriotische Streben eben so ehrlich innerhalb der bestehenden poli⸗ tischen Verbände nach wirklicher VBethätigung ringt, wie es sich außer⸗ halb derselben mit Macht kundgiebt, und in dem Glauben, daß es durch alle geeigneten Mittel ermuthigt und in den Vordergrund ge— drängt werden sollte, laden die Unterzeichneten Sie ein, mit Ihnen und anderen in derselben Weise geladenen Gesinnungsgenossen zu⸗ sammenzukommen, um in einer freien Besprechung zu berathen, was zu thun sei, um zu verhindern, daß die Nationalwahl des Centennial Jahres lediglich zu einer Wahl zwischen zwei Uebeln herabsinke, und um die Berufung von Männern für die höchsten Aemter der Republik zu sichern, deren Charakter und Fähigkeit den Anforderungen unserer gegenwärtigen Lage zu entsprechen und die Ehre des amerikanischen Namens zu schützen vermögen.
La Plata Staaten. Buenos Aires, 31. März. Der neuernannte Kaiserlich deutsche Minister⸗Resident v. Holleben ist am 30. d. M. vom Präsidenten der Argentinischen Republik, Dr. Avellaneda, in feierlicher Audienz empfangen worden. Der Empfang war nach dem allgemeinen Eindruck ein besonders herzlicher und freundlicher. Dr. Avellaneda gab in seiner Antwort auf die Ansprache des Herrn von Holleben seinen Sympathien für Deutschland be⸗ redten Ausdruck: „Wir wissen,“ sagte er am Schlusse seiner Rede, „wie sich die Wissenschaft Ihrer Landsleute durch Tiefe und Gründlichkeit auszeichnet, und wir haben, um diese Wissen⸗ schaft besser schätzen und würdigen zu lernen, dahin ge⸗ strebt, daß sie unter uns durch ausgezeichnete Professoren repräsentirt werde, die ihre Lehrstühle an den deutschen Uni⸗ versitäten verlassen haben, um ihre Thätigkeit hierher zu ver⸗ pflanzen. Unsere fortwährenden Bemühungen sind darauf ge⸗ richtet, Bildung unter den Volksmassen zu verbreiten und wir berufen uns oft auf das Beispiel Ihres Volkes, um zu beweisen, daß Bildung die Völker groß und mächtig macht im Frieden wie im Kriege. Sie befinden sich somit, Herr Minister, in einem gastlichen Lande und indem ich Sie als Vertreter Sr. Majestaͤt des Deutschen Kaisers anerkenne, glaube ich der ge⸗ treue Dolmetscher der Gefühle dieses Volkes zu sein, indem ich Ihnen zurufe: Seien Sie willkommen!“
Das Geburtsfest Sr. Majestät des Deutschen Kaisers wurde auch in diesem Jahre unter reger Bethei⸗ ligung hier gefeiert. Alle hiesigen Regierungsgebäude, sämmt—⸗ liche Gesandischaften und Konsulate, sowie die deutschen und eine Anzahl fremder Schiffe hatten geflaggt. Um 12 Uhr wurde von der Hafenbatterie der übliche Salut von 21 Schuß abgegeben. Auch mehrere der deutschen Handels⸗ schiffe feuerten Salut. Die hier erscheinenden deutschen Zeitun⸗ gen brachten am Morgen des 22. März Festartikel. Ein großer Theil des deutschen Kaufmannsstandes vereinigte sich Abends zu einer patriotischen Feier im deutschen Turnverein. Außerdem wurde der Tag auch in anderen deutschen Vereinen und Privat⸗ zirkeln festlich begangen.
Venezuela. Caracas, 26. März. In der Botschaft,“ welche er am 24. d. Mts. im Kongreß verlas, spricht der Präsident der Republik sich folgendermaßen über den Konflikt mit Rom aus:
Die erzbischöfliche Frage können wir der nächsten Regierung nicht ungelöst überlassen, ohne sie oder die nationale Sache Gefahren auszusetzen. Man ließ mich wissen, daß Seine Heiligkeit den Verzicht des Hrn. Guevara erwirken werde und während ich von Augenblick zu Augenblick dieses Resultat er⸗ wartete, um Ihnen diese genugthuende Lösung mitzutheilen, war das, was ich erhielt, nur eine Note, in welcher Alles auf zwei Monate weiter hinausgeschoben wird, vom 19. des letzten Februar an zu rechnen. Da nun der Kongreß 35 Sitzungstage noch hat, außerdem 20 Tage Verlängerung der Session, so will ich in diesen neuen und überraschenden Aufschub willigen in der Sicherheit,
daß der erhabene Kongreß der Regeneration, wie er dies in allen Fragen der liberalen Sache gethan hat, welche der Revo⸗
lution von 1870 aufgetragen und empfohlen waren, auch in der Frage der Regierung der katholischen Kirche thun wird, welche für die Zukunft Venezuelas ebenso bedrohlich ist, als eine Wiederherstellung der Oligarchie es sein würde.
Und von nun an werde ich bestimmt sein und als Regel aufstellen daß, wenn von Rom nicht die angebotene Lösung in der übereingekommenen Weise kommt, wir, — da wir die „Sache des April“ nicht in Zukunft dem aussetzen können, daß fie von ihren Feinden, welche sich mit der Religion Christi mas⸗ kiren, überwältigt werde, — die Zukunft schützen durch ein Ge⸗ setz, welches die venezolanische Kirche unabhängig macht vom römischen Bischof und vorschreibt, daß die Pfarrer von den Gläubigen gewählt werden, die Bischöfe von den Pfarrern, und vom Kongreß der Erzbischof. So war die Regel der von Jesus und seinen Jüngern gegründeten Kirche in den ersten und glorreichsten wie fruchtbarsten Jahrhunderten des Christenthums, und zu welcher diejenigen Völker sich wenden werden, die wahr⸗ haft glauben, wenn die Erhaltung ihrer Souveränetätspräroga⸗ tive dies gebieterisch fordert.
Bedenkt, daß die Diözese von Merida vakant ist und daß wir einen Priester wählen müssen, tugendhaft und versöhnlichen Geistes und unfähig der bürgerlichen Gewalt der Regierung Schwierigkeiten zu bereiten.“
Vereins wesen.
Aus der Rechnungslegung des Deutschen Hülfsvereins zu Paris für das Jahr 1875 geht hervor, daß der Mildthätigkeitssinn der dort lebenden Deutschen für ihre hülfsbedürftigen Landsieute ein gleich reger geblieben ist, daß aber von aus rärts, trotz mehrfacher kbesonders von Seiten hober Gönner in Deutschland zugeflossenen Beiträge, diese gegen das Vorjahr stark gesunken sind, während die Bedürfnisse cher zunehmen und die Mittel des Vereins zur Abbülfe dringendstec Noth sich leider als unzureichend erweisen. Eifreulicher ist was der Rechenschaftsbericht über die Angelegenheit der Gründung eines deutschen Hospitals in der Hauptstadt Frankreichs mittheilt. Der deutsche und der österreichisch ⸗ ungarische Hülfsverein daselbst baben nämlich im April vorigen Jahres ein Uebe einkommen abgeschlossen, wonach der ihnen gemeinsam erwachsene Hospitalfonds, der sich am 1. Januar d. J auf 404,000 Fr. belief, abgetheilt werden soll. Nach dem vereinbarten Maßstabe würden hiervon dem deutschen Verein 220, 009 Fr. zufallen. Die allgemein gehegte Erwartung, daß nach Lösung der erwähnten Gemeinsamkeit sich bessere Aussichkten für Gewinnung von Stiftungszuflüssen eröffnen würden, ist in Erfüllung gegangen: Frhr. v. Diergardt in Bonn, der dem deutschen Verein schon seit lange reiche Unterstützung und wohlwollendste Aufmerksamkeit zuwendet, hat nicht minder sein lebhaftes Interesse für das Zustandekommen eines deutschen Hospitals kundgegeben. Bald nachdem die erwähnte Thei⸗ lung zwischen beiden Vereinen keschlossen war, legte derselbe als Ge⸗ schenk zur Gründung von 10 Freibetten im künftigen deutschen Hospi⸗ tale, nach näher präzisirten Modalitäten, die Summe von 250 00 Fr. in die Hände des dentschen Botschafters Fürften von Hohenlohe. In seiner letzten Generalversammlung hat nun der deutsche Hülfsverein dim allseitigen Dankgefühl gegen den Spender Ausdruck gegeben und den Freiherrn v. Diergardt zum Ehrenmitglied des Vereins erwählt.
stische Nachrichten.
Vom Königlichen statistisch‚topographischen Bureau in Stutt⸗ gart sind jetzt die vorläufigen Ergebnisse der Volks— zählung vom 1. Dezember 1875 im Königreich Württem⸗ berg veröffentlicht worden. Danach belief sich die Volkszahl auf LS88I,505 Einwohner gegen L818, 539 am 1. Dezember 1871, mithin 62, 966 oder 3 45 6/0 mehr. Auf 1000 Ortsanwesende berechnet sich danach ein jäbrlicher Zuwachs von 8,6, ein Verhältniß, welches seit 1834 nur zweimal, in den Jahren 1834— 37 und 1843 — 45 über⸗ troffen wurde Die Bexölkerung der einzelnen Kreise war folgende: Neckarkreis 587.834 EG. (gegen 1871 4 39084 oder 7, i /, Schwarz⸗ waltkreis 454,937 E. (gegen 1871 — 6777 oder 1,531 o), Jagft⸗ kreis 390705 E. (gegen 1871 — 5989 oder 1,36 υ,), Donau⸗ kreis 448031 E. (gegen 1871 4 11,116 oder 23 0). Von den Ober - Amtsbezirken hatten nächst der Stadt Stu tgart mit 15,650 E. (17,06 υ 0, die größte Zunahme: Cannstatt mit 4921 (14,93 υά ), Ludwigsburg mit 4092 (1.220, 0), Ravensburg mit 3091 (9,57 Cso), Ulm mit 4155 (S8, υν), Heilbronn mit 3141 (82), Gmünd mit 2217 (7, 1 0, Stuttgart, Amt, mit 2344 (61 6), Eßlingen mit 2235 (643 0/9). Eine Abnahme in dem Stande der Bevölkerung ist nur in 10 Oberamtsbezirken hervorgetreten; am be⸗ deutendsten war dieselbe in Calw (9, 8s C) und Horb (ä 4,15 G), unzweifelhaft in Folge des Wegzugs der dort beim Eisen— babrbau verwendet gewesenen fremden Arbiꝛiter. Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern sind 123 mit zusammen 633,294 Einw. ermittelt worden, darunter 10 Städte mit mehr als 10, (00 Einw., nämlich: Stuttgart mit 107,273 (gegen 1871 — 17,1 ,, Ulm mit 30,222 E. ( 14, 10,0), Heilbronn mit 21,208 E. (— 11269, Eßlingen mit 19502 E. (— 93 Cο0), Reutlingen mit 15.246 E. ( 7.1 C), Cannstatt mit 15.065 E. ( 27,6 ½), Ladwigsburg mit 14,4709 E. (4 2438 υ)), Gmünd mit 12,838 E. ( 19,5 Yo), Tä⸗ bingen mit 10471 E. (4 1212 0), Ravensburg mit 19,954 E. ( 1889 069. Städte mit mehr als 5080 Einw. waren 13 mtt zu⸗ sammen 943730 Cinw. vorhanden. Die relative Bevölkerung Württem⸗ bergs, auf eine geogr Qu. Meile im J. 1871 5133 Einw., berechnet sich jetzt für das ganze Land auf 5310, Ortsanwesende, und für den Neckar⸗ treis auf 97272, den Schwarzwaldkreis auf 5246,53, den Jagstkreis anf 4185.4“, den Donaukreis auf 39370. Am dichtesten wohnt die Bevölkerung — abgesehen von dem Stadtbezirk Stuttgart mit 36053 auf 1 Qu. Kilometer — in den Oberämtera Cannstatt mit 361,9, Eßlingen mit 266,“, Ludwigsburg mit 237,2, Heilbronn mit 218,6; am wenigsten dicht mit 42. Ortsanwesenden auf 1 Qu. Kilometer im Oberamt Münsingen, mit 455 im Oberamt Keresheim, mit 502 im Oberamt Blaubeuren. Auf 1 Qu. Meile berechnet, beträgt das Maximum 19,9220 Einwohner für Cannftatt, das Minimum 2362.1 für Münsingen.
Knnst, Wissenschaft und Ziteratur.
In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Erd⸗ kunde vom 6. gab der Vorsitzende Hr. v. Rich hofen eine ein⸗ gehende Darlegung des Seeverkehrs nach China bis zur Eat⸗ keckung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung durch die
ortugiesen. Nach dem Schlusse des Vortrages sah sich indessen 3 Kiepert veranlaßt, zu konstatiren, daß die Resultate seiner diesbezüglichen Forschungen fast in allen Punkten mit den v. Richt- hofenschen Angaben im Widerspruch ständen und verwies auf seine demnächst im Druck erscheinende Acbeit. Da inzwischen die Zeit zu weit vorgerückt war, mußte Hr. Dr. Nachtigal auf die in Aussi gestellten Mittheilungen aus Afrika verzichten.
— Am 7. tagte in Weimar die Generalversammlung der deutschen Shakespeagre⸗Gesellschaft. Den Festvorteag hielt Professor Delius aus Bonn über die epischen Elemente bei Shakespeare.
— Der englische Geschichtschreiber Lord Macaulay ist durch eine neue Biographie seiner Nation und den Zeitgenessen wieder vor Augen geführt worden. Mit großem Beifall wird das kür lich erschienene Werk seincs Neffen, G. O. Trivelvan „The life and letters of Lord Macanlayt (London, 1876) von den englischen Blät⸗ tern begrüßt. Wie aus diesem nun veröffentlichten Briefwechsel her⸗ vorgeht, entsprach Lord Macaulay's Charakter im Privatleben durch= aus seiner öffentlichen Wirksamkeit. Die Würde und Hochachtung, welche ihm sein Volk und die gebildete Mitwelt einräumt, berubte auf einer wahrhaft menscher freundlichen, edelgesinnten Persänlichktit. — Der Gedanke, im Jahre 1878 eine hundertjährize Todes⸗ feier für Voltaire ( 36. Mai 1778) und für Fean Jacques